Klausurbesprechung Strafrecht
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Klausurbesprechung Strafrecht
KLAUSURBESPRECHUNG STRAFRECHT PROF. DR. GERHARD DANNECKER AUFGABE 1 • 1. Tatkomplex: Der Brand • 2. Tatkomplex: Die Unfälle • 3. Tatkomplex: Auf dem Parkplatz 1. TATKOMPLEX: DER BRAND Strafbarkeit des B I. § 306 Abs. 1 Nr. 1 II. § 306a Abs. 1 Nr. 1 III. § 306a Abs. 2 IV. § 306d Abs. 1 3. Var. V. § 306b Abs. 1 VI. § 265 Abs. 1 VII. § 306b Abs. 2 Nr. 2 VIII.Konkurrenzen I. § 306 I NR. 1 • Objektiver Tatbestand • fremdes Gebäude (+) • in Brand gesetzt (+) • Subjektiver Tatbestand (+) • Rechtswidrigkeit • Nach g.h.M. stellt der Tatbestand ein Sachbeschädigungsdelikt dar und ist daher trotz seines Verbrechenscharakters einwilligungsfähig • Einwilligung oder mutmaßliche Einwilligung des E (-) • §§ 303, 305 treten im Wege der Spezialität zurück II. § 306A I NR. 1 • das Haus diente B und E zu Wohnzwecken • Entwidmung (-), da keine Entwidmung durch E, die von dem Brand nichts weiß • (P) teleologischen Reduktion, wenn nach der Sachlage eine Gefährdung von Personen ausgeschlossen ist • § 306a Abs. 1 Nr. 1 (+) (a.A. vertretbar) III. § 306A II • Tatobjekt iSd § 306 I (+) • Gesundheitsschädigung eines anderen Menschen (+) • (P) Zurechenbarkeit des Erfolges: eigenverantwortliches Verhalten eines eingreifenden Retters • Bejaht man die objektive Zurechnung, muss der subjektive Tatbestand mangels Gefährdungsvorsatzes des B verneint werden • § 306a II (-) IV. § 306D I 3. VAR. • Rechnet man B die Gesundheitsschädigung des A zu, trifft ihn der Fahrlässigkeitsvorwurf, sodass § 306d I 3. Variante zu bejahen ist. V. § 306B I • schweren Gesundheitsschädigung (-), da man darunter eine Folge im Sinne des § 226 oder zumindest eine vergleichbar schwere Folge versteht • § 306b I (-) VI. § 265 I • B hat das versicherte Haus durch die Brandlegung vorsätzlich beschädigt • Dabei wollte er E Leistungen aus der Brandversicherung verschaffen. • (P) Analoge Anwendung der Vorschriften über die tätige Reue? • Arg: B hat dafür gesorgt, dass die Brandversicherung nicht in Anspruch genommen wird • h.M.: keine Gesetzeslücke, weil die Frage dem Gesetzgeber bekannt gewesen sei, der gerade keine Regelung getroffen habe VII. § 306B II NR. 2 • B hat die Wohnung in Brand gesetzt, um E Leistungen aus der Brandversicherung zu verschaffen • BGH: für die Absicht, eine „andere“ Straftat zu ermöglichen, genügen Straftaten, die – wie § 265 – mit der Brandstiftungshandlung zusammenfallen, nicht • Arg: § 265 ist häufig im Vorfeld des § 263 angesiedelt und die namentlich von der Rechtsprechung befürwortete Einbeziehung des § 263 in § 306b II Nr. 2 ist sehr fragwürdig VIII. KONKURRENZEN • (P) Konkurrenzverhältnis zwischen § 306a Abs. 1 und § 306 • h.M.: Konsumtion, da § 306a fremde Gebäude einschließe und auch dem § 306 ein Element der Gemeingefährlichkeit innewohne. • Betont man dem gegenüber die unterschiedlichen Schutzrichtungen (abstraktes Gefährdungsdelikt einerseits, Eigentumsdelikt andererseits), lässt sich auch Tateinheit annehmen. • Bejaht man § 306d Abs. 1 3. Var., so ist mit dieser Vorschrift wegen ihrer besonderen