B10 – 122/04, Remondis/RWE Umwelt, Beschluss vom 23. Februar

Transcrição

B10 – 122/04, Remondis/RWE Umwelt, Beschluss vom 23. Februar
B10 – 122/04, Remondis/RWE Umwelt, Beschluss vom 23. Februar 2005
INHALTSVERZEICHNIS
TENOR
S. 3
I.A. Weiterveräußerung
S. 3
I.B. Sicherung des Status Quo
S. 7
I.C. Berichtspflichten von Remondis und RWE
S. 10
I.D. Einsetzung eines Veräußerungstreuhänders
S. 11
GRÜNDE
I. Das Verfahren, die beteiligten Unternehmen, das Vorhaben
S. 12
II. Zusammenschluss
S. 16
III. Anwendungsbereich des GWB
S. 16
IV. Wettbewerbliche Beurteilung
S. 16
1. Sammlung und Transport von Restmüll
S. 17
2. Sammlung und Transport von Altpapier
S. 39
3. Sammlung und Transport von sonstigem Siedlungsabfall
S. 44
4. Entsorgung von Siedlungsabfällen
S. 45
5. Sortierung von Altpapier/PPK
S. 53
6. Betrieb von Kompostieranlagen
S. 57
7. Sammlung und Transport von Altglas
S. 61
8. Aufbereitung von Altglas
S. 71
9. Sammlung und Transport von Leichtverpackungen (LVP)
S. 77
10. Sortierung von Leichtverpackungen (LVP)
S. 81
11. Verwertung von Kühl- und Gefriergeräten
S. 84
12. Flächendeckende Entsorgung gewerblicher Anfallstellen
S. 87
13. Verbrennung von Gewerbeabfällen
S. 97
14. Sortierung von Gewerbeabfällen
S. 102
15. Aufbereitung von Altholz
S. 105
16. Recycling von mineralischen Baureststoffen
S. 108
17. Behandlung von Sonderabfällen in CPB-Anlagen
S. 110
18. Sonderabfallverbrennung
S. 115
19. Sonstiges
S. 117
V. Bedingungen und Auflagen
S. 118
BUNDESKARTELLAMT
10. Beschlussabteilung
B 10 – 122/04
ÖFFENTLICHE
VERSION
FUSIONSVERFAHREN
VERFÜGUNG GEM. § 40 ABS. 2 GWB
Beschluss
In dem Verwaltungsverfahren
1.
Remondis Unternehmensbeteiligungs GmbH
Brunnenstraße 138
44536 Lünen
2.
- Beteiligte –
Rethmann AG & Co. KG
Werner Straße 95
59379 Selm
- Beteiligte -
Verfahrensbevollmächtigte zu 1. und 2.:
Gleiss Lutz Rechtsanwälte
Rechtsanwalt Dr. Brinker
Prinzregentenstraße 50
80538 München
3.
RWE Umwelt AG
Greefsallee 1-5
41747 Viersen
4.
- Beteiligte -
RWE AG
Opernplatz 1
45128 Essen
- Beteiligte -
Verfahrensbevollmächtigte zu 3. und 4.:
Rechtsanwälte Hengeler Mueller
Rechtsanwalt Dr. Mäger
Benrather Straße 18-20
40213 Düsseldorf
1
5.
Entsorgung Dortmund GmbH
Sunderweg 98
44147 Dortmund
6.
- Beigeladene -
Alba AG
Franz-Josef-Schweitzer-Platz 1
16727 Velten
7.
- Beigeladene -
Bundesverband Sekundärrohstoffe und Entsorgung e.V.
Hohe Straße 73
53119 Bonn
- Beigeladener -
Verfahrensbevollmächtigte zu 6. und 7.:
Rechtsanwältin Gollan
Niederstraße 56
47829 Krefeld
8.
Landbell AG
Rheinstraße 4 L
55116 Mainz
- Beigeladene -
Verfahrensbevollmächtigte zu 8.:
SJ Berwin Rechtsanwälte
Rechtsanwältin Dr. Lübbe-Späth
Maria-Theresia-Strasse 5
81675 München
9.
Schönmackers Umweltdienste GmbH & Co. KG
Am Selder 9
47906 Kempen
- Beigeladene -
Verfahrensbevollmächtigte zu 9.:
Avocado Rechtsanwälte
Rechtsanwälte Figgen und Hattig
Spichernstraße 75-77
50672 Köln
10.
Cleanaway AG & Co. KG
Am Sandtorkai 75
20457 Hamburg
- Beigeladene –
2
11.
Sita Deutschland GmbH
Industriestraße 161
50999 Köln
- Beigeladene –
Verfahrensbevollmächtigte zu 11.:
Rechtsanwälte Huth Dietrich Hahn
Rechtsanwalt Dr. Brinkschmidt
Warburgstraße 50
20354 Hamburg
12.
Stadt Essen
45121 Essen
- Beigeladene –
Verfahrensbevollmächtigte zu 12.:
Heuking Kühn Lüer Wojtek Rechtsanwälte
Rechtsanwältin Dr. Jasper
Cecilienallee 5
40474 Düsseldorf
wegen Prüfung eines Zusammenschlussvorhabens nach § 36 GWB hat die 10.
Beschlussabteilung des Bundeskartellamtes am 23. Februar 2005 beschlossen:
I.
Das am 14. Oktober 2004 vollständig angemeldete Zusammenschlussvorhaben wird
mit folgenden Auflagen bzw. aufschiebenden Bedingungen freigegeben:
A. Weiterveräußerung
1.
Den Zusammenschlussbeteiligten wird aufgegeben, folgende Beteiligungen
und/oder Vermögenswerte folgender Unternehmen bzw. Unternehmensteile
innerhalb der nachgenannten Fristen an einen oder mehrere unabhängige
Erwerber zu veräußern und personelle Verflechtungen und nachfolgend genannte Rechtsbeziehungen zu beenden. Sollte die Beteiligung durch eine
verbundene Gesellschaft gehalten werden, werden die Zusammenschlussbeteiligten
auf
diese
–
insbesondere
durch
Fassung
entsprechender
Gesellschafterbeschlüsse und Erteilung entsprechender Weisungen – dahin
einwirken,
dass
diese
die
fragliche
Beteiligung
bzw.
den
fraglichen
Unternehmensteil veräußert. Vermögenswerte im Sinne von Satz 1 sind alle
3
materiellen
und
Vertragsbeziehungen,
immateriellen
die
für
Vermögensgegenstände,
die
Geschäftstätigkeit
insbesondere
der
betroffenen
Unternehmen bzw. Unternehmensteile relevant sind.
1.1
Markt für die Aufbereitung von Kühlgeräten:
Aus dem Vermögen der RWE Umwelt Elektrorecycling GmbH: Sämtliche
Vermögenswerte im Sinne von Ziffer A.1., die zum Betrieb der Aufbereitungsanlagen für Kühlgeräte an den Standorten Langhagen, Baumholder und
Wangerland gehören.
1.2
Markt für die Erfassung von Glas im Auftrag von DSD:
Abzugeben sind die Verträge mit der Der Grüne Punkt – Duales System
Deutschland AG, Köln, über die Entsorgung von Verkaufsverpackungen aus Glas
in den DSD-Vertragsgebieten sowie die zur Durchführung dieser Verträge
benötigten Infrastruktureinrichtungen wie z.B. Behälter, Fahrzeuge, Personal und
ggf. Umschlagseinrichtungen:
Stadt Wiesbaden (abzugeben von RHENUS AG & Co. KG, Essen)
Stadt Dortmund (abzugeben von RHENUS AG & Co. KG, Essen)
Kreis Paderborn (abzugeben von AHE GmbH, Witten)
Stadt Krefeld (abzugeben von AHE GmbH, Witten)
Kreis Steinfurt (abzugeben von REMONDIS GmbH & Co. KG, Bochum)
Kreis Neuss (abzugeben von AHE GmbH, Witten)
Kreis Ludwigshafen (abzugeben von RHENUS AG & Co. KG, Essen)
Kreis Rheingau-Taunus (abzugeben von RHENUS AG & Co. KG, Essen),
Kreis Werra-Meißner (abzugeben von RHENUS AG & Co. KG, Essen),
Kreis Hersfeld-Rotenburg (abzugeben von RHENUS AG & Co. KG, Essen),
Kreis Südwestpfalz (abzugeben von RWE Umwelt Rheinland-Pfalz Süd GmbH,
Pirmasens),
Stadt Bergisch-Gladbach (abzugeben von RWE Umwelt Rheinland GmbH, Köln)
1.3
Markt für Glasaufbereitung:
1.3.1
Die von der RHENUS AG & Co. KG gehaltene 26%-Beteiligung an
der Ruhrglas Recycling GmbH (Aufbereitungsanlage Lünen).
4
1.3.2
Die von der RHENUS AG & Co. KG sowie von der REMONDIS
Assets & Services GmbH & Co. KG jeweils gehaltene 33,3%Beteiligung (zusammen also 66,6%) an der RHENUS-Sero-Recycling
GmbH (Aufbereitungsanlage Großräschen).
1.3.3
Aus dem Vermögen der RWE Umwelt Rohstoff GmbH: Sämtliche
Vermögenswerte im Sinne von Ziffer A.1, die zum Betrieb der
Glasaufbereitungsanlagen in Worms und Dormagen-Nievenheim
gehören.
1.3.4
Aus dem Vermögen der RWE Umwelt Süd GmbH: Sämtliche
Vermögenswerte im Sinne von Ziffer A.1, die zum Betrieb der
Glasaufbereitungsanlage Neuburg gehören.
1.4
Markt der flächendeckenden Entsorgung von Gewerbeabfall-Anfallstellen
Der Zusammenschluss wird unter den nachfolgend bezeichneten aufschiebenden Bedingungen freigegeben. Vor Vollzug des Zusammenschlussvorhabens
sind
•
sämtliche Aktien an der Interseroh AG, die von der Rethmann
Unternehmensbeteiligungs
GmbH,
einem
mit
dieser
verbundenen
Unternehmen sowie von Mitgliedern der Familien Norbert Rethmann und
Söhne unmittelbar oder treuhänderisch von Dritten für die vorgenannten
Unternehmen oder Personen gehalten werden, unwiderruflich an einen
Treuhänder gemäß Ziffer 1.7. zu übertragen. Hierzu gehört insbesondere
die 15%-Beteiligung der Rethmann Unternehmensbeteiligungs GmbH.
Diese Aktien sind vom Treuhänder innerhalb der in Ziffer 1.7. genannten
Fristen
zu
veräußern.
Diese
Verpflichtung
hindert
die
Zusammenschlussbeteiligten nicht, das Zusammenschlussvorhaben nach
der unwiderruflichen Übertragung dieser Aktien auf den Treuhänder zu
vollziehen. Die Stimmrechte aus diesen Aktien dürfen weder vom
Treuhänder noch vom Treugeber ausgeübt werden.
•
sämtliche Rechte, wie z.B. Optionsverträge oder Rückübertragungsverträge im Zusammenhang mit Anteilen an der Interseroh AG, die
Unternehmen
des
Rethmann-Konzerns
vorgenannten Familien halten, aufzugeben.
5
oder
die
Mitglieder
der
•
sämtliche bestehenden personellen Verflechtungen des RethmannKonzerns oder der Mitglieder der vorgenannten Familien mit der Interseroh
AG und mit dieser verbundenen Unternehmen, insbesondere der Sitz von
Herrn Norbert Rethmann im Aufsichtsrat der Interseroh AG, aufzugeben.
1.5
Über die vorgenannten Beteiligungen und Vermögenswerte nach Ziff. 1.1. bis
1.3.
sind
innerhalb
folgender
Fristen
schuldrechtliche
Verkaufsverträge
abzuschließen:
•
Ziffer 1.1 (Aufbereitungsanlagen für Kühlgeräte): Bis zum Ablauf [...] nach
Zustellung des Beschlusses,
•
Ziffer 1.2 (Erfassung von Glas im Auftrag von DSD): Bis zum Ablauf von [...]
nach Zustellung des Beschlusses,
•
Ziffer 1.3 (Aufbereitungsanlagen für Glas): Bis zum Ablauf von [...] nach
Zustellung des Beschlusses,
Dabei sind sich die Zusammenschlussbeteiligten und das Bundeskartellamt einig,
dass
innerhalb
der
genannten
Fristen
lediglich
die
schuldrechtlichen
Vereinbarungen zu Ziff. 1.1. bis 1.3. getroffen sein müssen; der dingliche Vollzug
hat innerhalb von [...] Monaten zu erfolgen.
1.6
Sollten die Verkaufsverträge innerhalb der Fristen gemäß Ziff. 1.5 nicht mit einem
oder mehreren Dritten abgeschlossen werden, so werden diese Verträge
betreffend die Vermögenswerte nach Ziff. 1.1, 1.3.3 und 1.3.4 in den vorgenannten Fristen zwischen Remondis Beteiligungs GmbH („Remondis“) und RWE
Beteiligungsmanagement bzw. verbundenen Unternehmen („RWE“) abgeschlossen.
1.7
Der Treuhänder hat die Aufgabe, die Beteiligungen zu Ziff. 1.4., die ihm vor
Vollzug des Zusammenschlussvorhabens unwiderruflich zum Verkauf übertragen
wurden, innerhalb der ersten [...] Monate nur auf Weisung der Anteilseigner zu
veräußern. Nach Ablauf dieser ersten [...] Monate sind die Anteile innerhalb einer
Frist von weiteren [...] Monaten weisungsfrei und bestmöglich und ohne Bindung
an einen vorbestimmten Mindestpreis zu veräußern. Für die Bestellung des
Treuhänders gelten die Bestimmungen unter D.5. bis D.7. entsprechend.
6
2.
Falls der/die Erwerber einzelne Vermögenswerte nicht übernehmen will/wollen,
müssen diese nicht veräußert werden, sofern das Bundeskartellamt dem
zustimmt.
3.
Bei dem Erwerber/den Erwerbern muss es sich um Unternehmen handeln, an
denen Remondis einschließlich mit ihnen i. S. d. § 36 Abs. 2 GWB verbundener
Unternehmen weder personell noch durch Kapitalbeteiligung (gleich in welcher
Höhe) beteiligt ist. Außerdem muss dargelegt werden, dass der/die Erwerber die
Fähigkeit und die Absicht hat/haben, das/die erworbenen Unternehmen als
Wettbewerber auf den Märkten für die Aufbereitung von Kühlgeräten, die
Erfassung von Glas im Auftrag von DSD oder die Glasaufbereitung zu erhalten.
Weiterhin darf/dürfen der/die Erwerber prima facie nicht die Entstehung der
Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung erwarten lassen. Eine etwaige
Pflicht zur Anmeldung des Erwerbs bei den zuständigen Kartellbehörden bleibt
hiervon unberührt.
4.
Die Zusammenschlussbeteiligten informieren das Bundeskartellamt über den/die
Erwerber durch Vorlage des/der schuldrechtlich verbindlichen Vertrages/Verträge. Der/die Erwerber bedarf/bedürfen der Zustimmung des Bundeskartellamtes, die bei Vorliegen der Voraussetzungen gemäß A. 3. erteilt wird. Die
Zustimmung ersetzt nicht eine gegebenenfalls nach dem GWB erforderliche
Freigabe. Sollte die Zustimmung unter den Voraussetzungen gemäß A. 3. zu
Recht verweigert werden, wird das Bundeskartellamt einer angemessenen
Verlängerung der unter A. 1.5. genannten Fristen zustimmen.
B. Sicherung des Status quo
1.
Remondis und RWE werden dafür Sorge tragen, die Ausgliederung der
weiterzuveräußernden Vermögenswerte unter Ziff. 1.1 bis 1.3 unmittelbar nach
dem Vollzug des Zusammenschlusses einzuleiten.
2.
RWE wird aufgegeben:
2.1
darauf hinzuwirken, dass ab Zustellung des Beschlusses bis zum dinglichen
Vollzug der Weiterveräußerung der weiter zu veräußernden Vermögensgegenstände unter Ziff. A.1.1, 1.3.3 und 1.3.4 die Geschäftstätigkeiten der weiter
zu veräußernden Vermögenswerte unter Ziff. A.1.1, 1.3.3 und 1.3.4 im Rahmen
der bisherigen Geschäftsgrundsätze und des bisher üblichen Tagesgeschäfts voll
funktionsfähig fortgeführt werden. Diese Verpflichtung bezieht sich insbesondere
7
auf die Erhaltung des Anlagevermögens, der Geschäftsbeziehungen, des Knowhows, der Geschäftsgeheimnisse und der technischen und kaufmännischen
Kompetenz der Belegschaft der weiter zu veräußernden Vermögenswerte unter
Ziff. A.1.1, 1.3.3 und 1.3.4. Eine Veräußerung der weiter zu veräußernden
Vermögenswerte und Beteiligungen unter Ziff. A.1.1 bis 1.3 zur Erfüllung der
unter A. genannten Auflage ist unter den dort genannten Voraussetzungen
zulässig.
2.2
darauf hinzuwirken, dass die weiter zu veräußernden Vermögenswerte unter Ziff.
A.1.1, 1.3.3 und 1.3.4 vollständig getrennt von ihren anderen Geschäftsbereichen
erhalten werden.
2.3
Zur Erfüllung der Verpflichtung nach Ziff. 2.1 und 2.2 schließen die RWE Umwelt
Elektrorecycling GmbH, RWE Umwelt Rohstoff GmbH, RWE Umwelt Süd GmbH
und die RWE Beteiligungsmanagement GmbH eine Vereinbarung, nach der ein
Beirat eingerichtet wird, der sicherstellt, dass die Geschäftstätigkeiten der weiter
zu veräußernden Vermögenswerte unter Ziff. A.1.1, 1.3.3 und 1.3.4 im Rahmen
der bisherigen Geschäftsgrundsätze und des bisher üblichen Tagesgeschäfts voll
funktionsfähig fortgeführt werden. Der Beirat wird mit Personen besetzt, die von
RWE benannt werden. Der Beirat wird über sämtliche Belange, die die
Vermögenswerte unter Ziff. A.1.1, 1.3.3 und 1.3.4 betreffen und über den Stand
der Verhandlungen betreffen die Veräußerungen an Dritte laufend informiert.
3.
Remondis wird aufgegeben:
3.1
nach Vollzug des Zusammenschlusses und bis zum dinglichen Vollzug der
Weiterveräußerung der weiter zu veräußernden Vermögensgegenstände gemäß
A. die Geschäftstätigkeiten der weiter zu veräußernden Vermögenswerte und
Beteiligungen unter Ziff. A.1.1 bis 1.3 im Rahmen der bisherigen Geschäftsgrundsätze und des bisher üblichen Tagesgeschäftes voll funktionsfähig fortzuführen und in diesem Zeitraum RWE das operative Geschäft der betroffenen
Vermögensgegenstände gemäß Ziff. 2 zu überlassen. Diese Verpflichtung
bezieht sich insbesondere auf die Erhaltung des Anlagevermögens, der Geschäftsbeziehungen, des Know-hows, der Geschäftsgeheimnisse und der
technischen und kaufmännischen Kompetenz der Belegschaft der weiter zu
veräußernden Vermögenswerte und Beteiligungen unter Ziff. A.1.1 bis 1.3. Eine
Veräußerung der weiter zu veräußernden Vermögenswerte und Beteiligungen
8
unter Ziff. A.1.1 bis 1.3 zur Erfüllung der unter A. genannten Auflage ist unter den
dort genannten Voraussetzungen zulässig.
3.2
die weiter zu veräußernden Vermögenswerte und Beteiligungen unter Ziff. A.1.1
bis 1.3 vollständig getrennt von ihren anderen Geschäftsbereichen zu halten und
als selbstständige Unternehmen am Markt zu führen. Etwaige bestehende
Verbindungen, vor allem personelle Verflechtungen sowie gemeinsam genutzte
IT-Einrichtungen, über die ein Austausch von Geschäftsgeheimnissen möglich
ist, sind im Rahmen des wirtschaftlich Vertretbaren aufzulösen.
3.3
darauf hinzuwirken, dass ab dinglichem Vollzug des Zusammenschlusses bis
zum dinglichen Vollzug der Weiterveräußerung der weiter zu veräußernden
Vermögensgegenstände gemäß Ziff. A.1.1, 1.3.3 und 1.3.4 die RWE Umwelt AG
bzw. verbundene Unternehmen ihr Weisungsrecht im Hinblick auf die
Beteiligungen an der RWE Umwelt Elektrorecycling GmbH, der RWE Umwelt
Rohstoff GmbH und der RWE Umwelt Süd GmbH insoweit nicht ausüben, als die
Vermögenswerte gemäß Ziff. A.1.1, 1.3.3. und 1.3.4 betroffen sind.
3.4
darauf hinzuwirken, dass nach Abschluss eines schuldrechtlichen Vertrages
zwischen Remondis und einem Dritten der Dritte in die Rechte und Pflichten von
RWE nach Ziff. 2 eintritt.
4.
Unbeschadet der Bestimmungen in B.1., B.2. und B.3 wird Remondis weiterhin
aufgegeben:
4.1
dafür Sorge zu tragen, dass die Mitarbeiter der weiter zu veräußernden
Vermögenswerte und Beteiligungen unter Ziff. A.1.1 bis 1.3 weder direkt noch
indirekt Geschäftsgeheimnisse bezüglich ihres Geschäfts an Remondis
einschließlich verbundener Unternehmen oder sonstige Dritte mit Ausnahme des
Erwerbers/der
Erwerber
weitergeben,
es
sei
denn,
dies
ist
zur
Weiterveräußerung gemäß A. oder zur Erfüllung von unabdingbaren Pflichten
aus zwingendem Recht erforderlich.
4.2
Geschäftsgeheimnisse der weiter zu veräußernden Vermögenswerte und
Beteiligungen unter Ziff. A.1.1 bis 1.3 bezüglich ihres jeweiligen Geschäfts weder
direkt noch indirekt zu beschaffen oder zu verwenden oder an Dritte mit
Ausnahme des Erwerbers/der Erwerber weiterzugeben, es sei denn dies ist zur
Weiterveräußerung gemäß A. oder zur Erfüllung von unabdingbaren Pflichten
aus zwingendem Recht erforderlich oder es handelt sich um Geschäfts-
9
geheimnisse, die Remondis ohne Mitwirkung und der weiter zu veräußernden
Vermögenswerte und Beteiligungen unter Ziff. A.1.1 bis 1.3 bis zum Zeitpunkt
des Vollzugs der Weiterveräußerung in rechtmäßiger Art und Weise erhalten hat.
5.
Unbeschadet der Bestimmungen in B. 1. und B. 2. wird Remondis und RWE
weiterhin aufgegeben:
5.1
für den Zeitraum ab Zustellung des Beschlusses bis zum Vollzug der Weiterveräußerung der weiter zu veräußernden Vermögenswerte und Beteiligungen
unter Ziff. A.1.1 bis 1.3 auf deren Verlangen und zu üblichen Preisen und
Bedingungen weiterhin mit Dienstleistungen und Waren zu versorgen, die bisher
von Remondis oder von RWE direkt oder indirekt erbracht wurden.
5.2
nach Vollzug der Weiterveräußerung der weiter zu veräußernden Vermögenswerte und Beteiligungen unter Ziff. A.1.1 bis 1.3 auf die Ausübung von Rechten
aus Wettbewerbsverboten zu verzichten, die gegebenenfalls mit Mitarbeitern der
weiter zu veräußernden Vermögenswerte und Beteiligungen unter Ziff. A.1.1 bis
1.3 vereinbart sind.
5.3
für einen Zeitraum ab Zustellung des Beschlusses bis zu zwei Jahren nach
Vollzug der Weiterveräußerung weder direkt noch indirekt Mitarbeiter der weiter
zu veräußernden Vermögenswerte und Beteiligungen unter Ziff. A.1.1 bis 1.3
abzuwerben, es sei denn der Erwerber/die Erwerber hat/haben schriftlich
bestätigt, dass er/sie im Einzelfall an einer Weiterbeschäftigung nicht interessiert
ist/sind.
C. Berichtspflichten von Remondis und RWE
Remondis und RWE wird aufgegeben, das Bundeskartellamt ab Zustellung des
Beschlusses und bis zum Vollzug der Weiterveräußerung regelmäßig alle 60 Tage
sowie
[...]
ab
Zustellung
des
Beschlusses
schriftlich
unter
Nennung
des
Gesprächspartners mit Namen und Kontaktadresse über Zeitpunkt und Inhalt sowie
Ergebnis ihrer Kontakte mit einem oder mehreren Kaufinteressierten für die weiter zu
veräußernden Vermögenswerte und Beteiligungen unter Ziff. A.1.1 bis 1.4 zu
unterrichten. Remondis wird dem Bundeskartellamt regelmäßig über den Fortgang der
Gespräche berichten. Weiterhin hat Remondis über die Erfüllung ihrer sonstigen
Verpflichtungen aus dieser Auflage zu berichten.
10
D. Einsetzung eines Veräußerungstreuhänders
1.
Für den Fall, dass Remondis ihre Pflichten gemäß A. nicht fristgemäß erfüllt, wird
Remondis unwiderruflich einen Veräußerungstreuhänder gemäß D. 5. zur Vorbereitung und Durchführung der Veräußerung gemäß A. bestellen. Sollte aufgrund des [...]Berichts nach Buchst. C. keine fristgerechte Veräußerung der
Vermögenswerte zu Buchst. A.1.1. bis 1.3. absehbar sein, so kann das
Bundeskartellamt verlangen, dass Remondis innerhalb von 2 Wochen einen
Veräußerungstreuhänder nach Satz 1 vorschlägt, soweit nicht die Klausel unter
A.1.6. greift.
2.
Remondis wird aufgegeben, ab Bestellung des Veräußerungstreuhänders diesen
im Rahmen des Veräußerungsauftrages alle Verwaltungs- und Verfügungsrechte
einzuräumen, die ihn anstelle von Remondis einschließlich verbundener Unternehmen zu allen Maßnahmen berechtigten, die zur Durchsetzung der Auflagen
im Sinne von A. notwendig und erforderlich sind. Insbesondere wird er befugt
sein,
2.1
den Verkauf der weiter zu veräußernden Vermögenswerte und Beteiligungen
unter Ziff. A.1.1 bis 1.3 für Rechnung von Remondis nach ordnungsgemäßen
Grundsätzen weisungsfrei und bestmöglich und ohne Bedingungen an einen
Mindestpreis innerhalb einer Frist von [...] Monaten ab Bestellung durchzuführen,
2.2
die im Zusammenhang mit der Anbahnung des Verkaufs sowie mit dem Verkauf
und der Einräumung der Rechte üblichen Handlungen vorzunehmen sowie
Erklärungen im Namen von Remondis abzugeben,
2.3
die Geschäftsräume von Remondis einschließlich verbundener Unternehmen zu
betreten und Weisungen an die Mitarbeiter von Remondis einschließlich
verbundener Unternehmen zu erteilen, um die für die Anbahnung eines Verkaufs
sowie für den Verkauf die Einräumung der Rechte gemäß A. notwendigen
Unterlagen zu erhalten.
3.
Der Veräußerungstreuhänder berichtet Remondis und dem Bundeskartellamt alle
sechzig Tage ab Einsetzung über den Fortgang der Verkaufsbemühungen.
4.
Sofern der Veräußerungstreuhänder mehrere Erwerber vorschlägt, welche die
Zustimmung des Bundeskartellamts gemäß A. 3. erhalten, hat der Veräußerungstreuhänder den Zuschlag gemäß der Wahl von Remondis zu erteilen, wobei
11
Remondis innerhalb von fünf Tagen nach Erhalt der Zustimmung des Bundeskartellamtes dem Veräußerungstreuhänder die Wahl schriftlich mitzuteilen haben.
5.
Remondis benennt den Veräußerungstreuhänder nach vorheriger Zustimmung
des Bundeskartellamtes. Sollte das Bundeskartellamt den von Remondis vorgeschlagenen Treuhänder ablehnen, so hat Remondis innerhalb von einer Woche
nach Zugang der schriftlichen Ablehnung einen anderen Treuhänder zu
benennen. Sollte auch dieser vom Bundeskartellamt abgelehnt werden, so ist ein
vom Bundeskartellamt benannter Treuhänder einzusetzen.
6.
Die Kosten des Veräußerungstreuhänders trägt Remondis.
7.
Das Mandat des Veräußerungstreuhänders endet mit Vollzug der Weiterveräußerung der weiter zu veräußernden Vermögenswerte und Beteiligungen unter
Ziff. A.1.1 bis 1.3. Bei Nichterfüllung und Schlechterfüllung eines Mandats, kann
das Bundeskartellamt verlangen, dass der Veräußerungstreuhänder durch einen
anderen gemäß dem Verfahren in D. 5. ersetzt wird.
II.
Die Gebühr für die Anmeldung wird auf [...] € (in Worten: [...] Euro) festgesetzt und den
Beteiligten zu 1. bis 4. als Gesamtschuldnerinnen auferlegt. Die Gebühr für die
Freigabeverfügung wird unter Anrechnung der Gebühr für die Anmeldung (§ 40 Abs. 2
entsprechend) auf [...] € (in Worten: [...] Euro) festgesetzt und den Beteiligten zu 1. bis
4. als Gesamtschuldnerinnen auferlegt.
GRÜNDE
I. DAS VERFAHREN, DIE BETEILIGTEN UNTERNEHMEN, DAS VORHABEN
1. Das Verfahren
1.
Mit Schreiben vom 12. Oktober 2004, beim Bundeskartellamt vollständig mit
Anlagen eingegangen am 14. Oktober 2004, hat die Rethmann AG & Co. KG
("Rethmann"), Selm, ihr Vorhaben angemeldet, 100% der Anteile an der RWE
Umwelt AG ("RWE Umwelt"), Viersen, entweder selbst oder über eine noch zu
benennende 100%ige Tochtergesellschaft zu erwerben. Am 9. Februar 2005
wurde die Tochtergesellschaft Remondis Unternehmensbeteiligungs GmbH,
12
Lünen, als Erwerberin benannt. Die operativ im Entsorgungsgeschäft tätigen
Tochtergesellschaften von Rethmann AG & Co. KG wurden zum 1. Januar 2005
auf den Namen "Remondis" umfirmiert; Rethmann AG & Co. KG als Obergesellschaft der Remondis-Gruppe bleibt hiervon jedoch ausgenommen. Die
Remondis Unternehmensbeteiligungs GmbH und alle mit ihr verbundenen
Unternehmen werden im nachfolgenden Text kurz als "Remondis" bezeichnet.
Vor dem Anteilserwerb durch Remondis sollen aus der RWE Umwelt
Tochtergesellschaften
ausgegliedert
werden,
auf
die
ca.
30%
des
Gesamtumsatzes der RWE Umwelt entfallen. Die früheren ausländischen
Aktivitäten von RWE Umwelt in verschiedenen EU-Mitgliedsstaaten wurden
bereits 2004 an Dritte verkauft. Die Veräußererin, RWE AG, Essen, hat sich mit
Schreiben vom 12. Oktober 2004 der Anmeldung angeschlossen.
2.
Mit Schreiben vom 4. November 2004 wurde den anmeldenden Unternehmen
mitgeteilt, dass die Beschlussabteilung in die Prüfung des Zusammenschlussvorhabens (Hauptprüfverfahren) eingetreten ist (§ 40 Abs. 1 GWB). Mit
Schreiben vom 14. Januar 2005 stimmten die anmeldenden Unternehmen einer
Fristverlängerung bis zum 28. Februar 2005 zu.
3.
Mit Beschluss vom 5. November 2004 wurden die Entsorgung Dortmund GmbH
("EDG"), Dortmund, die Alba AG ("Alba"), Velten, der Bundesverband
Sekundärrohstoffe und Entsorgung e.V. ("bvse"), Bonn, die Landbell AG
("Landbell"), Mainz, die Schönmackers Umweltdienste GmbH & Co. KG
("Schönmackers"), Kempen, und die Cleanaway AG & Co. KG ("Cleanaway"),
Hamburg, jeweils auf ihren Antrag hin gemäß § 54 Abs. 2 Nr. 3 GWB
beigeladen. Mit Beschluss vom 23. November 2004 wurden die Sita Deutschland
GmbH ("Sita"), Köln, und die Stadt Essen, Essen, jeweils auf ihren Antrag hin
beigeladen. Die Beiladungsanträge von Harmuth Entsorgung GmbH, Mülheim an
der Ruhr, Städtereinigung Gerke GmbH, Tönisvorst, Stadtwerke Düsseldorf
Aktiengesellschaft, Düsseldorf, Stadtwerke Potsdam GmbH, Potsdam, Vattenfall
Europe Waste to Energy GmbH, Hamburg, und Stadt Gelsenkirchen wurden
jeweils abgelehnt.
4.
Mit Schreiben vom 6. Januar 2005 und 21. Januar 2005 wurden die Zusammenschlussbeteiligten darüber informiert, dass die Ermittlungen der Beschlussabteilung Wettbewerbsprobleme in den Märkten für Sammlung und Transport
von Altglas, Aufbereitung von Altglas, Verwertung von Kühl- und Gefriergeräten
sowie flächendeckende Entsorgung von Gewerbeabfällen ergeben haben. Die
13
Zusammenschlussbeteiligten haben am 18. Januar 2005 konkrete Lösungsmöglichkeiten für die Wettbewerbsprobleme in den drei erstgenannten Märkten
vorgeschlagen. Diese wurden mit Schreiben vom 19. Januar 2005 den
Beigeladenen zur Kenntnis und Stellungnahme gegeben. Stellungnahmen
gingen von bvse und Schönmackers ein. Der bvse hielt die vorgeschlagenen
Zusagen in allen Punkten für unzureichend, während Schönmackers die
Zusagen
für
zwar
Beschlussabteilung
Lösungsmöglichkeiten
notwendig,
kam
für
zu
den
aber
dem
auch
Ergebnis,
Markt
der
ausreichend
dass
die
Verwertung
von
hielt.
Die
angebotenen
Kühl-
und
Gefriergeräten hinreichend, für die Märkte der Sammlung und des Transports
sowie der Aufbereitung von Altglas hingegen unzureichend waren. Daraufhin
wurden am 1. Februar 2005 weitere Zusagen, auch für den Markt der
flächendeckenden Gewerbeabfallentsorgung, angeboten. Diese sind nach
Auffassung der Beschlussabteilung geeignet, die Wettbewerbsprobleme auf
allen betroffenen Märkten zu lösen (zu den Zusagen und ihrer Beurteilung siehe
im Einzelnen unten). Die Beteiligten und Beigeladenen haben mit Schreiben vom
11. Februar Gelegenheit erhalten, zum Entwurf dieser Entscheidung Stellung zu
nehmen.
5.
Stellungnahmen zum Entscheidungsentwurf gingen von EDG, bvse und Landbell
ein. EDG hatte grundsätzlich keine Einwendungen gegen den Entscheidungsentwurf.
Der
bvse
beanstandete
vor
allem
die
Ausgestaltung
der
Nebenbedingungen. Die Veräußerung von Anlagen und Glassammelverträgen
im Rahmen von Auflagen sei nicht akzeptabel. Vielmehr müssten auch dies als
aufschiebende Bedingungen formuliert werden, die vor Vollzug des Zusammenschlusses zu erfüllen sei. Die Veräußerung von Glassammelverträgen
sei zudem eher eine Verhaltensauflage als eine strukturelle Maßnahme. Auch im
Einzelnen seien die auferlegten Bedingungen unzulänglich. Zudem lasse die
Beschlussabteilung in den Märkten für Sammlung und Transport von Restmüll in
Nordrhein-Westfalen, Gewerbeabfallverbrennung in Nordrhein-Westfalen sowie
Gewerbeabfallsortierung in Sachsen marktbeherrschende Oligopole zu. Die
Auflagen für Sammlung und Transport von Altglas im Großraum NordrheinWestfalen sowie Kühlgeräteaufbereitung seien jeweils nicht geeignet, die Entstehung oder Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung von Remondis
auf diesen beiden Märkten zu verhindern. Auch die Ausführungen zu den
Märkten für Sonderabfälle, insbesondere CPB-Anlagen, seien unzureichend.
Landbell beschränkte seine Ausführungen auf den Markt der flächendeckenden
14
Gewerbeabfallentsorgung. Hier seien die aufschiebenden Bedingungen notwendig, um die zutreffen dargestellten wettbewerbsrechtlichen Bedenken zu beseitigen.
2. RWE Umwelt AG
6.
RWE Umwelt war bis zu dem Zusammenschluss eine 100%ige Tochtergesellschaft der RWE AG, Essen. RWE Umwelt erbringt Dienstleistungen in den
Bereichen Entsorgung (Sammlung und Transport, Sortierung, Verwertung und
Beseitigung von Abfällen), Recycling (Aufbereitung von Abfällen und Sekundärrohstoff-Vermarktung) und Umweltconsulting. Räumlich ist RWE Umwelt fast nur
noch in Deutschland tätig; die früheren ausländischen Aktivitäten in verschiedenen EU-Mitgliedsstaaten wurden 2004 verkauft. Der weltweite Gesamtumsatz
von
RWE
Umwelt
lag
2003
bei
1,94
Mrd. €. Mehr als 2/3 des
gemeinschaftsweiten Umsatzes entfielen auf Deutschland.
7.
Vor dem Erwerb der Anteile der RWE Umwelt durch Remondis werden
Beteiligungen, die laut Anmeldung ca. 30% des Gesamtumsatzes des
Unternehmens ausmachen, ausgegliedert. Es handelt sich dabei u.a. um die
RWE Umwelt Mecklenburg-Vorpommern GmbH, RWE Umwelt Ost GmbH, RWE
Umwelt Hessen GmbH & Co. KG, RWE Umwelt Westfalen und RWE Umwelt
West GmbH, jeweils mit Tochter- und Beteiligungsunternehmen. Diese
Aktivitäten sollen an Dritte weiterveräußert werden.
8.
Welche Aktivitäten von RWE Umwelt von Remondis übernommen werden und
welche an Dritte veräußert werden sollen, ergibt sich im Einzelnen aus Bl. 343ff.
der Amtsakte. Bei der Darstellung der betroffenen Märkte wird nachfolgend
jeweils dargelegt, welcher Teil der RWE Umwelt-Aktivitäten auf Remondis
übergeht.
3. Remondis Unternehmensbeteiligungs GmbH
9.
Remondis ist eine 100%-Tochter der Rethmann AG & Co. KG, der
Obergesellschaft
der
Remondis-Gruppe.
Die
Remondis-Gruppe
ist
im
wesentlichen in allen Entsorgungsbereichen (Sammlung und Transport,
Sortierung, Verwertung und Beseitigung von Abfällen) tätig. Der weltweite
Gesamtumsatz der Remondis-Gruppe lag 2003 bei [>1,5 Mrd.] €. Mehr als 2/3
des gemeinschaftsweiten Umsatzes entfielen auf Deutschland.
15
4. Das Vorhaben
10.
Remondis beabsichtigt, 100% der Anteile der RWE Umwelt zu erwerben,
nachdem aus dieser die unter Ziff. 7f. beschriebenen Beteiligungen ausgegliedert wurden.
II. ZUSAMMENSCHLUSS
11.
Der beabsichtigte Erwerb von 100% der Anteile an RWE Umwelt durch
Remondis stellt einen Zusammenschluss gemäß § 37 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 3 a)
GWB dar.
III. ANWENDUNGSBEREICH DES GWB
12.
Das Vorhaben fällt aufgrund der Umsätze der beteiligten Unternehmen in den
Geltungsbereich der deutschen Zusammenschlusskontrolle (§ 35 Abs. 1 GWB).
Die Schwellenwerte der EG-Fusionskontrollverordnung1 sind nicht erreicht, da
sowohl Remondis als auch RWE Umwelt jeweils mehr als 2/3 ihres
gemeinschaftsweiten Umsatzes in Deutschland erzielen (Art. 1 Abs. 2 letzter
Halbsatz, Abs. 3 letzter Halbsatz FKVO).
IV. WETTBEWERBLICHE BEURTEILUNG
13.
Der angemeldete Zusammenschluss betrifft eine Reihe von unterschiedlichen
sachlichen und räumlichen Märkten, nämlich Sammlung und Transport von
Restmüll, Altpapier und anderen Abfallarten jeweils bundesweit oder in
zahlreichen Bundesländern, Sammlung und Transport von Leichtverpackungen
(LVP) und Altglas, Aufbereitung von Altglas, Aufbereitung von Elektroschrott,
darunter
Kühl-
und
Gefriergeräten,
Entsorgung
von
Restmüll
anderen
Abfallarten, Entsorgung von Sonderabfällen. Das Zusammenschlussvorhaben
hätte in seiner angemeldeten Form zur Entstehung oder Verstärkung von
marktbeherrschenden Stellungen auf den Märkten der Sammlung und des
Transports von Altglas (Ziff. 146ff.), der Aufbereitung von Altglas (Ziff. 175ff.), der
Verwertung von Kühl- und Gefriergeräten (Ziff. 213ff.) sowie der flächendeckenden Entsorgung von Gewerbeabfällen (Ziff. 225ff.) geführt. Das Zusammenschlussvorhaben kann deshalb nur unter Auflagen und einer aufschiebenden Bedingung (siehe oben) freigegeben werden.
1
Verordnung (EG) Nr. 139/2004 des Rates vom 20. Januar 2004 über die Kontrolle von
Unternehmenszusammenschlüssen, ABl. L 24/1 vom 29. Januar 2004
16
1. Sammlung und Transport von Restmüll
14.
RWE Umwelt ist in allen Bundesländern im Bereich Sammlung und Transport
von Restmüll tätig. Remondis wird allerdings die entsprechenden Aktivitäten in
Hessen, Niedersachsen/Bremen, Mecklenburg-Vorpommern und SachsenAnhalt nicht und in Nordrhein-Westfalen, Brandenburg, Sachsen und Thüringen
nur teilweise erwerben. Remondis selbst ist in allen Bundesländern außer
Schleswig-Holstein, Rheinland-Pfalz und Saarland mit Sammlung und Transport
von Restmüll aktiv. Der Zusammenschluss wird auf keinem der betroffenen
räumlichen Märkte für Sammlung und Transport von Restmüll zur Entstehung
oder Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung führen.
1.1. Sachliche Marktabgrenzung
15.
Sachlich relevante Märkte sind auf der Grundlage des Bedarfsmarktkonzeptes
voneinander abzugrenzen, dessen entscheidendes Kriterium die funktionelle
Austauschbarkeit der Produkte aus Sicht der Marktgegenseite ist. Zu einem
sachlich
relevanten
Markt
gehören
alle
Waren,
die
sich
nach
ihren
Eigenschaften, ihrem wirtschaftlichen Verwendungszweck und der Preislage so
nahe stehen, dass der verständige Verbraucher sie für die Deckung eines
bestimmten Bedarfs geeignet in berechtigter Weise abwägend miteinander
vergleicht und als gegeneinander austauschbar ansieht.2 Das Bedarfsmarktkonzept gilt sowohl für Angebots- wie für Nachfragemärkte.
