Ut Unum Sint 01-2016
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Ut Unum Sint 01-2016
Ut unum sint! Botschaft von Pater Giovanni Salerno msp Evangelisierung II «Mir schien es, einen grossen Schatz zu besitzen; ihn wollte ich mit allen teilen.» (Hl. Theresa von Avila) Liebe Freunde Laudetur Jesus Christus In diesem Artikel möchte ich darüber sprechen, wie notwendig es ist, unser Charisma richtig zu verstehen, um nicht Gefahr zu laufen, das Opus Christi Salvatoris Mundi in eine Nichtregierungsorganisation (NGO) zu verwandeln. Wir sind entstanden, um zu evangelisieren, um den Armen die Frohe Botschaft zu überbringen – vor allem in die abgelegensten Regionen. Meine missionarische Erfahrung hat mich davon überzeugt, dass ein Missionar evangelisiert, wenn er auf drei miteinander verbundenen Ebenen tätig wird. Erstens konzentriert sich der Missionar auf die persönliche Umkehr. Hierbei handelt es sich um eine beständige Auf gabe, denn nur in der Nähe des Herzens Jesu, das nach Seelen dürstet, kann man das spüren, was uns Paulus in seinem Brief an die Korinther mitgeteilt hat: «Und wehe mir, wenn ich das Evangelium nicht predigte!» (1Kor 9,16) Zweitens hat der Missionar die Pflicht, in den Herzen der anderen, vor allem der Getauften, die Kreativität des Geistes zu wecken, um alle verfügbaren Mittel zu beschaffen, um den Armen das Brot des Wortes Gottes, das Brot der Eucharistie und das materielle Brot zu bringen. Im Zusammenleben mit den Armen habe ich entdeckt, dass beim Apostolat eine grosse Sünde vorkommt, nämlich das Gute zu unterlassen, das wir tun könnten. Wenn unsere Brüder und Schwestern, Priester und Missionarsfamilien, nicht eines Tages dem Herrn ihr «Ja» gegeben hätten, wie würde die Zukunft unserer Kinder und der Armen aussehen, denen wir helfen und die wir evangelisieren? «Wir haben die Pflicht, wachsam zu sein und die Versuchung zur Gleichgültigkeit zu überwinden (…) Wir müssen lernen, den Armen nahe zu sein. Nehmen wir den Mund nicht voll mit schönen Worten über die Armen! Gehen wir auf sie zu, schauen wir ihnen in die Augen, hören wir ihnen zu! Die Armen sind für uns eine konkrete Gelegenheit, Christus selbst zu begegnen, seinen leidenden Leib zu berühren. (Botschaft von Papst Franziskus zum Weltjugendtag 2014). Drittens beschäftigt sich der Missionar mit der eigentlichen Arbeit der Evangelisierung. Beim Verkünden des Evangeliums erkennt der Missionar, dass das Evangelium alle Lösungen bereithält: Nr. 01/ 2016 nicht nur für Situationen der Sünde und für die seelischen Krankheiten, sondern auch Hilfe für körperliche Krankheiten, den Hunger, den Tod und alle anderen Probleme! Erst beim Missionieren selbst habe ich folgende Worte Christi grundlegend verstanden: «Gehet hin in alle Welt und predigt das Evangelium aller Kreatur!» (Mk 16,15). Dies sind seine schönsten Worte, die er ausgesprochen hat! Aus diesem Grunde werde ich nicht müde zu arbeiten, um den Armen zahlreiche und heilige Missi onare geben zu können. Folglich muss unsere Evangelisierung, die sich auf diesen drei Ebenen abspielt, eine demütige, stille und notwendigerweise vom Kreuze gezeichnete Evangelisierung sein. Ohne Demut verkündigen wir nur uns selbst – auch wenn wir gut vorbereitete Katechesen durchführen; Predigten gespickt mit Zitaten aus der Bibel oder ausgefeilte theologische Reden halten. Wenn wir nicht über die Demut verfügen, die uns empfänglich macht für sein Wort, dann werden wir nur uns selbst verkündigen, das bedeutet, eine begrenzte und vergäng liche Menschlichkeit, die nur die Kraft hat, intellektuell und sentimental vorübergehend Zufriedenheit herzustellen, aber nicht die Kraft, zu retten. Auf diese Weise würden wir Gott, die Kirche, die Armen und uns selbst betrügen. Im vierten Gottesknechtslied, wo die Demut und die Stille prophezeit werden, mit der er seine Erlösermission erfüllt, indem er sich wie ein sanftmütiges Lamm als Opfer darbietet, lernen wir in besonderer Weise, dass unsere Aufgabe darin bestehen muss, eine demütige und stille Evan geli sierung zu betreiben. Wie Christus, der vorangekündigte Diener des Herrn, seine Mission auf diese Weise erfüllt hat, indem er sich Gott Vater für die eigene Braut, die Kirche, angeboten hat, so müssen auch wir in erster Linie Diener Gottes und Diener der Kirche sein, um getreu unsere Mission als Diener der Ärms ten zu erfüllen. Missionar sein zu wollen, ohne sich auf Opfer einzulassen, ist eine Illusion. Seien wir uns darüber im Klaren, dass Gott seine grössten Werke im Stillen vollbracht hat bzw. vollbringt: die Erschaf fung der Welt; die Fleischwerdung seines Sohnes im Schoss einer Frau; der schweigsame, demütige und respektvolle Weg, den er im Herzen eines jeden Menschen im Laufe seiner Umkehr beschreitet, selbst wenn dies äusserlich betrachtet, oft die Merkmale eines plötzlichen Schreies annimmt, ist es in der Tat doch nur das letzte Kapitel einer «stillen» und «verführerischen» Arbeit, die mit viel Geduld vom Herrn vorange trieben wird. Bitten wir die Heilige Maria, die Mutter der Armen und die Königin der Evangelisierung, dass sie uns lehrt, ein wahrer Christophorus (Christusträger) zu sein, fähig, Christus zu unserem Nächsten zu tragen und dabei Zeugnis abzulegen mit einem Leben in Einfachheit und im Geiste der «Nachfolge Christi» (unserer Lebensregel), in einer bedingungslosen Hin gabe an die Kirche, um den Armen zu gehören, sie zu evange lisieren und ihnen zu dienen. Ut unum sint ! 