Geothermie

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Geothermie
RWE MAGAZIN
Erdkruste bis 40 km Tiefe
September 2006 | Nr. 03 | www.rwe.com
Oberer Erdmantel 40 bis 900 km
Unterer Erdmantel 900 bis 2900 km
Äußerer Erdkern 2900 bis 5100 km
Die Kraft aus der Erde
Innerer Erdkern 5100 bis 6371 km
In uns er em P laneten s teckt e ine fas t une r schö pfliche
E n e r g i e r e s e r v e : M i t E r d w ä r m e l ä s s t s i c h h e i z e n u n d St r o m
e r z e u g e n . A u ch R W E e r f o r s ch t d i e M ö g l i c h k e i t e n
der G eothe r mie als umwelts cho ne nde Ene r gieq u ell e
U
nter uns kocht und brodelt es: Ganze
99 Prozent des Erdballs sind heißer als
1000 Grad Celsius! Wir sitzen sozusagen auf einem riesigen, unerschöpflichen
Energievorrat. Und den können wir auch gut
gebrauchen. Experten gehen nämlich davon
aus, dass die Menschen im Jahr 2025 etwa
doppelt so viel Energie benötigen werden
wie noch 1998. Gleichzeitig sinken die Ölund Kohlevorräte. In einigen Ländern zapft
man daher längst die Wärme aus der Erde
an. Beispiel Island: Rund 17 Prozent des
Stroms und sogar 87 Prozent der Energie für
Heizung und Warmwasser stammen hier aus
Erdwärme, die als Wasserdampf entweder
natürlich aus der Erde austritt oder aus Bohrlöchern gefördert wird. Natürlich sind die
Voraussetzungen für die Erdwärmenutzung
in Island einzigartig. Denn die Insel liegt
I s l a n d i s t f ü h r e n d b e i d e r N u t z u n g vo n G e o t h e r mie: Da s Sva r t se n g i - K ra f t we r k i m H inte r g r u n d i s t e i n e s vo n v i e r g e o t h e r m i s ch e n
K r a f t we r k e n a uf de r I n sel. E s p r oduzie r t de r ze i t u. a. 3 9 M W E l e k t r izit ä t . Vor n im Bi l d:
d as Th e r m a l b a d „ B la ue L a g u n e ”
genau auf einer Nahtstelle der Erde,
dort, wo die amerikanische und die eurasische Kontinentalplatte langsam auseinanderdriften. Hier kommt die Hitze
leichter an die Oberfläche – in Island gibt
es allein 37 aktive Vulkane.
In Deutschland – das zwar keine Geysire, dafür aber Thermalquellen hat – wurde
Erdwärme bisher kaum zur Energieerzeugung genutzt. Zu schwierig und zu teuer erschien es, das heiße „Gold” aus der Tiefe zu
fördern. Dank neuer Technologien könnte
sich das bald ändern (siehe Kasten rechts).
Momentan erzeugt in Deutschland nur das
Kraftwerk im mecklenburgischen NeustadtGlewe Strom aus Erdwärme. Doch weitere
Kraftwerke sind im Bau, zum Beispiel im brandenburgischen Groß-Schönebeck oder in
Landau in der Pfalz. Die Pfälzer haben gerade ihre zweite Bohrung abgeschlossen. In
rund 100 Tagen ist es gelungen, Stück für
Stück in 3340 Meter Tiefe vorzudringen. Besonders vielversprechend sind Projekte im
Oberrheingraben, etwa in Offenbach an der
Queich, da es hier unter der Erde sehr heiß
ist (siehe Karte auf Seite 6).
„Anders als in Island muss bei uns tief
gebohrt werden, um die Erdwärme zu ‚fördern‘ “, erklärt Dr. Thorsten Blanke aus der
Abteilung Regenerative Erzeugung bei RWE
Power, der an einem Geothermie-Forschungsprojekt der Universität Bochum beteiligt ist. „In zwei bis sechs Kilometer Tiefe ist die Hitze ausreichend groß, um sie anzuzapfen”, so Blanke. Doch nicht jede Bohrung ist erfolgreich. Zwar wissen Geologen,
wie heiß es in einzelnen Erdschichten ist.
Lesen Sie weiter auf Seite 6 u
Rohr zum Untergrundspeicher
für überschüssige Wärme
Heizwärmeerzeugung
S o t i e f ...
