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Vergleichstest
Licht an XenonScheinwerfer serienmäßig? Ja, wo
kämen wir denn da
hin? Obwohl – der
Audi bietet sie, als
Option steht LEDLicht zur Wahl
66 / 20.2011
Sportliche Diesellimousinen
NAGEL
PFLEGE
Porsche adelt den Dieselmotor zur adäquaten Antriebsquelle für den dynamischen Panamera, der sein Verbrennungsprinzip weitgehend verheimlicht. Audi A7 und BMW 530d GT
gelten allerdings auch nicht gerade als lahme Banausen.
Wer kann sich am Ende behaupten?
M
Deckel drauf Eine
wirklich hübsche Verkleidung trägt keines
der Triebwerke. Doch
darunter lassen sich
ein paar Gramm Dämmmaterial verstecken
öge Wendelin Wiedeking in Ruhe
Kartoffeln ernten, rahmengenähte
Budapester-Schuhe verkaufen und
Bier in seiner Kneipe zapfen. Er hat in seiner
Zeit als Porsche-Vorstandsvorsitzender genug
für das Unternehmen getan. Und seine Fehleinschätzung des Diesels? Geschenkt, schließlich ist es noch nicht zu spät. Dennoch: Im
als äußerst agil anerkannten Panamera muss
sich der Selbstzünder nochmals dynamischer
in die Riemen legen als im Offroader Cayenne.
Dagegen spricht zunächst das wenig elfengleiche Leergewicht von über 1,9 Tonnen
sowie die Tatsache, dass Porsche auf den bekannten V6 TDI von Audi zurückgreift – und
nicht etwa auf dessen neue Biturbo-Variante.
Die Zylinderbänke stehen sich im klassischen
Winkel von 90 Grad gegenüber, das Verhältnis von Bohrung und Hub blieb ebenfalls
unangetastet. Zudem kommt der identische
Lader mit variabler Turbinengeometrie zum
Einsatz. Allerdings wühlten die Ingenieure
so lange in der Motorsteuerung herum, bis
sie fünf zusätzliche PS und eine Extraschippe
Drehmoment mit 50 Newtonmetern fanden.
Zudem schickt nicht etwa ein Doppelkupplungsgetriebe, sondern ein Wandlerautomat
mit acht Stufen die 250 PS und 550 Nm an
die Hinterräder – und nur dorthin, denn Allradantrieb schenkt Porsche sich vorerst.
Einen Dreh am als Mini-Panamera getarnten Zündschlüssel erwidert der Antrieb mit
einem Schwall Bassfrequenzen, die für einige
Verwirrung sorgen. Wurde etwa der falsche
Testwagen geliefert? Doch beim ersten Gas-
stoß mischt sich das bekannte Dieselknurren
unter den Soundtrack und rückt das Weltbild
wieder gerade. Die Klangtüftler der Autoindustrie können viel, aber zaubern müssen sie
noch lernen. Allerdings scheinen die Antriebsentwickler wirklich alles gegeben zu
haben, denn derart antrittsstark wie der
Panamera zündeten bislang nur wenige
Sechszylinder-Diesel. Das Dreiliter-Triebwerk
schnappt regelrecht nach Gasbefehlen, dreht
f lugs und mit angenehm grummeliger Akustik hoch und hält so das Automatikgetriebe
auf Trab. Völlig unbeeindruckt schiebt es
blitzschnell und unmerklich Fahrstufe um
Fahrstufe nach. Wer fragt bitteschön nach
DSG? So beschleunigt das Zuffenhausener
Fünf-Meter-Schiff praktisch im Ein-HandBetrieb in 6,8 Sekunden von null auf 100
km/h und trifft damit exakt die Werksangabe.
Trotz Gangwechsel bleibt der Motor hellwach, baut blitzschnell wieder Ladedruck auf
und schiebt den Viertürer weiter voran.