1 Abschnitt Bibel «Hindert ihn nicht…» P. Sebastian Dumont msp (Belgier) Nachdem Jesus die Zwölf eingesetzt und ausgesendet hatte (Mk 3,13–19 und 6,7–13), gab er dieser Gruppe der ersten Missionare einige Anweisungen (vgl. Mk 9,35–50 und 10,32–45). In diesen Anweisungen setzte er den Akzent auf die Haltung des Dienens. Lernen wir von seiner ersten Anweisung. Höre: «Da sagte Johannes zu ihm: Meister, wir haben gesehen, wie jemand in deinem Namen Dämonen austrieb; und wir versuchten, ihn daran zu hindern, weil er uns nicht nachfolgt. Jesus erwiderte: Hindert ihn nicht! Keiner, der in meinem Namen Wunder tut, kann so leicht schlecht von mir reden. Denn, wer nicht gegen uns ist, der ist für uns. Wer euch auch nur einen Becher Wasser zu trinken gibt, weil ihr zu Christus gehört – Amen, ich sage euch: Er wird nicht um seinen Lohn kommen» (Mk 9,38–41). Überlege: Johannes wurde zusammen mit sei nem Bruder Jakobus Donnersohn genannt (Mk 3,17). In einer Situation wollte er nämlich Feuer vom Himmel herabrufen, um ein samaritanisches Dorf zu vernichten, welches Jesus nicht aufgenommen hatte. Was für ein Cha rakter! Auch in jener Situation hatte ihn Jesus zurechtge wiesen (vgl. Lk 9,51–56). Was war nun hier passiert? Sie hatten gesehen, wie jemand im Namen Jesu Dämonen ausgetrieben hatte (vgl. Mk 9,38). Damit dieser Mensch dieses wirkliche Wunder tun konnte, musste er Glauben an die Macht des Namens Jesu haben. Der heilige Pet rus erklärte das Wunder der Heilung eines Gelähmten wie folgt: «Und weil er an seinen Namen geglaubt hat, hat dieser Name den Mann hier, den ihr seht und kennt, zu Kräften gebracht» (Apg 3,16). Der Name Jesu also hatte das Wunder gewirkt. Was war hier das Problem? Dieser Mann folgte ihnen nicht nach. Es bestand keine volle, wirkliche Gemeinschaft mit der Gruppe der Zwölf. Lei der wissen wir – und es schmerzt uns – dass nicht alle, welche an Jesus glauben, in voller Gemeinschaft mit der Katholischen Kirche leben. Nicht alle anerkennen das Lehramt der Nachfolger der Apostel. Trotzdem erlaubt uns dies nicht, sie daran zu hindern, mit Jesus zusammen grosse Werke zu vollbringen. Die Reaktion Jesu gilt auch für uns: Hindert ihn nicht daran. In der Geschichte der Kirche «ist es leider vorgekommen und kommt es immer noch vor, dass Brüder ihre Unterschiede nicht akzeptieren können und dies dazu führt, dass sie gegeneinander Krieg führen», sagte Papst Franziskus am 22. Juni 2015 anlässlich sei nes Besuchs in der Kirche der Waldenser in Turin. Die Waldenser bilden heute einen Teil der protestantischen Kirche. Der Papst lud dort ein, eine neue gegenseitige Sichtweise zu entwickeln: «Vor allem die Grösse unseres gemeinsamen Glaubens, unseres Lebens in Christus und im Heiligen Geist zu betrachten und erst nachher auf die 2 Ut unum sint ! Unterschiede zu schauen, die noch existieren». Jesus ist nicht gekommen, um die Menschen zu verurteilen, sondern um sie zu retten (vgl. Joh 3,17) und er will den glim menden Docht nicht auslöschen (vgl. Mt 12,20). Auch wenn also viele nicht in voller Gemeinschaft mit der Katholischen Kirche stehen, welche auf den Aposteln beruht, dürfen wir sie nicht verurteilen, ihnen die Türe nicht verschliessen. In diesem Zusammenhang ist die Geschichte von Apollos erbaulich, einem Juden aus Alexandria, redekundig und in der Schrift bewandert (Apg 18,24). Er war unterwiesen im Weg des Herrn. Er sprach mit glühendem Geist und trug die Lehre von Jesus genau vor, obwohl er nur die Taufe des Johannes kannte (seine Ausbildung war also unvollständig). Als Aquila und Priscilla das hörten, nah men sie ihn mit sich und legten ihm den Weg Gottes noch genauer dar (vgl. Apg 18,24–26). Ohne in einen Relati vismus oder in eine Verwirrung zu verfallen, indem wir meinen, dass jede Lehre oder Lebensart gleichwertig ist, dürfen wir nicht etwas unterdrücken, das Jesus zu wirken begonnen hat und was zum Heil unserer Brüder führen soll. Muntern wir also diejenigen auf, die an Jesus glau ben, dass sie den Glauben an ihn behalten und bringen wir sie allmählich und mit Liebe dazu, in der Wahrheit zu wachsen. Man darf sie also nicht hindern, sondern muss vielmehr aufrichten, vervollkommnen, vervollständigen, was bereits vorhanden ist. Das ist der Dienst, den Jesus vom Missionar erwartet. Auf dem Weg der Liebe, nie auf dem Weg der Gewalt sollen wir zur Wahrheit gelangen. Ein bisschen Honig zieht mehr Fliegen an als ein Fass Essig … . Das ist wirklicher Dienst am Werk Jesu, näm lich nicht hindern, sondern auf die Menschen schauen, wie er es tat, ohne dass wir uns mit unserer Gruppe abson dern. «Einige, ja sogar viele und bedeutende Elemente oder Güter, aus denen insgesamt die Kirche erbaut wird und ihr Leben gewinnt, können auch ausserhalb der sichtbaren Grenzen der Katholischen Kirche existieren … . All dieses, das von Christus ausgeht und zu ihm hinführt …» (Dekret über den Ökumenismus, N. 3, 2. Vatikanisches Konzil). Seien wir aufmerksam beim Betrachten des Wirkens Christi, um es richtig einzuschätzen. Wenn sich unsere christlichen Brüder geachtet sehen, schreiten sie mit grösserer Freude Richtung Vollkommenheit und – wenn