Eine neue AERA in Thüringen

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Eine neue AERA in Thüringen
Eine neue AERA in Thüringen
Forschungsberichte aus dem
Institut für Sozialwissenschaftliche Forschung e.V.
ISF München
Klaus Schmierl
Eine neue AERA in Thüringen
Einführung und Umsetzung
des Entgeltrahmenabkommens
in ausgewählten Pilotbetrieben
ISF München
Forschungsberichte
Das diesem Buch zugrunde liegende Vorhaben „Sozialwissenschaftliche Begleitforschung
zur ERA-Einführung im Bereich der Metall- und Elektroindustrie Thüringens“ wurde im
Zeitraum zwischen dem 1. April 2005 und dem 31. Mai 2008 mit Mitteln der Otto Brenner
Stiftung, Frankfurt am Main gefördert.
Die Verantwortung für den Inhalt liegt beim Autor.
Die Reihe ISF Forschungsberichte wird herausgegeben
vom Institut für Sozialwissenschaftliche Forschung e.V. – ISF München
ISBN 978-3-938468-07-4
Copyright © 2008 ISF München
Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung
ohne Zustimmung des Instituts ist unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen,
Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.
Lektorat: Frank Seiß, ISF München
Layout und Satz: Karla Kempgens, ISF München
Druck und Bindung: Druckerei Novotny, 82319 Starnberg
Inhaltsverzeichnis
Vorbemerkung
7
1.
Einleitung: Die Bedeutung von ERA für die Metall- und Elektroindustrie
9
2.
Hypothesen und Methodik der Begleitforschung
2.1
Fragestellungen im Projekt
2.2
Arbeitsprogramm
2.3
Auswahl des Untersuchungsfeldes und methodisches Vorgehen
13
15
18
19
3.
Kennzeichen des Entgeltrahmenabkommens für Thüringen
3.1
Eingruppierung und Entgeltgruppen
3.2
Grundsätze der Entgeltgestaltung
23
24
26
4.
„Leuchttürme“ der ERA-Einführung: Zu den Pilotunternehmen
31
5.
Empirische Befunde zur ERA-Einführung in den Pilotbetrieben
5.1
Meilensteine des Vorbereitungs- und Einführungsprozesses
5.2
Konkrete Vorgehensweisen und Besonderheiten bei der ERA-Einführung
und -Umsetzung
5.3
Tarifliche Entsprechung und Kennzeichen der neuen Eingruppierung
5.4
Besondere Probleme der Tarifvertragsanwendung bei der Eingruppierung
5.5
Verfahren und Verhandlungsfälle in der Paritätischen Kommission
5.6
Entgeltgrundlagen: Einführungsprozess und Kennzeichen
33
33
6.
34
40
43
50
53
Betroffenheit unterschiedlicher Beschäftigtengruppen
6.1
Antizipation von Vor- oder Nachteilen durch die Belegschaft
6.2
Wirkungen der veränderten Eingruppierungsrelationen auf unterschiedliche
Beschäftigtengruppen
6.3
Begünstigte Beschäftigtengruppen
6.4
Benachteiligte Beschäftigtengruppen
6.5
Konflikte und Proteste seitens der Beschäftigten
60
60
62
64
65
69
7.
Organisatorische Implikationen und Folgen sowie offene Regelungsfelder
72
8.
Gewerkschafts- und Betriebsrats-Rückhalt: Solidarisierung versus Distanzierung
76
9.
Gesamtbewertung von ERA: Vor- und Nachteile aus Sicht der Befragten
9.1
Zielsetzungen
9.2
Vorteile von ERA
9.3
Nachteile von ERA
81
81
85
86
5
10. Resümee: Arbeits- und verbandspolitische Perspektiven durch ERA
10.1 Wechselwirkung zwischen Lohnsystemen und der Etablierung
neuer Arbeitsformen
10.2 Gegenbewegung zur Erosion des Tarifvertragssystems?
10.3 Restrukturierung kollektiver institutionalisierter Interessenvertretung versus
Verbetrieblichung
87
100
11. Zusammenfassung der Kernbefunde
104
Anhang
109
Literaturverzeichnis
111
89
91
Verzeichnis der Tabellen und Abbildungen
Abbildung 1: Das alte Lohn- und Gehaltssystem und das ERA-System des gemeinsamen
Entgelts im Überblick
26
Abbildung 2: Tarifliches Verfahren der Leistungsbeurteilung
27
Abbildung 3: Exemplarische Bezugsgrößen im Leistungsentgelt mit Kennzahlenvergleich
28
Abbildung 4: Zulässige Ziele im Leistungsentgelt mit Zielvereinbarung
29
Abbildung 5: Beispiel für eine Zielvereinbarung
30
Abbildung 6: Schematische Darstellung des Prinzips der Über- und Unterschreiter
46
Abbildung 7: Tarifliches Verfahren bei Widersprüchen gegen die Eingruppierung
und die Rolle der Paritätischen Kommission
51
Tabelle 1:
Kennziffern für die Metall- und Elektroindustrie Thüringen
20
Tabelle 2:
Meilensteine der ERA-Vorbereitung und Einführung
in den Untersuchungsbetrieben
34
Tabelle 3:
Beispiel eines Überschreiters
47
Tabelle 4:
Verrechnung mit den Tariferhöhungen beim Überschreiter
47
Tabelle 5:
Einmalige Verrechnung mit dem ERA-Start beim Unterschreiter
48
Tabelle 6:
Verrechnung mit zwei Tariferhöhungen beim Unterschreiter
49
Tabelle 7:
Zeitschiene zur Anpassung der Entgeltgrundlagen
in den Untersuchungsbetrieben
53
6
Vorbemerkung
Der vorliegende Bericht stellt wesentliche Ergebnisse des Projekts „Sozialwissenschaftliche Begleitforschung zur ERA-Einführung im Bereich der Metallund Elektroindustrie Thüringens“ dar, das im Auftrag der Otto Brenner Stiftung, Frankfurt/Main und Berlin, vom Frühjahr 2005 bis zum Frühjahr 2008
bearbeitet wurde. Die sozialwissenschaftliche Begleitforschung wurde vom
Institut für Sozialwissenschaftliche Forschung e.V. – ISF München in Abstimmung mit der IG Metall Bezirksleitung in Frankfurt und dem Thüringer Arbeitgeberverband VMET in Erfurt sowie dem Institut der Wirtschaft Thüringens
(IWT) in Erfurt durchgeführt. Mit den vorliegenden Ergebnissen werden am
Beispiel von drei Unternehmen der Metall- und Elektroindustrie Thüringens
exemplarische Verlaufsformen der Einführung des neuen Entgeltrahmenabkommens (ERA) im Tarifgebiet Thüringen dargestellt. Es wird auf besondere
Einführungsprobleme, spezifische Betroffenheiten von Belegschaftsgruppen
und Vor- und Nachteile des ERA für diese eingegangen. Bei den analysierten
Unternehmen handelt es sich um Vorreiterunternehmen, die als „Leuchttürme“
in den letzten beiden Jahren ERA in Thüringen als Erste eingeführt und umgesetzt haben.
Der Dank des Projektbearbeiters und Autors Klaus Schmierl gilt in erster Linie
den zahlreichen Gesprächspartnern in den drei Untersuchungsunternehmen, die
viel Zeit und Offenheit für die Experteninterviews und Gruppendiskussionen
aufgebracht und die ForscherInnen mit umfangreichem Material versorgt haben. Ohne ihr Entgegenkommen, ihr Engagement und ihre Bereitschaft, wiederholt für Fragen und Nachfragen zur Verfügung zu stehen, wären die wissenschaftlichen Auswertungen nicht möglich gewesen.
Der Autor dankt vor allem auch den Vertretern der beiden Tarifparteien Kay
Ohl (IG Metall) und Siegurd Dokter (VMET), die im Vorfeld der empirischen
Erhebungen dem Autor die Besonderheiten der ostdeutschen Tariflandschaft
erläutert und den Betriebszugang hergestellt sowie eine Vorversion des vorliegenden Berichts mit vielen hilfreichen Anregungen kommentiert haben. Anregend war auch die erste Runde der gemeinsam mit Antje Schmerbauch durchgeführten und mit Roswitha Weitz (IWT) abgestimmten empirischen Erhebungen in den Betrieben.
Zu danken ist auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Otto Brenner
Stiftung Dr. Frederic Speidel und Heike Kauls, die das Projekt zum Teil bereits
bei der Antragstellung sachkundig betreut und nachhaltig unterstützt haben.
Namentlich möchten wir hier zudem die Kollegin Hilde Wagner von der IG
7
Metall erwähnen, die die Antragstellung beratend begleitete und die ERAForschung insgesamt mit auf den Weg gebracht hat.
Schließlich sind die Kolleginnen und Kollegen des ISF München zu nennen:
Karla Kempgens gestaltete Satz und Layout, Frank Seiß war für das Lektorat
des Berichts verantwortlich, das er mit vielen hilfreichen Hinweisen für den
Autor verband.
München 2008
8
Klaus Schmierl
1. Einleitung: Die Bedeutung von ERA für die Metallund Elektroindustrie
In den einzelnen Tarifbezirken und -gebieten der Metall- und Elektroindustrie
Deutschlands werden derzeit mit einer Perspektive bis etwa 2009 fundamentale
und weit reichende Umstellungen in den langjährig angewandten Lohn- und
Gehaltsgrundlagen vorgenommen. Dabei sind die Tarifvertragsparteien der
Tarifregionen im Hinblick auf Start und Einführungsphasen unterschiedlich
weit vorangeschritten. Aufgrund unterschiedlicher Ausgangsbedingungen und
Verhandlungsstände in den einzelnen Tarifgebieten wurden in den letzten Jahren Entgeltrahmen-Tarifverträge und Einführungstarifverträge zum Entgeltrahmenabkommen (ERA) mit je unterschiedlichen Einstiegszeitpunkten abgeschlossen. In allen diesen Abschlüssen werden nunmehr die Verfahren und
Einführungsphasen einer Verabschiedung von der bisherigen Trennung zwischen Arbeitern und Angestellten in der Arbeitsbewertung und in den Entgeltgrundlagen zugunsten einer Zusammenführung in vereinheitlichten Entgeltgruppen geregelt (Meine et al. 2006).
Damit ist ein langjähriger Streitpunkt zwischen den Arbeitgeberverbänden und
der IG Metall zum Abschluss gekommen, der mittlerweile eine nahezu zwanzigjährige Konfliktgeschichte aufweist. Erstmals 1991 hat die Gewerkschaft mit
ihrer Kampagne „Tarifreform 2000“ einen Anlauf unternommen, die aus ihrer
Sicht ungerechten und unbefriedigenden Entgeltstrukturen in den Betrieben aufzubrechen und für die Zukunft relevante Konzepte und Vorschläge anzubieten
(vgl. Lang, Meine 1991; Huber, Lang 1993). Es wurden zwar seit Beginn der
80er Jahre vereinzelt neuartige Tarifabkommen in der Industrie abgeschlossen,
die einen mehr oder weniger vorsichtigen Bruch mit den bis dahin geltenden
tariflichen Regelungen und langjährig stabilen Entgeltgrundlagen kennzeichneten; zu diesen in der interessierten Öffentlichkeit wahrgenommenen bzw. in der
sozialwissenschaftlichen Forschung rezipierten Lösungsansätzen zählen der
Lohn- und Gehaltsrahmentarifvertrag I in Nordwürttemberg/Nordbaden 1988
(vgl. Bispinck 1988), der Entgelttarifvertrag der Vögele AG (vgl. Beyse 1990;
Knuth, Howaldt 1991; Schmierl 1995) und der VW-Tarifvertrag über die Lohndifferenzierung (vgl. Brumlop 1986; 1986a; Rausch 1990). Eine weitergehende
Diffusion dieser in mancher Hinsicht zukunftsweisenden Pilottarifverträge
scheint aber bisher nicht stattgefunden zu haben, so dass dieses Feld – abgesehen
von den großbetrieblichen Metall- und Elektrounternehmen – in den letzten Jahren von einer unübersichtlichen Vielfalt betriebsspezifischer Entgeltsysteme
geprägt war (vgl. Bahnmüller 2002; Schmierl 1995, 2008).
9
Nunmehr wird der ERA-Tarifvertrag in den Betrieben der Metall- und Elektroindustrie eingeführt, und zwar nach einer langen Phase der Nicht-Thematisierung von Lohn und Leistung, in der die Betriebe in der Lohnpolitik bereits
Pflöcke eingeschlagen hatten, die auszureißen für die Arbeitnehmerinteressenvertretung nicht einfach war. Der mit ERA vollzogene Einstieg in neue Eingruppierungs- und Entgeltregelungen beinhaltet damit für die Betriebe der Metall- und Elektroindustrie einen umfassenden Bruch mit den bisherigen Lohnund Gehaltsstrukturen und entsprechend hohe Anforderungen an die ERA-Umsetzung. Durch die Reichweite der Veränderungen sowohl auf tarifpolitischer
als auch auf betrieblicher Ebene betreten die Tarifparteien und die betrieblichen Verhandlungspartner völliges Neuland. Zum Zeitpunkt der betrieblichen
Entscheidungen über den Einstieg in ERA lagen weder auswertbare Erfahrungen aus den Tarifgebieten der Bundesrepublik vor, noch konnte auf Erkenntnisse aus der wirtschafts- und sozialwissenschaftlichen Forschung zurückgegriffen werden. Diese Forschungslücke zu schließen beabsichtigt der hiermit
vorgelegte Projektbericht zum sozialwissenschaftlichen Begleitforschungsvorhaben. Er strebt einen doppelten Nutzen an:
¾ Aus Sicht der Wissenschaft kann die Untersuchung der neuen Bedeutung
zentraler, jedoch umfassend veränderter Verhandlungsfelder in der Metallund Elektroindustrie Hinweise auf die mit ERA zusammenhängenden
machtpolitischen Wandlungen im System industrieller Beziehungen und in
den Arbeitsbeziehungen liefern. In ihrem Zusammenhang wird möglicherweise die Gültigkeit und Anwendungsreichweite von Flächentarifverträgen
wieder gestärkt. Mit der Konzentration auf das Tarifgebiet Thüringen lassen
sich zudem im Vergleich mit den Westbezirken ostdeutsche Besonderheiten
der ERA-Umsetzung herausarbeiten.
¾ Aus Sicht der Kollektivakteure und betrieblichen Umsetzungsverantwortlichen in der Region erbringt eine sozialwissenschaftliche Begleitforschung durch Evaluierung der Einführungsprozesse, Umsetzungschancen
und -schritte von ERA und deren Praktizierung und Akzeptanz in ausgewählten Pilot- bzw. Prototyp-Betrieben wichtige Hinweise darauf, welche
Probleme oder Konflikte bei welchem Vorgehen zu erwarten sind und wie
eine reibungslose Umsetzung aussehen kann. Die Ergebnisse lassen sich erstens für die Untersuchungsbetriebe selbst und zweitens für die anderen Betriebe des Tarifgebiets, die zeitversetzt mit der ERA-Umsetzung nachfolgen
werden, auswerten. Aber auch über das analysierte Tarifgebiet hinaus können anwendungsorientierte Lern- und Transferprozesse insofern angestoßen
werden, als die Tarifvertragsparteien Thüringens frühzeitig, als erstes Tarifgebiet in Ostdeutschland, die ERA-Umsetzung beschlossen und begon-
10
nen haben. Die Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände der nachziehenden Tarifbezirke können hieraus erste Erkenntnisse zur Praxis der betrieblichen Einführung gewinnen. Schließlich zeichnet sich der ERA-Tarifvertrag
Thüringens u.a. durch die Besonderheit aus, dass mit dem Instrument der
„Tariflichen Entsprechung“ (siehe Kapitel 5) eine möglicherweise besonders
pragmatische und zeitsparende Variante der Bewältigung der Anpassung von
Entgeltgruppenübergängen abgeschlossen wurde, deren Anwendung auch
anderen Tarifbezirken und -gebieten in der gleichen oder einer modifizierten
Form möglich wäre.
Eine Jahrhundertreform wie das momentan bundesweit in der Metall- und
Elektroindustrie umzusetzende Entgeltrahmenabkommen (ERA) (siehe Huber,
Schild 2004; Schulz 2004; Manthey, Meine 2004; Sadowsky 2004; Beraus
2004; Ehlscheid et al. 2006) stellt für die Tarifparteien und die maßgeblichen
Verhandlungspartner auf Betriebsebene – Geschäftsleitungen und Betriebsräte
–, aber auch für die Belegschaften eine große Herausforderung dar. Müssen
doch mit der ERA-Umsetzung die überlieferten Arbeitsbewertungen, Entgeltstrukturen und damit auch die Relationen der Belegschaftsgruppen zueinander
in allen Betrieben neu austariert und verhandelt werden. Alles in allem erfolgten und erfolgen in den Betrieben sehr weit reichende, möglicherweise auch
konfliktreiche Definitions- und Aushandlungsprozesse. Die langjährig stabilen
Unterschiede in der Bewertung der Arbeit von Arbeitern und Angestellten
werden neu thematisiert. Gleichermaßen werden die vorherrschenden Formen
der Betriebs- und Arbeitsorganisation auf den Prüfstand gestellt. Und schließlich herrschen in den Tarifbezirken und -gebieten der Metall- und Elektroindustrie sehr unterschiedliche Ausgangsbedingungen hinsichtlich der angewandten Arbeitsbewertungsverfahren, der Tarif- bzw. Sozialgeschichte, der
Tarifverträge, die auf ERA Einfluss haben, sowie der Regelungen des abgeschlossenen ERA-Tarifvertrags.
Mit der Umsetzung von ERA müssen die Gewerkschaft und der Arbeitgeberverband gemeinsam ein Programm bewältigen, das an den Grundfesten der bisherigen Gratifikationsstrukturen und Reproduktionschancen von Arbeitnehmern bzw. der Kostenstrukturen der Verbandsmitglieder rüttelt. Im ganzen
Bundesgebiet werden gegenwärtig bzw. im Verlauf der kommenden beiden
Jahre in der Metall- und Elektroindustrie für Arbeiter und Angestellte einheitliche Entgeltgrundsätze und -gruppen eingeführt. Hierzu müssen in jedem Betrieb die Arbeitsanforderungen jedes einzelnen Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber neu bewertet und zu der hieraus resultierenden Eingruppierung die
Zustimmung des Betriebsrats eingeholt werden. In der Natur der Sache liegt es,
dass dabei sowohl Konflikte zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmervertre-
11
tung als auch Streitigkeiten zwischen unterschiedlichen Beschäftigtengruppen
vorprogrammiert sind. Nicht ausgeschlossen sind auch Entfremdungsprozesse
von sich ungerecht beurteilt fühlenden Arbeitnehmern gegenüber den Betriebsräten und der Gewerkschaft – oder auch von Betrieben gegenüber dem Arbeitgeberverband, falls diese sich vom Verband im Stich gelassen fühlen sollten.
Im Tarifgebiet Thüringen liegen mit dem tariflich vereinbarten Instrument der
„Tariflichen Entsprechung“ und der spezifischen Bewusstseinslage der Gewerkschaftsmitglieder im Osten Deutschlands zwei Sonderbedingungen vor,
deren Wirkung auf die Chancen der Umsetzung zu untersuchen war. Bei der
Tariflichen Entsprechung handelt es sich um einen Passus im ERA-Tarifvertrag, nach dem die betrieblichen Arbeitgeber zwischen einer Neubewertung
aller Arbeitsplätze/Arbeitskräfte des Betriebs und der Anwendung einer Analogietabelle mit Nennung der alten Lohn- bzw. Gehaltsgruppe und der neuen
Entgeltgruppe (als pauschales Äquivalent) wählen können. Die Tarifliche Entsprechung stellt ein thüringisches Spezifikum mit besonderen Vorteilen bzw.
Nachteilen dar, dessen Analyse weit reichende Rückschlüsse auf die Praktikabilität und ökonomische Umsetzung von ERA erlaubt.
Der vorliegende Projektbericht stellt die wichtigsten Ergebnisse der empirischen und sozialwissenschaftlichen Begleitforschung durch das ISF München
dar. Zunächst wird auf die dem Forschungsvorhaben zugrundeliegenden Hypothesen und Methoden (Kapitel 2) sowie die wesentlichen Kennzeichen des
ERA-Tarifvertrags (Kapitel 3) eingegangen. In den darauf folgenden Abschnitten werden zunächst die Untersuchungsbetriebe kurz beschrieben (Kapitel 4)
und dann die empirischen Befunde vorgestellt: zur Entscheidungslage und zu
den Einführungsverfahren von ERA (Kapitel 5), zur Betroffenheit unterschiedlicher Belegschaftsgruppierungen (Kapitel 6), zu den organisatorischen Auswirkungen (Kapitel 7) und zu den Folgen für den Rückhalt der Betriebsräte
und Gewerkschaften in den Belegschaften (Kapitel 8). Mit dem Kapitel 9 wird
– den Empirieteil abschließend – eine Gesamtbewertung von ERA wiedergegeben, wie sie in den Interviews von den Gesprächspartnern selbst vorgenommen wurde. Es folgt ein sozialwissenschaftliches Resümee (Kapitel 10), in
dem die empirischen Erkenntnisse vor dem Hintergrund von Trendaussagen,
Thesen und Prognosen evaluiert werden, wie sie derzeit in der Forschung zu
Industriellen Beziehungen vorgetragen werden. So können die Resultate in
einen theoretisch-konzeptionellen Zusammenhang gestellt werden. Den Abschluss bildet ein kurzer Überblick über den Ertrag des Forschungsprojekts
(Kapitel 11).
12
2. Hypothesen und Methodik der Begleitforschung
Aus der Perspektive der sozialwissenschaftlichen Forschung zu Industriellen
Beziehungen erschließt sich die Bedeutung von ERA in folgenden Überlegungen zur Reichweite und zu den Ebenen der notwendigen Veränderungen: Mit
ERA sind weit reichende Konsequenzen für das System industrieller Beziehungen in der Bundesrepublik verknüpft, die auf verschiedenen Ebenen eine Neujustierung des Verhältnisses zwischen Kapital und Arbeit mit sich bringen.
¾ In der tariflichen Arena sind die Praktikabilität und die Umsetzung von
ERA in den Betrieben zu evaluieren und ggf. zwischenzeitlich Umorientierungen in den tariflichen Details bzw. betrieblichen Umsetzungsschritten
einzuziehen.
¾ Auf der betrieblichen Ebene sind die gesamten, langjährig verfestigten
Entgeltstrukturen und Relationen zwischen unterschiedlichen Beschäftigtengruppen neu zu fixieren. Hier sind nicht nur Konfliktlinien zwischen unterschiedlich betroffenen Belegschaftsgruppierungen zu erwarten; seitens
der Betriebsräte sind auch gegenüber den durch die Arbeitgeber festgestellten neuen Eingruppierungen bzw. Entgeltgrundsätzen eigene Positionierungen und Stellungnahmen sowie Interessenhandeln erforderlich. Zugleich
steht aus Sicht der Betriebe die Neudefinition des betrieblichen Entgeltgefüges in Zeiten der angespannten Wirtschaftslage unter dem Diktat der Kosteneinsparung bzw. zumindest Kostenneutralität.
¾ Auf der Vermittlungsebene zwischen den tariflichen Kollektivakteuren
und den betrieblichen Verhandlungspartnern müssen Kommunikationsstrukturen zur Verbreitung der tariflichen Regelungen und zur Schaffung
von Transparenz über Lösungsmöglichkeiten geschaffen werden. Umgekehrt müssen Erfahrungen mit der Umsetzung auf der betrieblichen Arena
in die tariflichen Verhandlungsgremien zurückgespielt werden.
¾ Auf die betrieblichen oder auch gerichtlichen Mediationsgremien, wie die
Paritätischen Kommissionen bzw. die Arbeitsgerichte, kommen neue Regelungsnotwendigkeiten zu. Zwar sind die Verhandlungsfelder bekannt, doch
hat man es mit neuartigen Regelungsinhalten und Abgrenzungslinien in
entgeltpolitischem Neuland zu tun. Zudem wurde mit den Paritätischen
Kommissionen ein vorinstanzliches Vermittlungsgremium geschaffen, mit
dessen Hilfe die Konfliktlösung im besten Fall im Betrieb selbst erfolgen
soll; hierzu können die Tarifvertragsparteien im Falle der Nichteinigung zur
13
Beratung und Unterstützung hinzugezogen werden, ohne allerdings selbst
Stimmrecht zu besitzen.1
¾ Veränderungen in der Akzeptanz der Verbände und Kollektivakteure (Arbeitgeberverband und Gewerkschaft) seitens der Betriebe und der Belegschaften werden von den Erfahrungen mit der ERA-Einführung überlagert.
¾ Zwischen unterschiedlichen Kapitalfraktionen (Kleinbetriebe vs. Konzerne;
lokale Unternehmen vs. bezirksübergreifend agierende Unternehmen; Betriebe unterschiedlicher Teilbranchen mit verschiedener Stellung im Wertschöpfungsprozess) müssen unterschiedliche Prioritäten und Lösungen vermittelt
und in eine konsistente Politik auf der Verbandsebene überführt werden.
Für die Kollektivakteure bietet diese ERA-Umsetzung – neben den beschriebenen Risiken – eine in der Nachkriegszeit einzigartige und beispiellose Möglichkeit, das durch Mitgliederschwund, Verbands- und Tarifflucht verlorene
Terrain wieder gut zu machen. Dies hängt jedoch maßgeblich von den Erfahrungen der betrieblichen Akteure mit ERA und mit der Beratung durch „ihre“
Repräsentationsorganisationen ab.
Aus der Perspektive sozialwissenschaftlicher Analyse handelt es sich bei der
Begleitforschung um eine ausgesprochen günstige Situation zur empirischen
Erforschung entgeltpolitischen Wandels, weil in Folge eines einheitlichen Tarifvertrags mit Standardisierungsanspruch alle tarifgebundenen Betriebe eines
Tarifbezirks überkommene Entgeltdifferenzierungen und -relationen zugunsten
eines einheitlichen Eingruppierungskatalogs für Angestellte und Arbeiter verändern müssen. Und dies in einer Situation, in der die tariflichen Verhandlungsparteien aus Arbeitgeberverband und Gewerkschaft eine ungewohnte Geund Entschlossenheit der Umsetzung an den Tag legen. Auf der Betriebsebene
brechen hierbei die seit Beginn der Existenz von Tarifparteien und -verhandlungen vor über 100 Jahren gültigen Trennungen zwischen Arbeitern und Angestellten auf, die bis ins staatliche Sozialversicherungswesen ihre Wirkung
entfaltet haben. Folglich findet die Sozialwissenschaft gegenwärtig eine historisch einmalige Situation mit einschneidenden Veränderungen in den Verhandlungsfeldern, Aushandlungsebenen, Vereinbarungsgegenständen, Gremien sowie Partizipationskonzepten vor, die für eine Schärfung der zeitdiagnostischen
industriesoziologischen Trendaussagen und Thesen zur weiteren Entwicklung
der Industriellen Beziehungen ausgesprochen günstige Voraussetzungen bietet.
1
14
Falls auch auf diesem Wege keine Einigung zustande kommt, muss der Arbeitgeber die Zustimmung durch das Arbeitsgericht ersetzen lassen, wogegen wiederum der Beschäftigte bei einem weiterhin unlösbaren Widerspruch auf dem Rechtswege Klage einreichen kann.
2.1
Fragestellungen im Projekt
Die von der Otto Brenner Stiftung beauftragte und geförderte Begleitforschung
wurde durch das ISF München in Abstimmung mit der IG Metall Bezirksleitung und dem Thüringer Arbeitgeberverband VMET im Zeitraum zwischen
April 2005 und Mai 2008 durchgeführt. Der Schwerpunkt der empirischen Erhebungen in den Betrieben lag in den Jahren 2006 und 2007. Mit der sozialwissenschaftlichen Begleitforschung verbanden sich im Wesentlichen zwei Zielsetzungen:
¾ In empirischer Perspektive ging es um eine Untersuchung der Vorgehensweisen, Umsetzungschancen und -schritte bei der Einführung des ERA und
deren Praxis und Akzeptanz in den Betrieben.
¾ In analytischer Perspektive ging es um die Untersuchung der mit ERA zusammenhängenden machtpolitischen Veränderungen im System Industrieller
Beziehungen bzw. in den betrieblichen Arbeitsbeziehungen. Hierbei stand
vornehmlich die Bewertung der mit der ERA-Einführung einhergehenden
(neuen) Bedeutung von zentralen, jedoch umfassend veränderten Verhandlungsfeldern in der Metall- und Elektroindustrie im Mittelpunkt. Zudem sollten ostdeutsche Besonderheiten bei der ERA-Umsetzung analysiert werden.
Die die Begleitforschung hauptsächlich leitenden generellen Forschungsfragen
bezogen sich daher in doppelter Hinsicht auf die betrieblichen Auswirkungen
der Besonderheiten des ERA-Tarifvertrags Thüringens:
1. Wie wirkt sich die Entscheidung für oder gegen die „Tarifliche Entsprechung“ auf die Praxis der ERA-Umsetzung, die Position der betrieblichen
Entscheidungsträger und Verhandlungspartner sowie die Entgelt- und Arbeitssituation der Arbeitnehmer aus? Welche Akteure und Argumentationen
sind für diese Entscheidung maßgeblich?
2. Inwieweit wirkt sich der besondere Hintergrund der ostdeutschen Wirtschaftsgeschichte seit der Wende und der spezifischen Erfahrungen und Bewusstseinslagen der Gewerkschaftsmitglieder und der im Arbeitgeberverband
organisierten Betriebe auf den Einführungsprozess und die Akzeptanz von
ERA aus?
In diesem Zusammenhang wurde von der Hypothese ausgegangen, dass die
Merkmale des Tarifvertrags sowie die Prozeduren der Einführung mitentscheidend für die Betroffenheit von unterschiedlichen Beschäftigtengruppen und die
Resonanz des Tarifwerks bei diesen sein werden. Entstehungsgeschichte, Regelungsinhalte und Umsetzungsstrategien von ERA setzen an der von der Ge-
15
werkschaft schon lange als defizitär empfundenen Ungleichbehandlung in der
Arbeitsbewertung von Arbeitern und Angestellten an, die sich immer weniger
mit ungleichen Arbeits- und Leistungsbedingungen begründen lässt. Einer der
Hauptimpulse für ERA seitens der Gewerkschaft war erklärtermaßen immer,
ihrer klassischen Klientel zu einem höheren („gerechteren“) Einkommen zu
verhelfen (Burkhard 2008). Und dies sind überwiegend männliche Facharbeiter
bzw. gewerbliche Arbeitnehmer aus Produktionsbereichen in Großbetrieben
klassischer Branchen (Auto-, Metall- und Elektroindustrie etc.). In diesen Betrieben und bei dieser Personengruppe können Betriebsräte und Gewerkschafter ohnehin auf eine stark mitbestimmte Struktur und eine relativ große Mitgliederbasis zurückgreifen (Hassel 1999). Probleme und Konflikte im Hinblick
auf die ERA-Akzeptanz waren deshalb eher bei den Angestellten zu erwarten.
Der Hoffnung auf eine systematische Fundierung besserer Eingruppierungen
bzw. erhöhter Grundentgelte von Gewerblichen stand gegenüber, dass es möglicherweise nachteilige Effekte für andere Belegschaftsgruppen, etwa die bisher
im Grundgehalt insbesondere nach längerer Berufstätigkeit und in den Endstufen
der Gehaltsentwicklung tendenziell besser gestellten Angestellten, geben könnte.
Einschränkend zur vermeintlichen oder tatsächlichen Besserstellung von Angestellten ist hierbei zu berücksichtigen, dass teilweise niedrigere Eingruppierungen und Grundlöhne insbesondere in den Leistungslohnbereichen der Arbeiter
vormals durch entsprechende Leistungsmehrverdienste kompensiert wurden.
Forschungsbedarf bestand in dieser Hinsicht in einer systematischen Analyse
der Wirkungen der neuen Arbeitsbewertungen und Eingruppierungen im ERAKontext für unterschiedliche Belegschaftsgruppen sowie der Reaktionen dieser
Arbeitnehmergruppen. Inwieweit sich die ERA-Umsetzung letztlich auch als
Instrument der Mitgliedergewinnung (Dribbusch 2002) für die Gewerkschaften
und Arbeitgeberverbände in der Metall- und Elektroindustrie erweisen wird,
hängt – so wurde zu Beginn der Begleitforschung vermutet – auch von der
Akzeptanz der ERA-Einführung in den Betrieben und der Beurteilung der Rolle von betrieblichen und überbetrieblichen Interessenvertretungsorganisationen
in diesem Prozess durch Belegschaften und Betriebsleitungen ab. Zudem war
hier die Frage relevant, ob und wie die Einführung von ERA auch andere Verhandlungsfelder (z.B. die betriebliche Organisation oder die Personal- und
Qualifizierungspolitik) tangiert und befördert oder behindert (vgl. Bahnmüller,
Fischbach 2004).
Zur Überprüfung dieser Hypothese und zur empirischen Prüfung der Frage, inwieweit mit der ERA-Einführung wichtige Zielsetzungen der Tarifvertragsparteien im Interesse ihrer Klientel erfüllt werden konnten, wurden in den Be-
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triebsanalysen drei Hauptfragestellungen mit einer Reihe von Detailfragen
untersucht:
1. die Betroffenheit unterschiedlicher Beschäftigtengruppen durch ERA,
2. die Wechselwirkung zwischen Entgeltsystem und modernen Arbeitsformen
und
3. die Einbindung/Akzeptanz der Tarifvertragsparteien im ERA-Umsetzungsprozess.
(1) Bei der empirischen Analyse der Betroffenheit unterschiedlicher Beschäftigtengruppen wurden folgende Fragen bearbeitet:
¾ Kenntnisse und Wahrnehmung von ERA, Antizipation von Nachteilen etc.
durch die Belegschaft,
¾ konkret erwartete, geplante bzw. bereits aufgetretene Barrieren, Blockadehaltungen und Widerstände,
¾ Wirkungen von veränderten Eingruppierungsrelationen auf die Entgelte unterschiedlicher Arbeiter-/Angestelltengruppen und -typen,
¾ angestelltentypische Interessen an ERA – neue bzw. stärker zu gewichtende
Verhandlungsfelder, wie z.B. vereinbarte Arbeitspensen, ausgehandelte
Personalbesetzung, Zielvereinbarungen, Arbeitszeitfragen, Karriereplanung
bei ERA etc.
(2) Die Analyse der Wechselwirkung zwischen betrieblichem Entgeltsystem
und modernen Arbeitsformen beinhaltete u.a. die Untersuchung folgender Dimensionen und Fragen:
¾ vorherrschende Arbeitsorganisations- und Produktionsmodelle,
¾ vorgängige lohn- bzw. gehaltsrelevante Arbeitsteilung im Betrieb,
¾ Planung und Implementierung moderner Produktionsmodelle bzw. Arbeitsorganisationsformen (segmentierte Produktion, Fertigungsinseln, teilautonome Gruppenarbeit etc.),
¾ Anschubfunktion von ERA, neue Produktions- und Organisationsmodelle
zu etablieren,
¾ Folgen einer arbeitsorganisatorischen Umstellung für die betriebliche Entgeltstruktur.
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(3) Im Hinblick auf die Einbindung der Betriebsräte und Gewerkschaften wurden folgende Fragen untersucht:
¾ die Rolle von Betriebsräten und der Gewerkschaft während der ERAEinführung,
¾ beschäftigtengruppenspezifische, von den Betriebsräten getragene oder
durchgesetzte (Übergangs-)Lösungen,
¾ Wandel des Rückhalts von Betriebsräten und Gewerkschaften in der Belegschaft in Folge der ERA-Einführung,
¾ neu entstehende Abgrenzungslinien zwischen Belegschaftsgruppen und
Betriebsräten,
¾ Neuentstehung direkter Partizipationsvorstellungen und Mitsprachemöglichkeiten der Arbeitskräfte in diesen Betrieben und deren (Wechsel-)Wirkung
mit klassischen Mitbestimmungs- und Betriebsratsstrukturen.
2.2
Arbeitsprogramm
Umgesetzt wurden die Zielsetzungen der Begleitforschung durch folgendes
methodisches und empirisches Forschungsdesign:
1. Bestandsaufnahme der Aushandlungsprozesse zwischen den Vertretern der
Geschäftsleitung bzw. Personalleitung und den Betriebsräten sowie der betrieblichen Umsetzungslösungen in den Vorreiterbetrieben des Tarifgebiets
in zwei Wellen: zu Beginn der Aushandlung unmittelbar nach der Entscheidung für oder gegen die Tarifliche Entsprechung bzw. zu dem im Betrieb
zwischen Personalleitung und Betriebsrat vereinbarten Beginn der ERAAnwendung; und exakt ein Jahr später, als die Auswirkungen dieser Entscheidung erkennbar und die Folgen der neuen Entgeltsysteme analysierbar
waren.
2. Qualitative Experteninterviews in den ausgewählten Betrieben mit Vertretern der Personalleitung und den Betriebsräten (zu beiden Befragungszeitpunkten) sowie (in der zweiten Empiriewelle zusätzlich) mit betroffenen
Beschäftigten (Einzelinterviews bzw. Gruppendiskussionen) und ggf. Vertretern der Geschäftsleitung. Ergänzend wurden Klärungsgespräche mit
einzelnen, für das Tarifgebiet zuständigen Funktionären der Gewerkschaft
und des Arbeitgeberverbands geführt.
3. Sozialwissenschaftliche Auswertung entlang der Dimensionen: Konsequenzen der Entscheidung zwischen Anwendung der Tariflichen Entsprechung
18
und Neubewertung aller Arbeitsplätze/Arbeitskräfte des Betriebs für die
Entgeltstruktur; Auf- und Abwertungen von Arbeitskräften bzw. Arbeitskräftegruppen; personalpolitische Maßnahmen, betriebliche Qualifizierungsmaßnahmen; korrespondierende Einführung bzw. Fortführung moderner
Produktionsformen; Rolle der Tarifvertragsparteien, interessenpolitische
Positionen des Betriebsrats; Akzeptanz von ERA in der Belegschaft, Konfliktverläufe; Veränderung der Kohäsion der Belegschaftsgruppen; Wandel
der Einstellung zum Betriebsrat, Veränderung des Organisationsgrads.
