Verbot des Tragens und Mitsichführens von sog Guy

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Verbot des Tragens und Mitsichführens von sog Guy
VG Regensburg, Beschluss v. 10.02.2012 – RO 9 E 12.257
Titel:
Verbot des Tragens und Mitsichführens von sog Guy-Fawkes-Masken bei einer
Versammlung
Normenketten:
BayVersG Art. 16 II Nrn. 1 u. 2, III
Art. 16 Abs. 3 BayVersG
Art. 16 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 BayVersG
Art. 16 Abs. 2 Nr. 2 BayVersG
BayVersG Art. 16 II Nrn. 1 u. 2, III
Art. 16 Abs. 3 BayVersG
Art. 16 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 BayVersG
Art. 16 Abs. 2 Nr. 2 BayVersG
BayVersG Art. 16 II Nrn. 1 u. 2, III
Leitsatz:
1. Zum Verbot des Tragens und Mitsichführens von sog. "Guy-Fawkes-Masken" bei einer
Versammlung. (amtlicher Leitsatz)
Orientierungsatz:
Versammlung; Vermummungsverbot; Masken; Ausnahme
Schlagworte:
Guy-Fawkes-Masken, Versammlung, Vermummungsverbot, Ausnahme, organisierte Kundgebung
Tenor
I.
Das Verfahren wird eingestellt.
II.
Die Kosten des Verfahrens hat die Antragsgegnerin zu tragen.
III.
Der Streitwert wird auf 2.500,- Euro festgesetzt.
Gründe
Die Hauptbeteiligten stimmen durch die jeweils am 10. Februar 2012 bei Gericht eingegangenen
Erklärungen in der Erledigung der Hauptsache überein.
Das Verfahren ist demnach einzustellen. Über die Kosten des Verfahrens ist gemäß § 161 Abs. 2 der
Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sachund Streitstandes zu entscheiden. Der Billigkeit entsprach es, die Kosten des Verfahrens der
Antragsgegnerin aufzuerlegen, der Antragstellerseite brauchte daher keine weitere Frist für eine
Stellungnahme zur zu treffenden Kostenentscheidung eingeräumt werden.
a) Dem liegt folgender bisheriger Sachstand zugrunde:
Der Antragsteller zu 2) hat bei der Antragsgegnerin für Samstag, 11. Februar 2012, eine Versammlung
unter dem Motto „Stop Acta!“ angemeldet. Als Versammlungsgegenstände wurden im Laufe des Verfahrens
u. a. sog. „Guy-Fawkes-Masken“ genannt.
Mit Bescheid vom 8. Februar 2012 bestätigte die Antragsgegnerin den Eingang der Anzeige der geplanten
Versammlung und traf verschiedene Festlegungen. Im Sachverhalt ist angemerkt, dass das Bayerische
Staatsministerium des Innern zur Problematik der „Guy-Fawkes-Masken“ dahingehend Stellung genommen
habe, dass die Masken unter das Vermummungsverbot fielen. Am Bescheidsende ist unter „Hinweise“
angemerkt, dass auf das Vermummungsverbot des Art. 16 Abs. 2 des Bayerischen Versammlungsgesetzes
(BayVersG) hingewiesen werde.
Mit am 10. Februar 2012 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz begehren die Antragsteller Eilrechtsschutz
mit dem Hauptantrag (Ziffer 1), im Wege der einstweiligen Anordnung die Antragsgegnerin zu verpflichten,
hinsichtlich der von der Antragstellerin zu 1) organisierten Kundgebung am 11.02.2012 in Regensburg
beginnend um 14.00 Uhr, eine Ausnahme von Artikel 16 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 BayVersG dahingehend
zuzulassen, dass auf der Kundgebung das Mitsichführen und Tragen von Guy-Fawkes-Masken vor dem
Gesicht erlaubt ist. Daneben wurden insgesamt vier weitere Anträge hilfsweise gestellt. Wegen der
vorgetragenen Gründe wird auf den Inhalt des Schriftsatzes Bezug genommen.