Gott es will – gelangen sie eines Tages dazu, alle Heilsgüter der Katho lischen Kirche zu geniessen. Wir dürfen keine noch so kleine Liebestat, welche im Glauben vollbracht wurde, gering achten; vielmehr müssen wir sie schätzen. Auch wenn sie ebenso unbedeutend scheint wie «einen Becher Wasser zu trinken geben», ist dies der Weg zur Rettung, bedeutet dies, den Schüler aufzunehmen bzw. eine Tür zu öffnen, damit Jesus eintreten kann (vgl. Mk 9,37). Bete: Herr, mach uns zu Erbauern der Einheit und des Friedens in deiner Kirche. Lebe: Ich schätze alles Gute, was Jesus wirkt, und ich bete für die Einheit der Gläubigen. Abschnitt Patristik Frauen im Dienste des Evangeliums (II) P. Walter Corsini msp (Italiener) Mit diesem Artikel setzen wir die kurzen Überlegungen über die weiblichen Personen in der ersten Zeit der Kirche fort und beschliessen diese gleichzeitig auch. Neben dem bisher Gesagten gibt es einige Betrachtungen, die nicht verborgen bleiben dürfen. So ist beispielsweise festzuhal ten, dass der heilige Paulus den kurzen Brief an Philemon auch an eine Frau namens Aphia richtete (vgl. Phlm 2). Lateinische und syrische Übersetzungen des griechischen Textes fügen zum Namen Aphia die Bezeichnung «soror carissima» (geliebte Schwester) an. Es gilt festzuhalten, dass sie in der Gemeinde von Kolossä eine wichtige Stellung eingenommen haben muss. Auf jeden Fall ist sie die einzige Frau, welche vom heiligen Paulus als Empfängerin eines seiner Briefe erwähnt wurde. An anderen Stellen erwähnt der Apostel eine gewisse «Phöbe», welche er als Dienerin (Diakonin) der Gemeinde Kenchreä bezeichnet, ein klei ner Ort mit Hafen östlich von Korinth (vgl. Röm 16,1–2). Auch wenn dieser Titel in jener Zeit nicht die kirchlich hierarchische Stufe meinte, wie es später der Fall war, so zeigt der Titel dennoch, dass Phöbe wirklich eine verant wortungsvolle Aufgabe zugunsten der christlichen Gemein schaft ausübte. Was die Taufen betrifft, wurden diese später in vielen Fällen in Form der Salbung des ganzen Körpers durchgeführt. Im Falle von weiblichen Täuflingen war es deshalb logischer, wenn diese Aufgabe von Frauen ausgeübt wurde. Diese Frauen wurden Diakonissen genannt. Im gleichen Bibeltext erinnert der Apostel mit grosser Feinfühligkeit an andere Frauen, zum Beispiel an eine gewisse Maria und an Tryphäna, Tryphosa, (die liebe) Persis und Julia. Von ihnen schreibt er offen, dass sie «für euch viel Mühe auf sich genommen haben» und «sie für den Herrn grosse Mühe auf sich genommen haben» (Röm 16,6.12a.12b.15). Er unterstreicht damit ihre tiefe kirchliche Verbundenheit. Ebenso sind in der Kirche von Philippi zwei Frauen bekannt, nämlich Evodia und Syn tyche (Phil 4,2). Der Aufruf des heiligen Paulus zur Ein mütigkeit lässt verstehen, dass diese beiden Frauen eine wichtige Funktion innerhalb jener Gemeinschaft ausge übt hatten. Als Schlussfolgerung kann man sagen, dass die Geschichte des Christentums eine ganz andere Entwick lung genommen hätte, wenn es nicht auf den grosszügigen Beitrag von vielen Frauen hätte zählen können. Wenn wir einen Blick in die ersten Jahrhunderte der Kirche wer fen, denken wir an eine Vielzahl von Frauen, welche sich zum Christentum bekehrt haben, vorher einem heidni schen Familienumfeld angehört hatten und unter vielen Schwierigkeiten – manchmal bis zum Preis ihres Lebens – zu Kanälen der Evangelisierung ihres Familienumfelds wurden. Auch denken wir an die vielen Märtyrerfrauen, welche in den ersten Jahrhunderten der Kirche ihr Blut als Preis für ihren Glauben vergossen haben. Einige von ihnen stachen in der Geschichte der Urkirche derart hervor, dass ihre Namen in den ersten Messkanon, den römischen Kanon, aufgenommen wurden: Felicitas und Perpetua, Argueda und Luzia, Ines, Cäcilia, Anastasia. Ich bin überzeugt, dass nicht wenige sofort mit dem Gedanken spielen, dass dies nur die Frucht der Volksfrömmigkeit gewesen war, welche solche beispielhafte Figuren benötigte. Wer aber nur minimale Kenntnis von der geringen Bedeu tung der Frau im Allgemeinen in jenen Jahr hunderten hat, kann sofort verstehen, dass sich die Aufnahme in den Messkanon nur auf einer genauen Kenntnis ihrer Glaubenszeugnisse abstützen konnte, welche bis zum Martyrium gin gen. Es genügen einige andere Beispiele, um dies zu bestä tigen. Niemand bestreitet die Wichtigkeit der Person des heiligen Augustinus in theologischer Hinsicht. Trotzdem hört er selbst nicht auf, seiner Mutter, der heiligen Monika, für ihre Rolle als Fürbitterin und als beispielhafte Schüle rin zu danken. Nie dürfen wir vergessen, dass derselbe hei lige Augustinus bekräftigt, dass der wahre Philosoph jener ist, welcher es verstanden hat, sich vom Geheimnis der Weisheit erfassen zu lassen, indem er sie in seinem Herzen und seinem Geist auskostet. Für seine Mutter, die heilige Monika, hat er die Bezeichnung als hervorragende Philoso phin reserviert. Es gibt sogar einige Väter oder besser gesagt «Mütter», die den Vorschlag gemacht haben, einen Teil des Studiums der Patristik für weibliche Personen zu reservie ren, indem ihnen ein spezielles Kapitel gewidmet sein soll, welches den Namen Matristik oder Matrologie trägt. Der heilige Johannes Paul II. schrieb in seinem aposto lischen Schreiben «Mulieris dignitatem», dass die Kirche für alle Frauen