4. Analyse und Bewertung der unabgeschlossenen Verhandlungsfelder, von
Lösungsdefiziten sowie von drohenden Risiken aus Sicht der Belegschaften
und Belegschaftsvertretungen.
2.3
Auswahl des Untersuchungsfeldes und methodisches Vorgehen
Der Bezirk Thüringen erschien auch deshalb für diese Studie geeignet, weil es
sich um ein überschaubares Tarifgebiet mit ca. 50 größeren, namentlich bekannten, stabil mitbestimmten und tarifgebundenen Unternehmen mit insgesamt ca. 16.000 Beschäftigten handelt (vgl. IWT 2004, 2007).
Insgesamt arbeiteten 2006 einer Verbandsumfrage des Instituts der Wirtschaft
Thüringens zufolge in der Metall- und Elektroindustrie Thüringens ca. 79.000
Beschäftigte (IWT 2007; siehe Tabelle 1). Zu diesem Branchenkonglomerat
zählen folgende Wirtschaftszweige: Metallerzeugung und -bearbeitung; Herstellung von Metallerzeugnissen; Maschinenbau, Herstellung von Büromaschinen, Datenverarbeitungsgeräten und -einrichtungen; Herstellung von Geräten
der Elektrizitätserzeugung, -verteilung u.ä.; Rundfunk- und Nachrichtentechnik; Medizin-, Mess-, Steuer- und Regelungstechnik, Optik, Herstellung von
Uhren; Herstellung von Kraftwagen und Kraftwagenteilen; sonstiger Fahrzeugbau. In den letzten Jahren hat sich die wirtschaftliche Situation, sowohl
was den Umsatz der Unternehmen als auch was die Beschäftigtenzahl anbelangt, durchaus günstig entwickelt:
19
Kennziffern
Einheit
Jan. bis Sept.
2006
Vergleich zu 2005
Betriebe
Anzahl
902
- 1,6
Beschäftigte
Anzahl
78.912
+ 2,3
Beschäftigte je Unternehmen
Anzahl
87
+ 3,6
Umsatz
Mio. Euro
9.992
+ 13,7
Umsatz je Beschäftigten
Tsd. Euro
126,62
+ 11,2
Euro
99,85
+ 9,5
Mio. Euro
3.216
+ 11,4
Produktivität
(Umsatz je Arbeitsstunde)
Auslandsumsatz
Exportquote gesamt
davon Exportquote Euro-Zone
Bruttolohn bzw. -gehalt
Tabelle 1:
%
32,2
- 2,1
%
58,8
+ 3,7
Mio. Euro
1.595
+ 5,6
Kennziffern für die Metall- und Elektroindustrie Thüringen
Quelle: IWT 2007, S. 34
Die stärksten Beschäftigungszuwächse fanden in den Wirtschaftszweigen Herstellung von Metallerzeugnissen, Rundfunk- und Nachrichtentechnik sowie
Mess-, Steuer- und Regelungstechnik, Optik, Herstellung von Uhren statt (IWT
2007). Während die Wirtschaft Thüringens insgesamt von kleinen Unternehmen (Beschäftigtenzahl zwischen 1 und 49) dominiert ist (sie machen 97,3%
aller Betriebe aus), herrschen einer (nicht repräsentativen) Umfrage des IWT
unter den verbandsgebundenen Unternehmen zufolge in der Metall- und Elektroindustrie größere Unternehmen vor: Den größten Anteil stellen mit 56,6%
der Unternehmen diejenigen mit zwischen 50 und 249 Beschäftigten, danach
folgen mit 22,2% Unternehmen mit über 250 Beschäftigten, gefolgt von 16,2%
der Unternehmen mit zwischen 10 und 49 Beschäftigten sowie 5,1% der Unternehmen mit 1 bis 9 Arbeitskräften (IWT 2007, S. 43). Bezogen auf die Anzahl der Beschäftigten sind in den großen Unternehmen mit mehr als 250 Beschäftigten insgesamt knapp zwei Drittel aller Arbeitskräfte der Metall- und
Elektroindustrie tätig, in den Unternehmen mit zwischen 50 und 249 Beschäftigten insgesamt ein Drittel (ebd.).
Tarif- und sozialpolitisch werden diese Unternehmen vom Verband der Metallund Elektroindustrie in Thüringen e.V. (VMET) mit Sitz in Erfurt vertreten; er
repräsentierte im Jahre 2006 19,3% der in dieser Branche Beschäftigten. Demgegenüber unterliegen nur 56 Unternehmen, das sind ca. 6% aller Unternehmen, der Tarifbindung. Vorwiegend im Feld der Dienstleistungen ist zudem
der Allgemeine Arbeitgeberverband Thüringen e.V. (AGVT) als tariffreier,
20
branchenübergreifender und freiwilliger Verband tätig; aus der Metallindustrie
sind in diesem Verband ohne Tarifbindung (OT-Verband) weitere 40 Unternehmen Mitglied, was etwa 5% der Metall-Unternehmen in Thüringen entspricht (Haipeter, Schilling 2006; VMET-Homepage). Der AGVT wurde 1993
als „Sammelbecken für nicht tarifgebundene Unternehmen“ gegründet, wobei
„die Beiträge für T- und OT-Verband identisch (sind)“ (Haipeter, Schilling
2006, S. 58). Seitens der Gewerkschaften ist die IG Metall Bezirksleitung in
Frankfurt/Main für das Tarifgebiet der Metall- und Elektroindustrie Thüringens
als Tarifpartner zuständig.
Für die ERA-Begleitforschung in Thüringen wurden in Absprache mit den für
die Firmen zuständigen tariflichen und betrieblichen Repräsentanten von Gewerkschaft und Arbeitgeberverband sowie dem Kooperationspartner (Institut
der Wirtschaft Thüringens) exemplarisch drei Unternehmen aus den tarifgebundenen Arbeitgebern des Tarifbezirks ausgewählt. Mit diesem Forschungsdesign wurden gewissermaßen Pilotbetriebe untersucht, die als Vorreiter mit
Vorbildcharakter gewerkschafts- und tarifpolitisch generalisiert werden können, indem man die hier gewonnenen empirischen Erfahrungen zur Schulung
und zur Verbreiterung der Umsetzungsstrategie auswertet und nutzt. Zusätzlich
wurde im Forschungsvorhaben angestrebt, nicht nur Pilotbetriebe zu analysieren, in welchen die günstigsten Bedingungen herrschen; stattdessen erforderten
die skizzierten Forschungsfragen eine gemischte Auswahl. Denn als notwendige Ergänzung zu den klassischen Produktionsbetrieben waren prinzipiell auch
diejenigen (proto-)typischen Modellbetriebe zu analysieren, in welchen als
Reaktion auf einen – tatsächlichen oder auch nur wahrgenommenen – Angriff
auf den privilegierten Status der Angestellten und auf möglicherweise nachteilige Effekte für diese Beschäftigtengruppe im Kontext einer integrierten Entgelttabelle Barrieren, Blockadehaltungen und Widerstände zu erwarten waren.
Es handelt sich dabei einerseits um kleine und mittlere Betriebe (KMU), andererseits um Angestelltenbetriebe. Bei der Betriebsauswahl war die Einschätzung leitend, dass es besonders spannend und unter Generalisierungsgesichtspunkten weiterführend wird, wenn beide Charakteristika, KMU und Angestelltenbetrieb, gleichzeitig zutreffen. Die hinter dieser Perspektive stehende Überzeugung war, dass sich Umsetzungserfolg und ggf. weitergehende Rekrutierungspotenziale für neue Gewerkschafts- bzw. Verbandsmitglieder dann und
nur dann einstellen, wenn speziell für diese Betriebe und Beschäftigtengruppen
interessengruppenspezifische Vorteile einer ERA-Umsetzung herausgearbeitet
werden. Derartige Betriebe werden aus Gewerkschaftsperspektive manchmal
fälschlicherweise als historische Nachhut abgetan – so als würden diese im
Laufe der Zeit aufgrund der Vorbildfunktion der Großbetriebe in der Region
hinsichtlich der Verbreiterung der Mitbestimmungsbasis und Umsetzung von
21
tarifvertraglichen Regelungen schon noch nachziehen. Aus wissenschaftlicher
Sicht sind daran Zweifel angebracht (vgl. Hassel 1999), so dass gerade für die
Analyse von unterschiedlichen Ausgangs- und Umsetzungsbedingungen die
Einbeziehung eines derartigen Fallbeispiels Sinn machte.
In methodischer Hinsicht wurde bei der Auswahl der Untersuchungsbetriebe
deshalb darauf geachtet, ergänzend zu größeren best-case-Fällen auch einen
vermutlichen worst-case-Betrieb als Kontrastfall auszuwählen, in welchem beide ein Ablehnungsklima begünstigenden Charakteristika vorliegen und kumulativ wirken können. Bei der Auswahl der Unternehmen war insofern weniger
das statistische Kriterium der Repräsentativität ausschlaggebend als vielmehr ein
in der soziologischen Methodologie „Theoretical Sampling“ genanntes Auswahlprinzip: Es wird versucht, Fälle mit jeweils prototypischen Kennzeichen und
Bedingungen einzubeziehen, um kontrastierende Verlaufsformen und Wirkungen organisatorischer bzw. – wie bei der hier im Mittelpunkt stehenden Themenstellung – tarif- und lohnpolitischer Maßnahmen untersuchen zu können.
Bei der Auswahl der Untersuchungsbetriebe wurde infolgedessen versucht,
wichtige und exemplarische Typen von Unternehmen zu identifizieren, die
durch jeweils spezifische Bedingungen (Teilbranche und Produktspektrum, Betriebsgröße, Angestelltenanteil) charakterisiert sind und gewissermaßen als repräsentativ für Betriebe mit ähnlichen betriebsstrukturellen Ausgangsbedingungen betrachtet werden können. Als Kontrastfall sollte zudem ein KMU einbezogen werden, in dem bereits während des Untersuchungszeitraums mit der
ERA-Einführung begonnen wurde. Im Hinblick auf die genannten betriebsstrukturellen Variablen wies das letztlich für die Begleitforschung ausgewählte
Sample folgende Charakteristik auf:
¾ ein Großunternehmen aus der Optikindustrie mit einer gemischten Belegschaftsstruktur aus Gewerblichen und Angestellten;
¾ ein stärker produktionsgeprägtes Unternehmen aus der Automobilindustrie
mit einem hohen Anteil von Produktionsarbeitern;
¾ ein KMU aus der Optikindustrie mit sehr hohem Angestelltenanteil.
Diese drei Unternehmen repräsentieren damit gewissermaßen Prototypen im
Hinblick auf deutlich unterschiedliche Belegschaftsstrukturen und Betriebsgrößen. Das entscheidende Kriterium für den Zugang zu den Untersuchungsbetrieben und für den zu erwartenden Nutzen der empirischen Erhebungen lag
allerdings in deren dem Arbeitgeberverband und der Gewerkschaft gegenüber
artikulierter Bereitschaft, sehr schnell in die ERA-Umsetzung einzusteigen.
22
Methodisch wurden in zwei Wellen (Sommer 2006 und Sommer 2007) leitfadengestützte qualitative Experteninterviews mit den Betriebsräten und den mit der
ERA-Umsetzung betrauten Repräsentanten der Geschäftsleitungen bzw. Personalleitungen in den drei ausgewählten Unternehmen durchgeführt. In zwei der
drei Untersuchungsbetriebe war es in der zweiten Welle der Erhebungen möglich, den Fragen der Akzeptanz und der Wirkungen von ERA auf einzelne Belegschaftsgruppen durch Einzelinterviews und in Gruppendiskussionen mit einzelnen Beschäftigten nachzugehen. Zur Klärung des Forschungsvorhabens und
des Betriebszugangs sowie zur Situation der ERA-Einführung im Tarifgebiet
Thüringen fanden zudem Gespräche mit Vertretern des Arbeitgeberverbands
VMET sowie dem zuständigen Bezirksleiter der IG Metall statt. Ergänzt wurden
die mündlichen Interviews durch eine Erhebung mittels eines gemeinsam mit
dem Institut der Wirtschaft Thüringens (IWT) gestalteten Fragebogens in den
drei Untersuchungsbetrieben.
Es wurde mit diesem Forschungsdesign also nicht eine quantitative Gesamtbzw. Teilerhebung im Sinne statistischer Repräsentativität angestrebt, sondern
vielmehr eine in die Tiefe gehende qualitative Analyse der typischen Problembedingungen, der spezifischen Wechselwirkungen zwischen den von ERA
tangierten betrieblichen Verhandlungsfeldern und der maßgeblichen Folgen
von ERA im Betrieb. Dieser Anspruch war nur mit einem qualitativen Erhebungsdesign einzulösen, da ein standardisiertes Verfahren hierbei zu unflexibel
gewesen wäre.
Vor der Darstellung der empirischen Untersuchungsergebnisse wird auf den entscheidenden Regulationshintergrund, das Entgeltrahmenabkommen für Thüringen, eingegangen.
3. Kennzeichen des Entgeltrahmenabkommens
für Thüringen
Das Entgeltrahmenabkommen in Thüringen wurde im Vergleich zu den anderen Tarifbezirken und -gebieten relativ frühzeitig zwischen der IG Metall und
dem Arbeitgeberverband VMET abgeschlossen und sieht eine vergleichsweise
zügige Umsetzung vor. ERA wurde in Thüringen am 15. Januar 2004 vereinbart. Ein früherer Abschluss gelang nur in den Tarifbezirken Baden-Württemberg (23. Juni 2003), Nordrhein-Westfalen (18. Dezember 2003), Niedersachsen (20. November 2003) sowie Nordverbund (23. Mai bzw. 11. September
2003) (vgl. Reichel 2005). Im Jahre 2004 erfolgten neben Thüringen weitere
23
Abschlüsse für Osnabrück und M+E Mitte, die restlichen Tarifbezirke (Sachsen, Sachsen-Anhalt, Berlin-Brandenburg und Bayern) folgten erst im Jahr
2005. Im Hinblick auf den im Prinzip zwei Jahre umfassenden Einführungszeitraum regelt der ERA-Tarifvertrag in Thüringen, dass ab dem 1. Januar
2006 bis zum 31. Dezember 2007 ERA im Betrieb eingeführt werden konnte.
Eine frühzeitigere Einführung konnte auf freiwilliger Basis mit Zustimmung
der Tarifvertragsparteien erfolgen, mit Zustimmung der Tarifvertragsparteien
kann die Frist zur Einführung auch bis zum 31. Dezember 2008 verlängert
werden. Mit Ausnahme des Nordverbunds, in dem die ERA-Bestimmungen
zum 1. Januar 2008 in Kraft treten sollten, wurde in allen anderen Tarifgebieten eine längere Umsetzungsfrist festgesetzt, nämlich bis 2008 oder 2009. Insofern stellt Thüringen im Hinblick auf den Umsetzungszeitpunkt und Einführungszeitraum einen Sonderfall dar, der zweifellos auf die relative Überschaubarkeit des Tarifgebiets, aber auch auf die ausgesprochen guten Kontakte zwischen der IG Metall und dem VMET zurückgeht. Im folgenden Abschnitt werden die grundsätzlichen Regelungen im ERA-Tarifvertrag für das Tarifgebiet
Thüringen dargestellt. Wenngleich es sich im Hinblick auf die ERA-Umsetzung
um vier gesonderte Tarifverträge handelt – das Entgeltrahmenabkommen (ERA),
den Tarifvertrag zur Einführung des Entgeltrahmenabkommens, den Tarifvertrag
über Entgelte und Ausbildungsvergütungen sowie den Tarifvertrag ERA-Anpassungsfonds – werden im Folgenden zur Charakterisierung der wesentlichen Regelungen die Termini „ERA“ oder „ERA-Tarifvertrag“ verwendet.
3.1
Eingruppierung und Entgeltgruppen
Es erfolgt eine Eingruppierung der Beschäftigten entsprechend ihren Tätigkeitsanforderungen in zwölf Entgeltgruppen (E 1 bis E 12) (ERA, § 3 Abs. 1).
Die Eingruppierung richtet sich nach den summarischen Anforderungsmerkmalen des Entgeltrahmenabkommens (ERA, § 3 Abs. 2) und erfolgt nach derjenigen Tätigkeit, die das Niveau der Gesamttätigkeit prägt. Insofern müssen
auch mehrere unterschiedliche Qualifikationsanforderungen berücksichtigt
werden. Wichtig ist hier die ganzheitliche Betrachtung der Anforderungen –
der zeitliche Umfang der jeweiligen Tätigkeit ist nun nicht mehr, wie in früheren Regelungen, ausschlaggebend (ERA, § 3 Abs. 4). Die tariflichen Niveaubeispiele, die Anhaltspunkte für die Eingruppierung geben sollen, können freiwillig durch von den Betriebsparteien erstellte betriebliche Richtbeispiele ergänzt werden (ERA, § 3 Abs. 7). Beschäftigte, die die Voraussetzungen für die
jeder Entgeltgruppe zugeordnete Zusatzstufe dauerhaft erfüllen, werden für die
Dauer der Tätigkeit in der zugehörigen Zusatzstufe vergütet (ERA, § 3 Abs. 9).
Ein Einspruch der Beschäftigten gegen die Eingruppierung ist möglich, wenn
24
diese die Eingruppierung für unzutreffend halten; eine Ablehnung des Einspruchs durch den Arbeitgeber muss schriftlich begründet werden. Streitfälle
müssen zwischen dem Arbeitgeber und dem Betriebsrat mit dem Ziel einer
Verständigung behandelt werden (ERA, § 3 Abs. 8).
Es sind zwölf Entgeltgruppen von E 1 bis E 12 und zwölf Zusatzstufen Z 1 bis
Z 12 (ERA, § 4) vorgegeben. Die Entgeltgruppe E 5 stellt die künftige Referenz und Bezugsbasis für Tarifänderungen und für die Anpassungen der Entgeltrelationen zu anderen Entgeltgruppen dar und wird vergeben für: „Fachspezifische Aufgaben oder Facharbeiten, deren Erledigung weitgehend festgelegt ist. Erforderlich sind Kenntnisse und Fertigkeiten, wie sie durch eine mindestens 3-jährige abgeschlossene fachspezifische Berufsausbildung erworben
werden“ (ERA, § 4).
Stellvertretend für die ähnlichen Bestimmungen zu den übrigen Zusatzstufen
sei der Wortlaut der Zusatzstufe Z 5 zitiert:
„Es werden Tätigkeiten der Entgeltgruppe E 5 ausgeführt.
Dem Beschäftigten werden zusätzlich dispositive Aufgaben und/oder Aufgaben
der Anleitung und Führung von Beschäftigen dauerhaft übertragen.
oder
Dem Beschäftigten werden zusätzliche Tätigkeiten dauerhaft übertragen, die
wesentlich über die Anforderungen der Entgeltgruppe E5 hinausgehen und deshalb eine zusätzliche Qualifikation erfordern.“ (ERA, § 4)
Die Entgeltgruppe E 8 entspricht der Einstiegsgruppe für Hochschulabsolventen, kann aber bei der Ausführung hochwertigster Facharbeiten, die ein hohes
Dispositionsvermögen und Verantwortung erfordern, auch Nicht-Akademikern
zugeteilt werden:
„Erforderlich sind Kenntnisse und Fertigkeiten, wie sie in der Regel durch eine
abgeschlossene mindestens 3-jährige fachspezifische Berufsausbildung und eine
mindestens 2-jährige Fachausbildung
oder
durch eine abgeschlossene 3-jährige Hochschulausbildung (z.B. Bachelor) erworben werden.“ (ERA, § 4)
Im Falle einer vorübergehenden Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit wird
eine, im ERA tarifvertraglich definierte, „persönliche“ Zulage erteilt; also dann,
wenn dem Beschäftigten vertretungsweise eine andere Tätigkeit übertragen wird,
die den Anforderungsmerkmalen einer höheren als seiner Entgeltgruppe entspricht,
und wenn die Vertretung länger als sechs Wochen dauert; die persönliche Zulage
wird für die Dauer der ausgeübten Tätigkeit ab der 7. Woche der Vertretung be-
25
zahlt und bemisst sich nach der Differenz des Grundentgelts des Vertretenen zum
Grundentgelt des Vertretenden (ERA, § 5).
Durch Betriebsvereinbarung ist eine abweichende Definition der Entgeltgruppen
im Rahmen eines betrieblichen Entgeltsystems möglich, die dann aber der Zustimmung der Tarifvertragsparteien bedarf (ERA, § 6). Auch die Anwendung einheitlicher Konzern- oder Unternehmenssysteme ist zulässig (ERA, § 6).
3.2
Grundsätze der Entgeltgestaltung
Der ERA-Tarifvertrag erlaubt drei unterschiedliche Grundsätze der Entgeltgestaltung (ERA, § 7): Zeitentgelt mit Beurteilung, Leistungsentgelt mit Kennzahlenvergleich und Leistungsentgelt mit Zielvereinbarung (siehe Abbildung 1).
Abbildung 1: Das alte Lohn- und Gehaltssystem und das ERA-System des gemeinsamen Entgelts im Überblick
Quelle: IG Metall 2005, Arbeitsblatt 2, S. 1
Bei allen Entgeltgrundsätzen ist eine individuelle oder gruppenbezogene Ermittlung zulässig. Für alle drei Entgeltgrundsätze ist zudem im Fall von Meinungsverschiedenheiten, über die zunächst zwischen Arbeitgeber und Beschäftigtem keine Einigung erzielt werden kann, ein Reklamationsverfahren geregelt. Es sieht die Bildung einer Paritätischen Kommission vor, welche sich aus
vier betriebsangehörigen Mitgliedern zusammensetzt, die jeweils zur Hälfte
vom Arbeitgeber und vom Betriebsrat benannt werden (ERA, § 11 Abs. 1). Die
tarifvertraglichen Vorgaben im Hinblick auf die drei Entgeltgrundsätze besagen Folgendes:
26
Zeitentgelt mit Beurteilung (ERA, § 8): Das tarifliche Beurteilungsverfahren
sieht eine Differenzierung in fünf Beurteilungsstufen für die einzelnen Leistungsbeurteilungsmerkmale „Effizienz“, „Qualität“, „Flexibilität“, Verantwortliches
Handeln“ und „Kooperation/Führungsverhalten“ vor (siehe Abbildung 2). Die
jeweils durch den Vorgesetzten vorgenommene Leistungsbeurteilung soll einmal
Abbildung 2: Tarifliches Verfahren der Leistungsbeurteilung
Quelle: IG Metall 2005, Arbeitsblatt 9, S. 3
im Jahr überprüft werden. Die Leistungszulagen der Beschäftigten im Zeitentgelt
müssen mindestens 10% der Summe der tariflichen Grundentgelte der nach dem
Entgeltgrundsatz „Beurteilung“ erfassten Beschäftigten im jeweiligen Geltungsbereich betragen. Dabei kann nicht jeder Beschäftigte im Zeitentgelt eine Leistungszulage beanspruchen. Falls ein Beschäftigter einer höheren Entgeltgruppe
zugeordnet wird, kann die Leistungszulage entfallen und muss neu festgelegt
werden. Sofern im Unternehmen vom tariflichen Beurteilungsverfahren abgewichen werden soll, sind in einer Betriebsvereinbarung zum Beurteilungsverfahren
mindestens die folgenden Kennzeichen festzulegen: Beurteilungsmerkmale und
-stufen, Gesamtpunktzahl und ihre Verteilung auf die Merkmale (Gewichtung),
27
ggf. Funktionsbereiche, die mit unterschiedlichen Gewichtungen versehen werden können.
Im Leistungsentgelt mit Kennzahlenvergleich (ERA, § 9) kann die Ermittlung
und Aktualisierung der Daten durch Messen, Zählen, Rechnen, Schätzen, Vergleichen, Zusammensetzen, Interpolieren usw. erfolgen (siehe Abbildung 3),
sofern die technischen und organisatorischen Voraussetzungen gegeben sind
(s. zu den einzelnen Methoden: Ehlscheid et al. 2006). Das Leistungsergebnis
muss erfassbar und durch den Beschäftigten beeinflussbar sein. Die Daten können manuell, maschinell oder datentechnisch erfasst werden. Der Abschluss
einer Betriebsvereinbarung zum Leistungsentgelt auf der Basis von Kennzahlen
ist zwingend vorgeschrieben. Der ERA-Tarifvertrag enthält detaillierte Vorgaben
zum Regelungsinhalt (z.B. zum Geltungsbereich, Personenkreis, den verwendeten Kennzahlen, der Datenermittlung, der Kennzahlenentgeltlinie, Einzel- oder
Gruppenarbeit, Mehrstellenarbeit, Einführungszeitpunkt sowie Kündigungsfrist)
(ERA, § 9 Abs. 4). Bei Anwendung der Gruppenvergütung (ERA, § 9 Abs. 5)
kann die Verteilung des
Leistungsentgelts nach gleichem, ungleichem oder in
der Gruppe vereinbartem
Verteilungsschlüssel erfolgen.
Das Leistungsentgelt mit
Zielvereinbarung (ERA,
§ 10) bezieht sich auf Leistungsmerkmale, die sich
Abbildung 3: Exemplarische Bezugsgrößen im Leistungsals konkrete Ziele in einer
entgelt mit Kennzahlenvergleich
gegebenen Arbeitsstruktur
Quelle: IG Metall 2005, Arbeitsblatt 10, S. 3
für eine Zielvereinbarungsperiode in beiderseitigem
Einvernehmen zwischen Beschäftigten und Vorgesetzten formulieren lassen.
Die Zielarten lassen sich beispielsweise als prozessbezogene (etwa Stückzeit,
Maschinennutzungsgrad, Durchlaufzeiten), kundenbezogene (etwa Kundenreklamation, Kundenzufriedenheit), produktbezogene (etwa Produktinnovation,
Fertigungsgerechtigkeit), mitarbeiterbezogene (etwa Zusammenarbeit, Führungsverhalten, Fluktuationsrate, Arbeitssorgfalt) und finanzbezogene Ziele
(etwa Vertriebsspanne, Bestände, Ressourcenverbrauch) bestimmen (siehe
28
Abbildung 4 und Abbildung 5). Eine Kombination von quantitativen und qualitativen Zielen ist zulässig (ERA, § 10 Abs. 4). Analog zum Leistungsentgelt
mit Kennzahlenvergleich sind auch hierbei die grundlegenden Regelungsinhalte einer Zielvereinbarung in einer zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat abzuschließenden Betriebsvereinbarung (inkl. einer Zuordnung von Zielerreichungsgrad und Zielerreichungszulage) festzulegen. Im Durchschnitt der Beschäftigten im Entgeltgrundsatz Zielvereinbarung müssen die Leistungsentgelte mindestens 10% der Summe der tariflichen Grundentgelte der nach dem Entgeltgrundsatz Zielvereinbarung erfassten Beschäftigten im jeweiligen Geltungsbereich erreichen. In Betrieben mit in der Regel nicht mehr als 200 Beschäftigten
kann die Zielvereinbarung nur durch freiwillige Betriebsvereinbarung eingeführt werden (ERA, § 10 Abs. 7).
Abbildung 4: Zulässige Ziele im Leistungsentgelt mit Zielvereinbarung
Quelle: IG Metall 2005, Arbeitsblatt 11, S. 2
29
Abbildung 5: Beispiel für eine Zielvereinbarung
Quelle: IG Metall 2005, Arbeitsblatt 11, S. 4
Bevor in den folgenden Abschnitten die konkreten Umsetzungsschritte und
-wirkungen des ERA-Tarifvertrags dargestellt werden, werden einige Kennzeichen der ausgewählten Untersuchungsbetriebe skizziert.
30
4. „Leuchttürme“ der ERA-Einführung:
Zu den Pilotunternehmen
Das nicht repräsentative Sample der Vorreiter- und Pilotunternehmen besteht
aus einem produzierenden Unternehmen aus der Automobilindustrie mit einer
hohen Bedeutung der Produktionsbereiche mit gewerblichen Arbeitskräften
und annähernd gleich verteilten Anteilen von Gewerblichen und Angestellten
(A1), einem Großunternehmen aus der Optikindustrie mit einem Anteil der Gewerblichen von ca. einem Drittel und der Angestellten von ca. zwei Drittel
(O1) sowie einem KMU aus der Optikindustrie mit sehr hohem Angestelltenanteil (O2). Sie stehen damit stellvertretend für unterschiedliche Betriebs- und
Belegschaftsstrukturen, Leistungsprogramme, Branchen und Betriebsgrößen
(vgl. zur Entwicklung der für die Metall- und Elektroindustrie wichtigsten
Branchen Maschinenbau, Optik und Automobilindustrie in Ostdeutschland:
Berka et al. 2007; Scheuplein et al. 2007; IWT 2007; Jakszentis, Hilpert 2007).
Das als GmbH geführte Unternehmen A1 zählt als rechtlich selbstständige 100prozentige Tochter eines großen deutschen Fahrzeugherstellers zur Automobilindustrie (Betriebsgründung 1990). Am ostdeutschen Standort sind 200-300
Arbeitskräfte beschäftigt, wozu auch 20-30 Auszubildende in einer seit 1994
vereinbarten Ausbildungspartnerschaft mit zwei weiteren lokalen Betrieben der
Automobil- und Automobilzulieferindustrie zählen. Während die Belegschaft
im Zeitraum zwischen 2000 und 2006 um ca. 10% gesunken war, wird seitdem
mit einer weitgehend stabilen Belegschaftsgröße und voll in die Sparte des
Mutterkonzerns eingebunden produziert. Was die Belegschaftsstruktur angeht, besteht die Belegschaft zu jeweils etwa der Hälfte aus Gewerblichen und
Angestellten, wenn die vor der ERA-Einführung gültigen Personalkategorien
angewandt werden. Sowohl die Arbeitsaufgaben der Gewerblichen als auch der
Angestellten sind primär auf die Vorbereitung, Planung und Durchführung der
eigenen Produktion ausgerichtet; der Betrieb ist in seinem Leistungsprogramm
folglich hochgradig von den Produktionsbedingungen und -anforderungen
geprägt. Aufgrund einer stärkeren Gewichtung des „Prozessdenkens“ fand in
den letzten Jahren eine geringfügige Umschichtung in der Größe der Abteilungen statt: Während die Belegschaftsstärke in Produktion und Montage von ca.
110 Arbeitskräften auf ca. 95 gesunken ist, fand in den arbeitsvorbereitenden
Abteilungen (Forschung und Entwicklung, Konstruktion, Arbeitsvorbereitung)
eine Aufstockung statt. Diese Aufstockung wurde vornehmlich durch internen
Aufstieg aus der Produktionsbelegschaft bewältigt; so haben von den damaligen Facharbeitern inzwischen 27 ihren Technikerabschluss gemacht und wurden in die entsprechend höhere Entgeltgruppe eingestuft. Der Anteil der Fach-
31
arbeiter an den Gewerblichen beträgt 80%. Es besteht eine sehr breite Qualifikationsstruktur mit Besatz der Entgeltgruppen E 2 bis E 12, wobei E 2 nur
zeitlich begrenzt für Einsteiger und Hilfskräfte in der Produktion vergeben ist.
Etwa die Hälfte der Belegschaft ist in E 6/7 eingestuft, ca. 15% in E 3-4 und
die restlichen ca. 35% in E 9-11; in letzterer befinden sich überwiegend die
Angestellten, also Ingenieure, Techniker und ein Großteil der Meister.
Das ebenfalls als GmbH geführte Unternehmen O1 ist der Optikindustrie zuzurechnen und bestand bereits vor der Wiedervereinigung Deutschlands im Rahmen einer Kombinatsstruktur. Der Schwerpunkt des betrieblichen Leistungsprogramms liegt primär auf der Forschung und Entwicklung komplexer optischer Systeme, die in Klein- und Mittelserien am Standort auch in einer eigenen Produktion mit ausschließlich qualifizierten Fachkräften gefertigt werden.
Hier verlief die Betriebsgrößenentwicklung deutlich turbulenter. Die gegenwärtige Belegschaft umfasst ungefähr 1.000 Beschäftigte, wovon ein Drittel
Gewerbliche und zwei Drittel Angestellte sind. Sie ist durch eine deutliche Reduzierung der Betriebsgröße seit ca. 15 Jahren zustande gekommen, insbesondere aufgrund von Personalfreisetzungen und Ausgründung von Geschäftsfeldern. So waren 1991 noch 3.000 Arbeitskräfte beschäftigt. Die freigesetzten
Beschäftigten wurden nicht durchweg in die Arbeitslosigkeit entlassen, sondern vielmehr im Rahmen ständiger Konzernumstrukturierungen in neu gebildeten Schwesterunternehmen aufgefangen. Dieser Wandel spiegelt sich auch in
der Tatsache, dass seitens der Personalabteilung des besuchten Unternehmens
die Entgeltabrechnung weiterhin für insgesamt 1.400 Personen auch aus externen Firmen gemacht wird (insgesamt zehn weitere örtliche Unternehmen).
Dieser Trend zum Personalabbau erfuhr in den letzten beiden Jahren insofern
eine Umkehr, als in den Jahren 2006 und 2007 40 Neueinstellungen vorgenommen wurden. Bezogen auf die reguläre Gesamtbelegschaft von etwa 1.000
Beschäftigten haben knapp 50 Prozent einen Hochschulabschluss, wiederum
die Hälfte davon, also ein Viertel der Gesamtbelegschaft, besteht aus den außertariflichen leitenden Angestellten. Etwa ein Drittel der Gesamtbelegschaft
machen gewerbliche Mitarbeiter aus, welche zu 100 Prozent Facharbeiter sind.
Die rechtlich selbstständige Tochter eines ostdeutschen Konzerns der Optikindustrie O2 zählt mit 100-200 Beschäftigten zu den kleinen und mittleren
Unternehmen (KMU). Historisch ist sie eine der Ausgründungen aus dem zu
DDR-Zeiten bestehenden örtlichen Kombinat. In den letzten Jahren war die
GmbH mit einer weitgehend stabilen Belegschaftsgröße zum weit überwiegenden Teil in der Forschung und Entwicklung sowie Konstruktion von in Kleinserie gefertigten optischen Systemen tätig, konnte seit 2000 zehn gewerbliche
Beschäftigte einer vormalig als Zulieferer tätigen Produktionsfirma integrieren
32
und verzeichnet gegenwärtig auch darüber hinaus ein leichtes Wachstum der
Belegschaft. 90% der Gesamtbelegschaft sind Hochschulabsolventen überwiegend aus dem naturwissenschaftlichen Bereich, ca. 20% davon sind Promovenden. Lediglich 10% der Belegschaft weisen einen Realschulabschluss oder
sonstigen Abschluss auf. Bei dem Unternehmen handelt es sich im Hinblick
auf das Leistungsprogramm und Kerngeschäft um ein reines Forschungs- und
Entwicklungsunternehmen.
Alle drei Untersuchungsbetriebe berichten über gegenwärtige Rekrutierungsschwierigkeiten bei der Suche nach neuem, qualifiziertem Personal auf Facharbeiter- oder Akademikerniveau – eine Situation, mit der sie bekanntlich nicht
allein stehen (vgl. von Behr, Semlinger 2004; Reinberg, Hummel 2003; Bonin
et al. 2007, BITKOM 2007; Koppel 2007; VDI 2007).
5. Empirische Befunde zur ERA-Einführung
in den Pilotbetrieben
5.1
Meilensteine des Vorbereitungs- und Einführungsprozesses
Die erste Gemeinsamkeit der drei Untersuchungsbetriebe ist darin zu sehen,
dass sie zum frühestmöglichen Zeitpunkt ERA eingeführt haben. Alle drei Betriebe standen im Zuge der ERA-Vorbereitung in engem Kontakt mit dem regionalen Arbeitsgeberverband VMET in Erfurt und der IG Metall Bezirksleitung in Frankfurt. Sie stellen sowohl im Hinblick auf den Umstellungszeitpunkt als auch hinsichtlich der Gründlichkeit der Vorbereitung und internen Informationspolitik Pilotfirmen und „Leuchtturmbetriebe“ dar. In der Tabelle
(siehe Tabelle 2) sind maßgebliche Einführungsschritte und Meilensteine ersichtlich.
33
A1
O1
O2
Frühjahr 2004
Jan. 2005
Jan. 2005
1.
Beginn ERAVorbereitungen durch
Arbeitgeber
2.
Info über Einführung an
Betriebsrat
Juli 2004
Juli 2005
Juli 2005
3.
Abgleich der alten und
neuen Entgeltgruppen,
zusammen mit VMET &
Betriebsrat
Sept. 2004
Aug. 2005
Aug. 2005
4.
Abstimmung mit Konzernmutter
Okt. 2004
bis Dez. 2004
nicht nötig
nicht nötig
5.
Info über Einführung an
Beschäftigte
Dez. 2004
Aug. 2005 (Flyer)
Aug. 2005 (Flyer)
Betriebsversammlung
Betriebsversammlung
Nov. 2004
bis Dez. 2004
30.09.2005
30.09.2005
Feb. 2005
Nov. 2005
Okt. 2005
keine
Nov. 2005
bis Jan. 2006
Nov.
bis Dez. 2005
01.04.2005
01.03.2006
01.03.2006
6.
Betriebsvereinbarung zur
ERA-Einführung
21.02.2005
(Unterzeichnung)
7.
Info Beschäftigte über
individuelles Entgelt
vorher/nachher
8.
Verhandlungen über
Streitfälle in PaKo
9.