16.
Sammlung und Transport von Restmüll stellt gemäß der Entscheidungspraxis
der Beschlussabteilung einen eigenständigen sachlichen Markt dar3, der sich
insbesondere von den Märkten für Sammlung und Transport anderer
haushaltsnah
gesammelter
Abfälle,
wie
Altpapier,
Bioabfälle,
Leichtver-
packungen und Altglas, unterscheidet. Restmüll ist ein Teil des Hausmülls
gemäß der abfallrechtlichen Definition für Siedlungsabfall in Ziff. 2.2.1. der
Technischen Anleitung zur Verwertung, Behandlung und sonstigen Entsorgung
von Siedlungsabfällen vom 14. Mai 1993 ("TA Siedlungsabfall"). Hausmüll wird
danach definiert als hauptsächlich aus privaten Haushalten stammende Abfälle,
die von den Entsorgungspflichtigen selbst oder von beauftragten Dritten in
genormten, im Entsorgungsgebiet vorgeschriebenen Behältern regelmäßig
2
BGH, Urteil vom 24. Oktober 1995, "Backofenmarkt", WuW/E BGH 3026 (3028); Möschel, in:
Immenga/Mestmäcker, GWB, 3. Auflage, § 19 Rn. 24.
3
vgl. zuletzt B10 – 74/04 Rethmann/Tönsmeier/GfA Köthen, Beschluss vom 16. November
2004, www.bundeskartellamt.de/Archiv, Ziff. 22ff.
17
gesammelt, transportiert und der weiteren Entsorgung zugeführt werden. Dieser
Begriff umfasst damit neben Restmüll auch Altpapier, Sperrmüll und Bioabfall.
Der Begriff des Restmülls entspricht den "gemischten Siedlungsabfällen" gemäß
EAK-Nr. 20 03 01 des Anhangs V der Verordnung (EWG) Nr. 259/93 des Rates
zur Überwachung und Kontrolle der Verbringung von Abfällen in der, in die und
aus der Europäischen Gemeinschaft in der Fassung der Verordnung (EG) Nr.
2557/2001 der Kommission vom 28. Dezember 2001.4 In früheren Entscheidungen der Beschlussabteilung5 wurde – ohne inhaltliche Abweichung – statt
Restmüll der Begriff "Siedlungsabfall" untechnisch im Sinn von Restmüll
verwendet.
17.
Die mit der Sammlung und dem Transport von Restmüll beauftragten Unternehmen haben für die Gestellung der Sammelbehälter zu sorgen und müssen
die Abfälle in einem festen Turnus mit geeigneten Sammelfahrzeugen und personal im gesamten Vertragsgebiet bei allen Anfallstellen abholen. Die Abfälle
sind bis zu einer Umschlagstation oder auch direkt bis zur Entsorgungsanlage zu
transportieren, von der ab die entsorgungspflichtige Körperschaft sie entweder
selbst oder durch beauftragte Dritte einer Entsorgung zuführt.
18.
Der Markt der Sammlung und des Transports von Restmüll und der Markt der
Sammlung und des Transports von Altpapier stellen eigenständige Märkte dar.6
Ein wesentlicher Unterschied besteht darin, dass die Restmüll-Sammlung
grundsätzlich in Holsystemen, die Altpapier-Sammlung hingegen vielfach noch
als Bringsystem erfolgt. Daher müssen die Anbieter bei der Sammlung von
Restmüll deutlich höhere Investitionen in Sammelbehälter und in Fahrzeuge
tätigen. Doch selbst wenn auch die Altpapier-Sammlung im Rahmen eines
Holsystems erfolgt, müssen Restmüll und Altpapier in Anbetracht ihrer
unterschiedlichen Entsorgungswege getrennt erfasst werden. Denn während
Restmüll derzeit noch überwiegend ohne Sortierung auf Deponien beseitigt oder
verbrannt wird, hat sich für Altpapier als einem wichtigen Wertstoff ein
ausdifferenzierter Verwertungsmarkt entwickelt. Aus diesem Grund ist eine
4
ABl. L 349 vom 31.12.2001, S. 1ff.
Vgl. B10 – 101/00 Trienekens AG/Stadtwerke Köln, Beschluss vom 17. November 2000, WuW
DE-V 408; B10 - 124/01 Trienekens AG/AWISTA, Beschluss vom 17. Juni 2002; B10 - 219/01
Trienekens AG/Entsorgungsbetriebe Essen GmbH, Beschluss vom 29. April 2002; B10 104/02, Nehlsen/Rethmann/Bremerhaven Entsorgungsgesellschaft, Beschluss vom 17.
Dezember 2002, WuW DE-V 759. Soweit keine WuW-Fundstellen genannt werden, sind die
zitierten Entscheidungen des Bundeskartellamts auf der Internet-Seite
www.bundeskartellamt.de/Archiv zu finden.
6
B 10 – 97/02, Landkreis Neu-Ulm. Rz. 115.
5
18
Vermengung beider Abfallfraktionen zu vermeiden, insbesondere da Altpapier
bei einer gemeinsamen Erfassung mit Restmüll die in diesem enthaltene
Feuchtigkeit aufnehmen und dadurch als Sekundärrohstoff unbrauchbar würde.
Dementsprechend wird die Sammlung und der Transport von Restmüll sowie die
Sammlung und der Transport von Altpapier von den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern auch regelmäßig gesondert ausgeschrieben.
19.
Des Weiteren ist der Markt der Sammlung und des Transports von Restmüll vom
Markt der Sammlung und des Transports von Bioabfall abzugrenzen. Zwar
spricht für einen einheitlichen Markt, dass Bioabfall in einer Reihe von
Entsorgungsgebieten (noch) nicht gesondert erfasst wird. Es ist aber zu
berücksichtigen, dass die Erzeuger oder Besitzer von Bioabfällen diese gemäß
§ 13 Abs. 1 Satz 1 KrW/AbfG nur insoweit dem öffentlich-rechtlichen
Entsorgungsträger andienen müssen, soweit sie zu einer Verwertung nicht in der
Lage sind oder diese nicht beabsichtigen. Insbesondere in weniger dicht
besiedelten, ländlichen Gebieten könnten bei einer gesonderten BioabfallSammlung aus diesem Grund kaum nennenswerte Mengen akquiriert werden.
Für gesonderte Märkte spricht weiter, dass eine gesonderte Erfassung von
Restmüll und Bioabfall im Hinblick auf die unterschiedlichen Entsorgungswege
für diese Abfallfraktionen – nämlich die Beseitigung auf Deponien oder
Verbrennung bei Siedlungsabfällen und die Kompostierung bei Bioabfällen –
sinnvoll ist. Soweit eine Bioabfallsammlung durchgeführt wird, wird diese von
den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern daher in der Regel auch gesondert
ausgeschrieben. Vor diesem Hintergrund ist auch insoweit von eigenständigen
Märkten auszugehen.
20.
Ferner ist der Markt der Sammlung und des Transports von Restmüll auch vom
Markt der Sammlung und des Transports von Sperrmüll zu unterscheiden. Zwar
spricht für die Annahme eines einheitlichen Marktes, dass die Sammlung von
Rest- und Sperrmüll von den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern vielfach
gemeinsam ausgeschrieben wird und beide Abfallfraktionen vereinzelt auch
gemeinsam
erfasst
werden.
Allerdings
bestehen
gleichwohl
deutliche
Unterschiede zwischen den jeweiligen Sammelsystemen. So wird nur Restmüll,
nicht aber Sperrmüll in Behältern gesammelt, so dass bei der RestmüllSammlung insoweit entsprechende Investitionen des Anbieters erforderlich sind.
Ferner unterscheiden sich die System insbesondere in Bezug auf den
Abfuhrrhythmus. Denn Sperrmüll wird wesentlich seltener als Restmüll, teilweise
19
sogar nur auf ausdrückliche Anforderung des Abfallbesitzers abgeholt. Darüber
hinaus spricht für die Annahme gesonderter Märkte, dass eine gesonderte
Erfassung beider Abfallfraktionen aufgrund der Unterschiede im Rahmen der
Entsorgung sinnvoll ist. Während Restmüll nämlich weit überwiegend ohne
vorherige Sortierung auf Deponien beseitigt oder verbrannt wird, wird Sperrmüll
in der Regel vor der Verbrennung sortiert. In Anbetracht dessen ist auch in
Bezug auf Restmüll und Sperrmüll von eigenständigen Märkten der Sammlung
und des Transports auszugehen.
21.
Darüber hinaus unterscheiden sich auch die Preise für das haushaltsnahe
Sammeln und Transportieren der unterschiedlichen Abfallarten insgesamt
erheblich und insbesondere auch die Preise für Restmüll und die PPK-Fraktion.
Insoweit bestehen auf dem Nachfragemarkt für die haushaltsnahe Sammlung
und den Transport von Restmüll im Vergleich zu anderen benachbarten Märkten
deutlich
andere
Wettbewerbsbedingungen, die es auch den Anbietern
ermöglichen,
auf
den
unterschiedlichen
verschiedene
Marktstrategien
in
Hinblick
sachlich
auf
relevanten
Preise
und
Märkten
Konditionen
einzuschlagen.
22.
Sammlung und Transport von Restmüll sowie Sammlung und Transport von
Leichtverpackungen ("LVP") gehören schon deshalb nicht dem gleichen Markt
an,
weil
für
die
erstgenannte
Dienstleistung
die
öffentlich-rechtlichen
Entsorgungsträger, für die zweite dagegen privatwirtschaftliche Unternehmen
verantwortlich sind und die Bezahlung auf unterschiedliche Weise erfolgt.
Restmüll ist, ebenso wie andere Siedlungsabfälle, gemäß § 13 Abs. 1 KrW/AbfG
den
öffentlich-rechtlichen
Entsorgungsträgern
(Gebietskörperschaften)
zu
überlassen, die für Sammlung und Transport sowie Entsorgung dieser Abfälle
verantwortlich sind. Die Aufträge für Sammlung und Transport von Restmüll
werden von diesen Gebietskörperschaften vergeben, soweit sie nicht die
Dienstleistungen mit eigenen öffentlichen Entsorgungsunternehmen erfüllen.
Finanziert werden Sammlung und Transport von Restmüll über Müllgebühren,
die von jedem Hausbesitzer zu entrichten sind. Für LVP hingegen sind gemäß
§ 6 VerpackV die Hersteller und Vertreiber zur unentgeltlichen Rücknahme und
Verwertung verpflichtet. In der Praxis haben sich die meisten Hersteller und
Vertreiber sog. dualen Systemen gemäß § 6 Abs. 3 VerpackV angeschlossen,
die dann die Verpflichtungen der Hersteller oder Vertreiber erfüllen. Die Aufträge
für Sammlung und Transport von LVP werden deshalb von den dualen
20
Systemen vergeben. Das bei weitem führenden duale System, die Der Grüne
Punkt – Duales System Deutschland AG ("DSD"), hat 2003 und 2004 ihre
Leistungsverträge bundesweit ausgeschrieben, die übrigen zur Zeit aktiven
dualen Systeme erfüllen ihre Verpflichtungen im Wege der Mitbenutzung der
Wertstofftonnen. Finanziert werden Sammlung und Transport von LVP durch
Lizenzentgelte, die die Systembeteiligten pro lizensierter Verpackung an das
jeweilige duale System zahlen.
23.
Gleiches wie für LVP gilt in noch stärkerem Maß für Altglas, das ebenfalls von
dualen Systemen und nicht von öffentlichen Entsorgungsträgern gesammelt und
verwertet wird. Altglas wird zudem ganz überwiegend nicht bei jedem einzelnen
Haushalt abgeholt, sondern in zentralen Sammelcontainern gesammelt. Somit ist
auch Sammlung und Transport von Altglas nicht dem gleichen sachlichen Markt
wie Sammlung und Transport von Restmüll zuzurechnen.
24.
Die Leistungen der Sammlung und des Transportes von Restmüll einerseits und
der Verwertung/Beseitigung (Entsorgung) von Restmüll andererseits sind bei der
wettbewerblichen Beurteilung zu trennen. Schon die Leistungen selbst
unterscheiden sich deutlich. Zudem findet eine Koppelung der Aufträge für die
Sammlung und den Transport von Restmüll und für die Verwertung/Beseitigung
von Restmüll nicht statt. Dementsprechend sind auch die Anbieter- und
Vertragsstrukturen auf den beiden Märkten sehr unterschiedlich. Teilweise
unterscheiden sich auch die Zuständigkeiten für Sammlung und Transport sowie
Entsorgung von Restmüll. So sind etwa in den Bundesländern NordrheinWestfalen und Hessen für Sammlung und Transport von Restmüll jeweils die
Kommunen, für die Entsorgung von Restmüll hingegen die Kreise zuständig.
25.
Ein Markt für die Sammlung und den Transport von Restmüll wird eröffnet, wenn
der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger seinen Pflichten nicht selbst nachkommt, sondern private Entsorgungsunternehmen oder gemischtwirtschaftliche
Unternehmen unter Beteiligung von privaten Partnern damit beauftragt.
Entsprechendes gilt, wenn der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger den mit
der Sammlung und dem Transport von Restmüll in seinem Zuständigkeitsgebiet
beauftragten Eigenbetrieb ganz oder teilweise privatisiert, so dass die Leistung
nach dem Vollzug der Privatisierung durch ein privates Unternehmen bzw. ein
gemischtwirtschaftliches Unternehmen erbracht wird.
21
26.
Im Zuständigkeitsgebiet des jeweiligen öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers
haben die mit der Sammlung und dem Transport von Restmüll beauftragten
Unternehmen Monopole inne. Wettbewerb findet regelmäßig nur bei der Vergabe
der Entsorgungsaufträge an private Dritte bzw. bei der Vergabe privater
Beteiligungen an dem mit der Entsorgung beauftragten Eigenbetrieb bzw.
gemischtwirtschaftlichen Unternehmen statt. Denn ein öffentlich-rechtlicher
Entsorgungsträger, der die Entsorgungsaufgabe nicht selbst durchführen,
sondern an private Dritte vergeben will, ist bei Überschreiten der Schwellenwerte
gemäß §§ 97 ff. GWB i.V.m. VOL verpflichtet, eine Ausschreibung der Leistung
durchzuführen. Der Wettbewerb findet dann auf dieser Stufe statt.
1.2. Räumliche Marktabgrenzung
27.
Ziel der räumlichen Marktabgrenzung ist es, das relevante räumliche Gebiet zu
ermitteln, in dem der Wettbewerb im betroffenen sachlichen Markt im Hinblick
auf den zu beurteilenden Zusammenschluss stattfindet. Maßgebend ist dabei,
dass in den Gebieten, die für eine marktbeherrschende Stellung eines
Unternehmens in Betracht kommen, die tatsächlich bestehenden und zu
erwartenden regionalen Marktverhältnisse hinreichend widergespiegelt werden7.
Auch für die räumliche Marktabgrenzung gilt das Bedarfsmarktkonzept. Die
Abgrenzung des räumlich relevanten Marktes bestimmt sich demnach nach den
aus der Sicht der Nachfrager gegebenen räumlichen Ausweichmöglichkeiten8.
Hierbei sind die tatsächliche Anschauung der Abnehmer und das tatsächliche
Abnehmerverhalten von Bedeutung. Abzustellen ist deshalb nicht auf bloß
theoretische
Ausweichmöglichkeiten,
tatsächlich
zur
Verfügung
sondern
stehenden
auf
die
den
Abnehmern
Angebotsalternativen.
Eine
pauschalierende Betrachtung ist dabei nicht angemessen, sondern es müssen
die Marktverhältnisse im konkreten betroffenen Gebiet geprüft werden9.
Vorliegend ist zu prüfen, welche Anbieter von Entsorgungsdienstleistungen sich
um Aufträge für Sammlung und Transport von Restmüll bemühen und welche
von
diesen
von
den
nachfragenden
Gebietskörperschaften
tatsächlich
entsprechende Verträge erhalten. Auszugehen ist dabei von den vom
Zusammenschluss
unmittelbar
betroffenen
Nachfragern,
d.h.
von
entsorgungspflichtigen Gebietskörperschaften in der jeweiligen Region.
7
BGH, Beschluss vom 13. Juli 2004 "Sanacorp/ANZAG", 1. Leitsatz
vgl. Langen/Bunte-Ruppelt, Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht, 9.
Auflage 2001, § 19 Rdnr. 25.
9
BGH, Beschluss vom 13. Juli 2004 "Sanacorp/ANZAG", Beschlussausfertigung S. 9/10
8
22
den
1.2.1. Kein bundesweiter Markt
28.
Ein bundesweiter Markt für Sammlung und Transport von Restmüll besteht nicht,
obwohl die entsprechenden Aufträge in aller Regel bundes- oder sogar
europaweit ausgeschrieben werden müssen und damit Unternehmen aus der
gesamten Bundesrepublik oder auch aus dem Ausland die Gelegenheit haben,
Angebote abzugeben. Tatsächlich werden Angebote jedoch weit überwiegend
von Unternehmen abgegeben, die in der jeweiligen Region bereits tätig sind und
dort über entsprechende Infrastruktureinrichtungen (z.B. Logistik-Standorte)
verfügen. Zwar stellen hier nicht, wie in den meisten anderen regional geprägten
Märkten, Transportkosten eine relevante Begrenzung für den räumlichen Markt
dar. Jedoch ermöglichen vorhandene Standorte in einer Region Synergieeffekte,
die dazu führen, dass diese Unternehmen kostengünstigere Angebote abgeben
können als noch nicht in der Region vertretene Unternehmen, die für einen
erhaltenen Auftrag normalerweise eigens neue Infrastruktur (Fahrzeuge,
Personal etc.) aufbauen müssen. Bereits in der Region ansässige Unternehmen
kennen zudem in der Regel die Strukturen der ausgeschriebenen Gebiete
besser als auswärtige Unternehmen und haben auch deshalb Vorteile bei der
Kalkulation ihrer Angebote. Das relevante Wettbewerbsgeschehen wird daher
geprägt durch die in einer Region vorhandenen Wettbewerbspotentiale der
Anbieter.
29.
Auch eine Analyse der regionalen Verteilung der Aktivitäten von Entsorgungsunternehmen zeigt, dass diese sich selbst bei Großunternehmen nicht
gleichmäßig über das gesamte Bundesgebiet verteilen. Mittlere und kleinere
Unternehmen sind in aller Regel ohnehin nur regional tätig.
30.
Vor dem Zusammenschluss sind nur fünf und nach dem Zusammenschluss nur
noch vier Entsorgungsunternehmen überhaupt mit Einschränkungen als bundesweit tätig zu betrachten. Dies sind Remondis, RWE Umwelt, Sulo/Altvater, Sita
und Cleanaway. Von diesen ist jedoch vor dem Zusammenschluss nur RWE
Umwelt und nach dem Zusammenschluss nur Remondis in allen Bundesländern
aktiv. Die übrigen Unternehmen sind nicht in allen Bundesländern im Bereich
Sammlung und Transport von Restmüll tätig und haben darüber hinaus deutliche
regionale Schwerpunkte. Sulo/Altvater ist in Bayern, Baden-Württemberg,
Rheinland-Pfalz und Hessen sowie Niedersachsen besonders stark (Marktanteile
jeweils um 20%), dafür jedoch in den neuen Bundesländern nur schwach
(Marktanteile kleiner 10%) und in Nordrhein-Westfalen fast gar nicht (Marktanteil
23
unter 3%) vertreten. Sita hat seine Stärken in Baden-Württemberg, RheinlandPfalz, Hessen sowie den südlichen neuen Bundesländern mit Marktanteilen von
jeweils ca. 15 bis 25%, ist dafür in Bayern und Nordrhein-Westfalen nur schwach
(Marktanteile kleiner 10%) und in Norddeutschland (Niedersachsen/Bremen,
Schleswig-Holstein und nördliche neue Bundesländer) praktisch nicht vertreten.
Cleanaway ist nur in den Bundesländern Rheinland-Pfalz, Hessen, NordrheinWestfalen,
Niedersachsen,
Schleswig-Holstein, Sachsen, Thüringen und
Mecklenburg-Vorpommern tätig.
31.
Die übrigen großen Entsorgungsunternehmen mit Umsätzen von mehr als 50
Mio. €/Jahr sind jeweils nur in wenigen Bundesländern tätig: Alba ist nur in den
neuen Bundesländern sowie – geringfügig – in Niedersachsen aktiv. Tönsmeier
hat seine Tätigkeitsschwerpunkte im nordöstlichen Nordrhein-Westfalen und
südlichen Niedersachsen sowie im südlichen Sachsen-Anhalt, Nord-Thüringen
und Nordwest-Sachsen. Schönmackers ist ausschließlich in Nordrhein-Westfalen
tätig. Nehlsen beschränkt sich auf Bremen/Niedersachsen, MecklenburgVorpommern, Sachsen und – geringfügig – Baden-Württemberg. Jakob Becker
ist in Rheinland-Pfalz, Saarland, nördliches Baden-Württemberg, südliches
Hessen, sowie den südlichen neuen Bundesländern tätig. U-Plus ist
ausschließlich in Baden-Württemberg tätig. AGR, die vom Umsatz her ebenfalls
in diese Kategorie gehört, hat nur geringe Sammlungsaktivitäten, da das
Unternehmen seinen Schwerpunkt bei der Entsorgung, d.h. der nachfolgenden
Marktstufe, hat. Kleinere Entsorgungsunternehmen (Umsätze 10 bis 50 Mio.
€/Jahr) sind normalerweise nur in ein oder zwei Bundesländern tätig, und ganz
kleine (Umsatz unter 10 Mio. €/Jahr) betätigen sich häufig nur in ihrem Heimatort
und dessen unmittelbarer Umgebung.
32.
Zudem hat das Bundeskartellamt in früheren Fällen festgestellt, dass sich das
tatsächliche Nachfrageverhalten bei Sammlung und Transport von Restmüll nicht
bundesweit abspielt, sondern in weitaus engeren Räumen (siehe im Einzelnen
Ziff. 33ff. unten). Die zu erzielenden Synergieeffekte, die Tätigkeitsschwerpunkte
von
Entsorgungsunternehmen
sowie
die
Ermittlungen
in
früheren
Fusionskontrollfällen zeigen somit deutlich, dass der Markt für Sammlung und
Transport von Restmüll nicht bundesweit abzugrenzen ist.
24
1.2.2. Die einzelnen räumlichen Märkte
1.2.2.1. Nordrhein-Westfalen
33.
Für die Verfahren B10 – 219/01 – Trienekens/Entsorgungsbetriebe Essen10
sowie B10 – 124/01 – Trienekens/AWISTA Düsseldorf11 wurden insgesamt 32
Ausschreibungen für Sammlung und Transport von Siedlungsabfall in NordrheinWestfalen detailliert ausgewertet. An 24 dieser 32 Ausschreibungen hatten sich
ausschließlich Unternehmen beteiligt, die bereits über Niederlassungen in
Nordrhein-Westfalen verfügten. An den übrigen 8 Ausschreibungen hatten sich
zwar auch Unternehmen aus anderen Bundesländern beteiligt, jedoch hatte nur
in einem dieser Fälle ein Unternehmen aus einem anderen Bundesland den
Zuschlag erhalten. Dabei handelte es sich um ein Gebiet, das in unmittelbarer
Nähe zur Landesgrenze nach Niedersachsen lag, und das erfolgreiche
Unternehmen hatte seinen Sitz in Niedersachsen wiederum in unmittelbarer
Nähe zur Grenze nach Nordrhein-Westfalen. Es konnte sogar gezeigt werden,
dass die bedeutendsten Wettbewerber auch innerhalb Nordrhein-Westfalens
noch Tätigkeitsschwerpunkte haben, auf die der weitaus größte Teil ihrer Ausschreibungsbewerbungen entfiel. Daneben wurde festgestellt, dass in NordrheinWestfalen besondere Wettbewerbsstrukturen in den Entsorgungsmärkten
herrschen, u.a. weil Nordrhein-Westfalen im Entsorgungsbereich traditionell ein
autarkes Land ist. Diese Faktoren führten zu dem Ergebnis, dass NordrheinWestfalen einen eigenständigen räumlichen Markt darstellt.
34.
Die Ermittlungsergebnisse aus den genannten Fällen geben auch zum heutigen
Zeitpunkt noch ein hinreichend aktuelles Bild des Bieterverhaltens bei
Ausschreibungen wieder. Verträge für Sammlung und Transport von Restmüll
sind in aller Regel langfristig (Laufzeit mehr als 5 Jahre, in vielen Fällen sogar
mehr als 10 Jahre), Ausschreibungen erfolgen deshalb nur in langen
Zeitabständen. Seit dem Beschluss B10 – 124/01 Trienekens/Awista Düsseldorf
hat es nach Feststellungen des Bundeskartellamts in Nordrhein-Westfalen nur in
insgesamt 13 von 337 Gebieten (3,9% der Gebiete) einen Anbieterwechsel
gegeben. Die davon betroffene Gesamteinwohnerzahl lag bei ca. 340.000
Einwohner, dies entspricht 3,4% der Einwohner Nordrhein-Westfalens, deren
Restmüll von privaten oder gemischtwirtschaftlichen Unternehmen gesammelt
werden. In 12 der 13 Gebiete erhielt jeweils ein Unternehmen, das bereits in
10
11
Vgl. Beschluss vom 29. April 2002, a.a.O., Ziff. 39ff.
Vgl. Beschluss vom 17. Juni 2002, a.a.O., Ziff. 38ff.
25
Nordrhein-Westfalen ansässig war, den Auftrag. Von der 13. Ausschreibung ist
der Auftragnehmer nicht bekannt. Damit ist erkennbar, dass sich das
Vergabeverhalten in Nordrhein-Westfalen in den letzten 2 Jahren nicht spürbar
verändert
hat.
Nordrhein-Westfalen
bildet
deshalb
weiterhin
einen
eigenständigen räumlichen Markt.
1.2.2.2. Südliche neue Bundesländer (Brandenburg/Berlin, Sachsen-Anhalt, Sachsen,
Thüringen)
35.
Remondis erwirbt von RWE Umwelt in den neuen Bundesländern die
Tochterunternehmen bzw. PPP-Beteiligungen Stadtentsorgung Potsdam mit
Standorten in Potsdam (Brandenburg), RWE Umwelt Eilenburg mit Standort in
Eilenburg (Sachsen), RWE Umwelt Elbe-Röder mit Standorten in Quersa und
Riesa (Sachsen), Niederschlesische Entsorgungsgesellschaft mit Standorten in
Niesky und Weißwasser (Sachsen), ZUG Zwickauer Umweltdienst mit Standort
in
Zwickau
sowie
Umweltservice
Wartburgregion
mit
Standorten
in
Eisenach/Wartburgkreis.
36.
Im Verfahren B10 – 74/04 Rethmann/Tönsmeier/GfA Köthen hat die Beschlussabteilung das Ausschreibungsverhalten der Gebietskörperschaften in den Bundesländern Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Sachsen
und Thüringen im Einzelnen untersucht.12 Dabei wurden 26 Ausschreibungen für
Sammlung und Transport von Restmüll in allen fünf genannten Bundesländern
detailliert analysiert; Berlin kann insoweit außen vor bleiben, da hier Sammlung
und Transport von Restmüll durch ein öffentliches Unternehmen erfolgt. Die
Auswertung zeigte, dass 81% aller Angebote von Unternehmen eingereicht
wurden, die ihren Sitz oder eine Niederlassung in einem Umkreis von 50km um
das Ausschreibungsgebiet hatten. Dehnt man den Radius auf 100km aus, so
werden bereits 91,5% aller Angebote abgedeckt. Lediglich 8,5% der Angebote
kam von Unternehmen, die weiter als 100km vom jeweiligen Ausschreibungsort
entfernt ansässig waren. Den Zuschlag erhielten ausschließlich Unternehmen,
die im 100km-Radius ansässig waren. Die Beschlussabteilung hat deshalb im
dort betroffenen Fall – wo eine Gebietskörperschaft ein bislang öffentliches
Entsorgungsunternehmen privatisieren wollte – festgestellt, dass der räumlich
relevante Markt alle Landkreise umfasst, deren Gebiet zu mehr als 50% in einem
12
Beschluss vom 16. November 2004, a.a.O., Ziff. 52ff.
26
Radius von 100km um das Gebiet der ausschreibenden Gebietskörperschaft
herum liegt.
37.
Die in der vorhergehenden Ziffer dargelegten Ermittlungsergebnisse lassen sich
im Umkehrschluss so interpretieren, dass sich das vom Standort eines
Entsorgungsunternehmens ausgehende Wettbewerbspotenzial ebenfalls in
einem Radius von ca. 100km um den Standort herum auswirkt, da nur in diesem
Umkreis eine erfolgversprechende Teilnahme an Ausschreibungen möglich
scheint. Hierauf basierend müssten räumliche Märkte abgegrenzt werden, die
alle Kreise umfassen, deren Gebiet zum großen Teil innerhalb eines Radius von
100km um jeden Standort liegt. Das wird nachfolgend getan, wobei die jeweils in
ein und demselben Landkreis liegenden Standorte Quersa und Riesa, Niesky
und Weißwasser sowie Eisenach und Wartburgkreis zusammengefasst werden.
38.
Danach ergibt sich für die Standorte in Potsdam ein räumlicher Markt, der das
Bundesland Brandenburg mit Ausnahme des Kreises Spree-Neiße und der Stadt
Cottbus sowie die im östlichen Sachsen-Anhalt gelegenen Kreise Stendal,
Jerichower Land, Anhalt-Zerbst, Stadt Magdeburg, Schönebeck, Köthen, Stadt
Dessau, Wittenberg und Bitterfeld umfasst.
39.
Für den Standort Eilenburg ergibt sich ein Markt, der den größten Teil des
Bundeslandes Sachsen mit Ausnahme der südlichsten und östlichsten Kreise13,
den größten Teil des Landes Sachsen-Anhalt mit Ausnahme der nördlichsten
und westlichsten Kreise14, die südwestlichen Kreise von Brandenburg15 und die
nordöstlichen Kreise Thüringens 16 umfasst.
40.
Der räumliche Markt für die Standorte Quersa und Riesa umfasst Sachsen mit
Ausnahme der südlichsten Kreise (Vogtlandkreis und Stadt Plauen), den Kreis
13
Vogtlandkreis, Stadt Plauen, Kreise Sächsische Schweiz, Kamenz, Löbau-Zittau,
Niederschlesischer Oberlausitzkreis, Städte Bautzen, Hoyerswerda und Görlitz
14
Kreise Halberstadt, Werningerode, Quedlinburg, Bördekreis, Ohrekreis, Altmarkkreis
Salzwedel, Stendal
15
Stadt Brandenburg, Kreise Potsdam-Mittelmark, Teltow-Fläming, Elbe-Elster, DahmeSpreewald, Oberspreewald-Lausitz
16
Kreise Altenburger Land, Greiz, Saale-Holzland-Kreis, Weimarer Land, Sömmerda und
Städte Gera und Jena
27
Altenburger Land (Thüringen), die südöstlichen Kreise von Sachsen-Anhalt17 und
die südlichen Kreise von Brandenburg18.
41.
Für die Standorte Niesky und Weißwasser ergibt sich ein Standort bestehend
aus den östlichen Landkreisen des Landes Sachsen19 und den südöstlichen
Kreisen Brandenburgs 20. Der 100km-Radius würde sich darüber hinaus nach
Polen und Tschechien erstrecken. Da die Analyse der Ausschreibungsergebnisse jedoch keinerlei Hinweis darauf ergeben hat, dass sich Unternehmen
aus diesen Ländern an Ausschreibungen in dieser Region beworben haben, wird
nicht davon ausgegangen, dass sich der räumliche Markt auf Gebiete außerhalb
Deutschlands erstreckt.
42.
Für den Standort Zwickau besteht der räumliche Markt aus dem Bundesland
Sachsen mit Ausnahme der östlichsten Kreise21, den südlichsten Kreisen
Sachsen-Anhalts 22 und den östlichen Kreisen Thüringens 23. Ebenfalls im
Einzugsbereich liegen einige nordöstliche Kreise Bayerns 24.
43.
Für die Standorte Eisenach/Wartburgkreis gehört der größte Teil von Thüringen
(außer östliche Kreise25) und der Kreis Sangerhausen in Sachsen-Anhalt zum
räumlichen Markt. Zum Einzugsbereich gehört zudem die nördliche Hälfte
Hessens 26 und einige Kreise Nordbayerns 27.
17
Kreise Weißenfels, Saalkreis, Merseburg-Querfurt, Bitterfeld, Wittenberg und die Städte
Halle/Saale und Dessau
18
Kreise Teltow-Fläming, Dahme-Spreewald, Elbe-Elster, Oberspreewald-Lausitz, Spree-Neiße
und Stadt Cottbus
19
Kreise Niederschlesischer Oberlausitzkreis, Löbau-Zittau, Bautzen, Kamenz, Sächsische
Schweiz, Weißeritzkreis, Riesa-Großenhain, Meißen, Freiberg und Städte Görlitz, Hoyerswerda
und Dresden
20
Kreise Spree-Neiße, Oberspreewald-Lausitz, Elbe-Elster, Dahme-Spreewald, Oder-Spree
und Stadt Cottbus
21
Kreise Riesa-Großenhain, Sächsische Schweiz, Bautzen, Kamenz, Niederschlesischer
Oberlausitzkreis, Löbau-Zittau, Städte Dresden, Hoyerswerda und Görlitz
22
Kreise Burgenlandkreis, Weißenfels, Merseburg-Querfurt, Stadt Halle
23
Kreise Altenburg, Greiz, Saale-Orla, Saale-Holzland-Kreis, Saalfeld-Rudolstadt, Sonneberg,
Ilmkreis, Weimarer Land, Sömmerda, Städte Gera, Erfurt und WEimar
24
Kreis und Stadt Hof, Kreise Kronach, Kulmbach, Stadt und Kreis Bayreuth, Kreise
Tirschenreuth und Wunsiedel im Fichtelgebirge
25
Kreise Saale-Holzland-Kreis, Saale-Orla, Greiz, Altenburger Land, Stadt Gera
26
Kreis und Stadt Kassel, Kreise Werra-Meißner-Kreis, Hersfeld-Rotenburg, Fulda, MainKinzig-Kreis, Vogelsbergkreis, Gießen, Marburg-Biedenkopf, Waldeck-Frankenberg, SchwalmEder
27
Kreise Rhön-Grabfeld, Bad Kissingen, Stadt und Kreis Schweinfurt, Kreise Haßberge,
Kronach, Stadt und Kreis Coburg
28
44.
Die so abgegrenzten Einzugsbereiche der zu erwerbenden Standorte
überschneiden sich und decken zusammen die Bundesländer Sachsen und
Thüringen vollständig, Brandenburg fast vollständig (mit Ausnahme von Teilen
der Landkreise Prignitz und Uckermark) und Sachsen-Anhalt zu ca. ¾ ab. In
Mecklenburg-Vorpommern wird nur ein kleiner Teil (weniger als ¼) des
Landkreises Mecklenburg-Strelitz mit erfasst. Hilfsweise wird auch auf diesen
größeren
räumlichen
Bereich
abgestellt,
wobei
die
Beschlussabteilung
zugunsten der Zusammenschlussbeteiligten die Bundesländer Sachsen-Anhalt
und Brandenburg jeweils vollständig zugerechnet hat. Die genaue räumliche
Marktabgrenzung kann jedoch offen bleiben, da sich weder auf Basis der 100kmRadien noch auf Basis der weiteren Marktabgrenzung Wettbewerbsprobleme
ergeben.
1.2.2.3. Schleswig-Holstein
45.
Im Verfahren B10 – 248/01 – RWE Umwelt Norddeutschland/GAB Pinneberg28
wurde eine Analyse der Ausschreibungsergebnisse für Schleswig-Holstein
angestellt. Auch hier wurde festgestellt, dass wettbewerbsfähige Angebote bei
Ausschreibungen überwiegend von Unternehmen abgegeben wurden, die in
Schleswig-Holstein ansässig sind bzw. dort bereits in erheblichem Umfang auf
dem Markt der Sammlung und des Transports von Restmüll tätig sind.
Insbesondere wurde dort auch festgestellt, dass die Bedeutung auswärtiger
Wettbewerber in den Ausschreibungen seit 1997 zurückgegangen ist. Zu erklären war dies vor allem mit Kostenvorteilen, die lokal bzw. regional vertretene
Anbieter angesichts insgesamt sinkender Preise gegenüber auswärtigen Konkurrenten hatten. Auch die geographische Lage Schleswig-Holsteins, an das nur
Hamburg, Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern unmittelbar angrenzen,
trug dazu bei, dass auch für Schleswig-Holstein ein eigenständiger räumlicher
Markt festgestellt wurde.
46.
Auch hier hat die Beschlussabteilung keine Anhaltspunkte dafür, dass sich das
Ausschreibungsverhalten seit der Entscheidung im Verfahren B10 – 248/01
spürbar verändert hätte. Es wird deshalb davon ausgegangen, dass SchleswigHolstein weiterhin einen eigenständigen räumlichen Markt darstellt.
28
Vgl. Beschluss vom 24. Mai 2002, WuW DE-V 677, Ziff. 61ff.
29
1.2.2.4. Niedersachsen/Bremen
47.
Für Niedersachsen und Bremen zeigte sich im Verfahren B10 – 104/02 –
Nehlsen/Rethmann/BEG29, dass bei nur 2 von insgesamt 17 Ausschreibungen
Unternehmen
den
Zuschlag
erhielten,
die
ihren
Sitz
nicht
in
Niedersachsen/Bremen haben und in diesem Gebiet auch noch nicht tätig
waren. Zudem waren in 11 Gebietskörperschaften die Aufträge – teils im Wege
der Verlängerung bestehender Verträge – ohne Ausschreibung vergeben
worden, wobei in allen 11 Fällen Unternehmen den Auftrag erhielten, die in
Niedersachsen/Bremen bereits aktiv waren. Niedersachsen und Bremen bilden
demnach gemeinsam ebenfalls einen eigenständigen räumlichen Markt. Hier gilt
im Hinblick auf die Entwicklung seit der zitierten Entscheidung das Gleiche wie
für Schleswig-Holstein.
1.2.2.5. Übrige Bundesländer
48.
Für die übrigen Bundesländer (Baden-Württemberg, Bayern, Hessen, RheinlandPfalz und Saarland) hat die Beschlussabteilung bisher noch nicht die räumlich
relevanten Märkte abgegrenzt. Eine Analyse des Bieterverhalten bei Ausschreibungen wurde im Einzelnen nicht vorgenommen, da sich jeweils selbst auf Basis
der engstmöglichen Marktabgrenzungen keine Wettbewerbsprobleme ergaben.
Die genaue räumliche Marktabgrenzung kann auch im vorliegenden Fall für alle
genannten Bundesländer offen bleiben.
49.
In Baden-Württemberg erwirbt Remondis von RWE Umwelt mehrere Standorte,
deren Einzugsbereiche sich überschneiden und das gesamte Bundesland
Baden-Württemberg abdecken. Es wäre deshalb nicht sachgerecht, auf einen
kleineren räumlichen Markt als Baden-Württemberg abzustellen. Anhaltspunkte
dafür, dass der räumliche Markt aus Sicht der Baden-Württembergischen
Nachfrager größer ist als Baden-Württemberg liegen nicht vor. Es wird deshalb
davon ausgegangen, dass der räumliche Markt das Bundesland BadenWürttemberg umfasst.
50.
Für Rheinland-Pfalz und das Saarland gilt das gleiche wie für BadenWürttemberg. Da das Saarland flächenmäßig sehr klein und vollständig von
Rheinland-Pfalz umschlossen ist, scheint es nicht sinnvoll, hier getrennte
räumliche Märkte anzunehmen. Es wird deshalb davon ausgegangen, dass
29
Vgl. Beschluss vom 17. Dezember 2002, a.a.O., Ziff. 102ff.
30
Rheinland-Pfalz und Saarland zusammen einen räumlich relevanten Markt
bilden.
51.
In Bayern liegen sowohl die erworbenen Standorte von RWE Umwelt als auch
die Standorte von Remondis selbst ausschließlich im Süden des Bundeslandes.
Geht man von der Einzugsbereichs-Betrachtung aus, könnte hier die
Abgrenzung eines bundeslandweiten Marktes unter Umständen zu weit sein. Es
wird deshalb vorsorglich auch ein engerer räumlicher Markt untersucht, der aus
den Landkreisen Ansbach, Roth, Neumarkt i.d.OPf., Schwandorf und allen
südlich von diesen liegenden Kreisen besteht.
52.
Da Remondis in Hessen keine Standorte von RWE Umwelt erwirbt, erübrigt sich
hier eine räumliche Marktabgrenzung.
1.3. Entstehung oder Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung
53.
Durch den Erwerb von RWE Umwelt durch Remondis wird auf keinem der
betroffenen räumlichen Märkte für Sammlung und Transport von Restmüll eine
marktbeherrschende
Stellung
entstehen
oder
verstärkt
werden.
Die
angegebenen Marktanteile beruhen auf Ermittlungen der Beschlussabteilung bei
den entsorgungspflichtigen Körperschaften in den Bundesländern BadenWürttemberg, Bayern, Hessen, Rheinland-Pfalz und Saarland und den großen
Entsorgungsunternehmen (Remondis, RWE Umwelt, Sita, Altvater, Cleanaway,
Alba, Tönsmeier, J. Becker, U-Plus, Nehlsen). Für die übrigen Bundesländer
lagen
bereits
entsprechende
Marktanteilsinformationen
vor,
die
jeweils
aktualisiert wurden.
1.3.1. Nordrhein-Westfalen
54.
Insgesamt werden in Nordrhein-Westfalen die Leistungen der Sammlung und
des Transports von Restmüll für ca. 9,93 Mio. Einwohner von privaten bzw.
gemischtwirtschaftlichen Unternehmen durchgeführt. Dies ist auch das zugrundezulegende Marktvolumen. Die restlichen ca. 8,2 Mio. Einwohner werden von
den Kommunen bzw. kommunalen Eigenbetrieben bedient.
55.
Bei der Marktanteilsberechnung wurden die Einwohner, die auf die Gemeinschaftsunternehmen Plum & Braun, Braun & Trienekens und Gerke mit
31
Beteiligung von RWE Umwelt entfallen, RWE Umwelt – entsprechend früherer
Praxis 30 – voll zugerechnet.
56.
