der rennbahnspion

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der rennbahnspion
DER RENNBAHNSPION
Unabhängige Kolumne über die Pferderennsport-Szene - 40. Ausgabe – 12.April 2011
Das Ende des Münchner Possenspiels
München ist neben Berlin und Hamburg eine der wenigen deutschen Städte, die (noch) zwei Rennbahnen
beheimatet. Da ist auf der einen Seite die Galopprennbahn im Stadtteil Riem nahe des alten
Flughafengeländes, auf dem heute die Neue Messe steht, und auf der anderen – nur 600 Meter Luftlinie
entfernt – die Trabrennbahn Daglfing. Zwischen den beiden Arenen liegt die Olympia-Reitanlage, auf der
1972 die deutsche Equipe um Hans-Günter Winkler Gold im Springreiten holte. Heute befindet sich auf dem
historischen Gelände ein modernes Zentrum für Pferdesport und Pferdezucht. Alles dreht sich also um die
edlen Vierbeiner im Münchner Osten, und das schon seit Jahrzehnten.
Der Umgang miteinander war stets fair, gar freundschaftlich, auch zwischen den Rennbahnen, die beide auf
eine mehr als hundertjährige Geschichte zurückblicken. Man tat sich nichts, zumal die Traber lange in einer
ganz anderen Liga spielten als die Galopper. Daglfing stieg in den 70er Jahren zu einer Hochburg des
europäischen Trabrennsports auf, lockte regelmäßig die weltbesten Pferde und Fahrer an die Isar und
schraubte nebenbei seine Wettumsätze in schwindelerregende Höhen. Die Riemer dagegen fristeten
seinerzeit eher ein Provinzdasein. Auch deshalb waren die Traber stets gern gesehene Gäste in Riem. Eine
große Tradition und Popularität besaßen schon damals die zwei Sulkyfahren, die an beinahe jedem Renntag
auf der Riemer Grasbahn ausgetragen und nicht nur vom wettenden Publikum goutiert wurden.
Heute, im Frühjahr 2011, ist nichts mehr wie es war. Die beiden Münchner Rennbahnen liegen seit Jahren im
Clinch, wobei ausgerechnet die Trabrennen auf der Galopprennbahn unlängst für einen neuen Eklat sorgten.
Spätestens seit der Jahrtausendwende entwickelten sich beide Veranstalter völlig diametral. Während Riem
aus seinem Dornröschenschlaf erwachte, mit viel Liebe zum Detail zu einer der schönsten Anlagen
Deutschlands hergerichtet wurde und regelrecht aufblühte, befand sich Daglfing infolge gravierenden
Missmanagements längst auf dem absteigenden Ast, verschwand nicht nur international in der
Bedeutungslosigkeit und steht heute vor einer ungewissen Zukunft, wenn nicht gar vor dem endgültigen Aus.
Um den finanziellen Kollaps abzuwenden, haben die Daglfinger ihr runtergekommenes Gelände an einen
Bauträger verscherbelt. Der muss den Trabern zwar eine neue Bahn bauen, wann und wo steht allerdings in
den Sternen. Der geplante Standort Maisach in der Münchner Peripherie ließ sich wegen planungsrechtlicher
Hürden bislang nicht realisieren.
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DER RENNBAHNSPION
Unabhängige Kolumne über die Pferderennsport-Szene - 40. Ausgabe – 12.April 2011
Unterdessen hat sich das Wettverhalten in Deutschland deutlich verändert. Gezockt wird schon lange nicht
mehr nur auf der Rennbahn, ein Großteil des Wettumsatzes wird „off track“ generiert, also durch Einsätze
bei Buchmachern, in Wettshops oder über das Internet, dessen Bedeutung ständig zunimmt. Allerdings will
der Kunde, der über die Außenschiene wettet, bewegte Bilder sehen, via TV oder als Stream. Heute eine
Rennveranstaltung abzuhalten ohne Livebilder ist betriebswirtschaftliches Harakiri. Der mit Abstand
begehrteste Sendetermin ist freilich der Sonntag, an dem am liebsten alle Rennveranstalter auf den „Schirm“
wollen. Die Kapazitäten auf der jeweiligen Satellitenfrequenz sind jedoch streng limitiert und werden vom
deutschen Dachverband (Galopper) bzw. Zentralvermarkter (Traber) vergeben.