Wirksamkeit der neuen
Entgelttabelle
Tabelle 2:
5.2
Meilensteine der ERA-Vorbereitung und Einführung in den Untersuchungsbetrieben
Konkrete Vorgehensweisen und Besonderheiten bei der
ERA-Einführung und -Umsetzung
Über die formale Zeitschiene hinaus wird im Folgenden auf die Vorgehensweisen eingegangen, die den schnellen Einführungsprozess gestützt und beschleunigt haben. Teilweise sind diese Vorgehensweisen den untersuchten Betrieben
gemeinsam, andererseits gibt es auch Prozeduren, die jeweils nur für einen der
Betriebe spezifisch sind. Zunächst zu den Gemeinsamkeiten:
Die Personalleiter/-innen aller drei Unternehmen waren bereits in der Vergangenheit im Vorstand und im Mitgliederrat bzw. in der Tarifkommission des
Arbeitgeberverbandes VMET aktiv und damit selbst maßgeblich an der Vorbe-
34
reitung und Gestaltung des Tarifvertrags beteiligt. Dies und die Tatsache, dass
die drei Betriebe bereits frühzeitig in der Anwendung des neuen Tarifsystems
Vorteile gesehen haben, veranlasste sie dazu, bei Arbeitgeberverband und IG
Metall ihr Interesse an einer frühen ERA-Einführung zu bekunden. Zudem
führte diese enge Abstimmung mit den Tarifparteien bereits in der Phase der
Definition und Aushandlung des Tarifvertragswerks dazu, dass der Verhandlungspartner im Binnenverhältnis – die Betriebsräte – bereits sehr frühzeitig
mit aktuellen Informationen versorgt war. Zu erkennen ist ferner, dass sich
beide Tarifparteien von dem in diesen drei Betrieben zu erwartenden Umsetzungserfolg gewissermaßen eine Werbung für den ERA-Tarifvertrag im gesamten Tarifgebiet erhofften. Mit der Konzentration auf diese Betriebe war
zudem die verbandspolitische Hoffnung verbunden, weitere Unternehmen in
der Tarifbindung zu erhalten bzw. zusätzliche Firmen zur Mitgliedschaft im
Arbeitgeberverband zu bewegen. Schließlich ging es den Tarifparteien mit dem
Beweis einer friktionslosen ERA-Einführung auch darum, das in den Verbänden anderer Tarifbezirke mitunter kritisierte Verfahren der Tariflichen Entsprechung, bei dem man informell von einer „Regelüberführung“ sprechen
kann, zu legitimieren – und sich diesen gegenüber als Vorreiter der Tarifumsetzung darzustellen. Aussagen der an der Aushandlung beteiligten Vertreter
von Arbeitgeberverband und IG Metall zufolge wurde bereits im Rahmen des
Verfahrens zur Definition des Tarifwerks ein sehr offener Verhandlungsstil mit
gutem Gesprächsklima und guten persönlichen Kontakten gepflegt. Hier zeigte
sich ein starkes gemeinsames Interesse am Erfolg der ERA-Einführung.
Dies spiegelt sich auch in der Tatsache wider, dass es im Zuge der betrieblichen
ERA-Vorbereitung und im Rahmen der damit verbundenen Schulungen keine
strikte Trennung zwischen Verbandsschulungen für die Geschäftsleitungen und
Gewerkschaftsschulungen für die Betriebsräte gab, sondern oftmals auch die
jeweilige „Gegenseite“ an den grundlegenden Schulungen partizipierte und das
entsprechende Material nutzen konnte; möglicherweise deutet sich darin eine auf
die gemeinsamen Leidenserfahrungen seit der Wiedervereinigung zurückgehende „fraktionsübergreifende“ Solidarität und „Alle-gemeinsam-in-einem-Boot“Mentalität an. Ergänzend wurden, aufgrund der interessenpolitischen Bedingungen der jeweiligen Betriebsparteien, auch jeweils gesonderte Beratungen durchgeführt. Demgemäß nutzten die Personalleitungen und Vorgesetzten der Abteilungen eher die konkreten Vorlagen des VMET zur Tätigkeitsbeschreibung und
Arbeitsbewertung der Mitarbeiter; und die Betriebsräte griffen bevorzugt auf das
Material der IG Metall (z.B. Zeitpläne, Mindestanforderungen für Zusatzstufen,
Übergangsregelungen, Fristen) zurück. So bot z.B. die IG Metall für Betriebsrats- und Ersatzmitglieder eigene Schulungen speziell auf das jeweilige Unternehmen abgestimmt an, um dessen betriebsspezifische Voraussetzungen und
35
Probleme zu klären. Insgesamt aber bestand bei der Informationsbeschaffung
über die grundlegenden Tarifvertragsregelungen eine ziemlich große Schnittmenge hinsichtlich der von beiden Betriebsparteien genutzten Ansprechpartner.
Drei weitere gemeinsame unternehmensinterne Gründe für die schnelle ERAEinführung lassen sich erkennen:
1. Alle Betriebsparteien gingen zum Zeitpunkt der Entscheidung über die
ERA-Umsetzung und während der Ausgestaltung der Betriebsvereinbarungen davon aus, dass die vorgängigen Arbeitsbewertungen und Entgeltstrukturen im Betrieb bereits der betrieblichen Realität angemessen sind und zutreffen – z.B. weil vor nicht allzu langer Zeit eine Arbeitsbewertung der betrieblichen Arbeitsprozesse und -plätze oder eine Aktualisierung der Funktionsbeschreibungen stattgefunden hatte.
2. Alle Betriebsparteien wollten einer möglicherweise für den Betrieb ungünstigeren bzw. betriebsferneren Lösung im Mutterkonzern zuvorkommen, die
z.B. durch einen einheitlichen Konzern-ERA-Vertrag oder durch eine Übertragung des ERA-Tarifvertrags aus anderen Tarifbezirken möglich gewesen
wäre. Es hätte z.B. zur Vorgabe der Übernahme des ERA-Tarifvertrags von
Baden-Württemberg oder Bayern kommen können, wobei im letzteren Fall
aufgrund der Tatsache, dass dieser deutlich später als die übrigen ERATarifverträge abgeschlossen wurde, Verzögerungen hätten eintreten können. Man stimmte auch darin überein, dass ein Abwarten von Konzernlösungen, sofern sie überhaupt gefunden werden könnten, in Zukunft nur
weitere Irritationen in den Betrieb tragen würde. Entsprechende Überlegungen wurden z.B. hinsichtlich des Alleinstellungsmerkmals „Tarifliche Entsprechung“ oder im Hinblick auf die Sicherung der bewährten Betriebsund Entgeltstrukturen angestellt; übrigens auch seitens der Betriebsräte. Die
Personalleitung von O1 erwähnt in diesem Zusammenhang auch die „Verzweiflung über die Tätigkeitsbeschreibungen in anderen Tarifgebieten“.
Hiermit wird auf die Geschichte der einschlägigen Tarifverträge angespielt:
Aufgrund der unterschiedlichen Bedeutung und Entwicklung der Wirtschaftsstrukturen in den einzelnen Tarifbezirken hatten sich zum Teil sehr
unterschiedliche Arbeitsbewertungsverfahren (analytische versus summarische Arbeitsbewertung) etabliert, die nicht ohne größeren Aufwand auf andere Tarifbezirke übertragbar gewesen wären.
3. Auf Betriebsrats- und Beschäftigtenseite wirkte sich die Besitzstandswahrung, auf Unternehmensseite die Kostenneutralität der ERA-Einführung als
der raschen Umsetzung förderlich aus. Zudem wurde die ERA-Einführung
von den Betriebsparteien intern eher als eine nur formale Transformation
36
von Bezeichnungen denn als konkreter und grundsätzlicher Strukturwandel
verkauft. So berichten die Betriebsräte, dass ihre Kolleginnen und Kollegen
wussten: Trotz der Vereinheitlichung der Bezeichnungen von „Gewerblichen“ und „Angestellten“ soll die ehemalige Struktur grundsätzlich beibehalten werden.
Über diese Gemeinsamkeiten hinaus lassen sich verschiedene Sonderbedingungen in den einzelnen Betrieben herausarbeiten, die eine rasche Umsetzung ermöglichten:
Bei A1 waren insofern für eine schnelle ERA-Umsetzung sehr günstige Voraussetzungen gegeben, als die vorgängigen Organisations- und Entgeltstrukturen bereits ERA-ähnlich waren und demgemäß eine leichtere Anpassung möglich war. Bereits vor der ERA-Einführung wurde eine einheitliche Entgelttabelle ohne Differenzierung zwischen Gewerblichen und Angestellten und zudem
eine für alle Beschäftigten einheitliche Entgeltgrundlage „Entgelt mit Leistungszulage“ angewandt. Es bestanden bereits zehn einheitliche Entgeltgruppen, so dass mit der neuen ERA-Regelung lediglich auf dem Niveau von E4
(unterhalb der Facharbeiter-Entgeltgruppe) und von E10 (für Hochschulabsolventen) zusätzliche Entgeltgruppen eingeführt wurden. Für die Position des
Betriebsrats und die Antizipation von ERA durch die Belegschaft war aufgrund
der relativ geringen Unterschiede der neuen zur alten Eingruppierungsregelung
hohe Akzeptanz gegeben. Betriebsrat und Personalleitung waren auch gemeinsam der Meinung, dass durch die im Tarifvertrag geregelte Offenheit und Objektivität der Bewertung ohnehin eine hohe Akzeptanz seitens der Mitarbeiter
und Mitarbeiterinnen vorausgesetzt werden könne. Mit der Besitzstandswahrung wurden zugleich die vormaligen, über dem Tarif liegenden betrieblichen
Entgelte abgesichert. Eine mit dem Betriebsrat abgestimmte Zeitplanung beinhaltete ferner eine frühzeitige und umfassende Information der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter durch die Personalleitung; dazu wurden die Beschäftigten über die Verteilung des Flyers an die Belegschaft hinaus in Gruppen (die
z.B. einer Meisterei entsprachen und ca. 30 Leute umfassten) eingeteilt und
erhielten die Perspektiven der ERA-Umstellung durch Präsentationen im Umfeld ihres Arbeitsplatzes vorgestellt und erklärt; das konnte das „Mitarbeiterforum“ sein oder auch ein Aushang am „Boxenstopp“ in der Produktion. Auch
die Arbeitnehmer selbst sahen sich durch Veranstaltungen und Entgeltformulare über „die Hintergründe, wie das vonstatten gehen soll, und mit Funktionsbeschreibung etc.“ sehr gut informiert. Aufgrund der Besitzstandswahrung wurde
nach Aussage der befragten Arbeitskräfte ERA allerdings nur am Rande zur
Kenntnis genommen, gewissermaßen abgehakt und nicht breiter debattiert.
ERA ist in diesem Betrieb mittlerweile vollständig umgesetzt: Der Strukturan-
37
passungsfonds wurde bereits unmittelbar nach dem ERA-Einstieg in einer
Einmalzahlung zusammen mit der Entgeltauszahlung an die gesamte Belegschaft ausgeschüttet, wozu noch im ersten Monat der ERA-Anwendung eine
Betriebsvereinbarung abgeschlossen wurde. Damit waren bereits sehr schnell
nach dem Zeitpunkt des Inkrafttretens keine weiteren Schritte mehr notwendig.
In diesem Fall liegt ein weiterer wesentlicher Grund für die schnelle Umsetzung in der bevorstehenden Verrentung des Personalleiters, der „den Nachfolgern keine Altlasten hinterlassen wollte“.
Eine vergleichbar günstige Situation lag bei O1 vor. Als Gründe für den frühen
Zeitpunkt der Einführung sehen die Gesprächspartner die Tatsache an, dass es
sich um eine gemeinsame Initiative von Betriebsrat und Personalleitung handelte, dass zu diesem Zeitpunkt die ERA-Fachleute (vor allem der kurz vor der
Rente stehende Personalleiter) noch im Betrieb waren, dass die Einführung
noch vor der Betriebsratswahl vereinbart sein sollte und dass eine gute Abwicklung der Anpassung mittels SAP gesehen wurde. Im Hinblick auf die vorgängige Entgeltpraxis waren die Voraussetzungen für die Umstellungen insofern schon gegeben, da die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bereits vorher
nach zutreffenden Tätigkeitsbeschreibungen eingeteilt waren. In diesem Unternehmen wurde im Rahmen der Vorbereitung zusätzlich zu den Abstimmungen
zwischen Betriebsrat und Personalleitung ein größerer Lenkungskreis installiert, da in Anbetracht der Reichweite und Zukunftswirkung der ERA-Einführung eine spezifische Informierung und Weiterbildung möglichst vieler Unternehmensbereiche als notwendig erachtet wurde. Die Mitglieder dieses Lenkungskreises – bestehend aus insgesamt acht Personen aus dem Betriebsrat, der
Personalleitung, den Leitern von Schwerpunktbereichen wie Produktion und
EDV/IT sowie aus dem Führungsgremium (Geschäftsführer, kaufmännischer
Leiter) – berichteten jeweils über die Fortschritte in ihren Abteilungen. Zwei
Betriebsräte nahmen an IG-Metall-Schulungen teil und hatten darüber hinaus
die Möglichkeit, an ERA-Workshops des VMET in Erfurt zu partizipieren. Der
Betriebsrat hatte im Vorfeld zwei weitere Beschäftigte als ERA-Beauftragte
hinzugezogen, so dass vier „ERA-Leute“ im Betriebsrat mit dem Thema befasst waren. Schließlich mussten von der Personalleitung wegen der günstigen
Entgeltlinie in Thüringen keine Vorgaben vom Mutterkonzern berücksichtigt
oder abgewartet werden; eine konzerninterne Abstimmung wäre auch unsinnig
gewesen, da sich nahezu alle Standorte in anderen Tarifgebieten befinden.
Insofern konnte man sich bei der Informationsbeschaffung auf die Kontakte zu
nur in Thüringen ansässigen Schwesterfirmen beschränken.
Bei O2 lagen aufgrund der Tatsache, dass es sich um einen „kleinen und mittleren Betrieb“ (KMU) mit einer zudem sehr homogenen (überwiegend akade-
38
mischen) Belegschaftsstruktur handelte, vergleichsweise überschaubare Regelungsvoraussetzungen und -notwendigkeiten vor. Während die Personalleitung
hauptsächlich mit dem VMET in Verbindung stand, nahm der Betriebsrat das
Schulungsangebot bei der IG Metall in Anspruch. Auf der Grundlage der von
der IG Metall vorgeschlagenen Zeitpläne forderte der Betriebsrat auch von sich
aus Informationen von der Geschäftsleitung ein; im Betriebsrat selbst hatten
sich die Betriebsratvorsitzende und ein weiterer Mitarbeiter auf ERA spezialisiert. Da die Betriebsratvorsitzende auch als Mitglied im Konzernbetriebsrat
vertreten ist, wurde frühzeitig deutlich, dass ein eigenständiger Einstieg in
ERA sinnvoll und notwendig ist, da im Konzern der Status der Einführung von
ERA je nach Bundesland sehr unterschiedlich war. Verstärkend in dieser Richtung wirkte auch die Tatsache, dass O2 die einzige Firma im Konzernverbund
ist, die tarifgebunden ist. Allerdings war der Haustarifvertrag der Konzernmutter bereits ERA-ähnlich, so dass sich auch von dieser Seite keine Hindernisse
für die ERA-Umsetzung boten. Dem Betriebsrat zufolge konnte somit ein „relativ reibungsloser Ablauf der ERA-Einführung“ vonstatten gehen, da auch
seitens der Unternehmensleitung „die erforderlichen Daten fristgerecht vorlagen“. Dennoch hätte sich der Betriebsrat mehr Zeit zur eigenen Vorbereitung
gewünscht, um sich z.B. über die konkrete Einstufung der Mitarbeiterinnen
und Mitarbeiter in die Entgeltgruppen gründlicher intern – auch mit den Betroffenen – abzustimmen. Auch die Personalleitung bestätigt, dass „mit der
Entscheidung zur Einführung alle (einschl. Betriebsrat) ziemlich überfahren
wurden, da es lediglich eine Bekanntgabe gab, dass eingeführt wird, ohne zu
fragen, ob eingeführt werden soll“. Dies entspricht allerdings durchaus dem im
Tarifvertrag bekräftigten Anweisungs- und Entscheidungsvorrecht des Arbeitgebers. Ergänzt wurde diese Ankündigung letztlich im Verlauf der Einführungsvorbereitung durch zum Teil auch sehr kurzfristige, eher informelle Absprachen
zwischen Geschäftsführung und Betriebsrat, wie es in einem KMU möglich ist.
Einem derartigen weit reichenden Umstellungsprozess immanent und im Tarifvertrag geregelt ist die Möglichkeit zum Abschluss von freiwilligen Betriebsvereinbarungen. In allen drei Unternehmen wurde aufgrund der beabsichtigten Anwendung der Regelung Tariflicher Entsprechung im Vorfeld eine
„Betriebsvereinbarung zur Einführung sowie über die Anwendung der Tariflichen Entsprechung und die Verfahren der Überleitung zur Neueingruppierung“
abgeschlossen. Im Unternehmen O1 wurde zusätzlich eine Betriebsvereinbarung
über die Regelung der Umstellung von bestehenden Betriebsvereinbarungen auf
ERA unterzeichnet, die im Kern die Begriffsersetzung und -anpassung in den
vorhandenen anderen Betriebsvereinbarungen klärte. Hierbei war der Ansprechpartner für den Betriebsrat zumeist die Gewerkschaft; es wurden aber auch Kontakte zu anderen Betrieben via Internet aufgenommen, Vorlagen und Arbeitsmo-
39
delle des VMET genutzt, Gespräche mit Betriebsräten und Personalleitern anderer Betriebe geführt sowie Kontakte auf Seminaren zur wechselseitigen Unterstützung geknüpft. Beim Fahrzeugteilehersteller A1 wurden zwei zusätzliche Betriebsvereinbarungen unterzeichnet: eine Betriebsvereinbarung zur vorzeitigen
Auszahlung des Anpassungsfonds und eine Betriebsvereinbarung zur Verwendung der individuellen Ausgleichszulage. Mit der letzteren Betriebsvereinbarung, zwei Monate vor der formalen ERA-Anwendung unterzeichnet, sollte explizit klargelegt werden, dass die ermittelte tarifliche Ausgleichssumme den
Beschäftigten bei der ersten Tariferhöhung zu 100% als individuelle Wiederzuführung ausgeschüttet wird. Auf diese Weise wurde für die Mitarbeiter auch
auf betrieblicher Ebene, über den Wortlaut des Tarifvertrags hinaus, noch einmal explizit festgehalten, dass sie dasselbe Entgelt wie zuvor erhalten und
einige sogar mehr.
5.3
Tarifliche Entsprechung und Kennzeichen der neuen
Eingruppierung
Die Betriebsvereinbarung zur Anwendung der Tariflichen Entsprechung wurde
in den Untersuchungsbetrieben als erster Schritt der Koordinierung zwischen
Arbeitgeber und Betriebsrat abgeschlossen, noch vor der Sichtung und Einzelfallprüfung der neuen betrieblichen Entgeltrelationen durch den Betriebsrat
und die Mitarbeiter selbst. Die Erkenntnis von Differenzierungsnotwendigkeiten kann sich folglich oftmals erst deutlich später herausstellen. Dies führte in
den drei Untersuchungsbetrieben zu einem jeweils betriebsspezifisch angepassten Umgang mit dem Instrument Tarifliche Entsprechung (s. auch Tabelle im
Anhang). Während bei dem Unternehmen aus der Automobilindustrie schnell
erkennbar war, dass die Tarifliche Entsprechung für die gesamte Belegschaft
angewendet werden konnte, stellte sich in den beiden Betrieben aus der Optikindustrie eine begrenzte Abkehr von der vollständigen Anwendung der Tariflichen Entsprechung als erforderlich heraus. Auch dies ist übrigens eine Möglichkeit, die der Tarifvertrag explizit vorgibt.
Aus zwei Gründen wurde bereits frühzeitig in A1 festgestellt, dass die Tarifliche
Entsprechung zu 100%, also ohne Ausnahme, für die Gesamtbelegschaft übernommen werden kann: Zum ersten wurde die letzte vollständige Eingruppierung
aller Arbeitskräfte unmittelbar nach der Betriebsgründung 1992 getätigt, so dass
seitens Personalleitung und Betriebsrat die übereinstimmende Einschätzung
bestand, dass aufgrund der stimmigen Eingruppierung für die Mitarbeiter kein
Risiko besteht, niedriger eingestuft zu werden. Zum zweiten wurde schon vor
ERA eine übertarifliche Bezahlung gewährt, so dass in Verbindung mit der Zu-
40
sage, dieses Niveau zu halten, die Akzeptanz in der Belegschaft gesichert schien.
Da das Unternehmen vor der ERA-Einführung ein eigenes Tarifsystem angewandt hatte, dessen Grundstruktur übernommen werden sollte, wurde die ERAEinführung mit Zustimmung der Tarifvertragsparteien auf der Grundlage einer
Betriebsvereinbarung nach einer eigenen Regelung Tariflicher Entsprechung
durchgeführt. Dennoch wurden nochmals, über die zügige Anwendung der Tariflichen Entsprechung hinaus, Arbeitsplatzbeschreibungen für alle Beschäftigten
erstellt, und zwar eigenständig und ohne Hilfe von außen (in Arbeitskreisen).
Dafür waren drei Gründe maßgeblich: die Absicherung der Entscheidungen im
Rahmen der Regelüberführung, die Zielsetzung einer Reduzierung der Anzahl
unterschiedlicher Funktionsbeschreibungen und die bevorstehende konzernweite
Aktualisierung von Arbeits- und Tätigkeitsbeschreibungen. Durch das Erstellen
einer Funktionsmatrix und eine Grobgliederung in Sachbearbeiter, Spezialisten
und Referenten gelang im Gesamtkonzern eine Reduzierung der ursprünglich
800 Funktionsbeschreibungen auf nunmehr 200, wovon 120 im AngestelltenBereich liegen. Diese Matrix wurde durch einen Arbeitsbewertungsfachmann der
Konzernmutter überprüft und abgezeichnet. Der in einem anderen Bundesland
angesiedelte Mutterkonzern wollte anfangs – auch aufgrund der Tatsache, dass
dort die ERA-Einführung etwas später bevorstand – keine Empfehlungen aussprechen, erkannte aber nach der ERA-Anwendung in seinen Standorten die
Notwendigkeit zur konzernweiten Vereinheitlichung der Arbeitsbewertungen
sowie das Erfordernis einer partiellen Revision von Eingruppierungen. Deshalb
wurden die Wortlaute der Funktionsbeschreibungen erst im Nachhinein im gesamten Konzern abgeglichen, vereinheitlicht und im Jahre 2006 verbindlich
fertiggestellt. Diese wurden nun am untersuchten Standort nachträglich den Mitarbeitern zur Kenntnis gegeben, ohne dass sich jedoch an der individuellen Eingruppierung etwas geändert hätte.
In O1 bestand zunächst die Überzeugung, dass die Tarifliche Entsprechung zu
100% angewandt werden könne, da die letzte vollständige Eingruppierungsrunde erst 1991 aufgrund des damaligen neuen Tarifvertrags stattgefunden
hatte. Zudem war im Jahr 2004 eine Aktualisierung vorgenommen worden, um
die nicht weniger als 800 Tätigkeitsbeschreibungen im Unternehmen auf 300
zu reduzieren, wobei z.T. vollkommen neue erstellt wurden. Es lagen also
bereits bei der Gründung 1991 für die damals 3.000 Mitarbeiter Tätigkeitsbeschreibungen vor, die immer schon über eine Paritätische Kommission geregelt wurden. Strukturelle Veränderungen im Laufe der Zeit hatten jedoch dazu
geführt, dass Mitarbeiter andere Tätigkeiten ausübten, als sie ihre Tätigkeitsbeschreibung auswies. Auch die Anzahl der Mitarbeiter hat sich erheblich reduziert. Da aber Tätigkeitsbeschreibungen vorlagen, schien eine 1:1-Überleitung
zunächst ziemlich sicher. ERA bot dann den Anlass, in einzelnen Bereichen
41
nachzufragen, ob die Mitarbeiter noch die Tätigkeit ausübten, die ihrer Beschreibung entsprach, wobei erkannt wurde, dass sich in einzelnen Punkten die
Eingruppierungen nach dem alten IG-Metall-Tarif von den Regelungen des
neuen ERA-Tarifvertrags unterschieden. So kamen im Vergleich zum alten
Tarif, in dem neun Lohngruppen, jeweils sechs K- und T-Gruppen sowie vier
Meistergruppen bestanden, durch ERA mit der Entgeltgruppe 9 und der Entgeltgruppe 11 zwei neue Entgeltgruppen hinzu, für die eine eindeutige Zuweisung der alten höheren K- bzw. T-Gruppen nicht ohne weiteres möglich war.
Teilweise wurden auch Neueingruppierungen vorgenommen. Dies betraf ca. 70
Mitarbeiter, die meist aus Abteilungen mit technologischen Veränderungen kamen. Insgesamt stellte sich dann – abgesehen von den Einsprüchen in der Paritätischen Kommission (s.u.) – heraus, dass 90% der Belegschaft nach den
Maßgaben der Tariflichen Entsprechung überführt werden konnten, während
die restlichen 10% im Zuge der ERA-Einführung neu eingruppiert wurden.
Zur Ermittlung der tatsächlichen Anwendbarkeit der Tariflichen Entsprechung
wurde im Einzelnen folgendes Vorgehen angewandt: Die Personalabteilung
erstellte für jeden einzelnen Mitarbeiter eine Liste mit Tätigkeitsbeschreibungen, die durch den Abteilungsleiter bzw. Meister kommentiert werden konnte.
Letztlich waren die Abteilungsleiter zuständig für die Tätigkeitsbeschreibung
ihres Bereichs. Sie erhielten mittels des Musters von der Personalleitung eine
Hilfe, konnten diese Liste – in Absprache mit anderen Leitern zum Zweck der
abteilungsübergreifenden Vereinheitlichung der Beschreibungen – überarbeiten
und an die Personalleitung zurücksenden. Bis ca. März 2005 wurden so 120-130
der 300 Tätigkeitsbeschreibungen aufgrund technischen und organisatorischen
Wandels überarbeitet und zusätzlich 40 Tätigkeiten, die 100 Mitarbeiter betrafen, neu beschrieben. Anschließend wurden diese Tätigkeitsbeschreibungen
den Mitarbeitern selbst zur Korrektur vorgelegt. Sofern keine grundlegenden
Einwände oder Korrekturwünsche bestanden, wurden diese Tätigkeitsbeschreibungen durch die Paritätische Kommission (PaKo), also von der Personalabteilung gemeinsam mit dem Betriebsrat, bewertet und den einzelnen Entgeltgruppen zugewiesen. Dabei wurden die Entgeltgruppen E11 und E9 nicht belegt,
die Z-Stufe wurde nur den Meistern gewährt. Anschließend erhielten die Mitarbeiter ein Schreiben mit der Mitteilung ihrer Tätigkeit, ihrer Eingruppierung
und der Zusammensetzung ihres Entgelts (alt und neu). Diese Umsetzung der
Neueingruppierung fand im Juli und August 2005 statt, um bis Jahresende
Widersprüche zu klären und beenden zu können. Unmittelbar vor dem ERAStichtag weiterhin ungeklärte Fälle zu Beginn des Jahres 2006 wurden nach
dem alten Tarifvertrag behandelt und erst später abgearbeitet.
42
Vergleichbar lief es in O2. Begonnen wurde hier ebenfalls mit der Anfertigung
von Arbeitsplatzbeschreibungen durch die Geschäftsführung/Personalleitung,
über deren Gültigkeit und Anwendung eine gemeinsame Abstimmung mit dem
Betriebsrat erfolgte. Dieser Prozess verlief wider Erwarten schleppend, da die
bestehenden Beschreibungen veraltet waren und neue Beschreibungen für alle
Mitarbeiter sich als nötig erwiesen. Initiiert wurde das Verfahren, indem die
Eingruppierung den Abteilungsleitern übertragen wurde. Sie mussten entscheiden, ob ein Mitarbeiter nach der Tariflichen Entsprechung umgestellt oder neu
eingruppiert werden muss. Im Rahmen dieser Sichtung stellte sich zunächst heraus, dass es insgesamt ca. 20 bis 30 Tätigkeitsbeschreibungen gab, wovon die
Hälfte aufgrund der Übereinstimmung mit dem neuen Tarifvertragswortlaut nach
der Tariflichen Entsprechung behandelt werden konnte, während für die anderen
50% eine Neueingruppierung nötig war. Für diese wurden neue Tätigkeitsbeschreibungen erstellt und den neu definierten Entgeltgruppen zugeordnet. Dabei
wurde erkannt, dass nur bei einzelnen der Neueingruppierten tatsächlich entgeltrelevante Veränderungen in den Tätigkeiten stattgefunden haben. Im Nachhinein
ist nun erkennbar, dass zwar bei einem Großteil die Tätigkeitsbeschreibungen
nicht mehr zutreffend waren, dass aber bei den Entgeltgruppen von insgesamt
80-85% der Belegschaft die Überführung, materiell gesehen, mit einer Tabellenüberführung im Sinne der Tariflichen Entsprechung übereinstimmte. Zum Abschluss erhielt jeder Mitarbeiter eine Information von der Personalleitung, wie
sich das Gehalt vor und das Entgelt nach der Einführung zusammensetzt. Ein Betriebsrat kommentierte, das sei „viel Aufwand“ gewesen, aber „eine große Hilfe
für die Mitarbeiter, die Sachlage nachzuvollziehen“. Die zuerst nur für die neu
eingruppierten Mitarbeiter erarbeiteten Tätigkeitsbeschreibungen wurden anschließend, etwas zeitversetzt, auch für die Mitarbeiter mit Regelüberführung
aktualisiert. Da ca. ein Drittel der Belegschaft aus außertariflichen Mitarbeitern
besteht und die AT-Gehälter über E12 in ERA und über T6 im alten Tarifvertrag
liegen, konnten diese nicht in die ERA-Systematik aufgenommen werden, weil
eine adäquate tarifliche Eingruppierung nicht möglich gewesen wäre.
5.4
Besondere Probleme der Tarifvertragsanwendung bei der
Eingruppierung
Bei der Anwendung des ERA-Tarifvertrags zeichneten sich im Rahmen der
Arbeitsbewertungen in allen Untersuchungsbetrieben ähnliche Probleme ab:
(1) Problem der neuen Zusatzstufen: Diese stellen eine wichtige Veränderung
zum vormals angewandten Tarifvertrag dar und sind – nach Einschätzung der
Gesprächspartner – im ERA-Tarifvertrag nicht eindeutig geregelt. Wie oben
43
dargestellt, wurde dort zu jeder der zwölf Entgeltgruppen jeweils eine Zusatzstufe definiert, die Beschäftigten zusteht, welche zusätzlich dauerhaft dispositive
Aufgaben und/oder Aufgaben der Anleitung und Führung von Beschäftigten
ausführen oder denen dauerhaft zusätzliche Tätigkeiten, die wesentlich über die
Anforderungen der Entgeltgruppe hinausgehen und deshalb eine zusätzliche
Qualifikation erfordern, übertragen werden. In der betrieblichen Anwendung
stellten sich u.a. folgende Fragen: Welche dispositiven Funktionen rechtfertigen
eine Eingruppierung in eine Z-Stufe? Wie ist bei einer nur zeitlich befristeten
Übernahme dispositiver Funktionen zu verfahren? Welcher Zeitraum der Berufserfahrung soll für die Eingruppierung in eine Z-Stufe zugrunde gelegt werden?
Für die Betriebe bestand dabei das Problem, dass aufgrund der Besitzstandswahrung der zur ERA-Einführung gültigen Eingruppierung die Z-Gruppen weiterhin
bezahlt werden müssen, auch dann, wenn sie später wieder wegfallen. In O1
wurde deshalb in einer Absprache der Personalleitung mit dem Betriebsrat vereinbart, die Z-Gruppen zunächst nicht zu verwenden, sondern stattdessen weiterhin Zulagen zu zahlen und eine endgültige Entscheidung so lange zu vertagen,
bis erste Erfahrungen mit der ERA-Anwendung vorliegen. Da bei einer künftigen Rückstufung von einer Z- auf eine E-Stufe das Entgelt als Besitzstand festgeschrieben und erst über Jahre hinweg abgebaut und tariflich verschmolzen
wird, sah sich der Betrieb davon abgehalten, Z-Gruppen in größerem Umfang
anzuwenden, auch wenn die Tätigkeiten das u.U. ermöglicht hätten.
(2) Anwendbarkeit der Niveaubeispiele: Angesichts der Vielfalt von unterschiedlichen Arbeitsfunktionen und dem zwischen verschiedenen Betrieben
kaum vergleichbaren Zuschnitt der Arbeitsplätze zeigte sich eine gewisse Unsicherheit, ob die tariflichen Niveaubeispiele trotz Abweichungen zur betrieblichen Realität angewandt werden dürfen oder sollen, womit sie auch entgeltrelevant würden. In einem Fall kam es zu einem Einspruch der IG Metall wegen Verwendung der von der Gewerkschaft als für den Betrieb nicht zutreffend
klassifizierten Niveaubeispiele; nach einer neuerlichen Prüfung mit Beratung
des VMET wurden dann letztlich nur diejenigen Niveaubeispiele verwendet,
die nach Einschätzung der Betriebsparteien passten.
(3) Wirkung, Berechnungsmodus und Ausschüttung der tariflichen Ausgleichszulage: Sowohl bei der Anwendung der Tariflichen Entsprechung als
auch bei Neueingruppierungen können sich die Gesamteinkommen der Beschäftigten bei einem Vergleich des alten Entgelts mit dem neuen Entgelt unterscheiden. Es wird hier von „Überschreitern“ bzw. „Unterschreitern“ gesprochen (siehe Abbildung 6). Bei den „Überschreitern“ überstiege das alte Gehalt das neue
Entgelt, wenn die neuen Eingruppierungsregelungen vollständig in Kraft gesetzt
würden – ihr neues Entgelt wäre daher niedriger als das alte. Die Besitzstands-
44
regelung im Tarifvertrag verhindert eine solche Entgeltkürzung, ermöglicht allerdings eine Anrechnung auf künftige Tariferhöhungen: „Für den Fall, dass das
neue tarifliche ERA-Entgelt (Grundentgelt zuzüglich Leistungskomponenten,
zuzüglich einer Belastungszulage (…)) den bisherigen tariflichen Lohn bzw. das
tarifliche Gehalt unterschreitet, erfolgt die Sicherung des Einkommens durch
Ausweisung einer Ausgleichszulage, die nicht an tariflichen Erhöhungen teilnimmt“ (Tarifvertrag zur Einführung des Entgeltrahmenabkommens, § 6 Abs. 3).
„Diese Ausgleichszulage ist voll anrechenbar, wenn der Beschäftigte in eine höhere Entgeltgruppe umgruppiert wird. Sie ist ansonsten bis zur Hälfte des Erhöhungsbetrages der jeweiligen Tarifentgelterhöhung anrechenbar“ (ebd., § 6
Abs. 4). Bei den „Unterschreitern“ würde umgekehrt das alte Gehalt das neue
Entgelt unterschreiten, wenn die neuen Eingruppierungsregelungen vollständig
in Kraft gesetzt würden; ihr neues Entgelt wäre also höher als das alte. Um die
Betriebe – aus der Interessenlage des Arbeitgeberverbands – vor sprunghaft steigenden Entgeltsummen zu schützen und um – aus der Interessenlage der Gewerkschaft – zu verhindern, dass die Betriebe aus diesem Grund höhere Neueingruppierungen vermeiden, wurde im Tarifvertrag eine schrittweise Anhebung der
Entgelte von Unterschreitern vereinbart: „Für den Fall, dass das neue tarifliche
Grundentgelt das bisherige tarifliche Grundentgelt überschreitet, erfolgt die Anpassung des Einkommens durch Ausweisung einer Entgeltdifferenz, auf die nicht
einbezogene übertarifliche Verdienste angerechnet werden können“ (ebd., § 7
Abs. 1). „Verbleibende Differenzen werden zum Stichtag der betrieblichen Ersteinführung des neuen Entgeltrahmenabkommens um 100 € reduziert, das heißt,
die maximale Entgelterhöhung zum Zeitpunkt der ERA-Einführung beträgt
100 €“ (ebd., § 7 Abs. 2). „Eine weiterhin verbleibende Differenz wird als Anpassungsbetrag ausgewiesen“ (ebd., § 7 Abs. 3). „Der Anpassungsbetrag wird
jeweils nach 12 Monaten, beginnend mit Stichtag der betrieblichen Ersteinführung des Entgeltrahmenabkommens, um 100 € verringert, maximal jedoch um
den verbliebenen Anpassungsbetrag“ (ebd., § 7 Abs. 4). „Spätestens nach 60
Monaten erfolgt die vollständige Anpassung an das Entgelt des Entgeltrahmenabkommens “ (ebd., § 7 Abs. 5).
45
Abbildung 6: Schematische Darstellung des Prinzips der Über- und Unterschreiter
Quelle: IG Metall 2005, Arbeitsblatt 12, S. 1
(4) Wirksamkeit des Überschreiter-Unterschreiter-Problems: Zur Beantwortung der für die Beschäftigten zentralen Frage, wie sich das individuelle
Entgelt nach der ERA-Einführung entwickelt, muss demnach zwischen Überschreitern und Unterschreitern unterschieden werden. Die Überschreiter –
also diejenigen Beschäftigten, deren bisheriger Grundlohn oder deren altes
Grundgehalt zuzüglich Leistungskomponenten und -zulagen über der Gesamtentgeltäquivalenz der neuen Entgeltgruppe liegt – erhalten zum Zeitpunkt der ERA-Einführung weiterhin ihre vorgängige Lohn- oder Gehaltssumme. Die rechnerische Differenz zwischen Alt und Neu wird als „Ausgleichszulage“ ausgewiesen und auf künftige Tariferhöhungen so lange angerechnet, bis sie abgeschmolzen ist. An Tariferhöhungen partizipieren die
Überschreiter damit für diesen Zeitraum nicht in Form einer Einkommenssteigerung, die dem vollen Volumen der Tariferhöhung entspricht. Rechnerisch wird hier so verfahren, dass die Hälfte des Tariferhöhungsbetrags von
der kalkulatorisch ausgewiesenen Ausgleichszulage abgezogen wird; dies
wird bei künftigen Tariferhöhungen so lange wiederholt, bis keine Ausgleichszulage mehr übrig ist. Erst dann profitieren die Beschäftigten wieder
in vollem Umfang von den Tariferhöhungen. Am Beispiel eines fiktiven 30jährigen technischen Angestellten, der im Rahmen der Tariflichen Entsprechung von der T4 in die Entgeltgruppe E8 überführt wird und bei dem sich
aufgrund der gleichen Durchschnittsregelungen in beiden Tarifverträgen die
Leistungszulage nicht vermindert, entwickelt sich das Entgelt folgendermaßen (siehe Tabelle 3; die Basiszahlen entsprechen nicht den Tarifentgelten,
sondern wurden gerundet, da lediglich das Grundprinzip der Ausgleichszulage und des Anpassungsbetrags verdeutlicht werden soll).