Die aktuelle Marktanteilsverteilung stellt sich wie in der nachfolgenden Tabelle
aufgeführt dar. Unter "RWE Umwelt" sind dabei die Marktanteile erfasst, die von
Remondis übernommen werden sollen. Die nicht von Remondis übernommenen
Marktanteile werden unter "RWE Newco" erfasst. RWE Umwelt hielt vor dem
Zusammenschluss in Nordrhein-Westfalen einen Marktanteil von 40,5%. Nach
dem Zusammenschluss ergibt sich folgende Marktanteilsverteilung:
Unternehmen
Marktanteil in % auf
Einwohnerbasis
Remondis
12,9%
RWE Umwelt
16,0%
Summe
28,9%
RWE Newco
24,4%
Schönmackers
12,3%
Tönsmeier
8,4%
Sita
6,4%
Die übrigen Wettbewerber haben Marktanteile unter 5%.
57.
Aufgrund der Marktanteilsabschmelzungen bereits vor dem Zusammenschluss,
durch den ein großer Teil der Verträge über Sammlung und Transport von
Restmüll in Nordrhein-Westfalen auf RWE Newco übertragen wird, liegt der
addierte
Marktanteil
von
Remondis
und
RWE
Umwelt
nach
dem
Zusammenschluss deutlich unter dem bisher von RWE Umwelt allein gehaltenen
Marktanteil
und
auch
deutlich
unterhalb
der
Schwelle
der
Einzelmarktbeherrschungsvermutung des § 19 Abs. 3 GWB. Remondis wird
dadurch zwar Marktführer in Nordrhein-Westfalen, allerdings mit deutlich
geringerem
Marktanteil
und
Marktanteilsvorsprung
als
der
bisherige
Marktbeherrscher RWE Umwelt. Es ist angesichts der Marktstruktur nicht davon
auszugehen,
dass
der
Zusammenschluss
zur
Entstehung
einer
einzelmarktbeherrschenden Stellung von Remondis auf dem Markt für
Sammlung und Transport von Restmüll in Nordrhein-Westfalen führen wird.
58.
Remondis und RWE Newco erreichen jedoch nach dem Zusammenschluss
Marktanteile von zusammen 53,3% und erfüllen damit die Oligopolvermutung
30
vgl. Beschluss vom 17. Juni 2002, a.a.O., Ziff. 53
32
des § 19 Abs. 3 Nr. 1 GWB. Von den übrigen Wettbewerbern hält nur noch
Schönmackers Marktanteile von über 10%, alle anderen Wettbewerber erreichen
nur Marktanteile von unter 10%. Die Marktanteile von Remondis und RWE
Newco wären auch symmetrisch. Bei RWE Newco ist zudem nicht zu erwarten,
dass von diesem Unternehmen, das von der RWE AG weiterveräußert werden
soll, nennenswerte Wettbewerbsimpulse ausgehen. Dieser Zustand wird
allerdings nur kurzfristig Bestand haben, da RWE AG plant, RWE Newco so bald
wie möglich zu verkaufen. Dies wurde gegenüber dem Bundeskartellamt sowohl
durch RWE AG selbst als auch durch verschiedene Erwerbsinteressenten für
RWE Newco glaubhaft gemacht. Deshalb geht die Beschlussabteilung nicht
davon aus, dass der Zusammenschluss zur dauerhaften Entstehung eines
marktbeherrschenden Duopols für Sammlung und Transport von Restmüll in
Nordrhein-Westfalen führen wird.
59.
Wenn ein Erwerber RWE Newco komplett erwirbt, wäre ebenfalls die
Oligopolvermutung erfüllt. Falls der eventuelle Erwerber bereits vorher in
Nordrhein-Westfalen tätig ist und hier Marktanteile hält, würde der addierte
Marktanteil sogar noch höher liegen. Inwieweit durch eine Veräußerung von
RWE Newco ein wettbewerbsloses marktbeherrschendes Oligopol entsteht,
kann jedoch ohne Kenntnis des Erwerbers nicht beurteilt werden und muss im
ggf. notwendigen Fusionskontrollverfahren anlässlich der Veräußerung von RWE
Newco geprüft werden.
1.3.2. Südliche neue Bundesländer
60.
In den neuen Bundesländern sind verschiedene auf Entfernungsbasis
abgegrenzte Einzelmärkte um die erworbenen Standorte herum sowie
ergänzend ein größerer, aus dem Gesamtgebiet der sich überschneidenden
Einzelmärkte bestehender Markt zu betrachten. Die nicht von Remondis
übernommenen Marktanteile werden wie oben unter "RWE Newco" aufgeführt.
61.
Auf dem zusammengefassten Markt, der die Bundesländer Brandenburg,
Sachsen-Anhalt, Thüringen und Sachsen umfasst, liegt das Marktvolumen bei
8,42 Mio. Einwohnern. Die Marktanteile verteilen sich hier wie folgt:
33
Unternehmen
Marktanteil in %
Remondis
17,9%
RWE Umwelt
8,0%
Summe
Zusammenschlussbeteiligte
25,9%
RWE Newco
12,1%
Sita
13,9%
Alba
15,6%
Zwischensumme
67,5%
Altvater
6,2%
Cleanaway
6,5%
Alle übrigen Wettbewerber haben Marktanteile unter 5%.
62.
Der addierte Marktanteil von Remondis und RWE Umwelt liegt noch deutlich
unterhalb der Schwelle der Einzelmarktbeherrschungsvermutung des § 19 Abs.
3 GWB. Zudem folgen mit Alba, Sita und RWE Newco drei bedeutende
Unternehmen mit Marktanteilen zwischen 10 und 15%. Angesichts dieser
Marktstruktur ist nicht zu erwarten, dass der Zusammenschluss zur Entstehung
einer einzelmarktbeherrschenden Stellung von Remondis/RWE Umwelt führt.
63.
In der Entscheidung B10 – 74/04 Rethmann/Tönsmeier/Gfa Köthen31 hat das
Bundeskartellamt festgestellt, dass im dort räumlich relevanten Markt in einem
Umkreis von ca. 100km um den Kreis Köthen in Sachsen Anhalt ein
marktbeherrschendes Oligopol der Unternehmen Remondis, RWE Umwelt, Sita
und Alba besteht. Auch für den Markt der vier südlichen Bundesländer ist für die
gleichen Unternehmen die Oligopolvermutung des § 19 Abs. 3 Nr. 2 GWB erfüllt,
da
sie
einen
gemeinsamen
Marktanteil
von
67,5%
erreichen.
Die
Beschlussabteilung geht auch hier davon aus, dass aus den gleichen Gründen
wie im räumlichen Markt Köthen ein marktbeherrschendes Oligopol besteht.
Diese Gründe sind im wesentlichen der große Marktanteilsabstand des Oligopols
zu den Oligopolaußenseitern, die geringen Kundenwanderungen, die hohe
Transparenz des Marktes, die Marktphase, die vergleichbaren logistischen
Ressourcen der Oligopolisten, die bestehenden Anreize für oligopolistisches
Parallelverhalten, den festgestellten fehlenden aktuellen Wettbewerb zwischen
31
Beschluss vom 16. November 2004, a.a.O., Ziff. 63ff.
34
den Oligopolisten, die zwischen den Oligopolisten bestehenden Verflechtungen
sowie die fehlende Begrenzung des überragenden Verhaltensspielraums der
Oligopolisten durch Außenwettbewerb oder Nachfragemacht.
64.
Der Zusammenschluss führt allerdings nicht zur Verstärkung dieses Oligopols.
Es kommt nicht zu Marktanteilszuwächsen, sondern zu einem Austausch von
Marktanteilen im Oligopol. Die Symmetrie im Oligopol wird geringer, da nunmehr
ein Unternehmen – Remondis – einen deutlich höheren Marktanteil als die
übrigen Oligopolisten hat. Ein Ressourcenzuwachs zum Oligopol als Ganzem
liegt ebenfalls nicht vor.
65.
In den verschiedenen Regionalmärkten (Abgrenzung im Einzelnen siehe oben
unter Ziff. 38ff.) ergeben sich folgende Marktanteile von Remondis und RWE
Umwelt:
Markt
Marktvolumen
in Mio. Einw.
Marktanteil
Remondis
Marktanteil
RWE Umwelt
addierter
Marktanteil
Potsdam
2,39
20,7%
5,9%
26,6%
Eilenburg
4,20
20,9%
5,8%
26,7%
Quersa/Riesa
4,38
12,8%
7,9%
20,7%
Niesky/
Weißwasser
2,41
14,8%
9,0%
23,8%
Zwickau32
2,97
16,4%
4,3%
20,7%
Eisenach/Wartburgkreis 33
2,96
15,1%
6,4%
21,5%
RWE Newco hält in fünf der sechs Regionalmärkte Marktanteile zwischen knapp
10% und 18%. Im Regionalmarkt Eisenach/Wartburgkreis liegt der Marktanteil
von RWE Newco bei lediglich 6,3%.
66.
In 5 der 6 betroffenen Regionalmärkten sind weitere Unternehmen – in der Regel
Sita und Alba, teilweise Cleanaway und Altvater – mit Marktanteilen von über
15% vertreten, in allen betroffenen Regionalmärkten halten mehrere größere
Wettbewerber Marktanteile von über 10%. Die Entstehung einzelmarktbeherrschender Stellungen kann angesichts dieser Marktstruktur für alle betroffenen
Regionalmärkte ausgeschlossen werden. In allen betroffenen Regionalmärkten
32
enthält nur die Kreise in den neuen Bundesländern, da weder Remondis noch RWE Umwelt
in den von der Entfernung her zum Markt gehörenden bayrischen Kreisen aktiv sind.
33
enthält nur die Kreise in den neuen Bundesländern und Hessen (im Hinblick auf Bayern siehe
vorhergehende Fußnote)
35
bestehen allerdings Oligopolsituationen (siehe im Einzelnen Ausführungen zum
zusammengefassten Markt; die Argumentation gilt gleichermaßen für die
einzelnen Märkte). Auch hier führt der Zusammenschluss jedoch nur zu
Marktanteilstausch innerhalb der Oligopole. Zuwachs zum Oligopol als
Gesamtheit gibt es jeweils nicht, so dass auch hier jeweils keine Verstärkung
eines marktbeherrschenden Oligopols zu erwarten ist.
1.3.3. Baden-Württemberg
67.
In Baden-Württemberg werden die Leistungen der Sammlung und des
Transports von Restmüll für ca. 8,2 Mio. Einwohner von privaten bzw.
gemischtwirtschaftlichen
Unternehmen
durchgeführt.
Dies
ist
auch
das
zugrundezulegende Marktvolumen. Die restlichen ca. 2,4 Mio. Einwohner
werden von den Kommunen bzw. kommunalen Eigenbetrieben bedient.
68.
Sowohl Remondis als auch RWE Umwelt sind in Baden-Württemberg mit
Sammlung und Transport von Restmüll aktiv. Remondis hält einen Marktanteil
von ca. 8%, RWE Umwelt erzielt 3%. Der addierte Marktanteil nach dem
Zusammenschluss liegt somit bei ca. 11%. Die Unternehmen Altvater und Sita
erzielen höhere Marktanteile von jeweils 15-20%, U-Plus mit verbundenen
Unternehmen erreicht Marktanteile von 10-15%. Daneben sind zahlreiche
weitere Unternehmen tätig, wenn auch jeweils mit Marktanteilen von maximal
5%. Angesichts dieser Marktstruktur kann ausgeschlossen werden, dass der
Zusammenschluss zur Entstehung oder Verstärkung einer einzelmarktbeherrschenden Stellung führt. Auch die Oligopolvermutungen des § 19 Abs. 2 Nr. 1
und 2 GWB werden nicht erfüllt (addierter Marktanteil von Altvater, Sita und
Remondis/RWE
Umwelt
ca.
45%,
inklusive
U-Plus
und
verbundener
Unternehmen ca. 57%, kein weiterer Wettbewerber hat Marktanteile von mehr
als 5%).
1.3.4. Bayern
69.
In Bayern werden die Leistungen der Sammlung und des Transports von
Restmüll für ca. 7,9 Mio. Einwohner von privaten Unternehmen durchgeführt.
Dies ist das zugrundezulegende Marktvolumen. Die restlichen ca. 4,1 Mio.
Einwohner werden von den Gebietskörperschaften bzw. deren Eigenbetrieben
bedient. Ca. 5,5 Mio. der von privaten Unternehmen bedienten Einwohner
36
entfallen auf das Gebiet im südlichen Teil Bayerns (siehe oben Ziff. 51), auf den
sich die Aktivitäten der Zusammenschlussbeteiligten konzentrieren.
70.
Remondis und RWE Umwelt sind beide auf dem Markt für Sammlung und
Transport von Restmüll in Bayern tätig. Bezogen auf das gesamte Bundesland
erzielen sie Marktanteile von 2,7% (Remondis) und 8,0% (RWE Umwelt),
zusammen also ca. 10,7%. Marktführer ist mit Abstand Altvater mit einem
Marktanteil von ca. 24%. Alle übrigen Wettbewerber – wobei in Bayern
zahlreiche Mittelständler vertreten sind – haben Marktanteile unter 10%.
Angesichts dieser Marktstruktur kann ausgeschlossen werden, dass der
Zusammenschluss zur Entstehung oder Verstärkung einer marktbeherrschenden
Stellung führt.
71.
Bezogen auf den südlichen Teil Bayerns (siehe oben Ziff. 51) liegt der
Marktanteil von Remondis bei 3,8%, der von RWE Umwelt bei 11,3%,
zusammen also ca. 15,1%. Auch hier ist Altvater mit einem Marktanteil von ca.
27% mit Abstand Marktführer. Alle anderen Wettbewerber halten Marktanteile
unter 10%. Auch hier kann ausgeschlossen werden, dass der Zusammenschluss
zur Entstehung oder Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung führt.
1.3.5. Schleswig-Holstein
72.
Insgesamt werden in Schleswig-Holstein die Leistungen der Sammlung und des
Transports von Restmüll für ca. 1,9 Mio. Einwohner von privaten bzw.
gemischtwirtschaftlichen
Unternehmen
durchgeführt.
Dies
ist
auch
das
zugrundezulegende Marktvolumen. Die konkret bevorstehende Teilprivatisierung
der Abfallwirtschaft im Kreis Ostholstein wurde hierbei bereits berücksichtigt, da
die Ausschreibung bereits erfolgt ist und der Zuschlag erteilt wurde. Die
restlichen ca. 0,8 Mio. Einwohner werden von den Kommunen bzw. kommunalen
Eigenbetrieben bedient.
73.
Remondis ist bislang in Schleswig-Holstein nicht tätig. RWE Umwelt erzielt einen
Marktanteil von 34,4%. Remondis wird durch den Zusammenschluss in diese
Marktposition einrücken, zu Marktanteilsadditionen kommt es jedoch nicht.
Bedeutendster Wettbewerber ist Altvater mit einem Marktanteil von 20-25%.
Ebenfalls tätig sind Cleanaway (Marktanteil <10%) und zukünftig Nehlsen
(Marktanteil 8-12%).
37
74.
Der Marktanteil von Remondis liegt damit knapp oberhalb der Schwelle der
Einzelmarktbeherrschungsvermutung des § 19 Abs. 3 GWB. Im Verfahren B10 –
248/01 RWE Umwelt/GAB Pinneberg34 war festgestellt worden, dass RWE
Umwelt eine marktbeherrschende Stellung für Sammlung und Transport von
Restmüll in Schleswig-Holstein innehat. Seit dieser Entscheidung ist der
Marktanteil
von
RWE
Umwelt
abgesunken
(teils
durch
Verlust
von
Sammelverträgen, teils durch Erweiterung des Marktvolumens). Es kann jedoch
offen bleiben, ob RWE Umwelt nach wie vor marktbeherrschend auf dem hier
betroffenen
Markt
ist.
Selbst
wenn
dies
der
Fall
wäre,
führt
der
Zusammenschluss jedenfalls nicht zur Verstärkung einer eventuell bestehenden
marktbeherrschenden Stellung. Zu Marktanteilsadditionen kommt es nicht.
Unabhängig von der materiellen Bedeutung von Finanzkraft im hier betroffenen
Markt kommt es auch hier nicht zu einer Verstärkung, da die Remondis-Gruppe
insgesamt über weniger Finanzkraft verfügt als der RWE-Konzern. Schließlich
sind auch keine regionalen Synergieeffekte zu erwarten, da Remondis in
Schleswig-Holstein auch in benachbarten, vor- oder nachgelagerten Märkten
nicht tätig ist.
1.3.6. Rheinland-Pfalz/Saarland
75.
In Rheinland-Pfalz und dem Saarland werden die Leistungen der Sammlung und
des Transports von Restmüll für ca. 2,8 Mio. Einwohner von privaten bzw.
gemischtwirtschaftlichen
Unternehmen
durchgeführt.
Dies
ist
auch
das
zugrundezulegende Marktvolumen. Die restlichen ca. 2,3 Mio. Einwohner
werden von den Kommunen bzw. kommunalen Eigenbetrieben bedient.
76.
Remondis ist vor dem Zusammenschluss in Rheinland-Pfalz/Saarland nicht mit
Sammlung und Transport von Restmüll aktiv. Sie übernimmt die entsprechenden
Aktivitäten von RWE Umwelt, die einen Marktanteil von ca. 23% hält. Neben
RWE Umwelt haben auch noch Sita (25-30%) und Altvater (20-25%)
Marktanteile von mehr als 20%. Die Entstehung oder Verstärkung einer
einzelmarktbeherrschenden Stellung kann angesichts dieser Marktstruktur
ausgeschlossen werden. Zwar erfüllen die drei führenden Unternehmen die
Oligopolvermutung des § 19 Abs. 3 Nr. 1 GWB. Der Zusammenschluss führt
jedoch nicht zu Marktanteilsadditionen, und auch sonst ist nicht zu erwarten,
34
vgl. Beschluss vom 24. Mai 2002, a.a.O., Ziff. 95ff.
38
dass die Übernahme der Marktposition von RWE Umwelt durch Remondis zur
Verstärkung eines etwaigen marktbeherrschenden Oligopols führt.
1.3.7. Hessen und Niedersachsen/Bremen
77.
In Hessen und Niedersachsen/Bremen übernimmt Remondis die Aktivitäten der
Sammlung und des Transports von Restmüll von RWE Umwelt nicht. Remondis
hält Marktanteile von ca. 20% in Hessen und ca. 10% in Niedersachsen/Bremen.
Es kommt nicht zu Marktanteilsadditionen; die Entstehung oder Verstärkung
einer marktbeherrschenden Stellung durch den Zusammenschluss kann
ausgeschlossen werden.
2. Sammlung und Transport von Altpapier
78.
Auch bei Sammlung und Transport von Altpapier ist RWE Umwelt in allen
Bundesländern tätig, wobei die Aktivitäten in Hessen, Niedersachsen/ Bremen,
Mecklenburg-Vorpommern
und
Sachsen-Anhalt
nicht
und
in
Nordrhein-
Westfalen und den übrigen neuen Bundesländern nur teilweise übernommen
werden. Remondis ist in allen Bundesländern mit Ausnahme von SchleswigHolstein, Rheinland-Pfalz und Saarland tätig. Der Zusammenschluss wird nicht
zur Entstehung oder Verstärkung marktbeherrschender Stellungen auf den
räumlichen Märkten für Sammlung und Transport von Altpapier führen.
2.1. Sachliche Marktabgrenzung
79.
Die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger sind gemäß § 15 Abs. 1 KrW/AbfG
für die Entsorgung von Siedlungsabfällen zuständig. Hierzu gehört auch
Altpapier
aus
privaten
Haushaltungen
und
vergleichbaren
Anfallstellen.
Sammlung und Transport von Altpapier und Sammlung und Transport von
Restmüll gehören nicht zum gleichen sachlich relevanten Markt (siehe oben Ziff.
18).
80.
Ein einheitlicher sachlich relevanter Markt der Sammlung und des Transports
von Altpapier sowie von weiteren zum Siedlungsabfall gehörenden Abfallfraktionen, namentlich Bioabfall und Sperrmüll, besteht nicht. Dies scheitert
ebenso wie die Annahme eines einheitlichen sachlich-relevanten Marktes der
Sammlung und des Transports von Altpapier und Restmüll zum einen daran,
dass die Sammlung von Bioabfall und von Sperrmüll grundsätzlich in
Holsystemen, die Altpapier-Sammlung hingegen vielfach noch als Bringsystem
39
erfolgt und somit geringere Investitionen der Anbieter in Sammelbehälter bzw.
Fahrzeuge erfordert. Doch selbst wenn auch Altpapier im Rahmen eines
Holsystems gesammelt wird, muss es aufgrund seiner Bedeutung als Sekundärrohstoff im Hinblick auf die im Vergleich zu Bioabfall und Sperrmüll
unterschiedlichen Entsorgungswege getrennt erfasst werden. Aus diesem Grund
wird die Sammlung und der Transport von Altpapier sowie die Sammlung und
der Transport von Bioabfall bzw. von Sperrmüll von den öffentlich-rechtlichen
Entsorgungsträgern auch regelmäßig gesondert ausgeschrieben.
81.
Die Leistung der Sammlung und des Transports von Altpapier wird nicht nur von
öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern, sondern auch von dualen Systemen
i.S.v. § 6 Abs. 3 Satz 1 Verpackungsverordnung (VerpackV) nachgefragt. Denn
durch die VerpackV wurde der Privatwirtschaft und – nach Auffassung des
hessischen Verwaltungsgerichtshofs – konkret den behördlich festzustellenden
Systemen gemäß § 6 Abs. 3 Satz 1 VerpackV auf der Grundlage des KrW/AbfG
die Aufgabe der gezielten und systematischen Erfassung gebrauchter Verkaufsverpackungen beim (privaten) Endverbraucher und deren Verwertung übertragen35, und zwar unbeschadet der grundsätzlich gemäß § 15 Abs. 1 KrW/AbfG
bestehenden subsidiären Zuständigkeit der öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger für die Entsorgung aller in ihrem Gebiet angefallenen und ihnen
überlassenen Abfälle.36 Die Sammlung und der Transport der von den dualen
Systemen zu erfassenden gebrauchten Verkaufsverpackungen aus Papier,
Pappe, Karton ("PPK-Verkaufsverpackungen") sowie die Sammlung und der
Transport des den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern gemäß § 13 Abs. 1
KrW/AbfG zu überlassenden sonstigen Altpapiers ("kommunales Papier") sind
einem einheitlichen sachlich relevanten Markt zuzurechnen. Dies kommt
insbesondere auch darin zum Ausdruck, dass PPK-Verkaufsverpackungen und
kommunales Papier in der Vergangenheit in tatsächlicher Hinsicht immer
gemeinsam erfasst, sortiert und verwertet wurden und trotz bestehender
Unterschiede identische Preise verlangt wurden. Dies prägt die im Wesentlichen
einheitlichen Wettbewerbsbedingungen in diesem Markt. Zwar unterscheidet sich
die Nachfrage von öffentlich-rechtlichem Entsorger und dualem System im
Hinblick auf die Menge. Auch zeichnet sich das kommunale Papier durch einen
sehr hohen Anteil grafischen Papiers aus, das sich vom sonstigen Papier sowohl
35
Hessischer VGH, Urteil vom 16. Juli 2003, juris-Dokument Nr. MWRE 011000300; B 10 –
97/02, Landkreis Neu-Ulm, Rz. 68.
36
VG Gießen, Urteil vom 31. Januar 2001, juris-Dokument Nr. MWRE 104640100; B 10 –
97/02, Landkreis Neu-Ulm, Rz. 68.
40
in seinem Volumengewicht als auch von den Verwertungserlösen unterscheidet.
Auf der anderen Seite ist durchschnittlich gesehen der kommunale Anteil an
allen nicht-grafischen Papieren immer noch höher als der Anteil der dualen
Systeme, selbst wenn man – entgegen der Realität – unterstellen würde, dass
sämtliche bei dualen Systemen lizenzierte PPK-Verkaufsverpackungen in den
haushaltsnahen Altpapier-Sammelgefäßen entsorgt würden. Im Hinblick auf ihre
Verwertung unterscheiden sich PPK-Verkaufsverpackungen und kommunales
Papier unter Berücksichtigung ihrer Eigenschaften und ihres Verwendungszwecks hingegen nicht erheblich.37
82.
Die Sammlung und der Transport von Altpapier sowie die Sortierung und
Verwertung von Altpapier sind nach den Erkenntnissen der Beschlussabteilung
getrennten sachlich relevanten Märkten zuzurechnen. Hierfür spricht vor allem,
dass Sammlung/Transport und Sortierung/Verwertung häufig getrennt ausgeschrieben werden. Zudem sind die Anforderungen jeweils unterschiedlich;
während für Sammlung und Transport in erster Linie Fahrzeuge benötigt werden,
erfordert die Sortierung das Vorhandensein von Sortieranlagen, die erst eine
hochwertige Verwertung ermöglichen.
83.
Ein Markt für die Sammlung und den Transport von kommunalem Papier wird
eröffnet, wenn der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger seinen Pflichten nicht
selbst nachkommt, sondern private Entsorgungsunternehmen oder gemischtwirtschaftliche Unternehmen unter Beteiligung von privaten Partnern damit
beauftragt bzw. private Beteiligungen an einem mit dieser Leistung beauftragten
Eigenbetrieb oder gemischtwirtschaftlichen Unternehmen vergibt. Auch insoweit
handelt es sich wiederum um einen Ausschreibungsmarkt, d.h. Wettbewerb
findet
regelmäßig
nur
im
Rahmen
der
vom
öffentlich-rechtlichen
Entsorgungsträger im Fall der Überschreitung der Schwellenwerte gemäß §§ 97
ff. GWB i.V.m. VOL/A entsprechend durchzuführenden Ausschreibung statt.
84.
Die mit der Sammlung und dem Transport von Altpapier beauftragten
Unternehmen haben für die Gestellung der Sammelbehälter zu sorgen und
müssen die Abfälle in einem festen Turnus mit geeigneten Sammelfahrzeugen
und -personal im gesamten Vertragsgebiet bei allen Anfallstellen abholen und sie
bis zu einer Umschlagstation oder auch direkt bis zur Sortieranlage
transportieren. Von dort werden sie von der entsorgungspflichtigen Körperschaft
37
B 10 – 97/02, Landkreis Neu-Ulm, Rz. 113.
41
bzw. dem dualen System entweder selbst oder durch beauftragte Dritte einer
Sortierung und Verwertung zugeführt.
2.2. Räumlich relevante Märkte
85.
Die räumlichen Märkte für Sammlung und Transport von Altpapier wurden von
der Beschlussabteilung im Rahmen der Fusionskontrolle bislang nur für ein
Teilgebiet der östlichen Bundesländer genau abgegrenzt38. Dabei hat sich
gezeigt, dass das Bewerbungs- und Vergabeverhalten für Sammlung und
Transport von Altpapier sehr ähnlich dem für Sammlung und Transport von
Restmüll ist. Insbesondere gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass die Märkte für
Sammlung und Transport von Altpapier enger abzugrenzen wären als die Märkte
für Sammlung und Transport von Restmüll. Die Beschlussabteilung geht deshalb
davon aus, dass die oben unter Ziff. 27ff. dargelegte räumliche Marktabgrenzung
auch für Sammlung und Transport von Altpapier gilt. Ob für Sammlung und
Transport von Altpapier möglicherweise größere oder kleinere räumliche Märkte
abzugrenzen sind als für Sammlung und Transport von Restmüll kann offen
bleiben, da der Zusammenschluss auch bei Zugrundelegung enger räumlicher
Märkte nicht zu Wettbewerbsproblemen führt.
86.
Insbesondere wurde das Angebotsverhalten für Sammlung und Transport von
Altpapier in Baden-Württemberg geprüft, da hier seitens eines Beigeladenen
vorgetragen wurde, dass der Zusammenschluss zu Wettbewserbsproblemen
führen könnte. Die Beschlussabteilung hat das Bieterverhalten von insgesamt 9
Ausschreibungen von baden-württembergischen Gebietskörperschaften für
Sammlung und Transport von Altpapier aus den letzten 3 Jahren untersucht. Von
den insgesamt 45 Bewerbungen kamen 36 (= 80%) aus Baden-Württemberg, 8
(= ca. 18%) aus einem Nachbarbundesland und nur 1 aus einem weiter entfernt
liegenden Bundesland. Stellt man auf die kilometermäßige Entfernung zum
Ausschreibungsgebiet ab, so kamen 28 (= 62%) der Bewerbungen aus einem
Umkreis von 50km um das Ausschreibungsgebiet, weitere 10 (= 22%) aus einer
Entfernung von 50-100km um das Ausschreibungsgebiet und 7 (= 15%) von
Unternehmen, die ihren Sitz oder eine Niederlassung in einer Entfernung von
mehr als 100km vom Ausschreibungsgebiet haben. Bei 8 der 9 Ausschreibungen
erhielten Unternehmen mit Sitz oder Niederlassung im Umkreis von 50km den
Zuschlag, einmal ging der Zuschlag an ein Unternehmen aus dem 100km-
38
vgl. B10 – 74/04, Beschluss vom 16. November 2004, a.a.O., Ziff. 148ff.
42
Radius. Diese Ergebnisse sprechen dafür, dass auch in Baden-Württemberg die
räumliche Nähe zum Ausschreibungsgebiet schon bei der Entscheidung für eine
Bewerbung und noch mehr bei den Erfolgsaussichten des Angebots eine Rolle
spielt. Die Ergebnisse sind jedoch nicht ganz so eindeutig wie die der
vergleichbaren Untersuchung für die neuen Bundesländer39. Da sich jedoch
letztlich auch bei einer auf Baden-Württemberg beschränkten räumlichen Marktabgrenzung keine Wettbewerbsprobleme ergeben, geht die Beschlussabteilung
von Baden-Württemberg als relevantem Markt aus.
2.3. Entstehung oder Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung
87.
Der Erwerb von RWE Umwelt durch Remondis wird auf keinem der betroffenen
räumlichen Märkte für Sammlung und Transport von Altpapier zur Entstehung
einer markbeherrschenden Stellung führen. Die angegebenen Marktanteile
beruhen auf den gleichen Grundlagen wie bei Sammlung und Transport von
Restmüll (siehe oben Ziff. 53).
2.3.1. Baden-Württemberg
88.
In Baden-Württemberg werden insgesamt die Leistungen der Sammlung und des
Transports von Altpapier für ca. 8,5 Mio. Einwohner von privaten oder
gemischtwirtschaftlichen Unternehmen wahrgenommen. Dies ist auch das
zugrundezulegende Marktvolumen.
89.
Sowohl Remondis als auch RWE Umwelt sind in Baden-Württemberg mit
Sammlung und Transport von Altpapier aktiv. Remondis hält einen Marktanteil
von knapp 7%, der Marktanteil von RWE Umwelt liegt bei ca. 6%. Es ergibt sich
demnach ein addierter Marktanteil von ca. 13%. Marktführer ist U-Plus
(Marktanteil ca. 26%); weitere ca. 8% Marktanteil werden von einem
Unternehmen gehalten, an dem U-Plus eine Minderheitsbeteiligung hält. Auch
Sita hat mit ca. 17% einen höheren Marktanteil als die Zusammenschlussbeteiligten. Angesichts der Höhe des Marktanteils der Zusammenschlussbeteiligten kann ausgeschlossen werden, dass der Zusammenschluss
zur Entstehung einer einzelmarktbeherrschenden Stellung führt.
90.
Die Zusammenschlussbeteiligten, U-Plus und Sita erfüllen allerdings die Oligopolvermutung des § 19 Abs. 3 Nr. 1 GWB, da sie mehr als 50% der Marktanteile
39
vgl. B10 – 74/04, Beschluss vom 16. November 2004, a.a.O., Ziff. 150ff.
43
auf sich vereinen. Allerdings sind die Marktanteilsabstände insbesondere zwischen dem Marktführer U-Plus und Remondis erheblich. U-Plus ist zudem ein
regional ausgerichtetes Entsorgungsunternehmen mit einer anderen Ausrichtung
als die bundesweit tätigen Wettbewerber Remondis und Sita. Angesichts dieser
Asymmetrien geht die Beschlussabteilung nicht davon aus, dass der Zusammenschluss zur Entstehung eines marktbeherrschenden Oligopols für Sammlung
und Transport von Altpapier in Baden-Württemberg führt.
2.3.2. Übrige Bundesländer
91.
Auch in den übrigen Bundesländern liegen die Marktanteile der Zusammenschlussbeteiligten für Sammlung und Transport von Altpapier nach den
Erkenntnissen der Beschlussabteilung in ähnlicher Höhe wie bei Sammlung und
Transport von Restmüll. Die wettbewerbliche Beurteilung entspricht deshalb
derjenigen bei Sammlung und Transport von Restmüll (siehe oben Ziff. 54ff.).
92.
Es ist darauf hinzuweisen, dass auch bei Sammlung und Transport von Altpapier
in Nordrhein-Westfalen ein rechnerisches Oligopol zwischen Rethmann/RWE
Umwelt und RWE Newco besteht. Auch hier gilt jedoch, dass dieser Zustand
nicht dauerhaft bestehen bleiben soll und das die Weiterveräußerung von RWE
Newco an einen einzigen Bewerber ebenfalls die Oligopolvermutung erfüllen
würde.
Auch
hier
bleibt
jedoch
die
endgültige
Beurteilung
einem
wahrscheinlichen Fusionskontrollverfahren im Rahmen der Weiterveräußerung
von RWE Newco vorbehalten.
3. Sammlung und Transport von sonstigem Siedlungsabfall (Sperrmüll,
Bioabfall)
93.
Sammlung und Transport von sonstigen Siedlungsabfällen, insbesondere
Bioabfall
und
Sperrmüll,
stellen
zwar
nach
den
Feststellungen
der
40
Beschlussabteilung jeweils eigenständige sachliche Märkte dar . Dennoch
werden in sehr vielen Fällen die gleichen Unternehmen beauftragt wie für die
Sammlung von Restmüll, und die Marktstrukturen sind sehr ähnlich. Zudem
handelt es sich wegen der geringen Umsatzvolumina häufig um Bagatellmärkte.
Die Entstehung oder Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung für
Sammlung und Transport von sonstigem Siedlungsabfall ist nicht zu erwarten.
40
vgl. B10 – 74/04, Beschluss vom 16. November 2004, a.a.O., Ziff. 190ff.
44
Es wird insoweit auf die Ausführungen zu Sammlung und Transport von
Siedlungsabfall (siehe oben Ziff. 53ff.) verwiesen.
4. Entsorgung von Siedlungsabfällen
94.
Sowohl Remondis als auch RWE Umwelt sind im Bereich Entsorgung von
Siedlungsabfällen (Restmüll und Sperrmüll) in Müllverbrennungsanlagen (MVA)
und sonstigen Entsorgungsanlagen, insbesondere Mechanisch-Biologischen
Anlagen (MBA) tätig. Remondis hält Beteiligungen an den Müllverbrennungsanlagen MHKW Bremerhaven (Bremen), GMVA Oberhausen (NRW) und der
AVA Nordweststadt in Frankfurt (Hessen). RWE Umwelt ist an den
Müllverbrennungsanlagen Kiel und Tornesch-Ahrenslohe (Schleswig-Holstein),
Salzbergen (Niedersachsen), Krefeld, Köln, Weisweiler (alle NRW), Ludwigslust
(Mecklenburg-Vorpommern) und Ingelheimer Aue (Rheinland-Pfalz) beteiligt. Sie
hält Kontingente in den Anlagen Bonn und Leverkusen, und ihre Beteiligungsgesellschaft AWISTA Düsseldorf ist über deren Mehrheitsgesellschafter
Stadtwerke Düsseldorf verfügungsberechtigt über die MVA Düsseldorf (NRW).
Von Remondis übernommen werden sollen allerdings nur die Beteiligungen an
den Anlagen in Köln, Schleswig-Holstein und Rheinland-Pfalz, die Kontingente in
Bonn und Leverkusen sowie ein Kontingent in Salzbergen. Bei sonstigen
Entsorgungsanlagen ist Remondis an den jeweils noch im Bau befindlichen
Anlagen MBA Rosenow (Mecklenburg-Vorpommern), MBRA Münster und EBS
Ennigerloh (beide NRW) beteiligt. RWE ist an den Anlagen MBA Lichterfeld
(Brandenburg), MBA Neuss, MBA Haus Forst, MBA Horm (alle NRW) sowie
MBA Kirchberg (Rheinland-Pfalz) beteiligt. Davon sollen die MBA Haus Forst
und die (stillgelegte) MBA Kirchberg von Remondis übernommen werden. Der
Zusammenschluss
wird
nicht
zur
Entstehung
oder
Verstärkung
marktbeherrschender Stellung auf den betroffenen räumlichen Märkten für die
Entsorgung von Siedlungsabfällen führen.
4.1. Sachliche Marktabgrenzung
95.
Siedlungsabfälle sind Abfälle aus Haushaltungen sowie andere Abfälle, die
aufgrund ihrer Beschaffenheit oder Zusammensetzung den Abfällen aus
Haushaltungen
ähnlich
sind.
Dazu
zählen
auch
hausmüllähnliche
Gewerbeabfälle. Restabfälle aus Haushalten sind dem öffentlich-rechtlichen
Entsorgungsträger gemäß § 13 KrW/AbfG zu überlassen. Dies gilt – wie für alle
Abfallarten - auch für hausmüllähnliche Gewerbeabfälle, soweit sie von den
45
Abfallbesitzern nicht selbst oder über Dritte verwertet werden. Die bei den
öffentlich-rechtlichen
Entsorgungsträgern
anfallenden
Abfälle
müssen
gemeinwohlverträglich entsorgt werden. Dies schließt sowohl die Verwertung als
auch die Beseitigung von Abfällen ein. Auch für Siedlungsabfälle gilt
grundsätzlich der Vorrang der Verwertung (§ 4 Abs. 1 Nr. 2 KrW/AbfG). Dieser
wird eingeschränkt für die thermische Behandlung von Abfällen zur Beseitigung,
insbesondere von Hausmüll (§ 4 Abs. 4 S. 1 2. Hs. KrW/AbfG). Eine Pflicht zur
Verwertung besteht jedoch auch nur, soweit dies technisch möglich und
wirtschaftlich zumutbar ist (§ 5 Abs. 4 KrW/AbfG).
96.
Abfallbesitzer und damit Nachfrager nach Entsorgungsleistungen für unvorbehandelte Siedlungsabfälle sind die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger.
Für diese gibt es aus den vorgenannten Gründen de facto keine abfallrechtlichen
Einschränkungen hinsichtlich der Entscheidung über Beseitigung oder Verwertung der ihnen überlassenen Abfälle, solange die gewählte Behandlungsmethode abfallrechtskonform ist.
97.
Die Beschlussabteilung ist in früheren Entscheidungen41 davon ausgegangen,
dass bei der Entsorgung von Siedlungsabfall zwischen unvorbehandeltem Siedlungsabfall und vorbehandeltem Siedlungsabfall zu unterscheiden ist, dass aber
für unvorbehandelten Siedlungsabfall alle abfallrechtlich zulässigen Verwertungs-/Beseitigungsmöglichkeiten im Wettbewerb zueinander stehen und dem
gleichen sachlichen Markt zuzurechnen sind. Dies sind insbesondere MVA und
MBA, aber auch sonstige Sortier- und Behandlungsverfahren wie z.B. HerhofAnlagen oder die Herstellung von Trockenstabilat, und die Herstellung von
Ersatzbrennstoffen. Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat jedoch im Beschluss
vom 4. September 200242 sowohl die Trennung der Märkte in unvorbehandelten
und vorbehandelten Siedlungsabfall als auch die Einbeziehung von MVA und
MBA in den gleichen sachlichen Markt bezweifelt. Im vorliegenden Fall muss
über die genaue sachliche Marktabgrenzung nicht entschieden werden, da sich
die wettbewerbliche Beurteilung nicht ändert, wenn ein eigenständiger Markt für
MVA oder ein einheitlicher Markt für MVA, MBA und sonstige Entsorgungsmethoden angenommen werden.
41
insbesondere B10 – 124/01 Trienekens/AWISTA Düsseldorf, Beschluss vom 17. Juni 2002,
a.a.O., Ziff. 111ff.
42
AZ Kart 26/02 (V), WuW/E DE-R 945, 946f.
46
98.
In
Müllverbrennungsanlagen
werden
sowohl
unvorbehandelte
als
auch
vorbehandelte Siedlungsabfälle verbrannt. Jedenfalls für unvorbehandelte
Siedlungsabfälle bieten sie eine Beseitigungsleistung an, da diese Abfälle nicht
die für eine Verwertungsmaßnahme erforderlichen Werte des § 6 Abs. 2
KrW/AbfG erreichen. Bei der Verbrennung der Abfälle verbleiben Reste in Form
von Aschen und Schlacken (ca. 30% des Eingangsgewichts), die auf Deponien
abgelagert oder im Wege- und Straßenbau verwertet werden.
99.
MBA unterziehen die Siedlungsabfälle einer Vorbehandlung, die je nach
technischem Stand der Anlage unterschiedlich sein kann. In Sortierverfahren
können Wert-
und Schad- bzw. Störstoffe (z.B. Metalle, Glas, Holz,
Verpackungen, Batterien, Sperrmüll) abgetrennt werden. In biologischen
Behandlungsprozessen kann das Volumen der Abfälle durch den Entzug von
Wasser deutlich verringert und eine direkte Ablagerfähigkeit der Abfälle im
Einklang mit den Ablagerungs- und Prozessbestimmungen der AbfAlbV erreicht
werden. Die zuvor ausgesonderten Teilströme werden einer Verwertung oder
Beseitigung unterzogen.
100. Zu den sonstigen Behandlungsmethoden gehören u.a. das Herhof-Verfahren
und die Herstellung von Ersatzbrennstoffen. Letzterer Bereich ist nach den
Feststellungen der Beschlussabteilung erst in der Entstehung begriffen; die
Entwicklungsmöglichkeiten scheinen momentan noch unklar.
101. Deponien sind dem relevanten Markt nicht mehr zuzurechnen, da sie ab dem 1.
Juni 2005 keine unvorbehandelten Abfälle mehr annehmen dürfen (§ 6 Abs. 2
Nr. 1 und Abs. 4 AbfAblV).
4.2. Räumliche Marktabgrenzung
102. Die Beschlussabteilung hat in mehreren Verfahren43 festgestellt, dass die Märkte
für die Entsorgung von Siedlungsabfall regional, in der Regel bundeslandweit
abzugrenzen sind.
103. Für die in Nordrhein-Westfalen gelegenen Entsorgungsanlagen umfasst der
räumlich relevante Markt maximal das Gebiet des Bundeslandes NordrheinWestfalen44. Nach nordrhein-westfälischem Abfallrecht besteht für Siedlungs43
B10 – 124/01 Trienekens/AWISTA Düsseldorf, B10 – 248/01 RWE Umwelt/GAB Pinneberg,
B10 – 104/02 Nehlsen/Rethmann/BEG.
44
vgl. B10 – 124/01, Beschluss vom 17. Juni 2002, a.a.O., Ziff. 123ff.
