HUMBOLDT UNIVERSITÄT ZU BERLIN Johanna Schmidt

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HUMBOLDT UNIVERSITÄT ZU BERLIN Johanna Schmidt
HUMBOLDT UNIVERSITÄT ZU BERLIN
Johanna Schmidt-Räntsch
Sommersemester 2016
Vorlesung Kaufrecht am 25. April 2016
HUMBOLDT UNIVERSITÄT ZU BERLIN
III. Angebot
3. Falsa demonstratio
4. Annahmefristen, Fortgeltungsklauseln, Modifizierte Annahme
IV. Annahme
1. Annahme
2. Unaufgeforderte Zusendung von Waren
B. Vorvertragliche Aufklärungspflichten,
Beratungsvertrag
(c) Johanna Schmidt-Räntsch, Kaufrecht,
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III. Angebot
3. Falsa demonstratio
Haakjöringsköd-Fall RGZ 99, 147
Es gilt das Gemeinte.
F. D. gilt auch für formgebundene Geschäfte.
(c) Johanna Schmidt-Räntsch, Kaufrecht,
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Pflasterungsfall (BGH NJW 2002, 1038)
E schließt mit dem Beklagten einen Kaufvertrag, in welchem der
Kaufgegenstand mit grundbuchblatt- und der Flurstücksnummer
bezeichnet wird. Die Urkunde enthält auch die Auflassung. Vor
Vertragsschluss hatte der Beklagte gemeinsam mit E das Anwesen
besichtigt. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Kläger, der Inhaber des
Restaurants nebenan, die Hoffläche der ihm gehörenden Grundstücke
und in Absprache mit E die von ihm für Parkplätze genutzte Teilfläche
des verkauften Grundstücks bereits einheitlich mit roten, gerade
verlegten Steinen gepflastert. Dagegen bestand das Pflaster der
übrigen Hoffläche des Grundstücks des E aus grauen, bogenförmig
verlegten Natursteinen. Zur Abgrenzung der von ihm genutzten
Teilfläche hatte der Kläger im Anschluss an eine auf der Grenze
verlaufende halbhohe Mauer zwei massive Steinpoller setzen lassen.
Der Kläger erfährt von dem Verkauf und verlangt aus abgetretenem
Recht des E Berichtigung des Grundbuchs. Zu Recht?
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Überpflanzungsfall (BGH NJW 2008, 1658)
Die Beklagte erwarb ein Grundstück und bebaute es mit einem
Bürogebäude und eine Kaufoption für das benachbarte unbebaute
Grundstück. Sie ließ einen großzügigen Park anlegen und dabei auch
das Nachbargrundstück teilweise bepflanzen. Einige Jahre wollte sie
ihr Anwesen verkaufen und führte der am Kauf interessierten Klägerin
vom Dach des Bürogebäudes das Anwesen vor, das die Klägerin
wegen des Parks besonders ansprach. In dem danach beurkundeten
Kaufvertrag
wurde
das
Grundstück
mit
Grundbuchund
Flurstücksnummer bezeichnet. Als das Nachbargrundstück später an
einen Dritten verkauft werden sollte, fiel auf, dass ein Teil der
Gartenanlage auf diesem Grundstück lag. Da die Beklagte es
ablehnte, der Klägerin das Eigentum auch an dieser Teilfläche zu
verschaffen, erwarb diese sie hinzu. Sie verlangt von der Beklagten
Ersatz der Erwerbskosten, die sie mit 90.000 € beziffert, nebst
Zinsen. Zu Recht?
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III. Angebot
4. Annahmefristen, Fortgeltungsklauseln, Modifizierte Annahme
NATO-Wohnungsfall
BGH, Urt.v.20.2.2016 – V ZR 208/14, juris
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NATO-Wohnungen (BGH, Urt.v.20.2.2016 – V ZR 208/14, juris)
V möchte für Offiziere ausländischer Streitkräfte in Deutschland 24
Doppelhaushälften
errichten,
an
die
Bundesanstalt
für
Immobilienaufgaben (BIMA) vermieten und unter Weitergabe der
Mietverträge an Interessenten zur Steuersparzwecken verkaufen. Er
gewinnt den K, der ihm ein von ihm vorformuliertes Angebot zum
Kauf macht. Das Angebot enthält eine Option zur Umsatzsteuer.