46
Vor ERA
Grundgehalt T4
Leistungszulage 10%
Summe alt
Tabelle 3:
3.000,00
300,00
3.300,00
Mit ERA-Start
Grundentgelt E8
2.900,00
Leistungszulage 10%
290,00
Ausgleichszulage
110,00
Summe neu
3.300,00
Beispiel eines Überschreiters
Quelle: Arbeitsblatt 12 des IG Metall Bezirk Frankfurt zur ERA-Umsetzung in
der Metall- und Elektroindustrie, S. 3 sowie ERA-Rechner für das Tarifgebiet
Thüringen und eigene Berechnungen
Eine Tariferhöhung von 3% (auf das Grundentgelt) angenommen und zugleich
unterstellt, es findet keine Veränderung in der Leistungsbeurteilung statt, würde diese Steigerung bei der ersten Tariferhöhung 87,00 € betragen, die zur
Hälfte, also mit 43,50 €, von der zum Start von ERA ausgewiesenen Ausgleichszulage (110 €) abgezogen werden würde, so dass ein Rest von 66,50 €
kalkulatorisch stehen bleibt. Bei der zweiten Tariferhöhung von wiederum
unterstellten 3% würde ebenfalls nur die Hälfte des Steigerungsbetrags von
89,61 € – das sind 44,81 € – in eine Entgelterhöhung einberechnet werden, so
dass wiederum eine verminderte restliche Ausgleichszulage ausgewiesen bliebe. In diesem Beispiel ist die Ausgleichszulage mit der dritten Tariferhöhung
endgültig verrechnet. Nach Aussage der Gesprächspartner in den Untersuchungsbetrieben war bei ca. 90% der Überschreiter allerdings die Situation
gegeben, dass in der Regel mit der ersten und spätestens mit der zweiten Tariferhöhung eine vollständige Verrechnung der Ausgleichszulage stattgefunden
hat (siehe Tabelle 4).
Grundentgelt E8
Leistungszulage 10%
Ausgleichszulage
Summe neu
Tabelle 4:
1. Tariferhöhung
2. Tariferhöhung
3. Tariferhöhung
2.987,00
3.076,61
3.168,91
298,70
307,66
316,89
66,50
21,69
0,00
3.352,20
3.405,96
3.485,80
Verrechnung mit den Tariferhöhungen beim Überschreiter
Quelle: ERA-Rechner für das Tarifgebiet Thüringen und eigene Berechnungen
Ähnlich kompliziert stellen sich die Berechnungsgrundlagen bei den Unterschreitern – also denjenigen Beschäftigten, deren bisheriger Grundlohn oder
altes Grundgehalt zuzüglich Leistungskomponenten und -zulagen unter dem
Gesamtentgelt der neuen Entgeltgruppe liegt – dar. Sie verdienen auf der Grund-
47
lage der Eingruppierung mit der ERA-Einführung mehr, bekommen die Entgelterhöhung aber nicht sofort voll ausbezahlt. Sie erhalten stattdessen zum
ERA-Start ein um maximal 100 € höheres Grundentgelt, während der evtl.
verbleibende Rest als „Anpassungsbetrag“ ausgewiesen wird. Jeweils nach
zwölf Monaten erhöht sich ihr Bruttoentgelt so lange um maximal 100 €, bis
der negative Anpassungsbetrag abgeschmolzen ist; nach insgesamt fünf Jahren
muss die gesamte noch ausstehende Differenz in vollem Umfang ausbezahlt
werden. Im Gegensatz zu den Überschreitern partizipieren die Unterschreiter
an den folgenden Tariferhöhungen allerdings voll. Am Beispiel eines gewerblichen Mitarbeiters, der im Rahmen der Anwendung der Tariflichen Entsprechung von der Lohngruppe 6 in die Entgeltgruppe 5 – mit einer Anpassung der
tariflich durchschnittlichen Leistungszulage von zunächst 13% (Durchschnitt
im alten Tarifvertrag) auf dann 10% (Durchschnitt im ERA-Tarifvertrag) –
überführt worden ist, entwickelt sich das Entgelt z.B. wie in Tabelle 5 beispielhaft kalkuliert. In diesem Fallbeispiel sind also die „Altlasten“ bereits mit der
erstmaligen Anwendung der neuen Entgelttabelle von ERA bereinigt.
Vor ERA
Grundlohn L6
Leistungszulage 13%
Summe alt
Tabelle 5:
2.000,00
260,00
2.260,00
ERA-Start
Grundentgelt E5
2.100,00
Leistungszulage 10%
210,00
nachrichtlich: Anpassungsbetrag (nicht wirksam, da Differenz geringer als 100 €)
(50,00)
Summe neu
2.310,00
Einmalige Verrechnung mit dem ERA-Start beim Unterschreiter
Quelle: Arbeitsblatt 12 des IG Metall Bezirk Frankfurt zur ERA-Umsetzung in
der Metall- und Elektroindustrie, S. 2 sowie ERA-Rechner für das Tarifgebiet
Thüringen und eigene Berechnungen
Schließlich soll am Beispiel eines Beschäftigten, bei dem im Rahmen einer
neuen Arbeitsbeschreibung und -bewertung eine Höhergruppierung vorgenommen wurde, das Prinzip eines über mehrere Tariferhöhungen mitzuführenden
Anpassungsbetrags verdeutlicht werden. Das Entgelt eines gewerblichen Mitarbeiters, der von der Lohngruppe 6 in die Entgeltgruppe 6 – wiederum mit
Anpassung der tariflich durchschnittlichen Leistungszulage von zunächst 13%
auf dann 10% – eingruppiert worden ist, entwickelt sich z.B. folgendermaßen
(siehe Tabelle 6):
48
Vor ERA
Grundlohn
L6
Leistungszulage 13%
Summe alt
Entgeltauszahlung
Tabelle 6:
2.000,00
260,00
2.260,00
2.260,00
ERA-Start
1. Tariferhöhung
2. Tariferhöhung
2.300,00
2.369,00
2.440,07
230,00
236,90
244,01
Entgeltsumme neu
2.530,00
2.605,90
2.684,08
- Anpassungsbetrag
(270 € Differenz
abzüglich auszuzahlender 100 €)
- 170,00
- 70,00
- 00,00
2.360,00
2.535,90
2.684,08
Grundentgelt E6
Leistungszulage 10%
Verrechnung mit zwei Tariferhöhungen beim Unterschreiter
Quelle: ERA-Rechner für das Tarifgebiet Thüringen und eigene Berechnungen
Zusammengefasst sind also nur bei größeren Abweichungen in den Grundentgelten, die entweder auf eine größere Differenz zwischen den alten und neuen
Entgelttabellen (bei Anwendung der Tariflichen Entsprechung) oder auf eine
deutliche Höher- oder Abgruppierung im Zuge der neuen Arbeitsbewertungen
zurückgehen, längere Korrekturphasen nach dem Zeitpunkt der ERA-Einführung vorzunehmen. In der Regel sind die kalkulatorischen Unterschiede bereits
mit der ersten Tariferhöhung ausgeglichen.
Im Hinblick auf die empirische Relevanz dieser Überschreiter-UnterschreiterProblematik stellt sich die Lage in den Untersuchungsbetrieben folgendermaßen
dar: Bei A1 waren aufgrund der vorgängig übertariflichen Bezahlung ausschließlich Überschreiter im Unternehmen vorzufinden, deren Entgelt durch die Gewährung der tariflichen sowie zusätzlich einer individuellen Ausgleichszulage abgesichert war. Bei O1 waren von den insgesamt damals etwa 1.000 Beschäftigten
32 Unterschreiter und 34 Überschreiter; aus diesem Grund ergab sich nach der
Neueingruppierung für ca. 7% der Beschäftigten eine Änderung des tariflichen
Bruttogrundentgelts. Die Überschreiter bestanden zu zwei Dritteln aus technischen Angestellten und zu einem Drittel aus kaufmännischen Angestellten; die
Unterschreiter bestanden zu zwei Dritteln aus gewerblichen Mitarbeitern. Von
den annähernd 150 Beschäftigten bei O2 waren 59 Überschreiter und 21 Unterschreiter; zehn ATZ-Leute wurden nicht in ERA eingruppiert (die jeweiligen
Anteile an der Gesamtbelegschaft ergeben somit etwa 16% Unterschreiter, 44%
Überschreiter und ca. 40% mit gleichbleibendem Entgelt).
49
Der Vergleich der alten mit den neuen individuellen Entgeltgruppen wurde in
allen Betrieben umfassend dokumentiert und dem Betriebsrat sowie den Beschäftigten auf ihren Entgeltzetteln ausführlich ausgewiesen. Man war sich
jedoch zum Zeitpunkt der zweiten Erhebungswelle im Sommer/Herbst 2007 in
allen Fällen bewusst, dass „die Über- und Unterschreiter auch künftig personalpolitisch überwacht werden müssen“ (Betriebsrat), was aufgrund der Hilfe
durch die neuen einheitlichen Arbeitsbeschreibungen und die Dokumentierungen durch die Personalleitung seitens der Betriebsräte als bewältigbar erachtet
wurde. Es gab einige Irritationen durch die Formulierungen im Tarifvertrag,
wo das Verb „unterschreitet“ dort verwendet wird, wo es um die Überschreiter
geht, und umgekehrt. Abgesehen davon stellten sich jedoch zum Zeitpunkt der
ERA-Einführung Betriebsräte und Beschäftigte durchaus die Frage, wie sich in
den Folgejahren tatsächlich die Gehälter entwickeln werden. „Ein bisschen
Unsicherheit war eigentlich, hab ich so mitgekriegt, bei vielen, diese Ausgleichszahlung, die ja irgendwie ein bisschen schwammig ist. Also nach dem Motto
oder auch der Frage „Hab ich das nächsten Monat auch noch oder in einem
Jahr?“ (Techniker).
5.5
Verfahren und Verhandlungsfälle in der Paritätischen Kommission
Die unterschiedlichen die ERA-Einführung und -Anwendung regelnden Tarifwerke schreiben die Einrichtung einer Paritätischen Kommission für Meinungsverschiedenheiten in zwei Fällen vor: In der entsprechenden Regelung
im Entgeltrahmenabkommen (§ 11 Abs. 1) wird das Reklamationsverfahren
explizit für Meinungsverschiedenheiten im Zusammenhang mit den neuen
Grundsätzen der Entgeltgestaltung und den Fragen der Leistungsermittlung
geregelt (siehe Abbildung 7). Für Reklamationen und Streitfälle, die sich auf
die Arbeitsbewertung und Eingruppierung beziehen, ist das Instrument der
Paritätischen Kommission im Tarifvertrag zur ERA-Einführung spezifiziert
(§ 5). Widersprüche können sowohl von den Betriebsräten als auch den Beschäftigten selbst eingelegt werden.
In der Tat nutzten die Untersuchungsbetriebe dieses Instrument für Meinungsverschiedenheiten, die im Zusammenhang mit den neuen Eingruppierungen
auftraten, bereits in der Anfangsphase der ERA-Einführung sehr intensiv –
speziell beim Thema der Überschreiter bzw. Unterschreiter. Das Instrument
wurde also offenbar als sinnvolle Instanz zur Konfliktlösung angesehen. Diese
Paritätischen Kommissionen (im Folgenden: PaKo) setzten sich aus vier betriebsangehörigen Mitgliedern zusammen, die zur Hälfte vom Arbeitgeber und
zur Hälfte vom Betriebsrat benannt werden.
50
Abbildung 7: Tarifliches Verfahren bei Widersprüchen gegen die Eingruppierung und die
Rolle der Paritätischen Kommission
Quelle: IG Metall 2005, Arbeitsblatt 7, S. 1
Bei A1 wurde keine PaKo gebildet, da aufgrund der Besitzstandswahrung das
spätere Entgelt der Beschäftigten dem vorherigen entsprach und auch in der Belegschaft allgemein keine Probleme gesehen wurden. Ein Mitarbeiter legte
mündlich Einspruch ein, weil er wegen der Führung von drei Mitarbeitern in eine
höhere Z-Stufe eingruppiert werden wollte. Diese Frage wurde einvernehmlich
zwischen der Personalleitung, dem Betriebsrat und dem Beschäftigten geklärt.
In O1 wurden in der PaKo 23 Einsprüche verhandelt. Die Verhandlungen ergaben, dass ein Drittel der Widersprüche berechtigt und zwei Drittel nicht berechtigt waren. Letztlich wurden alle Widersprüche beigelegt mit dem Hinweis, dass bei weiterhin bestehender Unzufriedenheit der Rechtsweg offen stehe. Im Herbst 2006 ergaben sich allerdings neuerliche Diskussionen, als die
Mitarbeiter das konkrete Ergebnis in Händen hatten; so suchten 30 bis 40 Mitarbeiter Gespräche mit dem Betriebsrat, dessen Erklärung zu den Tarifvertragsregelungen und dem Verfahren der Eingruppierung offenbar einsichtig
war, denn es wurde keine neue PaKo einberufen.
Eine gewichtigere Rolle spielte die PaKo im Betrieb O2: Während ERA von
der Belegschaft insgesamt akzeptiert wurde, waren zwölf Mitarbeiter mit der
Neueingruppierung nicht zufrieden, da sie eine Abgruppierung zu erwarten
51
hatten (Überschreiter). Bei zwei Fällen konnte im Vorfeld, ohne formale Behandlung in der PaKo, bilateral mit den Beschäftigten die Höherstufung eines
Mitarbeiters und die Akzeptanz der Herunterstufung durch den anderen Mitarbeiter geklärt werden. Die restlichen zehn Einsprüche wurden in zwei Sitzungen der PaKo (zusammengesetzt aus der Betriebsratsvorsitzenden, einem Betriebsratskollegen sowie jeweils einer Vertreterin der Geschäftsführung und
Personalleitung) verhandelt. Hierbei wurden die Einsprüche entweder durch
den Betriebsrat oder direkt durch die Mitarbeiter bei Geschäftsführung und
Personalleitung eingebracht; in allen Fällen wurden die Widersprüche gemeinsam von Betriebsrat und Mitarbeiter ausgearbeitet, wobei der Betriebsrat sowohl Gespräche mit den Mitarbeitern selbst, um deren Argumente zu sammeln,
als auch Gespräche mit den zuständigen Abteilungs- und Projektleitern geführt
hat. Bei der Hälfte wurde in der PaKo zu Gunsten der Mitarbeiter im Sinne
einer Höherstufung entschieden, bei der anderen Hälfte zu Gunsten der Geschäftsleitung im Sinne der Beibehaltung der Eingruppierung. Nach den Verhandlungen erging jeweils eine schriftliche Information von der Geschäftsführung an die Mitarbeiter über den Ausgang der Entscheidungen in der PaKo.
Zwei Mitarbeiter hatten angekündigt, nach einer PaKo-Entscheidung zu ihren
Ungunsten den Rechtsweg zu beschreiten, nach einem Klärungsgespräch mit
der Personalleitung davon aber Abstand genommen. Nach Einschätzung der
Personalleitung hat diese Problemklärung zur Einsicht der Mitarbeiter geführt,
„dass eine höhere Stufe vielleicht auch zu viel Arbeit ist und somit für ihn nicht
zu schaffen ist“. Mit einem Mitarbeiter konnte auch nach den PaKo-Verhandlungen keine Einigung erzielt werden, so dass dort in Abstimmung mit ihm
beschlossen wurde, eine Klärung im Zusammenhang mit einer im Rahmen
eines Arbeitsplatzwechsels anstehenden Neu-Eingruppierung zu suchen und
dann evtl. eine Höherstufung vorzunehmen bzw. einen andersgearteten Kompromiss zu finden. Aufgrund der Reichweite der ERA-Umstellungen und da es
im Betrieb sehr viele Überschreiter gab, hatte die Personalleitung eigentlich
mehr Einsprüche erwartet; da die meisten dieser Überschreiter in der höchsten
Gehaltsgruppe (T6) waren und in ihrer Eingruppierung gleichblieben, gab es
jedoch keine Beschwerden dieser Mitarbeiter. Weder der Betriebsrat noch die
Personalleitung verzeichneten Rückmeldungen von denjenigen Mitarbeitern,
bei denen sich nichts geändert hat. Die betriebsklimatische und personalpolitische Bedeutung der PaKo wird vom Betriebsrat mit der Aussage hervorgehoben, „dass die Mitarbeiter, über die in der PaKo verhandelt wurde, gegenüber
ERA nun positiv eingestellt sind, da sie sich durch das Unternehmen ernst
genommen fühlen“. Dabei bezieht sich diese Aussage explizit auch auf die
Fälle, bei denen zu ihren Ungunsten entschieden wurde, da diese Einsprüche
52
betriebsintern zum Einstieg in eine Diskussion und bilaterale Klärungen sowie
für informative Begründungen genutzt wurden.
5.6
Entgeltgrundlagen: Einführungsprozess und Kennzeichen
In den Untersuchungsbetrieben haben sich im Prozess der Umsetzung der neuen
Entgeltgrundlagen neben gemeinsamen auch jeweils unterschiedliche Vorgehensweisen herausgebildet:
In A1 war bereits vor der ERA-Einführung eine einheitliche Entgelttabelle ohne Differenzierung zwischen Gewerblichen und Angestellten und zudem eine
für alle Beschäftigten einheitliche Entgeltgrundlage „Entgelt mit Leistungszulage“ angewandt worden. Da hier entschieden wurde, diese auch im ERA-Tarifvertrag vorgesehene Entgeltgrundlage beizubehalten, galten bereits zum
Zeitpunkt der ERA-Einführung am 1.4.2005 die neuen Entgeltgrundlagen. In
den beiden anderen Betrieben zeichnete sich hingegen ab, dass eine zeitliche
Entkopplung zwischen Entscheidung und Umsetzung sinnvoll und erforderlich
ist (siehe Tabelle 7).
A1
O1
O2
1.
Entscheidung zu
Entgeltgrundlagen
01.04.2005
Entkopplung von
der Umsetzung der
Entgelttabellen
01.07.2006
2.
Umsetzung
01.04.2005
Anfang 2007
01.07.2007
3.
Neue Entgeltgrundlagen
Entgelt mit
Leistungszulage
80% der Tarifbeschäftigten:
Entgelt mit
Leistungszulage
Entgelt mit
Leistungszulage
(betriebliches Modell)
(tarifliches
Modell)
(tarifliches
Modell)
Bei den 20% Prämienlöhnern steht
Entgeltgrundlage
zur Disposition
Tabelle 7:
Zeitschiene zur Anpassung der Entgeltgrundlagen in den Untersuchungsbetrieben
Zunächst ist festzuhalten, dass der neue Tarifvertrag für das Entgelt mit Leistungszulage bei den Vorgaben zum Durchschnittssatz dieser Leistungszulagen
im Unternehmen von den Regelungen des alten Tarifvertrags abweicht. Der alte Tarifvertrag für die Metall- und Elektroindustrie sah bei Anwendung dieses
53
Entlohnungsgrundsatzes für die gewerblichen Mitarbeiter einen Zeitlohn mit
einer 13-prozentigen Leistungszulage im Betriebsdurchschnitt und für die Angestellten ein Gehalt mit einer durchschnittlich zehnprozentigen Leistungszulage
vor. Mit ERA wird hier eine einheitliche Regelung in Form des Entgelts mit
einer durchschnittlichen Leistungszulage getroffen, die „mindestens 10% der
Summe der tariflichen Grundentgelte der nach dem Entgeltgrundsatz ‚Beurteilung’ erfassten Beschäftigten im jeweiligen Geltungsbereich betragen“ muss
(ERA, § 8 Abs. 1). Das ERA geht im Normalfall davon aus, dass eine Betriebsvereinbarung zum Beurteilungsverfahren abgeschlossen wird, aus der z.B. die
Beurteilungsmerkmale und -stufen sowie die Gesamtpunktzahl und Gewichtung hervorgehen (ERA, § 8 Abs. 2). Insofern die betrieblichen Verhandlungspartner – Arbeitgeber und Betriebsrat – auf eine Betriebsvereinbarung verzichten wollen, muss die Beurteilung nach dem in Anhang A des ERA spezifizierten „Tariflichen Beurteilungsverfahren“ erfolgen (ERA, § 8 Abs. 4). Sollte der
Arbeitgeber wiederum keine methodische individuelle Leistungsbeurteilung
vornehmen wollen oder können, wird den einzelnen Beschäftigten eine mindestens zehnprozentige Leistungszulage garantiert (ERA, § 8 Abs. 5). Diese
dreistufige Neuregelung und die nunmehr aufgehobene ursprüngliche Abweichung der durchschnittlichen Leistungszulagen im Gewerblichenbereich und
im Angestelltenbereich stellte die Betriebe vor die Anforderung, die vormals
differierenden Regelungen zu vereinheitlichen und insbesondere im Falle der
vormals gewerblichen Mitarbeiter eine Entscheidung über den Umgang mit
den (zumindest) durchschnittlich verminderten Leistungszulagen zu treffen.
Im Einzelnen stellen sich die Regelungen zu den neuen Entgeltgrundlagen
folgendermaßen dar:
Beim Automobilbetrieb A1 wurde bereits seit Jahren konzernweit eine einheitliche Entgeltgrundlage angewandt: Entgelt mit Leistungszulage; es gab also
schon vor der ERA-Einführung keine Differenzierung in Gehalts- und Lohnempfänger. Zudem wurde bereits eine konzernübliche Erfolgsbeteiligung gewährt. Im Hinblick auf die neu geregelte Zulagenhöhe wurde eine Betriebsvereinbarung unterzeichnet, um auch weiterhin die bislang gültigen Regelungen
der Zulagenermittlung und -ausschüttung und zugleich die Tarifvertragsregelungen anwenden zu können. Demzufolge erhält der jeweilige Fachbereich
zwar die ursprünglich bezahlten vollen 13% als Budget zur Verfügung gestellt,
wovon aber nur 10% ausbezahlt werden müssen. Der Rest soll vom Fachbereich für Weiterbildungsmaßnahmen in seinem Bereich verwendet werden; ein
ggf. nicht ausgeschütteter Restbetrag dieser 13% wird für die betriebliche Altersvorsorge angespart. Im Gesamt des Betriebes wird damit die Summe aller
Entgelte für den individuellen Anspruch – also „was der Mitarbeiter aus dem
54
Topf erhält“ – prozentual als 3% der Entgeltsumme kalkuliert (d.h. die noch
nicht ausgeschüttete Differenz zwischen 13% und 10%). Die Struktur des neuen Entgelts besteht nunmehr aus folgenden Komponenten: Grundentgelt, Leistungszulage aufgrund einer Leistungsbeurteilung, übertarifliche Zulage oder
Funktionszulage, tarifliche Ausgleichszulage, individuelle Ausgleichszulage
aufgrund der vormaligen 13%-Leistungszulage, wobei sich im Zeitablauf die
tarifliche Ausgleichszulage durch Aufstockung der individuellen Zulage verringert.
Das Verfahren der Ermittlung der Leistungszulage entspricht allerdings nicht
dem in Anhang A des ERA-Tarifvertrags definierten Modell, da hierfür eine
gesonderte Kalkulationsgrundlage in einer eigenen Betriebsvereinbarung vereinbart wurde. So gibt es im Unternehmen fünf Beurteilungsmerkmale – Zusammenarbeit, persönlicher Einsatz, Veränderungsbereitschaft, fachliches und
methodisches Arbeiten, Arbeitsergebnis – in gleicher Gewichtung mit jeweils
fünf Ausprägungsstufen, denen definierte Prozentzahlen zugewiesen sind. Die
Besonderheiten des hier angewandten Verfahrens liegen in der Gegenüberstellung einer Vorgesetztenbeurteilung und der Selbsteinschätzung, ferner im „Anrecht“ des Mitarbeiters auf eine schriftlich festgehaltene Potenzialeinschätzung
und in der Möglichkeit zur Befragung von Prozesspartnern in Bereichen mit
übergreifender Zusammenarbeit/projektorientierten Arbeitsweisen. Eine allen
Beschäftigten zugängliche „Schematische Darstellung des Ablaufs der Leistungsbeurteilung“ legt in einem Flussdiagramm beispielsweise die zwischen
dem Vorbereitungsgespräch und dem Abschlussgespräch zwingend vorgesehenen Prüfverfahren durch den nächsthöheren Vorgesetzten, die Personalleitung
und den Betriebsrat fest, schreibt die Art der Mitteilung an den Mitarbeiter in
einem einheitlichen Ergebnisformular vor und spezifiziert das Verfahren bei
Nicht-Einigung zwischen Mitarbeiter und Vorgesetztem (in Form der Verhandlung in einer PaKo). Den beurteilenden Vorgesetzten wurde im Zuge der Einführung dieses Modells ein umfangreicher Foliensatz zur Leistungsbeurteilung
und zur Definition der Beurteilungskriterien zur Verfügung gestellt. Zudem
erhalten die jeweiligen Vorgesetzten der Bereiche vor der Beurteilung von der
Personalleitung einen Vergleich der Mitarbeiter – ein sog. Portfolio, aufgeschlüsselt nach einzelnen Kriterien und den Punkten, die in die Leistungsbeurteilung eingehen – auf der Grundlage der vorjährigen Leistungsbeurteilung
ausgehändigt. Die Selbsteinschätzung wird folgendermaßen gehandhabt: Der
Fachbereichsleiter bekommt zu seinem ausgefüllten Beurteilungsformular mit
dem Namen der Mitarbeiter ein weiteres Blatt ohne die Beurteilungen, so dass
der Mitarbeiter sich anhand der Beurteilungskriterien selbst einschätzen kann;
diese Selbsteinschätzung wird anschließend mit der vom Vorgesetzten durchgeführten Leistungsbeurteilung verglichen. Der Abgleich mündet in eine ge-
55
meinsame Beurteilung oder evtl. ein Einspruchsverfahren. Die Bewertungen
finden im Zeitentgelt alle zwei Jahre, im (früheren) Gehaltsbereich jedes Jahr
statt, da in diesem Arbeitsfeld häufigere Projektwechsel stattfinden.
Auch beim KMU der Optikindustrie O2 wird ein Zeitentgelt mit Leistungszulage angewandt, wobei hier das tarifliche Modell genutzt wird. Der Hauptteil
der Beschäftigten erhält Leistungszulagen von 10%, die Spreizung in der gesamten Belegschaft liegt zwischen 4 und 16%. Aufgrund der Anwendung des
vormaligen Tarifvertrags hatten auch hier die gewerblichen Mitarbeiter vor
ERA einen Zeitlohn mit einer durchschnittlich 13-prozentigen Leistungszulage
und die Angestellten ein Gehalt mit einer durchschnittlich zehnprozentigen
Leistungszulage erhalten. Alle Mitarbeiter (außer den AT-Angestellten) bekommen nun Entgelt nach ERA-Tarif plus Leistungszulage (wie früher die
Angestellten). Durch die volle Anwendung der tarifvertraglichen Regelungen
mussten folglich die gewerblichen Mitarbeiter, die allerdings nur 10% der
Belegschaft stellen, bei den im Entgeltzettel ausgewiesenen Leistungszulagen
eine durchschnittliche Minderung von 3% hinnehmen; dass diese von den Tarifparteien im ERA vereinbarte verminderte durchschnittliche Leistungszulage
im Gewerblichenbereich bei den finanziellen Volumina gewissermaßen kompensiert bzw. ausgeglichen war durch ein für die Gewerblichen höheres Grundentgelt, so dass sich an den Gesamtentgelten und den Absolutbeträgen der
Leistungszulagen nicht allzu viel änderte, wird in der Wahrnehmung durch die
Beschäftigten und in der Reaktion auf die in der Entgeltabrechnung ausgewiesenen Einzelkomponenten allenfalls am Rande zur Kenntnis genommen bzw.
führt zu Erklärungsnotwendigkeiten seitens der Personalleitung oder Betriebsräte. Die Summe der Entgelte nach ERA ist eben nun genauso hoch wie zuvor,
wobei insgesamt ein hohes Entgeltniveau vorliegt.
Eine weitere Problematik bei den Leistungszulagen entsteht in O2 dadurch,
dass sich die Errechnung dieses Durchschnitts auf die einzelnen Abteilungen
bezieht und die durchschnittliche Leistungszulage für alle Mitarbeiter der Abteilung 10% betragen muss. Dies ist ein Problem für Abteilungen mit nur ein
oder zwei tariflichen Mitarbeitern, da es für diese kleinen Abteilungen schwierig ist, diesen Durchschnitt einzuhalten. Die individuelle Leistungszulage wird
nach einem Punktesystem mit jährlicher Einstufung durch den Vorgesetzten
ermittelt. Die Beurteilung ist in fünf Beurteilungsstufen differenziert, welche
0 bis 20% der Leistungszulage entsprechen. Bei einer Änderung der Leistung
bzw. der Arbeitsbedingungen in den einzelnen Projekten muss sich der Mitarbeiter an den Vorgesetzten wenden, um evtl. eine Erhöhung der Leistungszulage zu erlangen. Es gibt keine Vorgabe der Personalleitung im Hinblick auf die
56
Zuteilung der Leistungszulagen, damit auch die unterste Eingruppierungsgruppe die höchste Leistungsstufe erhalten kann.
Der Ablauf der Leistungseinschätzung ist hier folgender: Der Abteilungsleiter
füllt einen Bewertungsbogen für den entsprechenden Beschäftigten aus, die
Personalverwaltung überträgt die gesammelten Beurteilungen in das EDV-System, die Geschäftsführung prüft die Leistungsbewertungen im Anschluss daran
und achtet insbesondere auf die „Ausreißer“, wobei diese nach Aussage der
Personalleiterin meistens berechtigt sind. Anschließend wird der endgültige
Prozentsatz den Abteilungsleitern und Mitarbeitern mitgeteilt. Dieses Verfahren hat sich gut bewährt und der Bedarf an Schulungen für die Abteilungsleiter
hielt sich in Grenzen. Es wurde zudem ein Schreiben an die Abteilungsleiter
verfasst, dass und wie sich das Bewertungssystem verändert hat und dass sie
darauf achten sollen, dass jedes Kriterium bewertet wird. Insgesamt sind die
Abteilungsleiter daran interessiert, dass die Balance zwischen den einzelnen
Mitarbeitern und Abteilungen gehalten wird, und verfolgen die Bewertungen
der anderen Abteilungen.
Beim Großunternehmen der Optikindustrie O1 waren, über die gesamte Belegschaft betrachtet, im alten Lohn- und Gehaltsmodell 80% der tariflichen Mitarbeiter im Zeitlohn bzw. Gehalt mit Leistungszulage gratifiziert, 20%, durchweg Gewerbliche, waren Prämienlöhner (somit etwa 200 gewerbliche Mitarbeiter). Bei den tariflichen Angestellten bestand das Gehalt einheitlich aus dem
Grundgehalt und einer Leistungszulage, die aufgrund einer Einschätzung des
Vorgesetzten ermittelt wurde. Bei den AT-Mitarbeitern wurden die Zulagen
auf der Basis von Zielvereinbarungen ermittelt.
Die oben genannten 20% der Gesamtbelegschaft, die „klassischen“ Prämienlöhner in der Fertigung, entsprechen etwa 80% der gewerblichen Mitarbeiter in
den unmittelbaren Produktionsbereichen. In der Produktion herrscht das Prinzip der Werkstattfertigung mit getrennten Bereichen wie Drehen, Fräsen, Schleifen etc. vor. Dort wird Gruppenarbeit praktiziert; die Gruppengrößen variieren
zwischen zwei und 60 Mann und liegen i.d.R. bei elf bis 15 Mitarbeitern. Historisch gesehen waren diese Produktionsarbeiter immer schon Leistungslöhner,
zunächst mit Akkordlohn, der bei 128,5% gedeckelt war (wovon 3,5% als
Rüstzeit berücksichtigt wurden), der später als identischer Prämienlohn weitergeführt wurde. Seit 1995 galt dort Gruppenentlohnung: Der gedeckelte Akkord
war an die Zielkriterien für die Gruppe (Gruppenbonus) gebunden, für die eine
gleiche Verteilung der Zulagen vorgenommen wurde. Die Lohnscheine wurden
also nur noch über die Gruppe erfasst. Für das Unternehmen hatte das den
Vorteil, dass Reserven und Zeit in der Leistungslohnabrechnung eingespart
57
werden konnten. Für die Werker wiederum hatte das den Vorteil, dass sich ihr
Leistungslohn gewissermaßen zu einem festen Monatsgehalt wandelte. Die
restlichen 20% der Gewerblichen (überwiegend in Montage und Werkzeugbau)
hatten bereits im alten Tarifvertrag Zeitlohn mit Leistungszulage erhalten.
Zum Zeitpunkt des ERA-Einstiegs wurde gemeinsam zwischen Personalleitung
und Betriebsrat beschlossen, dass die vorgängigen Entgeltprinzipien zunächst
erhalten bleiben sollten. Man wollte damit der Befürchtung entgegentreten,
dass sich bei einer gleichzeitigen Umstellung auf die ERA-Eingruppierung und
auf ein neues (Gruppen-)Entgeltsystem Fehler ergeben. Zudem erschien eine
gleichzeitige Umstellung vom Arbeitsaufwand her nicht möglich. So wurde
zuerst nur eine ERA-Umstellung beim Grundentgelt vorgenommen. Im Falle
der Zeitentgelte mit Leistungszulage wurden die ERA-Regelungen übernommen, so dass es zu einer Angleichung der Niveaus der Entlohnung kam, da es
jetzt nur noch 10% Leistungszulage für alle gibt. Die Leistungsbeurteilungen
wurden nun im letzten Jahr, also 2007, aktualisiert. Die Beschäftigten werden
durch den Vorgesetzten beurteilt und erhalten je nach Bewertung eine Leistungszulage von 0 bis 20% mit einem Deckel von 10% auf die Entgeltsumme
des Unternehmens.
Die momentane Überlegung der Personalleitung geht allerdings in die Richtung, die Regelungen für die Gruppenprämien zu erneuern, weil die Motivationswirkung dieser gedeckelten Prämien nachlässt. Das Grundproblem liegt
aus Sicht der Unternehmensleitung darin, dass die Mitarbeiter bei 128% zu
arbeiten aufhören und ihre Lohnscheine einreichen (dies ist eine in der gesamten Metall- und Elektroindustrie bekannte Tendenz, die auf die Zufriedenheit
der Beschäftigten mit einer Gehaltshöhe von 128% des Lohns der tariflichen
Eingruppierung und eine individuelle Strategie zur Sicherung der langfristigen
Leistungsfähigkeit zurückgeht; vgl. Schmierl 1995). Aus Sicht der Personalleitung ist eine Veränderung der Entgeltgrundlagen in den unmittelbaren Produktionsbereichen daher notwendig. Insofern befindet man sich für diese Prämienlöhner auch im Jahr nach der ERA-Einführung noch in der Konzeptionsphase:
Gegen eine Ablösung des Gruppenprämiensystems spricht, dass sich viele
Mitarbeiter an ihr Geld gewöhnt haben und bei Einführung eines Zeitentgelts
mit Leistungszulage die Gefahr einer „Nasenprämie“ gesehen wird, da die
Leistungszulage auf einer Einschätzung des Vorgesetzten beruht und hier eine
Bewertung ohne subjektive Kriterien nur schwer denkbar ist. Demgegenüber
ist es für die Produktionsplanung und -steuerung entscheidend, dass sich produktionsbezogene Kennziffern in der Buchhaltung abbilden lassen und für die
Mitarbeiter nachvollziehbar sind. Der Vorschlag der Personalleitung ging in
die Richtung, zur Vereinfachung der im Unternehmen praktizierten Berech-
58
nungsgrundlagen künftig für alle Mitarbeiter Zeitentgelt mit Leistungszulage
anzuwenden. Als Übergangsregelung für die Prämienlöhner wurde dem Betriebsrat vorgeschlagen, die Differenz zwischen Gruppenprämie und durchschnittlicher Leistungszulage als freiwillige Zulage auszuzahlen, die jährlich
mit der Tariferhöhung abgeschmolzen wird, so dass in einigen Jahren alle Mitarbeiter aus dem Prämienlohn heraus wären. Mit der Zielsetzung, den Prämienlohn abzuschaffen, kündigte die Personalleitung drei Betriebsvereinbarungen,
ohne bisher eine neue Betriebsvereinbarung abschließen zu können, da man
sich mit dem Betriebsrat noch nicht auf ein gemeinsames Modell einigen konnte. Da diese Betriebsvereinbarungen nach § 87 Betriebsverfassungsgesetz mitbestimmungspflichtig sind und nachwirken, solange keine neue Betriebsvereinbarungen verabschiedet worden sind, haben sie für die betriebliche Interessenvertretung einen Sonderstatus; zudem unterliegen sie im Falle einer nicht
möglichen Einigung der Entscheidung in der Einigungsstelle. Den Vorstellungen
der Personalleitung setzt der Betriebsrat zwei Vorschläge entgegen. Einerseits
könnte die Maschinenlaufzeit als Messgröße für eine Standardprämie vereinbart
werden, die zwischen 10 und 20 Prozent liegen könnte. Ein Unterschreiten der
Maschinenlaufzeit könnte dann nach vorab definierten prozentualen Prämienstufen prämiert werden. Andererseits könnte man sich auf eine Bonusregelung
als übertarifliche Zulage verständigen, bei der betrieblich sinnvolle Messgrößen – wie z.B. Gruppenzeitgrad – ausgewählt und vereinbart werden könnten.
Eine Einigung über die divergierenden Vorschläge steht noch aus.