47
abfälle eine Beseitigungspflicht im eigenen Bundesland; Abfallexporte in andere
Bundesländer kommen nur in seltenen Ausnahmefällen in Frage. Der abfallrechtliche Ist-Zustand in Nordrhein-Westfalen wird durch die Abfallwirtschaftspläne beschrieben, die für jeden Regierungsbezirk vorliegen und zum Teil
weitgehende Vorgaben an die öffentlich-rechtlichen Gebietskörperschaften bei
der Auswahl der Entsorgungsmöglichkeiten machen. Insbesondere in den
Regierungsbezirken Köln und Düsseldorf sehen die Abfallwirtschaftspläne
großenteils Einzelzuweisungen der Abfälle der jeweiligen Gebietskörperschaften
an eine einzige Anlage im Regierungsbezirk vor; teilweise werden zwei Anlagen
alternativ aufgeführt. In den Regierungsbezirken Arnsberg, Detmold und Münster
werden den Gebietskörperschaften erheblich weniger Vorgaben gemacht. Den
Nachfragern aus diesen Regierungsbezirken stehen deshalb alle Entsorgungsanlagen in Nordrhein-Westfalen zur Verfügung, obwohl auch hier im Hinblick auf
die Entsorgung politisch ein Prinzip der Nähe angestrebt wird. Bei den
Nachfragern in den Regierungsbezirken Düsseldorf und Köln muss dagegen im
Einzelnen geprüft werden, welche Ausweichmöglichkeiten ihnen zur Verfügung
stehen.
104. Für Niedersachsen und Bremen sehen die Abfallwirtschaftspläne der Regierungsbezirke keine Entsorgungspflicht im Bundesland vor. Auch Zuweisungen
werden nicht vorgenommen, so dass den nachfragenden Gebietskörperschaften
in diesen Bundesländern grundsätzlich auch Entsorgungsanlagen in anderen
Bundesländern zur Verfügung stehen. Eine Befragung aller entsorgungspflichtigen Gebietskörperschaften im Jahr 200245 hatte jedoch ergeben, dass mit
vier Ausnahmen alle Gebietskörperschaften aus Niedersachsen und Bremen ihre
Abfälle in diesen beiden Bundesländern entsorgen. Die vier Ausnahmen waren
in der Nähe von Hamburg liegende Kreise, die eine der Hamburger
Müllverbrennungsanlagen benutzen. Das Bundeskartellamt war deshalb zu dem
Schluss gekommen, dass aufgrund des festgestellten Nachfrageverhaltens die
Bundesländer Niedersachsen und Bremen zusammen einen eigenständigen
räumlichen Markt bilden, wobei Dienstleistungsimporte berücksichtigt wurden. Es
ist nicht erkennbar, dass sich in der Zwischenzeit Änderungen ergeben haben,
die eine andere Marktabgrenzung erfordern würden.
105. Für Schleswig-Holstein sieht die Landesverordnung über den Abfallwirtschaftsplan eine Beseitigungspflicht im eigenen Bundesland vor. Das Bundes45
vgl. B10 – 104/02, Beschluss vom 17. Dezember 2002, a.a.O., Ziff. 32ff.
48
kartellamt war deshalb in einem früheren Verfahren zu dem Schluss gekommen,
dass Schleswig-Holstein einen eigenständigen räumlichen Markt darstellt46. Auch
hier ist nicht erkennbar, dass Anlass für eine Änderung bestünde.
106. Für Rheinland-Pfalz wurde bislang noch keine räumliche Marktabgrenzung für
die Entsorgung von Siedlungsabfällen vorgenommen. Nach der Beschlussabteilung vorliegenden Informationen47 entsorgen die Gebietskörperschaften in
Rheinland-Pfalz ihre Siedlungsabfälle ganz überwiegend in Entsorgungsanlagen
im eigenen Bundesland, in geringem Umfang werden auch Anlagen im Saarland
genutzt. Der Abfallwirtschaftsplan Rheinland-Pfalz sieht vor, dass sich die
entsorgungspflichtigen Abfallbesitzer soweit wie möglich zur Behandlung und
Beseitigung ihrer Restabfälle der Endsorgungsanlagen in Rheinland-Pfalz
bedienen sollen48. Zuweisungen in einzelne Anlagen gibt es nicht. Die genaue
Abgrenzung des räumlichen Marktes kann offen bleiben, da sich auch bei einer
Begrenzung des räumlichen Marktes auf Rheinland-Pfalz keine Wettbewerbsprobleme ergeben.
107. Für alle anderen Bundesländer erübrigt sich eine räumliche Marktabgrenzung,
da Remondis hier keine Anlagen von RWE Umwelt übernimmt.
4.3. Entstehung oder Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung
108. Der Zusammenschluss wird auf keinem betroffenen räumlichen Markt der
Entsorgung von Siedlungsabfällen zur Entstehung oder Verstärkung einer
marktbeherrschenden Stellung führen.
109. Die genannten Marktdaten beruhen teilweise auf früheren Ermittlungen der
Beschlussabteilung, die auch Kapazitäten und prognostizierte Eigendurchsätze
jeweils für 2005 beinhalteten und aufgrund der in der Regel sehr langfristigen
Laufzeiten der Entsorgungsverträge noch hinreichend aktuell sind. Diese wurden
aktualisiert durch Informationen der Studie "Wer macht was?" Unternehmensreport Abfallwirtschaft Deutschland von BC Consult49. Abgestellt wird auf
verschiedene Kapazitätsgrößen. Ein Abstellen auf die Durchsätze vor 2005
46
vgl. B10 – 248/01, Beschluss vom 24. Mai 2002, a.a.O., Ziff. 143
vgl. BC Consult, "Wer macht was?" Unternehmensreport Abfallwirtschaft Deutschland, Berlin,
September 2003 mit Aktualisierungen im Januar und August 2004 sowie Abfallwirtschaftsplan
Rheinland-Pfalz (siehe nachfolgende Fußnote)
48
Abfallwirtschaftsplan Rheinland-Pfalz, Teilplan Kommunale Abfallwirtschaft, Ministerium für
Umwelt und Forsten, Februar 2004, Ziff. A 2.8, S. 11
49
a.a.O.
47
49
scheint
im
Hinblick
auf
die
zum
1.
Juni
2005
bevorstehende
Abfallrechtsänderung, aufgrund derer zahlreiche neue Entsorgungsverträge
abgeschlossen wurden und werden, nicht sachgerecht. Unter Gesamtkapazität
wird
dabei
jeweils
die
gesamte
Kapazität
der
Anlagen
verstanden,
Marktkapazität ist die Gesamtkapazität abzüglich der Eigendurchsätze der
Anlagenbesitzer und freie Kapazität die nach Kenntnis der Beschlussabteilung
noch
zur
Verfügung
stehende,
nicht
bereits
durch
langfristige
Entsorgungsverträge gebundene Kapazität.
4.3.1. Nordrhein-Westfalen
110. In Nordrhein-Westfalen bestehen insgesamt 16 Müllverbrennungsanlagen mit
einer Gesamtkapazität von ca. 5,3 Mio. t. Remondis wird nach dem
Zusammenschluss an den Anlagen GMVA Oberhausen und AVG Köln beteiligt
sein sowie Kontingente in den Anlagen MVA Bonn und MVA Leverkusen halten.
111. Die Kapazitätsanteile für die Nachfrager, für die der relevante Markt NordrheinWestfalen ist (siehe oben Ziff. 103), verteilen sich wie folgt:
Unternehmen
Remondis
Anteil
Gesamtkapazität
Anteil Marktkapazität
Anteil freie
Kapazität
7-12%
10-15%
10-15%
RWE Umwelt
10-15%
7-12%
10-15%
Zwischensumme
20-25%
20-25%
20-30%
RWE Newco
20-25%
20-25%
20-25%
E.ON
5-10%
5-10%
5-10%
AGR
0-10%
5-10%
<5%
Schönmackers
0-10%
<5%
5-10%
EDG
<5%
<5%
<5%
Kommunen
33%
30%
38%
112. Angesichts
dieser
Anteilsverteilung
ist
nicht
zu
erwarten,
dass
der
Zusammenschluss zur Entstehung einer einzelmarktbeherrschenden Stellung
von Remondis auf dem Markt der Entsorgung von Siedlungsabfällen in
Müllverbrennungsanlagen in Nordrhein-Westfalen führt. Die addierten Anteile
von Remondis und RWE Umwelt liegen jeweils deutlich unterhalb der Schwelle
50
der
Einzelmarktbeherrschungsvermutung.
Remondis
und
RWE
Newco
zusammen erreichen nach dem Zusammenschluss Anteile von 40-50%. Damit
ist auch die Oligopolmarktbeherrschungsvermutung nicht erfüllt. Bei RWE Newco
ist zudem zu berücksichtigen, dass RWE AG beabsichtigt, RWE Newco
baldmöglichst an einen oder mehrere Erwerber weiterveräußern will. Je nach
Erwerber könnte dies zu stärkeren Wettbewerbsimpulsen oder der Entstehung
eines marktbeherrschenden Oligopols führen. Dies kann ohne Kenntnis des/der
Erwerber jedoch nicht beurteilt werden und ist im Zusammenhang mit einem
eventuell notwendigen Fusionskontrollverfahren im Rahmen der Weiterveräußerung von RWE Newco zu prüfen.
113. Für die Nachfrager aus den Regierungsbezirken Düsseldorf und Köln, die
aufgrund der Abfallwirtschaftspläne durch Zuweisungen an bestimmte Anlagen
gebunden sind, führt der Zusammenschluss nicht zu Veränderungen. Remondis
erwirbt im Regierungsbezirk Düsseldorf über die bereits vorhandene Beteiligung
an der GMVA Oberhausen hinaus keine Anlagen oder Kapazitäten. Die Anlagen
bzw. Kontingente, die Remondis von RWE Umwelt erwirbt, liegen alle im
Regierungsbezirk Köln, in dem Remondis wiederum vor dem Zusammenschluss
nicht vertreten war. Anlagen aus dem Regierungsbezirk Düsseldorf stehen den
Nachfragern
aus
dem
Regierungsbezirk
Köln
jedoch
nicht
als
Ausweichalternative zur Verfügung und umgekehrt.
114. Bezieht man MBA mit in den Entsorgungsmarkt ein, so erweitert sich das
Marktvolumen nach Einschätzung der Beschlussabteilung auf ca. 6,6 Mio. t
Gesamtkapazität. Die Einschätzung ist allerdings schwierig, da ein erheblicher
Teil der MBA noch im Bau oder in der Planung sind. Von den bereits
bestehenden Anlagen wiederum ist ein erheblicher Teil nicht AbfAblV-konform;
der Output dieser MBA darf ab 1.6.2005 nicht mehr direkt auf Deponien
abgelagert werden. Diese Art der MBA steht somit nicht in direktem Wettbewerb
zu
MVA
oder
anderen
Entsorgungsanlagen,
sondern
dient
nur
zur
Vorbehandlung von Abfällen, die anschließend noch anderweitig behandelt oder
verbrannt werden müssen. Zu dieser Art von MBA gehört auch die von
Remondis zu übernehmende MBA Haus Forst der RWE Umwelt. Auch unter
Einbeziehung der MBA lägen die Marktanteile von Remondis/RWE Umwelt und
RWE Newco nach dem Zusammenschluss jeweils zwischen 20 und 25%. Die
oben beschriebene Beurteilung ändert sich somit auch dann nicht, wenn MBA in
den relevanten Markt einbezogen werden.
51
4.3.2. Niedersachsen/Bremen
115. In Niedersachsen und Bremen sind zur Zeit 4 Müllverbrennungsanlagen in
Betrieb. RWE AG erbaut eine weitere, die MVA Salzbergen, die auch bei RWE
AG verbleiben wird. Ihre Kapazität wird hier bereits berücksichtigt, da Remondis
ein Kontingent in Höhe von 40.000t in dieser zukünftigen MVA erwerben will,
was zu einer Marktanteilsaddition durch den Zusammenschluss führt. Remondis
ist darüber hinaus am MHKW Bremerhaven beteiligt. Inklusive der MVA
Salzbergen haben diese Anlagen eine Gesamtkapazität von knapp 1,6 Mio. t.
116. Die Marktanteile verteilen sich danach wie folgt:
Unternehmen
Anteil Gesamtkapazität
Anteil
Marktkapazität
Remondis
18-23%
18-23%
RWE Umwelt
<5%
<5%
Summe
Zusammenschlussbeteiligte
20-25%
20-25%
5-10%
8-12%
RWE AG
E.ON
>40%
Nehlsen
25-30%
>40%
15-25%
117. Angesichts dieser Marktstruktur kann die Entstehung einer einzelmarktbeherrschenden Stellung durch den Zusammenschluss auf dem Markt der
Entsorgung von Siedlungsabfällen in MVA in Niedersachsen/Bremen ausgeschlossen werden. Der Markt ist sehr hoch konzentriert. Es ist jedoch auch nicht
zu erwarten, dass der Zusammenschluss zur Entstehung eines marktbeherrschenden Oligopols führt. Zum einen sind die Marktanteile eher
unsymmetrisch verteilt, mit E.ON als eindeutigem Marktführer vor dem
nächstfolgenden Wettbewerber. Entscheidend ist jedoch, dass es sich bei
Remondis, E.ON und Nehlsen jeweils um unterschiedlich strukturierte
Unternehmen mit sehr verschiedener unternehmerischer Ausrichtung handelt,
bei denen eine gleichgerichtete Interessenlage, die zu oligopolistischem
Parallelverhalten führen könnte, nicht zu erwarten ist.
118. Die Einbeziehung von MBA in den relevanten Markt würde die addierten
Marktanteile von Remondis/RWE Umwelt weiter absinken lassen, da keines der
beiden Unternehmen an MBA in Niedersachsen/Bremen beteiligt ist.
52
4.3.3. Schleswig-Holstein
119. In Schleswig-Holstein übernimmt Remondis von RWE Umwelt die Beteiligungen
an den MVA Kiel und Tornesch-Ahrenlohe. Remondis selbst ist in SchleswigHolstein weder mit MVA noch mit MBA vertreten, so dass es nicht zu
Marktanteilsadditionen kommt. Zudem handelt es sich bei den Anlagen Kiel und
Tornesch-Ahrenlohe jeweils um PPP-Gesellschaften, und in den Anlagen
werden fast ausschließlich Siedlungsabfälle aus den daran beteiligten
Gebietskörperschaften durchgesetzt, die als Innendurchsätze zu werten sind.
4.3.4. Rheinland-Pfalz
120. Remondis übernimmt von RWE Umwelt in Rheinland-Pfalz die Beteiligung an
der im Probebetrieb befindliche MVA Ingelheimer Aue in Mainz sowie die MBA
Kirchberg, die jedoch außer Betrieb ist. Eine Wiederaufnahme des Betriebs der
MBA Kirchberg ist laut Abfallwirtschaftsplan Rheinland-Pfalz nicht beabsichtigt.
Remondis selbst verfügt nicht über Entsorgungsanlagen in Rheinland-Pfalz. Zu
Marktanteilsadditionen kommt es damit nicht, Remondis rückt lediglich in die
Marktposition von RWE Umwelt ein.
5. Sortierung von Altpapier/PPK
121. Remondis und RWE Umwelt sind beide im Bereich der Sortierung von
Altpapier/PPK tätig. Remondis verfügt über Papiersortieranlagen in Vechta
(Niedersachsen), Möllenhagen (Mecklenburg-Vorpommern), Prützke, Großräschen (Brandenburg), Reddeber, Riethnordhausen (Sachsen-Anhalt), Aue
(Sachsen), Langewiese (Thüringen), Frankfurt/Main (Hessen), Bochum, Münster,
Langenfeld, Wuppertal (NRW), und München (Bayern). Von RWE Umwelt
übernommen werden sollen Anlagen in Melsdorf (Schleswig-Holstein), PotsdamDrewitz (Brandenburg), Quersa (Sachsen), Gotha (Thüringen), Köln, Essen,
Bonn (NRW), sowie Freudenstadt, Ravensburg und Untereisesheim (BadenWürttemberg). Die Anlagen der RWE Umwelt in Schwerin (MecklenburgVorpommern), Ludwigsfelde (Brandenburg), Bennstedt-Zappendorf, Wanzleben
(Sachsen-Anhalt), Pfaffroda (Sachsen), Wiesbaden (Hessen) sowie DüsseldorfReisholz, Viersen, Aldenhoven und Velbert (NRW) werden auf RWE Newco
übertragen. Der Zusammenschluss wird auf keinem räumlichen Markt für die
Sortierung von Altpapier/PPK zur Entstehung oder Verstärkung marktbeherrschender Stellungen führen.
53
5.1. Sachliche Marktabgrenzung
122. Die Beschlussabteilung geht davon aus, dass die Sortierung von Altpapier/PPK
einen gegenüber der Sammlung von Altpapier getrennten Markt darstellt, wie
dies auch bei der Sortierung von LVP der Fall ist. Nach den Feststellungen in
früheren
Verfahren
werden
Sammlung
und
Sortierung/Verwertung
von
Altpapier/PPK zwar nicht immer, aber doch häufig getrennt ausgeschrieben. Die
Dienstleistungen unterscheiden sich auch von der Art und der für ihre Erbringung
erforderlichen Infrastruktur her (Fahrzeuge/Personal bei Sammlung und
Transport, Sortieranlage/ Personal bei der Sortierung).
123. Die Beschlussabteilung geht auch davon aus, dass die Sortierung von
Altpapier/PPK einen von der Sortierung anderer Stoffe – insbesondere LVP und
Gewerbeabfall – getrennten Markt darstellt, auch wenn hier gewisse Überschneidungen vorliegen. So bestehen beispielsweise in Nordrhein-Westfalen
sowohl spezielle Papier-Sortieranlagen als auch Sortieranlagen mit Sortierlinien
für unterschiedliche Abfallstoffe. Sortieranlagen für Altpapier/PPK sind jedoch
nach den hier vorliegenden Erkenntnissen technisch meist weniger aufwendig
als Sortieranlagen für LVP. Im Hinblick auf Gewerbeabfallsortieranlagen mag
eine größere Austauschbarkeit vorliegen. Letztlich kann die genaue sachliche
Marktabgrenzung offen bleiben. Der Zusammenschluss führt weder bei
Abgrenzung eines eigenständigen Marktes für die Sortierung von Altpapier/PPK
noch bei Zusammenfassung dieses Marktes mit anderen Sortiermärkten zu
Wettbewerbsproblemen.
5.2. Räumliche Marktabgrenzung
124. Es ist davon auszugehen, dass der Einzugsbereich von Papiersortieranlagen
aufgrund der Transportkosten für das relativ schwere Sortiermaterial begrenzt
ist. In einem früheren Verfahren50 wurde allerdings festgestellt, dass der
Einzugsbereich einzelner Anlagen sich durchaus über mehr als 100km und
verschiedene Bundesländer erstrecken kann. Die Beschlussabteilung geht
davon aus, dass der Einzugsbereich mindestens bei ca. 100km liegt. Im
vorliegenden Fall muss über die genaue räumliche Marktabgrenzung nicht
entschieden werden, da sich selbst bei relativ engen räumlichen Märkten
(einzelne Bundesländer) keine Wettbewerbsprobleme ergeben.
50
B10 – 101/04 Alba und Stora Enso/Erwerb von Anteilen an der Altpapier Sachsen GmbH.
54
5.3. Entstehung oder Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung
125. Der Zusammenschluss wird in keiner Region zur Entstehung oder Verstärkung
einer marktbeherrschenden Stellung für die Sortierung von Altpapier/PPK führen.
126. Bei der Marktanteilsbemessung stellt die Beschlussabteilung auf Kapazitäts- und
Durchsatzdaten für das Jahr 2003 ab. Die Beteiligten haben für ihre eigenen
Anlagen die entsprechenden Daten in der Anmeldung (Anlage III) genannt. Die
Beschlussabteilung verfügt aus den Ermittlungen im vorliegenden Verfahren
sowie den Verfahren B10 – 74/04 Rethmann/Tönsmeier/GfA Köthen und B10 –
101/04 Alba/Stora/Altpapier Sachsen über vergleichbare Daten zu den
Papiersortieranlagen der bedeutendsten Wettbewerber. Auf eine vollständige
Markterhebung wurde verzichtet, da sich bereits anhand der vorliegenden
Informationen keine Wettbewerbsprobleme ergaben.
127. Für Nordrhein-Westfalen gibt das Landesumweltministerium im "Entsorgungsatlas NRW"51 eine Gesamtkapazität von Papiersortieranlagen in Höhe von
1,95 Mio. t/Jahr und einen Durchsatz von ca. 1,2 Mio. t im Jahr an. Auf
Remondis und die von RWE Umwelt zu übernehmenden Anlagen entfallen
jeweils 10-15% der Kapazitäten, zusammen erreichen sie einen Kapazitätsanteil
von 20-30%. Beim Durchsatz sind die Anteile von Remondis mit 5-10% und
RWE Umwelt mit 8-13% jeweils etwas geringer. Der addierte Marktanteil liegt bei
15-20%. 5-10% Marktanteil und 8-13% Kapazitätsanteil verbleibt bei RWE
Newco. Von den Wettbewerbern liegen nur für Schönmackers und Tönsmeier
genaue Daten vor; sie erreichen zwischen 5% und 15% Marktanteil. Angesichts
eines Marktanteils der Zusammenschlussbeteiligten von unter 20% und eines
Kapazitätsanteils von deutlich unter 30% ist jedenfalls nicht zu erwarten, dass
der Zusammenschluss zur Entstehung oder Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung für die Sortierung von Altpapier/PPK in Nordrhein-Westfalen
führt.
128. Für die neuen Bundesländer liegt keine vollständige Erhebung des Kapazitätsund Marktvolumens vor. Die nachfolgend genannten Marktvolumina sind deshalb
durchgehend zu niedrig, da in sie nur die Angaben der Zusammenschlussbeteiligten und der größten Entsorgungsunternehmen eingegangen sind.
Die sich hieraus ergebenden Marktanteile sind deshalb überschätzt. Zu
Marktanteilsadditionen führt der Zusammenschluss in Brandenburg/Berlin,
51
www.munlv.nrw.de/sites/Arbeitsbereiche/Entsorgungsatlas
55
Sachsen und Thüringen. In Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern
werden die Anlagen von RWE Umwelt jeweils nicht übernommen. Vorsorglich
wird auch ein zusammengefasster Markt aller neuen Bundesländer betrachtet.
129. In Brandenburg, Sachsen und den neuen Bundesländern insgesamt liegt der
addierte Marktanteil der Zusammenschlussbeteiligten jeweils deutlich unter 20%.
Alba ist jeweils mit erheblich höheren Marktanteilen als die Zusammenschlussbeteiligten vertreten, in Sachsen hält auch noch Cleanaway höhere
Marktanteile als Remondis/RWE Umwelt. Angesichts der geringen Höhe der
addierten Marktanteile – die noch dazu überschätzt sind – kann ausgeschlossen
werden, dass der Zusammenschluss zur Entstehung oder Verstärkung einer
einzel- oder oligopolistischen marktbeherrschenden Stellung führt. Lediglich in
Thüringen liegt der addierte Marktanteil der Zusammenschlussbeteiligten höher,
nach Auffassung der Beschlussabteilung jedoch unter 30%. Cleanaway hält in
Thüringen vergleichbar hohe Marktanteile wie Remondis/RWE Umwelt. Die
Entstehung einer einzelmarktbeherrschenden Stellung ist deshalb hier nicht zu
erwarten. Auch die Entstehung eines marktbeherrschenden Oligopols von
Remondis und Cleanaway ist nicht zu erwarten. Es bestehen bereits Zweifel, ob
rechnerisch die Oligopolvermutung erfüllt ist. Jedenfalls wäre sie nicht erfüllt,
wenn richtigerweise52 davon ausgegangen würde, dass der räumliche Markt
weiter ist als Thüringen und die angrenzenden Bundesländer ganz oder teilweise
umfasst. In diesen Bundesländern haben beide potentielle Oligopolisten
niedrigere Marktanteile.
130. In Bayern übernimmt Remondis eine Papiersortieranlage in München von RWE
Umwelt. Remondis selbst erzielte mit seiner ebenfalls in München gelegenen
Sortieranlage
2003
keine
Durchsätze.
Die
addierten
Kapazitäten
von
Remondis/RWE Umwelt liegen knapp über, die addierten Durchsätze deutlich
unter 100.000 t. Altvater verfügt über höhere Kapazitäten und erzielt höhere
Durchsätze als die Zusammenschlussbeteiligten. Zudem werden in Bayern in
größerem
Umfang
Sortieranlagen
von
mittelständischen
Wettbewerbern
betrieben. Es ist deshalb nicht zu erwarten, dass der Zusammenschluss zur
Entstehung oder Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung auf dem
Markt für Papiersortierung in Bayern führt.
52
100km-Einzugsbereiche um die Rethmann/RWE Umwelt-Anlagen in Gotha und Suhl würden
Teile der benachbarten Bundesländer Sachsen-Anhalt, Hessen und Bayern umfassen.
56
131. In Schleswig-Holstein und Baden-Württemberg, wo Remondis ebenfalls
Papiersortieranlagen von RWE Umwelt übernimmt, war das Unternehmen
bislang noch nicht tätig und tritt damit nur in die Marktstellung von RWE Umwelt
ein. Die Durchsätze in Schleswig-Holstein liegen weit unter 50.000 t, die in
Baden-Württemberg
deutlich
unter
100.000t.
Auch
hier
kann
jeweils
ausgeschlossen werden, dass der Zusammenschluss zur Entstehung oder
Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung führt.
6. Betrieb von Kompostieranlagen
132. Sowohl Remondis als auch RWE Umwelt betreiben Kompostierungsanlagen für
Bio- und Grünabfälle. Zu Zuwächsen durch den Zusammenschluss kommt es
nur in den Bundesländern Nordrhein-Westfalen, Niederachsen/Bremen und
Brandenburg/Berlin. Remondis betreibt Anlagen in Lünen, Wermelskirchen,
Coesfeld, Ennigerloh, Altenberge (alle NRW), Peine, Oldenburg (Niedersachsen)
sowie Großräschen und Trappenfelde (Brandenurg). Von RWE Umwelt sollen
die Anlagen Müttinghofen, Swisttal-Miel, St. Augustin, Köln-Niehl, Erftkreis
(VZEK), Korschenbroich (alle NRW), Bohmte-Hunteburg (Niedersachsen) und
Potsdam (Brandenburg) übernommen werden. Zwei Kompostierungsanlagen
von RWE Umwelt in Düsseldorf sollen nicht von Remondis übernommen werden.
Remondis wird außerdem von RWE Umwelt in Schleswig-Holstein und
Rheinland-Pfalz Bioabfallkompostierungsanlagen erwerben. Remondis betreibt
in diesen Bundesländern jedoch keine Kompostierungsanlagen. In den
Bundesländern Bayern, Baden-Württemberg, Sachsen, Sachsen-Anhalt und
Thüringen betreibt jeweils Remondis Kompostierungsanlagen, wird jedoch keine
Anlagen von RWE Umwelt übernehmen. In keiner der betroffenen Regionen ist
zu erwarten, dass der Zusammenschluss zur Entstehung oder Verstärkung einer
marktbeherrschenden Stellung führt.
6.1. Sachliche Marktabgrenzung
133. In Kompostierungsanlagen werden überwiegend Bio- und Grünabfälle zu
Kompost verarbeitet. In Bioabfallbehandlungsanlagen werden die angelieferten
Bioabfälle in der Regel zunächst von Störstoffen befreit, z.B. durch Absiebung,
manuelle Sortierung und Eisenabscheider. Danach werden die Abfälle durch
Zerkleinerung,
Zumischung
von
Strukturmaterial
und
Homogenisierung
zusätzlich für den Rotteprozess konditioniert. Anschließend erfolgt der
Rotteprozess, für den es unterschiedliche Verfahren gibt. Sowohl bei der
57
Aufbereitung als auch bei der Rotte werden wegen der dabei entstehenden
Emissionen Abluftreinigungsverfahren eingesetzt. Danach wird der erzeugte
Kompost durch eine Siebung nochmals von Störstoffen befreit und für die
Vermarktung konfektioniert. Für die Kompostierung von Grünabfällen sind wegen
der geringeren zu erwartenden Emissionen weniger aufwendige Anlagen
notwendig als für Bioabfälle.
134. Im Verfahren B10 – 248/0153 hat die Beschlussabteilung festgestellt, dass die
Behandlung von Bioabfällen einen eigenständigen sachlichen Markt darstellt, der
auch von der Behandlung von Grünabfällen zu unterscheiden ist. Zwar können
Grünabfälle (Garten- und Parkabfälle) technisch auch in Bioabfallkompostierungsanlagen behandelt werden. Die Kompostierung in Bioabfallanlagen
ist
jedoch
deutlich
teurer
als
die
Kompostierung
in
Grünabfallbe-
handlungsanlagen. Zudem zählen Bioabfälle zu den überlassungspflichtigen
Siedlungsabfällen, während Grünabfälle nicht andienungspflichtig sind.
6.2. Räumliche Marktabgrenzung
135. Im Verfahren B10 – 248/01 wurde für Schleswig-Holstein ein durchschnittlicher
Einzugsbereich für Bioabfallkompostierungsanlagen von 54km festgestellt. Es
wird im folgenden davon ausgegangen, dass auch für die übrigen Bundesländer
ein Einzugsbereich von 50-55km für diese Anlagen gilt. Die genaue Abgrenzung
des räumlichen Markts kann in allen Fällen offen bleiben, da sich weder auf
Basis der Einzugsbereichsbetrachtung noch bei einer Abgrenzung der
räumlichen Märkte nach Bundesländern Wettbewerbsprobleme ergeben.
136. Die Bioabfallkompostierungsanlagen von Remondis in Nordrhein-Westfalen
liegen im nördlichen Teil des Regierungsbezirks Münster (3 Anlagen) und an der
Nordgrenze des Regierungsbezirks Arnsberg (1 Anlage). Lediglich die Anlage
Wermelskirchen – die jedoch nach vorliegenden Informationen eine reine
Grünabfallkompostierungsanlage ist und damit nicht zum sachlichen Markt
gehört – befindet sich im Regierungsbezirk Köln. Die Anlagen der RWE Umwelt
liegen dagegen im Süden des Regierungsbezirks Düsseldorf und im Regierungsbezirk Köln. Auf Basis der Einzugsbereichsbetrachtung überschneiden sich
lediglich die Einzugsbereiche der Remondis-Kompostierungsanlage in Lünen
und der RWE Umwelt-Anlagen in Korschenbroich und St. Augustin geringfügig
(deutlich weniger als 20% der jeweiligen Einzugsbereiche). Remondis und RWE
53
Beschluss vom 24. Mai 2002, a.a.O., Ziff. 28f.
58
Umwelt wären demnach auf unterschiedlichen räumlichen Märkten tätig.
Zusammen decken die Einzugsbereiche ihrer Kompostierungsanlagen jedoch
das Gebiet des Bundeslandes Nordrhein-Westfalen weitestgehend ab, so dass
hilfsweise auch der räumliche Markt Nordrhein-Westfalen geprüft wird.
Angesichts der bekannten Entsorgungsautarkie in Nordrhein-Westfalen ist nicht
davon auszugehen, dass sich der räumliche Markt auf Gebiete außerhalb des
Bundeslandes Nordrhein-Westfalen erstreckt.
137. In Niedersachsen überschneiden sich die Einzugsbereiche der RemondisKompostierungsanlage in Oldenburg und der RWE Umwelt-Anlage in BohmteHulteburg nur minimal (weniger als 10% der jeweiligen Einzugsbereiche). Der
Einzugsbereich der Remondis-Anlage in Peine hat keine Berührungspunkte mit
dem der beiden übrigen Anlagen. Vorsorglich wird auch hier der räumliche Markt
Niedersachsen geprüft.
138. In Brandenburg überschneiden sich die Einzugsbereiche der Anlagen Potsdam
(RWE Umwelt) und Großräschen (Remondis) nicht. Die Lage der RemondisAnlage Trappenfelde ist nicht genau bekannt. Es wird deshalb unterstellt, dass
sich ihr Einzugsbereich vollständig mit dem der RWE Umwelt-Anlage in Potsdam
überschneidet (Einzugsbereich Städte Potsdam und Brandenburg, Kreise
Potsdam-Mittelmark, Havelland, Teltow-Fläming und Stadt Berlin).
6.3. Entstehung oder Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung
139. Der Zusammenschluss wird in keiner Region zur Entstehung oder Verstärkung
einer marktbeherrschenden Stellung für die Kompostierung von Bioabfällen
führen.
140. Bei der Marktanteilsbemessung stellt die Beschlussabteilung auf Durchsatzdaten
für das Jahr 2003 ab. Die Beteiligten haben für ihre eigenen Anlagen die
entsprechenden Daten in der Anmeldung (Anlage III) genannt. Für das
Marktvolumen wird auf Informationen aus der BC-Consult-Studie "Wer macht
Was?" Unternehmensreport Abfallwirtschaft Deutschland54 abgestellt, in der für
jeden Kreis/Kreisfreie Stadt das Aufkommen an Bioabfällen aufgeführt wird.
Soweit – beispielsweise für Nordrhein-Westfalen – Informationen aus anderen
Quellen wie dem Entsorgungsatlas NRW vorliegen, sind diese veraltet (Stand
1999), da gerade der Markt für die Entsorgung getrennt gesammelter
54
a.a.O., Anlagenband
59
organischer Abfälle stark wachsend ist (Wachstum der Kompostierung von
Bioabfällen in NRW laut Entsorgungsatlas von 1997 bis 1999 15%, für
Grünabfälle sogar 24%).
141. Sofern man für Nordrhein-Westfalen auf die gemäß Anlageneinzugsbereich
abgegrenzten Märkte abstellt, liegt das Marktvolumen für den von den
Remondis-Anlagen
abgedeckten
Markt
(Regierungsbezirk
Münster
und
angrenzende Kreise der Regierungsbezirke Detmold, Arnsberg und Düsseldorf)
bei ca. 700.000t. Der Marktanteil von Remondis liegt bei 20-30%. Zu
Marktanteilsadditionen kommt es nicht. Der von den RWE Umwelt-Anlagen
abgedeckte Markt (Regierungsbezirk Köln, größter Teil des Regierungsbezirks
Düsseldorf) hat ein Volumen von ca. 845.000t. RWE Umwelt hält hier einen
Marktanteil von 25-35%, der unter der Schwelle der Marktbeherrschungsvermutung liegt. Zu Additionen kommt es auch hier nicht. Falls – was nach den
Erkenntnissen der Beschlussabteilung allerdings nicht sachgerecht wäre – der
Durchsatz
der
Grünabfallkompostierungsanlage
von
Remondis
in
Wermelskirchen, deren Einzugsbereich größtenteils in diesen räumlichen Markt
fällt, einbezogen würde, ergäbe sich eine Marktanteilsaddition von weniger als
0,5%. Es ist nicht erkennbar, dass der Eigentümerwechsel der RWE UmweltAnlagen
und
die
Ausweitung
des
räumlichen
Tätigkeitsgebiets
von
Rethman/Remondis auf das südwestliche Gebiet von Nordrhein-Westfalen zur
Entstehung oder Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung für die
Kompostierung von Bioabfällen führt.
142. Stellt man auf das Bundesland Nordrhein-Westfalen als räumlich relevanten
Markt ab, so liegt das Marktvolumen bei ca. 1,8 Mio. t. Remondis hält auf diesem
Markt einen Marktanteil von 7-12%, RWE Umwelt erreicht 10-20%. Der addierte
Marktanteil
liegt
bei
20-30%.
Marktbeherrschungsvermutung
Angesichts
liegenden
des
addierten
deutlich
unterhalb
der
Marktanteils und des
Vorhandenseins zahlreicher anderer Kompostierungsanlagen in NordrheinWestfalen ist auch hier nicht davon auszugehen, dass der Zusammenschluss zur
Entstehung einer marktbeherrschenden Stellung führt.
143. In Niedersachsen liegt das Marktvolumen für Bioabfälle bei ca. 1,2 Mio. t. Grenzt
man die räumlichen Märkte nach Einzugsbereichen ab, so führt das
Zusammenschlussvorhaben nicht zu Marktanteilsadditionen, da die Anlagen
jeweils auf unterschiedlichen räumlichen Märkten tätig sind. Bezogen auf das
Bundesland Niedersachsen liegt der Marktanteil von Remondis und RWE
60
Umwelt jeweils unter 5%, addiert unter 10%. Angesichts dieser geringen
Marktanteile ist nicht zu erwarten, dass der Zusammenschluss zur Entstehung
einer marktbeherrschenden Stellung führt.
144. In Brandenburg/Berlin liegt das Marktvolumen für Bioabfälle bei ca. 160.000t.
Wahrscheinlich handelt es sich um einen Bagatellmarkt; im Verfahren B10 –
248/01 war für ein Marktvolumen von ca. 144.000t Bioabfall ein Bagatellmarkt
mit einem Marktvolumen von 11 Mio. € festgestellt worden55. Unterstellt man,
dass sich die Einzugsbereiche der RWE Umwelt-Kompostierungsanlage in
Potsdam und der Remondis-Kompostierungsanlage Trappenfelde vollständig
überschneiden, so beträgt das Marktvolumen für diesen Einzugsbereich ca.
110.000t. Remondis erzielt dann 10-15% Marktanteil, der Marktanteil von RWE
Umwelt liegt unter 5%. Der addierte Marktanteil von Remondis/RWE Umwelt
liegt bei 15-20%. Stellt man auf den Gesamtmarkt Brandenburg/Berlin ab, so
erzielt Remondis einen Marktanteil von 5-10%, der Marktanteil von RWE Umwelt
ist <5%. Ihr addierter Marktanteil liegt bei 10-15%. Angesichts der geringen Höhe
der addierten Marktanteile ist weder bei Einzugsbereichsbetrachtung noch bei
Bundeslandbetrachtung
zu
erwarten,
dass
der
Zusammenschluss
zur
Entstehung oder Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung führt, selbst
wenn es sich nicht um Bagatellmärkte handeln sollte.
145. In den Bundesländern Schleswig-Holstein und Rheinland-Pfalz, wo Remondis
ebenfalls Bioabfallkompostierungsanlagen von RWE Umwelt übernimmt, kommt
es nicht zu Marktanteilsadditionen, da Remondis hier bislang noch keine
Kompostierungsanlagen betreibt.
7. Sammlung und Transport von Altglas
146. RWE Umwelt ist in allen Bundesländern mit Ausnahme von Hamburg,
Niedersachsen, Bremen, Berlin und Saarland bei Sammlung und Transport von
Altglas aktiv. Remondis ist ebenfalls in fast allen Bundesländern - außer
Schleswig-Holstein, Bremen, Berlin und Saarland – tätig. Die AltglasSammelaktivitäten von RWE Umwelt in Hessen, Mecklenburg-Vorpommern,
Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen werden allerdings nicht,
die
in
Nordrhein-Westfalen
werden
nur
teilweise
übernommen.
Der
Zusammenschluss würde zur Entstehung einer marktbeherrschenden Stellung
für Sammlung und Transport von Altglas im Großraum Nordrhein-Westfalen
55
Beschluss vom 24. Mai 2002, a.a.O., Ziff. 35
61
führen und kann deshalb nur mit Auflagen (siehe Tenor I.A.1.2.) freigegeben
werden. In den übrigen räumlichen Märkten führt der Zusammenschluss nicht zu
Wettbewerbsproblemen.
7.1. Sachliche Marktabgrenzung
147. Altglas aus privaten Haushalten wird in Form von Verpackungsabfällen
gesammelt. Hier sind gemäß § 6 VerpackV die Hersteller und Vertreiber zur
unentgeltlichen Rücknahme und Verwertung von Verpackungen aus Glas
verpflichtet. In der Praxis haben sich die meisten Hersteller und Vertreiber sog.
dualen Systemen gemäß § 6 Abs. 3 VerpackV angeschlossen, die dann die
Verpflichtungen der Hersteller und Vertreiber erfüllen. Die Aufträge für
Sammlung und Transport von Altglas werden deshalb von den dualen Systemen
vergeben. Das bei weitem führende duale System, die Der Grüne Punkt –
Duales
System
Deutschland
AG
("DSD")
hat
2003
und
2004
ihre
Leistungsverträge für Sammlung und Transport von Altglas neu ausgeschrieben.
Die übrigen zur Zeit zugelassenen dualen Systeme56 erfüllen ihre Verpflichtungen im Wege der Mitbenutzung der Wertstofftonnen. Sammlung und
Transport von Altglas werden durch Lizenzentgelte finanziert, die die
Systembeteiligten für jede lizensierte Glasverpackung an das jeweilige duale
System zahlen und beim Verkauf auf den Endverkaufspreis umlegen.
148. Altglas wird überwiegend nicht bei den einzelnen Haushalten abgeholt, sondern
aus Glassammelcontainern ("Iglus"), die an zentralen Punkten – z.B. Parkplätzen
– aufgestellt sind. Die Endverbraucher müssen das Glas zu diesen zentralen
Punkten bringen. Für den Entsorger bedeutet dies, dass deutlich weniger
Anfallstellen anzufahren und pro Halt größere Mengen abzuholen sind als bei
der Abholung an einzelnen Haushalten.
149. Sammlung und Transport von Altglas sowie Sammlung und Transport von LVP
gehören nicht dem gleichen sachlichen Markt an, auch wenn in beiden Fällen die
jeweiligen Aufträge von dualen Systemen erteilt werden. Die Abholungsart
unterscheidet sich (in jedem Haushalt für LVP, an zentralen Großcontainern für
Glas), und es werden unterschiedliche Fahrzeuge eingesetzt. Zudem hat DSD
die Sammel- und Transport-Aufträge für LVP und Glas getrennt ausgeschrieben.
56
Das duale System der Landbell AG ist in mehreren Bundesländern (u.a. Hamburg und
Bayern) umweltrechtlich festgestellt, ein weiteres duales System der Interseroh AG befindet
sich in der Feststellungsphase.
62
150. Sammlung und Transport von Altglas und Sammlung und Transport von
Restmüll und anderen Siedlungsabfallarten gehören erst recht nicht dem
gleichen sachlichen Markt an, da Auftragsvergabe und Preisbildung völlig
unterschiedlich sind (siehe oben Ziff. 23).
151. Sammlung/Transport und Aufbereitung von Altglas gehören ebenfalls getrennten
sachlichen Märkten an. Es handelt sich um unterschiedliche Dienstleistungen, für
die unterschiedliche sachliche Mittel notwendig sind (Sammelcontainer und
Fahrzeuge für Sammlung und Transport, Aufbereitungsanlagen für Aufbereitung). Die Verträge für beide Dienstleistungen werden getrennt und von
unterschiedlichen Stellen vergeben. Während die Sammel- und Transportaufträge von DSD/dualen Systemen erteilt werden, schließen die Glashütten als
Nachfrager des aufbereiteten Glases selbst die Aufbereitungsverträge mit
Glasaufbereitungsanlagen.