Wer es noch schärfer mag, schaltet selbst,
was mittels natürlich optionaler Paddeln am
Lenkrad speziell dann den Fahrspaß erhöht,
wenn sich Serpentinen vor die platte PorscheNase werfen. Dabei brillieren einmal mehr
Fahrwerk und Lenkung und gaukeln durch
geschickte Abstimmung weit weniger Masse
vor, als tatsächlich vorhanden ist. Dass der
Panamera dennoch nicht nur an der Kurvennadel hängt, zeigt sein immer wieder aufblitzendes Talent, Fahrbahnunebenheiten zumindest nicht völlig zu ignorieren. Trotz
Sportwagen-Flair bleibt erfreulicherweise der
20.2011 / 67
Tippgemeinschaft Im
Audi darf der Fahrer seine
Wunschkombination aus
Lenkungs- und Gaspedalkennlinie sowie Dämpferabstimmung frei wählen
Klappensteuerung
Dreigeteilt umklappbare
Rücksitzlehne, zweigeteilte
Heckklappe – den Variabilitäts-König stellt BMW
Nischenbildung Zwei Fondpassagiere reisen im Porsche sehr bequem. Dafür
rauben die Einzelsitze den
letzten Rest Rundumsicht
Verbrauch auf dem Teppich, wie der Minimalwert von 5,8 sowie das Testmittel von
8,8 Liter/100 km zeigen. Der Rückschluss
auf eine längere Gesamtübersetzung im
Vergleich zum Siebengang-DSG des A7 wäre
im Übrigen falsch, sie liegt nahezu auf identischem Niveau.
Deutlich länger übersetzt ist hingegen
der BMW, der davon jedoch nicht profitiert.
Ihm macht unter anderem sein Hüftgold zu
schaffen, denn im Fall des Testwagens wollen knapp zwei Tonnen beschleunigt werden. Mit einem Durchschnittsverbrauch von
9,6 Liter/100 km bleibt der 530d hinter den
beiden anderen zurück. Dafür punktet der
68 / 20.2011
Reihen-Sechszylinder sicher bei der Laufkultur und der Leistungsentfaltung, oder?
Das war einmal, denn das Triebwerk läuft
rau und dreht auch nicht engagierter als die
beiden V-Brüder. Generell wirkt der BMW
ein bisschen zu sehr tiefenentspannt, da er
vergleichsweise zögerlich Gas annimmt –
als ob der rechte Fuß zunächst im Wandleröl versinkt, bevor der Kraftschluss hergestellt ist. Daran ändern weder das hektische
Sportprogramm noch der manuelle Modus
der sanft schaltenden Achtgang-Automatik
etwas. Immerhin zeigt BMW Konsequenz,
denn die Fahrwerksabstimmung präsentiert
sich ebenfalls als ziemlich unentschlossen,
täuscht durch spürbare Vertikalbewegungen großes Schluckvermögen vor, das jedoch bereits bei Querfugen schnell an seine
Grenzen stößt. Dafür packt die Aktivlenkung direkt zu, suggeriert mit beinahe giftigem Ansprechen und mitlenkenden Hinterrädern viel Engagement. Einzig, es fehlt
beinahe völlig an Rückmeldung, was das
Fahren eingeschränkt präzise gestaltet.
Vielleicht hätte BMW beim Fünfer GT
den Fahrspaß über Komfort generieren müssen, denn Platzangebot und Raumgefühl
bleiben bei diesem Trio unübertroffen – und
zwar auf allen Plätzen. Gleiches gilt speziell
für die vorderen Sitze, die nicht nur besonders groß ausfallen, sondern auch optimale
Verstellmöglichkeiten bieten. Ganz nebenbei genießt der Fahrer den besten Überblick.
Dazu kommt eine vorbildliche Variabilität,
was weniger an der trickreichen, zweigeteilten Heckklappe als vielmehr an der praxisgerecht drittelbaren Rückbank liegt.
Derart ausgefuchst präsentiert sich der
Audi zwar nicht, schluckt jedoch zwei
Mountainbikes plus Gepäck für einen Wochenendtrip ins Ötz- oder irgendein anderes
Tal. Wer stattdessen alle Sitzplätze nutzt,
sollte die Zuladung von 440 Kilogramm
nicht aus den Augen verlieren – und das,
obwohl der A7 das niedrigste Leergewicht
aufweist. In Kombination mit dem fantastischen DSG sowie dem heckbetont ausgelegten Allradantrieb verschafft ihm das eine
Fahrdynamik, die selbst die des Porsche
übertrifft.