Zusammenfassend lässt sich folgendes Fazit ziehen: Die Verfahren der Eingruppierung und Arbeitsbewertung bereiteten bei der ERA-Einführung in der
Regel keine größeren Probleme. Meinungsverschiedenheiten zwischen Personalleitung und Betriebsrat oder Enttäuschungen der betroffenen Arbeitskräfte
konnten spätestens bei den Verhandlungen in der Paritätischen Kommission
ausgeräumt werden. Schwierigkeiten und Verzögerungen prägten hingegen die
Umsetzung der ERA-Richtlinien zu den neuen Entgeltgrundsätzen und
-methoden. Während in den kleineren Unternehmen mit einer weitgehend homogenen Belegschaft und in den beiden Fällen, in welchen bereits vor der
ERA-Umsetzung ein einheitlicher Entgeltgrundsatz (Lohn bzw. Gehalt mit
Leistungszulage) angewandt wurde, eine zeitnahe Anpassung der Entgeltgrundsätze nach der betrieblichen Entscheidung für eine Vereinheitlichung der
Leistungszulage für alle Beschäftigten möglich war, ist die vollständige Umsetzung des ERA-Tarifvertrags in dem heterogeneren Großunternehmen mit
vormals drei unterschiedlichen Entgeltgrundsätzen nicht für die komplette
Belegschaft gelungen. Es deutet sich darin zudem eine grundsätzliche Schwierigkeit an, ein in der Regel bei Leistungslöhnen im vormals gewerblichen Bereich z.T. höheres individuelles Gesamteinkommen (aufgrund einer höheren
59
Leistungslohnkomponente bei geringerem Grundentgelt) in einen im gesamten
Unternehmen einheitlichen Entgeltgrundsatz zu überführen. Schließlich würde
auch die im ERA ermöglichte Anwendung eines Leistungsentgelts mit Kennzahlenvergleich eine im Vergleich zum alten Akkord bzw. Prämienlohn vorgenommene Neuordnung und Definition der in die Messung des Leistungsergebnisses eingehenden Daten und Kennzahlen erfordern, die insbesondere bei den
für die von Facharbeit geprägten Segmente der Metall- und Elektroindustrie typischen invariablen (gedeckelten) Akkord- oder Prämienlöhnen neben den methodischen Klärungsnotwendigkeiten durchaus auch praktische Schwierigkeiten (etwa in Bezug auf ein durch geschultes Personal zutreffend ermitteltes
Leistungsergebnis) bereitet.
6. Betroffenheit unterschiedlicher Beschäftigtengruppen
Begünstigte und Benachteiligte, Konflikte im Einführungsprozess
Bei der übergeordneten Fragestellung nach der Betroffenheit unterschiedlicher
Belegschaftsgruppierungen geht es zum einen um die Frage des Umsetzungserfolgs bzw. der Barrieren, die sich während des Einführungsprozesses herausstellen. Es geht zum zweiten um eine Abschätzung der tatsächlichen, mitunter
langfristigen und teilweise einkommensrelevanten Folgen von ERA für einzelne Beschäftigtengruppen.
6.1
Antizipation von Vor- oder Nachteilen durch die Belegschaft
Hinsichtlich des Umsetzungserfolgs sind die von den Beschäftigten im Vorfeld
oder im Verlauf der ERA-Einführung erlangten Kenntnisse über ERA, ihre
Wahrnehmung des Vertragswerks sowie ihre Antizipation von Vor- oder
Nachteilen relevant. Diesen Fragen wurde in Gesprächen mit der Personalleitung und dem Betriebsrat, vor allem aber in den Einzelgesprächen bzw. Gruppendiskussionen mit den Beschäftigten nachgegangen. Der Befund fällt hier
allerdings ziemlich knapp aus, was sich für die Akzeptanz von ERA wiederum
als günstig darstellt.
ERA wurde von den Beschäftigten erst dann wahrgenommen und zum Thema,
als die bevorstehende ERA-Umsetzung im Unternehmen von Geschäftsführung, Personalleitung und Betriebsrat betriebsintern schriftlich oder mündlich
bekannt gegeben und vorgestellt wurde. Eine Möglichkeit zur Informierung
über das Thema und die bevorstehenden Einführungsverfahren über die Me-
60
dien bestand nicht, da diese Thematik vollkommen an diesen vorbeigegangen
zu sein scheint. Angesichts der Reichweite der tarif- und lohnpolitischen Veränderungen und der Bedeutung der Metall- und Elektroindustrie sowie Automobilindustrie in Deutschland ist dies zwar erstaunlich, aufgrund der „Sperrigkeit“ des Themas „Entgelt“ andererseits aber nicht überraschend.
„Also ich sag mal, hier in unserem Werk wurde da eigentlich schon sehr gut informiert. Also da gibt’s jetzt gar nichts dran zu bemängeln, aber ich mein jetzt,
so ganz allgemein in der Öffentlichkeit, ich bin überzeugt, es gibt noch viele Bekannte, Verwandte, Freunde, die man so kennt, die haben da vielleicht noch nie
was davon gehört“ (Mitarbeiter).
Waren die Betriebsräte und Gewerkschaftsmitglieder mit den kommenden
Veränderungen durch ERA über Informationen oder die Mitgliederzeitschrift
der IG Metall noch vertraut, gilt dies für die nicht in der Gewerkschaft befindlichen Beschäftigten nicht.
„Also ich hab das, ehrlich gesagt, erst mitbekommen, als es eingeführt wurde,
also es hier vorgestellt und auch der Belegschaft erklärt wurde. Vorher war das
eigentlich ein bisschen, ziemlich weit weg, muss ich ganz ehrlich sagen. Also
das ist jetzt auch so, in der Allgemeinpresse hab ich darüber eigentlich fast
nichts gelesen. Erst dann, als man das Wort erst mal so im Kopf hatte, ist man
darauf aufmerksam geworden“ (Mitarbeiter).
Es lassen sich dafür wohl auch eine Reihe von dem ERA-Abschluss selbst
sowie dem Entgeltthema immanenten Gründen ausmachen:
1. Ein erster Grund dürfte darin liegen, dass ERA in Thüringen im Vergleich
zu den anderen Tarifbezirken und -gebieten relativ frühzeitig zwischen der
IG Metall und VMET abgeschlossen wurde und einen vergleichsweise zügigen Umsetzungszeitraum vorsah. Damit konnten Erfahrungen aus anderen Tarifbezirken nicht bereits antizipativ zum Erkennen möglicher Wirkungen wahrgenommen werden.
2. Ein zweiter Grund liegt naturwüchsig in den betrieblichen Strategien, sich
als Pilotbetrieb, als entgeltpolitischer Vorreiter und als „Leuchtturmbetrieb“
zu profilieren. So waren die drei Untersuchungsbetriebe definitionsgemäß
die allerersten in Thüringen (und zählten sicherlich auch zu den ersten in
der Bundesrepublik), die ERA einführten. Von daher konnte im Tarifgebiet
nicht auf ERA-spezifische Informationen aus anderen Firmen zurückgegriffen werden. Ein Erkennen der Implikationen und Konsequenzen von ERA
hätte von den Beschäftigten daher eine sehr weitgehende Kenntnis des Tarifvertrags und eine intensivere Befassung mit möglichen betrieblichen und
individuellen Auswirkungen vorausgesetzt.
61
3. Dies wiederum hat dazu geführt, dass sich ERA nicht in der Aufmerksamkeit der Medien widerspiegelte. Damit die Medien die Relevanz eines Themas im Wirtschaftsleben erkennen, muss es aktiv an sie herangetragen oder
durch betriebliche Konflikte in der Region erkennbar werden. Das war zum
Einstiegszeitpunkt der Leuchtturmbetriebe weder in Thüringen noch in den
anderen Tarifgebieten der Fall. Und Tarifverträge bzw. Entgeltregelungen
sind generell ein Thema, das eine einschlägige lohn- und tarifpolitische
Kompetenz voraussetzt, die bei den Medien nicht ohne weiteres als gegeben veranschlagt werden kann.
Die Chancen für ein frühzeitiges Antizipieren dessen, was mit ERA auf die
Umsetzungsbetriebe und deren Beschäftigte zukommt, waren somit sehr begrenzt. Folglich waren in den Untersuchungsbetrieben von den Sozialpartnern
oder den Beschäftigten im Vorfeld der konkreten Einführung noch keine konkret zu erwartenden Barrieren, Blockadehaltungen und Widerstände erkennbar,
die den Umsetzungserfolg hätten tangieren können. Weitere Ursachen waren
die betriebliche Informationspolitik und eine entscheidende Regelung im ERATarifvertrag, nämlich zur Besitzstandswahrung. Mit dieser Vereinbarung und
den in den Firmen vor der Einführung ausgesandten Signalen an die Belegschaft, dass ERA nicht zur Einkommensreduzierung genutzt werden soll und
kein Beschäftigter netto weniger „in der Tasche“ haben wird, wurden die Belegschaften im Vorfeld keiner unnötigen Unruhe ausgesetzt.
„Kurz vor der Umstellung war in der Gehaltsabrechnung oder in der Lohnabrechnung ein Flyer, ein Zettel dabei, wo das noch mal drauf stand. So ein Extrazettel, war sogar in einem Extraumschlag. Und da konnte jeder sehen: Was
hatte ich vorher, welche Gruppe, welche Zulagen, und unterm Strich, was hatte
ich an Bruttolohn, was habe ich künftig? Denn die große Frage ist ja immer: Es
wird was Neues eingeführt – habe ich mehr oder weniger Geld? Das ist die erste Frage, die man sich stellt. Und um dem vorzugreifen, wurde das so dokumentiert, dass das jeder verstanden hat“ (Mitarbeiter).
Die Erkenntnis von möglichen individuellen Nachteilen setzte in den überwiegenden Teilen der Belegschaften erst zum Zeitpunkt der nächsten Tariferhöhungen ein, als die Übergangsregelungen bei den Überschreitern griffen, die
wegen der über die Jahre gestreckten Anpassung ihrer niedrigeren Eingruppierung nur zum Teil an den Tariferhöhungen partizipieren durften.
6.2
Wirkungen der veränderten Eingruppierungsrelationen auf
unterschiedliche Beschäftigtengruppen
Kommen wir nun zu den Wirkungen der veränderten Eingruppierungsrelationen auf die angepassten Entgelte unterschiedlicher Arbeiter-/Angestellten-
62
gruppen und -typen, die sich aus den konkreten Entgelttabellen des ERA Thüringen nach der Umstellung ergeben haben. Sie wurden, wie oben geschildert,
für die Beschäftigten auch erst zu diesem Zeitpunkt erkennbar.
Einen entscheidenden Vorgriff darauf haben die Tarifvertragsparteien dadurch
getätigt, dass sie sich zur Begünstigung der Tariflichen Entsprechung auf eine
in zwölf Entgeltgruppen differenzierte neue Relation der Entgeltgruppen zueinander in Gestalt einer neuen Entgelttabelle geeinigt haben (s. Tabelle im
Anhang). Die sich in diesem Tabellenwerk widerspiegelnde Zielsetzung weist
einige Besonderheiten und implizite Stellungnahmen zum absoluten und relativen Wert von Arbeit und Qualifikationsniveaus auf. Es seien hier lediglich die
für die folgenden Ausführungen relevanten Veränderungen benannt.
1. Im Gegensatz zur früheren Tarifvertragsregelung, dass die Eingruppierung
nach dem Grundsatz der „überwiegend“ ausgeführten Tätigkeit erfolgt,
sieht der ERA-Tarifvertrag vor, dass die Eingruppierung nach derjenigen
Tätigkeit erfolgt, die das Niveau der Gesamttätigkeit prägt, so dass eine
ganzheitliche Betrachtung der Anforderungen vorzunehmen ist. Der zeitliche Umfang der Tätigkeit ist nicht mehr maßgebend.
2. Mit dem ERA-Tarifvertrag sollte zudem die Durchlässigkeit zwischen den
vormals stärker getrennten Gehalts- bzw. Lohngruppen gestärkt werden, so
dass es auch einem nicht mit einem bestimmten Berufsabschluss ausgestatteten Beschäftigten durch langjährige Berufserfahrung oder durch die Übernahme dispositiver Funktionen möglich wird, in höhere Entgeltgruppen
aufzusteigen. Damit werden die in der betrieblichen Praxis erworbenen Erfahrungen gegenüber den formalen Bildungsabschlüssen aufgewertet. Beispielsweise lautet die Beschreibung der Entgeltgruppe 9 folgendermaßen:
„Erforderlich sind Kenntnisse und Fertigkeiten, wie sie in der Regel durch
eine mindestens 3-jährige Berufsausbildung, eine mindestens zweijährige
Fachausbildung und langjährige Berufserfahrungen oder durch eine abgeschlossene 3-jährige Hochschulausbildung (z.B. Bachelor) und langjährige
Berufserfahrungen erworben werden“ (ERA, § 4). Damit wird erstmals den
vormaligen Lohnempfängern die Chance eröffnet, durch Berufserfahrung in
eine Entgeltgruppe vorzurücken, die bislang den technischen und kaufmännischen Angestellten der höheren Gehaltsgruppen vorbehalten war.
3. Mit den zwölf den jeweiligen Entgeltgruppen zugeordneten Zusatzstufen
sollte den Betriebsparteien ein Instrument an die Hand gegeben werden,
qualifikatorische Polyvalenz bzw. die Übernahme von Führungsfunktionen
zu gratifizieren. Die Beschreibungen der Zusatzstufen Z1 bis Z3 lauten:
„Vom Beschäftigten wird zusätzlich eine tätigkeitsübergreifende Qualifika-
63
tion gefordert.“ Die Beschreibungen der Zusatzstufen Z4 bis Z9 lauten:
„Dem Beschäftigten werden zusätzlich Aufgaben der Anleitung und Führung von Beschäftigten dauerhaft übertragen oder dem Beschäftigten werden zusätzliche Tätigkeiten dauerhaft übertragen, die wesentlich über die
Anforderungen der Entgeltgruppe hinausgehen und deshalb eine zusätzliche
Qualifikation erfordern.“ Die Beschreibungen der Zusatzstufen Z10 bis Z12
lauten: „Dem Beschäftigten werden dauerhaft zusätzlich Aufgaben der verantwortlichen Anleitung und Führung von Beschäftigten übertragen, die
auch die Weisungsbefugnis einschließen.“
4. Mit dem neuen ERA-Tarifvertrag kamen im Vergleich zum alten Tarif, in
dem neun Lohngruppen, jeweils sechs K- und T-Gruppen sowie vier Meistergruppen bestanden, mit der Entgeltgruppe 9 und der Entgeltgruppe 11
zwei neue Entgeltgruppen hinzu, die eine Spreizung der Entgeltgruppen im
oberen Bereich mit sich brachten. Sie ermöglichten eine stärkere Differenzierung bei den höheren, akademisch geprägten bzw. leitenden Positionen.
Vor diesem tarifpolitischen Hintergrund sind bestimmte betriebliche Anpassungsprobleme und individuelle Betroffenheiten der Beschäftigten erklärbar.
Insbesondere hat die Ausgestaltung Auswirkungen darauf, welche Beschäftigtengruppen eher zu den Begünstigten (bzw. Profiteuren) und welche eher zu
den Benachteiligten zählen oder sich zugehörig fühlen. Im Folgenden wird
zunächst auf die Gruppierungen der Begünstigten, sodann der Benachteiligten
und schließlich auf die unmittelbar nach der Einführung aufgetretenen Konfliktlagen eingegangen.
6.3
Begünstigte Beschäftigtengruppen
An erster Stelle sind hier diejenigen Gruppen zu nennen, die im Rahmen der
Anwendung der Tariflichen Entsprechung oder Neueingruppierung eine Höhergruppierung erfahren haben oder als Unterschreiter künftig mehr Einkommen zur Verfügung haben werden. Während es im Unternehmen A1 aufgrund
der vorgängigen übertariflichen Bezahlung keine Unterschreiter gab, wurden in
O1 und in O2 eine Reihe der gewerblichen Mitarbeiter aus Produktion und
Montage höher eingruppiert. In O1 wurden von etwa 70 Neueingruppierungen
nach den endgültigen Verhandlungen in der PaKo ca. 30 Höherstufungen vorgenommen, die Personen aus dem Kreis der gewerblichen Mitarbeiter und der
kaufmännischen Angestellten (also der ehemaligen K-Gruppen) betrafen. Besonders sind hier die niedrigeren Gehaltsgruppen (Sekretärinnen und Teamassistentinnen sowie die Gewerblichen; aber auch die niedrigeren kaufmännischen Angestellten) begünstigt, die in den beiden Unternehmen mit Unter-
64
schreitern hiervon profitierten. Konkret bedeutet dies für die Einkommenssituation dieser Belegschaftsgruppen, dass sie mit der ERA-Umsetzung eine
Verbesserung um sofort maximal 100 € monatlich verzeichnen können. Bei O2
fanden die Höhergruppierungen überwiegend in der Produktion statt, also unter
den gewerblichen Beschäftigten. Zudem deutete sich eine Verbesserung der
Einkommenssituation von neu eingestellten Hochschulabsolventen in O2 insofern an, als diese seitens der Personalleitung aufgrund der Spreizung der höheren
Entgeltgruppen nun sofort in E10 eingestuft werden (also höher als früher); wegen der relativ großen Abstände zwischen K4/T4, K5/T5 und K6/T6 waren Neurekrutierte bisher zunächst vorsichtig eher in die untere Gehaltsgruppe eingestuft
worden, nun erhalten sie aufgrund der neuen ausdifferenzierten Entgeltrelationen
eine bessere Eingangseingruppierung. Auf einen ähnlichen Zusammenhang wird
in A1 hingewiesen, wonach durch die neuen, zwischengeschalteten Entgeltgruppen nun bessere Aufstiegschancen für die jetzigen Ingenieure vorhanden sind.
Hier waren bisher nur wenige Mitarbeiter in E9 und E10 eingestuft; durch die
geringeren Abstände ist nun die Bereitschaft des Unternehmens gesteigert,
diese höheren Entgeltgruppen schrittweise zuzuteilen.
6.4
Benachteiligte Beschäftigtengruppen
Als benachteiligte Beschäftigte können sich die Überschreiter verstehen. Nicht
deshalb, weil sie absolut weniger Entgelt erhalten würden, da dies die Besitzstandswahrung und die vorübergehende Gewährung der Ausgleichszulage verhindert, sondern entweder im Hinblick auf eine niedrigere Eingruppierung oder
aufgrund der Tatsache, dass mit der Tariflichen Entsprechung die neu zugewiesenen Tarifentgelte insbesondere bei den höheren Angestellten unter den vorherigen Tarifgehältern lagen. Dementsprechend werden in allen Untersuchungsbetrieben die vormaligen Empfänger der Gehaltsgruppen T4, T5, T6
(bei den technischen Angestellten) bzw. K4, K5, K6 (bei den kaufmännischen
Angestellten) zu den „Verlierern“ gezählt. Besonders getroffen wurde die Belegschaft in O2, wo der Akademikeranteil bei 90% liegt und die Forschungsund Entwicklungsabteilungen gegenüber den Produktionsbereichen dominieren. In ähnlicher Weise – allerdings aufgrund der höheren Betriebsgröße nicht
bei einem derart großen Belegschaftsanteil – wurden in O1 von den insgesamt
70 Neueingruppierungen etwas über 30 Herunterstufungen vorgenommen, die
sich überwiegend auf diesen Kreis der technischen Angestellten und z.T. der
kaufmännischen Angestellten konzentrieren. Deutlich entschärfter stellt sich in
diesem Zusammenhang die Situation in A1 dar, wo – wie oben beschrieben –
zum ersten die Produktionsabteilungen eine hohe Bedeutung haben und wo
zum zweiten nahezu alle Entgeltgruppen besetzt sind; in diesem Betrieb sind
65
zwar alle Beschäftigten „Überschreiter“, was aber nicht in der Tariflichen Entsprechung, sondern vielmehr in der Angleichung der vorherigen übertariflichen
Bezahlung an den neuen ERA-Tarif begründet ist. Um individuelle Benachteiligung und Härten zu vermeiden und die Zusage einzuhalten, dass kein Beschäftigter weniger verdient, wird in diesem Unternehmen – wie oben genauer
geschildert – zusätzlich zur tariflichen Ausgleichszulage ein individueller Ausgleichsbonus gewährt, der das Niveau der übertariflichen Bezahlung für die
bereits beschäftigten Arbeitskräfte auch künftig absichert. Eine strenge Überführung in den (niedrigeren) ERA-Tarif wird lediglich für neu eingestellte
Kräfte vorgenommen.
Die grundsätzliche individuelle Betroffenheit der Beschäftigten geht somit
weniger auf eine tatsächliche Einkommenseinbuße zum Zeitpunkt der ERAEinführung zurück als vielmehr auf zwei von diesem Zeitpunkt entkoppelte
Veränderungen. Zum einen mussten die Beschäftigten bei der auf die ERAEinführung folgenden Tariferhöhung feststellen, dass die Ausgleichszulage zur
Hälfte auf das Volumen der Tariferhöhung angerechnet wird, sie somit nur zur
Hälfte von der Tarifentgelterhöhung profitieren; diese Ausgleichszulagen –
und damit die rechnerisch geringeren Tarifentgelte – betrugen zum Zeitpunkt
der ERA-Einführung in den meisten Fällen zwischen 50 und 100 €. Zum zweiten sahen sich diese höheren Angestelltengruppen, vornehmlich aus dem Kreis
der technischen Angestellten (der Gehaltsgruppen T4, T5 und T6), die sich
insbesondere in den technologiegeprägten Unternehmen O1 und O2 zu den
Leistungsträgern des Betriebs rechnen, in ihrem beruflichen Selbstverständnis
bzw. in der gesellschaftlichen Wertschätzung ihrer Qualifikation in Frage gestellt. Aufgrund des ohnehin hohen Einkommensniveaus in diesen Arbeitskräftekategorien und aufgrund der zumeist begrenzten Möglichkeiten zum Arbeitsplatzwechsel führte dies aber nicht zu größeren Protesten oder Konflikten;
zudem konnten diese Unzufriedenheiten in der Regel durch Gespräche mit und
zwischen Personalleitung und Betriebsrat ausgeräumt werden. Dort wurde argumentiert, diese Änderungen der Entgeltrelationen seien nicht der betrieblichen Anwendung und Praxis, sondern ausschließlich dem Verhandlungsergebnis der Tarifparteien zuzuschreiben. Dennoch: „Die Gleichstellung von T- und
K-Gruppen hat am meisten den Betriebsrat betroffen“ (Personalleiterin).
Hierbei ist noch einmal auf die Grundentgeltrelationen einzugehen, die im
alten Tarifvertrag für die Metall- und Elektroindustrie galten und im neuen
ERA verändert wurden: Im alten (für Thüringen gültigen) Hessen-Tarif gehörten die technischen Angestellten der Gehaltsgruppen T4, T5 und T6 zu den im
Vergleich zu allen anderen Lohn- und Gehaltsempfängern am höchsten bezahlten Arbeitskräften; in Relation zur 100%-Ecklohngruppe (L6) betrug das
66
Grundgehalt ohne die Leistungszulagen bei T4 etwa 151%, bei T5 etwa 172%
und bei T6 etwa 198%. Mit der von den Tarifparteien beschlossenen Äquivalenz in der Tariflichen Entsprechung und der Zuteilung dieser Gehaltsgruppen
zu den Entgeltgruppen E8, E10 und E12 wurden dreierlei Anpassungen vorgenommen. Zum ersten entsprechen die neuen Relationen dieser Gruppen zur
Entgeltgruppe 5, die die Bezugsbasis für Tarifänderungen und für die Entgeltrelationen zu den anderen Entgeltgruppen darstellt, neuerdings 137% (beim
Äquivalent für T4), 160% (bei T5) und 185% (bei T6); dies resultiert daraus,
dass bei der Definition der neuen Entgelttabelle zur Kompensation der in den
unteren Entgeltgruppen (E1 bis E8, die mit den früheren Lohngruppen L2 bis
L9 vergleichbar sind) relativ erhöhten Grundentgelte drei Prozentpunkte aus
der früheren Leistungszulage, die bei den Arbeitern im Betriebsdurchschnitt
13% betrug, bzw. 3,5 Prozentpunkte des früheren Akkordrichtsatzes, in die
neuen Grundentgelte eingearbeitet wurden; die im Vergleich zum neuen Entgeltgrundsatz mit einer im Durchschnitt zehnprozentigen Leistungszulage für
alle Beschäftigten vormals höheren durchschnittlichen Leistungszulagen der
früheren gewerblichen Mitarbeiter wurden insofern in die neuen Grundentgelte
einberechnet. Zum zweiten rückten mit der Tariflichen Entsprechung die oberen Entgeltgruppen näher an die unteren heran, indem die Spreizung zwischen
diesen Entgeltgruppen verringert wurde. Zum dritten wurden im Rahmen der
Tariflichen Entsprechung die technischen Angestellten mit den kaufmännischen Angestellten vergleichbaren Niveaus gleichgestellt, deren ursprüngliche
Gehaltsrelationen sich weitgehend identisch in den neuen Entgeltrelationen
abbilden. Das bedeutet, dass die kaufmännischen Angestellten offenbar als
Referenz für die neuen Entgeltrelationen verwendet und die technischen Angestellten dem mit einer Tendenz nach unten angeglichen wurden. Dieser Sachverhalt trifft bei Anwendung der Tariflichen Entsprechung somit vor allem die
höheren Gehaltsstufen in den Entwicklungsabteilungen; in Abhängigkeit vom
Leistungsprogramm des Unternehmens ist damit in Unternehmen, deren Kompetenz hauptsächlich in der Forschung und Entwicklung und weniger in der
Produktion angesiedelt ist, ein großer Teil der Belegschaft von dieser Anpassung der Grundentgelte betroffen. Das ist bei O1 und O2 der Fall. In Absolutzahlen bedeutet das für die Betroffenen eine Verminderung des tariflichen
Gesamtentgelts um etwa 100 €, die als Ausgleichszulage entgolten werden.
Dies brachte im Rahmen der ERA-Einführung insbesondere für die Betriebsräte mit diesen Kollegen Diskussionsbedarf über die Folgen von ERA mit sich.
Insgesamt deuten die Personalleitungen (und zum Teil auch die Betriebsräte)
im Hinblick auf diese Überschreiter an, dass sich die T4-, T5- und T6-Kräfte
nun zwar individuell als benachteiligt fühlen können, dass sie jedoch im Rahmen einer weitgehenden Revision der gesamten Tarifstruktur einem „natürli-
67
chen“ Angleichungsprozess unterliegen, den man nicht als Benachteiligung
bezeichnen könne. Dieser sei zudem durch die Besitzstandswahrung in seinen
finanziellen Auswirkungen auf die Beschäftigten abgefedert.
Zum Zeitpunkt der zweiten Befragungsrunde im Sommer 2007 waren diese
noch mitgeführten Ausgleichszulagen in allen Betrieben bei 90% der davon
Betroffenen so weit mit den Tariferhöhungen abgeglichen und verrechnet, dass
keine weiteren Restbeträge mehr ausgewiesen werden mussten. Beim Großteil
der restlichen 10% der Überschreiter (wie auch bei den Unterschreitern) ist
dies mit der Tariferhöhung 2008 vollkommen ausgeglichen. Nur in absoluten
Ausnahme- und Einzelfällen müssen die Korrekturbeträge noch bis 2009 mitgeführt und kalkuliert werden.
In den Gesprächen mit der Personalleitung im Untersuchungsbetrieb A1 wurde
darüber hinaus eine Gruppierung erwähnt, deren Schlechterstellung auf die
Konzernstruktur sowie betriebliche Umsetzungen zurückgeht. Es handelt sich
um drei Angestellte des oberen Tarifsegments im Einkauf. Die Funktionen im
Einkauf waren überwiegend in der Zentrale nicht bewertete Stellen, da hier die
Bezahlung vorrangig nach der Entscheidungsfreiheit und dem Volumen, das
der Einkäufer „jongliert“ hatte, ermittelt wurde (Provisionen). Im Rahmen der
bereits erwähnten konzernweiten Aktualisierung und zahlenmäßigen Reduzierung von Arbeitsbewertungen wurden auch die Einkäufer in das allgemeine
System der Funktionsbeschreibungen integriert. Dabei wurden die Eingruppierungen in diesem Bereich massiv nach unten korrigiert. Am Standort hatte dies
die Konsequenz, dass die Sachbearbeiter von der Entgeltgruppe E6 in die Entgeltgruppe E5 kamen. Individuell hatten diese Beschäftigten zwar wiederum
keine Einkommenseinbußen, da zur Übergangsregelung letztlich die E6 beibehalten wurde. Doch die niedrigere Eingruppierung schlug sich in den Arbeitsbeschreibungen nieder, die bei der nächsten Positionsbesetzung entsprechend
angesetzt werden. Als kritischer stellte sich der Sachverhalt bei denjenigen
Führungskräften heraus, die im Einkauf des Mutterkonzerns Verantwortung
getragen hatten und an den Standort des Untersuchungsbetriebs versetzt wurden, da sie sich im Vergleich zur früheren Eingruppierung minder bewertet
fühlten und aufgrund des Arbeitsplatzwechsels in ein anderes Tarifgebiet auch
absolute finanzielle Einbußen in Kauf nehmen mussten.
In allen drei Untersuchungsbetrieben wurde sowohl von den Personalleitungen
als auch von den Betriebsräten hervorgehoben, dass der Zeitpunkt der ERAEinführung von der Personalleitung „clever“ gewählt war. Da die Personalleitungen wussten, dass die meisten Beschäftigten, wenn überhaupt, allenfalls
geringe Abstriche an ihrem Entgelt zu verzeichnen haben, legten sie die ERAEinführung einen Monat vor die nächste Tariferhöhung bzw. in einem Fall in den
68
gleichen Monat. So erlebten die Mitarbeiter höchstens einen Überbrückungsmonat lang ein finanzielles Minus, das im nächsten Monat wieder überkompensiert wurde, da die Tariferhöhung in vielen Fällen höher als der Auffüllbetrag ausfiel. Das hat nach Aussage der Gesprächspartner viel „böses Blut“
erspart.
6.5
Konflikte und Proteste seitens der Beschäftigten
(1) Abgesehen von den soeben beschriebenen Notwendigkeiten für die Personalleitungen und Betriebsräte, besonders betroffenen Arbeitskräftegruppen
gegenüber die Einführung, Anwendung und Wirkung von ERA zu erläutern
und legitimieren, kam es in keinem der Untersuchungsbetriebe zu relevanten
negativen Reaktionen, die sich als förmliche Proteste, offene Konflikte oder
Leistungszurückhaltung geäußert hätten. Verunsicherungen konnten in der Regel relativ zügig auf dem Dialogwege ausgeräumt werden, da nach Einschätzung der befragten Personalleitungen und Betriebsräte vielfach lediglich aus
dem Nicht-Verstehen des Vorhabens Missverständnisse resultierten, die im Betriebsalltag allerdings schnell Gerüchte und unzutreffende Einschätzungen zur
Zielsetzung des Unternehmens entstehen ließen. Vereinzelt gab es Unmut bei
den bisher T5 und T6 zugeordneten Personen (wegen der neuen Verdienstübersichten), jedoch griffen die Umsetzungsverantwortlichen im Betrieb, die die
Schwierigkeit der Materie erkannt hatten, diese betriebsklimatischen Verwerfungen in den oben beschriebenen Informationsrunden auf, in welchen wiederholt geklärt wurde, dass niemand absolut weniger verdient. Die größten Informationsdefizite und Verunsicherungen stellten sich bei den Mitarbeitern im
Hinblick auf die Ausgleichszahlungen ein. Einige Personalleiter bzw. Personalleiterinnen befürchteten, dass bei der nächsten Tariferhöhung neuerliche Diskussionen und Erläuterungen erforderlich sein werden, da die Mitarbeiter dann
wieder zu informieren sind, wie ihr Gehalt vor und ihr Entgelt nach der Einführung unter Berücksichtigung der Ausgleichszulagen bzw. Anpassungsbeträge
aussieht. In A1, wo – wie oben erwähnt – zum Ausgleich der vormals übertariflichen Bezahlung ergänzend ein individueller Ausgleichsbonus ermittelt
wurde, kam es bei einzelnen Beschäftigten nach etwa einem Jahr zu Bedenken
bezüglich der Verrechnung und des Charakters des im Gehaltszettel getrennt
ausgewiesenen individuellen und tariflichen Ausgleichs, die sich aber durch
entsprechende Informationen schnell ausräumen ließen.
(2) Trotz der mit ERA neu definierten Entgeltrelationen ergaben sich keine
Spannungen zwischen Arbeitskräftegruppen, wie z.B. den ehemaligen kaufmännischen und technischen Angestellten oder den ehemaligen Angestellten
69
und den grundsätzlich relativ begünstigten Lohnempfängern. Es stellte sich
vielmehr heraus, dass die nun einheitlichen Gruppen im weitaus größten Teil
der Belegschaft positiv aufgenommen wurden. Vor allem die Abschaffung der
Unterschiede zwischen Lohn- und Gehaltsempfängern stieß auf durchweg
positive Resonanz. Zu berücksichtigen ist hier auch, dass bei A1 schon seit
1992 ein einheitliches Entgeltsystem zur Anwendung kam und demzufolge die
Angestellten bei der Umstellung keine Angst hatten, eine tatsächliche oder
vermeintliche „elitäre“ Stellung zu verlieren. Lediglich in einem Untersuchungsbetrieb wurden Beschwerden an die Personalleitung herangetragen, in
deren Zuge die Überschreiter aus den Gehaltsgruppen T5 und T6 Blockadehaltungen (z.B. Dienst nach Vorschrift bzw. Kündigung) angekündigt, aber letztlich nicht wahr gemacht hatten. Eine gewisse Bedeutung hatte hier nach Aussage der Personalleitung, dass in diesen Gruppen das durchschnittliche Alter
bei ca. 45 Jahren liegt und dadurch die allgemeine Bereitschaft oder Chance,
einen anderen Arbeitsplatz zu finden, nicht so hoch ist. Insgesamt allerdings
kamen “überraschend wenig Beschwerden“ (Personalleitung).
Eine stärkere Wirkung entfaltete in den Untersuchungsbetrieben O1 und O2
die etwas zeitverzögerte Umsetzung der in ERA definierten neuen Entgeltgrundlagen. In beiden Fällen wurden die im neuen „Zeitentgelt mit Leistungszulage“ praktizierten Leistungsbeurteilungen moniert. Im Kern der Proteste
ging es um die dieser Entgeltgrundlage per definitionem immanenten subjektiven Grundlagen der Beurteilung. Zur Darstellung dieser Problematik wird
exemplarisch auf einen Untersuchungsbetrieb eingegangen:
Bei O2 wurden die Leistungszulagen nach dem ERA-System erst zum
01.07.2007 eingeführt. Von der ursprünglichen Absicht der Geschäftsführung
und Personalleitung, diese schon zum 01.07.2006 einzuführen, wurde Abstand
genommen, da von den Beschäftigten dagegen Einspruch erhoben wurde. Die
wichtigsten Argumente waren dabei, dass der Einschätzungszeitraum für die
Leistungszulagen ein Jahr beträgt und ERA zu diesem Zeitpunkt erst seit drei
Monaten in Kraft war; so hätten sich die Mitarbeiter in ihrer Leistungsverausgabung ein Jahr lang an den alten Kriterien der Leistungszulagen orientiert,
und man könne ihnen nun nicht sofort die neuen ERA-Kriterien „überstülpen“.
Damit wurde aber der Personalleitung zufolge das entscheidende Problem nur
vertagt, da den Mitarbeitern dann eben zeitversetzt verständlich zu machen
war, dass die jetzt eingeführten Leistungszulagen auf den Vorgaben des ERA
zur tariflichen Leistungsbeurteilung mit einer vom alten System abweichenden
Zuteilung der Zulagenniveaus auf die Beurteilungsstufen beruhen – und das,
obwohl die Einführung von ERA schon ein Jahr zurückliegt. Da die Berechnung der Leistungszulagen anders als beim alten Modell erfolgt, ist es außer-
70
dem möglich, dass Beschäftigte trotz gleicher Beurteilung eine andere absolute
Leistungszulage bekommen. Das alte Einschätzungsmodell umfasste 100 Punkte, die auf sechs Stufen aufgeteilt waren. Innerhalb dieser Stufen gab es eine
jeweils fest definierte prozentuale Leistungszulage: So erhielt ein Mitarbeiter,
der 85 Punkte erreichte, die gleiche Leistungszulage wie ein Mitarbeiter mit
100 Punkten, und ein Mitarbeiter mit 84 Punkten bekam eine ebenso hohe
Leistungszulage wie jemand mit 69 Punkten. Bei dem neuen Verfahren wird
hingegen jeder Beurteilungspunkt auf einer linearen Bewertungsskala abgebildet, so dass jeder Punkt in der Leistungsbewertung einen halben Prozentpunkt
des für die Abteilung durchschnittlich 10% betragenden Zulagenvolumens ausmacht. Insgesamt können maximal 28 Punkte erreicht werden, wobei der
Hauptteil der Beschäftigten Leistungszulagen von 10% erhält (was dem Median der Leistungspunkte, ca. 19 bis 20, in der Firma entspricht) und die Spreizung zwischen 4 und 14% liegt. Dieses neue Verfahren kann nach Einschätzung der Personalleitung von den Beschäftigten als wesentlich größerer Ansporn zur Leistung verstanden werden, da eine genauere Differenzierung und
eine engere Kopplung von geringfügigen Leistungssteigerungen mit höheren
Zulagen ermöglicht ist.
Mit dem Instrument der Leistungsbeurteilung sind jedoch – abgesehen von der
Notwendigkeit zu begründen, warum um ein Jahr zeitversetzt die Beurteilungssystematik geändert wurde – drei Komplikationen im Hinblick auf die betriebliche Gerechtigkeit verbunden:
¾ Beurteilungen sind stets subjektiv und stark vom jeweiligen Beurteilenden
abhängig, so dass trotz gleicher Leistung der Beschäftigten Unterschiede in
der Beurteilung entstehen können, die u.U. auf persönlichen Umständen
oder auf Beziehungen des jeweiligen Abteilungsleiters zum Mitarbeiter beruhen könnten: Sympathie; Freundschaft; höhere Wertschätzung von höher
eingruppierten Mitarbeitern, denen evtl. psychologisch bedingt auch eine
höhere Leistung attestiert wird; Eigeninteresse des Abteilungsleiters, bestimmte Mitarbeiter in der Abteilung zu halten, etc.
¾ Ein zweiter, mit der Persönlichkeit des jeweiligen Abteilungsleiters zusammenhängender subjektiver Faktor besteht darin, dass manche Abteilungsleiter bekanntermaßen eine Tendenz zu hohen Leistungsbeurteilungen
aufweisen, während andere kritischer oder strenger beurteilen.