Hierzu gehört, teilte die Antragsgegnerin dem Gericht mit Telefax vom 10. Februar 2012 mit, dass sie die
unter Ziffer 1 des Schriftsatzes der Antragsteller vom 10. Februar 2012 begehrte Ausnahme von Art. 16
Abs. 2 Nrn. 1 und 2 BayVersG zulasse.
b) Auf Grundlage dieses Sachverhalts hat die Antragsgegnerin dem Begehren aus Gründen abgeholfen, die
in ihrem Verantwortungsbereich liegen. Schon dies spricht nach Billigkeitsgesichtspunkten dafür, die Kosten
des Verfahrens ihr aufzuerlegen.
c) Ungeachtet dessen ist nach dem zugrunde zu legenden Streitstand davon auszugehen, dass die
Antragsgegnerin voraussichtlich unterlegen wäre und ihr auch deshalb die Kosten aufzuerlegen sind. Der
Antrag wäre nämlich nicht nur nach § 123 VwGO in Form einer Regelungsanordnung statthaft und auch
sonst zulässig gewesen, sondern zumindest bei summarischer Prüfung voraussichtlich auch begründet. Es
spricht nämlich einiges dafür, dass ein Anordnungsanspruch hinsichtlich des Hauptantrags gegeben
gewesen wäre.
Auch wenn die Antragstellerseite keinen schriftförmlichen Antrag auf Erteilung einer Ausnahme nach Art. 16
Abs. 3 BayVersG gestellt hatte, hatte die Antragsgegnerin über eine solche zu entscheiden. Im Laufe des
Verfahrens war von Veranstalterseite offenbar ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass als
Versammlungsgegenstände „Guy-Fawkes-Masken“ geplant sind. Zwar müssen Masken nicht zwangsläufig
vor dem Gesicht getragen werden, nach Art. 16 Abs. 2 Nr. 2 BayVersG ist aber bereits das Mitsichführen
von Gegenständen verboten, die geeignet und den Umständen nach dazu bestimmt sind, die Feststellung
der Identität zu verhindern. Bereits deshalb hätte für die Antragsgegnerin Anlass bestanden, die Erteilung
einer Ausnahme nach Art. 16 Abs. 3 BayVersG von Amts wegen zu prüfen, ein Antragsvorbehalt ist im
Gesetz nicht enthalten (vgl. Dietel/Gintzel/Kniesel, Versammlungsgesetz, 16. Auflage 2011, § 17a Rn. 34).
Bei summarischer Prüfung wäre wohl auch davon auszugehen gewesen, dass die von Antragstellerseite
vorgesehenen Masken beim Tragen vor dem Gesicht unter das Vermummungsverbot nach Art. 16 Abs. 2
Nr. 1 BayVersG fallen und daher nicht ohne Erteilung einer Ausnahme getragen werden dürfen. Danach ist
es kraft Gesetzes verboten, an Versammlungen oder sonstigen öffentlichen Veranstaltungen unter freiem
Himmel in einer Aufmachung teilzunehmen, die geeignet und den Umständen nach darauf gerichtet ist, die
Feststellung der Identität zu verhindern. Unter Art. 16 Abs. 2 Nr. 2 BayVersG fällt grundsätzlich „jedes Mittel,
mit dem die Unkenntlichmachung oder das Verbergen der Gesichtszüge erreicht wird. Dies kann durch
Bemalen, Aufkleben falscher Bärte, Tragen von Pappnasen und in ähnlicher Weise geschehen. Das
Verbergen der Gesichtszüge wird durch Verkleidung oder Maskierung, insbesondere durch Aufsetzen von
Gesichtsmasken (…) erreicht“ (so zu § 17a Abs. 2 Nr. 2 des Versammlungsgesetzes des Bundes als
vergleichbarer Regelung Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, § 17a VersG, Rn. 7, zitiert nach
BayVGH, Beschluss vom 3. Februar 2006, Az. 24 CS 06.314 <juris>). Die Vermummung ist gesetzlich
grundsätzlich verboten, weil das Auftreten vermummter Demonstranten und der Ausbruch von
Gewalttätigkeiten erfahrungsgemäß durchaus in Zusammenhang stehen (vgl. KG Berlin, Urteil vom 7.