Wärmetauscher
Turbinenhaus für die
Stromerzeugung
Wärme
für Heizzwecke
... liegt der Wasserspiegel des toten Meeres
–0,4 km
Turbinenhaus
für die Stromerzeugung
H ot - Dr y - Rock -Ve r fa h re n
H y d r o t h e r m a l e s Sy s t e m
Kaltes Wasser
wird in die
Tiefe gepumpt
und ersetzt
das entnommene heiße
Wasser
In der Tiefe
vorhandenes
heißes Wasser
wird emporgepumpt
So kommt man an die
Wärme aus der Tiefe
20° C
–0,5 km
45° C
–1,5 km
80° C
Kaltes Wasser
wird in die Tiefe
gepumpt, erhitzt
sich am heißen
Gestein und
kommt als
Dampf wieder an
die Oberfläche
–2,5 km
100° C
–3,5 km
130° C
–4,5 km
155° C
–5,5 km
180° C
–6,5 km
210° C
–7,5 km
235° C
–8,5 km
–11,5 km
–12,5 km
... liegt der Grund des
Baikalsees –1,6 km
... liegt der Grund des
Grand Canyon
–1,8 km
… eine der schönsten heißen Quellen im
Yellowstone National Park in den USA
... liegt die heißeste Unterwasserquelle im Atlantik
(407° C) –3 km
... reicht das tiefste
bestehende Loch in der
Erde, eine Bohrung in
Windischeschenbach
–9 km
–9,5 km
–10,5 km
... reicht der tiefste
Bergbauschacht Nordrhein-Westfalens
(Ibbenbüren) –1,5 km
... reicht die
Voronya-Höhle in
Georgien, die tiefs–
te bekannte Höhle
der Welt
–2,1 km
Nur mithilfe von Wasser lassen sich die
Wärmevorräte nutzen. Es gibt zwei Ver fahr e n
Wie man die Wärme aus der Erde holt, hängt
vor allem von einer Frage ab: Sind in tieferen
Schichten Heißwasservorräte vorhanden?
Wenn es sie gibt, kommt das sogenannte
hy drother male System zum Einsatz, das im
Prinzip nichts anderes macht, als das heiße
Wasser hochzuholen, ihm die Energie zu entziehen und es dann erkaltet wieder in die Erde zu
leiten. Gibt es weit unten kein heißes Wasser,
muss kühles Wasser in die Erde gepumpt werden. Dies fließt dort durch ein „Labyrinthsystem”, also Klüfte und Risse, und wird dabei
durch das trockene, heiße Gestein erhitzt – ähnlich wie in einem Durchlauferhitzer. Diese Methode nennt sich Hot-Dry-Rock -Ver fahr e n.
... reicht die tiefste
Schlucht Europas, die
Vicos-Schlucht in
Griechenland –0,9 km
… es in Windischeschenbach (nordöstlich von Nürnberg) gelang, das tiefste
Loch Europas zu bohren? 1468 Tage
dauerte es, in 9191 Meter Tiefe vorzustoßen. Bei diesem Forschungsprojekt
kamen auch Diamantbohrkronen zum
Einsatz. Tiefer wurde nur noch im asiatischen Teil Russlands gebohrt (Halbinsel
Kola, ca. 12 000 Meter, heute 8000 Meter tief).
… es in der Eifel in den letzten
700 000 Jahren rund 100 Vulkanausbrüche gegeben hat? Einer der letzten,
der des Laacher-See-Vulkans, fand vor
ca. 13 000 Jahren statt.
… die heißesten Quellen Mitteleuropas in Aachen und Wiesbaden liegen?
Sie erreichen Temperaturen von 74 bzw.
60 Grad Celsius. Das Wasser wird in der
Tiefe durch vulkanische Aktivitäten oder
durch heißes Gestein erwärmt.
… im Juli 1904 zum er sten Mal Strom
aus Erdwärme gewonnen wurde? Im
Dorf Larderello in der Toskana gelang es
dem Unternehmer Prinz Piero Ginori
Conti, fünf Glühlampen zum Leuchten
zu bringen. Heute gibt es dort eines der
größten Erdwärmefelder der Welt, das
rund zwei Prozent des Strombedarfs in
Italien deckt.
Die ungefähren
Temperaturangaben beziehen sich auf die
Tiefbohrung in
der Oberpfalz bei
Windischeschenbach
... liegt die tiefste
Stelle am Meeresgrund, das Witjastief
im Marianengraben
–11 km
... liegt die tiefste
Stelle, bis zu der je
gebohrt wurde
(russische Halbinsel Kola) –12 km
zu finden ist? Die kräftigen Farben des
M orning Glory Pool stammen von Algen und Bakterien, die sich an das heiße
Wasser angepasst haben.