¾ Eine dritte Problematik liegt in der unterschiedlichen Abteilungs- und Gruppengröße begründet. Bei einer relativ großen Abteilung wirkt sich die geforderte Durchschnittsbildung nicht unmittelbar in großen Ungleichgewichten der Beurteilungen aus, während bei kleinen Gruppen die Zuteilung einer
71
hohen Zulage an einen Mitarbeiter zwangsweise mit einer verminderten
Beurteilung bei einzelnen anderen Mitarbeitern korrespondieren muss.
„Wenn ich z.B. in der Qualitätssicherung nur zwei wirklich gute Leute habe,
kann ich niemanden schlechter machen. … Der Abteilungsleiter zieht ja nicht
die ganze Abteilung hoch, sondern nur Einzelne. Da hat er schon selbst das
Problem, dass er den anderen erklären muss, warum die runtergehen, und
bei den Höhergestuften wirkt das nicht in dem Umfang. Es wird ja insgesamt
weniger. Wenn ich den einen hochstufe, muss das sich ja immer wieder ausgleichen“ (Personalleiterin).2
Auf diese Einschätzungsproblematik Bezug nehmend, wurden zwei Beschwerden über die individuelle Leistungsbeurteilung eingereicht. Aufgrund dieser
Einsprüche verfassten Personalleitung und Betriebsrat jeweils ein allgemeines
Antwortschreiben an die Beschäftigten, das die Unterschiede zwischen alter
und neuer Leistungsbewertung erläuterte und deutlich machte, dass Einsprüche
nur gegen die Bewertung des Vorgesetzten, nicht hingegen gegen das Berechnungsverfahren an sich eingelegt werden können.
Ähnliche Beschwerden von Mitarbeitern, die eine höhere Leistungszulage erhalten wollten, traten auch bei O1 auf und wurden am Betriebsrat und an der
Personalleitung ausgelassen, die sich jedoch auf keine Diskussion einließen.
Konflikte und Spannungen zwischen den unterschiedlich beurteilten Mitarbeitern
kamen nach der Kenntnis von Betriebsrat und Personalleitung nicht vor.
7. Organisatorische Implikationen und Folgen sowie
offene Regelungsfelder
Neben den unmittelbar entgeltbezogenen Umsetzungseffekten und Konsequenzen von ERA stellen sich bei einer Gesamtbetrachtung der Wirkung von ERA
Fragen nach den organisatorischen und mittelbaren Konsequenzen für die betriebliche Aufbau- und Ablauforganisation sowie nach erkennbaren personalpolitischen Vor- und Nachteilen. Im Rahmen der empirischen Erhebungen
wurde auf folgende denkbare Effekte eingegangen:
2
72
Vor etwa zehn Jahren war schon einmal der Fall aufgetreten, dass die Leistungseinschätzungen
überprüft wurden und ein besserer Mitarbeiter mehr als 10% bekam, was zur Folge hatte, dass die
Firma innerhalb kurzer Zeit von anfangs 10% bei durchschnittlich 13% Leistungszulage anlangte.
Deswegen werden diese 10% Leistungszulage auch beibehalten: „Wir bleiben bei den 10%, und
auch wenn viele Leute besser werden, bleiben wir bei den 10%.“
1. Veränderungen in der Abteilungsgliederung im Zusammenhang mit ERA
(z.B. in der Arbeitsvorbereitung, Produktionsplanung, Zeitwirtschaft etc.)
2. Erwartete oder realisierte Beschäftigungseffekte der ERA-Einführung:
− Beschäftigungsaufbau, -abbau, -sicherung; Personalbestand
− Beschäftigungseffekte in anderen Unternehmensbereichen
− Art der betroffenen Arbeitsplätze
3. Personalpolitische Auswirkungen von ERA
− Unternehmensstruktur und Abteilungsgliederung (Profit/Cost Center)
− Geschäfts-Portfolio
− Outsourcing, Produktionsverlagerung und Fremdvergabe
− Rolle der Personal- vs. Finanzabteilung
− Verantwortlichkeiten und Hierarchie
− mittlere und untere Managementebene
− Arbeitsorganisation (und Gruppenarbeit), Arbeitsplatzgestaltung
− Projektarbeit und Projektmanagement
− Benchmarking- und Kontrollsysteme, PPS
− Rekrutierungspolitik
− spezifische Weiterbildung
− Arbeitszeit- und Schichtmodelle
Zusammenfassen lassen sich die Befunde zu den mittelbaren Folgen in dem
Fazit: In keinem dieser Felder lassen sich die in den letzten Jahren eingetretenen Veränderungen ursächlich auf die ERA-Einführung zurückführen. Diese
Nein-Aussage und dieser scheinbar negative Befund sind durchaus als klares
Ergebnis hinsichtlich der ERA-spezifischen Auswirkungen zu werten. Sie bedeutet zum einen, dass die ERA-Einführung keine grundsätzlicheren „Verwerfungen“ im Unternehmen bewirkt hat, sondern im Einklang mit den betrieblichen Bedingungen umgesetzt werden konnte. Sie bedeutet zum anderen, dass
sich insbesondere die weitergehenden Hoffnungen der Gewerkschaften, mit
den neuen ERA-Regelungen könne sich auch eine Anschubfunktion für moderne Arbeitsformen herausbilden, nicht erfüllt haben.
(1) EDV-Kompatibilität bezüglich ERA: In keinem der Fälle war eine Umstellung der EDV notwendig, da sich die bereits in der Vergangenheit angewandten Systeme als flexibel erwiesen. Es wird auch von einer guten Bewältigung von ERA durch SAP berichtet, wo sich im Hinblick auf die Datenpflege
keine großen Unterschiede zwischen alter und neuer Entlohnung ergeben ha-
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ben. Zwar mussten die Entgeltarten bzw. -komponenten neu definiert und angelegt werden, was z.B. bei Schichtzuschlägen etwas aufwändigere Berechnungen erforderte, die jedoch nur einmal vorgenommen werden mussten. Aufgrund der klareren und einfacheren Tätigkeitsbeschreibungen ergab sich hingegen vielfach eine Vereinfachung in der Bedienung der Systeme und Pflege
der Daten. Lediglich in einem Fall, bei dem die Lohn- und Gehaltsbuchhaltung
schon früher outgesourct war, mussten infolge von ERA die Daten in ExcelTabellen eingegeben werden, da im alten Programm nichts dafür vorgesehen
war. In einem Fall, in dem die technische Kompatibilität grundsätzlich gegeben
war, entstand durch das geänderte, an die tariflichen Methoden angepasste
Leistungsbeurteilungssystem für die EDV insofern ein größerer Aufwand, als
eine Umstellung der Software notwendig wurde.
(2) Personelle und personalpolitische Folgen: In keinem der Untersuchungsbetriebe ergeben sich quantitative oder qualitative Beschäftigungseffekte bezogen auf ERA. Es kam auch nicht zu personalpolitischen Auswirkungen oder zu
spezifischen Weiterbildungen, die über die Schulungen im Vorfeld der Einführung für die Betriebsräte und Personalleitungen hinausgingen. Auch die Fragen
nach personellen Folgen im Sinne der Erreichung angestelltentypischer Interessen an ERA, wie z.B. neue bzw. stärker zu gewichtende Verhandlungsfelder, vereinbarte Arbeitspensen, Chancen zur Aushandlung von Personalbesetzung, Bevorzugung von Zielvereinbarungen oder Veränderungen in Arbeitszeitfragen bzw. im Hinblick auf die Karriereplanung, ergaben einen negativen
Befund. Eine entsprechende Wirkung entfaltete ERA folglich in diesen Verhandlungsfeldern nicht.
Positive Erwartungen werden seitens der Personalleitungen im Hinblick auf die
Wirkung der ERA-Anwendung für die künftige betriebliche Rekrutierungspolitik gehegt. So erhoffen sich die Personalleitungen aufgrund der auch von außen
wahrgenommenen Kontinuität der Firmen in der Tarifpolitik durchaus auch
interessantere Bewerber. In diesem Sinne könnte sich herausstellen, dass die
Anwendung des Flächentarifvertrags anziehend wirkt und gewisse „Abschreckungsmomente“ eines ostdeutschen Standorts für hoch qualifizierte Bewerber
kompensiert werden können. In diesem Sinne berichtet eine Personalleiterin,
dass sich Bewerber gezielt danach erkundigen, ob der Betrieb ERA anwendet.
(3) Arbeitsorganisatorische Folgen von ERA: Eine Zielsetzung der Begleitforschung bestand im Herausarbeiten von Wechselwirkungen zwischen dem
betrieblichen Entgeltsystem und modernen Arbeitsformen, insbesondere im
Sinne einer auf ERA zurückgehenden Planung und Implementierung moderner
Produktionsmodelle bzw. Arbeitsorganisationsformen (wie segmentierte Produktion, Fertigungsinseln, teilautonome Gruppenarbeit). Diese so genannten mo-
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dernen Produktionskonzepte und Arbeitsformen existieren in den Betrieben in
der Tat und haben bereits vor der ERA-Einführung bestanden. Eine entsprechende Impuls- oder Inkubatorwirkung lässt sich aus der Umsetzung des ERA
folglich nicht ableiten. In allen Untersuchungsfällen wurde auf die bereits bestehenden flachen Hierarchien mit wenigen Ebenen verwiesen, deren Struktur
sich auch mit ERA nicht ändert. Es gibt also keine Verschiebungen in den
Hierarchie-Ebenen oder in der Abteilungsgliederung und auch keinen Bedeutungsgewinn einer Abteilung durch die Tarifreform.
Die vollzogenen arbeitsorganisatorischen Umstrukturierungen wurden vielmehr unabhängig von ERA vorgenommen. In einem Fall bezogen sie sich auf
eine stärkere Durchlaufoptimierung und Prozessorientierung, in deren Verlauf
die arbeitsvorbereitenden Abteilungen (Forschung, Konstruktion) gestärkt wurden, während die gewerblichen Abteilungen einen Abbau hinnehmen mussten.
In einem anderen Fall geht der Ursprung der Umstrukturierung auf ein neues
Unternehmensziel, die „Einführung konstanterer Arbeitsstrukturen“, zurück:
Während früher einzelne Software- und Hardwareentwickler, Konstrukteure,
Systemingenieure und Verwaltungskräfte bei größeren Projekten zu einer Abteilung zusammengefasst wurden, die nach Projektabschluss wieder aufgelöst
wurde, soll nun die Unternehmensstruktur selbst entsprechend den neu geschnittenen Geschäftsfeldern entwickelt werden. Die Mitarbeiter werden den
Geschäftsfeldern direkt und fest zugeordnet und sollen sich nicht erst für ein
Projekt zusammenfinden.
Die bestehenden Arbeitszeit- oder Schichtmodelle sind gleich geblieben.
(4) Abschließend soll noch kurz auf den Umsetzungsbedarf im Hinblick auf
die Errechnung und Ausschüttung des Strukturanpassungsfonds eingegangen
werden: Während – wie oben beschrieben – die Ausschüttung des kalkulierten
Gesamtvolumens der ERA-spezifischen Entgeltkosteneinsparung bei A1 bereits unmittelbar mit dem Einführungstermin im Jahr 2006 in einer Betriebsvereinbarung geregelt und sofort vorgenommen wurde, werden in den beiden
anderen Untersuchungsbetrieben dazu noch entsprechende Vorgehensweisen
zu definieren sein. Im Großbetrieb O1 beschäftigt die Strukturanpassungskomponente das Unternehmen weiterhin. Da bisher noch keine interne Regelung
beschlossen bzw. mit dem Betriebsrat vereinbart ist, bestehen dort noch gewisse Verunsicherungen über die Verrechnung: „Die Mitarbeiter fragen sich, ob
sie überhaupt noch etwas bekommen oder ob das Geld versickert ist“ (Betriebsrat). Bei O2 sieht die Personalleitung als noch bestehendes Problem die
Kostenneutralität bzw. den Strukturanpassungsfonds von 2,79% an, dessen
Endabrechnung noch nicht fertig ist, da die Formel zur Berechnung aus dem
Tarifvertrag nicht eindeutig scheint. Da die Summe der Kosten aber erst nach
75
fünf Jahren gerechnet sein muss, „geht man da mit Ruhe heran“, wobei der
Betriebsrat nun jedes Jahr eine Zwischenberechnung von der Geschäftsführung
verlangt, um sicherzustellen, dass diese über die noch ausstehende Kalkulation
Protokoll führt.
Unabhängig von ERA weist der Betriebsrat eines Betriebs auf aus seiner Sicht
noch offene Regelungsbedarfe und Möglichkeiten zu neuen Betriebsvereinbarungen hin, die vor allem aus Gewerkschaftssicht relevant sind:
¾ Regelungen für Familien mit Kindern, um zum Beispiel bei der Arbeitszeitoder Urlaubsplanung eine familienfreundliche Personalpolitik zu ermöglichen.
¾ Regelung für die Reisezeit bei Auslandsdienstreisen. Da diese nicht in einem Tarifvertrag geregelt sind, sieht die Geschäftsführung keinen Anlass
für eine Änderung. Bei der derzeitigen Regelung werden nach dem Stellen
eines Dienstreiseantrags insgesamt nur vier Stunden Reisezeit sowie die tatsächlich angefallene Arbeitszeit (wie im Tarifvertrag vorgesehen) angesetzt,
was dazu führt, dass für längere Dienstreisen, insbesondere ins Ausland, ein
großer Teil an privater Zeit aufgebracht werden muss.
8. Gewerkschafts- und Betriebsrats-Rückhalt:
Solidarisierung versus Distanzierung
In diesem Abschnitt wird auf die gewerkschafts- und vertretungspolitischen
Folgen der Umsetzung dieser Jahrhundertreform einzugehen sein, die für den
Tarifpartner IG Metall wichtig sind. Wie in den Abschnitten zu den Begünstigten und den Benachteiligten im Einzelnen beschrieben, ergeben sich aus der
ERA-Anwendung für unterschiedliche Belegschaftsgruppierungen persönliche,
z.T. einkommensrelevante Vor- oder Nachteile. Daher liegt die Frage nahe, ob
sich solche Erfahrungen auf den Rückhalt des Betriebsrats im Unternehmen
und die Bindung der Kolleginnen und Kollegen an die Gewerkschaft auswirken, da Betriebsrat und Gewerkschaft maßgeblich an der Gestaltung bzw. betrieblichen Umsetzung von ERA beteiligt waren. Ferner stellt sich die Frage,
wie sich die Bindungen zwischen den Betriebsräten und der Gewerkschaft im
Zusammenhang mit der ERA-Einführung verändert haben.
(1) Rückhalt des Betriebsrats: Wie für ein Vorhaben wie ERA zu erwarten,
kam es zunächst zu Irritationen in den Betrieben und Belegschaften, welche
Konsequenzen sich aus diesem Tarifwerk für die Einkommenssituation erge-
76
ben könnten. Zwar waren es vor allem die Tarifvertragsparteien, die insbesondere bei der Definition der Überleitungstabellen zur Tariflichen Entsprechung
die entscheidenden Vorgaben zu neuen Entgeltrelationen gemacht haben und
mit je interessegeleiteten Zielsetzungen und Werthaltungen zur relativen Bewertung von Qualifikationsgruppen auch Änderungen in den bisherigen betrieblichen Entgeltstrukturen vorgeschlagen bzw. vorgenommen haben. Und
natürlich geht es bei der Akzeptanz und individuellen Betroffenheit der Beschäftigten auch darum, welche konkreten Interessen der Arbeitgeber mit der
ERA-Umsetzung verfolgt. Dennoch werden die Betriebsräte während des Einführungsprozesses mit den ERA-Maßgaben identifiziert. Das gilt insbesondere
dann, wenn sie, wie in den Untersuchungsbetrieben, eine erfolgreiche ERAEinführung intensiv als ihre originäre Aufgabe verstehen. Zudem hängen die
Einstellungen der Beschäftigten auch mit den Erfahrungen im Einführungsprozess und der dabei praktizierten Informationspolitik im Betrieb zusammen.
Ein Indiz für den Rückhalt der Betriebsräte (und zugleich der Gewerkschaft) in
der Belegschaft ist der betriebliche Organisationsgrad, der statistisch bei den
Gewerblichen höher als bei den Angestellten ist. Daraus erklärt sich auch der
ursprünglich höhere Organisationsgrad im Untersuchungsbetrieb mit eigener
Produktion A1. Dort ist der Organisationsgrad im Betrieb von ehedem 45% auf
ca. 32% gesunken, was von den Gesprächspartnern auf die Befürchtungen der
Beschäftigten zurückgeführt wird, es drohe eine Absenkung der ursprünglich
übertariflichen Bezahlung auf das Tarifniveau. So sind nach Aussage des Betriebsrats manche Überschreiter relativ schnell aus der Gewerkschaft ausgetreten. Aufgrund der betrieblichen Informationspolitik und der späteren Erkenntnis in der Belegschaft, dass die übertarifliche Bezahlung als Besitzstand unangetastet bleibt, hat sich der Organisationsgrad nunmehr wieder stabilisiert. Ein
weiterer Grund für die Stabilisierung liegt darin, dass zwischenzeitlich das Betriebsratsgremium gewechselt hat und nun ein neuer Betriebsratsvorsitzender
gewählt ist. In den beiden anderen Betrieben, in denen der Angestelltenanteil
überwog, lag der Organisationsgrad ohnehin etwas darunter: in einem Fall bei
30% (bei Arbeitern und Angestellten gleichermaßen), im anderen Fall bei 25%.
In beiden Fällen blieb der gewerkschaftliche Organisationsgrad in den letzten
Jahren in etwa konstant und hat sich auch mit der ERA-Einführung nicht geändert. Auch in den beiden Fällen mit niedrigerem Organisationsgrad wird herausgestellt, dass der Rückhalt des Betriebsrates im Unternehmen groß ist, dass
aber normalerweise die Belegschaft die Arbeit des Betriebsrates nicht bemerkt.
Die Mitarbeiter nehmen überwiegend auch die Gewerkschaften positiv wahr:
„da diese z.B. für Tariferhöhungen kämpfen, was Einzelpersonen oder der
Betriebsrat mit der Geschäftsführung nicht leisten können“ (Betriebsrat O2).
Obgleich die Belegschaften während der Einführung von ERA erkannt haben,
77
dass der Betriebsrat noch einige Vorteile für die Beschäftigten ausgehandelt
hat, wirkt sich dies nicht in einer Bereitschaft zum Gewerkschaftsbeitritt bzw.
einer Erhöhung des betrieblichen Organisationsgrads aus. Begründet wird dieser Sachverhalt von einer Gesprächspartnerin aus der Belegschaft mit der Mitarbeiternähe bzw. -distanz von Betriebsrat und Gewerkschaft: Bezüglich der
Rolle der Gewerkschaften ist diese kaufmännische Angestellte der Ansicht, dass
diese zwar auch „etwas“ geleistet haben, aber im Hinblick auf das Verhältnis der
Mitarbeiter zur Gewerkschaft und eine evtl. Annäherung „ist diese schlichtweg
zu weit von den Mitarbeitern entfernt“, weswegen tendenziell eher der Einfluss
des Betriebsrates gesehen wird, da dieser eben „näher“ ist.
Ein weiteres Indiz für den Rückhalt der Betriebsräte in der Belegschaft ist die
Wahlbeteiligung an den Betriebsratswahlen. Sie liegt in den Untersuchungsbetrieben für die Wahlen 2002 und 2006 gleichbleibend zwischen 67% und
86% und hat sich durch die ERA-Einführung nicht nennenswert verändert. In
einem Fall liegt die Wahlbeteiligung 2006 sogar höher, was der Betriebsrat
seiner guten Arbeit bei der ERA-Einführung zuschreibt.
Ein letztes Indiz für den Rückhalt der Betriebsräte in der Belegschaft lässt sich
an der Selbsteinschätzung der befragten Betriebsräte und der Fremdeinschätzung des Betriebsratshandelns seitens der Mitarbeiter ablesen. In allen Untersuchungsbetrieben hat sich maßgeblich durch ERA die Rolle und Bedeutung
sowie Wahrnehmung des Betriebsrats in der Belegschaft deutlich verbessert.
Die Rolle der Betriebsräte während der Einführung von ERA wird von den
Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern explizit positiv gewürdigt: Er habe eine positive Rolle gespielt, indem er sich für die Mitarbeiter eingesetzt und für diese
etwas erreicht habe. Diese positive Einschätzung der Betriebsratsarbeit wird in
den meisten Fällen auch von Mitarbeitern geteilt, die sich durch die ERA-Umsetzung als benachteiligt einschätzen oder über die als Streitfall in der PaKo
verhandelt wurde; schon die Thematisierung des eigenen Falls und die ernsthafte Repräsentation durch den Betriebsrat der Geschäftsführung oder Personalleitung gegenüber wird entsprechend anerkannt und gewürdigt, da sich die
Mitarbeiter in ihren individuellen Interessen wahrgenommen und ernst genommen fühlen. Die jeweiligen Betriebsräte erfahren auch durch persönliche
Rückmeldungen von Beschäftigten Anerkennung dafür, dass sie die Mitarbeiter gut informiert haben; ihnen wird eine hohe Beratungskompetenz zugeschrieben: „Und das Vertrauen zum Betriebsrat ist ein bisschen mehr gewachsen jetzt. Auch durch die ERA-Sache und durch die Beratung. Die Kommunikation läuft besser und die Leute trauen sich auch mal, was zu fragen“ (Betriebsrat A1). „Die erste Anlaufstelle für uns Mitarbeiter ist der Betriebsrat, ansonsten die Personalleitung“ (Mitarbeiter A1). „Seit 1991 sind 60% der gewählten
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Betriebsräte die gleichen, was darauf schließen lässt, dass die Mitarbeiter
wissen, dass sie sich auf Betriebsrat und dessen Aussagen verlassen können“
(Betriebsrat O1). „Endlich ist das Thema mal erledigt“ (Mitarbeiter O1).
„Durch dieses Engagement bei der ERA-Einführung haben die Betriebsräte
nun einen guten Stand bei den Mitarbeitern“ (Betriebsrat O2).
In einem der Untersuchungsbetriebe berichtet ein befragter Mitarbeiter der Entwicklungsabteilung, dass die Bewertung des Betriebsrats abhängig von der
Einstufung als Überschreiter oder Unterschreiter sei: „Die Überschreiter, die
nun weniger Entgelt bekommen, sehen erst auf den zweiten Blick, dass die
ERA-Einführung und nicht der Betriebsrat hierfür verantwortlich ist. Bei den
Unterschreitern hingegen hat der Betriebsrat an Ansehen gewonnen, obwohl
wiederum der Betriebsrat hierfür nicht verantwortlich ist. Die Mitarbeiter
sehen nicht, welche Arbeit und Engagement der Betriebsrat in ERA investiert
hat: Es ist nun nicht so, dass die Betriebsrätin (Name ersetzt, K.S.) die Blumensträuße bekommen hätte. Sie hätte es, weiß Gott, verdient gehabt.“
In einem Fall, bei dem im Rahmen der letzten Betriebsratswahl ein Wechsel im
Gremium und ein Austausch des alten Betriebsratsvorsitzenden zustande kam,
deutet sich allerdings eine gewisse Konfliktlinie zwischen der Politik des alten
Betriebsratsvorsitzenden und dem Selbstverständnis des neuen Betriebsratsgremiums an: So wird von den neuen Betriebsräten moniert, dass der alte Betriebsrat kaum Kontakt zur Gewerkschaft hatte bzw. auch nicht aufnahm und
womöglich deshalb die Tarifliche Entsprechung allzu schnell durchzog. Im
Rückblick hätte der neue Betriebsrat hier eine sorgfältigere Einarbeitung in die
Thematik durch die Einbeziehung von Erfahrungen der Gewerkschaft gewünscht. Zudem wäre ihm zufolge rückschauend eine gründlichere Thematisierung der Arbeitsbewertungen im Betriebsratsgremium und in der Belegschaft wünschenswert gewesen, weil dadurch evtl. die Möglichkeit für vereinzelte Anpassungen im Sinne der Beschäftigten deutlich geworden wäre. Somit
war der neue Betriebsrat mit nachträglichen Rückfragen von Kolleginnen und
Kollegen konfrontiert, „als die Leute die Bewertung bekommen und gesagt
haben: da steht ja gar nicht alles drin, was ich mache“. Zu diesem späten Zeitpunkt war allerdings aufgrund der Zustimmung des alten Betriebsrats zu den
neu erstellten, zur Stellungnahme vorgelegten Funktionsbeschreibungen dem
neu gewählten Betriebsrat jegliches Mitspracherecht genommen. Diese Problematik musste gewissermaßen als Nachhutgefecht durch den neuen Betriebsrat in der Diskussion mit einzelnen Beschäftigten gelöst werden, was von diesen auch entsprechend als Leistung des neuen Betriebsrats anerkannt wurde.
Insgesamt stellte dies alles aber nicht den Rückhalt des neuen Betriebsrats in
der Belegschaft in Frage, ja es erhöhte diesen sogar, da sich der neue Betriebs-
79
rat von der Praxis des alten distanzieren und als Interessenvertreter agieren
konnte, der die Belange der Belegschaft angemessen zu vertreten versuchte.
(2) Auch im Hinblick auf den Rückhalt der Gewerkschaft bei den Betriebsräten lassen sich im Zusammenhang mit der ERA-Umsetzung positive Wirkungen
feststellen. Gerade in einem teilweise von Unsicherheit und Unkenntnis geprägten umfangreichen Umsetzungsprozess eines Tarifwerks in die Betriebe kommt
der Gewerkschaft bzw. den örtlichen Bevollmächtigten eine phasenweise deutlich gestärkte Bedeutung für die Erläuterung von Details und die Bereitstellung
von Umsetzungshilfen zu. Diese Unterstützungsfunktion wird auch in den Betrieben geschätzt. Bestätigt wird, dass die Betriebsräte gerne mit den Gewerkschaften zusammenarbeiten, da sie von dort Unterstützung bei Nachfragen bekommen. Vor dem Hintergrund der Selbsteinschätzung einer gewissen Betriebsblindheit wird von einzelnen Befragten herausgestellt, dass die Gewerkschaft
besser die Meinung bzw. Position von beiden Seiten – Arbeitgeber und Gewerkschaften – zu einer bestimmten Thematik kennt. Damit habe sie eine wichtige
Aufklärungsfunktion über entscheidende Meilensteine oder auch Umsetzungsaspekte, auf die ein Betriebsrat besonders zu achten hat. Die schon immer sehr
guten Kontakte zwischen Gewerkschaft und Betriebsrat wurden in den Untersuchungsfällen während der ERA-Einführung deutlich intensiviert. Nach Abschluss der ERA-Einführung haben sich diese Kontakte wieder auf ein „normales Maß“ eingependelt und sind nun nicht besser oder schlechter als vor der Einführung. In einem Fall, in dem der die Einführung anfangs begleitende Betriebsratsvorsitzende wenig Kontakt mit der örtlichen Verwaltungsstelle der Gewerkschaft hatte, da es offenbar Kommunikationsschwierigkeiten mit dem damaligen
örtlichen IG-Metall-Bevollmächtigten gab, der ohne die Bezirksleitung in Frankfurt nichts entscheiden wollte, konnte sich die Bezirksleitung in Frankfurt einschalten und die entsprechenden Nachfragen klären. Mit einem personellen
Wechsel sowohl im Betriebsratsvorsitz als auch in der Position des Bevollmächtigten haben sich nunmehr die Kontakte entscheidend gebessert, so dass in letzter
Zeit verstärkt Anfragen an die Verwaltungsstelle gerichtet werden, von der nunmehr auch zutreffende und hilfreiche Ratschläge kommen. Als weiterer vorteilhafter Effekt der ERA-Einführung zeigte sich in einem Fall, dass bestehende
Kontakte zu den Betriebsräten anderer Betriebe in der Region aufgrund von ERA
deutlich ausgeweitet und institutionalisiert wurden; es finden nunmehr fest vereinbarte Betriebsratsstammtische statt, um eine wechselseitige Informierung und
Hilfestellung auch in Fragen, die über ERA hinausgehen, zu gewährleisten und
zu intensivieren.
80
9. Gesamtbewertung von ERA: Vor- und Nachteile
aus Sicht der Befragten
In diesem Abschnitt soll versucht werden, eine Gesamtbewertung von ERA
vorzunehmen, die auf die Zielsetzungen im Zusammenhang mit ERA sowie
auf die Vor- und Nachteile aus der Perspektive der Befragten Bezug nimmt. Es
werden somit lediglich die subjektiven Einschätzungen der Gesprächspartner
referiert, und zwar nur diejenigen, die den Begleitforschern gegenüber offen
artikuliert wurden, wobei hier die Befunde nicht nach den Untersuchungsbetrieben, sondern nach den interessenpolitischen Betriebsparteien Betriebsrat und
Personalleitung differenziert werden. Insgesamt ist eine doch recht große
Schnittmenge der Zielsetzungen und Bewertungen von ERA seitens der beiden
verantwortlichen Betriebspartner zu erkennen. Dies lässt sich möglicherweise als
Hinweis darauf deuten, dass für beide Fraktionen mit ERA der Ansatz verknüpft
war und zum Teil erfolgreich realisiert werden konnte, eine systematische Bereinigung der historisch oftmals naturwüchsig entstandenen Entgeltstrukturen in
den Betrieben vorzunehmen und in diesem Zuge historische „Altlasten“ zu beseitigen. Dies spiegelt sich auch in den oben beschriebenen Umsetzungsprozessen
und Verfahrensweisen wider, insbesondere im Rahmen der Informationspolitik. Beide Parteien agierten hier so, dass es sich erkennbar um „ihr“ Projekt
handelte. Die ERA-Einführung wurde betriebsintern gerade nicht als Spielball
instrumentalisiert, um die eigenen Interessen auf Kosten der „Gegenseite“ zu
verwirklichen oder innerbetrieblich Terrain zu Ungunsten der Gegenseite gutzumachen. Ferner kann man an den hier dokumentierten Erfahrungen ablesen,
dass es den Tarifparteien im Vorfeld der Einführung und im Zuge der Aushandlung von ERA offensichtlich gelungen ist, widerstreitende Interessenlagen
in den einzelnen Regelungen zu ERA und zum Einführungsprozess in Einklang
zu bringen, so dass nicht nur die Personalleitungen und Betriebsräte, sondern
auch der weit überwiegende Großteil der Beschäftigten – auch ungeachtet persönlicher Nachteile – mit ERA eine durchaus positive Gesamtbewertung verbinden und darin einen insgesamt sinnvollen Tarifabschluss sehen.
9.1
Zielsetzungen
Gemeinsames Interesse der Betriebsparteien war die Zielsetzung, die ERAEinführung dazu zu nutzen, die Arbeitsbewertungen und Tätigkeitsbeschreibungen, deren Erarbeitung oft lange zurücklag, zu aktualisieren und zugleich
redundante, widersprüchliche, uneinheitliche, unzureichende oder auch fehlende Beschreibungen zu eliminieren bzw. abzugleichen. Man erhoffte sich damit
81
von ERA eine bessere Übersicht über die im Betrieb vorhandenen Arbeitsplätze, Funktionsbereiche und Qualifikationen. So waren die Stellenbezeichnungen
in der Vergangenheit oftmals sehr unterschiedlich und uneindeutig („Entwickler I, II, III, Softwareentwickler I, II, III, Controller I, II, III“). Die Tätigkeitsbeschreibungen sollten dazu genutzt werden, eine höhere Eindeutigkeit und
Abgrenzungsschärfe als früher zu erreichen.
Aufgrund technologischer und arbeitsorganisatorischer Veränderungen in den
Betrieben in den letzten Jahren und Jahrzehnten hat sich herausgestellt, dass
diese nicht immer zur Anpassung von Arbeitsbewertungen und Eingruppierungen geführt haben und dass sich die Anforderungsprofile der gewerblichen,
technischen und kaufmännischen Beschäftigten nicht mehr so streng wie in der
Vergangenheit trennen lassen. Sie vermischen sich zunehmend, ein Trend, den
eine einheitliche Entgelttabelle zu berücksichtigen verspricht. Zu den betriebsinternen Umstellungen kamen zumindest in zwei der drei Untersuchungsbetriebe wiederholte Umschichtungen der Standorte, Arbeitsstätten, Abteilungen
und Firmenstrukturen, die auf die Zerschlagung der alten Kombinatsstruktur
zurückzuführen waren und wegen des wirtschaftsstrukturellen Wandels seit der
Wiedervereinigung erforderlich waren oder schienen. Da dabei die Rettung
bzw. Sicherung des Betriebs im Vordergrund stand und eine derart turbulente
Firmenentwicklung den Aufwand für eine stabile und in der Zukunft anwendbare Beschreibung der Tätigkeitsfelder nicht zu rechtfertigen schien, wurde
pragmatisch mit den alten Arbeitsbewertungen weitergearbeitet. ERA stellte
somit einen willkommenen Anlass dar, in den einzelnen Bereichen nachzufragen, ob die Mitarbeiter tatsächlich noch die Tätigkeit ausführen, die ihrer Beschreibung entspricht. Hier bot ERA in einer sich abzeichnenden Phase der
Stabilisierung der Betriebsstrukturen die Chance, gewissermaßen einen betrieblichen Neuanfang in der Entgeltsystematik und -gerechtigkeit zu wagen.
Ein weiterer Aspekt war die Zielsetzung, die im Rahmen der Geschäftstätigkeiten in den letzten Jahren an Bedeutung zunehmende permanente Prozessoptimierung durch ein adäquates Entgeltsystem zu stützen, das den neuen Flexibilitäten und abteilungsübergreifenden Kooperationsbezügen entgegenkommt. Mit
den in ERA definierten Entgeltgruppenwortlauten und den auf dispositive
Funktionen abhebenden Zusatzstufen konnte man sich einen entsprechenden
Beitrag zu dieser Zielsetzung erhoffen, wenngleich sich in der Praxis insbesondere bei den Zusatzstufen gewisse Anwendungsprobleme ergaben.
Beide Parteien stimmten auch in dem Ziel überein, Fehler und Unterlassungen,
die im Laufe der Zeit bei der Eingruppierung und in der Leistungsgratifikation
entstanden sind, zu korrigieren und zu bereinigen. Der Terminus „Nasenprämien“ etwa zielt auf den Sachverhalt, dass Vorgesetzte oder Personalleitungen
82
oder Arbeits- und Zeitstudienleute oder auch Betriebsräte manchmal dazu tendierten, einzelne Beschäftigte weniger nach objektiven Kriterien und Bewertungsmaßstäben einzustufen als vielmehr aus persönlichen bzw. macht- oder
rekrutierungspolitischen Motiven heraus. Die durch ERA erzwungene Befassung mit Entgeltgrundsätzen und den Kriterien für die Ermittlung von Leistungszulagen hat hier für eine höhere Transparenz, Eindeutigkeit und Nachvollziehbarkeit gesorgt.
Eine wesentliche Zielsetzung für die schnelle ERA-Einführung war die Hoffnung beider Betriebsparteien, mittels der Anwendung der Tariflichen Entsprechung eine möglichst reibungslose Umsetzung zu erreichen und dabei Konflikte aus dem Unternehmen herauszuhalten. Insbesondere wollte man vermeiden,
infolge klimatischer Verunsicherungen der Belegschaft durch eventuelle Hiobsbotschaften aus anderen Betrieben im eigenen Vorhaben gebremst oder tangiert
zu werden. Mit ERA verband sich zudem für die Personalleitungen die Zielsetzung, durch eine erfolgreiche Einführung und eine Bereinigung der firmeninternen Entgeltsysteme zügig und konfliktfrei das Thema ERA abzuschließen.
Nicht zu vernachlässigen war ferner die Absicht, sowohl intern gegenüber der
Belegschaft als auch extern gegenüber den Tarifvertragsparteien und schließlich gegenüber den eigenen Muttergesellschaften zu dokumentieren, dass das
Unternehmen tarifgebunden zu bleiben und den Flächentarifvertrag anzuwenden beabsichtigt. Dies war auch ein Grund für die frühzeitige Umsetzung:
selbst zu handeln, bevor der Konzern ERA umsetzt, um nicht in die komplizierte Umsetzungsphase des Konzerns hineinzukommen. Da ERA in den diversen Tarifbezirken unterschiedliche Regelungen vorsieht und insbesondere bei
bezirksübergreifenden Eigentumsstrukturen im Konzernverbund sehr aufwändige künftige Angleichungsprozesse erwartbar waren, verband man mit der
schnellen ERA-Einführung die Strategie, diesen Irritationen und Verzögerungen vorzugreifen und zudem spätere Interventionen der Mutter zu vermeiden.
Schließlich war man der Auffassung, dass sich die Betriebe im konzerninternen
Konkurrenzkampf um die kostengünstigsten Standorte durch die Anwendung
der in der Entgeltlinie für den Betrieb günstigen ostdeutschen ERA-Lösung
durchaus Kostenvorteile im Werksverbund verschaffen konnten – eine Zielsetzung, die übrigens auch von den Betriebsräten mitgetragen wurde.
Es soll nun abschließend auf zwei Zielsetzungen eingegangen werden, die im
Grunde jeweils nur eine der beiden Betriebsparteien für maßgeblich erachtete.
Für die Betriebsräte bestand mit der Tariflichen Entsprechung die große
Chance zur Sicherung des bisherigen erreichten Lohnniveaus in der Firma und
zum Beibehalten des Gehaltsgefüges gegenüber drohender Abgruppierung aller
Mitarbeiter im Falle von Neueingruppierungen. Für die Personalleitungen
83
sollte mit ERA und dabei insbesondere mit den aktualisierten Tätigkeitsbeschreibungen ein „unkompliziertes Ergebnis“ erreicht werden, das mit dem
so genannten „Buchwerk“, also der betrieblichen Lohn- und Gehaltsbuchhaltung, sowie mit der Produktionsplanungs- und -steuerungssoftware (etwa SAP)
kompatibel und im weiteren Nutzungsverlauf ohne Aufwand zu entnehmen
sein sollte.