Ferner ist vorgesehen, dass K sich an das Angebot unwiderruflich bis
zum Ablauf von 3 Monaten gebunden hält und sein Angebot danach
jederzeit widerruflich bestehen bleiben sollte. Das Angebot sollte vom
Veräußerer erst angenommen werden können, wenn K dem V –
innerhalb von 2 Monaten - schriftlich mitteilt, dass die Finanzierung
zu für ihn zu akzeptablen Bedingung[en] gesichert ist. V nahm das
Angebot 6 Wochen nach Beurkundung an. Zwei Tage später nahm die
Bank den Darlehensantrag an. Die K verlangt Rückabwicklung des
vollständig abgewickelten Vertrags. Zu Recht?
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IV. Annahme
1. Normalfall
a) Erklärung oder erklärungsgleiches Verhalten
b) Inanspruchnahme von Leistungen
c) Annahmebetätigung
d) Schweigen
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1. Normalfall
a) Erklärung oder erklärungsgleiches Verhalten
Trierer Weinversteigerung (H. Isay)
Der ortsunkundige A besucht eine Weinversteigerung in Trier.
Als er den befreundeten B entdeckt, winkt er ihm zu. Der
Auktionator erteilt dem A daraufhin den Zuschlag für den
aktuellen Posten. A will sein Gebot nicht berichtigen. Darf er
das? Wenn ja: kann der Auktionator die Auktionskosten von
500 € verlangen?
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BGH, Urt.v.14.5.2014 – VII ZR 334/12, NJW 2014, 2100
Fleißig bestellt bei Listig Schalbretter für eine seiner
Großbaustellen, die in mehreren Tranchen geliefert werden
sollen. Er faxt dem Listig den seinerseits unterzeichneten
Vertragstext, in dem Liefertermin, eine Vertragsstrafe und ein
Sicherheitseinbehalt von 3% der Auftragssumme vorgesehen
waren. Listig ruft Fleißig wegen einer Änderung der
Liefertermine an und vereinbart mit ihm, den Text noch einmal
auszudrucken und seinerseits unterzeichnet zurückzufaxen. In
dem zurückgefaxten Text sind nicht nur die Liefertermine
geändert, sondern – äußerlich kaum merklich - auch der
Sicherheitseinbehalt gestrichen und ein Aufrechnungsverbot
eingefügt worden. Fleißig unterzeichnet das Exemplar. Als er
den Einbehalt geltend macht, kommt die Sache heraus. Gilt er?
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Telefonhotline (OLG Schleswig NJW 2004, 231)
Der klagende Verbraucherschutzverband nimmt die Beklagte
auf Unterlassung folgender Geschäftspraktik in Anspruch: Die
Beklagte
vertreibt
Multimediapaketen,
mit
denen
Telekommunikationsverträge nebst Mobiltelefonen angeboten
werden. Diese können bei einer Bestellhotline bestellt werden.
Die Kunden erhalten einen schriftlichen Vertrag mit dem
entsprechenden Gerät und der Chipkarte im Wege des
PostIdent-2-Verfahrens zugeschickt. Eine Widerrufsbelehrung
erhalten die Kunden nicht. Ist das richtig?
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Computerspielfall (Manfred Wolf)
Spielehersteller V schickt dem K unaufgefordert ein
Computerspiel zu. Auf der Verpackung steht neben dem
Kaufpreis von 60 € der Aufdruck: Bei Aufreißen der
Verpackung kommt ein Kaufvertrag zustande. K reißt die
Verpackung auf, um das Spiel auszuprobieren. V verlangt 60 €.
Was meinen Sie?