7.2. Räumliche Marktabgrenzung
152. Auch für Sammlung und Transport von Altglas besteht kein bundesweiter Markt,
obwohl die entsprechenden Aufträge von einem einzigen Auftraggeber, DSD,
bundesweit ausgeschrieben worden sind. Wie in den Sammelmärkten für andere
Abfallarten bewerben sich auch um die Aufträge für Sammlung und Transport
von
Altglas
überwiegend
Unternehmen,
die
in
der
Nähe
des
Ausschreibungsgebiets bereits über Infrastruktureinrichtungen (insbesondere
Logistikstandorte) verfügen, da diese zu Synergieeffekten führen (siehe oben
Ziff. 28). Auch hier gilt, dass die Entsorgungsunternehmen bestimmte räumliche
Schwerpunkte
haben
bzw.
ihre
Tätigkeiten
auf
bestimmte
Regionen
beschränken, was sich auf ihr Angebotsverhalten auswirkt (vgl. Ziff. 30f.). Zudem
unterscheidet sich die Marktanteilsverteilung in verschiedenen Regionen
erheblich (siehe unten Ziff. 163ff.).
153. Der Beschlussabteilung liegen bundesweit die Ergebnisse der Ausschreibungen
für Sammlung und Transport von Altglas der DSD für die Jahre 2003 und 2004
vor, aus der sich jeweils die Zahl und Identität der Bieter für jedes Vertragsgebiet
ergibt. Eine detaillierte Auswertung des Bieterverhaltens wurde für das
Bundesland mit den höchsten addierten Marktanteilen der Zusammenschlussbeteiligten,
Nordrhein-Westfalen, und die an Nordrhein-Westfalen
angrenzenden Bundesländer Niedersachsen (inklusive Bremen), Hessen und
Rheinland-Pfalz (inklusive Saarland) vorgenommen. In den übrigen Bundes-
63
ländern kommt es weder bei enger räumlicher Marktabgrenzung – d.h. auf das
jeweilige Bundesland bezogen – noch bei weiter räumlicher Marktabgrenzung
(Zusammenfassung mehrerer Bundesländer zu größeren Regionen) zu
Wettbewerbsproblemen. Für diese Gebiete erübrigt sich deshalb eine genaue
räumliche Marktabgrenzung.
154. Die Auswertung des Bieterverhaltens für Nordrhein-Westfalen hat ergeben, dass
von insgesamt 134 Bewerbungen auf 59 Vertragsgebiete 128 (=95,5%) von
Unternehmen stammen, die in Nordrhein-Westfalen ihren Sitz oder mindestens
eine Niederlassung haben. Nur 6 Bewerbungen kamen aus anderen
Bundesländern, wobei es sich ausschließlich um unmittelbar angrenzende
Bundesländer handelt. Nur einer dieser Bewerber erhielt tatsächlich den
Zuschlag für ein Gebiet. Abgestellt wurde dabei jeweils auf die Bewerberadresse, d.h. wenn sich z.B. ein Entsorgungsunternehmen mit der Adresse einer
Niederlassung in Rheinland-Pfalz auf ein Gebiet in Nordrhein-Westfalen
beworben hat, wurde dies als Bewerbung aus einem anderen Bundesland
gewertet, selbst wenn das betroffene Unternehmen auch Standorte in NordrheinWestfalen hat.
155. Ein ähnliches Bild ergibt sich, wenn man nicht auf die Herkunft nach Bundesland,
sondern auf die Entfernung der Bieteradresse vom Ausschreibungsgebiet
abstellt. Dann zeigt sich, dass 106 von 134 Bewerbungen (= 79,1%) von
Unternehmen
mit
Adresse
Ausschreibungsgebiet
in
stammen.
einem
Weitere
Radius
von
22
16,4%)
(=
50km
um
das
kommen
von
Unternehmen, die in einem Radius von 50-100km um das Ausschreibungsgebiet
ansässig sind. Nur 6 Bewerbungen57 (= 4,5%) kommen von Unternehmen, deren
Sitz weiter als 100km vom Ausschreibungsgebiet entfernt liegt. Von diesen
erhielten 2 (= 3,4%) den Zuschlag. Fast 97% aller Zuschläge entfallen demnach
auf
Bewerber
aus
einer
Entfernung
von
höchstens
100km
um
das
Ausschreibungsgebiet.
156. Betrachtet man die an Nordrhein-Westfalen angrenzenden Bundesländer
(Niedersachsen/Bremen, Hessen, Rheinland-Pfalz/Saarland), so zeigt sich eine
weniger starke Konzentration von Bietern und Zuschlägen auf das jeweils eigene
57
Diese Zahl ist eher überschätzt, da es sich bei 5 dieser Fälle um Arbeitsgemeinschaften unter
Federführung des auf Glas spezialisierten Entsorgungsunternehmens Reiling mit unbekannten
Partnern handelt. Die angegebene Adresse von Reiling lag jeweils außerhalb des 100kmRadius; es ist jedoch möglich, dass andere Arge-Partner Standorte näher am
Ausschreibungsgebiet haben.
64
Bundesland. In diesen Bundesländern entfallen insgesamt 231 von 320
Angeboten (ca. 72%) auf das jeweils eigene Bundesland. 81 Angebote (ca. 25%)
kommen jeweils aus benachbarten Bundesländern. Der Anteil der Angebote aus
nicht direkt angrenzenden Bundesländern ist dagegen mit 8 (2,5%) sehr gering.
Keines dieser Angebote erhielt den Zuschlag. Die Erfolgsquote der Angebote
aus benachbarten Bundesländern lag dagegen mit gut 25% der Zuschläge auf
vergleichbarer Höhe wie die Angebotsquote.
157. Stellt man auf die räumliche Entfernung ab, so stammen 224 von 320
Bewerbungen (= 70%) von Unternehmen, die sich aus einer Entfernung von
höchstens 50km Luftlinie vom Ausschreibungsgebiet bewerben. Weitere 56 (=
17,5%) der Bewerbungen stammen von Unternehmen, die in einer Entfernung
von 50-100km vom Ausschreibungsgebiet ansässig sind. 40 (= 12,5%) der
Bewerbungen stammen von Unternehmen, die sich aus einer Entfernung von
mehr als 100km vom Ausschreibungsgebiet bewerben. Diese Zahl ist allerdings
überschätzt, da hierin allein 11 Bewerbungen der Remondis-Gruppe (inklusive
Rhenus) enthalten sind, die von weit entfernten Niederlassungen abgegeben
wurden, obwohl die Unternehmensgruppe näher zum Ausschreibungsgebiet
gelegene Niederlassungen hat. 89% der Zuschläge wurden an Unternehmen
erteilt, die im Umkreis von 100km um das Ausschreibungsgebiet ansässig sind,
11% an Unternehmen außerhalb dieses Radius. Fast die Hälfte hiervon (6 von
14 Zuschlägen) entfiel jedoch auf die bereits genannten Bewerbungen der
Remondis-Gruppe, die für die tatsächliche Abarbeitung der Aufträge auch über
näher gelegene Niederlassungen verfügt.
158. Die Auswertung bestätigt, dass auch bei Sammlung und Transport von Glas die
Nähe zum Ausschreibungsgebiet eine entscheidende Rolle bereits für die
Bewerbung und mehr noch für den Erfolg (durch Zuschlag) spielt. Die in
Nordrhein-Westfalen zu beobachtende Konzentration der Bewerbungen und
Zuschläge auf Unternehmen, die im Bundesland ansässig sind, scheint
allerdings eine Sondersituation zu sein, für die – anders als bei Restmüll und
anderen Siedlungsabfällen58 – keine Erklärung erkennbar ist, die deutlich für eine
bundeslandbezogene Marktabgrenzung spricht. Auf Basis dieser Ergebnisse ist
davon auszugehen, dass Nordrhein-Westfalen einen eigenständigen räumlichen
Markt
bildet.
Diese
Situation
hat
58
sich
jedoch
in
den
angrenzenden
z.B. traditionelle Entsorgungsautarkie in Nordrhein-Westfalen, kleinteilige Ausschreibung
durch einzelne Gemeinden, Präferenzen dieser Ausschreiber für lokale/regionale Unternehmen
65
Bundesländern
nicht
in
gleichem
Maß
bestätigt.
Zugunsten
der
Zusammenschlussbeteiligten unterstellt die Beschlussabteilung deshalb, dass
der räumlich relevante Markt nicht nur Nordrhein-Westfalen, sondern auch die
angrenzenden Bundesländer Niedersachsen, Hessen und Rheinland-Pfalz
inklusive
der
von
Niedersachsen
bzw.
Rheinland-Pfalz
vollständig
umschlossenen Bundesländer Bremen und Saarland umfasst ("Großraum
Nordrhein-Westfalen").
7.3. Entstehung oder Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung
159. Das Zusammenschlussvorhaben würde zur Entstehung einer marktbeherrschenden Stellung auf dem Markt für Sammlung und Transport von Altglas auf
dem unterstellten größeren Markt Großraum Nordrhein-Westfalen führen,
weshalb es für diesen Bereich nur unter Auflagen freigegeben werden kann. In
den
übrigen
Regionen
führt
das
Zusammenschlussvorhaben nicht zu
Wettbewerbsproblemen.
7.3.1. Großraum Nordrhein-Westfalen
160. Die Beschlussabteilung ermittelt auch bei Sammlung und Transport von Glas,
wie nach ständiger Praxis bei allen anderen Sammelmärkten, die Marktanteile
auf Einwohnerbasis. Sammlung und Transport von Altglas im Großraum
Nordrhein-Westfalen ist kein Bagatellmarkt (§ 35 Abs. 2 Nr. 2 GWB), da bereits
die entsprechenden Umsätze von RWE Umwelt allein deutlich über der
Bagatellmarktschwelle von 15 Mio. € Marktvolumen liegen.
161. Insgesamt wird im Großraum Nordrhein-Westfalen Altglas von ca. 37,8 Mio.
Einwohnern gesammelt (nur Nordrhein-Westfalen: 18,0 Mio. Einwohner). Dies ist
auch das zugrundezulegende Marktvolumen. Anders als bei Sammlung und
Transport von Restmüll und anderem Siedlungsabfall ist hier auf die gesamte
Einwohnerzahl
des
Gebiets
abzustellen,
da
auch
öffentliche
Entsorgungsunternehmen als Auftragnehmer der DSD dem Markt zuzurechnen
sind.
162. Bei der Marktanteilsberechnung wurde auf die Situation nach der Ausschreibung
2004, d.h. die zum 1.1.2005 beginnenden Verträge, abgestellt, um die reale
Marktstruktur zum Zeitpunkt des Zusammenschlusses zu erfassen. Marktanteile,
die auf Gemeinschaftsunternehmen der Zusammenschlussbeteiligten entfallen,
66
wurden diesen – gemäß ständiger Praxis bei Restmüll (siehe oben Ziff. 55) –
ebenfalls vollständig zugerechnet.
163. Die aktuelle Marktanteilsverteilung im Großraum Nordrhein-Westfalen sowie in
Nordrhein-Westfalen stellt sich wie folgt dar:
Unternehmen
Marktanteil Großraum Marktanteil NRW
NRW
Remondis
28,8%
35,6%
6,2%
11,0%
35,0%
46,6%
RWE Newco
4,9%
6,3%
Cleanaway
7,3%
2,0%
Schönmackers
5,9%
12,3%
Sita
4,9%
4,0%
4,9%
11,3%
RWE Umwelt
Summe
59
Reiling
Alle übrigen Wettbewerber haben Marktanteile von weniger als 4% im Großraum
NRW.
164. Bereits vor dem Zusammenschluss hält Remondis mit ca. 29% den mit Abstand
höchsten Marktanteil im Großraum Nordrhein-Westfalen; in Nordrhein-Westfalen
selbst
liegt
der
Marktanteil
bei
35,6%
und
damit
oberhalb
der
Einzelmarktbeherrschungsvermutung. Lediglich RWE Umwelt (gesamt) erreichte
noch Marktanteile in zweistelliger Höhe, alle übrigen Wettbewerber liegen unter
10% Marktanteil. Durch den Zusammenschluss würde der addierte Marktanteil
von Remondis und RWE Umwelt auf 35% anwachsen und liegt damit über der
Schwelle der Einzelmarktbeherrschungsvermutung (§ 19 Abs. 3 Satz 1 GWB). In
Nordrhein-Westfalen würde sich sogar ein addierter Marktanteil von 46,6%
ergeben. Der Marktanteilsabstand zu den nachfolgenden Wettbewerbern würde
ebenfalls deutlich größer. Gegenüber dem stärksten Wettbewerber, Cleanaway,
läge er bei fast 30%, bei allen anderen Wettbewerbern noch höher.
165. Remondis verfügte bereits vor dem Zusammenschluss über eines der dichtesten
Standortnetze im Großraum Nordrhein-Westfalen. Nach dem Zusammenschluss
würde Remondis mit Abstand das dichteste Netz von Logistikstandorten im
59
Reiling wurden hier alle Arbeitsgemeinschaften unter Beteiligung des Unternehmens voll
zugerechnet. Ohne Zurechnung der Arbeitsgemeinschaften liegt der Marktanteil von Reiling
unter 3% im Großraum Nordrhein-Westfalen und unter 5% in Nordrhein-Westfalen.
67
räumlich relevanten Markt haben. Das Vorhandensein solcher Standorte
erleichtert die Abgabe eines kostengünstigen Angebots für Sammel- und
Transport-Dienstleistungen,
da
die
bereits
vorhandenen
Mitarbeiter
und
Fahrzeuge auch für zusätzliche Aufträge eingesetzt werden können.
166. Jedenfalls
gegenüber
Wettbewerbern
wie
Schönmackers und Reiling hat Remondis
den
Familienunternehmen
auch überlegene finanzielle
Ressourcen. Die Wettbewerber Cleanaway und Sita haben jeweils finanzstarke
Muttergesellschaften. Allerdings handelt es sich dabei mit der Brambles- und der
Suez-Gruppe um Unternehmen, deren unternehmerischer Schwerpunkt im
Ausland und auf anderen sachlichen Märkten liegt, so dass sie ihre Ressourcen
nur zu einem geringen Teil ihren jeweiligen deutschen Tochtergesellschaften im
Entsorgungsgeschäft zugute kommen lassen, während die Remondis-Gruppe
sich schwerpunktmäßig auf Entsorgungsdienstleistungen und auf Deutschland
konzentriert.
167. Remondis und RWE Umwelt verfügen darüber hinaus auch über sehr starke
Stellungen
auf
dem
Markt
für
die
Aufbereitung
von
Glas,
wo
der
Zusammenschluss nach den Ermittlungen der Beschlussabteilung ebenfalls zur
Entstehung oder Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung führen würde
(siehe nachfolgend Ziff. 181ff.). Dies verstärkt auch ihre Position auf dem Markt
für Sammlung und Transport von Altglas, da Remondis/RWE Umwelt die
Möglichkeit haben, bereits bei der Kalkulation ihrer Angebote für bestimmte
Sammelgebiete günstige Transportentfernungen zu ihren Aufbereitungsanlagen
einzukalkulieren. Zwar entscheidet zur Zeit in der Praxis noch die Gesellschaft
für Glasrecycling und Abfallvermeidung mbH ("GGA") über die Organisation der
Aufbereitung und die Verteilung der Glasmengen. Ein Unternehmen, das über
starke Marktstellungen sowohl bei Sammlung und Transport als auch bei der
Glasaufbereitung verfügt, kann jedoch gegenüber der GGA wesentlich besser
seine Interessen hinsichtlich der Zuordnung bestimmter gesammelter Mengen zu
bestimmten Aufbereitungsanlagen durchsetzen als ein Unternehmen, das über
diesen Vorteil nicht verfügt. Die größeren Wettbewerber für Sammlung und
Transport von Glas im Großraum Nordrhein-Westfalen haben entweder gar
keine Glasaufbereitungsanlagen (Sita, Schönmackers, Cleanaway60) oder
60
Cleanaway ist zusammen mit Remondis an der Aufbereitungsanlage RSR Großräschen
beteiligt. Diese liegt jedoch im südöstlichen Brandenburg und kommt damit für Glasmengen aus
dem Großraum Nordrhein-Westfalen realistischerweise nicht in Frage.
68
deutlich
geringere
Aufbereitungskapazitäten
als
Remondis/RWE
Umwelt
(Reiling, Tönsmeier).
168. Die zwischen Remondis/RWE Umwelt und mehreren der nachfolgenden
Wettbewerbern bestehenden Verflechtungen würden ebenfalls zur überragenden
Marktstellung der Zusammenschlussbeteiligten beitragen, da sie die Wettbewerbsintensität dämpfen. Remondis hat Gemeinschaftsunternehmen mit den
Wettbewerbern auf dem Sammelmarkt Cleanaway (Aufbereitungsanlage RSR
Großräschen) und Reiling (Aufbereitungsanlage RGR Lünen), die jeweils den
nachgelagerten Markt der Glasaufbereitung betreffen. Mit Cleanaway bestehen
weitere
Verflechtungen
Beteiligungen
an
auf
der
benachbarten
Märkten,
Entsorgungsgesellschaft
z.B.
Soest
gemeinsame
und
der
KR
Wertstoffaufbereitungsgesellschaft, Bremen. RWE Umwelt hat mehrere Gemeinschaftsunternehmen mit Cleanaway in den neuen Bundesländern, 3 Gemeinschaftsunternehmen mit Sita in Nordrhein-Westfalen und Hessen sowie eine
Arbeitsgemeinschaft mit Tönsmeier in Sachsen-Anhalt.
169. Der hohe addierte Marktanteil von Remondis/RWE Umwelt, der sehr hohe
Marktanteilsabstand zum nächstfolgenden Wettbewerber, unterstützt durch ihre
starken Ressourcen, die hohen Marktanteile auch auf dem nachgelagerten Markt
der Glasaufbereitung sowie bestehende Verflechtungen mit Wettbewerbern, die
die Wettbewerbsintensität dämpfen, würden dazu führen, dass durch den
Zusammenschluss eine marktbeherrschende Stellung von Remondis/RWE
Umwelt auf dem Markt für Sammlung und Transport von Altglas im Großraum
Nordrhein-Westfalen entsteht.
170. Zur Beseitigung der Wettbewerbsprobleme hat Remondis angeboten, eigene
Glassammelverträge im Großraum Nordrhein-Westfalen im Umfang von 2,78
Mio. Einwohner an Dritte zu veräußern, während Verträge im Umfang von 2,13
Mio. Einwohnern dauerhaft von RWE Umwelt erworben werden sollen. Die
RWE-Umwelt-Verträge
in
Bergisch-Gladbach
und
Kreis
Südwestpfalz
(zusammen 211.000 Einwohner) sollen sofort nach Übernahme ebenfalls
weiterveräußert werden. Im Einzelnen will Remondis im Großraum NordrheinWestfalen von RWE Umwelt die Glassammelverträge in Bonn, Köln, Erftkreis,
Stadt Brühl (alle NRW), Kreis Bitburg-Prüm, Rhein-Hunsrück-Kreis, Stadt
Speyer, Stadt Pirmasens, Kreis Bernkastel-Wittlich und Stadt Zweibrücken (alle
Rheinland-Pfalz)
dauerhaft
übernehmen.
Folgende
Sammelverträge
von
Remondis sowie die beiden oben genannten RWE Umwelt-Verträge sollen
69
veräußert werden, jeweils inklusive der notwendigen Infrastruktur wie Container
und Fahrzeuge: Stadt Wiesbaden, Rheingau-Taunus-Kreis, Werra-MeißnerKreis, Kreis Hersfeld-Rotenburg (Hessen), Stadt Dortmund, Kreis Paderborn,
Stadt Krefeld, Kreis Steinfurt, Kreis Neuss (alle NRW), Kreis Ludwigshafen (neu:
Rhein-Pfalz-Kreis, Rheinland-Pfalz).
7.3.2. Übrige Bundesländer
171. Der Zusammenschluss wird nach den Ermittlungen der Beschlussabteilung in
keinem der übrigen Bundesländer – die wahrscheinlich zu größeren regionalen
Märkten zusammenzufassen wären – zur Entstehung oder Verstärkung einer
marktbeherrschenden Stellung führen.
172. In den neuen Bundesländern inklusive Berlin übernimmt Remondis nach den
Feststellungen der Beschlussabteilung keine Verträge für Sammlung und
Transport von Altglas. Remondis hält nach dem Zusammenschluss Marktanteile
in Höhe von ca. 13%. Cleanaway (ca. 12%), RWE Newco (ca. 9%) und Alba (ca.
8%) folgen mit relativ geringem Abstand. Alle übrigen Wettbewerber haben
Marktanteile unter 5%. Der Markt ist damit nicht so konzentriert, dass die
Oligopolvermutungen des § 19 Abs. 3 GWB erfüllt sind. Auch bezogen auf die
einzelnen Bundesländer kommt es jeweils nicht zu Marktanteilsadditionen. Der
Marktanteil von Remondis liegt zwischen ca. 3% (Sachsen) und ca. 31%
(Brandenburg).
173. In Schleswig-Holstein ist nur RWE Umwelt, in Hamburg nur Remondis bei
Sammlung und Transport von Altglas tätig. Auf das einzelne Bundesland
bezogen kommt es damit jeweils nicht zu Marktanteilsadditionen. Fasst man
Schleswig-Holstein und Hamburg zu einem einheitlichen Markt zusammen,
erzielt Remondis einen Marktanteil von ca. 17%, RWE Umwelt ca. 13%,
zusammen erreichen sie also ca. 30%. Stärkste nachfolgende Wettbewerber
sind Karl Meyer Umweltdienste, Wischhafen, mit ca. 27% und Cleanaway mit ca.
9% Marktanteil. Die Entstehung einer einzelmarktbeherrschenden Stellung ist
angesichts dieser Marktstruktur nicht zu erwarten; der Marktanteil von
Remondis/RWE
Umwelt
liegt
unterhalb
der
Schwelle
der
Marktbeherrschungsvermutung, der Marktanteilsabstand zum nächstfolgenden
Wettbewerber ist gering. Remondis/RWE Umwelt und Karl Meyer Umweltdienste
erfüllen allerdings die Oligopolvermutung des § 19 Abs. 3 Nr. 1 GWB. Obwohl
die Marktanteile der beiden Oligopolisten relativ symmetrisch sind, ist dennoch
70
auch die Entstehung eines marktbeherrschenden Oligopols nicht zu erwarten, da
die übrigen Strukturfaktoren die Oligopolvermutung nicht stützen. Karl Meyer
Umweltdienste ist ein im wesentlichen auf Schleswig-Holstein konzentriertes
Familienunternehmen. Es verfügt über erheblich weniger finanzielle und sonstige
Ressourcen als Remondis/RWE Umwelt und hat eine stark abweichende
unternehmerische Ausrichtung. Zudem ist zu berücksichtigen, dass der
räumliche Markt mit Schleswig-Holstein und Hamburg wahrscheinlich zu eng
abgegrenzt wäre, denn für die beiden Ausschreibungsgebiete in Hamburg haben
sich jeweils auch Unternehmen aus Niedersachsen beworben. Würde man
Niedersachsen ganz oder teilweise in den relevanten Markt miteinbeziehen,
würde der Marktanteil von Remondis/RWE Umwelt leicht und der von Karl Meyer
Umweltdienste stark absinken.
174. Zu Überschneidungen der Tätigkeiten von Remondis und RWE Umwelt kommt
es außerhalb des Großraums Nordrhein-Westfalen nur noch in BadenWürttemberg und Bayern, wo Remondis jeweils die vollständigen Aktivitäten von
RWE Umwelt übernimmt und auch selbst bereits tätig ist. Der addierte
Marktanteil von Remondis/RWE Umwelt liegt in Baden-Württemberg bei ca. 22%
und in Bayern bei ca. 20%. In Baden-Württemberg ist U-Plus mit vergleichbaren
Marktanteilen vertreten, danach folgen Sita mit ca. 16% sowie Cleanaway und
eine Reihe mittelständischer Wettbewerber. In Bayern werden Remondis/RWE
nach dem Zusammenschluss Marktführer. Nachfolgenden Wettbewerber sind
Altvater und Cleanaway (Marktanteile jeweils <10%). Noch stärker als in BadenWürttemberg sind in Bayern zahlreiche mittelständische Wettbewerber mit
vergleichbaren Marktanteilen vertreten. Fasst man auch hier die beiden
Bundesländer zu einer größeren Region zusammen, läge der gemeinsame
Marktanteil von Remondis und RWE Umwelt bei knapp 21%, nachfolgende
Wettbewerber sind Sita, U-Plus, Altvater und Cleanaway mit Marktanteilen von
jeweils höchstens 10%. Angesichts dieser Marktstruktur ist nicht zu erwarten,
dass der Zusammenschluss zur Entstehung einer marktbeherrschenden Stellung
für Sammlung und Transport von Altglas in Baden-Württemberg/Bayern führt.
8. Aufbereitung von Altglas
175. Sowohl Remondis als auch RWE Umwelt sind im Bereich der Glasaufbereitung
tätig. Remondis hat Glasaufbereitungsanlagen in Hamburg, Hannover, Essen
und
Koblenz
und
ist
an
den
Aufbereitungsanlagen
GRP
Bennstedt
(Gemeinschaftsunternehmen mit RWE Umwelt, Anteile jeweils 50%), RSR
71
Großräschen (Gemeinschaftsunternehmen mit Cleanaway, Remondis- Anteil
>50%) und RGR Lünen (Gemeinschaftsunternehmen mit Reiling, RemondisAnteil <50%) beteiligt. RWE Umwelt verfügt über Glasaufbereitungsanlagen in
Dormagen-Nievenheim, Worms, Germersheim und Neuburg und ist mit 50% an
der GRP Bennstedt beteiligt. Der Zusammenschluss würde zur Entstehung einer
marktbeherrschenden Stellung für die Aufbereitung von Altglas in Deutschland
führen und kann deshalb nur unter Auflagen für den Markt der Glasaufbereitung
(siehe Tenor I.A.1.3.) freigegeben werden.
8.1. Sachliche Marktabgrenzung
176. Die Aufbereitung von Altglas ist eine eigenständige Dienstleistung, für die
spezielle Glasaufbereitungsanlagen benötigt werden. Das Altglas wird darin vor
allem von Fremd- und Schadstoffen (Keramik, Steine, Porzellan, Metalle und
Papier) befreit. Die Aufbereitung erfolgt weitgehend vollautomatisch, wobei
Metallscheider, Siebe, Windsichter und optoelektrische Sortieranlagen zum
Erkennen und Aussortieren von mineralischen Fremdstoffen sowie zur farblichen
Nachsortierung der Glasscherben eingesetzt werden.
177. Auftraggeber für die Aufbereitung von Altglas sind die Glashütten. Diese kaufen
zur Zeit in aller Regel gesammeltes Altglas bei der Gesellschaft für Glasrecycling
und Abfallvermeidung mbH ("GGA"), einem Gemeinschaftsunternehmen der
Glashütten. Die GGA übernimmt auch die Transportkosten vom Sammler bis zur
Aufbereitungsanlage sowie von der Aufbereitungsanlage bis zur Hütte. Dabei
versucht sie, unwirtschaftliche Transportrelationen zu vermeiden, was zu einer
gewissen Steuerung von Glasmengen zu bestimmten Aufbereitungsanlagen
führt. Insbesondere Aufbereitungsanlagen, die nahe an Glashütten gelegen sind,
haben Standortvorteile. Betreiber von Glasaufbereitungsanlagen sind einerseits
Entsorgungsunternehmen, andererseits Glashütten.
178. Der Markt für die Aufbereitung von Altglas könnte noch in die Bereiche
Aufbereitung von Hohlglas und Aufbereitung von Flachglas aufzuteilen sein.
Nach den Erkenntnissen der Beschlussabteilung werden Hohl- und Flachglas
nicht in der gleichen Aufbereitungsanlage behandelt. Auch die Beschaffung des
aufzubereitenden Altglases erfolgt auf unterschiedliche Weise (Hohlglas im
wesentlichen durch Sammlung beim Verbraucher, Flachglas aus Gewerbeabfall).
Die aufbereiteten Scherben sind qualitativ nicht vollständig substituierbar. Die
Hohlglasindustrie setzt Flachglasscherben in erster Linie zur Farbverbesserung
72
ein. Flachglasscherben sind teurer als Hohlglasscherben, so dass sie auch aus
ökonomischen Gründen nur dann für die Hohlglasproduktion eingesetzt werden,
wenn sie wegen ihrer besonderen Eigenschaften benötigt werden. Hohlglasscherben können für die Flachglasproduktion nicht eingesetzt werden.
Hohlglas macht den weitaus größten Teil des aufbereiteten Altglases aus (ca.
90%). Letztlich kann die Frage, ob Flachglas in den Markt der Glasaufbereitung
einzubeziehen ist, jedoch offen bleiben, da der Zusammenschluss selbst dann
zu Wettbewerbsproblemen führt, wenn Flachglas zugunsten der Zusammenschlussbeteiligten im Marktvolumen berücksichtigt wird.
179. Wie bereits oben unter Ziff. 151 dargelegt, gehören Glasaufbereitung und
Sammlung und Transport von Altglas unterschiedlichen sachliche Märkten an.
8.2. Räumliche Marktabgrenzung
180. Altglas ist transportkostensensitiv, so dass Glasaufbereitungsanlagen jeweils
einen bestimmten Einzugsbereich haben. Die Beschlussabteilung hat alle
Glasaufbereitungsanlagen in Deutschland befragt und dabei festgestellt, dass
der durchschnittliche Einzugsbereich für ca. 75% des aufbereiteten Glases bei
gut
120km
liegt.
Das
maximale
Einzugsgebiet
der
Anlagen
ist
mit
durchschnittlich 328km allerdings weitaus größer. Die Glasaufbereitungsanlagen
der Zusammenschlussbeteiligten sind über das Gebiet der Bundesrepublik
verteilt, wenn auch mit einem gewissen Schwerpunkt im Westen Deutschlands
(Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz). Die Einzugsgebiete der Anlagen von
Remondis
und
RWE
Umwelt
überschneiden
sich
großräumig.
Die
Beschlussabteilung geht deshalb zugunsten der Zusammenschlussbeteiligten
von einem bundesweiten Markt aus. Bei der wettbewerblichen Beurteilung
werden jedoch – soweit nach Einschätzung der Beschlussabteilung notwendig –
auch regionale Besonderheiten berücksichtigt.
8.3. Entstehung oder Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung
181. Der Zusammenschluss würde in seiner angemeldeten Form zur Entstehung
einer marktbeherrschenden Stellung auf dem Markt der Aufbereitung von Altglas
in der Bundesrepublik Deutschland führen. Die Zusammenschlussbeteiligten
haben deshalb vorgeschlagen, bestimmte Beteiligungen an Aufbereitungsanlagen von Remondis sowie Aufbereitungsanlagen von RWE Umwelt zu
veräußern.
73
182. Die Ermittlungen der Beschlussabteilung haben ergeben, dass neben Remondis
mit insgesamt 7 Glasaufbereitungsanlagen (davon 3 als jeweils von Remondis
mitkontrollierte
Gemeinschaftsunternehmen)
und
RWE
Umwelt
mit
5
Glasaufbereitungsanlagen (davon 2 als von RWE Umwelt mitkontrollierte
Gemeinschaftsunternehmen) in Deutschland 14 weitere Unternehmen insgesamt
18 Glasaufbereitungsanlagen betreiben, davon 3 in Form von Gemeinschaftsunternehmen mit den Zusammenschlussbeteiligten. 5 dieser Anlagen
gehören ganz oder teilweise Unternehmen, die mit Glashütten konzernverbunden sind. Für die Bemessung der Marktanteile stellt die Beschlussabteilung
auf den Anlagendurchsatz ab. Vom Gesamtdurchsatz abzuziehen ist dabei der
Eigendurchsatz, d.h. der Teil des Durchsatzes, den die Aufbereitungsanlage an
konzernverbundene Glashütten liefert. In das Marktvolumen einbezogen wurden
dagegen Durchsätze, die ausländische Aufbereitungsanlagen mit Altglas aus
Deutschland erzielten. Die auf gemeinsam kontrollierte Gemeinschaftsunternehmen mit Dritten entfallenden Marktanteile rechnet die Beschlussabteilung den Zusammenschlussbeteiligten entsprechend früherer Praxis vollständig zu; zur Verdeutlichung werden die anteilig auf die GU-Partner entfallenden Marktanteile jedoch separat ausgewiesen. Die Marktanteile der
Aufbereitungsanlage
GRP
Bennstedt
(Gemeinschaftsunternehmen
von
Remondis und RWE Umwelt) wurden Remondis und RWE Umwelt jeweils zur
Hälfte zugerechnet.
183. Der Gesamtdurchsatz aller Aufbereitungsanlagen lag 2003 bei ca. 3,32 Mio. t.
Das Marktvolumen ohne Eigendurchsätze lag bei 2,44 Mio. t. Die Marktanteile
verteilen sich wie folgt:
Unternehmen
Marktanteil
Remondis
22-27%
GU-Partner (außer RWE Umwelt)
3-8%
Summe Remondis + GU-Partner
27-32%
RWE Umwelt
20-25%
Summe Remondis + RWE
50-55%
Reiling
10-20%
Alba
5-15%
Tönsmeier
<10%
alle übrigen Wettbewerber
<5%
74
184. Bereits vor dem Zusammenschluss ist Remondis Marktführer für die
Aufbereitung von Glas mit einem Marktanteil, der nahe an die Vermutung der
Einzelmarktbeherrschung des § 19 Abs. 3 GWB heranreicht. Nach dem
Zusammenschluss
würden
Remondis/RWE
Umwelt
die
Schwelle
der
Einzelmarktbeherrschungsvermutung deutlich überschreiten. Zum nächstfolgenden Wettbewerber, dem mittelständischen Unternehmen Reiling, bestünde
ein Marktanteilsabstand von fast 40%. Lediglich Alba erreicht noch Marktanteile
deutlich über 5%. Alle übrigen Wettbewerber haben Marktanteile unter 10%,
größtenteils unter 5%.
185. Remondis wäre nach dem Zusammenschluss das einzige Unternehmen, das
bundesweit flächendeckend Glasaufbereitungsleistungen anbieten könnte. In der
Nordhälfte Deutschlands ist Remondis bereits vor dem Zusammenschluss sehr
breit vertreten. Durch die geplante Übernahme der Aufbereitungsanlagen von
RWE Umwelt könnte die Präsenz im Süden deutlich verbessert werden. Eine der
RWE Umwelt-Anlagen liegt in Neuburg/Bayern, wo Remondis bislang nicht
vertreten ist61. Zwei weitere Anlagen der RWE Umwelt liegen in Worms und
Germersheim im südlichen Rheinland-Pfalz mit einem Einzugsbereich, der weit
nach Baden-Württemberg hereinreicht. Auch hier war Remondis bislang nur
schwach vertreten; die südlichste Remondis-Aufbereitungsanlage liegt in
Koblenz (nördliches Rheinland-Pfalz). Die Wettbewerber dagegen sind jeweils
regional konzentriert. Reiling hat seine Anlagen im nördlichen NordrheinWestfalen. Alba hat nur eine Anlage in Brandenburg. Das Unternehmen GRL
Leeseringen hat seine Anlage in Niedersachsen und ist an einer weiteren Anlage
in Schleswig-Holstein beteiligt. Weitere Wettbewerber sind jeweils mit einer
Anlage in Nordbayern und dem südlichen Baden-Württemberg tätig.
186. Jedenfalls gegenüber den Wettbewerbern aus der Entsorgungsbranche – im
wesentlichen Reiling, Alba und Tönsmeier – verfügt Remondis auch über
überlegene Finanzkraft. Reiling ist ein mittelständisches Familienunternehmen
mit Gesamtumsätzen deutlich unter 100 Mio. €. Alba und Tönsmeier zählen zwar
bereits zu den größeren Entsorgungsunternehmen; auch diesen beiden
Unternehmensgruppen liegt der Umsatz jedoch deutlich unter dem von
61
Der Beschlussabteilung wurde mitgeteilt, dass die in den Karten der GGA noch
eingezeichnete zu Rethmann gehörende Anlage Rhenus Nürnberg kein Glas aufbereitet,
sondern lediglich Abfallstoffe aus der Glasaufbereitung behandelt. Auch die GGA weist für
Rhenus Nürnberg keine aufbereiteten Mengen nach.
75
Remondis (jeweils <300 Mio. €). Cleanaway betrachtet die Beschlussabteilung
nur beschränkt als Wettbewerber, da das Unternehmen die Aufbereitungsanlage
RSR Großräschen als Gemeinschaftsunternehmen mit Remondis betreibt und
an keinen weiteren Aufbereitungsanlagen beteiligt ist. Wettbewerber, die ganz
oder teilweise zu Glashütten gehören, haben zwar finanzkräftige Muttergesellschaften. Deren wettbewerbliche Interessenlage ist jedoch in der Regel
anders ausgerichtet als die von entsorgereigenen Aufbereitungsanlagen und in
erster Linie an der Glasaufbereitung für den Eigenbedarf interessiert.
187. Remondis und RWE Umwelt haben zudem auch auf dem vorgelagerten Markt
der Sammlung und des Transports von Glas sehr starke Stellungen. Im
Großraum Nordrhein-Westfalen würde der Zusammenschluss auf diesem Markt
ohne die verhängten Auflagenzur Entstehung einer marktbeherrschenden
Stellung führen (siehe oben Ziff. 159ff.). Dies würde auch ihre Position auf dem
Markt der Glasaufbereitung verstärken. Ein Unternehmen, das über große
Sammelmengen
an
Glas
und
zugleich
ein
umfassendes
Netz
an
Aufbereitungsanlagen verfügt, kann nämlich auch gegenüber der GGA, die zur
Zeit noch maßgeblich (mit-)bestimmt, welchen Weg das gesammelte Glas
nimmt, wesentlich besser seine Interessen hinsichtlich der Zuordnung von
gesammelten
Mengen
zu
Aufbereitungsanlagen
durchsetzen
als
ein
Glasaufbereiter, der über diesen Vorteil nicht verfügt. Da auf dem Markt für
Glasaufbereitung
Überkapazitäten
vorliegen
(Gesamtkapazität
aller
Aufbereitungsanlagen ca. 4,5 Mio. t, Gesamtdurchsatz ca. 3,3 Mio. t), ermöglicht
dieser Vorteil eine bessere Kapazitätsauslastung der eigenen Anlagen. Dies ist
bei Remondis und RWE Umwelt bereits vor dem Zusammenschluss zu
beobachten. Die durchschnittliche Auslastung der Remondis- und RWE UmweltAnlagen lag 2003 deutlich über der durchschnittliche Auslastung der Anlagen der
Wettbewerber. Es ist zu erwarten, dass dieser Vorteil, der zu einer günstigeren
Kostenstruktur führt, sich durch den Zusammenschluss noch verstärkt.
188. Schließlich bestehen zwischen Remondis/RWE Umwelt und mehreren der
nachfolgenden Wettbewerber Verflechtungen, die ebenfalls die Marktposition der
Zusammenschlussbeteiligten stärken, da sie die Wettbewerbsintensität dämpfen.
Remondis betreibt eine Glasaufbereitungsanlage als Gemeinschaftsunternehmen mit dem marktanteilsstärksten Wettbewerber Reiling. Eine weitere
Anlage wird als Gemeinschaftsunternehmen mit Cleanaway betrieben, dem
bundesweit nach den Zusammenschlussbeteiligten zweitstärksten Wettbewerber
76
auf dem Markt für Sammlung und Transport von Glas, der damit potenziell auch
ein starker Wettbewerber im Bereich der Glasaufbereitung sein könnte. RWE
Umwelt betreibt eine Aufbereitungsanlage als Gemeinschaftsunternehmen mit
dem Glashersteller Heye. Dadurch bestehen für diese Anlage besonders
gesicherte Absatzwege.
189. Der sehr hohe addierte Marktanteil, der ebenfalls sehr hohe Marktanteilsabstand
zum nächstfolgenden Wettbewerber, die überlegenen Ressourcen der Zusammenschlussbeteiligten, die hohen Marktanteile auch auf dem vorgelagerten
Markt für Sammlung und Transport von Glas, die sich schon jetzt u.a. in der
besonders guten Kapazitätsauslastung niederschlagen, sowie die bestehenden
Verflechtungen mit Wettbewerbern würden zur Entstehung einer marktbeherrschenden Stellung auf dem bundesweiten Markt für die Aufbereitung von Altglas
durch den Zusammenschluss führen.
190. Um den Bedenken der Beschlussabteilung Rechnung zu tragen, hat Remondis
vorgeschlagen, von RWE Umwelt nur die Anteile an dem zwischen Remondis
und RWE Umwelt bestehenden gemeinsam beherrschten Gemeinschaftsunternehmen in Bennstedt (Marktanteil insgesamt 2-7%) sowie die Anteile der
RWE Umwelt an dem Gemeinschaftsunternehmen mit Heye Glas in
Germersheim (Marktanteil <5%) zu übernehmen. Die übrigen Glasaufbereitungsanlagen von RWE Umwelt sollen nach Vollzug des Zusammenschlusses
weiterveräußert werden. Damit würde sich insgesamt ein Marktanteilszuwachs
von <5% ergeben, wenn man berücksichtigt, dass der Marktanteil der Anlage
Bennstedt Remondis bereits vor dem Zusammenschluss zur Hälfte zuzurechnen
war. Zur Kompensation dieses Marktanteilszuwachses sollen die Anteile von
Remondis an den Gemeinschaftsunternehmen in Lünen mit Reiling und
Großräschen mit Cleanaway (Marktanteil dieser beiden Anlagen insgesamt 510%, wovon 3-8% rechnerisch auf die GU-Partner entfallen) veräußert werden.
9. Sammlung und Transport von Leichtverpackungen (LVP)
191. RWE Umwelt ist in allen Bundesländern außer Hamburg, Bremen, Berlin,
Hessen und Saarland bei Sammlung und Transport von Leichtverpackungen
("LVP") tätig. Die entsprechenden Aktivitäten in Mecklenburg-Vorpommern und
Sachsen-Anhalt werden von Remondis nicht, die Aktivitäten in NordrheinWestfalen, Brandenburg, Sachsen und Thüringen werden nur teilweise
übernommen. Remondis selbst hält Sammelverträge für LVP in allen
77
Bundesländern außer Schleswig-Holstein, Hamburg, Bremen, Berlin, RheinlandPfalz, Saarland und Baden-Württemberg. Der Zusammenschluss wird in keinem
der betroffenen räumlichen Märkte für Sammlung und Transport von LVP zur
Entstehung oder Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung führen.