und jede einzelne dankt. (…). Die Kirche drückt ihre Dankbarkeit aus für alle Äusserungen des weiblichen Genies, welche sich in allen Zeiten der Geschichte in allen Völkern und Nationen gezeigt haben. Sie dankt für alle Charismen, welche der Heilige Geist in der Geschichte des Volkes Gottes in den Frauen hervorgebracht hat und für alle Siege, welche deren Glauben, deren Hoffnung und deren Liebe errungen haben. Sie zeigt ihre Dankbarkeit für alle Früchte weiblicher Heiligkeit (Nr. 31). Auch wir schlies sen uns dieser Wertschätzung an, indem wir dem Herrn dafür danken, dass er seine Kirche von Generation zu Generation geführt hat, indem er sich ohne Unterschied derjenigen Männer und Frauen bediente, die es verstan den haben, ihren Glauben und ihre Taufe für das Wohl des ganzen Leibs der Kirche fruchtbar zu machen, zur grösseren Ehre Gottes. Ut unum sint ! 3 Abschnitt Kirche Die Kirche, das a llgemeine Sakrament der Erlösung (IV) P. Giuseppe Cardamone msp (Italiener) «Eins mit Gott, werden wir zu Instrumenten seiner barmherzigen Liebe, dem einzigen Mittel, uns zu erlösen». Mit diesem Satz haben wir den letzten Artikel abgeschlossen. Nun wol len wir die Art und Weise vertiefen, in der sich diese Vereinigung mit Gott verwirklicht, die uns in analoger Weise wie unseren Herrn Jesus Christus und seine Kirche zu universalen Sakramenten des Heilswerkes macht. Wir haben bereits gesehen, wie diese Vereini gung mit Gott Vater in Christus, seinem Sohn, verwirklicht ist durch den Heiligen Geist, mittels der Sakramente. Wir beziehen uns vor allem auf diejenigen, die einen Charak ter einprägen. Im allgemeinen Sprachgebrauch bezeichnet «Charakter» einfach einen besonderen Aspekt der Persönlichkeit eines Individuums, die Veranlagung, in bestimmter Weise zu reagieren und sich zu benehmen. Im Altertum bezeichnete das lateinische Wort «character» das Siegel, in dem an einem Gegenstand oder einem Tier oder auch an einer Person, die zum Sklaven gemacht wurde, mit brennendem Eisen das Eigentum eingeprägt wurde, um es unauslöschlich zu machen. Der heilige Paulus nennt die Salbung mit dem Heiligen Geist «Charakter»: «Gott aber, der uns und euch in der Treue zu Christus festigt und der uns alle gesalbt hat, er ist es auch, der uns sein Siegel aufgedrückt und als ersten Anteil (am verheissenen Heil) den Geist in unser Herz gegeben hat.» (2Kor 1,21–22) Das will besagen, dass der Heilige Geist in der Kraft der Taufe, der Firmung und der Priesterweihe – die Sakramente, die uns einen Cha rakter einprägen – uns mit einem unauslöschlichen Siegel konsekriert, welches uns als Eigentum Gottes prägt. Die Salbung des Geistes, die wir im sakramentalen Cha rakter empfangen, ist das Bild Christi, das in unseren Her zen wiederhergestellt wird, nachdem es durch die Erbsünde verunstaltet und zerstört wurde. Es handelt sich um eine beständige Gabe, dank derer wir in uns das Bild des Soh nes Gottes tragen und wir ihm als ein alter Christus (ein zweiter Christus) gleichgestaltet sind. Die Salbung des Geistes, die wir als sakramentalen Charakter empfangen, ist nicht irgendetwas Statisches, sondern vielmehr etwas Dynamisches: Wir sind berufen, dem Sohn Gottes immer ähnlicher zu werden. Die Gegenwart des Heiligen Geistes in unseren Herzen manifestiert sich in der Eingiessung der göttlichen Tugenden des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe, sowie seiner sieben Gaben, als ein Same, der beru fen ist, sich zu entfalten, sich auszudehnen und die ganze Person zu vergeistigen, indem sie seinem Wirken gefügig 4 Ut unum sint ! wird. Von hier aus versteht sich die Grösse der Taufe, die uns in Wahrheit zu Gotteskindern in Christus durch den Heiligen Geist macht, die in uns das Bild, das Denken und die Gesinnung, des Sohnes wiederherstellt. Es ist so, dass jeder von uns kraft der Taufe Christus vergegenwär tigt, in dem (tiefen) Sinn, ihn in der Welt gegenwärtig zu machen. Daher kommt es, dass wir seinen Namen tragen als «Christen», was aus dem griechischen Wort «chrístoi» abgeleitet ist und «Gesalbte», «Geweihte» bedeutet. Folg lich ist die Einheit der Christen mit Christus eine Gabe, aber zugleich auch eine Aufgabe: es ist eine Gabe in Form eines Samenkorns, das dazu bestimmt ist, zu erstarken, zu wachsen und sich zu entfalten. Zweifellos ist es eine Gabe, die uns nicht nur Christus gleichmacht, sondern von uns auch eine entsprechende bewusste Antwort fordert, eine beständige Anhänglichkeit an den Plan G ottes. Wie können wir beständig mit Gott vereint leben? Die Antwort gibt uns die Heilige Schrift: «Der Gerechte lebt aus dem Glauben» (Gal 3,11). Der Glaube ist die Wurzel des übernatürlichen Lebens: Er weckt die Hoffnung, wel che die Liebe trägt. Deshalb verkündet der Herr im Evan gelium: «Das ist das Werk Gottes, dass ihr an den glaubt, den er gesandt hat» (Joh 6,29). Der Inhalt des Glaubens, der uns mit Gott vereint, besteht darin, an die Macht seiner Liebe zu glauben. Glaube bedeutet, die Erkenntnis des Sohnes Gottes zu gewinnen, und in gewisser Weise eine göttliche Gesinnung zu erlangen, die uns erlaubt, die Welt mit den Augen Gottes zu sehen. Somit ist der Glaube ein lebendiges Gedächtnis der Liebe Gottes zu uns: ein Gedächtnis, das beständig neu aktualisiert werden und man sich als beständigen Massstab für sein