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1. Normalfall b) Inanspruchnahme von Leistungen
Versorgung (BGH NJW 2009, 913)
Die Beklagte ist seit Sommer 2001 Eigentümerin eines
Grundstücks, das die Klägerin mit Trinkwasser versorgt; sie
entsorgt
auch
das
anfallende
Schmutzund
Niederschlagswasser. Sie beansprucht von der Beklagten, die
sie
auf
Grund
deren
Eigentümerstellung
als
ihre
Vertragspartnerin ansieht, für die zwischen Dezember 2004 bis
September 2005 auf privatrechtlicher Grundlage erbrachten
Ver- und Entsorgungsleistungen Leistungsentgelte von
insgesamt 80.725,97 €. Die betreffenden Entgelte hatte die
Klägerin
- wie schon
in der Zeit
davor - der
Grundstücksmieterin, der inzwischen insolventen C-GmbH,
ohne Beteiligung der Beklagten direkt in Rechnung gestellt. Zu
Recht?
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1. Normalfall c) Annahmebetätigung
Computerhandel (LG Gießen NJW-RR 2003, 1206)
Die Beklagte betreibt einen Computerhandel mit Online-Shop.
Der Kläger bestellte per E-Mail am 11. 3. 2002 drei auf der
Web-Site der Beklagten mit 79 € beworbene sog. Switches
„Typ D-Link DES-1024“. Er erhielt noch am gleichen Tag zwei
E-Mails der Beklagten, in denen diese sich u. a. für die
Bestellung bedankte und ihm eine Kundennummer zuwies. Am
28. 3. 2002 lieferte die Beklagte Switches eines anderen Typs,
die der Kläger als nicht bestellt zurückwies. Die Beklagte berief
sich auf eine Verwechslung bei der Eingabe in die Preislisten
für ihre Homepage und bot dem Kläger eine Gutschrift oder die
Switches „Typ D-Link DES-1024“ zu einem teureren Preis an.
Der Kläger besteht auf der Lieferung zum billigeren Preis. Was
meinen Sie?
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1. Normalfall d) Schweigen
Wärmesilofall (BGHZ 61, 282)
Nach längeren Verhandlungen erzielten die Parteien Ende
November 1969 im Wesentlichen Übereinstimmung über Art
und Ausstattung eines Wärmesilo sowie über Kaufpreis und
Zahlungsweise. Die Beklagte behielt sich aber den
Vertragsschluss vor. Sie bestellte unter Verwendung ihres
eigenen Bestellscheins mit ihren AGB einen Wärmesilo mit
einer Lieferfrist bis zum 15. April 1970. Die Lieferfrist war nach
den AGB verbindlich. Die Klägerin übersandte daraufhin der
Beklagten
am
5.
Januar
1970
eine
detaillierte
„Auftragsbestätigung“ mit ihren AGB, wonach die Lieferfristen
nicht verbindlich waren. Es kam zu einer Lieferverzögerung,
auf Grund derer die Klägerin Verzugsschaden verlangt. Zu
Recht?
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2. Unaufgeforderte Zusendung von Waren
(§ 241a BGB)
a) Grundsatz: § 241a Abs. 1 BGB
b) Anwendung:
Computerspielfall,
OLG Köln NJOZ 2001, 971
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Unbestellte Druckexemplare (OLG Köln NJOZ 2001, 971)
Die Beklagte übersandte Frau B, die bei ihr ein Abonnement
der Zeitschrift „NebenJobs“ unterhielt, unbestellt eine
„Sonderausgabe Schreibbüro Februar 2000“ zum Preis von
24,80 DM, die sie neben dem Druckerzeugnis „NebenJobs“
unter der Überschrift „Ihre Anforderung vom: 30. 9. 1999“ am
21. 1. 2000 in Rechnung stellte. Diese unterrichtete die
Verbraucherzentrale, die die Beklagte auf Unterlassung in
Anspruch nimmt. Zu Recht?