Oktober 2008, Az. (4) 1 Ss 486/07 (286/07) <juris> zu den Motiven des Bundesgesetzgebers für die
vergleichbare Regelung in § 17a Abs. 2 Nr. 1 des Versammlungsgesetzes des Bundes, die auch für die
entsprechende Regelung im BayVersG angenommen werden können). Die zuständige Behörde kann aber
nach Art. 16 Abs. 3 BayVersG Ausnahmen von diesen Verboten zulassen, wenn eine Gefährdung der
öffentlichen Sicherheit und Ordnung nicht zu besorgen ist.
Die streitgegenständlichen Masken haben offenbar eine Größe, mit der der gesamte Gesichtsbereich
verdeckt werden kann; die Masken sind damit zumindest im Falle des Tragens vor dem Gesicht geeignet,
dieses so zu verhüllen, dass eine Identifizierung des einzelnen Teilnehmers nicht mehr möglich ist. Neben
dieser objektiven Eignung muss allerdings die Aufmachung den Umständen nach auch darauf gerichtet
sein, die Identifizierung zu verhindern. Davon ist bei den sog. „Guy-Fawkes-Masken“ auszugehen, die
offenbar zum Sinnbild der Anonymität als Deckmantel für revolutionäre Aktionen wurden und speziell bei
der Anonymous-Bewegung gerade dazu dienen, die Forderung nach Anonymität und entsprechender
Bewegungsfreiheit im Internet symbolhaft auszudrücken. Mit den Masken soll daher bei der beabsichtigten
Versammlung gerade auch eine Anonymität der Versammlungsteilnehmer hergestellt, mithin eine
Identifizierung verhindert werden. Nicht erforderlich ist es hingegen, dass die Verhinderung der Identifikation
durch die Strafverfolgungsbehörden alleinige oder vorrangige Motivation sein muss (vgl. KG Berlin, Urteil
vom 7. Oktober 2008, Az. (4) 1 Ss 486/07 (286/07) <juris> m. w. Nachw.).
Wenn man davon ausgeht, dass das Tragen der „Guy-Fawkes-Masken“ dem Vermummungsverbot
unterfällt, so wäre die Versagung eines dann erforderlichen Dispenses angesichts der
verfassungsrechtlichen Dimension nur unter sehr engen Voraussetzungen zulässig gewesen; eine derartige
Entscheidung muss die verfassungsrechtlichen Positionen der Antragsteller insbesondere in Bezug auf die
Meinungsäußerungs- und die Versammlungsfreiheit in besonderer Weise würdigen und mit den von der
Antragsgegnerin zu vertretenden öffentlichen Sicherheitsbelangen miteinander und untereinander gerecht
abwägen. Die Prognose, ob eine die Erteilung einer Ausnahme ausschließende Gefährdung gegeben sein
kann, ist auf hinreichend sichere Tatsachen zu stützen; fehlen solche Erkenntnisse, wird das Ermessen
regelmäßig in Richtung auf Erteilung des Dispenses reduziert sein, hiervon abweichender
Ermessensgebrauch wäre nicht grundrechtsfreundlich (vgl. Schaden/Beckmann/Stollenwerk, Praxis der
Kommunalverwaltung, Versammlungsgesetz, Erläuterungen zu § 17a, 6 <beck-online>). Die zuständige
Behörde hat nach Dietel/Gintzel/Kniesel, Versammlungsgesetz, 16. Auflage 2011, § 17a Rn. 34 immer dann
eine Befreiung vom Verbot zu bewilligen, wenn sie keine ausreichend sicheren Erkenntnisse für eine
Gefährdung der öffentlichen Sicherheit hat.