christliches Wirken aneignen muss (vgl. Gal 5,6, wo vom «Glauben, der durch die Liebe wirkt», die Rede ist). Mit Gott in Christus vereint machen wir seine mensch liche Natur auch heute sichtbar und wir werden fähig, über unsere menschliche Natur hinaus zu wirken, denn es ist der Geist, der in uns und durch uns wirkt. Bezeichnend ist in diesem Sinn jenes Ereignis des Evangeliums, welches auf den ersten Blick unsere Ohren schmerzt: «Da sah er von Weitem einen Feigenbaum mit Blättern und ging hin, um nach Früchten zu suchen. Aber er fand an dem Baum nichts als Blätter; denn es war nicht die Zeit der Feigenernte. Da sagte er zu ihm: In Ewigkeit soll niemand mehr eine Frucht von dir essen. Und seine Jünger hörten es ... Als sie am nächsten Morgen an dem Feigenbaum vorbeikamen, sahen sie, dass er bis zu den Wurzeln verdorrt war. Da erinnerte sich Petrus und sagte zu Jesus: Rabbi, sieh doch, der Feigenbaum, den du verflucht hast, ist verdorrt. Jesus sagte zu ihnen: Ihr müsst Glauben an Gott haben. Amen, das sage ich euch: Wenn jemand zu diesem Berg sagt: Heb dich empor und stürz dich ins Meer!, und wenn er in seinem Herzen nicht zweifelt, sondern glaubt, dass geschieht, was er sagt, dann wird es geschehen. Darum sage ich euch: Alles, worum ihr betet und bittet – glaubt nur, dass ihr es schon erhalten habt, dann wird es euch zuteil.» (Mk 11,13– 14.20–24) Der Herr will uns zu verstehen geben, dass er von uns Früchte erwartet, die über die blossen mensch lichen Fähigkeiten hinausgehen, und er kann es von uns fordern, denn er ist es, der in uns wirkt: Er fordert von uns die Früchte des Glaubens. Abschnitt Moral Die Ausbreitung der Sünde P. Agustín Delouvroy msp (Belgier) Einführung: Mit dem Akt der Sünde gibt man die Freiheit auf und begibt sich in einen Zustand der de-facto-Gefangenschaft, erlangt hierbei aber nur scheinbare Freiheit (vgl. Joh 8,34). Die Sünde ist wie ein Riss in einem Staudamm: Wenn wir den Riss nicht umgehend reparieren, wird er mit der Zeit immer grösser, bis der Wasserausfluss nicht mehr kontrolliert werden kann. Die Wiederholung sündiger Akte erzeugt das Laster. Jede von uns begangene Sünde hat die Eigenschaft, die in uns bestehende Wunde der Erbsünde zu vergrössern. Die Sünde schafft «verkehrte Neigungen, die das Gewissen verdunkeln und das konkrete Urteil über Gut und Böse beeinträchtigen» (Katechismus der Katholischen Kirche (KKK) Nr. 1865) – verkehrte Neigungen, die wir als «Laster» bezeichnen. Mit jeder Sünde beleidigen wir vor allem Gott, der die Grundlage unseres menschlichen Lebens und des Seelenle bens ist. Dadurch behindern wir das Leben der Gnade oder berauben uns gar der Gnade. Unsere Seelenkräfte werden geschwächt und in Unruhe gebracht. Dies erzeugt eine immer niedrigere Hemmschwelle gegenüber der Sünde, da wir das Licht unseres Gewissens absichtlich und wiederholt verdunkelt haben. Die durch das Laster geschaffene nied rige Hemmschwelle zur Sünde ist der Tatsache geschuldet, dass der lasterhafte Mensch nicht in der Lage ist, die eige nen Leidenschaften zum persönlichen Nutzen einzusetzen, sondern dass er durch sie wie zu ihrem Sklaven wird. «Die Sünde neigt dazu, sich zu wiederholen und sich zu verstärken» (KKK Nr. 1865). Das Gefährlichste ist die durch die Sünde verursachte Unordnung in der Willenskraft, die zu Hoch mut oder ungeordneter Selbstliebe führt. Diese Unordnung ist verantwortlich für alles andere. Das Laster unterschei det sich von der einfachen Sünde durch die Tatsache, dass es sich nicht nur um eine Handlung gegen das Gesetz Got tes handelt, sondern um eine gewohnheitsmässige Haltung gegen das Gesetz. Die Laster machen uns verwundbarer für die Handlungen des Dämons, weshalb jede Sünde ein Sieg für seinen Plan des Verderbens ist. Unser Kampf gegen die Sünde ist im Grunde ein Kampf gegen ihn (vgl. Eph 6,12), der der Inbegriff des Versuchers ist und dessen Wunsch es ist, uns zur Sünde zu verleiten (vgl. 1Petr 5,8). Der Dämon versucht uns mit List und indem er sich als Engel des Lichts ausgibt (vgl. 2Kor 11,14), wobei er die schwächsten Stellen eines jeden auswählt. Wenn er erreicht hat, dass der Mensch sündigt, dann versucht er auf alle Arten zu verhindern oder zu erschweren, dass sich der Mensch wieder erhebt. Alle Sünden haben eine soziale Auswirkung: «Von sozialer Sünde sprechen, heisst vor allem anerkennen, dass die Sünde eines jeden Einzelnen kraft einer menschlichen Solidarität, die so geheimnisvoll und verborgen und doch real und kon- kret ist, sich in irgendeiner Weise auf die anderen auswirkt.» (Apostolisches Schreiben «Reconciliatio et paenitentia», Nr. 16). Dies geschieht in einer Weise, dass wir die Folgen der Sünden anderer spüren und umgekehrt durch unsere Sünden das Sündigen anderer provozieren können. Das geht so weit, dass die Sünden eine Sündenstruktur erzeu gen können: Gesetze, Tendenzen, Systeme. «Die Sünden führen in der Gesellschaft zu Situationen und Institutionen, die zur Güte Gottes im Gegensatz stehen» (KKK Nr. 1869). Derartige Strukturen sind das Ergebnis der Ansammlung vieler persönlicher Sünden und sie führen dazu, dass viele andere auch sündigen. Darüber hinaus scheint es, dass sie in den Menschen und den Institutionen ein schwer überwindbares Hindernis schaffen. «So macht die Sünde die Menschen zu Komplizen