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Thema
Vorvertragliche Aufklärungspflichten, Beratungsvertrag
I. Vorvertragliche Aufklärungspflichten
II. Beratungsvertrag
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I. Vorvertragliche Aufklärungspflichten
1. Sachmängel und Aufklärungspflichten
Ausgangslage:
Käufererwartung übersteigt die Vertragsbeschaffenheit
2. Vorvertragliche Aufklärungspflicht
a) Grundlage: §§ 241 Abs. 2, 280 BGB
b) Aufklärungspflicht (J. Schmidt-Räntsch, ZfIR 2004, 569)
Grundsatz: keine Pflicht zu ungefragter Auskunft
Fragen sind vollständig und richtig zu beantworten.
Ungefragt sind Umstände zu offenbaren, die
- der Verkäufer kennt,
- der Käufer nicht kennt und nicht erkennen kann und
- für den Kaufentschluss bedeutsam sind.
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c) Rechtsfolge
– Vertrauensinteresse
Diesen Vertrauensschaden kann der Geschädigte aber auch in der
Form berechnen, dass er es bei dem geschlossenen Vertrag belässt
und Ersatz der sich aus den verschwiegenen Mängeln ergebende
Wertdifferenz verlangt. Dafür wird er so behandelt, als wäre es ihm
gelungen, einen entsprechend niedrigeren Preis durchzusetzen. (BGH,
Urt.v.9.5.2006 - V ZR 264/05 , BGHZ 168, 35, 39)
- Erfüllungsinteresse
Dazu muss der Käufer aber nachweisen, dass sich der Verkäufer auf
den behaupteten Vertrag andern Inhalts eingelassen hätte. Das ist
aber die Ausnahme. (BGH, Urt.v.9.5.2006 - V ZR 264/05, BGHZ 168,
35, 40 f.)
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Boardinghousefall
(BGH, Urt.v.6.4.2001 - V ZR 394/99, NJW 2001, 2875)
Der Kläger kaufte von dem Beklagten ein gewerblich genutztes
Grundstück, das er mit einem Boardinghouse bebauen wollte. Ein Teil
des Grundstücks war bis zum Ende des Jahres vermietet. Nach
Vollzug des Kaufvertrags stellte sich heraus, dass der Mieter nach
dem Mietvertrag eine Mietoption für weitere fünf Jahre hatte, was der
Beklagte wusste, aber nicht offenbart hatte. Der Kläger einigte sich
mit dem Mieter über eine für die Verwirklichung seiner
Bebauungspläne
nötige,
aber
auch
zunächst
ausreichende
Teilentmietung, eine Verlängerung des Mietvertrags im Übrigen und
eine (angemessene) Entschädigung des Mieters. Der Kläger verlangt
Ersatz der Entschädigung. Was meinen Sie?
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d) Sperrwirkung
Früher: Ausschluss der fahrlässigen CiC im Anwendungsbereich der §§
459 ff. BGB
Heute: Sicherung der Besonderheiten der Mängelansprüche
Verjährung
Disponibiliät
Recht zur zweiten Andienung
Ausschluss von Mängelansprüchen gemäß § 442 BGB
Dazu:
BGH, Urt.v.27.3.2009 - V ZR 30/08, BGHZ 180, 205 (Asbestfall)
J. Schmidt-Räntsch, ZfIR 2004, 569, 571
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Aber:
Aufklärungspflichtverletzung
regelmäßig Arglist.
im
oben
beschrieben
Rahmen
ist
Bei Arglist gelten diese Besonderheiten alle nicht, §§ 438 Abs. 3, 442
Abs. 1 Satz 2, 444 BGB – BGH, Urt.v.27.3.2009 - V ZR 30/08, BGHZ
180, 205
Ferner: BGH, Urt.v.8.12.2006 - V ZR 249/05, NJW 2007, 835 und v.
9.1.2008 - VIII ZR 210/06, NJW 2008, 1371.
Fazit:
Die Sperrwirkung greift bei Aufklärungsfehlern meistens nicht.
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