Weitere Infos zur Geothermie, ihrer Entwicklung und heutigen Anwendung in
Deutschland und weltweit finden Sie im
Internet unter www.rwe.com/magazin
FOTOS: SPL/AGENTUR FOCUS (FOTOMONTAGE: NICOLE KROHN), GETTY IMAGES, IFA BILDERTEAM/ABERHAM; ILLUSTRATION: NICOLE KROHN
Wussten Sie,
dass …
FOTOS: DIE BILDSTELLE/REX FEATURES LTD., GETTY IMAGES, CHRISTIAN DIEHL, BUNDESVERBAND WÄRMEPUMPE, WWW.SOLARPRAXIS.DE (QUELLE: GGA HANNOVER, PHOTON)
RWE MAGAZIN
September 2006 | Nr. 03 | www.rwe.com
RWE Gewinn
Fünf Tage Island
K u r z t r i p i ns L a n d
der Erdwä rme:
Gewinnen Sie eine
Reise für zwei Personen nach Island.
Erleben Sie die
Naturschönheiten
der Inseln und die
Energie aus der Erde – wenn Geysire Wasser
speien. Bei einer Rundfahrt lernen Sie die
Hauptstadt Reykjavik kennen, wo Sie viermal im Icelandair Hotel Loftleidir übernachten. Inklusive Flug mit Icelandair.
Das Rätsel finden Sie auf der Rück seite
dieses Heftes – viel Glück!
Einsendeschluss ist der 13. Ok tober.
G e y s i r e w i e h i e r d e r Po h u t u - G e y s i r a u f N e u s e e l a n d z e i g e n d i e E n e r g i e, d i e i n d e r E r d e s t ec k t :
G r u n d wa s s e r w i r d von e i n e r M a g m a b la s e a u f ü b e r 100 G r a d Ce l si u s e r h i t z t u n d s ch i e ß t e m p or
u Fortsetzung von Seite 4
Doch wie viel
Wasser dort zirkuliert, wissen sie meist nicht.
Grund genug für RWE, die Geothermie erst
genau zu erforschen und kleinere, kommunale Projekte zu unterstützen, statt Millionen
Euro für erfolglose Bohrungen in den Sand
zu setzen. Ziel des Bochumer Forschungsprojektes ist es, herauszufinden, ob Geothermie tatsächlich wirtschaftlich betrieben
und auf welche Arten heißes Wasser aus der
Erde in Strom umgewandelt werden kann.
„Dabei legen wir besonderen Wert darauf,
wie unsere Kraftwerkstechnik weiter entwickelt werden kann“, betont Blanke. Rein rechnerisch reicht die in der Tiefe gespeicherte
Wärme, um den globalen Energiebedarf der
nächsten 100 000 Jahre zu decken. Dabei
steht die umweltschonende Erdwärme, ist
sie erst einmal angezapft, unabhängig von
Tages- und Jahreszeit zur Verfügung. Damit
hat die Geothermie auch Vorteile gegenüber
der Solar- und der Windenergie, denn die zeigen sich weniger zuverlässig.
Mehr Infos: www.rwe.com
Hambu rg
RWE informiert
Geothermie in Deutschland
D i e K a r t e ze ig t d ie Te m p e r a t u r ve r te i lun g in
D e u t s ch l a n d i n e i n e r T i e f e vo n z w e i K il o m e t e r n . Ei n d e u t i g S p i t z e b e i d e r H i t z e i s t
der O ber r h eing ra ben na h e Ka rlsruhe
B e r li n
40 50 60 70 80 90 100 110 120 130 140
Un g e f ä h re Te m p e r a t u re n
i n 2 0 0 0 M e te r T iefe,
i n G r a d Cel s i u s
Essen
Köln
Goldgräber am Oberrhein
K arlsru he
Im Oberrheingraben ist das
Bohrfieber ausgebrochen. Kommunen, Bohrfirmen, Energieversorger und Geowissenschaftler wollen die Hitze aus
der Tiefe nutzen, um Energie
daraus zu gewinnen. Der Oberrheingraben bietet besonders
gute geologische Voraussetzungen (u. a. durch sehr hohe
Temperaturen). Untersucht
wird zum Beispiel, ob Ruhr-Universität und Fachhochschule
Bochum mit Geothermie heizen
können. In Teilen Norddeutschlands können einige Thermalwasser führende Porenspeicher
angezapft werden, um die
Wärme aus der Erde zu nutzen.
Kurios: In der ehemaligen DDR
Heizen zu verwenbeschäftigte man
München
den. Die Geothermisich schon vor
sche Heizzentrale in
20 Jahren mit der GeoNeubrandenburg war eines
thermie. Bei der Suche nach
Erdöl hatte man dort im Bereich dieser Pilotprojekte. Auch
des norddeutschen Tiefbeckens Bayern macht sich stark für
Geothermie: So wird zum BeiThermalwasser entdeckt. Da
spiel in Erding, Straubing und
die DDR nur wenig EnergiereUnterhaching Wärme aus der
serven hatte, wurde beschlossen, dieses Thermalwasser zum Erde gefördert.