und lässt unter ihnen Gier, Gewalttat und Ungerechtigkeit herrschen» (KKK Nr. 1869). Die Sünde erzeugt immer eine Frustration, da sie bedeutet, dass der Mensch sein Herz an ein endliches Gut hängt, das ihn nicht befrie digen kann. Auf den Genuss der Sünde folgt eine Leere in der Seele, die wiederum dazu ver anlasst, weitere Sünden zu begehen, um jene Leere auszufüllen. Da der Mensch für gewöhn lich seinen Hunger nach endlichen Dingen stillt, veranlasst ihn die Sünde, immer zahlrei chere verbotene und immer grössere Dinge zu tun. Auf diese Weise führt die Sünde in einen wachsenden Teu felskreis, sofern sich das Herz nicht Gott zuwendet. Die lässliche Sünde ist der Vorläufer der Todsünde und diese erzeugt eine immer grössere Abhängigkeit – nicht nur von der Sünde, sondern auch vom Laster. Wenn wir von schweren Sünden sprechen, müssen wir die absolute Notwendigkeit der Gnade Gottes zur Befreiung unterstreichen. Wer sich aus freien Stücken mit sei nen Taten von Gott trennt, kann ohne seine Hilfe nicht zu ihm zurückkehren. Es ist so wie wenn sich jemand wil lentlich in einen tiefen Brunnen stürzt, aus dem er nicht aus eigener Kraft wieder herauskommen kann, auch wenn er es möchte. Die Barmherzigkeit Gottes ist unendlich. Die reale Chance – bis zum letzten Atemzug – von der Sünde und dem Laster, in die wir geraten sind, befreit zu werden, ist ein Zeichen für die Grösse und die Macht der Barmher zigkeit Gottes. Wir dürfen weder die Barmherzigkeit Got tes ausnutzen noch unsere Umkehr zu ihm auf morgen aufschieben: «Jetzt ist sie da, die Zeit der Gnade; jetzt ist er da, der Tag der Rettung.» (2Kor 6,2). Wir dürfen die Barmherzigkeit nicht verwechseln mit dem Streben der heutigen Zeit, der Sünde ihre Schwere zu nehmen, die Sünde zu einer Notwendigkeit oder gar zu einer interessan ten Erfahrung zu machen. Je weniger wir sündigen, umso besser! Dadurch rühmen wir Gott noch mehr, gewinnen mehr Verdienste, können mit der Hilfe Gottes als Per sonen wachsen und tun unseren Nächsten mehr Gutes. Je länger wir unsere eigene Umkehr hinauszögern, umso schwieriger wird diese und umso grösser wird die Macht der Sünde über uns. Ut unum sint ! 5 Abschnitt Spiritualität Nachfolge und Nachahmung Christi (III) «Das Handeln folgt dem Sein» P. José Carlos Eugénio msp (Portugiese) Wie wir im letzten Artikel gesehen haben, findet die Umkehr in jenem Moment unseres Lebens statt, in welchem wir uns aktiv das Geschenk des Glaubens aneignen, das wir in unserer Taufe unentgeltlich erhalten haben. All die Mög lichkeiten, die in der Taufe in uns angelegt wurden, entwickeln sich durch das beständige Zusammenwirken zwischen göttlicher Gnade und menschlicher Freiheit ganz normal. Erst mit der persönlichen Umkehr stellt sich aber unser bewusstes Einssein mit Christus ein, unsere positive Antwort auf seinen Ruf, ihm nachzufolgen und ihn nachzuahmen. So ist die Umkehr die Frucht der Begegnung, die wir mit Jesus gehabt haben. Ab diesem Augen blick entstehen zwischen Christus und uns gewisse Beziehungen des Glaubens und der Liebe, welche sich durch die Nachfolge und die Nach ahmung vertiefen. Die Nachfolge dient dazu, die persön liche Beziehung zwischen Christus und seinem Schüler auszudrücken; sie beschreibt die existenzielle Art und Weise des Christen und weist auf den aktiven und dyna mischen Aspekt des Glaubens hin (vgl. Jak 2,14). Sie ist die richtige Haltung des Menschen gegenüber dem Ruf Jesu, weil der wahre Jünger derjenige ist, welcher auf die Stimme des Meisters hört und welcher sich in seinen Nachfolger verwandelt: «Meine Schafe hören meine Stimme, (…) und sie folgen mir» (Joh 10,27). So gesehen ist die Nachfolge, bei der nicht gehandelt wird und die statisch bleibt, widersprüchlich, weil derjenige, welcher einem anderen nachfolgt, sich bewegen muss, um diesen nicht aus den Augen zu verlieren. Dies bedeutet, dass er hinter ihm hergehen und ihn – Jesus – immer im Blick haben muss (vgl. Hebr 12,2). Die Nachfolge bedeu tet nicht, ein Ziel zu erreichen und es sich darin bequem einzurichten, sondern es ist vielmehr ein dauerndes Vor wärtsschreiten in der Treue, ohne Suche nach Abkür zungen, und immer beobachtend, wo Jesus seinen Fuss hinsetzt, um unseren Fuss in seine Fussstapfen zu setzen. Dies bedeutet, dass die Nachfolge Jesu als notwendiger weise dynamische und wirkungsvolle Realität derselben geistigen Regel folgen muss, welche viele Heilige in ihrem eigenen Leben mit Klarheit angewendet haben: «In via Dei non progredi regredi est» (auf dem Weg zu Gott nicht voranzuschreiten bedeutet zurückzubleiben). Die verschiedenen Etappen, die wir bisher dargelegt haben (Ruf, Antwort, Begegnung, Umkehr, Nachfolge und Nachahmung) stel len also einen spirituellen Weg dar, auf dem wir unser ganzes Leben lang gehen (müssen). Und damit der ganze Weg ein authentischer Weg für die Liebe und in der Liebe 6 Ut unum sint ! ist, ist es nötig, all diese Etappen zu durchschreiten. Sie sind nichts anderes als ein Verbleiben und Wachsen in dieser Liebe; denn nur mit unserer Ausdauer werden wir unsere Seelen retten (vgl. Lk 21,19). Auch wenn die Nachfolge und Nachahmung Christi zual lererst mit sich bringt, sich Haltungen und Verhaltenswei sen anzueignen bzw. Handlungen auszuführen, verlangen sie noch viel mehr, sich in ein neues Sein