9.1. Sachliche Marktabgrenzung
192. LVP sind Verpackungsabfälle, die unter die Verpackungsverordnung fallen.
Gemäß § 6 VerpackV sind die Hersteller und Vertreiber zur unentgeltlichen
Rücknahme von Verkaufsverpackungen verpflichtet. Die meisten Hersteller und
Vertreiber haben sich dualen Systemen gemäß § 6 Abs. 3 VerpackV
angeschlossen, die für sie die Verpflichtungen aus der Verpackungsverordnung
erfüllen. Die Aufträge für Sammlung und Transport von LVP werden deshalb von
diesen dualen Systemen vergeben. Die DSD, das bei weitem führende duale
System, hat 2003 und 2004 die Leistungsverträge für LVP neu ausgeschrieben.
In der Ausschreibung 2003 wurden dabei Sammlung/Transport und Sortierung
noch – wie es bis dahin Praxis war – zusammen ausgeschrieben. 2004 wurden
dann getrennte Ausschreibungen für Sammlung und Transport von LVP
einerseits und Sortierung von LVP andererseits durchgeführt. Die übrigen zur
Zeit zugelassenen dualen Systeme erfüllen ihre Verpflichtungen durch
Mitbenutzung der Wertstofftonnen. Sammlung und Transport von LVP werden
durch Lizenzentgelte finanziert, die die Systembeteiligten für jede lizensierte
Verpackung an das jeweilige duale System zahlen und beim Verkauf auf den
Endverkaufspreis umlegen.
193. Die mit der Sammlung und dem Transport von LVP beauftragten Unternehmen
haben für die Gestellung der Sammelbehälter zu sorgen und müssen die Abfälle
in einem festen Turnus mit geeigneten Sammelfahrzeugen und –personal im
Vertragsgebiet bei allen Anfallstellen (Haushalten) abholen. Die Verpackungen
sind bis zu einem Umschlagplatz oder direkt zur Sortieranlage zu transportieren.
194. Sammlung und Transport von LVP und Sammlung und Transport von Restmüll
und anderem Siedlungsabfall gehören nicht dem gleichen sachlichen Markt an,
obwohl die Dienstleistung und die notwendige Infrastruktur sich sehr ähnlich sind
(siehe oben Ziff. 22ff.). Auch Sammlung und Transport von Altglas gehört – trotz
identischem Auftraggeber – nicht dem gleichen sachlichen Markt an wie
Sammlung und Transport von LVP (siehe oben Ziff. 149).
78
195. Sammlung/Transport und Sortierung von LVP sind schon von der Art her
unterschiedliche Dienstleistungen, die unterschiedliche Infrastruktur erfordern
(Fahrzeuge und Personal bei Sammlung und Transport, Sortieranlage bei
Sortierung). Zudem werden diese Dienstleistungen nach neuer Praxis auch
getrennt ausgeschrieben. Obwohl zur Zeit noch DSD-Verträge aus der letzten
gemeinsamen Ausschreibung für Sammlung/Transport und Sortierung laufen,
geht die Beschlussabteilung deshalb davon aus, dass Sammlung und Transport
von LVP einen von der Sortierung von LVP zu trennenden eigenständigen
sachlichen Markt darstellt.
9.2. Räumliche Marktabgrenzung
196. Die deutlich unterschiedliche Marktanteilsverteilung in verschiedenen Regionen
sprechen dafür, dass auch bei Sammlung und Transport von LVP, wie bei allen
anderen Sammelmärkten (siehe oben Ziff. 27ff., 85ff., 152ff.) nicht von einem
bundesweiten Markt auszugehen ist. Eine genaue räumliche Marktabgrenzung
erübrigt sich jedoch, da sich selbst bei Zugrundelegung der engstmöglichen
räumlichen Märkte – einzelne Bundesländer – keine Wettbewerbsprobleme
ergeben.
9.3. Entstehung oder Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung
197. Auch für Sammlung und Transport von LVP werden die Marktanteile, gemäß
ständiger Praxis der Beschlussabteilung in anderen Sammelmärkten, auf
Einwohnerbasis berechnet. Es wird auf die Situation nach der Ausschreibung
2004, d.h. die zum 1.1.2005 beginnenden Verträge, abgestellt, um die reale
Marktstruktur zum Zeitpunkt des Zusammenschlusses zu erfassen. Marktanteile,
die auf Gemeinschaftsunternehmen der Zusammenschlussbeteiligten entfallen,
wurden
diesen
nach
Arbeitsgemeinschaften
ständiger
wurden
Praxis
ihnen
vollständig
ohne
zugerechnet.
Einzelfallprüfung
Auch
vollständig
62
zugerechnet .
198. Den höchsten addierten Marktanteil erreichen Remondis und RWE Umwelt mit
ca. 31% in Nordrhein-Westfalen. Nächstfolgende Wettbewerber sind Cleanaway
62
Bei reinen Kopf-Argen, in denen die Partner jeweils Teilbereiche völlig selbständig
abarbeiten, würde normalerweise eine anteilige Zurechnung zu den Arge-Partnern erfolgen. Für
die (wenigen) DSD-Arbeitsgemeinschaften, an denen Remondis und RWE Umwelt beteiligt
sind, lagen die Auftragsquoten und Vertragsgestaltungen nicht im Einzelnen vor. Da selbst bei
Vollzurechnung keine Wettbewerbsprobleme entstehen, wurde davon abgesehen, dies im
Einzelnen aufzuklären.
79
(15-16%), Schönmackers (ca. 10%) und Altvater (ca. 8%). Der Marktanteil der
Zusammenschlussbeteiligten ist zwar ca. doppelt so hoch wie der des
nächstfolgenden
Wettbewerbers.
Marktbeherrschungsvermutung.
bundesweit
tätige
und
Er
Mit
liegt
jedoch
Cleanaway
finanzstarke
noch
und
Unternehmen
unterhalb
Altvater
unter
sind
den
der
zwei
stärksten
Wettbewerbern. Auch Schönmackers gehört zu den größeren Entsorgungsunternehmen und konzentriert seine Aktivitäten auf Nordrhein-Westfalen.
Die Entstehung einer einzelmarktbeherrschenden Stellung ist angesichts dieser
Marktstruktur nicht zu erwarten. Angesichts der erheblichen Marktanteilsabstände zwischen Remondis/RWE Umwelt, Cleanaway und Schönmackers und
dem nur geringen Abstand zum nachfolgenden Wettbewerber Altvater ist auch
nicht zu erwarten, dass der Zusammenschluss zur Entstehung eines marktbeherrschenden Oligopols führt.
199. In den an Nordrhein-Westfalen angrenzenden Bundesländern liegen die Marktanteile von Remondis/RWE Umwelt deutlich niedriger (gut 5% in Niedersachsen,
ca. 11% in Hessen und ca. 4% in Rheinland-Pfalz, wobei es nur in
Niedersachsen zu Marktanteilsadditionen kommt). Bei diesen Marktanteilshöhen
kann ebenfalls ausgeschlossen werden, dass der Zusammenschluss zur
Entstehung oder Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung führt.
Gleiches gilt für Schleswig-Holstein, wo zwar RWE Umwelt einen deutlich
höheren Marktanteil von ca. 29% hält. Es kommt hier jedoch nicht zu
Marktanteilsadditionen, da Remondis bislang in Schleswig-Holstein noch nicht
tätig war.
200. In den neuen Bundesländern liegen die addierten Marktanteile der Zusammenschlussbeteiligten bei ca. 23% (Brandenburg), ca. 12% (Sachsen) und ca. 22%
(Thüringen). In Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt kommt es jeweils
nicht zu Marktanteilsadditionen, da Remondis die Aktivitäten von RWE Umwelt
hier nicht übernimmt; die Marktanteile von Remondis liegen in beiden Ländern
unter 10%. Die Entstehung von einzelmarktbeherrschenden Stellungen ist für
keines der neuen Bundesländer zu erwarten; die Marktanteile der Zusammenschlussbeteiligten
liegen
überall
deutlich
unterhalb
der
Marktbeherr-
schungsvermutung, und es ist jeweils mindestens ein Wettbewerber mit
vergleichbar hohen oder höheren Marktanteilen vorhanden. Soweit Oligopolsituationen vorliegen, kommt es jedenfalls nicht zur Verstärkung eines
80
marktbeherrschenden Oligopols, da dem Oligopol keine Marktanteile von außen
zuwachsen, sondern nur ein Austausch zwischen Oligopolisten stattfindet.
201. In Bayern liegt der addierte Marktanteil der Zusammenschlussbeteiligten bei 1617%. Sie sind damit Marktführer vor Altvater und Städtereinigung Rudolf Ernst
(jeweils ca. 5% Marktanteil). Die übrigen Marktanteile – jeweils kleiner 5% entfallen auf Cleanaway, Sita und zahlreiche mittelständische Wettbewerber aus
der Region. Auch hier ist nicht zu erwarten, dass der Zusammenschluss zur
Entstehung einer marktbeherrschenden Stellung führt. Gleiches gilt für BadenWürttemberg, wo es nicht zu Marktanteilsadditionen kommt; RWE Umwelt hält
hier einen Marktanteil von ca. 12%.
202. Im Saarland, in Bremen, in Hamburg und in Berlin sind jeweils weder RWE
Umwelt noch Remondis tätig.
10. Sortierung von Leichtverpackungen (LVP)
203. RWE Umwelt hält in den Bundesländern Schleswig-Holstein, Niedersachsen,
Nordrhein-Westfalen, Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Sachsen-Anhalt,
Sachsen, Thüringen, Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und Bayern Aufträge
für die Sortierung von LVP. Die Aktivitäten in Niedersachsen und SachsenAnhalt werden von Remondis jedoch nicht, die in Nordrhein-Westfalen,
Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Sachsen und Thüringen nur teilweise
übernommen. Remondis erwirbt im Einzelnen die Sortieranlagen Schleswig
(SWH), Ginsheim-Gustavsburg (HE), Essen, Troisdorf, Duisburg (NRW),
Zweibrücken (RP) und Villingen-Schwenningen (BW) von RWE Umwelt.
Remondis selbst ist in den Bundesländern Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen,
Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Sachsen,
Thüringen und Bayern aktiv. Der Zusammenschluss wird in keinem betroffenen
räumlichen Markt zur Entstehung oder Verstärkung einer marktbeherrschenden
Stellung für die Sortierung von LVP führen.
10.1. Sachliche Marktabgrenzung
204. Der Markt für die Sortierung von LVP stellt einen eigenständigen sachlichen
Markt dar63. Er unterscheidet sich deutlich von den Märkten für die Sortierung
anderer Abfälle, wie z.B. Bauschutt, Sperrmüll, Glas oder Altpapier. Für die
63
vgl. B10 – 32/99 Rethmann/WAD, Beschluss vom 1. Juli 1999, Ziff. 14ff.
81
wirtschaftliche Sortierung von LVP werden technisch recht aufwendige
Spezialanlagen wie Siebtrommeln, Magnetabscheider, Wirbelstromabscheider,
Folienseparatoren,
Windsichter
und
Maschinen
zur
Abscheidung
von
Flüssigkeitskartons eingesetzt. Nur ein – zunehmend geringerer – Teil des
Sortierprozesses für LVP erfolgt noch von Hand.
205. LVP wird immer noch ganz überwiegend im Rahmen des DSD-Systems sortiert.
Bei ihrer letzten Ausschreibung 2004 hat DSD erstmals die Sortierung von LVP
unabhängig von der Sammlung von LVP ausgeschrieben. Dies zeigt, dass sich
die Dienstleistung des Sortierens von der des Sammelns und Transportierens
trennen lässt. Diese Dienstleistungen unterscheiden sich auch deutlich durch die
Art der erforderlichen Infrastruktur (Sortieranlage für das Sortieren, Fahrzeuge
und Behälter für Sammlung und Transport).
10.2. Räumliche Marktabgrenzung
206. In räumlicher Hinsicht ist der Markt für das Sortieren von LVP regional
abzugrenzen. Die Sortieranlagen haben einen begrenzten Einzugsbereich, der
u.a. abhängig von der Straßenanbindung der Anlage ist. Im Verfahren B10 –
32/99
Remondis/WAD
war
festgestellt
worden,
dass
die
maximale
Transportentfernung im Durchschnitt 65km Luftlinie betrug. Im vorliegenden Fall
kann
die
genaue
räumliche
Marktabgrenzung
offen
bleiben,
da
der
Zusammenschluss auch bei enger räumlicher Marktabgrenzung nicht zur
Entstehung oder Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung führt.
10.3. Entstehung oder Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung
207. Der Zusammenschluss wird in keiner Region zur Entstehung oder Verstärkung
einer marktbeherrschenden Stellung von Remondis und RWE Umwelt bei der
Sortierung von LVP führen.
208. Für die Bemessung der Marktanteile hat die Beschlussabteilung die Ergebnisse
der DSD-Ausschreibungen 2003 (Sammlung und Sortierung von LVP) und 2004
(Sortierung von LVP) ausgewertet. Daneben wurden die Kapazitäten und
Durchsätze der LVP-Sortieranlagen der Zusammenschlussbeteiligten und ihrer
bedeutendsten Wettbewerber betrachtet.
209. In Nordrhein-Westfalen liegt der addierte Marktanteil von Remondis und RWE
Umwelt auf Basis der DSD-Sortieraufträge bei ca. 15%. Marktführer ist
82
Cleanaway mit über 20% Marktanteil. RWE Newco hält ca. 12%, Altvater und
Schönmackers jeweils Marktanteile zwischen 5 und 10%. Auf Basis der
bekannten Anlagenkapazitäten und –durchsätze aus dem Jahr 2003 war der
addierte Marktanteil von Remondis/RWE Umwelt etwas höher, lag jedoch immer
noch unter 25%. Dieser Anteil ist jedoch überhöht, da nicht alle vorhandenen
Anlagen in die Berechnung eingehen konnten; insbesondere fehlen die
Sortieranlagen des bedeutenden Wettbewerbers Cleanaway. Angesichts dieser
Marktanteile kann jedoch ausgeschlossen werden, dass der Zusammenschluss
zur Entstehung einer marktbeherrschenden Stellung für Sortierung von LVP in
Nordrhein-Westfalen führt.
210. In den neuen Bundesländern übernimmt Remondis von RWE Umwelt keine
Sortieranlagen für LVP, allerdings in geringem Umfang Sortieraufträge. Zu
Marktanteilsadditionen kommt es in Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg,
Sachsen und Thüringen. Die addierten Marktanteile liegen zwischen 17 und
30%. In allen dieser Bundesländer ist jeweils neben den Zusammenschlussbeteiligten mindestens ein Wettbewerber mit Marktanteilen größer 15%
vertreten. In den neuen Bundesländern insgesamt liegt der addierte Marktanteil
von RWE Umwelt bei ca. 15%. Marktführer ist Alba mit einem Marktanteil von
über 30%, RWE Newco und Cleanaway haben Marktanteile zwischen 10 und
15%. Die Entstehung einzelmarktbeherrschender Stellungen ist deshalb nicht zu
erwarten.
Soweit
Oligopolsituationen
vorliegen,
werden
sie
durch
den
Zusammenschluss jedenfalls nicht verstärkt, da es sich jeweils um Marktanteilstausch innerhalb des Oligopols handelt.
211. Zu Marktanteilsadditionen kommt es darüber hinaus nur noch in Bayern, wo der
addierte Marktanteil der Zusammenschlussbeteiligten bei ca. 13% liegen wird.
Bei
dieser
Marktanteilshöhe
kann
ausgeschlossen
werden,
dass
der
Zusammenschluss zur Entstehung oder Verstärkung einer marktbeherrschenden
Stellung führt.
212. In Schleswig-Holstein, Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg übernimmt
Remondis die Aktivitäten von RWE Umwelt, ist jedoch jeweils selbst nicht tätig,
so dass es nicht zu Marktanteilsadditionen kommt. Die Marktanteile in
Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg liegen bei unter 10 bzw. unter 15%. In
Schleswig-Holstein wird Remondis nach dem Zusammenschluss einen
Marktanteil von ca. 29% halten, wobei Cleanaway mit ca. 33% noch stärker
vertreten ist. Beide Unternehmen zusammen erfüllen die Oligopolvermutung des
83
§ 19 Abs. 3 Nr. 1 GWB. Allerdings rückt auch hier Remondis nur in die bereits
von RWE Umwelt gehaltene Marktstellung ein, und es ist deshalb nicht
erkennbar, dass der Zusammenschluss zur Verstärkung eines eventuellen
marktbeherrschenden Oligopols führt.
11. Verwertung von Kühl- und Gefriergeräten
213. Remondis und RWE Umwelt sind beide im Bereich der Verwertung von Kühlund Gefriergeräten tätig. Remondis hat Aufbereitungsanlagen für Kühl- und
Gefriergeräte in Berlin, Selm (NRW) und Baar-Ebenhausen (BY). Auch die
Beteiligungsgesellschaft Umweltdienst Sömmerda (TH) bereitet in geringem
Umfang Kühl- und Gefriergeräte auf. RWE Umwelt hat insgesamt vier
Aufbereitungsanlagen für Kühl- und Gefriergeräte in Neumünster (SWH),
Langhagen
(MV),
Wangerland
(NDS)
und
Baumholder
(RP).
Der
Zusammenschluss würde zur Entstehung einer marktbeherrschenden Stellung
für die Verwertung von Kühl- und Gefriergeräten in Deutschland führen. Er kann
deshalb für diesen Markt nur mit Auflagen (siehe Tenor I.A.1.1.) freigegeben
werden.
11.1. Sachliche Marktabgrenzung
214. Die Verwertung von Kühl- und Gefriergeräten stellt nach den Erkenntnissen der
Beschlussabteilung einen eigenständigen sachlichen Markt dar. Kühl- und
Gefriergeräte werden in speziellen Anlagen aufbereitet, da ihnen die Kühlmittel
entzogen werden müssen und auch zur Zeit noch FCKW-haltige Schäume
enthalten sein können, so dass die Geräte unter luftdichten Bedingungen
zerkleinert werden müssen. Dies unterscheidet die Verwertung von Kühl- und
Gefriergeräten erheblich von der Verwertung anderer Haushaltsgroßgeräte, die
nach der – technisch relativ einfachen – Entfernung der Kondensatoren sofort im
Shredder zerkleinert werden können.
11.2. Räumliche Marktabgrenzung
215. Die
Beschlussabteilung
hat
alle
Aufbereitungsanlagen
für
Kühl-
und
Gefriergeräte in der Bundesrepublik Deutschland befragt und dabei festgestellt,
dass deren durchschnittlicher Einzugsbereich für 75% der durchgesetzten
Geräte bei ca. 206km liegt. Der maximale Einzugsbereich liegt sogar im
Durchschnitt bei fast 500km. Selbst wenn man nur vom Einzugsbereich von 206
km um die Anlagen herum ausgeht, überschneiden sich die Einzugsbereiche der
84
Anlagen von Remondis und RWE Umwelt so großflächig, dass die
Beschlussabteilung von einem bundesweiten Markt für die Aufbereitung von
Kühl- und Gefriergeräten ausgeht.
11.3. Entstehung oder Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung
216. Der Zusammenschluss würde zur Entstehung einer marktbeherrschenden
Stellung der Zusammenschlussbeteiligten auf dem Markt der Verwertung von
Kühl- und Gefriergeräten in Deutschland führen. Remondis hat deshalb
vorgeschlagen, drei der vier Aufbereitungsanlagen von RWE Umwelt nach dem
Zusammenschluss weiterzuveräußern.
217. Die Markterhebung der Beschlussabteilung hat ergeben, dass neben den
Zusammenschlussbeteiligten in Deutschland 17 Unternehmen im Bereich der
Verwertung von Kühl- und Gefriergeräten tätig sind. Der Gesamtdurchsatz aller
Anlagen – inklusive der der Zusammenschlussbeteiligten – lag 2003 bei ca. 3,12
Mio. Stück. Seitens RWE Umwelt wurde jedoch vorgebracht, dass das
Unternehmen 2003 außergewöhnlich viele aus dem Ausland stammende Kühlund Gefriergeräte in den eigenen Anlagen behandelt habe, die dem inländischen
Marktvolumen nicht zuzurechnen seien. Um diesem Gesichtspunkt Rechnung zu
tragen, wurden auch die Wettbewerber nach der Zahl der aus dem Ausland
stammenden Kühlgeräte befragt und diese Geräte aus dem Durchsatz und dem
Marktvolumen herausgenommen. Damit ergibt sich insgesamt ein korrigiertes
Marktvolumen von 2,45 Mio. Geräten. Wertmäßig liegt das Marktvolumen
insgesamt bei ca. 38 Mio. €. Der genaue Wert des Marktes ohne Auslandsgeräte
ist nicht festzustellen, da nicht alle befragten Unternehmen beziffern konnten,
welcher Teil ihres Anlagenumsatzes auf Auslandsgeräte entfällt. Der Wert liegt –
unter Zugrundelegung von Schätzdaten, wo keine Angaben vorhanden sind – bei
ca. 30 Mio. €. Bezogen auf das Gesamtmarktvolumen liegen die mengen- und
wertmäßigen Marktanteile der Zusammenschlussbeteiligten praktisch auf
gleicher Höhe (Differenz ca. 1%). Es wird deshalb davon ausgegangen, dass die
Werte auch auf dem Markt ohne Auslandsgeräte weitgehend identisch sind.
218. Die Marktanteile verteilen sich wie folgt:
85
Unternehmen
Marktanteil
Remondis
17-22%
RWE Umwelt
15-20%
Summe Remondis + RWE Umwelt
35-40%
RWE Newco
5-10%
U-Plus
10-15%
AGR
5-10%
alle übrigen
<5%
219. Bereits vor dem Zusammenschluss sind Remondis und RWE Umwelt die beiden
Marktführer, allerdings mit Marktanteilen, die jeweils deutlich unterhalb der
Schwelle der Marktbeherrschungsvermutung liegen. Durch den Zusammenschluss würde Remondis alleiniger Marktführer mit einem Marktanteil von 3540%, der oberhalb der Schwelle der Einzelmarktbeherrschungsvermutung liegt.
Nur noch ein Wettbewerber, U-Plus, hält Marktanteile von mehr als 10%, wobei
der
Marktanteilsabstand
jedoch
weit
über
20%
beträgt. Zwei weitere
Unternehmen, RWE Newco und AGR, haben Marktanteile zwischen 5 und 10%,
alle übrigen Wettbewerber liegen unter 5%.
220. Remondis ist bereits vor dem Zusammenschluss das einzige Unternehmen,
dessen Anlagen so über das Bundesgebiet verteilt sind, dass – bei
Zugrundelegung des Einzugsbereichs für 75% der durchgesetzten Geräte –
praktisch das gesamte Bundesgebiet (mit Ausnahme von Schleswig-Holstein)
hierdurch abgedeckt wird. Die Anlagen von RWE Umwelt konzentrieren sich im
nördlichen Deutschland (3 Anlagen in Schleswig-Holstein, MecklenburgVorpommern und Niedersachsen), eine Anlage liegt in Rheinland-Pfalz.
Remondis würde mit der Übernahme dieser Anlagen die letzte verbliebene
Lücke in seinem Anlagennetz, Schleswig-Holstein, schließen. Die Wettbewerber
sind demgegenüber durchweg nur regional tätig und verfügen ganz überwiegend
nur über jeweils eine Anlage. U-Plus als marktanteilsstärkster Wettbewerber hat
seine Anlagen ausschließlich in Baden-Württemberg, AGR und RWE Newco
jeweils eine Anlage in Nordrhein-Westfalen.
221. Remondis verfügt über eine allen Wettbewerbern auf diesem Markt überlegene
Finanzkraft. RWE Newco wird hierbei nicht berücksichtigt, da RWE AG
beabsichtigt, die bei Newco verbleibende Anlage ebenfalls an Dritte zu
86
veräußern; wer der Erwerber sein wird, ist zur Zeit noch nicht bekannt. Der
stärkste Wettbewerber U-Plus gehört zwar zur EnBW-Gruppe. Entsorgung
gehört jedoch nicht zum Kerngeschäft von EnBW, so dass nicht zu erwarten ist,
dass U-Plus die finanziellen Ressourcen von EnBW in vollem Umfang zur
Verfügung stehen. Die im Eigentum des Regionalverbands Ruhr stehende AGR
soll laut Presseberichten veräußert werden. Die übrigen Wettbewerber sind
mittelständische Unternehmen.
222. Die Bedeutung des Marktes für die Verwertung von Kühlgeräten wird mit
Inkrafttreten der EU-Elektroschrottrichtlinie im August 2005 steigen, da ab
diesem Zeitpunkt alle Inverkehrbringer (Hersteller, Importeure, teilweise auch
Händler) verpflichtet sind, Elektro-Altgeräte – also auch Kühl- und Gefriergeräte
– vom Endverbraucher zurückzunehmen und fachgerecht zu verwerten. Zur Zeit
bereiten sich Hersteller und Importeure auf diese Verpflichtung vor, die sie
überwiegend in Form von Kooperationen erfüllen werden. Diese gemeinsamen
Rücknahmesysteme werden voraussichtlich flächendeckend (bundesweit oder
jedenfalls in größeren Regionen) die Leistung der Verwertung von Kühl- und
Gefriergeräten nachfragen. Remondis wäre nach dem Zusammenschluss das
einzige Unternehmen, das diesen Kooperationen auch bundesweit die Kühl- und
Gefriergeräteaufbereitung in eigenen Anlagen anbieten kann. Dies stärkt die
Marktstellung von Remondis und Remondis zusätzlich.
223. Der hohe addierte Marktanteil, der große Marktanteilsabstand zu den nachfolgenden Wettbewerbern, die überlegenen Ressourcen der Zusammenschlussbeteiligten sowie die sonstigen oben beschriebenen Vorteile werden nach
Auffassung der Beschlussabteilung zur Entstehung einer marktbeherrschenden
Stellung für die Verwertung von Kühl- und Gefriergeräten in Deutschland durch
den Zusammenschluss führen.
224. Remondis hat zur Lösung der Wettbewerbsprobleme vorgeschlagen, nur die
Aufbereitungsanlage in Neumünster zu erwerben. Die Anlagen Langhagen,
Wangerland und Baumholder (Marktanteil zusammen 10-15%) würden nach
Vollzug des Zusammenschlusses im Rahmen von Auflagen weiterveräußert.
12. Flächendeckende Entsorgung gewerblicher Anfallstellen
225. Sowohl Remondis als auch RWE Umwelt sind im Bereich der flächendeckenden
Entsorgung gewerblicher Anfallstellen tätig. Das entsprechende Geschäft der
87
RWE Umwelt soll von Remondis vollständig übernommen werden. Der
Zusammenschluss würde zur Entstehung eines marktbeherrschenden Duopols
von Remondis/RWE Umwelt und Interseroh auf dem Markt für flächendeckende
Gewerbeabfallentsorgung
führen.
Er
kann
nur
unter
aufschiebenden
Bedingungen für diesen Markt freigegeben werden (siehe Tenor I.A.1.4).
12.1. Sachliche Marktabgrenzung
226. Unter flächendeckenden Entsorgungsleistungen für gewerbliche Anfallstellen
sind Leistungen zu verstehen, die in erheblichem Umfang über das individuelle
Entsorgungsgeschäft bei gewerblichen Anfallstellen hinausgehen64. Es handelt
sich um Leistungen, die im Rahmen umfassender Entsorgungsverträge mit
Vertriebsunternehmen, Herstellern von Produkten oder mit Gruppen von
Herstellern oder Vertreibern, z.B. Verbänden, über die Entsorgung von allen oder
von Teilen von Abfällen, die bei diesen und den ihnen angeschlossenen
Unternehmen anfallen, geschlossen werden. Typischerweise wird in solchen
Vereinbarungen die Entsorgung für eine Vielzahl von Anfallstellen auf einer
großen Fläche geregelt.
227. Bei
der
traditionellen
Gewerbeabfallentsorgung
erbringen
lokale
Entsor-
gungsunternehmen bei Gewerbetreibenden und Industriebetrieben die jeweils
nachgefragten
Entsorgungsleistungen
(Sammlung,
Transport,
Verwertung
und/oder Beseitigung) auf der Basis von Einzelverträgen vor Ort. Diese Verträge
können sich auf einmalige Leistungen oder die turnusmäßige Erbringung von
Entsorgungsleistungen beziehen und werden in der Regel zwischen Anfallstelle
und Entsorgungsunternehmen direkt abgerechnet.
228. Bereits in den Verfahren B8 – 309/99 RWE/VEW und B10 – 24/00
Remondis/Interseroh hatte die Beschlussabteilung festgestellt, dass die lokale
Gewerbeabfallentsorgung zunehmend durch eine jedenfalls überregional nachgefragte und organisierte Entsorgung ergänzt wird. Diese Tendenz hat sich nach
den aktuellen Ermittlungen fortgesetzt. Bei einer zentralen Nachfrage nach
Gewerbeabfallentsorgung wird keine lokale Einzelleistung mehr nachgefragt,
sondern es wird die Gesamtleistung – flächendeckende Entsorgung von Abfällen
bei allen Anfallstellen in einer vorgegebenen Region – nachgefragt. Es ist Sache
des anbietenden Entsorgungsunternehmens, die Organisation der Entsorgung
64
vgl. im Einzelnen B8 – 309/99 RWE/VEW, Beschluss vom 3. Juli 2000,
www.bundeskartellamt.de/Archiv, Ziff. 235ff.
88
vor Ort durchzuführen, sei es durch den Einsatz eigener lokal tätiger Tochterunternehmen/Niederlassungen oder durch Einsatz lokaler Subunternehmer.
Die Nachfrage nach Entsorgungsleistungen wird aus mehreren Gründen zunehmend durch Konzernzentralen und regionale Organisationseinheiten für alle
diesen angeschlossene Betriebe und damit Anfallstellen von Abfällen ausgeübt.
Zum einen kann die zentrale Beauftragung eines Anbieters von Entsorgungsleistungen zu Einsparungen im beauftragenden Unternehmen aufgrund der
Bündelung in der Abwicklung und Organisation führen. Darüber hinaus hat der
Nachfrager aufgrund des höheren Auftragsvolumens eine bessere Verhandlungsposition gegenüber den Anbietern von Entsorgungsleistungen und kann
auch auf diese Weise Kostenvorteile erzielen. Zum anderen fördern die
gesetzlichen Rahmenbedingungen dieses Nachfrageverhalten. Die im KrW/AbfG
verankerte Produktverantwortung und die Verpflichtung zur Rücknahme und
Verwertung von Verpackungen aller Art gemäß VerpackV zwingen Hersteller und
Vertreiber von Produkten und Verpackungen, eine nachweisbare Entsorgung
von Altprodukten und Verpackungsabfällen für das gesamte Gebiet des Inverkehrbringens zu organisieren. Dies kann zwar grundsätzlich auch durch Abschluss einer Vielzahl von individuellen Entsorgungsverträgen mit lokalen
Anbietern von Entsorgungsleistungen für jede Anfallstelle geschehen. Dies
erfordert jedoch, je nach Streuung der Anfallstellen, einen hohen Organisationsaufwand. Der Nachfrager müsste sehr viele – bis zu mehreren hundert oder
sogar tausend – Einzelverträge abschließen und für deren Überwachung und
Vergütung eine Verwaltungsstruktur schaffen. Er müsste darüber hinaus Mengen- und Verwertungsnachweise von jedem einzelnen beauftragten Entsorgungsunternehmen erhalten und diese entsprechend den gesetzlichen Nachweispflichten zusammenfassen. Alternativ kann der Nachfrager einen Anbieter
flächendeckender Entsorgungsleistungen mit der Erbringung der kompletten
Leistung beauftragen. Die Abrechnung erfolgt zentral, und die Leistungen der
Beauftragung lokaler Entsorger, die Qualitätssicherung, die Sicherstellung der
Verwertung und der Mengenstromnachweis werden von diesem Anbieter
komplett für den Nachfrager erbracht.
229. Im Verfahren B10 – 24/00 Rethmann/Interseroh hatte eine Befragung von 29
Unternehmen, die größtenteils über eine ausgedehnte Filialstruktur verfügen,
diese Überlegungen gestützt. 21 der befragten 29 Unternehmen hatten die
Entsorgung ihrer Filialen zentral organisiert und bundesweit oder jeweils für
einige Teilregionen Entsorgungsverträge mit Geltung für alle Filialunternehmen
89
abgeschlossen. Erklärtes Ziel dieser Nachfrager war es, die Organisation der
Gewerbeabfallentsorgung zu straffen sowie eine zentrale Abrechnung und
bundesweit bzw. regional einheitliche Entsorgungspreise und – konditionen zu
haben. Keines der damals zentral nachfragenden Unternehmen beabsichtigte,
wieder zur dezentralen Organisation der Entsorgung zurückzukehren. Überwiegend gaben die Unternehmen an, dass sich ihre Erwartungen in bezug auf
die zentrale Organisation erfüllt hätten. Soweit die Befragten die Einsparpotenziale durch zentrale Organisation der Entsorgung beziffern konnten, lagen
diese bei mindestens 20% gegenüber der dezentralen Organisation. Der
Beschlussabteilung liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass sich seither
Änderungen ergeben hätten, die heute eine andere Beurteilung der Situation
erfordern würden. Das deutliche Wachstum des Marktes spricht vielmehr dafür,
dass immer mehr Unternehmen die Vorteile einer zentralen Nachfrage der
Gewerbeabfallentsorgung wahrnehmen.
230. Aus Sicht der nachfragenden Unternehmen stellt die zentrale Organisation der
Entsorgung von Gewerbeabfällen, die sich in einer zentralisierten Nachfrage für
eine bundesweit, jedenfalls aber regional einheitliche und flächendeckende
Entsorgungsleistung für alle Anfallstellen äußert, deshalb eine mit der
dezentralen lokalen Entsorgungsnachfrage nicht vergleichbare Leistung dar.
Dass letztlich in beiden Fällen und vor Ort auf vergleichbare Weise Abfälle
entsorgt werden, führt nicht dazu, dass in beiden Fällen (lokale Einzelbeauftragung und zentrale Gesamtbeauftragung) letztlich die gleiche Leistung erbracht
wird und die Anbieter der jeweiligen Leistungen in einem Wettbewerbsverhältnis
zueinander stehen. Im Fall der zentralen Beauftragung wird jedoch mehr
nachgefragt als nur die Bündelung lokaler Einzelleistungen, nämlich eine
Dienstleistung, die eine transparente, verlässliche und zu einheitlichen Konditionen erfolgende Organisation der Entsorgung für alle Anfallstellen und ggf.
auch die Lieferung eines kompletten Mengenstromnachweises umfasst.
231. Für eine Differenzierung des Marktes der zentral organisierten flächendeckenden
Entsorgung gewerblicher Anfallstellen nach Stoffen oder Produkten besteht nach
Auffassung der Beschlussabteilung kein Anlass. Eine aktuelle Befragung der
wesentlichen Anbieter von flächendeckenden Gewerbeabfallentsorgungsleistungen ergab, dass der überwiegende Teil der Verträge mehrere Abfallfraktionen
(z.B. Verpackungen, PPK, Bioabfall) umfasst. Die befragten Anbieter sind in der
Lage, alle oder Teile dieser Abfälle zu entsorgen. Da jeweils lokale Ent-
90
sorgungsunternehmen vor Ort (aus dem eigenen Unternehmensverbund oder
Dritte als Subunternehmer) eingesetzt werden, kann angebotsseitig die Fähigkeit
zur Umstellung auf die verschiedensten Arten von Abfällen unterstellt werden.
232. Der Begriff der Flächendeckung ist zwangsläufig unscharf. Bereits die nur ein
begrenztes Gebiet (z.B. eine Großstadt) betreffende Vergabe eines Entsorgungsauftrags für eine Vielzahl von Anfallstellen kann diesem Kriterium genügen
und die geschilderten Vorteile gegenüber einer von den einzelnen Anfallstellen
getragenen Entsorgung bringen. Letztlich kann dahingestellt bleiben, wie eine
genaue Grenzziehung zu erfolgen hätte. Zugunsten der Zusammenschlussbeteiligten wurden hier bereits Verträge, die ein Bundesland umfassen, mit in
den sachlichen Markt einbezogen.
233. Der sachlich relevante Markt für die flächendeckende Entsorgung gewerblicher
Anfallstellen unterscheidet sich signifikant vom Markt für die flächendeckende
Entsorgung von Anfallstellen privater Endverbraucher. Der Abfall, der bei
privaten Endverbrauchern anfällt, verteilt sich auf die Bereiche Entsorgung von
Siedlungsabfällen und Entsorgung von Verkaufsverpackungen (siehe jeweils im
Einzelnen oben Ziff. 14ff., 146ff., 191ff.). Soweit die Entsorgung von
Siedlungsabfällen (Restmüll, Sperrmüll, Bioabfall, kommunales PPK) betroffen
ist, besteht kein Wettbewerb um die einzelnen Anfallstellen, da der private
Haushalt
der
Überlassungspflicht
zugunsten
der
entsorgungspflichtigen
Gebietskörperschaft unterliegt, die die Abfälle entweder in eigener Regie abholt
oder hierfür private Dritte beauftragt.
234. Auch der Markt für die flächendeckende Entsorgung von Verkaufsverpackungen
unterscheidet sich signifikant vom Markt für die flächendeckende Entsorgung
gewerblicher Anfallstellen. Die Pflichten zur Rücknahme von Verkaufsverpackungen nehmen die Verpflichteten im wesentlichen dadurch wahr, dass sie
sich flächendeckenden Rücknahmesystemen (DSD u.a.) anschließen. Die
wesentlichen
Unterschiede
dieser
Systeme
im
Vergleich
zu
anderen
Entsorgungsleistungen liegen u.a. in den spezifischen Anforderungen der
VerpackV (z.B. Erfüllung spezifischer Verwertungsquoten), den mit kommunalen
Entsorgungsunternehmen abzustimmenden Abholrhythmen, der hohen Zahl
anzufahrender privater Anfallstellen und dem Preissystem (Lizenzgebühren an
das jeweilige Rücknahmesystem). Soweit Selbstentsorger im Sinne von § 6 Abs.
1 und 2 VerpackV Dritte mit der Wahrnehmung ihrer Pflichten nach der
VerpackV beauftragen, sind diese Dritten nicht in den sachlich relevanten Markt
91
mit einzubeziehen. Grund hierfür ist, dass auch hier die Entsorgung von Abfällen
erfolgt, die bei privaten Endverbrauchern im Sinne der Verpackungsverordnung
angefallen sind und bei diesen zurückzunehmen sind.
12.2. Räumliche Marktabgrenzung
235. Bei der räumlichen Marktabgrenzung ist von einem bundesweiten Markt
auszugehen.
Aus
der
Sicht
der
Nachfrager
nach
flächendeckenden
Entsorgungsleistungen sind alle bundesweit operierenden Anbieter dieser
Leistungen auf diesem Markt tätig. Hinzu kommen, wenn flächendeckende
Entsorgungsleistungen nur für bestimmte Regionen nachgefragt werden, auch
die regional tätigen Anbieter dieser Leistungen.
12.3. Entstehung oder Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung
236. Der Zusammenschluss würde zur Entstehung eines marktbeherrschenden
Oligopols von Remondis/RWE Umwelt und Interseroh auf dem Markt der
flächendeckenden Entsorgung von gewerblichen Anfallstellen führen.
237. Die Beschlussabteilung geht davon aus, den Markt für die flächendeckende
Entsorgung gewerblicher Anfallstellen weitgehend vollständig erhoben zu haben.
Es wurden neben den Zusammenschlussbeteiligten folgende Unternehmen
befragt: Interseroh, Vfw, Zentek, Logex, CCR, BKV/RIGK, KBS, Partslife,
Sulo/Altvater, Cleanaway, Sita, Schönmackers, Alba, U-Plus, GVÖ, Belland, J.
Becker, Nehlsen, Tönsmeier, Stratmann und Pape. Das daraus ermittelte
Marktvolumen liegt bei ca. 236 Mio. €.
238. Die addierten Marktanteile der Zusammenschlussbeteiligten liegen bei 15-20%.
Interseroh erzielt Marktanteile von 25-35%. Zusammen erreichen die Zusammenschlussbeteiligten und Interseroh damit Marktanteile von 45-50%. Die
Marktanteile der Zusammenschlussbeteiligten, Interseroh und ihrer Wettbewerber, die Aktionärsstruktur der Interseroh sowie die Verflechtungen zwischen
Interseroh und ihren Wettbewerbern ergeben sich aus der nachfolgenden
Tabelle.
92
Aktienanteil an der
Marktanteil
Entsorgungsunternehmen
Interseroh AG
____________________________________________________________________
5-10%
<1%
0%
Remondis
AR-Vorsitz
Alba
stv. AR-Vorsitz
Lobbe
Gesellschafter
Zentek
önsmeier
Tönsmeier
Nehlsen
Stratmann
Jakob Becker
<
15%
>
25%
<
10%
<5% + AR-Sitz
<5%
<1%
<1%
< 10%
15-20%
Gesellschafter
Logex
43 mittelständische Entsorgungsunternehmen
<5%
<5%
5-10%
0%
35%-40%
Sita
U-Plus
Cleanaway
Onyx
Zwischensumme
25%-35%
10%-15%
Interseroh
RWE Umwelt
ca. 80%
Gesellschafter
insgesamt: <1%
< 5%
< 2,5%
< 2,5%
< 2,5%
Gesamtsumme
65-70%
Die Marktanteile der nicht mit Interseroh verbundenen Wettbewerber sind wie
folgt:
Unternehmen
Marktanteil
CCR
5-10%
Vfw
<5%
Altvater
<5%
Schönmackers
<5%
KBS
<5%
93
239. Die Entstehung einer einzelmarktbeherrschenden Stellung von Remondis und
RWE Umwelt ist angesichts dieser Marktstruktur nicht zu erwarten. Der
Zusammenschluss würde jedoch zur Entstehung eines marktbeherrschenden
Oligopols von Remondis/RWE Umwelt und Interseroh führen. Die addierten
Marktanteile von Remondis/RWE Umwelt und Interseroh liegen zwar mit 45-50%
knapp unterhalb der Oligopolvermutung des § 19 Abs. 3 Nr. 1 GWB. Kein
anderer Wettbewerber erreicht jedoch individuell Marktanteile von mehr als 10%.
Nur 3 Wettbewerber – Zentek, Cleanaway und CCR – halten Marktanteile von
mehr als 5%.
240. Interseroh steht nach den Feststellungen der Beschlussabteilung zu 65-70% im
Besitz
von
Entsorgungsunternehmen,
darunter
Alba,
Remondis,
Sita,
Cleanaway, Tönsmeier, Nehlsen, Jakob Becker, U-Plus. Entsorgungsunternehmen stellen auch 4 Aufsichtsratsmitglieder, darunter den Vorsitzenden.