Auch Daglfing und Riem unterliegen diesem Diktat „von oben“, wobei die Rechteverwerter der Traber und
Galopper keinerlei Rücksicht aufeinander nehmen. Entweder man nimmt die vorgegebenen Termine wahr oder veranstaltet nicht, was in München schon seit einigen Jahren regelmäßig zu absurden
Überschneidungen führt. Dass die Traber am Sonntagnachmittag in Daglfing und gleichzeitig - 600 Meter
weiter östlich - die Galopper in Riem ihre Wettkämpfe austragen, wäre früher undenkbar gewesen, ist
mittlerweile aber zur Gewohnheit geworden. Viele Rennsportfans schätzen dieses Kuriosum nicht, müssen
sie sich doch immer wieder für eine der beiden Rennbahnen entscheiden. Die deutliche Mehrheit präferiert
den schmucken Rennplatz in Riem. So auch am ersten April-Sonntag, als beim Saisonauftakt der Galopper
6.000 Besucher gezählt wurden, während sich bei der Traber-Konkurrenz vielleicht ein Zehntel davon verlor.
Da die Riemer nach dem langen Winter mit erschwerten Trainingsbedingungen befürchteten, das Programm
auf Anhieb nicht adäquat mit Galopprennen bestücken zu können, beabsichtigten sie, vorsichtshalber zwei
Trabfahren ins Programm aufzunehmen. Ungewöhnlich und neu deshalb, da auch die Daglfinger für jenen 3.
April einen Renntag terminiert hatten und Trabfahren in Riem bei gleichzeitigen Daglfinger Veranstaltungen
bislang tabu waren. Der Daglfinger Präsident Max Stadler hatte auf entsprechende Nachfrage der Riemer im
Januar jedoch keine Einwände, und so reichte man im März die Ausschreibung beim deutschen TraberHauptverband HVT ein. So weit, so gut. Das böse Erwachen kam am Tag der Starterangabe, die für die
beiden Riemer Trabfahren beim HVT stattfand. Obwohl bis zum offiziellen Meldeschluss für die beiden
Rennen nur vier bzw. sieben und damit deutlich zu wenig Pferde genannt wurden, verlängerte man die
Starterangabe entgegen sonstigen Gepflogenheiten nicht um ein einzige Minute und versah stattdessen das
Vier-Pferde-Rennen gleich mit einem dicken roten Strich. Für große Verunsicherung vieler Startwilliger
sorgte die Aussage der zuständigen HVT-Sachbearbeiterin, dass die Riemer Trabfahren doch vom
bayerischen Trainer-Verband boykottiert würden und deshalb wohl ohnehin nicht zustande kämen. Nichts
vom Boykott seiner Kollegen wusste kurioserweise Trainer Josef Sparber, einer der erfolgreichsten und
ambitioniertesten seiner Zunft, der mit großem Engagement so manche Traber-Veranstaltung in der jüngeren
Vergangenheit im Alleingang gerettet hat.
Auch die Riemer hatten mittlerweile Wind von der Aktion bekommen, die offenbar von Traber-Chef Max
Stadler und seinem Günstling Gerd Biendl, dem Vorstand der bayerischen Trainer, initiiert worden war. Sie
beantragten beim HVT die Verlängerung der Starterangabe bis 16 Uhr, wurden jedoch von Dr. Örs Katona,
der beim HVT das ansonsten eher lethargische Büro für Sicherheit und Ordnung leitet, brüsk abgewiesen.
Am Ende dieser Posse fand statt der geplanten zwei nur ein Trabrennen mit gerade einmal sechs Teilnehmern
(einer wurde nachträglich abgemeldet) statt. Es war, zumindest für lange Zeit, der letzte Auftritt der
Sulkyfraktion auf der Münchner Galopprennbahn (geplant waren 2011 noch mindestens zwei weitere
Renntage mit Traberbeteiligung). Die Verantwortlichen in Riem hatten das Signal des Nachbarn vernommen
und ad hoc beschlossen, unter ihrer Ägide keine Trabfahren mehr auszuschreiben. Den Nagel auf den Kopf
traf Riems Rennkommentator Willi Zwingmann. „Das ist der Start des Max-Stadler-Gedächtnisrennens“,
lautete seine launige Anmoderation des letzten Riemer Trabfahrens.
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