Eine letzte Zielsetzung, die weniger mit der ERA-Umsetzung als vielmehr mit
der arbeitsmarkt- und rekrutierungspolitischen Wirkung der ERA-Anwendung auf potenzielle Bewerber zusammenhängt, greift die aktuellen Knappheiten qualifizierter Arbeitskräfte auf dem Arbeitsmarkt sowie die durch den demografischen Wandel bedingten künftigen personalpolitischen Veränderungsprozesse auf. So dürften zwar die Hauptentscheidungsgründe eines Bewerbers,
für einen bestimmten Betrieb zu arbeiten, die Arbeitsaufgaben, die Entlohnung,
die Nähe zum Produkt, das Klima in der Firma und die eigenen Einflussmöglichkeiten oder auch die Betriebsgröße sein. Allerdings hat in den Untersuchungsfirmen bei vergangenen Bewerbungsgesprächen für die Bewerber in der
Tat die Tatsache eine Rolle gespielt, ob und welchen Tarifvertrag die Firma
hat, da die Gültigkeit eines Flächentarifvertrags den Bewerbern offenbar ein
Gefühl von Sicherheit verleiht. Dieser Befund ist durchaus überraschend und
wurde aus sozialwissenschaftlicher Perspektive bei bisherigen empirischen Untersuchungen zur Bedeutung und Wirkung von Tarifverträgen offenbar unterschätzt bzw. gar nicht systematisch erhoben.
Auf den zweiten Aspekt – eine aufgrund der durch den demografischen Wandel verursachten Fachkräfteknappheit künftig stärkere Bedeutung der Tarifbindung – ging ein befragter (weit blickender) Geschäftsführer ein. Ihm zufolge
kommt auf den Mutterkonzern in den nächsten zehn Jahren aufgrund des demografischen Wandels das Problem zu, etwa 1.500-2.000 Neueinstellungen vorzunehmen, und dies unter dem Vorzeichen, dass sich die Konkurrenz auf dem
Markt um gute Leute verschärfen wird, so dass besonders die ostdeutschen
Standorte Schwierigkeiten haben könnten, gute Mitarbeiter nach Thüringen zu
locken. Der Geschäftsführer verspricht sich vom ERA-Flächentarifvertrag, dass
dieser ein gezieltes Werbemittel für potenzielle Bewerber und einen Konkurrenzvorteil gegenüber tarifungebundenen Unternehmen darstellen könnte.
84
9.2
Vorteile von ERA
Für die Betriebsräte zeichnet sich in der bewertenden Nachbetrachtung ERA
überwiegend durch folgende Vorteile aus:
¾ Insgesamt verspricht ERA bei richtiger Anwendung und aufgrund der systematischen Anwendung von Tätigkeitsbeschreibungen eine gerechtere Entgeltpolitik für die Beschäftigten.
¾ Zu diesem Zweck war es ohnehin notwendig, alle Lohn- bzw. Gehaltsgruppen einmal einheitlich zu gestalten. Dies gilt zum einen für die vereinheitlichten Funktionsbeschreibungen für die Gewerblichen und die Angestellten. Speziell betrifft dies zum zweiten die technischen und kaufmännischen
Berufe, da man die Aufgaben der beiden Gruppen nicht mehr streng trennen
kann und diese sich vermischen: Technische Angestellte müssen sich nach
kaufmännischen Kriterien richten, kaufmännische Angestellte müssen Verständnis für den technischen Prozess haben.
¾ Besonders im gewerblichen Segment wird nun eine bessere Eingruppierung
der (neuen) Mitarbeiter nach Ausbildung und Berufserfahrung möglich.
¾ Obgleich es bei den Z-Stufen Unklarheiten gab, wird darin prinzipiell der
Vorteil einer Vereinfachung der Berechnungsmethode gesehen, da es nach
dem alten Tarifvertrag im Hinblick auf Vertreterzulagen bei Gewerblichen
immer Probleme gab, die sich nun mit der Z-Stufe bereinigen lassen.
¾ Mit der ERA-Einführung haben die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in
vielen Fällen erstmals ihre Funktionsbeschreibungen schriftlich erhalten.
Damit sind die Grundlagen und Entwicklungsperspektiven für die Kolleginnen und Kollegen transparent geworden.
¾ Positiv beurteilt wird von den Mitarbeitern ebenfalls die Aufhebung der
Trennung zwischen Lohn- und Gehaltsempfängern, und es wird auf die höhere Gerechtigkeit und Durchlässigkeit verwiesen. Zudem wird mit den
Funktionsbeschreibungen und klaren Bestimmungen zur Ermittlung der
Leistungszulagen auch der Vorteil gesehen, dass keine reinen „Nasenbeurteilungen“ mehr möglich sind.
85
Weitgehend stimmen die von der Personalleitung betonten Vorteile mit den
von den Betriebsräten erwähnten überein. Aus der Perspektive der Arbeitgeberseite und der Personalentwicklung lassen sich aber noch weitere Vorteile
benennen:
¾ Die bereits genannte Aufhebung der Unterschiede zwischen Angestellten
und Gewerblichen, die der Personalleitung eine vereinfachte und vereinheitlichte Eingruppierung ermöglicht und die durch die vormals differente
Bewertung entstehenden Kosten vermeidet.
¾ Die Überwindung der Unübersichtlichkeit der K- und T-Tarife schafft eine
neue Eindeutigkeit, Vergleichbarkeit und Transparenz. Durch die nun aktualisierten und bekannt gegebenen Tätigkeitsbeschreibungen werden die ursprünglich unterschiedlichen Bezeichnungen eindeutiger.
¾ Da die Eingruppierungstabelle jetzt mehr Gruppen als früher enthält, bringt
vor allem die neue E11 zwischen T5 und T6 mehr Zwischenschritte und ersetzt bisherige Verfahren, die dies nicht selten über Zulagen regelten. Somit
ist es auch für die Personalleitungen einfacher, die Karriereentwicklung der
Beschäftigten zu berücksichtigen. Mit den Entgeltgruppen 9 bis 11 ergeben
sich im Bereich der Ingenieure viele Entwicklungsmöglichkeiten. „Da ist
dann noch Luft nach oben“ (Personalleitung).
¾ Auch im Facharbeiterbereich wird über die reine Berufsausbildung hinaus
eine bessere Berücksichtigung von Weiterbildung und Berufserfahrung ermöglicht, so dass zum ersten die Weiterbildungsbereitschaft gesteigert und
zum zweiten auch in diesem Feld bessere Aufstiegsmöglichkeiten gegeben
sind.
¾ Früher gab es häufig keine Vergütung einer leitenden Tätigkeit. Nun wird
durch die Z-Stufe ein Ansporn gesetzt, eine leitende Tätigkeit zu übernehmen. Nicht jeder Mitarbeiter, der eine weiterreichende oder führende Tätigkeit übernimmt, muss nun sofort AT-Mitarbeiter werden.
¾ Durch ERA kommt es nicht nur zu einer besseren Offenheit und Objektivität der Eingruppierung, sondern auch zu einer Vereinheitlichung der Vielzahl von Lohn- und Gehaltsformen.
9.3
Nachteile von ERA
Während von den Betriebsräten im Hinblick auf ERA im Vergleich zu den
alten Regelungen keine entscheidenden Nachteile gesehen werden, sofern die
Richtlinien korrekt angewendet werden, heben die Personalleitungen zwei
86
Nachteile hervor, die dem ERA-Tarifvertrag bzw. dem bundesrepublikanischen
Tarifsystem zugrunde liegen: So ist es mit ERA zum einen nicht gelungen, die
gesamte Tariflandschaft in der Bundesrepublik zu vereinheitlichen, weil immer
noch zu viele einzelne Tarifverträge in der BRD gelten. Insbesondere in Konzernverbünden mit Verteilung der Standorte über mehrere Bundesländer oder
auch beim Arbeitsplatzwechsel von Beschäftigten über die Ländergrenzen hinweg ergeben sich dadurch Veränderungen in Eingruppierung und Entgelt, die
evtl. auch persönliche Nachteile mit sich bringen.
Zum zweiten wird die trotz der E11 noch immer relativ geringe Bandbreite der
oberen Entgeltgruppen moniert. Hochschulabsolventen werden bei Neueinstellung bzw. Einstieg in die Betriebe in E10 eingestuft, so dass sie in ihrer beruflichen Karriere nur noch in die Gruppen E11 und E12 aufsteigen können. Mit
dem Erreichen von E12, was in der Regel mit der Übernahme einer Projektleitung verbunden ist, gibt es keine weiteren Aufstiegsmöglichkeiten. Es ist dann
nur noch die Möglichkeit gegeben, Zusatzstufen oder Zulagen mit den entsprechenden Mitarbeitern zu vereinbaren. Es gelingt folglich auch nicht, bisherige
AT-Leute in den ERA-Tarif einzubeziehen. Für Hochschulabsolventen sind
aus Sicht einiger befragter Personalleiterinnen und -leiter diese drei Gruppen
immer noch zu wenig. Zu berücksichtigen ist bei der Bewertung dieser Aussagen, dass das durchschnittliche Unternehmen der Metallindustrie aufgrund
einer differenzierteren Belegschaftsstruktur und höherer Anteile von Produktionsbelegschaften wohl keine vergleichbaren Probleme mit der Eingruppierung von Hochschulabsolventen hat.
10. Resümee: Arbeits- und verbandspolitische Perspektiven
durch ERA
Wie bereits eingangs erwähnt, wurde mit der ERA-Einführung von den Tarifparteien und Betrieben der Metall- und Elektroindustrie eine Jahrhundertaufgabe in Angriff genommen. Damit wurde nahezu 20 Jahre nach dem erfolglosen Versuch der Gewerkschaft, die zwischen Arbeitern und Angestellten getrennten Lohn- bzw. Gehaltsgrundlagen zu integrieren, nämlich der „Tarifreform 2000“ Anfang der 90er Jahre des 20. Jahrhunderts, gemeinsam (!) mit den
Arbeitgeberverbänden ein neuer Versuch unternommen und zu einem Abschluss in elf ERA-Tarifverträgen geführt. Dieser blieb allerdings weitgehend
ohne große Resonanz in der interessierten Öffentlichkeit bzw. in den öffentlichen Medien. Beide Tarifparteien und auch die sich mit dem Thema befassenden Wissenschaftler verbanden mit den Abschlüssen weitreichende Hoff-
87
nungen auf eine systematische Evaluierung und Bereinigung der historisch
gewachsenen betrieblichen Entgeltstrukturen. Zugleich jedoch wurde erkannt
bzw. befürchtet, dass mit der neuerlichen Thematisierung von Arbeitsbewertungen und Entgeltgrundlagen und aufgrund der neuartigen Tarifbestimmungen
umfangreiche Konflikte in die Betriebe der Metall- und Elektroindustrie getragen werden könnten (vgl. zu den frühen Erwartungen im Hinblick auf die Folgen der ERA-Abschlüsse in deutschen Tarifbezirken: Huber, Schild 2004;
Schulz 2004; Manthey, Meine 2004; Sadowsky 2004; Beraus 2004).
Mit dem Anspruch, diese ambivalenten Einschätzungen aus der Phase der ERAVorbereitung an den tatsächlichen Erfahrungen der betrieblichen Wirklichkeit zu
messen, ist das hier dokumentierte Forschungsvorhaben angetreten. Die von der
Otto Brenner Stiftung geförderte Begleitforschung konzentrierte sich – unter
anderem aufgrund der Tatsache, dass seitens der Hans-Böckler-Stiftung zeitgleich drei weitere Forschungsprojekte in anderen Tarifbezirken gefördert wurden3 – im Rahmen einer empirischen Evaluierung auf drei Vorreiterunternehmen
im Tarifgebiet Thüringen. Mittlerweile liegen von den Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden, aber auch von Wissenschaftlern Zwischenberichte, Praxisbeispiele und Auswertungen vor, die darauf hindeuten, dass die im vorliegenden
Projektbericht dargestellten Verfahrensweisen und Problemlagen keinesfalls nur
besonders positive Einzelfälle im ostdeutschen Tarifgebiet Thüringen repräsentieren. Es zeigt sich, dass sich die besonders kritischen Einführungsphasen und
die jeweiligen Betroffenheiten von Belegschaftsgruppen durchaus in den unterschiedlichen Tarifgebieten gleichen. Die Unternehmen, die ERA bereits eingeführt haben, erkennen nach anfänglichen „Berührungsängsten“ zum weit überwiegenden Teil große Vorteile für das Unternehmen und die Beschäftigten in
Richtung einer höheren Transparenz und besseren Nachvollziehbarkeit von Eingruppierungen und Leistungsbeurteilungen sowie eines gewachsenen Vertrauens
in tarifliche Regelungen (vgl. die Praxisbeispiele zur ERA-Einführung in unterschiedlichen Tarifgebieten: Lohölter 2005; Otzipka 2005; Paatz, Ludwig 2005;
Averkamp et al. 2006; Hofmann, Rösner 2007 (Nordrhein-Westfalen); Timmer
2005; Weidel 2006; Bossemeyer, Mackau 2006 (Nordverbund); Blümle 2006
(Baden-Württemberg); Brossardt, Mantl 2007 (Bayern) sowie die arbeitswissenschaftliche Beraterliteratur: Becker et al. 2006; Reichel 2005). Bezieht man die
Zwischenergebnisse der von der Hans-Böckler-Stiftung geförderten Begleitforschungsprojekte in einen ersten Vergleich der Umsetzungsverfahren und -erfah3
88
Es handelt sich dabei um die jeweils ein bestimmtes Tarifgebiet untersuchenden Begleitforschungsprojekte: ERA-TV in der niedersächsischen Metallindustrie (Sperling, Kuhlmann und Bahnmüller),
ERA-TV Baden-Württemberg (Bahnmüller und Schmidt) und ERA NRW (Wannöffel, Bender und
Skrotzki).
rungen in den unterschiedlichen Tarifbezirken bzw. -gebieten ein, scheinen die
Erkenntnisse aus Niedersachsen den hier dargestellten Ergebnissen zur Einführung und zu den Wirkungen von ERA in Thüringen sehr nahe zu kommen
(Kuhlmann, Sperling 2008a, 2008b), während aus den Tarifbezirken BadenWürttemberg und Nordrhein-Westfalen von einem deutlich konfliktreicheren
Umsetzungsprozess mit hohen Anteilen von Überschreitern und entsprechender
Unzufriedenheit unter der Gewerkschaftsklientel berichtet wird (Bahnmüller,
Schmidt 2007, 2008a, 2008b; RUB, IGM 2008).4
In den letzten Abschnitten wurden die empirischen Befunde zur ERA-Einführung in drei prototypischen Betrieben der Metall- und Elektroindustrie Thüringens vorgestellt. Über diese eher deskriptive Darstellung von exemplarischen Erfahrungen, Problemlagen und Lösungsansätzen in den Betrieben hinaus soll abschließend aus sozialwissenschaftlicher Perspektive eine Bewertung der arbeitsund interessenpolitischen Perspektiven von ERA vorgenommen werden, die zum
Teil auch von den Tarifparteien mit je unterschiedlicher Schwerpunktsetzung als
Zielsetzung der ERA-Einführung verfolgt wurden:
¾ Wechselwirkung zwischen Lohnsystemen und der Etablierung neuer Arbeitsformen,
¾ Umkehr der Erosion des Tarifvertragssystems,
¾ Restrukturierung der kollektiven institutionalisierten Interessenvertretung.
10.1 Wechselwirkung zwischen Lohnsystemen und der Etablierung
neuer Arbeitsformen
Über die Neuthematisierung der Entgeltrelationen hinaus erhoffte sich insbesondere die Gewerkschaft von ERA positive Effekte hinsichtlich der Wechselwirkung zwischen betrieblichen Entgeltsystemen und modernen, auch im
Hinblick auf Humanisierung der Arbeit fortschrittlichen Ansätzen der Arbeitsorganisation. Derzeit von Unternehmen verfolgte Rationalisierungsstrategien
umfassen – trotz ebenfalls feststellbarer gegenläufiger Tendenzen industrieller
Arbeit – oftmals auch „neue Produktionskonzepte“ und neue Formen der Arbeitsorganisation, welche mit Begriffen wie Just-in-time-Produktion, Modu-
4
Aus Nordrhein-Westfalen liegen wegen eines zeitlich späteren Projektbeginns und einer noch nicht
vollständig abgeschlossenen Empirie noch keine hinreichend vergleichbaren Ergebnisse vor (vgl.
Skrotzki 2008). Erste, in einer Reihe von Workshops mit Betriebsräten und in Interviews mit Tarifsekretären der IG Metall bzw. Verbandsingenieuren des Verbands der Metall- und Elektroindustrie
gewonnene Befunde deuten auf eine Reihe von Konfliktfeldern bei der ERA-Einführung hin (RUB,
IGM 2008).
89
larisierung und Segmentierung, fraktale Fabrik, Fertigungsinseln und teilautonome Gruppenarbeit beschrieben werden (Kuhlmann et al. 2004).
Für die Effizienz, Akzeptanz und Nachhaltigkeit solcher neuen Arbeitsformen
spielt das betriebliche Lohnsystem eine zentrale Rolle (Schmierl 1994, 1995).
Die Funktionsfähigkeit dieser Art der Fertigungs- und Arbeitsorganisation
muss durch ein geeignetes Lohnsystem gestützt und gesichert werden, wie
auch umgekehrt die Anwendbarkeit von neuen Entgeltregelungen von einer
nicht prohibitiven Form der Arbeitsorganisation im Betrieb abhängt. Das bedeutet zum einen, dass eine für Arbeiter und Angestellte integrierte Entgelttabelle auch eine innerbetriebliche Anpassung der Hierarchieebenen und klassischen Unterordnungsverhältnisse impliziert. Das bedeutet zum zweiten, dass
die Kriterien der ERA-Entgeltgruppen in einer Weise definiert, umgesetzt und
angewandt werden müssen, dass die bei modernen Arbeitsformen gestärkte
eigenständige Leistungsverausgabung, freiwillige Kooperation und Selbstregulierung der Arbeitsgruppen auch tatsächlich in Form geeigneter qualitativer
Leistungskriterien gestützt und stimuliert werden können. Der Bestand an wissenschaftlichen Erkenntnissen in diesem Zusammenhang hat die zentrale Bedeutung der betrieblichen Lohnpolitik für den Umsetzungserfolg moderner
Arbeitsformen nachgewiesen. Der Befund lautet, dass Lohnsysteme für die
Arbeitskräfte die oftmals auftretenden ambivalenten Wirkungen von Gruppenarbeit/Fertigungsinseln sowohl verstärken als auch begrenzen helfen können
(vgl. Altmann et al. 1982, 1982a; Drexel 1985; Deutschmann 1989, 1989a,
1991; Gohde, Kötter 1990; Erb 1989; Hirsch-Kreinsen, Ramge 1994; Schmierl
1994, 1995, 1996; zu Zielvereinbarungen in Ostdeutschland: Hinke 2003).
Mit den neuen Eingruppierungsbestimmungen insbesondere im Hinblick auf
die mittels der Zusatzstufen gratifizierte Übernahme dispositiver Funktionen
sowie auf die Anwendung einer nunmehr für Gewerbliche und Angestellte
einheitlichen Entgeltsystematik waren anfangs große Erwartungen verbunden:
Sie sollten Impulswirkungen für die Einführung neuer Arbeitsformen und Produktionskonzepte ausüben. Man erhoffte sich dadurch eine im Entgeltsystem
abgestützte Auflösung bisheriger Trennlinien zwischen Arbeitsvorbereitung,
Produktionsplanung und -steuerung einerseits und der Produktion andererseits.
Mit ERA war auch die Zielsetzung verbunden, durch die explizite Benennung
der Gratifikation dispositiver Funktionen im Tarifvertrag auch die bislang von
den Beschäftigten zwar abgeforderten, aber nicht entgoltenen Kompetenzen
zur Sicherstellung einer reibungslosen Produktion zu bezahlen – und dadurch
die Unternehmen zu veranlassen, derartige, bereits bezahlte Fähigkeiten und
Fertigkeiten tatsächlich auch durch geeignete, stimulierende Produktionsprozesse und Arbeitsformen zur Wirkung kommen zu lassen.
90
Diese Hoffnungen insbesondere der IG Metall haben sich allerdings nicht erfüllt. Die so genannten modernen Produktionskonzepte und Arbeitsformen
haben in den Betrieben bereits vor der ERA-Einführung bestanden und existieren auch weiterhin. Die in den Betrieben kürzlich in dieser Richtung vollzogenen arbeitsorganisatorischen Umstrukturierungen wurden vollkommen unabhängig und unbeeinflusst von ERA vorgenommen. Eine entsprechende Impulsoder Inkubatorfunktion lässt sich für ERA folglich nicht ableiten. Positiv gewendet ist allerdings festzuhalten, dass ERA in keinem Fall als Barriere oder
blockierend gegen eine Modernisierung von Arbeits- und Produktionsmodellen
gewirkt hat. Zusammengefasst ist damit aus unserer Kenntnis der Lage in den
Thüringer Betrieben der Einschätzung von Bahnmüller und Schmidt zur Erfüllung der arbeitsorganisatorischen Zielsetzungen der IG Metall (2007a, S. 21ff.)
zuzustimmen. Die von der IG Metall mit ERA verbundenen Hoffnungen auf
eine Stimulierung der Einführung moderner Arbeitsformen haben sich nicht
erfüllt; arbeitsorganisatorische Änderungen sind, sofern sie stattgefunden haben, unabhängig von ERA erfolgt.
10.2 Gegenbewegung zur Erosion des Tarifvertragssystems?
(1) In den letzten Jahrzehnten ließ sich in Gesamtdeutschland bekanntlich ein
Trend zur Abnahme kollektiver Verbindlichkeit und verbandlicher Mobilisierungsfähigkeit feststellen, der als Wandel der für Deutschland charakteristischen Tariflandschaft bezeichnet wurde (Bispinck 2003; Schmierl 2001,
2003a, 2003b) und sich im Grunde durch zwei Elemente auszeichnete. Erstens
sank die quantitative Bedeutung und Reichweite von flächendeckenden Verbandstarifverträgen aufgrund abnehmender Tarifbindung. Zweitens wandelte
sich der qualitative Charakter der generellen Verbindlichkeit von abgeschlossenen Tarifverträgen durch Flexibilisierung und Differenzierung.
So waren die 90er Jahre zum ersten in quantitativer Hinsicht durch eine abnehmende Tarifbindung von Unternehmen gekennzeichnet, die sich bis dato so
weit fortgesetzt hat, dass gegenwärtig weniger als die Hälfte der deutschen
Unternehmen der Tarifbindung unterliegt (Ellguth 2003, 2004; vgl. für Ostdeutschland zudem: Hinke et al. 2002; Bonin 2005). Dem WSI-Tarifarchiv
(2008) zufolge sind im Jahr 2006 60% der Betriebe im Westen Deutschlands
und 75% der Ostbetriebe keinem kollektiv abgeschlossenen und verbindlichen
Flächentarifvertrag oder Firmentarifvertrag unterworfen (gewesen). Immerhin
orientieren sich weitere 25% der Westbetriebe und 30% der Ostbetriebe am
Flächentarifvertrag, so dass sich die Bedeutung der Tarifvertragsgültigkeit
nicht nur aus dem Anteil der tarifgebundenen Unternehmen erschließt. Mit ein
91
Grund für diese Entwicklung war ein Trend der Verschiebung zu Firmentarifverträgen, die für nur eine Unternehmung gelten (Ellguth 2003; IAB-Betriebspanel 2003; Müller-Jentsch, Ittermann 2000). Darüber hinaus wurde in diesem
Zusammenhang in den vergangenen Jahren für die Bundesrepublik z.B. von
Strategien der Tarifflucht durch den Austritt aus dem Arbeitgeberverband, der
Tarifabstinenz durch Verzicht auf einen Verbandseintritt verkleinerter und dezentralisierter Betriebe nach Unternehmensrestrukturierungen oder des Tarifunterlaufens durch Wechsel in einen Tarifverband mit günstigeren Bedingungen berichtet (vgl. Bispinck 2001, 2003; Hassel 2000; Bonin 2005).
Zum zweiten waren auch weitgehende qualitative Veränderungen in der Einheitlichkeit und Reichweite gültiger Tarifabschlüsse zu beobachten. Galten
Tarifverträge mit einheitlichen Standards bis in die 80er/90er Jahre hinein gleichermaßen verbindlich für alle Betriebe des Tarifgebiets, so wurden mittlerweile die Tarifbestimmungen in nahezu allen Tarifbereichen so weit geöffnet
bzw. differenziert, dass es auch den tarifgebundenen Unternehmen in einzelnen
Verhandlungsgegenständen und unter bestimmten Bedingungen ermöglicht
wird, von den einheitlichen und verbindlichen Standards des Flächentarifvertrags abzuweichen (Bispinck 2003). Durch Differenzierung oder Absenkung
von Tarifstandards (z.B. durch Härtefallregelungen oder Öffnungsklauseln)
wurde somit auch innerhalb des Geltungsbereichs des Tarifvertrags eine Anpassung an betriebsspezifische Bedingungen ermöglicht. Zusammenfassen
lassen sich die Veränderungen in folgender Bestandsaufnahme: „Ein Blick auf
die Tarifverträge zeigt, dass die Verknüpfung von branchenweiten verbindlichen tariflichen Vorgaben mit betrieblichem Handlungsspielraum ein typisches
Charakteristikum unseres Tarifsystems ist, das in den vergangenen Jahren an
Bedeutung gewonnen hat“ (Bispinck 2003, S. 398). Ein wichtiges Einfallstor
für diese Einschränkung der Bindungswirkung stellte die Übertragung der
westdeutschen Tarifstandards auf die Ökonomie Ostdeutschlands dar, da im
Transformationsprozess ein schleichender Bedeutungsverlust tariflicher Normen hingenommen werden musste (Artus et al. 2000). Schließlich lassen sich
auch knapp 15 Jahre nach der Wiedervereinigung in den beiden Teilen Deutschlands immer noch sehr unterschiedliche Bedingungen der Tarifvertragsgültigkeit und -anwendung, der Verbreitung von Betriebsräten oder auch Arbeitsstandards finden (Hinke et al. 2002; Kohaut, Schnabel 2002, 2003; Ellguth
2003, 2004; Artus 2004; Bonin 2005).
(2) Durch die ERA-Umsetzung erhofften sich die Tarifparteien nicht zuletzt
eine diese „Erosionstendenzen“ eindämmende, wenn nicht gar stoppende breitenwirksame Debatte um die Wirksamkeit und Effizienz von kollektiven Tarifverträgen sowie eine Rückkehr zu standardisierten, vereinheitlichenden Tarif-
92
regularien im Entgeltbereich. Die aktuellen Auswertungen des IAB-Tarifpanels lassen in dieser Hinsicht – zunächst noch ohne ERA-Effekte – den vorsichtigen Schluss zu, dass die in der zweiten Hälfte der 90er Jahre voranschreitende Abnahme der Tarifbindung mittlerweile (evtl. nur vorläufig?) insofern
gestoppt werden konnte, als diese sich im Jahr 2006 auf ein in den letzten vier
Jahren weitgehend stabiles Niveau eingependelt hat: Auf die von Tarifbindung
abgedeckten Beschäftigten aller Wirtschaftszweige berechnet, sind nunmehr im
Westen ca. 65% aller Beschäftigten (nach 76% in 1998 und 70% in 2003) und
im Osten ca. 54% aller Beschäftigten (nach 63% in 1998 und 54 % in 2003) in
tarifgebundenen Unternehmen tätig (WSI-Tarifarchiv 2008; Ellguth 2003,
2004).
Für das Tarifgebiet Thüringen liegt hinsichtlich des oben festgestellten Trends
zur Abnahme der Tarifbindung im Gegensatz zum Westen Deutschlands eine
besondere Situation insofern vor, als die geringe Tarifbindung ausschließlich
darauf zurückzuführen ist, „dass sich die große Zahl der Neugründungen von
Unternehmen in Thüringen in der Regel in den Anfangsjahren nicht einer tariflichen oder verbandlichen Bindung anschließt und auch traditionelle Mitgliedschaften, wie sie in den westlichen Bundesländern durchaus üblich sind, hier
nicht vorhanden sind“ (Verbandsingenieur). Auf den vorgängig beschriebenen
Sachverhalt bezogen handelt es sich hinsichtlich der Mitgliederstruktur des Arbeitgeberverbands in Thüringen somit eher um eine Tarifabstinenz und weniger
um Austritte aus dem Arbeitgeberverband, der seit ca. zehn Jahren nach eigener
Aussage kein Unternehmen durch Kündigung der Mitgliedschaft verloren hat.
Die bisherigen Erfahrungsberichte und Praxisdarstellungen aus Unternehmen
lassen zudem den vorsichtigen Schluss zu, dass mit der ERA-Einführung gemeinsam mit den Betriebsräten ein vorheriger Wildwuchs bei von Tarifverträgen abweichenden betrieblichen Leistungslohnmodellen bereinigt wurde und in
vielen Fällen nunmehr die tariflichen Bestimmungen zu den Leistungsentgeltgrundlagen vollständig übernommen und in Kraft gesetzt wurden (Lohölter
2005; Otzipka 2005; Paatz, Ludwig 2005; Averkamp et al. 2006; Hofmann,
Rösner 2007; Timmer 2005; Weidel 2006; Bossemeyer, Mackau 2006; Blümle
2006). Über den statistischen (quantitativen) Trend der Tarifbindung hinaus
scheinen damit auch in qualitativer Hinsicht die Unternehmen den Bestimmungen des Tarifvertrags tatsächlich Folge zu leisten. Sollte diese Tendenz über die
betrachteten Einzelfälle hinausgehen, würde sich darin in der Tat eine Rückkehr
zu vereinheitlichten Tarifregularien im Entgeltbereich und eine Abkehr von
den in den letzten zehn Jahren zum Normalfall gewordenen Abweichungsbestrebungen bewahrheiten.
93
Die umfassende Vorbereitung, Verhandlung und Diskussion innerhalb der Verbände zu ERA hat vor diesem Hintergrund zweifelsohne – zumindest in den tarifgebundenen Mitgliedsunternehmen – das Thema Lohn und Leistung nach
einer langen Phase vornehmlich betriebsspezifischer und hochgradig diversifizierter Lösungen (Schmierl 1995, 2008) wieder in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit gerückt und eine neue Runde betrieblicher Aushandlungen zur
Lohn- und Leistungsgerechtigkeit eingeläutet, die möglicherweise auch Ausstrahlungseffekte auf die nicht dem Tarifvertrag unterliegenden Firmen entwickeln kann, was jedoch in hohem Maße von der Unterstützungsleistung der Tarifparteien abhängt.
(3) Zur Bewertung, inwiefern diese Zielsetzung im Tarifgebiet Thüringen erreicht wurde, ist in einem kurzen Exkurs auf die besondere Tarifhistorie im
Osten einzugehen, auf die die befragten Verbandsvertreter und Gewerkschaftsfunktionäre hingewiesen haben: Zum Zeitpunkt der Westanbindung wurden in
den ostdeutschen Tarifgebieten zunächst Tarifanpassungen der alten DDR-Tarife an die neuen Betriebsstrukturen und Arbeitsformen sowie neue Eingruppierungen vorgenommen. Damals herrschte die Vorstellung, das bestehende
Tarifsystem des Westens für die gesamten neuen Bundesländer eins zu eins
anwenden zu können. Dieses Vorhaben ist jedoch bald gescheitert – unter anderem wegen der regional hochgradig unterschiedlichen Tarifverträge im Westen und der andersgearteten Ausgangsbedingungen im Osten sowie der Notwendigkeit, abgesenkte Tarifregelungen zu verankern, um die Existenz und
Wettbewerbsfähigkeit der Ostbetriebe nicht zu gefährden. In den Gebieten der
ehemaligen DDR wurden sodann pragmatisch die Tarifwerke der territorial
nächsten Verbände des Westens übernommen. Sachsen übernahm den Tarifvertrag von Bayern; der Hessen-Tarifvertrag fand in Thüringen Anwendung;
für Mecklenburg-Vorpommern galt der Tarifvertrag des Nordverbunds, für
Berlin und Brandenburg der von Westberlin und schließlich für SachsenAnhalt der von Niedersachsen.
Die zwischenzeitlichen Erfahrungen seit der Wende zeigten – der Einschätzung
der befragten Tarifvertragsverantwortlichen zufolge – in diesen ostdeutschen
Tarifgebieten, dass die besondere Form der Tarifpolitik, wie z.B. die vereinbarten Steigerungsstufen des Entgelts der Beschäftigten, Insolvenzen beschleunigt
und die Flucht aus dem Tarifverband bzw. Nicht-Eintritte von Ausgründungen
aus den zerschlagenen Kombinaten begünstigt hat: „Die lohnpolitische Entwicklung in Ostdeutschland nach der Vereinigung zerfällt in zwei Phasen: eine
Periode am Beginn der wirtschaftlichen Transformation mit massiven Lohnsteigerungen, um den Abstand gegenüber dem westdeutschen Lohnniveau aufzuholen, und eine Periode lohnpolitischer Zurückhaltung, die mit der Verfesti-
94
gung der wirtschaftlichen Probleme in den neuen Ländern etwa 1995 beginnt
und seitdem anhält“ (Bonin 2005, S. 163). Begleitend kam hinzu, dass bis 1995
journalistische Meinungsmache gegen die Tarifbindung (wie z.B. im Handelsblatt) eine hohe Bedeutung und Resonanz hatte. Neue OT-Verbände (= ohne
Tarifbindung) wurden gegründet, die einen hohen Zulauf im Osten erfuhren. In
Thüringen ist dieser OT-Verband als Dachverband für unterschiedliche Branchen organisiert und nennt sich „Allgemeiner Arbeitgeberverband“. Seit etwa
dem Jahr 2000 konnte der Abwärtstrend im Tarifgebiet Thüringen in einer
gemeinsamen Anstrengung von IG Metall, den Arbeitgeberverbänden und
Westunternehmen gestoppt werden. Das gemeinsame Interesse des VMET und
der IG-Metall-Bezirksleitung in Frankfurt bestand vor diesem Hintergrund
darin, ERA dazu zu nutzen, einerseits diese Entwicklung zu stoppen bzw. zu
verlangsamen und andererseits die erfolgreiche ERA-Einführung in wichtigen
tarifgebundenen Unternehmen als Werbeträger für die Tarifbindung zu vermarkten.
Zugleich ging man davon aus, dass ERA auf eine hohe betriebliche Akzeptanz
stoßen könnte, da aus den Kontakten zu Unternehmen die Einschätzung begründet schien, dass die ERA-Unternehmen hofften, mit ERA alte Sünden wiedergutzumachen, wie z.B. die weitverbreiteten Nasenprämien für Beschäftigte oder
die Lohndrift durch die Anwendung von Senioritätsprinzipien anstatt von klassischen Arbeitsbewertungen. Man erwartete, dass die Betriebe und die Betriebsräte ERA als positiv erachten und in ERA eine Chance sehen, diese Konfliktlinien aufzulösen, da es damit gelingen kann, in den Betrieben für längere
Zeit „Ordnung zu schaffen“. Ein Indiz für die zu Recht erwartete hohe Akzeptanz auch seitens der Betriebsräte waren die vom Verband VMET durchgeführten Informationsveranstaltungen zu ERA, in denen Betriebsräte ein Drittel der
Teilnehmer stellten. Diese starke Kooperationsbereitschaft zwischen Betriebsrat
und Unternehmen ist wohl ebenfalls ein ostdeutsches Spezifikum, das von der
gemeinsamen Wende-Erfahrung und der Erkenntnis herrührt, dass das Überleben
des Betriebs eine „gemeinsame Aufgabe“ ist. In diesem Sinne war der ERAEinstieg hinsichtlich der Mitgliedsunternehmen in Thüringen auch davon überlagert, dass aufgrund von massiven Personalabbaumaßnahmen der letzten Jahre
etwa 90% aller Arbeitsplätze in der Industrie verloren gingen und dadurch eine
ungünstige Belegschaftsstruktur entstand; es handelte sich bei den Abgängen vor
allem um Arbeitskräfte ohne Kündigungsschutzfristen (also eher jüngere und
kürzlich eingestellte Beschäftigte), so dass die meisten Betriebe zum Zeitpunkt
des ERA-Einstiegs durch überwiegend alte und teure Belegschaften geprägt und
die Leute nicht selten unterqualifiziert eingesetzt waren. Schließlich konnte man
für Thüringen davon ausgehen, dass die meisten Eingruppierungen gegenwärtig
auch tatsächlich korrekt sind, da in ca. 70% der Betriebe in den letzten 15 Jahren
95
zumeist gemeinsam mit den Tarifparteien – bzw. initiiert vom VMET – mehrmalige Überprüfungen der Eingruppierung stattgefunden haben. Dies war eine Reaktion auf die unterschiedlichen Tarifhistorien zur Wiedervereinigung, da zum
Wendezeitpunkt 1990 die Eingruppierung der Belegschaften nichts mit dem
gültigen Tarifvertrag zu tun hatte. Da dadurch der Tarifvertrag verletzt und veraltet war, wurden auch von der IG Metall mehrere Neueingruppierungsrunden (u.a.
aufgrund 22-prozentiger Personalkostensteigerung gegenüber DDR-Zeiten) befürwortet. „Damit ist in Thüringen die Eingruppierung richtiger“ (Tarifsekretär). Dies war ein zentraler Grund dafür, im Tarifvertrag die Regelung zur Tariflichen Entsprechung zu vereinbaren.
Eine im Hinblick auf die Fragestellung nach den verbandspolitischen Zielsetzungen und Effekten von ERA wichtige Sonderbedingung liegt offenbar auch
in zwei weiteren Kennzeichen vor: dem von beiden Tarifparteien geteilten Interesse an einem ERA-Erfolg und dem hochgradig von Konsens geprägten
Prozess der Definition des Tarifvertrags. Der VMET steht nach eigener Aussage voll hinter dem Tarifvertrag ERA-Thüringen: „Wir wollen ERA“ (Verbandsingenieur). Man war auch stolz darauf, dass Thüringen mit seinem ERAAbschluss im Vergleich zu anderen Tarifbezirken sehr früh dran war und etwa
zum gleichen Zeitpunkt wie Baden-Württemberg abgeschlossen hat. Die Gründe hierfür liegen zum einen in einem sehr kollegialen und offenen Verhältnis
des VMET zur IG Metall (Hauptgeschäftsführer VMET: „Der Arbeitgeberverband Thüringen und die IG Metall sind sehr gesprächsfähig“) und zum zweiten in der geschickten Gestaltung des Aushandlungsprozesses. In diesem Sinne
wurden die Tarifverhandlungen in diversen Klausursitzungen vorangetrieben,
die insgesamt ca. 100 Runden umfassten und jeweils etwa zwei Tage dauerten.