zu wandeln, welches eine neue Art zu leben und gleichzeitig auch eine Verbin dung mit dem Leben und dem Denken des auferstandenen Christus ermöglicht. Die Nachahmung Christi ist nur mög lich, weil Christus lebt («Der Tod hat keine Herrschaft über ihn»; Röm 6,9), aber vor allem weil er in der Person gna denhaft lebt: «Wir sind nicht nur Christen geworden, sondern Christus selbst (…). Wir sind Christus geworden!» (heiliger Augustinus, in «Johannes Evangelium Traktat» 21,8). Diese ontologische Neuheit der Person erzeugt dann die Pflicht oder die moralische Verpflichtung und nicht umgekehrt: «Actio sequitur esse» (das Handeln folgt dem Sein), wie der heilige Thomas von Aquin lehrt. Wir handeln wie Christus, weil wir in erster Linie Christus sind. Wenn unsere Werke in Übereinstimmung mit unserem Sein sind, dann zeigen sie die Wahrheit dessen auf, was wir sind; sie sind eine wahre Epiphanie (Erscheinung) Christi. Mit anderen Worten zeigt sich die Person Christi durch unser Handeln. So können wir besser die Bedeutung verstehen, welche das Apostolat des Zeugnisses oder des guten Beispiels in der Evangelisierung spielt: «Verba movent, exempla trahunt» (Worte bewegen, Beispiele reissen mit). Im Unterschied zu irgendeiner anderen Art von Schüler schaft sind die Nachfolge und die Nachahmung Christi eine Realität, welche eine lebendige Beziehung, eine totale Verbindung zwischen Christus und seinem Nachfolger und Nachahmer zum Ausdruck bringt. Es handelt sich um eine besondere Nachfolge und Nachahmung, und nicht um eine einfache Nachfolge und Nachahmung ethischer Art gegenüber einer grossen Persönlichkeit, weil Christus nicht nur eine historische Persönlichkeit ist, sondern er ist auch eine lebende Person und seit seiner Auferstehung eine in allen Epochen gegenwärtige Person. Die Geheim nisse seines Lebens sind aktuell; unsere Beziehung mit ihm ist zeitgenössisch. Jesus nachfolgen und nachahmen, bedeutet konsequenterweise nicht einfach, das zu kopieren oder in materieller Weise zu wiederholen, was er getan hat. Vielmehr heisst es, uns jedes Mal tiefer mit ihm in seinem göttlichen Leben zu vereinigen, indem sein Denken und Fühlen angenommen wird, bis wir seine Gedanken und seine Gefühle in allen Lebensumständen ausdrücken und konkretisieren. Letztlich sind die Nachfolge und die Nach ahmung Christi der Weg, um sich immer mehr seinem Fühlen, seiner Art zu denken, seinem Wollen und seinem Handeln anzugleichen (vgl. Phil 2,5): definitiv mit sei ner ganzen Person. Was würde Jesus machen? Wie würde er sich verhalten, wenn er an meiner Stelle wäre? Was würde er mir empfehlen? Was würde Jesus von mir wol len, hier und heute? Dies sind die Fragen, die sich einem Christen stellen, der Christus nachfolgen und nachahmen will. Aber wie bekomme ich die Antwort auf diese Fragen? Diese erhalten wir in der nächsten Nummer. Abschnitt Berufung Die Oblaten (VI) P. Álvaro Gómez Fernández msp (Spanier) «Aber er hat unsere Krankheiten getragen und unsere Schmerzen auf sich geladen. Wir meinten, er sei von Gott geschlagen, von ihm getroffen und gebeugt. Doch er wurde durchbohrt wegen unserer Verbrechen, wegen unserer Sünden zermalmt. Zu unserem Heil lag die Strafe auf ihm, durch seine Wunden sind wir geheilt» (Jes 53,4–5). Unser offizieller Name («Diener») ist nicht ein Name, der ohne ein besonderes Motiv gewählt worden wäre, sondern um ein ganzes Lebensprogramm auszudrücken; er ist ein wesentlicher Bezugspunkt und Grundlage unseres Charismas und unserer Spiritualität: Jesus Christus, der Gottesknecht, vom Propheten Jesaja vorhergesagt (in den vier Gottesknechtsliedern: dem ersten in Jes 42,1–9.14; dem zweiten in Jes 49,1–6; dem dritten in Jes 50,4–9; und besonders im vierten in Jes 52,13 – 53,12, welches am deut lichsten auf seine Passion zielt und zu dem die beiden Verse gehören, die eingangs zitiert wurden). Einige sprechen in Anspielung auf das Werk Christi von «göttlicher Stellvertretung», von einem «stellvertretenden Leiden» am Kreuz. Das Wort «Stellvertretung» meint «anstelle von», «ergänzend», «ersatzweise». Das will sagen, dass Jesus, der Sohn Gottes, der Gerechte (ohne Makel und Sünde), sich am Kreuz an die Stelle aller Ungerechten und Sünder begab, an die Stelle von dir und von mir. Dieses Geheimnis Christi ver langt danach, sich auszubreiten und fortzuwirken mittels seiner Glieder (im mystischen Leib Christi). Wenn es uns schon schwerfällt – wie wir in den früheren Artikeln sagten – das Kreuz zu «verdauen» (weshalb wir versuchten, einige theoretische und praktische Hinweise dafür zu geben), so ist es für uns noch viel schwieriger, das Leiden der Unschuldigen zu verstehen. Ich kann immer wieder beobachten, wie unsere Freunde, Verwandten, Wohltäter oder Bekannten oder auch «Neugierige», die uns in Cuzco besuchen, wie «gelähmt» sind, wenn sie in die Säle der kranken Kinder in unserem Heim «Santa Teresa» kommen. Und man versteht, dass dieser eigenartige Schockeffekt von einem Gefühl der Ohnmacht kommt, die unseren rationalen Verstand lähmt (auch weil es in vielen Fällen keinen ausdrücklichen Kommentar gibt, der diese Begegnung begleiten würde): «Warum gerade diese, die keine Schuld haben?» (und an diesem Punkt erkenne ich auch, dass viele sogleich eine Lehre für ihr Leben ziehen: «Und ich, weshalb beklage