Interseroh erbringt selbst keine operativen Entsorgungsleistungen, sondern
bedient sich hierfür Subunternehmern, darunter in großem Umfang (ca. 60% des
Interseroh-Umsatzes) ihrer Anteilseigner. Die kapitalmäßigen Verflechtungen
und die wirtschaftlichen Vorteile der Zusammenarbeit begründen einen Gleichklang der Interessen der Anteilseigner aus der Entsorgungswirtschaft und der
Interseroh. Diese Struktur, bei der die Anteilseigner wesentliche Dienstleistungsanbieter gegenüber Interseroh und gleichzeitig deren Wettbewerber sind,
schließt wesentlichen Wettbewerb zwischen Interseroh und Remondis/RWE
Umwelt aus und lässt auch keinen relevanten Wettbewerb zu den übrigen gesellschaftsrechtlich verflochtenen Wettbewerbern erwarten.
241. Remondis ist mit knapp 15% der zweitgrößte Interseroh-Anteilseigner in der
Entsorgungsbranche nach Alba (>25%). Herr Norbert Rethmann ist Vorsitzender
des Aufsichtsrats der Interseroh, der in Pattsituationen den Stichentscheid hat.
Zudem hat Remondis als Leistungserbringer den größten Anteil aller Entsorger
am Umsatz von Interseroh (10-20%). Die oben beschriebenen Faktoren, die die
Wettbewerbsintensität zwischen Interseroh und ihren Anteilseignern dämpfen,
treffen damit in besonderem Maße auf Remondis zu. Es ist auch nicht zu
beobachten, dass Remondis besondere Wettbewerbsanstrengungen auf dem
Markt für die flächendeckende Gewerbeabfallentsorgung unternimmt, obwohl
das Remondis als zweitgrößtes deutsches Entsorgungsunternehmen mit einem
dichten Standortnetz und einen breiten Tätigkeitspektrum in allen wesentlichen
Entsorgungsmärkten hierfür besonders gute Voraussetzungen hätte. Zwar hat
94
Remondis seinen Umsatz in diesem Bereich seit 1999 von damals ca. 9,4 Mio. €
auf jetzt 10-15 Mio. € gesteigert; da sich jedoch auch das Marktvolumen deutlich
erhöht hat, ist der Marktanteil von Remondis sogar leicht gesunken. RWE
Umwelt, die 1999 ebenfalls noch an Interseroh beteiligt war, dann jedoch ihre
Anteile veräußern musste, hat ihren Marktanteil im gleichen Zeitraum dagegen
mehr als verfünffacht (siehe nachfolgende Randziffer).
242. RWE Umwelt war vor dem Zusammenschluss als eines von wenigen großen
Entsorgungsunternehmen nicht (mehr) an Interseroh beteiligt. Bis 1999 hielt
RWE Umwelt (bzw. die Vorgänger RWE Umwelt und VEW) mehr als 25% der
Interseroh-Anteile. Die Beteiligung musste jedoch im Rahmen der Fusion
RWE/VEW auf 10% reduziert werden65 und wurde Ende 2003 vollständig
veräußert. Zudem verfügt RWE Umwelt als bundesweit tätiges Unternehmen mit
einem dichten Netz von Standorten und Aktivitäten in praktisch allen Bereichen
der
Entsorgungswirtschaft
über
besonders
gute
Voraussetzungen,
um
erfolgreich im Markt der flächendeckenden Gewerbeabfallentsorgung tätig zu
sein. Nach der Veräußerung ihrer Beteiligung an Interseroh hat sich RWE
Umwelt auch zunehmend und erfolgreich auf diesem Markt betätigt. Dies zeigt
sich am deutlichen Anwachsen des Umsatzes und des Marktanteils für
flächendeckende Gewerbeabfallentsorgung. 1999 erzielte RWE Umwelt in
diesem Markt Umsätze von ca. 3,3 Mio. €; der Marktanteil lag bei 2-3%.
Inzwischen liegt der Umsatz von RWE Umwelt mit flächendeckenden Verträgen
bei über 25 Mio. € und der Marktanteil bei 10-15%. Dies belegt, dass RWE
Umwelt nach Veräußerung seiner Beteiligung an Interseroh erfolgreich in
Wettbewerb mit dieser getreten ist und damit sowohl Umsatz als auch
Marktanteil deutlich steigern konnte. RWE Umwelt ist damit vor dem
Zusammenschluss der bedeutendste Wettbewerber von Interseroh auf diesem
Markt.
243. Es ist zu erwarten, dass RWE Umwelt nach dem Zusammenschluss als aktiver
Wettbewerber für Interseroh wegfällt und im Remondis-Konzern auch dessen
Geschäftspolitik, Interseroh keinen intensiven Wettbewerb im Bereich der
flächendeckenden Gewerbeabfallentsorgung zu machen, folgen wird. Auch
Interseroh wird kein Interesse an einem starken Wettbewerb gegenüber
Remondis/RWE Umwelt haben, schon weil diese beiden Unternehmen nach
dem Zusammenschluss Leistungserbringer für mehr als 25% der Umsätze der
65
vgl. B8 – 309/99 RWE/VEW, Beschluss vom 3. Juli 2000, a.a.O., Tenor I.C.3.
95
Interseroh sind und Interseroh deshalb auf sie als Subunternehmer angewiesen
ist.
244. Von den nachfolgenden Wettbewerbern sind Cleanaway, Zentek (indirekt über
ihre Mitglieder), Logex (direkt sowie indirekt über ihre Mitglieder), Alba, Sita und
U-Plus ebenfalls an Interseroh beteiligt und jeweils als Leistungserbringer für
Interseroh tätig. Auch bei diesen Unternehmen, die zusammen gut 30%
Marktanteil auf sich vereinen, ist von einer gedämpften Wettbewerbsintensität
mindestens gegenüber Interseroh auszugehen.
245. Als Wettbewerber des Oligopols ohne jede gesellschaftsrechtliche Verflechtung
mit Interseroh bleiben somit nach dem Zusammenschluss nur CCR mit einem
Marktanteil von 5-10% sowie mehrere Wettbewerber mit Marktanteilen von
größtenteils deutlich unter 5%. CCR wiederum ist weitgehend spezialisiert auf
die Entsorgung von Autowerkstätten sowie – zukünftig – Elektroschrott. Das
Unternehmen ist damit deutlich weniger breit aufgestellt als Interseroh und große
operativ tätige Entsorger. Ähnliches gilt für den auf Chemieabfälle spezialisierten
BKV/RIGK. Von den großen Entsorgungsunternehmen bleibt nur Altvater/Sulo
als unabhängiger Außenwettbewerber, der nicht mehr an Interseroh beteiligt ist.
Der Marktanteil von Altvater/Sulo liegt jedoch unter 3%. Das Unternehmen hat
zudem seinen Schwerpunkt eindeutig bei der Entsorgung – insbesondere der
Sammlung – von Siedlungsabfällen.
246. Die Oligopolmitglieder Interseroh und Remondis/RWE Umwelt verfügen zudem
im Vergleich zu den Wettbewerbern über einen besonders guten Zugang zu den
Beschaffungs- und Absatzmärkten. Interseroh hat laut Geschäftsbericht 2003
mehr als 4.000 Vertragspartner aus der Industrie und entsorgt mehr als 80.000
Anfallstellen. Remondis und RWE Umwelt haben zusammen allein mit ihren
jeweils 10 umsatzstärksten Verträgen zur flächendeckenden Gewerbeabfallentsorgung weitere gut 6.000 Anfallstellen. Die Oligopolmitglieder decken somit
mindestens ca. 86.000 Anfallstellen bundesweit ab. Die Wettbewerber erreichen
alle weniger als 10% dieser Anfallstellenzahl. CCR und Vfw verfügen jeweils
insgesamt über ca. 8.000 Anfallstellen, wobei es sich bei CCR ganz
überwiegend um Autowerkstätten handelt. Alle übrigen Wettbewerber haben
jeweils unter 5.000 Anfallstellen. Die hohe Zahl der Anfallstellen der
Oligopolmitglieder verschafft diesen eine breite Präsenz im Markt und ermöglicht
durch die Nutzung der vorhandenen Entsorgungslogistik und den Überblick über
die neben den kontrahierten Abfällen anfallenden weiteren Abfälle eine schnelle
96
Ausweitung des Angebots auf zusätzliche Nachfrager in anderen Bereichen und
eine Vertiefung des Angebots in den bereits abgedeckten Branchen.
247. Interseroh arbeitet mit insgesamt ca. 600 Entsorgungsbetrieben und über 300
Verwertern zusammen66. Durch die Anteilseigner-Beziehungen zu zahlreichen,
insbesondere großen Entsorgern (siehe oben) verfügt Interseroh über einen
besonders guten Zugang zu Entsorgern als Leistungsanbieter/Subunternehmer.
Remondis und RWE Umwelt sind selbst als Entsorger operativ tätig und
verfügen als die beiden größten deutschen Entsorgungsunternehmen über ein
besonders dichtes Niederlassungsnetz (Remondis: 150-200 Standorte, RWE
Umwelt: 250-300 Standorte, die allerdings nicht alle von Remondis übernommen
werden). Keiner der selbst nicht operativ tätigen Wettbewerber (wie CCR oder
Vfw) verfügt über einen Interseroh vergleichbaren Zugang zu operativ tätigen
Entsorgern, und keiner der operativ tätigen Wettbewerber (wie Cleanaway oder
Sita) verfügt über ein Rethman und RWE Umwelt vergleichbar dichtes Netz an
Niederlassungen.
248. Der hohe gemeinsame Marktanteil von Interseroh und Remondis/RWE Umwelt,
der große Marktanteilsabstand, die bestehenden Verflechtungen zu einer Reihe
nachfolgender Wettbewerber sowie der besonders gute Zugang der Oligopolisten zu den Beschaffungs- und Absatzmärkten würden zur Entstehung eines
marktbeherrschenden Oligopols von Interseroh und Remondis/RWE Umwelt auf
dem Markt der flächendeckenden Entsorgung gewerblicher Anfallstellen durch
den Zusammenschluss führen.
249. Zur Lösung der Wettbewerbsprobleme hat Remondis angeboten, die 15%Beteiligung
an
Interseroh
inklusive
aller
Plusfaktoren
(insbesondere
Aufsichtsratssitz) aufzugeben.
13. Verbrennung von Gewerbeabfällen
250. Sowohl
Remondis
als
auch
RWE
Umwelt
sind
im
Bereich
der
Gewerbeabfallverbrennung tätig. Der Zusammenschluss wird auf keinem der
betroffenen räumlichen Märkte zur Entstehung oder Verstärkung einer
marktbeherrschenden Stellung führen.
66
Interseroh, Geschäftsbericht 2003, S. 35
97
13.1. Sachliche Marktabgrenzung
251. Gemäß der Entscheidungspraxis der Beschlussabteilung stellt die Verbrennung
von Gewerbeabfällen in MVA einen eigenständigen sachlichen Markt dar67.
Gewerbeabfälle sind Abfälle zur Verwertung, die von den Entsorgungsunternehmen frei akquiriert werden. Im Unterschied zu Restmüll und hausmüllähnlichen Gewerbeabfällen haben verwertbare gemischte Gewerbeabfälle einen
höheren Brennwert (höhere Anteile an Verpackungen, Papier, Holz) und erfüllen
die Kriterien des § 6 Abs. 2 KrW/AbfG für thermische Verwertung. Deshalb
unterliegen sie keinen abfallrechtlichen Restriktionen, solange sie ordnungsgemäß verwertet werden. Es bestehen insbesondere keine Andienungs- und
Überlassungspflichten an die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger.
252. Gewerbebetriebe beauftragen mit der Verwertung ihrer gemischten Gewerbeabfälle in der Regel ein (privates) Entsorgungsunternehmen, da der Preis für
die – grundsätzlich mögliche – Überlassung der Abfälle an die öffentlichrechtlichen Gebietskörperschaften höher ist. Nachgefragt wird dabei immer die
Komplettleistung einschließlich der Einsammlung und des Transports der
Abfälle, wobei die Verwertungsleistung Hauptbestandteil der Nachfrage und des
Angebots ist. Von den Gesamtkosten der Leistung entfallen mindestens 60% auf
die Verwertung. Das Angebot besteht damit maßgeblich aus der Verwertungsleistung.
253. Eine Verwertung von (Gewerbe-)Abfällen ist grundsätzlich auf mehreren Wegen
möglich. Die Abfälle können durch Sortierung in eine stofflich verwertbare
Fraktion und eine zu beseitigende Restfraktion getrennt werden. Neben der
stofflichen Verwertung nach Sortierung ist als weiteres Behandlungsverfahren
die Verbrennung in Müllverbrennungsanlagen möglich. Auch eine Behandlung
von Gewerbeabfällen in MBA ist möglich und wird praktiziert. Ob MBA in den
sachlichen Markt einbezogen werden sollten oder nicht, kann hier, ebenso wie
bei
der
Entsorgung
von
Siedlungsabfall,
offen
bleiben,
da
sich
die
wettbewerbliche Beurteilung hierdurch nicht ändert.
254. Die Gewerbeabfallsortierung und die Verbrennung von Gewerbeabfällen stellen
nach den Feststellungen der Beschlussabteilung jeweils eigenständige sachliche
Märkte dar. Die Leistungen von Sortieranlagen und MVA unterscheiden sich
ihren Eigenschaften nach deutlich. In MVA werden die Abfälle unmittelbar einer
67
vgl. zuletzt B10 – 104/02, Beschluss vom 17. Dezember 2002, a.a.O., Ziff. 57ff.
98
thermischen Verwertung zugeführt, während in Sortieranlagen unmittelbar keine
Verwertungsleistung stattfindet. Die Abfallgemische werden dort vielmehr in eine
Verwertungs- und eine Beseitigungsfraktion getrennt. Die Frage, ob zweifelsfrei
eine Verwertungsleistung erbracht wird und zu welchem Anteil eine Verwertung
erfolgt, ist aus Sicht des Nachfragers nach Verwertungsleistungen vorentscheidend bei der Wahl des Verwertungswegs. Zum Markt der Gewerbeabfallverbrennung gehören allerdings auch diejenigen Gewerbeabfälle, die bereits
eine Sortierung durchlaufen haben und nun von Entsorgungsunternehmen als
Sortierreste beseitigt werden müssen.
255. Die Verbrennung von Gewerbeabfällen und die Entsorgung von Siedlungsabfällen durch Verbrennung gehören nicht einem einheitlichen sachlich relevanten Markt an. Zwar werden beide Leistungen in denselben Verbrennungsanlagen erbracht, die Anbieter sind jedoch in der Lage, nach Nachfragern
differenzierte Marktstrategien anzuwenden. Die Nachfrager – Gebietskörperschaften für Siedlungsabfall, Entsorger oder Anfallstellen für Gewerbeabfall –
unterscheiden sich, die Vertragslaufzeiten sind unterschiedlich – sehr langfristig
für Siedlungsabfall, kurzfristig bzw. Spot-Geschäfte für Gewerbeabfall – und es
bestehen große Preisunterschiede.
13.2. Räumliche Marktabgrenzung
256. Im Verfahren B10 – 124/01 hatte die Beschlussabteilung festgestellt, dass
Nordrhein-Westfalen
einen
eigenständigen
räumlichen
Markt
für
die
68
Gewerbeabfallverbrennung darstellt . Die Ermittlungen hatten ergeben, dass
98,5% der aus Nordrhein-Westfalen stammenden Gewerbeabfälle auch in MVA
im eigenen Bundesland verbrannt werden. Außerhalb des Landes gelegene
Müllverbrennungsanlagen stellten u.a. wegen der damit verbundenen höheren
Transportkosten keine gleichwertige Ausweichalternative dar. Der Beschlussabteilung liegen keine Anhaltspunkte vor, die eine Änderung dieser Marktabgrenzung erforderlich machen würden.
257. Für Niedersachsen und Bremen wurde im Verfahren B10 – 104/02 festgestellt,
dass Niedersachsen und Bremen zusammen einen eigenständigen räumlichen
Markt für die Gewerbeabfallverbrennung darstellten69. Auch hier lag die Quote
der aus Niedersachsen und Bremen stammenden Gewerbeabfälle, die in
68
69
Beschluss vom 17. Juni 2002, a.a.O., Ziff. 86ff.
Beschluss vom 17. Dezember 2002, a.a.O., Ziff.70ff.
99
Anlagen in diesen beiden Bundesländern verbrannt wurden, bei über 90%.
Wiederum liegen der Beschlussabteilung keine Anhaltspunkte für eine Änderung
der Marktabgrenzung vor.
258. Für Schleswig-Holstein konnte im Verfahren B10 – 248/01 die genaue räumliche
Marktabgrenzung bei der Gewerbeabfallverbrennung offen gelassen werden70.
Allerdings wurden auch hier mehr als 95% der aus dem Land stammenden
Gewerbeabfälle in Schleswig-Holstein verbrannt. Im vorliegenden Fall muss
ebenfalls nicht über die räumliche Marktabgrenzung entschieden werden.
Gleiches gilt für Rheinland-Pfalz.
13.3. Entstehung oder Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung
259. Nach Einschätzung der Beschlussabteilung wird der Zusammenschluss in
keinem betroffenen räumlichen Markt zur Entstehung oder Verstärkung einer
marktbeherrschenden Stellung für die Verbrennung von Gewerbeabfall führen.
260. Wie bei der Verbrennung von Siedlungsabfall hält die Beschlussabteilung es
auch bei der Verbrennung von Gewerbeabfällen nicht für sachgerecht, auf
Durchsätze der Vergangenheit abzustellen, da ab 1. Juni 2005 aufgrund der
Abfallrechtsänderung zahlreiche neue Entsorgungsverträge für Siedlungsabfall
geschlossen wurden und werden, die auch die freien Kapazitäten für die
Verbrennung von Gewerbeabfällen begrenzen (siehe oben Ziff. 109). Abgestellt
wird deshalb auch hier auf Kapazitätsgrößen.
261. Fraglich ist zudem, ob ab dem 1. Juni 2005 überhaupt noch Kapazitäten für die
Verbrennung von Gewerbeabfällen im Angebot sein werden. Die Studie "Wer
macht was?" Unternehmensreport Abfallwirtschaft Deutschland beispielsweise
geht davon aus, das die Verbrennungskapazitäten deutschlandweit gerade ausreichend sein werden für die Verbrennung andienungspflichtiger Siedlungsabfälle. Für sonstige Abfälle wie Gewerbeabfälle, aber auch MBA-Output, Sortierreste etc. bestehe eine Kapazitätslücke71. Die Bundesregierung geht dagegen
davon aus, dass die Behandlungskapazitäten insgesamt ausreichend sein wer-
70
71
Beschluss vom 24. Mai 2002, a.a.O., Ziff. 136
BC Consult, a.a.O., S. 42f.
100
den72. Diese Unsicherheit macht eine Prognose über die zukünftige Entwicklung
des Markts für die Verbrennung von Gewerbeabfällen besonders schwierig.
262. In Nordrhein-Westfalen liegt der addierte Anteil der Zusammenschlussbeteiligten
an Gesamt-, Markt- und freier Kapazität jeweils unter 30%. RWE Newco hält
Anteile von 20-25%, weiterhin vertreten sind E.ON, Schönmackers, AGR und
verschiedene Gebietskörperschaften. Aus den gleichen Gründen wie für die
Gebietskörperschaften, für die Anlagen aus ganz Nordrhein-Westfalen als
Anbieter von Siedlungsabfallverbrennungskapazitäten in Frage kommen, wird
der Zusammenschluss auch auf dem Markt für Gewerbeabfallverbrennung nicht
zur Entstehung einer marktbeherrschenden Stellung führen.
263. In Niedersachsen/Bremen liegt der addierte Anteil der Zusammenschlussbeteiligten an der Gesamt- und Marktkapazität jeweils bei 20-25%. E.ON verfügt
jeweils über Anteile von mehr als 40%, und auch Nehlsen hält Anteile von 1525% der Marktkapazität. Aus den gleichen Gründen wie unter Ziff. 117 oben für
die Entsorgung von Siedlungsabfall dargelegt führt der Zusammenschluss nach
Einschätzung der Beschlussabteilung auch nicht zur Entstehung einer marktbeherrschenden
Stellung
für
die
Verbrennung
von
Gewerbeabfällen
in
Niedersachsen/Bremen.
264. RWE ist mit weniger als 50% an der MVA Ingelheimer Aue in Mainz/RheinlandPfalz beteiligt, hat dort jedoch nur Zugriff auf eine Kapazität von weniger als
50.000t, in der Gewerbeabfälle verbrannt werden können. Nur auf RheinlandPfalz bezogen entspricht dies einem Anteil von 7-12% der Marktkapazität und
einem Anteil von 20-25% der noch freien (d.h. nicht durch kommunale Abfälle mit
langfristigen Verträgen gebundenen) Kapazitäten. Würde man das angrenzende
Hessen in den räumlichen Markt einbeziehen, liegt der Anteil von RWE Umwelt
bei
<10%
der
Marktkapazität
und
15-20%
der
freien
Kapazität.
Zu
Marktanteilsadditionen kommt es weder bei einer Begrenzung des räumlichen
Marktes auf Rheinland-Pfalz, da Remondis hier keine Anlagen betreibt, noch bei
einem weiteren räumlichen Markt. Remondis betreibt zwar die in Hessen
gelegenen MVA AVA Nordweststadt in Frankfurt. Alleiniges Verfügungsrecht
über die Kapazitäten der AVA Nordweststadt hat jedoch die Rhein-Main-Abfall
72
Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Abgeordneten Birgit Homburger,
Angelika Brunkhorst, Michael Kauch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP,
Vorbehandlungskapazitäten für Abfälle ab Juni 2005, Drs. Nr. 15/2880
101
GmbH, eine kommunale Gesellschaft. Auch bei dieser Marktabgrenzung kommt
es deshalb nicht zu Marktanteilsadditionen.
14. Sortierung von Gewerbeabfällen
265. Remondis betreibt Gewerbeabfallsortieranlagen in Oberhausen, Bochum,
Gevelsberg, Wuppertal, Lünen, Münster, Altenberge73 (NRW), Edersleben
(Sachsen-Anhalt), Recyclingpark Brandenburg, "Schwarze Elster" Großräschen
(Brandenburg), WIGEWA (Sachsen), Sömmerda (Thüringen) sowie Büdingen
und Obertshausen (Hessen). Von RWE Umwelt sollen Sortieranlagen in KölnChorweiler, Köln Heumar, Köln Niehl, Essen, Olpe, Erftstadt (NRW),
Riesa/Quersa (Sachsen), Hohenlockstedt (Schleswig-Holstein) sowie Wörth und
Saarlouis
(Rheinland-Pfalz/Saarland)
übernommen
werden.
Die
Anlagen
Mönchengladbach, Neuss, Horm (NRW), Döllnitz (Sachsen-Anhalt), Deponie
Flörsheim-Wicker (Hessen), Dresden, Espenhain (Sachsen) sowie Kavelstorf
(Mecklenburg-Vorpommern) verbleiben bei RWE Newco. Es ist nicht zu
erwarten, dass der Zusammenschluss auf einem der betroffenen regionalen
Märkte für die Sortierung von Gewerbeabfällen zur Entstehung oder Verstärkung
einer marktbeherrschenden Stellung führt.
14.1. Sachliche Marktabgrenzung
266. In einem früheren Verfahren74 hatte die Beschlussabteilung Hinweise gefunden,
dass die Sortierung von Gewerbeabfällen einen eigenständigen sachlichen Markt
darstellt, die genaue Marktabgrenzung insbesondere im Hinblick darauf, ob auch
andere Verwertungswege in den sachlichen Markt einzubeziehen sind, jedoch
offen gelassen. Auch im vorliegenden Verfahren muss hierüber nicht
entschieden werden, da sich auch bei einem auf Gewerbeabfallsortierung
beschränkten sachlichen Markt keine Wettbewerbsprobleme ergeben.
267. Gewerbeabfall ist je nach Anfallstelle relativ uneinheitlich zusammengesetzt
(gemischt erfasste Abfälle aus der gewerblichen Wirtschaft, produktionsspezifische Abfälle, hausmüllähnliche Gewerbeabfälle, Baustellenabfälle etc.).
Gewerbeabfallsortieranlagen müssen deshalb in der Lage sein, verschiedenste
Abfälle und Stoffe zu sortieren. Sie sind nicht so spezialisiert wie und i.d.R.
weniger komplex aufgebaut als LVP-Sortieranlagen. LVP wird den entspre-
73
74
Die Anlage ist außer Betrieb.
B10 – 142/01 Trienekens/AKM Olpe, Beschluss vom 28. Januar 2002, Ziff. 18ff.
102
chenden Anlagen in bereits vom Verbraucher vorsortierter Form zugeführt und
ist weniger mit anderen Abfällen wie Papier, Glas oder organischen und
mineralischen Abfällen vermischt. Von Gewerbeabfallsortieranlagen zu unterscheiden sind auch reine PPK-Sortieranlagen sowie Bauschuttaufbereitungsanlagen, die beide nicht in der Lage sind, den gemischten Input von
Gewerbeabfallsortieranlagen aufzunehmen und zu verarbeiten.
268. Die
Wettbewerbsbedingungen
für
die
Sortierung
von
Gewerbeabfällen
unterscheiden sich auch über die technischen Unterschiede der Sortieranlagen
hinaus deutlich von denen für LVP-Abfälle. Für LVP werden derzeit noch
überwiegend von DSD mehrjährige Verträge vergeben. Die Gewerbeabfallsortierung ist demgegenüber durch Spot-Geschäfte geprägt. Hieraus ergeben
sich völlig unterschiedliche Kundenbeziehungen und damit ein anderes
Vertriebs-Know-how.
269. Fraglich ist, ob neben der Gewerbeabfallsortierung andere Verwertungswege für
Gewerbeabfall, insbesondere die Verwertung in Müllverbrennungsanlagen, dem
gleichen sachlichen Markt angehört. Die Dienstleistungen von Sortieranlagen
und MVA unterscheiden sich; insbesondere bieten MVA keinerlei Möglichkeit
einer anschließenden Wiederverwertung von Sekundärrohstoffen, die positive
Preise erzielen. Nach den Feststellungen im Verfahren B10 – 142/01 ist die
Verwertung in MVAen auch um 30-50% teurer als die Verwertung über
Sortieranlagen. Der Anreiz, sich Gewerbeabfallsortieranlagen zu bedienen, wird
voraussichtlich ab 1.6.2005 noch steigen, da ab diesem Zeitpunkt Siedlungsabfälle nicht mehr unvorbehandelt deponiert werden dürfen, was wahrscheinlich
zu
einer
Verknappung
der
Verbrennungskapazitäten
insbesondere
für
Gewerbeabfall führen wird (siehe oben Ziff. 261).
14.2. Räumliche Marktabgrenzung
270. Die Beschlussabteilung hat bislang nur für Nordrhein-Westfalen den räumlichen
Markt für die Sortierung von Gewerbeabfällen abgegrenzt. Hier war im Verfahren
B10 – 142/01 Trienekens/AKM Olpe festgestellt worden, dass aus NordrheinWestfalen stammende Gewerbeabfälle zu mehr als 95% auch in NordrheinWestfalen sortiert werden75. Auf Basis dieses festgestellten tatsächlichen
Nachfrageverhaltens war die Beschlussabteilung zu dem Ergebnis gekommen,
dass Nordrhein-Westfalen wahrscheinlich eigenständigen räumlichen Markt für
75
Beschluss vom 28. Januar 2002, Ziff. 24ff.
103
die Sortierung von Gewerbeabfällen darstellt. Eine Einbeziehung von MVA in
den sachlichen Markt hätte ebenfalls zu keinem anderen Ergebnis geführt.
Letztlich war die genaue räumliche Marktabgrenzung jedoch offen gelassen
worden, da der Zusammenschluss selbst auf diesem engst möglichen räumlichen Markt nicht zu Wettbewerbsproblemen geführt hätte. Aus den gleichen
Gründen ist auch im vorliegenden Verfahren keine genaue räumliche Marktabgrenzung notwendig.
271. Zu Marktanteilsadditionen kommt es außer in Nordrhein-Westfalen nur noch in
Sachsen. Auch hier ist eine genaue räumliche Marktabgrenzung nicht notwendig,
da es selbst dann nicht zu Wettbewerbsproblemen kommt, wenn man auf das
Bundesland Sachsen als engstmöglichen räumlichen Markt abstellt.
14.3. Entstehung oder Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung
272. Die Anmelder schätzen das Marktvolumen für die Gewerbeabfallsortierung in
Nordrhein-Westfalen auf ca. 1,43 Mio. t. Dies scheint eher zu niedrig angesetzt.
Die
Beschlussabteilung
hatte
im
Verfahren
B10
–
142/01
einen
Gesamtdurchsatz von ca. 2,6 Mio. t und einen Durchsatz mit Gewerbeabfall aus
Nordrhein-Westfalen von 2,1 Mio. t festgestellt. Laut dem "Entsorgungsatlas
NRW"76 lag der Gesamtdurchsatz von Gewerbeabfall- und Baumischabfallsortieranlagen in Nordrhein-Westfalen bei ca. 2,98 Mio. t (Stand 6/2001). Auf
Basis des niedrigsten geschätzten Marktvolumens erzielt Remondis einen
Marktanteil von ca. 7-12% (Verfahren B10 - 142/01: <10%). Auf den zu
übernehmenden Teil von RWE Umwelt entfällt demnach ein Marktanteil von 1020% (Verfahren B10 – 142/01: 18-23%) , woraus sich ein addierter Marktanteil
von 20-30% (B10 – 142/01: gleiche Größenordnung) ergibt. Bei RWE Newco
verbleibt ein Marktanteil von 7-12%. Die Unternehmen Schönmackers und
Cleanaway sind ebenfalls mit Marktanteilen von 7-12% vertreten, AGR hält 510% Marktanteil, und es gibt zahlreiche weitere Wettbewerber mit Marktanteilen
<5%. Remondis wird nach dem Zusammenschluss in Nordrhein-Westfalen zwar
Marktführer für Gewerbeabfallsortierung. Der addierte Marktanteil der Zusammenschlussbeteiligten liegt jedoch noch deutlich unter der Marktbeherrschungsvermutung, und es sind mehrere größere Wettbewerber vertreten. Angesichts
dieser Marktstruktur ist nicht zu erwarten, dass der Zusammenschluss zur
76
a.a.O., S. 35
104
Entstehung
oder
Verstärkung
einer
marktbeherrschenden
Stellung
für
Gewerbeabfallsortierung in Nordrhein-Westfalen führt.
273. Für Sachsen, das einzige andere Bundesland, in dem es zu Marktanteilsadditionen kommt, schätzen die Anmelder das Marktvolumen auf ca. 480.000t.
Der Beschlussabteilung liegen nur Informationen über Gewerbeabfallsortieranlagen der Anmelder und einiger größerer Wettbewerber vor, die ein
Durchsatzvolumen von ca. 125.000t abdecken. Dies ist als Marktvolumen
erheblich zu gering geschätzt. Selbst auf Basis dieses ersichtlich zu geringen
Marktvolumens läge der addierte Marktanteil von Remondis/RWE Umwelt nach
dem Zusammenschluss unter 30%, auf Basis der Marktvolumensschätzung der
Anmelder unter 10%. Die beiden bei RWE Newco verbleibenden Gewerbeabfallsortieranlagen in Sachsen erzielen deutlich höhere Durchsätze als die Anlagen
der Anmelder. Auch Cleanaway, J. Becker und Nehlsen sind jeweils in Sachsen
mit Sortieranlagen vertreten. Zudem ist davon auszugehen, das weitere
Wettbewerber – auch kleinere Unternehmen – vertreten sind. Auf dieser Basis
kann
ohne
weitere
Ermittlungen
ausgeschlossen
werden,
dass
der
Zusammenschluss zur Entstehung oder Verstärkung einer marktbeherrschenden
Stellung auf dem Markt für die Sortierung von Gewerbeabfällen in Sachsen führt.
274. In den übrigen Bundesländern führt der Zusammenschluss nicht zu Marktanteilsadditionen. Remondis wird in keinem dieser Bundesland über mehr als 2
Gewerbeabfallsortieranlagen verfügen.
15. Aufbereitung von Altholz
275. Sowohl Remondis als auch RWE Umwelt sind im Bereich Sammlung, Transport
und Aufbereitung von Altholz aktiv. Remondis ist in den Bundesländern
Niedersachsen/Bremen,
Mecklenburg-Vorpommern,
Brandenburg/Berlin,
Sachsen-Anhalt, Thüringen und Nordrhein-Westfalen im Altholzbereich tätig. Von
RWE Umwelt übernommen werden sollen Altholzaktivitäten in SchleswigHolstein und Hamburg (Altholzaufbereitungsanlage Bargenstedt), Sachsen
(Aufbereitungsanlage Quersa), Nordrhein-Westfalen (teilweise Übernahme,
Anlagen Duisburg, Essen, Köln-Niehl und Hürth), Rheinland-Pfalz/Saarland
(Anlagen Bitburg, Wüschheim und Zweibrücken) sowie Baden-Württemberg
(Anlagen Freiburg und Villingen-Schwenningen). Nicht übernommen werden die
Aktivitäten von RWE Umwelt in Berlin/Brandenburg, Sachsen-Anhalt (Anlagen
Aschersleben, Farsleben und Halle), Mecklenburg-Vorpommern und die Anlage
105
Düsseldorf-Reisholz (Nordrhein-Westfalen). Der Zusammenschluss führt auf
keinem der betroffenen Regionalmärkte zur Entstehung oder Verstärkung einer
marktbeherrschenden Stellung.
15.1. Sachliche Marktabgrenzung
276. Die Beschlussabteilung war in früheren Verfahren im Bereich Erfassung und
Aufbereitung von Alt- und Restholz 77 zu dem Ergebnis gekommen, dass
Erfassung und Aufbereitung von Altholz einen eigenständigen sachlichen Markt
darstellt. U.a. sind auf diesem Markt teilweise andere Unternehmen tätig;
insbesondere Entsorgungsunternehmen beschäftigen sich in der Regel nur mit
Erfassung und Aufbereitung von Altholz, nicht aber Restholz, wo klassische
Holzhändler ihren Schwerpunkt haben. Die Preise von Alt- und Restholz
unterscheiden sich sowohl auf dem Entsorgungs- als auch auf dem
Sekundärrohstoffmarkt. Auf letzterem sind sie auch nicht beliebig austauschbar.
Eine Aufteilung des Altholzmarktes nach Marktstufen – insbesondere Erfassung
und Aufbereitung – ließ sich aus den Ermittlungen im Verfahren B10 – 23/01
nicht herleiten. Die entscheidende Marktstufe war danach die Erfassung;
Holzaufbereitungsanlagen werden dagegen hauptsächlich für den Eigenbedarf
betrieben (Drittdurchsatz <20%).
15.2. Räumliche Marktabgrenzung
277. Über die genaue räumliche Marktabgrenzung für Erfassung und Aufbereitung
von Altholz hat die Beschlussabteilung noch nicht entschieden. Auch im
vorliegenden Fall kann die räumliche Marktabgrenzung offen bleiben, da sich
weder bei Annahme enger räumlicher Märkte (Bundesländer) noch bei Annahme
größerer Regionalmärkte (Regionen Nord, Süd, Ost, West) Wettbewerbsprobleme ergeben. Die Annahme eines bundesweiten Marktes für Erfassung und
Aufbereitung von Altholz wäre allerdings nach den früheren Ermittlungen
wahrscheinlich zu groß (u.a. wegen mit Entfernung steigender Transportkosten).
Insbesondere größere Altholzerfasser beziehen ihr Holz jedoch aus mehreren
Bundesländern. Nachfolgend werden sowohl einzelne Bundesländer betrachtet
(wobei Hamburg mit Schleswig-Holstein, Bremen mit Niedersachsen, Berlin mit
Brandenburg und Saarland mit Rheinland-Pfalz jeweils zusammengefasst
werden) als auch die Regionen Nord (Schleswig-Holstein, Hamburg, Bremen,
Niedersachsen),
77
West
(Nordrhein-Westfalen,
Hessen,
Rheinland-Pfalz,
insbesondere B10 – 23/01 Interseroh/Fehring, vgl. Tätigkeitsbericht 2001/2002, S. 221f.
106
Saarland), Ost (Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Berlin, SachsenAnhalt, Sachsen, Thüringen) und Süd (Baden-Württemberg, Bayern).
15.3. Entstehung oder Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung
278. Die Marktanteile wurden auf Basis der Angaben von Remondis und RWE in der
Anmeldung
berechnet.
Zwischenberichts
Universität
78
Für
das
Marktvolumen
wurden
Daten
eines
von Prof. Mantau vom Lehrstuhl für Weltforstwirtschaft der
Hamburg
zugrundegelegt.
Der
Zwischenbericht
erfasst
ein
Altholzvolumen in der Bundesrepublik von ca. 4,3 Mio. t; dies ist jedoch
unterschätzt, da noch nicht alle Rückmeldungen von Befragten vorlagen. Prof.
Mantau gab telefonisch ein geschätztes Altholzvolumen von ca. 6 Mio. t
bundesweit an. Da sich jedoch bereits auf Basis der Daten des Zwischenberichts
keine Wettbewerbsprobleme ergeben, werden diese nachfolgend verwendet.
279. Auf einzelne Bundesländer (bzw. die oben unter Ziff. 277 zusammengefassten
Bundesländer) bezogen führt der Zusammenschluss lediglich in NordrheinWestfalen zu Marktanteilsadditionen bei Erfassung und Aufbereitung von Altholz.
In allen anderen Bundesländern ist entweder nur einer von beiden Zusammenschlussbeteiligten tätig, oder die entsprechenden Aktivitäten von RWE
Umwelt werden nicht von Remondis übernommen. Die Marktanteile von
Remondis liegen in allen Bundesländern mit Ausnahme Nordrhein-Westfalens
unter 15%. In Nordrhein-Westfalen hält Remondis einen Marktanteil von 10-15%,
RWE Umwelt erzielt 10-20% Marktanteil. Der addierte Marktanteil liegt bei 2530%. Als Wettbewerber sind mehrere Unternehmen – darunter neben
Entsorgern und Holzhändlern auch Spanplattenhersteller – mit Marktanteilen von
5-15% vertreten. Remondis/RWE Umwelt werden damit zwar Marktführer für
Erfassung
und
gemeinsamer
Aufbereitung
Marktanteil
von
liegt
Altholz
jedoch
in
noch
Nordrhein-Westfalen.
Ihr
deutlich
der
unterhalb
Marktbeherrschungsvermutung, und auch die übrige Marktstruktur lässt nicht
erwarten, dass der Zusammenschluss zur Entstehung oder Verstärkung einer
marktbeherrschenden Stellung führt.
280. Stellt man auf die – nach den Ermittlungen der Beschlussabteilung im Verfahren
B10 – 23/01 realistischeren – größeren Regionen Nord, West, Ost und Süd ab,
so ergeben sich die in der nachfolgenden Tabelle dargestellten Marktanteile:
78
Stand 2002
107
Nord
Marktvolumen
West
Ost
Süd
ca. 500.000t ca. 1,5 Mio. t ca. 700.000t ca. 1 Mio. t
Marktanteile
Remondis
<5%
5-10%
<5%
0%
RWE Umwelt
<5%
10-15%
<5%
<5%
Summe
<5%
15-25%
5-10%
<5%
Auch auf Basis dieser Marktabgrenzung kann angesichts der überwiegend unter
10% und auch in der Region West unter 25% liegenden addierten Marktanteile
ausgeschlossen werden, dass der Zusammenschluss zur Entstehung oder
Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung führt.
16. Recycling von mineralischen Baureststoffen
281. Sowohl Remondis als auch RWE Umwelt sind im Bereich des Recyclings von
mineralischen Baureststoffen tätig. Zu Überschneidungen der Tätigkeiten von
Remondis und RWE Umwelt kommt es nur im Bereich westliches NordrheinWestfalen. Remondis ist hier mit zwei Anlagen in Münster und Wuppertal sowie
einer semimobilen Anlage, die zeitweise am Standort Lünen aktiv ist, tätig. Von
RWE Umwelt sollen hier Anlagen in Düsseldorf (2), Essen (2), Köln (2),
Mettmann, Recklinghausen, Wülfrath und Duisburg übernommen werden. Der
Zusammenschluss
wird
nicht
zur
Entstehung
oder
Verstärkung
einer
marktbeherrschenden Stellung führen.
16.1. Sachliche Marktabgrenzung
282. Die Beschlussabteilung hat im Verfahren B10 – 131/01 festgestellt, dass das
Recycling von mineralischen Baureststoffen einen eigenständigen sachlichen
Markt darstellt79. Das Recycling mineralischer Baureststoffe (Bauschutt,
Straßenaufbruch und Boden- und Bauschuttgemisch) erfolgt in gesonderten, für
die
Aufbereitung
dieser
Stoffe
geeigneten
Anlagen.
Die
mineralischen
Baureststoffe werden – ggf. nach einer groben Vorsortierung – gesiebt,
gebrochen und klassiert. Gegebenenfalls erfolgt vor oder nach der Brechung
noch eine Befreiung von Störstoffen.
283. Mineralische Baureststoffe werden wegen des mit ihnen zu erzielenden positiven
Erlös nicht als Abfall betrachtet, sondern als Wirtschaftsgut. Sie werden deshalb
79
Beschluss vom 26. November 2001, Ziff. 28ff.
108
in aller Regel aufbereitet und nicht verfüllt oder abgelagert. Die Deponierung von
Bauschutt
ist
in
der
Regel
teurer
als
die
Behandlung
in
einer
Aufbereitungsanlage. Aus Sicht der Nachfrager von Entsorgungsleistungen für
mineralische Baustoffe bieten somit Recyclinganlagen mit der Möglichkeit der
anschließenden Wiederverwendung des aufbereiteten Materials eine andere
Leistung an als die auf Ablagerung gerichtete Verfüllung oder Deponierung.
16.2. Räumliche Marktabgrenzung
284. Im Verfahren B10 – 131/01 war festgestellt worden, dass die Einzugsbereiche
von Recyclinganlagen für mineralische Baureststoffe räumlich sehr begrenzt sind
(max. 30km um die Anlage herum). Die Beschlussabteilung hatte dabei auf die
ermittelbaren Wettbewerbsverhältnisse im Einzugsgebiet der Anlagen abgestellt.
Soweit sich die Einzugsbereiche der Anlagen der Zusammenschlussbeteiligten
(und damit die lokalen Märkte) dabei weiträumig überschnitten und nahtlos eine
größere Region abdeckten, wurde dabei auf diesen größeren räumlichen Markt
abgestellt80. Im vorliegenden Fall überschneiden sich die Einzugsbereiche der zu
erwerbenden Anlagen von RWE Umwelt in Nordrhein-Westfalen und die der
Remondis-Anlage in Wuppertal jeweils weiträumig und decken ein Gebiet ab,
dass sich in Nord-Süd-Richtung vom Süden des Landkreises Coesfeld bis nach
Bonn/Rhein-Sieg-Kreis und in West-Ost-Richtung von der Stadt Mönchengladbach bis zum Westen des Kreises Unna erstreckt (Markt westliches
Nordrhein-Westfalen). Für die übrigen Regionen ist keine genaue räumliche
Marktabgrenzung
erforderlich,
da
es
nicht
zu
Überschneidungen
der
Einzugsbereiche von Remondis- und RWE Umwelt-Anlagen kommt.