Die Sitzungen liefen in der Regel so ab, dass einleitend ein Vortrag von VMET
und/oder IG Metall die Grundlinien der Vorschläge umriss, man den Abend
gemeinsam verbrachte und am nächsten Tag „Nägel mit Köpfen“ machte. Am
zweiten Tag wurden i.d.R. die vom Geschäftsführer für Tarifwesen und Arbeitswissenschaften des VMET geschriebenen Textentwürfe, die durch farbige
Hervorhebungen im Text im Hinblick auf die zwischen IGM und VMET unstrittigen, ungeklärten bzw. kritischen Formulierungen gekennzeichnet waren,
diskutiert und nur dann endgültig angenommen, wenn sie von beiden Seiten
akzeptiert wurden („Abnicken nur mit Konsens“). Das Gremium war mit je
sechs Experten beider Parteien besetzt. Als ein Grund für den schnellen Abschluss wird von den Verhandlungsparteien auf das offene Gesprächsklima
verwiesen, so dass „keine Pokersitzungen abgehalten“, sondern die Konfliktlinien sehr offen angesprochen wurden. Zudem wurden die Verhandlungen
nicht durch wechselnde Verhandlungspartner verlangsamt; der Erfolgsfaktor
war somit die konsistente Verhandlungsgruppe in gleicher Zusammensetzung
96
und Größe; es gab keine Untergruppierungen, sondern eine konsistente Entscheidungsgruppe – mit zwei Ausnahmen: Aus der 6plus6-Gruppe schieden im
Verlauf der Verhandlungen zwei „Verhandlungsführer der Arbeitgeber“ aus,
die beide von ihren Konzernen abgerufen wurden. Von Arbeitgeber-Seite waren ferner zwei Betriebspraktiker (Personalleiter von Betrieben) und vier
VMET-Vertreter (Hauptgeschäftsführer, Stellvertretender Hauptgeschäftsführer, Geschäftsführer für Tarifwesen und Arbeitswissenschaften sowie ein Vertreter des Mitgliederrats) beteiligt. Ein weiterer Erfolgsfaktor liegt darin, dass
die verhandelnden Arbeitgeberrepräsentanten den Mitgliederrat – das wichtigste Entscheidungsgremium des VMET – früh informiert hatten. Zur Vorbereitung der Sitzungsinputs wurde vom VMET eine ERA-Experten-Kommission
einberufen, in der 15 Mitgliedsfirmen mit unterschiedlichen Arbeitnehmergruppen aus den Unternehmen ihre Vorstellungen einbrachten. Zugleich ging
man flexibel mit dem Aushandlungsgremium um, so dass das 6plus6-Gremium
ggf. fallweise variiert wurde, wenn z.B. für eine spezifische Fragestellung ein
von der IG Metall gewünschter Betriebsrat dabei sein sollte. Seitens der IG
Metall wurden in dieses Gremium drei Tarifsekretäre des Bezirks, zwei Bevollmächtigte des Tarifgebiets und eine Betriebsrätin abgestellt. Während im
Prozess der Tarifvertragsaushandlung in der IG-Metall-Tarifkommission zwar
Teilergebnisse zur Relation zwischen alter und neuer Entgeltstruktur erläutert,
aber keine schrittweisen Teilentscheidungen getroffen wurden, wurde das Tarifwerk im IGM-Arbeitskreis ERA erst nach endgültiger Aushandlung mit dem
VMET als Ganzes verabschiedet. Lediglich bei der Frage, welches Entgelt welcher Entgeltgruppe entspricht, wurde in einem kleineren Vierer-Gremium aus
zwei VMET-Funktionären und zwei Tarifsekretären des Bezirks verhandelt.
Aus Sicht des VMET waren zwei weitere Faktoren ausschlaggebend für den
Erfolg: In den Verhandlungen wurde erstens nicht mit virtuellen Betrieben
argumentiert, sondern nur mit realen. Zweitens wurden unabhängig voneinander – und ausgehend von den jeweiligen interessenpolitischen Kontakten und
Informationsquellen – zwei Entgelttabellen über die Realität in den Betrieben
des Tarifgebietes intern vorbereitet und in den Sitzungen miteinander verglichen, wobei sich eine 99-prozentige Übereinstimmung der Kalkulation des
VMET und der IG Metall ergab. Letztlich habe man durch dieses offene Verfahren ein Jahr in den Verhandlungen gewonnen.
(4) Insofern kann aufgrund der empirischen Befunde in den Betrieben und aufgrund der übereinstimmenden Einschätzungen der VMET-Funktionäre sowie
des befragten Bezirksleiters der IG Metall für Thüringen die (gegenüber den
Aussagen von Haipeter und Schilling 2006 relativierende) Einschätzung von
Bahnmüller und Schmidt (2007a, S. 9f.) geteilt werden, dass es den Arbeitge-
97
berverbänden sehr wohl um eine Stärkung des Flächentarifvertrags und eine
tarifvertragskonforme ERA-Umsetzung in den Betrieben geht. Mit ERA ist
zudem auch aufgrund der Tatsache, dass ein derartiges Regelwerk einigermaßen gleichzeitig in allen Tarifbezirken eingeführt wird, zweifelsohne auch
seitens der Arbeitgeberverbände die Hoffnung verbunden, Unternehmen (wieder oder neu) in die Tarifbindung zu bringen.
Allerdings muss hinsichtlich einer Generalisierung der in diesem Bericht dargestellten Befunde auf die übrigen tarifgebundenen Unternehmen in Thüringen
oder gar in Ostdeutschland einschränkend erwähnt werden, dass der Themenschwerpunkt im hier vorgestellten Projekt weniger auf der Tarifpolitik als vielmehr auf dem Verfahren der Umsetzung sowie der Wirkung des ERA in den
Betrieben lag. Während die in der hier dokumentierten Studie zusammengefassten Befunde zu den ERA-Verfahren und -Erfahrungen in den Vorreiterund Leuchtturmbetrieben Thüringens in der Tat von den Arbeitgeberverbandsvertretern und dem IG-Metall-Bezirksleiter als repräsentativ für die tarifgebundenen Unternehmen Thüringens bestätigt wurden, setzt die Zusammenfassung
von Bahnmüller und Schmidt stärker an der tarifpolitischen Ebene und an interessenpolitischen Zielsetzungen der Verbände an. Es soll deshalb abschließend
die Frage erörtert werden, inwieweit sich im Verlauf der letzten fünf Jahre ein
Fazit von Hinke et al. aus ihrer Studie zur Gestaltung der Lohn- und Leistungsbedingungen in Ostdeutschland bewahrheitet hat: „Wenn die Tarifparteien die
hier angemahnten Reformbemühungen realisieren, dürfte das Instrument des
Flächentarifvertrags in der ostdeutschen Metallindustrie wieder stärkeren
Rückhalt in den Betrieben gewinnen“ (2002, S. 189). Zwei sehr vorsichtig zu
wertende Indizien scheinen in der Tat die Aussage zu stützen, dass der oben
beschriebene, im Osten Deutschlands insbesondere in der ersten Hälfte der
90er Jahre z.T. dramatisch verlaufene Trend zur Abnahme der Tarifbindung
bzw. zur Etablierung einer sehr geringen Tarifbindung von Unternehmen und
zur Aufweichung bzw. Nicht-Anwendung von Tarifregelungen in Thüringen
zumindest gebremst, wenn nicht gar gestoppt werden konnte.
In diese Richtung weist zunächst und zum ersten die Tatsache, dass in Thüringen der Organisationsgrad von Unternehmen im Verband in den letzten Jahren
geringfügig zu steigen scheint, während der OT-Verband stagniert. Auch hat
der im Vergleich zu anderen Tarifbezirken sehr niedrige Organisationsgrad
(von ca. 5 bis 6% der Betriebe und ca. 20% der Beschäftigten) bekanntermaßen
eher historische Gründe, die auf den Einbruch der Ostindustrie nach der Wende
und die Zerschlagung von Kombinaten in kleinere und mittlere Unternehmen
zurückzuführen sind. Haipeter und Schilling haben das in ihrem Buch besonders in den empirischen Teilen treffend beschrieben (2006).
98
Zum zweiten scheint es in Thüringen gelungen zu sein, die tarifgebundenen
Unternehmen auch im Rahmen der geplanten zeitlichen Umsetzungsperspektive zur vollständigen Übernahme des ERA zu veranlassen. Im Hinblick auf den
Umsetzungsstand des ERA in Thüringen ist nach Auskunft des zuständigen
Verbandsingenieurs zum Zeitpunkt des Projektabschlusses folgender Status
erreicht: Von den tarifgebundenen Unternehmen haben zum April 2008 85%
das Entgeltrahmenabkommen bereits eingeführt; in weiteren fünf bis sechs Firmen wird derzeit ERA eingeführt – mit dem Ziel, bis Ende 2008 fertig zu werden; insgesamt haben in diesem Tarifgebiet also bis Ende 2008 90% der tarifgebundenen Unternehmen ERA umgesetzt. Die restlichen 10% haben in Abstimmung mit den Tarifvertragsparteien tarifvertragsgemäß eine spätere Einführung nach 2008 vereinbart. Zudem wurde auch von 20% der OT-Firmen das
Entgeltrahmenabkommen übernommen.
(5) Bei der Bewertung der Sonderstellung der Befunde bzw. im Hinblick auf
eine Abschätzung, ob die durchweg konsensuellen und zügigen Verhandlungsverfahren in den drei Leuchtturmunternehmen lediglich besonders günstige
Ausnahmefälle darstellen oder ob ähnliche Verläufe in anderen thüringischen
Betrieben vorliegen, kann über die Einschätzung der Tarifparteien zur tatsächlich gegebenen Repräsentanz der Untersuchungsbetriebe für die Tarifunternehmen in Thüringen hinaus auf ein Indiz der Regelung von Konflikten bzw.
Widersprüchen in den Betrieben selbst rekurriert werden. Hinsichtlich des
Konsenses und der Konflikthäufigkeit in den tarifgebundenen Unternehmen im
Gegensatz zu den drei Leuchttürmen lässt sich auf der Grundlage einer Auswertung des Arbeitgeberverbands festhalten, dass zwar von knapp 30% der in
den tarifgebundenen Unternehmen beschäftigten Arbeitnehmer zunächst Widerspruch gegen die Eingruppierung eingelegt wurde, dass aber letztlich für
90% aller Tarifarbeitnehmer die Eingruppierung innerbetrieblich (das bedeutet:
im Falle von Einsprüchen in der Paritätischen Kommission, im Falle von unlösbaren Widersprüchen zwischen den Betriebsparteien ggf. unter Beteiligung
der Tarifvertragsparteien) geregelt wurde.
Die Frage, inwieweit ERA auch eine Ausstrahlung auf die nicht tarifgebundenen Unternehmen in Thüringen entfaltet hat, lässt sich allerdings aus einer
ungenügenden Datenlage heraus kaum beantworten. Insgesamt aber geht der
Arbeitgeberverband „davon aus, und das belegt auch die Zahl der tariffreien
Betriebe, die das ERA-System bereits anwenden, dass ERA eine Chance darstellt, zukünftig die Tariforientierung und Tarifbindung langfristig zu verbessern“. Gestützt wird diese Einschätzung auch durch die Tatsache, dass es in
Thüringen keine so genannten „ERA-Verweigerer“ gibt.
99
Stellt man sich abschließend die Frage, ob sich an den beschriebenen Vorgehensweisen und Verfahren bei der ERA-Einführung in Thüringen ein genereller ostdeutscher Sonderweg ablesen lässt, so ist diese zunächst mit Nein zu
beantworten. Insbesondere die Tarifliche Entsprechung ist eine originär für
Thüringen angewandte Methode einer (pragmatischen) Regelüberführung, die
in anderen west- und ostdeutschen Tarifgebieten kein Gegenstück besitzt. Andererseits gibt es im Tarifgebiet Thüringen durchaus Besonderheiten, die sich
im Sinne eines ostdeutschen Sonderwegs der ERA-Einführung interpretieren
ließen. So ist eine hohe Interessenkongruenz zwischen den Vertretern von
Kapital und Arbeit zu beobachten, sowohl auf der Ebene der Tarifparteien als
auch im Betrieb. Für die Arbeitsbeziehungen in den Betrieben deutet sich ein
zwischen den Personalleitungen und Betriebsräten einheitliches starkes Interesse an der ökonomischen Sicherung des Betriebs an, das auf die gemeinsamen
Erfahrungen mit der wirtschaftshistorischen Entwicklung seit der Wiedervereinigung zurückzuführen sein dürfte. Damit hängen wohl auch die hohe Akzeptanz sowie eine vergleichsweise begrenzte Problematisierung der Umsetzungsmaßnahmen innerhalb der Belegschaften zusammen. Nicht zu vernachlässigen
ist jedoch, dass die im Rahmen der Begleitforschung ausgewählten Betriebe
primär wegen ihrer frühzeitigen ERA-Einführung in die Bestandsaufnahme
einbezogen wurden und gerade dafür ein hoher betrieblicher Konsens sicherlich mitverantwortlich war. Inwieweit es sich hier tatsächlich um eine generelle
ostdeutsche Besonderheit handelt, müsste allerdings erst noch geprüft werden.
Hierzu wäre ein systematischer Vergleich der thüringischen Erfahrungen mit
denjenigen aus den anderen ostdeutschen Tarifbezirken erforderlich.
10.3 Restrukturierung kollektiver institutionalisierter Interessenvertretung versus Verbetrieblichung
Für die Industrial-Relations-Forschung lassen sich aus der Analyse dieser Prozesse aufgrund der empirischen Konzentration auf ausgewählte Betriebe nicht
– wie zu Projektbeginn erhofft – Rückschlüsse auf die Fragen nach einer Neubewertung des Wandels in den Industriellen Beziehungen ziehen. ERA bezeichnet zwar eine in ihrer Bedeutung kaum zu überschätzende Wegscheide
zwischen einem fortschreitenden Bedeutungsverlust der Kollektivakteure in
der Gesellschaft und einer Revitalisierung der kollektiven Ebene der Arbeitsregulierung. Mit den vorliegenden empirischen Erkenntnissen lassen sich zwar
gewisse Evidenzen für die Beurteilung von Veränderungen in den betrieblichen Arbeitsbeziehungen aufgrund des ERA-Umsetzungsprozesses herleiten –
weitergehende Aussagen zum Wandel der institutionellen Systemarchitektur in
100
der Bundesrepublik verbieten sich wegen der extrem niedrigen Tarifbindung in
Thüringen allerdings.
Es soll abschließend auf der Grundlage der empirischen Befunde dennoch auf
eine Frage eingegangen werden, die in der sozialwissenschaftlichen und gewerkschaftsnahen Forschung als „Verbetrieblichungsthese“ debattiert wird. Als
Konsequenz der in Abschnitt 10.2 skizzierten tarifpolitischen Entwicklungen
wurden in der Vergangenheit mit zunehmender Tendenz tarifvertragliche Regelungsnotwendigkeiten auf die Ebene von Unternehmen bzw. Betrieben verlagert. Die in der Industriesoziologie bekannten Trends einer Dezentralisierung
und Verbetrieblichung der Interessenvertretung im Sinne einer Gewichtsverlagerung von der tariflich-sektoralen auf die betriebliche Ebene (Deiß 2000;
Funder 2001) treffen allerdings oftmals auf betriebliche Bedingungen, die nicht
unbedingt eine angemessene Bearbeitung der tarifvertraglichen Aufgaben im
Betrieb erlauben (vgl. Schmierl 1998; Meil et al. 2003; Frerichs, Pohl 2001;
Fichter et al. 2001; Höpner 2002; Streeck, Höpner 2002; Artus et al. 1998; Funder 2000; Bergmann et al. 1998; Bosch et al. 1999; Flecker 1998; Artus 2004).
Hinsichtlich der Frage „weitergehende Verbetrieblichung der Tarifpolitik versus Revitalisierung der kollektiven Ebene der Arbeitsregulierung“ ist nun bei
einer Bewertung des gegenwärtigen Prozesses der ERA-Einführung eine widersprüchliche Tendenz festzustellen.
(1) Einerseits lässt sich der in der Forschung zu Industriellen Beziehungen
schon seit langem beschriebene Trend einer Verbetrieblichung von Aushandlungsverfahren in Gestalt einer Übertragung von Aufgaben und Einigungsverfahren der Tarifebene auf die Betriebsebene auch in den neuen ERA-Tarifverträgen feststellen: Es kommt zum einen zu einer Verbetrieblichung der Entscheidung über Entgeltgrundsätze durch eine breite Palette von in den Tarifverträgen erlaubten Entgeltmodellen; in diesem Sinn haben die Tarifvertragsparteien (im Hinblick auf das Thüringer Entgeltrahmenabkommen) den Betrieben die Entscheidung übertragen, weiterhin die bisherigen betrieblichen Vereinbarungen zum Leistungsentgelt (Tarifvertrag ERA-Einführung, § 8) anzuwenden oder mit dem Zeitpunkt der ERA-Einführung die jeweiligen Regelungen des Entgeltrahmenabkommens zu übernehmen. Zum zweiten werden –
offenbar zum Zweck der Komplexitätsreduktion auf der Tarifebene – formale,
substanzielle Definitionen ersetzt durch eine Prozeduralisierung der endgültigen Regulierung, ablesbar z.B. an der per Tarifvertrag sanktionierten Etablierung so genannter Paritätischer Kommissionen in den Betrieben.
Mit Hilfe dieser Paritätischen Kommissionen, in die der Arbeitgeber und der
Betriebsrat jeweils die gleiche Anzahl von Vertretern entsenden, sollen Konflikte
101
bzw. Auslegungsunterschiede zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern unmittelbar vor Ort gelöst werden, anstatt an die Einigungsstelle der Tarifparteien oder
in Schlichtungsverfahren delegiert zu werden. An diesem konkreten Fall lässt
sich allerdings auch erkennen, dass Verbetrieblichung nicht immer und zwangsläufig mit einer Erosion des Tarifvertragssystems gleichgesetzt werden kann –
haben sich doch gerade diese Paritätischen Kommissionen bei der ERAEinführung in den Betrieben als durchgängiges Erfolgsmodell herausgestellt. Sie
haben einerseits einen Diskurs und Einigungszwang zwischen Unternehmensleitung und Betriebsrat angestoßen und andererseits zu einem Kleinarbeiten bzw.
Ernstnehmen von Einsprüchen der Beschäftigten und in deren Folge zu einer
höheren Akzeptanz von ERA in den Belegschaften geführt; darüber hinaus wurde dadurch die aktive und Mitarbeiterinteressen vertretende Rolle der Betriebsräte von den Arbeitskräften erkannt und anerkannt (s. Kapitel 8).
Auch aufgrund der Öffnung für die Festlegung einzelner Regelungen der betrieblichen Entgeltpolitik auf dem Weg einer Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat in Betriebsvereinbarungen, wie sie ERA explizit vorsieht,
kann hier in der Tat von einer Verbetrieblichung gesprochen werden – allerdings in Form einer „kontrollierten Dezentralisierung“ (Bispinck 2004), deren
wesentliches Kennzeichen die Zustimmung der Tarifvertragsparteien zu abweichenden betrieblichen Regelungen und die dadurch gegebene Kontrolle von
Abweichungen ist. Die Tarifvertragsparteien haben damit folglich große betriebliche Spielräume eröffnet und durch eine entsprechende Definition der tariflichen Grundlagen mit Wahl- und Entscheidungsoptionen einen großen Teil
der Verantwortung für die Entgeltgestaltung den Betriebsparteien übertragen.
Während dies einerseits Forderungen nach einer betriebsnahen Tarifpolitik
Rechnung trägt, hängt aus der Perspektive der Arbeitnehmervertretungen eine
erfolgreiche Interessenpolitik im Sinne der Beschäftigten damit andererseits
sehr viel stärker von einer mit der Gewerkschaft abgestimmten Positionierung
und von ausreichenden Machtressourcen der Betriebsräte ab. Gewerkschaftspolitisch erfordert ein derartiger Weg des Beschreitens einer betriebsnäheren
Tarifpolitik folglich eine weitergehende Verknüpfung von Tarif- und Betriebspolitik, bei der neben der Mitgliederentwicklung zur Erhöhung des gewerkschaftlichen Organisationsgrades in den Betrieben die „gezielte Verbesserung
der betrieblichen Umsetzungsmöglichkeiten und -instrumente für Tarifverträge“ (Huber et al. 2005, S. 659; vgl. auch Urban 2005) grundlegend in den
Blick genommen und geleistet wird (vgl. Iwer, Wagner 2005; Wetzel 2005).
(2) Andererseits sind mit der gemeinsamen, zeitlich koordinierten Initiative zur
ERA-Einführung in allen bundesdeutschen Tarifgebieten der Metall- und Elek-
102
troindustrie von beiden Tarifvertragsparteien mit großem Aufwand Anstrengungen unternommen worden, dem „Wildwuchs“ betrieblicher Regelungen in
der Eingruppierung und Entgeltthematik entgegenzuwirken und die tarifpolitische Ordnungsfunktion (wieder) zu stärken. Insbesondere deutet die
ERA-Einführung auf eine Stärkung von flexiblen Reaktionsweisen der Kollektivakteure in den zentralen Produktionsbranchen hin, indem die Akteure, Verfahren und Institutionen in diesem Feld mit den gegenwärtigen Herausforderungen konstruktiv umgehen (Schmierl 2001, 2003, 2003b; Heidling et al.
2004; Meil et al. 2003).
Mitentscheidend in dieser Hinsicht ist auch die Tatsache, dass es mit ERA
erstmals gelungen ist, die Entgeltregelungen maßgeblicher Belegschaftsteile –
der vormaligen Angestellten – durch die Definition als Leistungsentgelte in die
Mitbestimmung durch die Betriebsräte einzubeziehen. Die ERA-Tarifverträge
gelten bislang zwar nach Aussage der Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände nur für rund 30% der Beschäftigten (unter Einbeziehung der neu abgeschlossenen Entgelttarifverträge in der Metall- und Elektroindustrie), werden
aber ohne Zweifel den zukünftigen Standard in der Industrie sowie in den
Dienstleistungssektoren darstellen und für die Arbeitsbedingungen und -beziehungen entscheidende Kollektivvertragsnormierungen bereitstellen. Auch die
Befunde der empirischen Begleitforschung in Thüringen lassen darauf schließen, dass mit der ERA-Einführung die kollektiven Interessenvertretungsverbände im Allgemeinen und die Gewerkschaft im Besonderen gestärkt aus dem
Umsetzungsprozess hervorgehen und Terrain sowohl in der Wahrnehmung der
Belegschaften als auch der Unternehmen gutmachen konnten (s. Kapitel 8).
Darüber hinaus werden die in der sozialwissenschaftlichen Forschung mit der
Verbetrieblichung und Erosion kollektiver Interessenvertretung in Verbindung
gebrachten neuen, direkten Partizipationschancen von Beschäftigten in modernen Betriebs- und Arbeitsformen, die es erlauben würden, die eigenen Interessen bilateral durchzusetzen und den Betriebsrat institutionell zu übergehen
(Müller-Jentsch 2000), mit ERA offenbar nicht in diesem (von manchen befürchteten) Sinn befördert. Vielmehr zeigt die in allen Fällen gestiegene Zustimmung der Belegschaften zur Betriebsratsarbeit eine Stärkung der Institution Betriebsrat an. In diesem Sinne deuten die Befunde zur Einführung der
neuen ERA-Tarifverträge eine positive Antwort auf die Frage an (Hassel, Leif
2002; Schmierl 2003a; Frerichs, Pohl 2001; Fichter et al. 2001), ob und inwieweit die Gewerkschaften als Kollektivakteure auch künftig in der zunehmend
gewandelten Arbeitsgesellschaft Bestand haben werden, bzw. sie geben Hinweise darauf, in welcher Richtung Reformen zur Bewältigung der „grundlegenden Herausforderungen“ (OBS 2002) erforderlich sind.
103
(3) Allerdings wird in diesem Zusammenhang die künftige verbandspolitische
Entwicklung mitentscheidend dafür sein, inwieweit sich die ERA-Umsetzung
letztlich auch als Instrument der Mitgliedergewinnung und -entwicklung (Dribbusch 2002; Huber et al. 2005) für die Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände
in der Metall- und Elektroindustrie erweist. Dies hängt sicherlich auch von der
Akzeptanz der ERA-Einführung in den Betrieben und der Beurteilung der Rolle von betrieblichen und überbetrieblichen Interessenvertretungsorganisationen
in diesem Prozess durch die Belegschaft und die Betriebsleitungen ab. Die
Anlage des Begleitforschungsprojekts erlaubt allerdings aufgrund der doch
sehr beschränkten empirischen Repräsentativität dazu keine allgemein zutreffende Aussage. Die Erfahrungen in den Untersuchungsbetrieben verweisen allerdings darauf, dass aufgrund der breiten ERA-Akzeptanz eine derartige Mitgliederrekrutierung durchaus gelingen könnte, hierfür aber die Betriebsräte und
Gewerkschaftsfunktionäre diese Aufgabe auch tatsächlich ausdrücklich in ihren Zielekanon einbeziehen müssten. Demgegenüber steht dort aber gegenwärtig die praktische ERA-Umsetzung so weit im Vordergrund, dass die Gefahr
besteht, derartige Chancen zur Stärkung der eigenen Machtbasis in den Unternehmen sowie der Verhandlungsfähigkeit von Betriebsräten zu vergeben.
11. Zusammenfassung der Kernbefunde
Mit dem vorliegenden ISF-Forschungsbericht wurden in Kürze die wesentlichen Ergebnisse des Projekts „Sozialwissenschaftliche Begleitforschung zur
ERA-Einführung im Bereich der Metall- und Elektroindustrie Thüringens“
vorgestellt, das im Auftrag der Otto Brenner Stiftung, Frankfurt/Main und Berlin, von April 2005 bis Mai 2008 bearbeitet wurde. Die Begleitforschung wurde vom Institut für Sozialwissenschaftliche Forschung e.V. – ISF München
(Projektbearbeiter: Klaus Schmierl) durchgeführt und mit der IG Metall Bezirksleitung in Frankfurt und dem Thüringer Arbeitgeberverband VMET in
Erfurt sowie dem Institut der Wirtschaft Thüringens (IWT) in Erfurt abgestimmt.
Am Beispiel von drei typischen Unternehmen der Metall- und Elektroindustrie
Thüringens wurden exemplarische Verlaufsformen der Einführung des neuen
Entgeltrahmenabkommens (ERA) im Tarifgebiet Thüringen vorgestellt. Es
wurde auf besondere Einführungsprobleme, spezifische Betroffenheiten von
Belegschaftsgruppen sowie Vor- und Nachteile von ERA für diese eingegangen. Bei den analysierten Unternehmen handelt es sich um Vorreiterunternehmen, die als „Leuchttürme“ in den letzten beiden Jahren ERA in Thüringen als
104
Erste eingeführt und umgesetzt haben. In zwei Empiriewellen (Sommer 2006
und Sommer 2007) wurden leitfadengestützte qualitative Experteninterviews
mit den Betriebsräten, den Personalleitungen und den betroffenen Arbeitskräften geführt. Ergänzend zu den Erhebungen in den Betrieben fanden Gespräche
mit Vertretern des Arbeitgeberverbands und der IG Metall Bezirksleitung statt.
Mit der sozialwissenschaftlichen Begleitforschung verbanden sich im Hinblick
auf den Projektauftrag im Wesentlichen zwei Zielsetzungen:
¾ In empirischer Perspektive ging es um eine Untersuchung der Vorgehensweisen, Umsetzungschancen und -schritte bei der Einführung des ERA und
deren Praxis und Akzeptanz in den Betrieben. Besonderes Augenmerk galt
dabei dem Umgang mit der für das Tarifgebiet Thüringen vereinbarten „Tariflichen Entsprechung“; hierbei handelt es sich um ein tariflich vereinbartes Instrument im ERA-Tarifvertrag, das den Arbeitgebern die Wahl zwischen einer Neubewertung aller Arbeitsplätze/Arbeitskräfte des Betriebs
und der Anwendung einer Analogietabelle mit Nennung der alten Lohnbzw. Gehaltsgruppe und der neuen Entgeltgruppe (als pauschales Äquivalent) überlässt.
¾ In analytischer Perspektive ging es um die Untersuchung der mit dem ERA
zusammenhängenden machtpolitischen Veränderungen in den betrieblichen
Arbeitsbeziehungen. Hierbei stand die Bewertung der mit der ERA-Einführung einhergehenden (neuen) Bedeutung von zentralen, jedoch umfassend
veränderten Verhandlungsfeldern in der Metall- und Elektroindustrie im
Mittelpunkt. Zudem sollten ostdeutsche Besonderheiten bei der ERA-Umsetzung analysiert werden.
Die Kern-Ergebnisse lassen sich folgendermaßen zusammenfassen:
1. Die Tarifliche Entsprechung gab den Betrieben bei der Eingruppierung offenbar eine geeignete Methodik an die Hand, mit vergleichsweise überschaubarem Arbeitsaufwand eine Überleitung der alten Entgeltsystematik in eine
neue Entgelttabelle vorzunehmen. Sie dürfte mitverantwortlich dafür gewesen sein, dass alle Untersuchungsbetriebe eine zügige und schnelle Umsetzung des ERA bewältigten. Zudem wurde das Instrument insofern flexibel
gehandhabt, als für (quantitativ geringe) Anteile der Belegschaft in Abstimmung mit dem Betriebsrat zusätzlich neue Arbeitsbewertungen als Grundlage der neuen Eingruppierungen durchgeführt wurden.
2. Bei der Anwendung des ERA zeichneten sich im Rahmen der Arbeitsbewertungen in allen Untersuchungsbetrieben ähnliche Definitions- bzw. Interpretationsprobleme ab: die Verfahren der Anwendung und Zuweisung
105
der mit ERA neu eingeführten Zusatzstufen für dispositive Aufgaben bzw.
Führungsfunktionen, die tatsächliche Anwendbarkeit der Niveaubeispiele
auf die betrieblichen Anforderungsprofile sowie die Wirkung, der Berechnungsmodus und die Ausschüttungsverfahren der tariflichen Ausgleichszulagen bei Überschreitern bzw. der Anpassungsbeträge bei Unterschreitern.
3. Während die neuen Eingruppierungen bereits zeitnah zur Umsetzung des
ERA aktualisiert werden konnten, erforderten die Regelungen des ERA zu
den neuen Entgeltgrundsätzen grundlegendere Vorbereitungen und Umsetzungsschritte. Im Fall der Überführung klassischer Leistungslohnformen
(Prämienlohn) in die neuen ERA-Leistungsentgelte musste eine Entkopplung vom ERA-Einführungszeitpunkt vorgenommen werden, so dass diese
etwas zeitverzögert eingeführt wurden. Die Anwendung der Zeitentgelte
mit Beurteilung, wofür das ERA eine neue Durchschnittsregelung vorsieht,
erforderte einerseits einen höheren internen Begründungsaufwand und andererseits eine betriebliche Überprüfung der subjektiven, seitens der Vorgesetzten in die Leistungsbeurteilung einfließenden Bewertungsfaktoren.
4. Im Hinblick auf die Betroffenheit unterschiedlicher Belegschaftsgruppierungen lassen sich prinzipiell begünstigte und benachteiligte Beschäftigtengruppen erkennen. Begünstigte sind in der Regel die Unterschreiter, die mit
ERA ein höheres Grundentgelt erhalten: in Thüringen die vormals gewerblichen Mitarbeiter, ebenso niedrige kaufmännische Angestelltengruppen. Zu
den Verlierern zählen die Überschreiter, die mit ERA ein geringeres Grundentgelt erhalten würden, würde die Besitzstandswahrung nicht ihr individuelles Entgelt absichern: die höheren kaufmännischen Angestellten (K4, K5,
K6) und vor allem die höheren technischen Angestellten der „alten“ Gehaltsgruppen T4, T5, T6. Aufgrund der im ERA geregelten Besitzstandswahrung und Absicherung der Bruttoentgelte entfalteten sich zwar keine
weitergehenden Proteste oder Widerstände im Betrieb; allerdings führten
die durchaus komplizierten Ausgleichsberechnungen in den neuen Entgeltübersichten zunächst zu Verunsicherung bei den Beschäftigten. Die Akzeptanz von ERA wurde in den Betrieben in diesen Fällen insbesondere durch
eine umfassende Informationspolitik seitens der Personalleitungen und entsprechende Beratungen durch den und mit dem Betriebsrat hergestellt.
5. Mit der ERA-Einführung wird die Einrichtung einer betrieblichen Paritätischen Kommission für Meinungsverschiedenheiten im Zusammenhang mit
der Arbeitsbewertung und Eingruppierung sowie hinsichtlich der neuen
Grundsätze der Entgeltgestaltung vorgegeben. Diese Paritätischen Kommissionen setzen sich aus vier betriebsangehörigen Mitgliedern zusammen, die
zur Hälfte vom Arbeitgeber und zur Hälfte vom Betriebsrat benannt werden.
106
Dieses Instrument zur Verhandlung von Reklamationen wurde bereits in der
Anfangsphase der ERA-Einführung sehr intensiv – speziell beim Thema der
Überschreiter und Unterschreiter – genutzt und durchweg als sinnvolle Instanz zur betrieblichen Konfliktlösung angesehen.
6. Die Umsetzung des ERA war in keinem Fall ursächlich für organisatorische
Umstellungen verantwortlich und entfaltete auch keinerlei Beschäftigungseffekte oder personalpolitische Wirkungen. ERA erfüllte damit aber auch
nicht die Hoffnungen insbesondere der Gewerkschaft auf eine Impuls- und
Inkubatorfunktion für moderne Arbeitsformen und neue Produktionstypen.
7. Von den Personalleitungen und Betriebsräten, aber auch von den Beschäftigten wird eine übereinstimmende positive Einschätzung und Gesamtbewertung des ERA im Hinblick auf die Erreichung der Zielsetzungen sowie
die Vorteile vorgenommen: eine gerechtere Entgeltpolitik und höhere Entgelttransparenz für die Beschäftigten aufgrund der systematischen Anwendung von Tätigkeitsbeschreibungen; die Aufhebung der Trennung zwischen
Lohn- und Gehaltsempfängern sowie eine höhere Durchlässigkeit durch
einheitliche Funktionsbeschreibungen; eine bessere Eingruppierung von
Mitarbeitern besonders im gewerblichen Segment entsprechend der Ausbildung und Berufserfahrung; die Förderung der Weiterbildungsbereitschaft
und bessere Karriereperspektiven sowie bessere Differenzierungsmöglichkeiten in den höheren Entgeltgruppen durch zusätzliche Entgeltgruppen
bzw. Zusatzstufen.
8. Den Betriebsräten wird seitens der Beschäftigten eine hohe Beratungs- und
Informationskompetenz sowie interessenpolitische Vertretungsmacht bei
der Einführung des ERA zugeschrieben; dies deutet eine Stärkung der Institution Betriebsrat in diesen Unternehmen an. Zugleich zeichnet sich eine
gestiegene Wertschätzung der Gewerkschaft bei den Betriebsräten, aber
auch in den Belegschaften aufgrund deren Rolle beim Abschluss und bei
der Einführung des ERA an. Allerdings wirkt sich dies nicht in Gewerkschaftseintritten oder einer Erhöhung des gewerkschaftlichen Organisationsgrads aus.
9. Mit der bis Mitte bzw. Ende 2008 nahezu komplett vollzogenen ERA-Einführung in allen tarifgebundenen Unternehmen in Thüringen gelang es offenbar, dem „Wildwuchs“ betrieblicher Regelungen in der Eingruppierung
und Entgeltthematik entgegenzuwirken und die tarifpolitische Ordnungsfunktion des Flächentarifvertrags in den Unternehmen mit Tarifbindung
(wieder) zu stärken. Allerdings liegt deren Anteil in Thüringen nach wie
vor extrem niedrig und hat sich auch mit der Einführung des ERA nicht
107
nennenswert verändert. Mitentscheidend für eine Bewertung seitens der Gewerkschaft ist in dieser Hinsicht auch die Tatsache, dass es mit ERA gelungen ist, die Entgeltregelungen maßgeblicher Belegschaftsteile – der vormaligen Angestellten – durch die Definition als Leistungsentgelte in die Mitbestimmung durch die Betriebsräte einzubeziehen.
Abschließend sei im Hinblick auf die Bewertung der Befunde auf die methodische Anlage der Begleitforschung verwiesen, die eine weite Generalisierung
(z.B. auf die ERA-Einführung in Ostdeutschland) ohne eine breitere empirische Überprüfung verbietet. Mit dem Forschungsdesign war nämlich weniger
eine quantitative Erhebung im Sinne statistischer Repräsentativität angestrebt
als vielmehr eine in die Tiefe gehende qualitative Analyse der typischen Problembedingungen, der spezifischen Wechselwirkungen zwischen betrieblichen
Verhandlungsfeldern und der maßgeblichen Folgen des ERA im Betrieb. Bei
der Auswahl der Untersuchungsbetriebe wurde infolgedessen versucht, exemplarische Typen von Unternehmen zu identifizieren, die durch jeweils spezifische Bedingungen (Teilbranche und Produktspektrum, Betriebsgröße, Angestelltenanteil) charakterisiert sind und gewissermaßen als repräsentativ für
Betriebe mit ähnlichen betriebsstrukturellen Ausgangsbedingungen betrachtet
werden können. In diesem Sinne wurden Pilotbetriebe des Tarifgebiets untersucht, deren Erfahrungen als prototypisch gelten und (insbesondere durch die
Evaluierung des Instruments der Regelüberleitung „Tarifliche Entsprechung“)
für künftige gewerkschafts- und tarifpolitische Umsetzungsstrategien genutzt
werden können.
108
Anhang: Regelung Tariflicher Entsprechung im ERA Thüringen
Tarifvertrag zur Einführung des Entgeltrahmenabkommens, Anlage 1
109
110
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