ich mich?»). Diese allgemeine Reaktion, so glaube ich, kommt von der Tatsache, dass wir, sobald sich irgendein Leid einstellt, sofort mit dem Gedanken reagieren: «Was habe ich getan, dass mir das passiert?» So als ob das Leid eine Art von Fluch wäre oder eine rächende Strafe Gottes, wo es sich doch in Wahrheit viel mehr um das Gegenteil handelt! «Das Leid ist ein Band der Liebe mit Jesus», sagte die selige Mutter Teresa von Kal kutta. Um unseren Schwestern Dienerinnen der Armen in der Dritten Welt und den Angestellten, die zusammen mit ihnen diesen kleinen Kindern beistehen, das Verständnis zu wecken, wer es ist, dem sie in ihnen tatsächlich dienen, oder um den Besuchern einen Schlüssel zum Verständnis zu bieten, haben wir in jenen Sälen deutlich sichtbar die Worte angebracht: «Deus Jesus Patiens» (Jesus Gott leidend). Ist dieses Leiden der Unschuldigen sinnlos? Ich weiss, dass es nicht so ist. Andernfalls würden wir behaupten, wenn auch indirekt und unbewusst, dass die Passion und der Tod Jesu, des Unschuldigsten unter den Unschul digen, sinnlos gewesen sei. Ich bin überzeugt, dass – trotz der anscheinenden Sinnlosigkeit ihres Leidens, vermehrt durch ihre Situa tion der Unschuld – es diese sind, die uns im Dasein erhalten (und ich spreche nicht nur für die Gemeinschaft der Diener der Armen, sondern für die ganze Kirche). Benedikt XVI. griff in seiner Enzyklika «Spe salvi» (Nr. 15) einige Worte des Pseudo-Rufinus auf (Sententiae III, 118: CCL 6/2, 215), welche hierzu passen: «Das Menschen geschlecht kann dank einiger weniger bestehen; würden diese verschwinden, so würde die Welt vergehen». – «Die Kirche hat es nötig, dass sie durch jemanden gerettet werde, der leidet, jemand, der die Passion Christi in sich trägt», sagte der selige Paul VI. in einer Predigt zur Bussliturgie des Ascher mittwochs am 11. Februar 1970. Und der heilige Johannes Paul II. bekräftigt: «Diejenigen, die an den Leiden Christi teilhaben, bewahren in ihren Leiden einen ganz besonderen Anteil am unendlichen Schatz der Erlösung der Welt, und sie können diesen Schatz mit den anderen teilen (…). Die Kirche spürt das Bedürfnis, zu den menschlichen Leiden ihre Zuflucht zu nehmen zur Erlösung der Welt» (Apostolisches Schreiben «Salvifici doloris», Nr. 27). Und an anderer Stelle: «Es ist das Leiden, welches das Böse im Feuer der Liebe vernichtet und verzehrt» (Gedächtnis und Identität). Verzeiht meine Schwäche für Zitate, aber wir müssen Nutzen ziehen aus der Erfahrung derer, die uns vorangegangen sind! Ich schliesse mit einem weiteren Zitat einer grossen Heiligen: «Das Leiden ist eine Gnade. Mittels des Leidens wird die Seele dem Heiland ähnlich; die Liebe kristallisiert sich im Leiden. Je grösser das Leiden ist, desto reiner wird die Liebe» (aus dem Tagebuch der Schwester Faustina Kowalska). Gemäss all dem haben sowohl unsere Oblaten (im Besonderen) als auch alle Getauften (im Allgemeinen) eine wichtige Aufgabe, nämlich täglich zu erlernen, Gott zu danken (anstatt der Klagegöttin einen Kult zu erwei sen, wie Papst Franziskus sagt), wenn er uns würdigt, am Kreuz Christi mitzutragen. Ut unum sint ! 7 ICHER MIT KIRCHL ERLAUBNIS Ut unum Das Werk sint! wurde gegründet für jene Mitglieder der Be Opus Christi Salvatoris Mundi Ut unum sint! wegung der Diener der Armen der Dritten Welt, welche berufen sind, einem Weg der noch grösseren Aufopfe rung zu folgen mit den Charakteristiken des Gemein schaftslebens und mit der Verpflichtung, die evangeli schen Räte entsprechend ihrem Stand zu befolgen. (Das Werk ist auf dem Weg zur kirchenrechtlichen Anerken nung in der Form von zwei religiösen Instituten: jenes für den männlichen Zweig der Priester und Brüder und jenes für den weiblichen Zweig der Schwestern). Unterstützungsgruppen Ihr Ziel ist es, das Charisma zu vertiefen und zu verbrei ten, indem sie sich für die eigene Umkehr und die Um kehr aller Menschen durch die Organisation von Ein kehrtagen einsetzen. Die Missionare Diener der Armen der Dritten Welt Oblaten Kranke und Gefangene, die ihre Leiden für die Ärmsten der Dritten Welt aufopfern, und all jene, die das Cha risma der Diener der Armen leben. Mitarbeitende Alle Menschen guten Willens, die die Armen immer mehr lieben wollen. Impressum Herausgeber & Redaktion: Verein zur Unterstützungmder Bewegung der Diener der Armen der Dritten Welt, 9320 Arbon. Druck: Schmid-Fehr AG, Hauptstrasse 20, 9403 Goldach Erscheint 6 Mal pro Jahr. Geht an alle Mitglieder und Gönner / innen des Vereins «Bewegung der Diener der Armen der Dritten Welt». Für Mitglieder ist das Abonnement im Mitgliederbeitrag inbegriffen. Für Gönnerinnen und Gönner werden ein Mal pro Jahr CHF 5.– von den Spenden abgezogen. Missionare Diener der Armen der Dritten Welt P. O. Box 907 Cuzco (Peru) Tel. 0051 984 03 24 91 Tel. 0051 956 94 93 89 [email protected] www.msptm.com Deutschland: Freunde der Diener der Armen Schleusenstrasse 7 DE-63839 Kleinwallstadt Tel. 06022 / 20726 [email protected] Österreich (und Südtirol): Verein zur Unterstützung der Bewegung der Diener der Armen der Dritten Welt Perfuchsberg 49 AT-6500 Landeck Tel. 05442 / 67811 [email protected] Schweiz: Verein zur Unterstützung der Bewegung der Diener der Armen der Dritten Welt Postfach 83 CH-9320 Arbon Tel. 058 345 71 99 [email protected]