Der Motor versucht dabei erst gar nicht,
ein anderes Verbrennungsgeräusch zu imitieren. Stattdessen tritt er nahezu völlig in
den Hintergrund und meldet sich erst kurz
vor 4500/min mit dezentem Granteln. Bereits bei 1400/min schüttelt der TDI sein
maximales Drehmoment von 500 Nm aus
dem metallischen Ärmel und egalisiert somit weitgehend Steigungen oder zu überholende Fahrzeuge – oder beides. Das ESP
muss selbst bei nasser Fahrbahn kaum überhitzte Schaltkreise fürchten, da der QuattroAntrieb meistens weiß, wo er gerade die
Kraft hinschaufeln muss. Für den Piloten
+
F
Redakteur
Jens Dralle
wundert
sich über
den BMW
D
„Der Fünfer GT – ein
großes Fragezeichen
auf vier Rädern.
Sein größter Pluspunkt:
das beste Raumangebot im Vergleich“
G
k
d
d
K
C
*
TecHniScHe DaTen
Fahrzeugtyp
Audi A7
Motorbauart/Zylinderzahl
Hubraum
cm3
kW (PS)
Leistungung
bei 1/min
max. Drehm.
Nm bei 1/min
g/km
CO2-Ausstoß
Leergewicht/Zuladung
kg
Abmessungen L × B × H mm
(Radstand)
Gepäckraum
L/VDA
Tankinhalt
L
Innenbreite vorn/hinten mm
Innenhöhe vorn/hinten mm
Normsitzraum
mm
Kraftübertragung
BMW
3.0 TDI
530d GT
V/6
Reihe/6
2967
2993
180 (245)
180 (245)
4000
4000
500/1400 540/1750
158/Euro 5 173/Euro 5
1880/440 1984/606
4969 × 1911 4998 × 1901
× 1420 (2914) × 1559 (3070)
535/1390 440/1700
65
70
1540/1490 1540/1525
1005/930 1020/970
770
830
Allradantrieb Hinterradantr.
SiebengangAchtgangDSG
automatik
Beschleunigung
s
0 – 100 km/h
6,3
0 – 140 km/h
12,0
0 – 180 km/h
21,5
Höchstgeschwindigk. km/h
250
Bremsweg
m
aus 100 km/h kalt leer/bel.
35,6/36,2
aus 100 km/h warm bel.
35,1
µ-split-Bremsweg
102
Testverbrauch
L/100 km
D 8,9
min. (ams-Verbrauchsrde.)
6,2
NEFZ-Gesamt
L/100 km
6,0
Panamera D
V/6
2967
184 (250)
3800
550/1750
172/Euro 5
1903/597
4970 × 1931
× 1418 (2920)
445/1263
80
1510/1460
1000/965
740
Hinterradantr.
Achtgangautomatik
7,3
14,2
25,8
240
6,8
12,7
22,5
242
36,0/36,9
36,4
99
D 9,6
7,1
6,5
34,7/34,9
35,1
93
D 8,8
5,8
6,5
Innengeräusch
dB(A)
bei 100 km/h
65
64
66
bei 180 km/h
73
73
75
Slalom 18 m leer/bel. km/h 64,1/63,0
61,9/60,2 65,5/64,4
ISO-Wedeltest leer/bel. km/h 134,2/132,4 129,8/126,5 137,5/132,9
Grundpreis
Euro 58 100,–
55 400,–
80 183,–
ergebniSSe
Karosserie
Summe
(100)
73
76
68
Sicherheit
Summe
(100)
81
85
80
Fahrkomfort
Federung
Sitze
Klimatisierung
Innengeräusch-Messwerte*
Geräuscheindruck
Summe
(40)
(30)
(10)
(10)
(10)
(100)
36
26
10
9
9
90
33
27
10
10
8
88
30
27
10
8
9
84
Antrieb
Laufkultur
Leistungsentfaltung
Schaltung/Getriebeabstufung
Beschl./Höchstgeschwindigk.