individuellen Schutzrichtung Tateinheit anzunehmen. • Tateinheit mit § 265 2. TATKOMPLEX: DIE UNFÄLLE A. Strafbarkeit des A I. § 222 II. § 229 III. § 315c Abs. 1 Nr. 1a, Nr. 2b, Abs. 3 Nr. 2 IV. § 316 Abs. 1, Abs. 2 I. § 222 • Sorgfaltspflichtverletzungen: Fahren im Zustand der Fahruntüchtigkeit, zu geringer Seitenabstand • Kausalverlauf objektiv voraussehbar? • Tod des R grds. (+) • Besonderheit: Tod des R ist auf eine „medizinische Rarität“, also auf einen außergewöhnlichen, nicht voraussehbaren Kausalfaktor zurückzuführen • Rspr: Voraussehbarkeit des Erfolges im Endergebnis genüge und komme insoweit nicht auf die Einzelheiten des dahin führenden Kausalverlaufs an, es sei denn, dass der Kausalverlauf so sehr außerhalb aller Lebenserfahrung liegt, dass niemand mit ihm zu rechnen braucht. • Mit „medizinischen Raritäten“, die letztlich den Tod bedingen, hat sich die Rechtsprechung auch im Rahmen des § 227 auseinandergesetzt und selbst dort die fragliche Endergebnis-Formel bemüht und mit ihr die tödliche Folge zugerechnet. • Bejaht man die objektive Voraussehbarkeit: § 222 (+) II. § 229 • wurde die objektive Voraussehbarkeit des Todes abgelehnt, muss § 229 angesprochen und bejaht werden III. § 315C I NR. 1A, NR. 2B, III NR. 2 • Tathandlung des § 315c I Nr. 1 a (+) • Tathandlung des § 315c I Nr. 2b (-), da die Merkmale „grob verkehrswidrig“ und „rücksichtslos“ nicht erfüllt sind • konkreter Gefahrerfolg (+), zumindest Leibesgefahr des R • Zurechnungszusammenhang (-) • das ausschlaggebende Fehlverhalten (der zu geringe Seitenabstand) ist ein häufig vorkommender Fahrfehler, der auch vielen nicht alkoholisierten Autofahrern unterläuft; deshalb kann nicht gesagt werden, dass der konkrete Gefahrerfolg vermieden worden wäre, wenn A nicht eine so hohe Blutalkoholkonzentration aufgewiesen hätte, sondern nüchtern gewesen wäre IV. § 316 I, II • A begeht eine fahrlässige Trunkenheitsfahrt gemäß § 316 I, II • Diese steht mit § 222 bzw. § 229 in Tateinheit. B. STRAFBARKEIT DES M I. II. III. IV. V. VI. § 142 Abs. 1 Nr. 1 § 267 Abs. 1 2. Var. § 267 Abs. 1 1. Var. § 267 Abs. 1 3. Var. § 274 Abs. 1 Nr. 1 Konkurrenzen I. § 142 I NR. 1 • Sachschaden von 200 Euro ist nicht ganz unerheblich ist • A als feststellungsbereite Person anwesend • § 142 I Nr. 1 (+) II. § 267 I 2. VAR. • Verfälschen einer echten Urkunde • dem Nummernschild als solchem kommt keine Beweisfunktion zu, wohl aber in Verbindung mit dem Kraftfahrzeug –> zusammengesetzte Urkunde • Diesen Erklärungsinhalt verändert M, weil nunmehr mit Hilfe des Nummernschildes der Halter nicht ermittelt werden kann. • M kommt es darauf an, seine Identifizierung mit Hilfe des Nummernschildes unmöglich zu machen (Täuschungsabsicht) • § 267 I 2. Var. (+) III. § 267 I 1 1. VAR. • unechte Urkunde (+), weil die Erklärung nicht mehr vom Aussteller stammt. • § 267 I 1. Var. (+) IV. § 267 I 3. VAR. • M gebraucht die verfälschte Urkunde, indem er sich mit dem Kraftfahrzeug in den öffentlichen Straßenverkehr begibt. • § 267 I 3. Var. (+) V. § 274 I NR. 1 • Bezüglich des „Gehörens“ kommt es nicht auf die Eigentumsverhältnisse, sondern auf ein Beweisführungsrecht an. • Ein solches Beweisführungsrecht haben (potentiell) geschädigte andere Verkehrsteilnehmer. • M kommt es gerade darauf an, A einen Beweisführungsnachteil zuzufügen. • § 274 I Nr. 1 (+) VI. KONKURRENZEN • die §§ 267 I 1. Var. und 274 I Nr. 1 treten als typische Begleittaten hinter § 267 I 2. Var. im Wege der Konsumtion zurück • Die Verwirklichung der 2. und 3. Var. bildet ein einheitliches Delikt der Urkundenfälschung. • Mit § 142 I besteht Tatmehrheit. 