16.3. Entstehung oder Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung
285. Die Zusammenschlussbeteiligten schätzen das Marktvolumen für das Recycling
mineralischer Baureststoffe im Markt westliches Nordrhein-Westfalen auf ca.
7,95 Mio. t. Da im Verfahren B10 – 131/01 für 2000 ein Marktvolumen von knapp
8,3 Mio. t festgestellt worden war, scheint diese Schätzung nicht überhöht. Die
zu übernehmenden Anlagen von RWE Umwelt erreichen einen Marktanteil von
15-20%. Der Marktanteil der Remondis-Anlage in Wuppertal liegt bei unter 1%,
der Anteil der semimobilen Anlage Lünen bei unter 3%. Selbst wenn man die
Marktanteile der Anlage in Münster, deren Einzugsbereich sich nur am Rand mit
dem der zu erwerbenden Anlagen überschneidet, mitberücksichtigt, liegt der
80
B10 – 131/01, Beschluss vom 16. November 2001, Ziff. 48ff.
109
Marktanteil von Remondis unter 5%. Bei Berücksichtigung der RemondisAnlagen Wuppertal und Lünen liegt der addierte Marktanteil nach dem
Zusammenschluss bei 15-20%; auch noch die Berücksichtigung der Anlage
Münster würde zu keiner wesentlichen Änderung führen. Angesichts dieser
Marktanteile ist nicht zu erwarten, dass der Zusammenschluss zur Entstehung
oder Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung für das Recycling
mineralischer Baureststoffe im westlichen Nordrhein-Westfalen führen. In
anderen Regionen führt der Zusammenschluss nicht zu Marktanteilsadditionen.
17. Behandlung von Sonderabfällen in Chemisch-Physikalischen Behandlungsanlagen
286. Sowohl Remondis als auch RWE Umwelt sind im Bereich der Behandlung von
Sonderabfällen
in
chemisch-physikalischen
Behandlungsanlagen
("CPB-
Anlagen") tätig. Remondis betreibt CPB-Anlagen in Andernach (RheinlandPfalz), Marl, Gelsenkirchen (Nordrhein-Westfalen), Leipzig (Sachsen), Gifhorn
und Hannover (Niedersachsen). Von RWE Umwelt sollen CPB-Anlagen in
Rheinau,
Rastatt,
(Rheinland-Pfalz,
Karlsruhe
Anlage
(Baden-Württemberg),
wurde
lt.
Anmeldung
Höhr-Grenzhausen
2004
stillgelegt),
Mönchengladbach, Herne (Nordrhein-Westfalen), Dresden (Sachsen), Ohrdruf
(Thüringen), Gerwisch (Sachsen-Anhalt), Bramsche (Niedersachsen) und
Klausdorf (Schleswig-Holstein) übernommen werden.
17.1. Sachliche Marktabgrenzung
287. Die Anmeldung des Zusammenschlussvorhabens geht davon aus, dass die
Behandlung
von
Sonderabfällen
in
CPB-Anlagen
einen
eigenständigen
sachlichen Markt darstellt. Die Beschlussabteilung teilt diese Einschätzung. Für
die Entsorgung von Sonderabfällen (besonders überwachungsbedürftigen
Abfällen) bestehen besondere gesetzliche Anforderungen, die die Entsorgung
von Sonderabfällen von der Entsorgung anderer Abfallarten wie Siedlungs- und
Gewerbeabfällen
unterscheiden.
Nachfrager
von
Sonderabfall-
Entsorgungsleistungen sind u.a. Chemieunternehmen, metallverarbeitendes
Gewerbe, Druckereien und das grafische Gewerbe.
288. Je nach den Besonderheiten des zu entsorgenden Abfalls wird Sonderabfall
entweder in CPB-Anlagen behandelt, in Sonderabfallverbrennungsanlagen
verbrannt oder auf Sonderabfalldeponien abgelagert. Die Beschlussabteilung hat
110
in einem früheren Verfahren bereits festgestellt, dass die Verbrennung von
Sonderabfällen einen eigenständigen sachlichen Markt darstellt (siehe unten Ziff.
300). Da für Sonderabfälle großenteils entweder genaue gesetzliche Vorschriften
gelten, die den Entsorgungsweg vorschreiben, oder aufgrund ihrer physischen
Beschaffenheit bestimmte Entsorgungswege vorgegeben sind und sich darüber
hinaus
auch
die
Kosten
für
die
unterschiedlichen
Entsorgungswege
unterscheiden, ist davon auszugehen, dass auch die Behandlung in CPBAnlagen nicht mit anderen Wegen der Sonderabfallentsorgung austauschbar ist.
289. Der Markt für die Behandlung von Sonderabfällen in CPB-Anlagen könnte noch
in die Entsorgung organischer und die Entsorgung anorganischer Stoffe zu
unterscheiden
sein.
Die
Behandlungsmethoden
für
beide
Stoffarten
unterscheiden sich. Ein großer Teil der CPB-Anlagen ist entweder auf die
Behandlung organischer oder anorganischer Stoffe spezialisiert; die übrigen
Anlagen können sowohl organische als auch anorganische Stoffe durchsetzen.
Diese Frage muss im vorliegenden Verfahren jedoch nicht entschieden werden,
da sich bei keiner sachlichen Marktabgrenzung Wettbewerbsprobleme ergeben.
290. Seitens des bvse wurde vorgebracht, dass Ersatzbrennstoffanlagen teilweise die
gleichen Abfallarten annehmen können wie CPB-Anlagen, so dass auch diese
Anlagen – soweit sie relevante Abfallarten durchsetzen – in den Markt
miteinzubeziehen seien. Dieses Vorbringen scheint der Beschlussabteilung nicht
schlüssig. Seitens der Anmelder wurde insbesondere belegt, dass die von der
Beigeladenen
angeführte
Remondis-Anlage
Lippewerk
Lünen
keine
entsprechenden Abfälle annimmt. Die Anlage ist allerdings für die Verbrennung
bestimmter Sonderabfallarten zugelassen; die entsprechenden Durchsätze
werden im Markt für Sonderabfallverbrennung (siehe unten) berücksichtigt.
17.2. Räumliche Marktabgrenzung
291. Nach den Informationen der Beschlussabteilung ist der Einzugsbereich von
CPB-Anlagen räumlich regional; genannt wurde ein Einzugsbereich von etwa
100km für die häufigsten Schadstoffarten. Für besondere Verunreinigungen,
insbesondere für anorganische Stoffe, könne der Einzugsbereich jedoch auch
deutlich größer sein. Eine Andienungspflicht für Sonderabfälle, die zumindest
dem Abfallbesitzer keine Entsorgung außerhalb des eigenen Bundeslandes
ermöglicht, besteht nach Kenntnis der Beschlussabteilung nur in Hessen, so
dass die Einzugsbereiche von CPB-Anlagen nicht zwingend auf Bundesländer
111
begrenzt sind. Letztlich kann die genaue räumliche Marktabgrenzung jedoch
offen gelassen werden, da sich weder auf Basis von auf Bundesländer
begrenzten Märkten noch auf Basis von größeren Räumen Wettbewerbsprobleme ergeben.
17.3. Entstehung oder Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung
292. Remondis betreibt in Nordrhein-Westfalen eine für Dritte zugängliche CPBAnlage in Marl. Die Anlage in Gelsenkirchen wurde im Auftrag eines
Chemieunternehmens errichtet und nimmt ausschließlich Sonderabfälle dieses
Unternehmens auf. Erworben werden von RWE Umwelt die Anlagen
Mönchengladbach und Herne. Die Anlagen Mönchengladbach und Marl sind
jeweils auf organische Sonderabfälle ausgerichtet, die Anlage Herne kann
sowohl organische als auch anorganische Stoffe durchsetzen. nI NordrheinWestfalen sind insgesamt mindestens 23 auf organische Stoffe spezialisierte und
gemischte CPB-Anlagen mit einer Gesamtkapazität von ca. 1,2 Mio. t/a
vorhanden. Die oberen nordrhein-westfälischen Umweltbehörden81, die vom
Bundeskartellamt in dieser Angelegenheit befragt wurden, gehen von insgesamt
40 relevanten Anlagen mit einer Kapazität von ca, 1,7 Mio. t/a aus. Auf
Remondis
entfällt
unter
Einrechnung
der
Anlage
Gelsenkirchen
ein
Kapazitätsanteil von ca. 6% (Basis Marktvolumen 1,2 Mio. t/a) bzw. ca. 5%
(Basis Marktvolumen 1,7 Mio. t/a), auf die von RWE Umwelt erworbenen
Anlagen ein Kapazitätsanteil von ca. 17% (Marktvolumen 1,2 Mio. t/a) bzw. 12%
(Marktvolumen 1,7 Mio. t/a). Der addierte Kapazitätsanteil nach dem
Zusammenschluss liegt somit bei höchstens ca. 23% (Marktvolumen 1,2 Mio.
t/a). Auf die bei RWE Newco verbleibenden CPB-Anlagen Bielefeld und HagenHohenlimburg entfällt ein Kapazitätsanteil von ca. 13%.
293. Das durchsatzbezogene Marktvolumen lag 2002 bei ca. 571.000t bzw. 820.000t
bei der umfangreicheren Anlagenliste und 2003 bei ca. 526.000t bzw. 780.000t.
Die durchsatzbezogenen Marktanteile von Rethmann lagen 2002 und 2003
jeweils bei 3-7% (Marktvolumen 571.000t) bzw. unter 5% (Marktvolumen
820.000t). Auf die zu übernehmenden Anlagen von RWE Umwelt entfielen 2025% (Basis 571.000t) bzw. 15-20% (Basis 820.000t). Beim niedrigeren
Marktvolumen liegen die addierten Marktanteile somit bei ca. 25-30%, beim
höheren Marktvolumen bei unter 25%. Die addierten Marktanteile nach dem
81
Ministerium für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz des Landes
Nordrhein-Westfalen ("MUNLV"), Landesumweltamt Nordrhein-Westfalen
112
Zusammenschluss sind niedriger als die Anteile von RWE Umwelt allein vor dem
Zusammenschluss. RWE Newco hält Marktanteile von 8-13% (niedriges
Marktvolumen) bzw. 5-10% (höheres Marktvolumen). Es sind mindestens vier
weitere Wettbewerber mit Marktanteilen von 5-10% (niedriges Marktvolumen)
vertreten,
darunter
AGR
und
Lobbe.
Angesichts
der
selbst
beim
niedrigstmöglichen Marktvolumen unter der Marktbeherrschungsvermutung
liegenden addierten Marktanteil der Zusammenschlussbeteiligten, der zudem
niedriger ist als der von RWE Umwelt vor dem Zusammenschluss, ist nicht zu
erwarten, dass der Zusammenschluss zur Entstehung oder Verstärkung einer
marktbeherrschenden Stellung führt.
294. Remondis übernimmt in Rheinland-Pfalz die stillgelegte CPB-Anlage HöhrGrenzhausen von RWE Umwelt. Remondis ist selbst mit einer PCB-Anlage in
Andernach aktiv. Das Marktvolumen in Rheinland-Pfalz/Saarland wird in der
Anmeldung mit ca. 106.000t beziffert, der Marktanteil von RWE Umwelt auf
Basis der Durchsätze von 2003 mit 15-20%, der von Remondis mit <10%.
Daraus ergäbe sich ein addierter Marktanteil von 20-25%. Zu berücksichtigen ist
jedoch, dass es angesichts der Stilllegung der Anlage Höhr-Grenzhausen aktuell
gar nicht zu Marktanteilsadditionen kommt. In Rheinland-Pfalz sind weitere mindestens 5 CPB-Anlagen in Betrieb, darunter eine von J. Becker. Vor diesem
Hintergrund ist nicht davon auszugehen, dass der Zusammenschluss zur
Entstehung oder Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung für die
Entsorgung von Sonderabfällen in CPB-Anlagen in Rheinland-Pfalz führt.
295. In Niedersachsen/Bremen übernimmt Remondis von RWE Umwelt die CPBAnlage in Bramsche. Remondis selbst betreibt CPB-Anlagen in Gifhorn und
Hannover. Das Marktvolumen schätzen die Zusammenschlussbeteiligten auf gut
250.000t. Der Marktanteil von Remondis läge nach diesen Daten bei unter 5%,
der von RWE Umwelt bei 18-23%. Damit läge der addierte Marktanteil bei 2030%. Nächstgrößere Wettbewerber sind Nehlsen mit einem Marktanteil von 1520% und Blum, Melle, mit einem Marktanteil von 10-15%. Drei weitere
Wettbewerber
folgen
mit
Marktanteilen
von
5-10%. Angesichts dieser
Marktstruktur kann ausgeschlossen werden, dass der Zusammenschluss zur
Entstehung oder Verstärkung einer einzelmarktbeherrschenden Stellung führt.
Remondis/RWE Umwelt, Nehlsen und Blum erfüllen allerdings die Oligopolvermutung, die auch bereits vor dem Zusammenschluss von RWE Umwelt,
Nehlsen und Blum erfüllt war. Der Zusammenschluss führt dazu, dass die
113
Marktanteilsverteilung im Oligopol asymmetrischer wird. Angesichts dessen
sowie dem geringen Abstand von Blum zu mehreren nachfolgenden Wettbewerbern und stark unterschiedlichen unternehmerischen Strukturfaktoren und
unternehmerischer Ausrichtungen jedenfalls im Hinblick auf Blum ist nicht zu
erwarten, dass der Zusammenschluss zur Entstehung oder Verstärkung eines
marktbeherrschenden Oligopols führen wird.
296. In den östlichen Bundesländern kommt es nur in Sachsen zu Marktanteilsadditionen. Remondis betreibt in Sachsen eine CPB-Anlage in Leipzig und
übernimmt von RWE Umwelt eine weitere Anlage in Dresden. Die Anmelder
gehen von einem Marktvolumen von 300.000-350.000t in Sachsen aus. Der
Marktanteil von Remondis liegt nach diesen Angaben bei 5-10%, der von RWE
Umwelt bei 20-25%. Der addierte Marktanteil erreicht 25-35%, liegt jedoch unter
der Marktbeherrschungsvermutung. Wettbewerber sind u.a. Baufeld und Lobbe
(Marktanteil jeweils <10%). In Thüringen und Sachsen-Anhalt ist Remondis vor
dem Zusammenschluss jeweils nicht vertreten und erwirbt jeweils eine Anlage
von RWE Umwelt (Marktanteil in Thüringen: 30-35%, Wettbewerber u.a. Akzo,
Sachsen-Anhalt: 20-30%). Fasst man diese drei Bundesländer zusammen, da
sich die Einzugsbereiche der Anlagen relativ weiträumig überschneiden, erreicht
der addierte Marktanteil in dem Gesamtgebiet mit 25-35% die gleiche Höhe wie
in Sachsen. Zu berücksichtigen wäre allerdings auch noch Wettbewerb von
Anlagen in Brandenburg (u.a. J. Becker und Alba mit relativ großen Anlagen),
deren Einzugsbereich sich ebenfalls mit dem der Anlagen von Remondis/RWE
Umwelt überschneidet. Vor diesem Hintergrund ist nicht zu erwarten, dass der
Zusammenschluss zur Entstehung oder Verstärkung einer marktbeherrschenden
Stellung auf dem Markt für CPB-Anlagen in Sachsen, Sachsen-Anhalt und
Thüringen bundeslandbezogen oder länderübergreifend kommt.
297. In Baden-Württemberg übernimmt Remondis von RWE Umwelt 3 CPB-Anlagen,
die laut Angaben in der Anmeldung einem Marktanteil von 20-25% entsprechen.
Es kommt jedoch nicht zu Marktanteilsadditionen, da Remondis in BadenWürttemberg nicht über CPB-Anlagen verfügt. Der Einzugsbereich der
nächstgelegenen Remondis-Anlage in Andernach (nördliches Rheinland-Pfalz)
überschneidet
sich
allenfalls
im
äußersten
Randbereich
mit
den
Einzugsbereichen der beiden nördlichsten der erworbenen Anlagen. Die
Entstehung
oder
Verstärkung
einer
marktbeherrschenden
Stellung
von
Remondis/RWE Umwelt auf dem Markt der Behandlung von Sonderabfällen in
114
CPB-Anlagen in Baden-Württemberg oder einem auf den Einzugsbereichen der
erworbenen Anlagen basierenden räumlichen Markt (westliche 2/3 von BadenWürttemberg, südöstliches Rheinland-Pfalz) kann ausgeschlossen werden.
298. In Schleswig-Holstein erwirbt Remondis eine CPB-Anlage von RWE Umwelt
(Marktanteil laut Anmeldung 15-20%), ist aber selbst bisher noch nicht auf
diesem Markt vertreten. Der Einzugsbereich dieser Anlage überschneidet sich
nicht mit einer der Anlagen von Remondis oder einer weiteren erworbenen
Anlage. Es kommt deshalb unabhängig von der räumlichen Marktabgrenzung
nicht zu Marktanteilsadditionen. Die Entstehung oder Verstärkung einer
marktbeherrschenden Stellung kann ausgeschlossen werden.
18. Sonderabfallverbrennung
299. Sowohl Remondis als auch RWE Umwelt sind bei der Verbrennung von
Sonderabfällen tätig. Remondis verfügt allerdings nicht über eine spezielle
Sonderabfallverbrennungsanlage, sondern verbrennt in gewissem Umfang
Sonderabfälle im Kraftwerk Lippewerk Lünen. Von RWE übernommen werden
sollen die Sonderabfallverbrennungsanlagen in Wesseling, Bramsche und SAVA
Brunsbüttel. Der Zusammenschluss wird nicht zu Wettbewerbsproblemen bei der
Verbrennung von Sonderabfällen führen.
18.1. Sachliche Marktabgrenzung
300. Im Verfahren B10 – 207/01 war die Beschlussabteilung zu dem Ergebnis
gekommen, dass die Verbrennung von Sonderabfällen einen eigenständigen
sachlichen Markt darstellt82. Nach dem LAGA-Abfallartenkatalog sind bestimmte
Sonderabfallarten
(2001:
151)
dem
Behandlungsweg
der
Verbrennung
zugeordnet. Die Verbrennung darf nur in Anlagen erfolgen, die für die jeweilige
Abfallart über eine ausdrückliche Genehmigung verfügen. Jede Sonderabfallverbrennungsanlage hat einen behördlich genehmigten Annahmekatalog. Darüber
hinaus stehen für einzelne Abfallarten auch Verbrennungskapazitäten in anderen
Anlagen wie z.B. Zementwerken zur Verfügung. Deren tatsächliche Nutzung war
2001 jedoch noch gering und nicht für alle dem Behandlungsweg der
Verbrennung zugeordneten Abfallarten zulässig. Deshalb hatte das Bundeskartellamt lediglich einen geringen Substitutionswettbewerb dieser Anlagen
festgestellt.
82
Beschluss vom 21. Januar 2002, Ziff. 12ff.
115
301. Die am Markt als Anbieter auftretenden Sonderabfallverbrennungsanlagen sind
zum Teil Anlagen von großen Chemieunternehmen oder Raffinerien, die
ursprünglich für den eigenen Bedarf dieser Unternehmen errichtet wurden und
diesen auch nach wie vor decken. Sofern freie Kapazitäten vorhanden sind,
werden diese aber auch Dritten zugänglich gemacht und sind damit marktwirksam. Andere Anlagen sind ausschließlich zur Verbrennung von Abfällen
Dritter errichtet worden.
302. Nachfrager von Sonderabfallverbrennungsleistungen sind überwiegend Entsorgungsunternehmen, die den Sonderabfall an den Anfallstellen einsammeln und
für diesen abfallrechtskonforme Verwertungs- oder Beseitigungswege benötigen.
18.2. Räumliche Marktabgrenzung
303. Die Ermittlungen im Verfahren B10 – 207/01 hatten ergeben, dass das
Einzugsgebiet von Sonderabfallverbrennungsanlagen für den Großteil (75%) der
behandelten Abfälle mehr als 300km beträgt. Damit sind die Überschneidungen
der Einzugsbereiche der Sonderabfallverbrennungsanlagen so groß, dass davon
auszugehen ist, dass Sonderabfallverbrennungsanlagen bundesweit miteinander
im Wettbewerb stehen. In den meisten Bundesländern (Ausnahme: Hessen)
bestehen keine Andienungs- und Überlassungszwänge für Sonderabfälle, die
einer Verbringung in andere Bundesländer entgegenstehen würden. Auch
aufgrund der hohen Behandlungskosten (2001 zwischen 200 und 500 €, mit
einem geschätzten Durchschnittswert von ca. 350 €) und der Bandbreite der
Entsorgungspreise ist ein Transport über weite Strecken wirtschaftlich möglich
und lässt auf einen bundesweiten Markt schließen.
18.3. Entstehung oder Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung
304. Die Anmelder gehen von einem Marktvolumen für die Verbrennung von
Sonderabfällen in Deutschland von 1,37 Mio. t aus. Die Ermittlungen im
Verfahren B10 – 207/01 hatten für das Jahr 2001 allerdings nur einen
marktwirksamen Durchsatz von ca. 750.000 t ergeben. Auch wenn man von dem
niedrigeren Marktvolumen von 750.000t ausgeht, führt der Zusammenschluss
nicht zu Wettbewerbsproblemen. Der Marktanteil von Remondis für die
Verbrennung von Sonderabfällen liegt unter 5%, RWE Umwelt erzielt einen
Marktanteil von 10-20%. Der addierte Marktanteil von Remondis liegt somit bei
15-20%. Würde man auf das höhere von den Anmeldern genannte
116
Marktvolumen abstellen, läge der addierte Marktanteil nur bei 7-13%. GSB ist mit
mindestens vergleichbar hohem Marktanteil wie die Zusammenschlussbeteiligten
vertreten, die nachfolgenden Wettbewerber HIM, AVG Hamburg und AGR halten
jeweils Marktanteile von 5-10%. Die zwischen Remondis, RWE Umwelt und AGR
bestehende Verflechtung über die SNW ist inzwischen beendet, da diese
Gesellschaft in Liquidation ist. Angesichts dieser Marktstruktur kann ausgeschlossen werden, dass der Zusammenschluss zur Entstehung oder Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung für die Verbrennung von Sonderabfall in Deutschland führt.
19. Sonstiges
305. Vom bvse war vorgetragen worden, dass der Zusammenschluss auch auf den
eigenständigen sachlichen Märkten der Entsorgung von Fotochemikalien zu
Wettbewerbsproblemen führen könnte. RWE Umwelt war hier nur über ihre
Beteiligung an der Elektromark Umwelt GmbH, Hagen, tätig. Diese Gesellschaft
ist jedoch 2003 in Insolvenz gegangen. Die entsprechenden Aktivitäten wurden
im Rahmen des Insolvenzverfahrens an Dritte veräußert. Remondis übernimmt
nur noch den leeren Firmenmantel der Elektromark Umwelt GmbH.
306. Der bvse hat ferner vorgetragen, dass die Konditionierung von Sonderabfällen in
Sonderabfallzwischenlagern (Bündelung, Behandlung, Trennung, Mischung)
einen eigenständigen sachlichen und Baden-Württemberg aufgrund abfallrechtlicher Andienungspflichten für diesen Bereich einen eigenständigen
räumlichen Markt darstelle. Auf diesem Markt führe der Zusammenschluss zu
Kapazitätsanteilen
von
mindestens
46%
und
zu
durchsatzbezogenen
Marktanteilen von geschätzten 66%. Die Zusammenschlussbeteiligten bestreiten
die Existenz eines gesonderten Produktmarktes für die Konditionierung von
Sonderabfällen in Zwischenlagern. Auch im Abfallwirtschaftsplan für BadenWürttemberg, Teilplan Sonderabfälle, werden Zwischenlager und CPB-Anlagen
zusammengefasst (AWP, S. 29). Die Beschlussabteilung teilt die Auffassung,
dass aus Nachfragersicht Sonderabfallzwischenlager und Endbehandlungsanlagen (z.B. CPB-Anlagen) weitgehend austauschbar sind. Laut AWP wurden
2001 in Baden-Württemberg ca. 440.000t Sonderabfälle in Zwischenlagern und
CPB-Anlagen behandelt (AWP, S. 29). Bezogen auf dieses Marktvolumen läge
der Marktanteil von Remondis/RWE Umwelt nach dem Zusammenschluss und
bezogen auf die addierten Durchsätze von Zwischenlagern und CPB-Anlagen
117
bei 15-25%. Die Entstehung oder Verstärkung einer marktbeherrschenden
Stellung ist damit nicht zu erwarten.
307. Selbst wenn man einen eigenständigen Markt für Sonderabfallzwischenlager
unterstellt, bestehen erhebliche Zweifel im Hinblick auf die Höhe des von der
Beigeladenen auf 78.000t geschätzten Marktvolumens. Laut AWP (S. 34/35)
liegen die Kapazitäten von CPB-Anlagen in Baden-Württemberg nur bei
278.100t. Bei einem Gesamtdurchsatz von 440.000t für Zwischenlager und CPBAnlagen müssen demnach ca. 160.000t auf Zwischenlager entfallen. Legt man
dies als Marktvolumen zugrunde, liegt der Marktanteil der Zusammenschlussbeteiligten auch für die Konditionierung von Sonderabfällen in Zwischenlagern bei 15-25%. Zudem haben die Ermittlungen ergeben, dass die
Beigeladene zu 7. die Durchsätze beider Zusammenschlussbeteiligter teilweise
erheblich zu hoch geschätzt hat; insbesondere bei RWE Umwelt/MVG beinhaltet
die im Internet genannte Durchsatzmenge nicht nur den Durchsatz im
Zwischenlager, sondern auch den Durchsatz einer CPB-Anlage. Bei Zugrundelegung der tatsächlichen Durchsätze läge der addierte Marktanteil der Zusammenschlussbeteiligten auch bei dem von der Beigeladenen unterstellten
Marktvolumen nicht bei über 60%, sondern bei 35-45%. Der Verhaltensspielraum
der Zusammenschlussbeteiligten würde jedoch durch den Wettbewerb auf dem
eng benachbarten Markt der CPB-Anlagen, wo der Marktanteil der Beteiligten
unter 25% liegt, kontrolliert. Vor diesem Hintergrund ist nach Auffassung der
Beschlussabteilung nicht zu erwarten, dass der Zusammenschluss zur Entstehung oder Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung auf einem unterstellten Markt der Konditionierung von Sonderabfällen in Zwischenlagern in
Baden-Württemberg führt.
V. BEDINGUNGEN UND AUFLAGEN
308. Das Zusammenschlussvorhaben wird gemäß § 40 Abs. 3 S. 1 GWB mit den im
Tenor aufgeführten Auflagen und aufschiebenden Bedingungen freigegeben. Die
Auflagen zu Tenor I.A.1.1. bis 1.3. sind geeignet, erforderlich und angemessen,
um die Untersagungsvoraussetzungen auf den Märkten der Sammlung und des
Transports von Altglas im Großraum Nordrhein-Westfalen, der Aufbereitung von
Altglas in Deutschland und der Verwertung von Kühl- und Gefriergeräten in
Deutschland zu beseitigen. Die aufschiebenden Bedingungen zu Tenor I.A.1.4.
ist geeignet, erforderlich und angemessen, um die Untersagungsvorausset-
118
zungen des § 36 Abs. 1 GWB auf dem Markt der flächendeckenden Entsorgung
von Gewerbeabfällen zu beseitigen.
1. Markt der Sammlung und des Transports von Altglas im Großraum NordrheinWestfalen
309. Nach Erfüllung der Auflage zu A.1.2. wird der Marktanteil von Remondis für
Sammlung und Transport von Altglas im Großraum Nordrhein-Westfalen auf
27,3% reduziert. Ein Marktanteilszuwachs findet damit nicht mehr statt; der
Marktanteil nach dem Zusammenschluss wird sogar niedriger sein als der von
Remondis allein vor dem Zusammenschluss. Insgesamt wird der zusammenschlussbedingte Marktanteilszuwachs durch die Auflage um 28% überkompensiert. In Nordrhein-Westfalen liegt die einwohnerbezogene Überkompensation bei 14%. In Rheinland-Pfalz führt der Zusammenschluss zu einer
Marktanteilsaddition; der addierte Marktanteil, der ohne Kompensation die
Schwelle der Einzelmarktbeherrschungsvermutung überschritten hätte, wird jedoch nach der Erfüllung der Auflage unter 30% liegen. Unter Berücksichtigung
qualitativer Aspekte – wie Vertragsvolumen, Preis pro Einwohner und Restlaufzeit der Verträge – war allerdings auch die Abschmelzung in einer über dem
Marktanteilszuwachs liegenden Höhe erforderlich. Angesichts des deutlich unter
der Marktbeherrschungsvermutung liegenden Marktanteils, der zudem niedriger
ist als der von Remondis vor dem Zusammenschluss gehaltene Marktanteil, ist
die Entstehung oder Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung durch den
Zusammenschluss nach Erfüllung der Auflage nicht mehr zu erwarten.
310. Mit den Verträgen über Sammlung und Transport von Altglas müssen auch die
dazugehörigen Infrastruktureinrichtungen (z.B. Behälter, Fahrzeuge, Personal
und ggf. Umschlagseinrichtungen) veräußert werden. Die Veräußerung der zur
Durchführung der Verträge benötigten Infrastruktureinrichtungen ist erforderlich,
um dem Erwerber ein schnelles operatives Tätigwerden zu erlauben und zu
verhindern, dass über Subunternehmerverträge letztlich doch der bisherige
Vertragsinhaber die operative Tätigkeit weiterführt. Darüber hinaus stellt dieser
Teil der Auflage sicher, dass nicht nur die derzeitigen Verträge, sondern auch
das dazugehörige Wettbewerbspotenzial auf den Erwerber übergeht. Der Erwerb
der Infrastruktur erhöht zudem die Chancen des Vertragserwerbers auf den
Erhalt des Zuschlags bei der nächsten Ausschreibung. Sofern ein Erwerber
diese Infrastruktur jedoch nicht benötigt, da er selbst im betroffenen Gebiet über
119
hinreichende Infrastruktur verfügt, muss er die Möglichkeit haben, auf einen
Erwerb einzelner Vermögensteile verzichten zu können (Tenor I.A.2. oben).
311. Die für die Veräußerung gesetzte Frist von [...] nach Zustellung des Beschlusses
für den Abschluss des schuldrechtlichen Verkaufsvertrags ist angemessen im
Hinblick darauf, dass die Verträge nur eine relativ geringe Restlaufzeit haben (bis
Ende 2006 für die 2003 vergebenen Verträge, bis Ende 2007 für die 2004
vergebenen Verträge), so dass eine Veräußerung möglichst schnell erfolgen
muss. Zu den weiteren Bestimmungen (u.a. Anforderungen an den/die Erwerber,
Berichtspflichten) siehe unten Ziff. 318ff.
2. Markt für die Aufbereitung von Altglas
312. Auf dem Markt für die Aufbereitung von Glas werden durch die Auflage
Verflechtungen zwischen Remondis und den Wettbewerbern Cleanaway und
Reiling aufgelöst. Unter Berücksichtigung der Beschlussabteilungspraxis, wonach die Marktanteile von mitkontrollierten Gemeinschaftsunternehmen dem
Anteilseigner jeweils voll zugerechnet werden, führt der Zusammenschluss nach
Vollzug der Auflage nicht zu Marktanteilsadditionen. Angesichts der starken
Marktstellung von Remondis bereits vor dem Zusammenschluss sind allerdings
die Veräußerungen der Anteile an den Gemeinschaftsunternehmen mit Reiling
und Cleanaway sowie die Weiterveräußerung der RWE-Umwelt-Glasaufbereitungsanlagen mit Ausnahme der Anteile an den Gemeinschaftsunternehmen in Bennstedt und Germersheim notwendig, aber auch ausreichend, um die
Entstehung einer marktbeherrschenden Stellung zu verhindern. Da für den
wirtschaftlich
erfolgreichen
Betrieb
von
Glasaufbereitungsanlagen
deren
Auslastung auf einem von Überkapazitäten geprägten Markt besonders wichtig
ist, müssen auch die Vertragsbeziehungen der zu veräußernden Anlagen,
insbesondere die Verträge mit den Glashütten, die über die Auslastung der
Anlagen entscheiden, an den Erwerber übergehen. Da insbesondere die
Verträge zwischen den Zusammenschlussbeteiligten und der GGA im Hinblick
auf die Zuordnung der gesammelten Mengen auf die Aufbereitungsanlagen
unterzeichnet sind, ist kein "Umsteuern" von Glasmengen mehr zu erwarten.
313. Die Frist von [...] ab Zustellung des Beschlusses für den Abschluss des
schuldrechtlichen Verkaufsvertrags ist angemessen, um sicherzustellen, dass
die betroffenen Anlagen schnell nach Vollzug des Zusammenschlusses
zumindest schuldrechtlich weiterveräußert werden, da der dingliche Vollzug der
120
Weiterveräußerung aufgrund der noch erforderlichen Separierung, wie von den
Zusammenschlussbeteiligten glaubhaft vorgetragen, eine längere Frist von [...]
Monaten notwendig macht. Um zu verhindern, dass Remondis in dem Zeitraum
nach der schuldrechtlichen Veräußerung, aber vor dem dinglichen Vollzug der
Weiterveräußerung Maßnahmen trifft, die den Wert der weiterveräußerten
Anlagen schmälern könnten, sind die unter Tenor I.B. oben ausgeführten
Sicherungsrechte zugunsten des Erwerbers notwendig. Für die Veräußerung der
Beteiligungen an Gemeinschaftsunternehmen bestehen die genannten Probleme
der Separierung zwar nicht. Hier wird jedoch der wirtschaftliche Wert und die
Wettbewerbsstellung der Gemeinschaftsunternehmen durch das Interesse und
den Einfluss der Mitgesellschafter in ausreichendem Maße sichergestellt. Zu den
weiteren Bestimmungen (u.a. Anforderungen an den/die Erwerber, Berichtspflichten) siehe unten Ziff. 318ff.
3. Markt für die Verwertung von Kühl- und Gefriergeräten
314. Durch die Auflage zu Tenor I.A.1.1. wird verhindert, dass der addierte Marktanteil
nach dem Zusammenschluss auf mehr als 23-28% steigt. Angesichts dieses
unter der Marktbeherrschungsvermutung liegenden Marktanteils ist nicht mehr
zu erwarten, dass der Zusammenschluss zur Entstehung oder Verstärkung einer
marktbeherrschenden Stellung für die Verwertung von Kühl- und Gefriergeräten
führt. Die Weiterveräußerung der drei in der Auflage benannten Verwertungsanlagen ist allerdings auch notwendig, da Remondis mit deutlichem
Marktanteilsabstand Marktführer ist und als einziger Wettbewerber bundesweit
über Aufbereitungskapazitäten verfügt.
315. Die Frist von [...] ab Zustellung des Beschlusses für den Abschluss der
schuldrechtlichen Verkaufsverträge ist vor dem Hintergrund der neueren
Entwicklungen auf dem Markt für die Verwertung von Kühl- und Gefriergeräten
notwendig. Das bevorstehende Inkrafttreten des Elektro- und Elektronikgesetzes,
nach dem Hersteller und andere Inverkehrbringer von u.a. Kühl- und
Gefriergeräten zur Rücknahme und Verwertung von Altgeräten verpflichtet sind,
führt dazu, dass Hersteller und Herstellerkooperationen innerhalb der nächsten
Monate Angebote von Kühl- und Gefriergeräteverwerten einholen werden. Damit
die zukünftigen Erwerber hier bereits aktiv werden können, muss innerhalb
kürzester Frist erkennbar sein, an wen die betroffenen Anlagen veräußert
werden. Für den dinglichen Vollzug der Weiterveräußerung ist wiederum, wie bei
Glasaufbereitungsanlagen, eine etwas längere Frist von [...] Monaten notwendig
121
und angemessen. Um zu verhindern, dass Remondis in dem Zeitraum nach der
schuldrechtlichen
Veräußerung,
aber
vor
dem
dinglichen
Vollzug
der
Weiterveräußerung Maßnahmen trifft, die den Wert der weiterveräußerten
Anlagen schmälern könnten, sind auch hier die unter Tenor I.B.2. bis I.B.5. oben
ausgeführten Sicherungsrechte zugunsten des Erwerbers erforderlich. Zu den
weiteren Bestimmungen (u.a. Anforderungen an den/die Erwerber, Berichtspflichten) siehe unten Ziff. 318ff.
4. Markt für die flächendeckende Entsorgung gewerblicher Anfallstellen
316. Durch die aufschiebenden Bedingungen zu Tenor I.A.1.4. wird die strukturelle
Verflechtung zwischen Remondis/RWE Umwelt und Interseroh beseitigt, die den
schwergewichtigsten Plusfaktor für die Entstehung eines marktbeherrschenden
Oligopols darstellte. Da die sonstigen Strukturfaktoren von Remondis und
Interseroh sich unterscheiden und auch die Marktanteile nicht symmetrisch sind,
ist nach der Veräußerung der Interseroh-Beteiligung von Remondis die
Entstehung
eines
marktbeherrschenden
Oligopols
auf
dem
Markt
der
flächendeckenden Gewerbeabfallentsorgung nicht mehr zu erwarten. Die
aufschiebenden Bedingungen sind allerdings auch erforderlich, um dieses Ziel
sofort zu erreichen, da durch den Zusammenschluss ansonsten der stärkste
nicht an Interseroh beteiligte Wettbewerber mit dem Vollzug des Zusammenschlusses neutralisiert worden wäre. Um dies zu verhindern, si t es zudem
notwendig, dass nicht nur der Aktienbesitz von Remondis an Interseroh
veräußert wird, sondern dass auch alle weiteren Plusfaktoren – insbesondere
der Aufsichtsratssitz, aber auch eventuelle Options- oder Rückübertragungsverträge – aufgegeben werden, damit zukünftig weder kapitalmäßige noch
sonstige Verflechtungen zwischen Remondis und Interseroh bestehen.
317. Um den Vollzug der Entflechtung mit Interseroh unwiderruflich sicherzustellen, ist
die Übertragung der Interseroh-Beteiligung an einen Treuhänder vor Vollzug des
Zusammenschlusses mit RWE Umwelt notwendig.
5. Weitere Bestimmungen, die für alle/mehrere Auflagen/Bedingungen gelten
318. Remondis werden in Tenor I.A.5. einerseits kurze Fristen für den Abschluss
schuldrechtlicher Verkaufsverträge für die Weiterveräußerung der abzugebenden, dort genannten Vermögenswerte eingeräumt. Andererseits werden
längere Fristen für die Umsetzung (dinglicher Vollzug) eingeräumt. Diese
122
Regelung erfolgte zugunsten der Zusammenschlussbeteiligten, die darlegten,
dass eine Nichtübernahme der Vermögenswerte von RWE Umwelt bzw. deren
Übertragung auf RWE Newco kurzfristig nicht zu realisieren ist. Um sicher zu
stellen, dass die entsprechenden Vermögenswerte nach den Fristen für den
Abschluss der schuldrechtlichen Verkaufsverträge tatsächlich nicht mehr im
Einflussbereich von Remondis stehen, ist jedoch die Klausel in Tenor I.A.1.6.,
wonach
entsprechende
Kaufverträge
über
die
zu
übertragenden
Vermögensgegenstände nach Tenor I.A.1.1. bis 1.3. mit RWE bzw. RWE Newco
abzuschließen sind, falls sie nicht innerhalb der unter Tenor I.A.1.5. genannten
Fristen mit Dritten abgeschlossen werden, notwendig und verhältnismäßig.
319. Die Anforderungen an die Bewerber in Tenor I.A.3. stellen sicher, dass dieser in
jeder Hinsicht unabhängig von Remondis einschließlich aller verbundenen
Unternehmen ist. Zudem wird dadurch sichergestellt, dass der Erwerber über
alle Fähigkeiten verfügt, um die erworbenen Vermögensgegenstände als
Wettbewerber auf dem jeweiligen betroffenen Markt einzusetzen. Dies ist
notwendig, damit die Nebenbestimmungen dieser Entscheidung ihr Ziel
erreichen, die Entstehung oder Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung
zu verhindern. Dies ist nur möglich, wenn die betreffenden Vermögensgegenstände tatsächlich einem Wettbewerber zuwachsen.
320. Das Erfordernis der vorherigen Zustimmung des Bundeskartellamts zur
Veräußerung ist geeignet, die Untersagungsvoraussetzungen zu beseitigen. Es
ist auch verhältnismäßig, denn nur so kann sichergestellt werden, dass eine
Veräußerung an ein von Remondis unabhängiges Unternehmen erfolgt und die
Anforderungen der Bedingung in vollem Umfang erfüllt werden.
321. Die Bestimmungen zur Sicherung des Status quo stellen sicher, dass die zu
veräußernden Vermögensgegenstände schnellstmöglich separiert werden und
voll funktionsfähig bleiben. Sie stellen zudem sicher, dass weitestmöglich nicht
Remondis mit dem operativen Geschäft dieser Vermögensgegenstände befasst
ist, sondern RWE bzw. – nach Abschluss eines schuldrechtlichen Verkaufsvertrags mit einem Dritten – der Erwerber. Dies ist notwendig und verhältnismäßig, damit insbesondere in der Frist zwischen Abschluss des schuldrechtlichen Veräußerungsvertrags und dem dinglichen Vollzug der Weiterveräußerung die Geschäfte der zu veräußernden Vermögensgegenstände im
Sinne
des
Erwerbers
und
insbesondere
weitergeführt werden.
123
unbeeinflusst
von
Remondis
322. Die Berichtspflichten (Tenor I.C.) sind notwendig, um dem Bundeskartellamt eine
zeitnahe Überwachung der Auflagen und Bedingungen zu ermöglichen.
323. Die Einsetzung eines Veräußerungstreuhänders (Tenor I.A.D.) stellt sicher, dass
die zu veräußernden Vermögensgegenstände und Anteile auch dann veräußert
werden, wenn Remondis innerhalb der gesetzten Fristen keinen Käufer findet.
Da die Veräußerung der betroffenen Vermögensgegenstände und Anteile
notwendig ist, um die Untersagungsvoraussetzungen zu beseitigen, ist die
Einsetzung eines Treuhänders auch verhältnismäßig.
VI. GEBÜHREN
324. [...]
325. [...]
326. [...]
327. [...]
328. [...]
329. [...]
RECHTSMITTELBELEHRUNG
[...]
Heistermann
Dr. Mehler
124
Müller

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