Testverbrauch/Reichweite
Summe
(15)
(15)
(25)
(20)
(25)
(100)
13
13
24
15
17
82
11
12
22
13
15
73
12
14
24
14
21
85
Fahreigenschaften
Summe
Eigenschaftswertung
(100)
(500)
87
413
75
397
82
399
Umwelt
Minimalverbrauch
(20)
Emissionsverhalten/Geräusche (20)
Leergewicht
(10)
Summe
(50)
11
15
4
30
9
12
3
24
11
12
3
26
Kosten
Grundpreis*
(25)
Ausstattung*
(10)
Aufpreisgestaltung
(5)
Wiederverkaufschancen
(10)
Festkosten für 5 Jahre*
(10)
Wart./Rep. 100 000 km*
(15)
Kraftstoffkosten 100 000 km* (15)
Garantie
(10)
Summe
(100)
Gesamtwertung
(650)
23
10
3
8
10
15
15
5
89
532
25
9
3
8
9
15
14
5
88
509
10
8
2
8
9
14
15
5
71
496
1
2
3
* Bester erhält volle Punktzahl
70 / 20.2011
Schiefe Ebene Ein bisschen
schräg treten alle drei Kandidaten auf, bieten dafür allerdings
einen ordentlichen Nutzwert
Porsche
Fazit
Audi
1
Kurvenradien, rutschigen
Fahrbahnen und Bodenwellen steht der ausgewogene
A7 betont lässig gegenüber. Allradantrieb und
Doppelkupplungsgetriebe
ermöglichen zudem gutes
Sprintvermögen.
BMW
2
Dem überraschend unkultivierten und mäßig temperamentvollen Motor verdankt
der Fünfer GT sicher nicht
den zweiten Platz. Der geht
auf das Konto des geräumigen Innenraums und des
niedrigsten Grundpreises.
Porsche
3
Angesichts der hohen
Fahrdynamik verdient der
ordentliche Komfort des
Panamera ein Lob. Dass
ein Diesel unter der Haube
arbeitet, bleibt nahezu
unbemerkt. Gewohnt
unverschämt: die Preisgestaltung.
bedeutet das: rauf aufs Gaspedal –
und fertig. Die fadenkreuzähnliche
Lenkung erleichtert zielgenaues Einlenken und informiert detailgenau
darüber, wo die Reise hingehen soll.
Für den Fall, dass der Spieltrieb
durchschlägt, lugen hinter den vertikalen Speichen des Steuers zwei
Schaltwippen vor, doch für die f lotte Gangart hält das Getriebe einen
gekonnt abgestimmten Sportmodus
parat. Unabhängig davon erfolgt der
Gangwechsel unmerklich und mit
einer Geschwindigkeit, in der noch
nicht einmal Dieter Hallervorden
seine Zoten abfeuert – ein Grund
dafür, weshalb der A7 in 6,3 Sekunden von null auf Tempo 100 schießt
und damit den Sieg in der Sprintwertung holt.
In der Wirtschaftlichkeits-Disziplin schließt der A7 zum Porsche
auf, kann aber nicht an ihm vorbeiziehen. Hier fordert der Allradantrieb mit der insgesamt höheren
Reibung einen kleinen Zuschlag.
Möchte sich jemand über den Testverbrauch von 8,9 Liter/100 km beschweren? Wohl kaum. Und falls
doch: Fuß vom Gas. Dann kann das
luftgefederte Audi-Fahrwerk seine
Komfort-Trümpfe ausspielen. Das
beherrscht er deutlich besser als der
Porsche, reicht allerdings beinahe an
dessen fahrdynamisches Talent heran – zum weitaus geringeren Preis.
Die hohen Kosten führen zudem
dazu, dass auch der unausgewogene
Fünfer GT letztlich am Panamera
vorbeizieht. Es liegt sicher nicht am
Dieselmotor, worauf übrigens der
Fokus dieses Vergleichs liegt – deshalb die eingedampfte Punktewertung zur Linken. Und Herr Wiedeking darf sich weiter darüber ärgern,
das Potenzial des Selbstzünders völlig verkannt zu haben.
Text: Jens Dralle
Fotos: Hans-Dieter Seufert