Das Tragen der Masken dürfte hier durchaus als künstlerisches Kundgebungsmittel einzuordnen gewesen
sein, das gerade die politische Aussage der Versammlung transportieren und einen wesentlichen Kern der
Forderungen vermitteln soll. Vorliegend mag zwar nicht auszuschließen sein, dass öffentliche
Sicherheitsinteressen beeinträchtigt werden, ein mehr als nur geringer Umfang war im maßgeblichen
Zeitpunkt aber nicht erkennbar. Eine hinreichend belastbare, auf Tatsachen gestützte Gefahrenprognose
durch die Polizei, die auf eine andere Beurteilung hinführen würde, ist nicht vorgelegt worden. Vielmehr hat
die Polizei im Rahmen des Kooperationsgesprächs offenbar zu erkennen gegeben, vorliegend keine
sicherheitsrechtlichen Bedenken gegen die Masken zu haben. Auch die Antragsgegnerin selbst hat offenbar
anerkannt, dass die im die Versammlung tragenden Bündnis zusammengefassten Organisationen und
Gruppierungen vor Ort nicht durch Gewalt oder Ähnliches aufgefallen seien. Zwar ist zuzugeben, dass mit
den Masken eine Identifizierung verhindert bzw. es zumindest erleichtert werden kann, das Gesicht schnell
zu verhüllen, und so womöglich Straftaten zu begehen, ohne identifiziert werden zu können; auf der
anderen Seite könnte - wer es darauf anlegen wollte - auch ohne weiteres andere geeignete Gegenstände
mit sich führen, um dann sein Gesicht zu verhüllen; dabei ist es unerheblich, ob derartige Gegenstände
zunächst verdeckt oder angesichts der im Versammlungszeitpunkt voraussichtlich herrschenden
Temperaturen auch offen mitgeführt werden, Schals, Mützen oder ähnliche wärmende Kleidungsstücke sind
von der Versammlungsbehörde ja nicht verboten worden. Daher scheint es vorliegend angesichts der
Gefahrenprognose für die konkrete Veranstaltung nicht gerechtfertigt gewesen zu sein, das
Kundgebungsmittel des Tragens und Mitsichführens von „Guy-Fawkes-Masken“ verboten sein zu lassen.
Dies hat die Antragsgegnerin offenbar inzwischen erkannt und dementsprechend tatsächlich noch
Ausnahmen von Art. 16 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 BayVersG zugelassen.
Zusammenfassend ist damit zumindest bei summarischer Prüfung davon auszugehen, dass vorliegend bei
der gegebenen Erkenntnislage ein Aufrechthalten der Verbote des Tragens der Masken vor dem Gesicht
und des Mitsichführens einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Versammlungsfreiheit dargestellt und
somit ein Anordnungsanspruch im Umfang des Hauptantrags bestanden hätte (über die weiterhin gestellten
Hilfsanträge wäre daher nicht mehr zu entscheiden gewesen). Vorsorglich wird darauf hingewiesen, dass
dies freilich nicht bedeutet, dass diese Ausnahmen vorbehaltlos erteilt werden müssten. Vielmehr ist etwa
an einen Widerrufsvorbehalt für den Fall zu denken, dass die friedliche Qualität der Versammlung verloren
geht (vgl. Dietel/Gintzel/Kniesel, Versammlungsgesetz, 16. Auflage 2011, § 17a Rn. 34), unabhängig davon,
ob dies aus Gründen erfolgt, die im Tragen oder Mitsichführen der Masken ihre Ursache haben, oder aus
anderen Gründen.
Ein Anordnungsgrund bestand angesichts des für den 11. Februar 2012 geplanten Versammlungstermins
ohne Weiteres. Auch eine Vorwegnahme der Hauptsache wäre hier im Lichte des sich aus Art. 19 Abs. 4
GG ergebenden Gebots, effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten, ausnahmsweise zulässig gewesen, weil
anderenfalls ein endgültiger Rechtsverlust gedroht hätte.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 des Gerichtskostengesetzes unter Berücksichtigung der Nrn. 1.5
und 45.4 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NVwZ 2004, 1327 ff).