3. TATKOMPLEX: AUF DEM PARKPLATZ A. Strafbarkeit des A I. §§ 239 Abs. 1 und 2, 22 II. §§ 240 Abs. 1 bis 3, 22 III. § 223 Abs. 1 B. Strafbarkeit des M • §§ 240, 22 I. §§ 239 I, II, 22 • A wollte M bis zum Eintreffen der Polizei festhalten (Freiheitsberaubung auf sonstige Weise) • Unmittelbares Ansetzen (+) • Rechtfertigung gem. § 229 BGB ? • Eine Selbsthilfelage liegt vor • Die erforderliche Selbsthilfehandlung besteht in der (gewollten) Festnahme des fluchtverdächtigen und verpflichteten M zur Personalienfeststellung. • A handelte auch zum Zwecke der Selbsthilfe. • Rechtfertigung gem. § 229 BGB (+) • Strafbarkeit gem. §§ 239 I, II, 22 StGB (-) II. §§ 240 I - III, 22 • der Versuch des A, M mit Gewalt zur Duldung der Festnahme zu zwingen, ist ebenfalls durch § 229 BGB gerechtfertigt • §§ 240 I – III, 22 StGB (-) III. § 223 I • objektiver und subjektiver Tatbestand (+) • Rechtfertigung nach § 32 ? • VSS: gegenwärtiger rechtswidriger Angriff • (+), wenn A ein Besitzrecht an der Tasche des M hat • ergibt sich ggf. aus § 229 BG • dem § 230 II BGB könnte man jedoch entnehmen, dass § 229 BGB die Wegnahme von Sachen als Druckmittel nicht gestattet • BGH: erlaubt auch die Wegnahme einer Sache als bloßes Druckmittel, um den fluchtverdächtigen Schuldner zur Feststellung seiner Personalien zu bewegen • Rechtswidriger Angriff (+), den A mit dem Faustschlag gegenüber dem stärkeren M in erforderlicher Weise abgewehrt hat. • A handelt gerechtfertigt (a.A. vertretbar) • § 223 I (-) B. STRAFBARKEIT DES M §§ 240, 22 • Vorsatz, A mit Gewalt zu nötigen, die Wegnahme seiner Laptoptasche zu dulden (+) • Rechtfertigung (-) • Vermeidbarer Verbotsirrtum (+) • §§ 240, 22 (+), Strafmilderung gem. § 49 2. AUFGABE • § 264 Abs. 1 StPO • 151, 155 StPO: Gericht darf nur über Taten befinden, die von der Staatsanwaltschaft angeklagt wurden • Angeklagt ist das Geschehen am Unglücksort des Radfahrers (insb. § 142 I Nr. 1) • Mit der „Tat“ iSd Anklage ist allerdings das historische Geschehen gemeint, nicht der Straftatbestand • (P) Gehört die nach der Unfallflucht erfolgende Kennzeichenmanipulation noch zu dem Tatgeschehen? • Bildet die Kennzeichenmanipulation mit dem davor liegenden geschichtlichen Vorkommnis der Unfallflucht nach der Auffassung des Lebens einen einheitlichen Vorgang? • • Pro: einheitlichen Motivation Contra: Zeitablauf, andere Angriffsrichtung • Tat im prozessualen Sinne: Gericht muss auch darüber befinden, muss den Angeklagten aber nach § 265 I StPO darauf hinweisen, dass er auch wegen Urkundenstraftaten verurteilt werden könnte. • andere prozessuale Tat: Nachtragsanklage vor (§ 266 StPO), der Zustimmung des Gerichts und des Angeklagten bedarf