Das Nationalkomitee Freies Deutschland (NKFD)

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Das Nationalkomitee Freies Deutschland (NKFD)
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Faschismus
K 306
Von den Völkern geachtet.
Von der Bundeswehr verachtet!
Das Nationalkomitee Freies Deutschland (NKFD)
und der Bund deutscher Offiziere ( BDO).
Im Juli 1943 (genau am 12./13.Juli) fand im
Klubraum des Stadtsowjets von Krasnogorsk (einer kleinen Stadt bei Moskau) die Gründungsversammlung des Nationalkomitees Freies Deutschland statt.
Warum ist die Geschichte des
NKFD und des BDO aktuell?
Gleichwohl der Widerstand der Soldaten gegen
den Hitlerfaschismus in engem Zusammenhang
mit der spezifischen Situation des imperialistischen Weltkrieges zu sehen ist und somit nicht
einfach auf heute übertragen werden kann, stellt
sich heute 60 Jahre später erneut die Frage nach
dem Widerstand in der Armee. Die Rolle des Deutschen Imperialismus als weltweit Krieg führende
Nation macht die Frage nach dem Kampf in der
Armee zu einer brandaktuellen.
Für alle direkt und indirekt Beteiligten, insbesondere den Soldaten der Bundeswehr, stellt sich
die Frage, ob der Einsatz in Afgahnistan, auf dem
Balkan oder sonstwo, in ihrem Interesse erfolgt
oder im Interesse anderer, die sich wirtschaftlich,
politisch und strategisch Vorteile erhoffen.
Und spätestens seit den Nürnberger Urteilen
kann sich der Einzelne auch nicht damit rechtfertigen, dass er auf Befehl gehandelt habe (Befehlsnotstand). Die Völker der Welt dulden kein Hinausreden beim Begehen von Verbrechen. D.h. die
richtige Antwort auf einen drohenden Marschbefehl ist von jedem Einzelnen zu geben und wie die
aktuell losgetretene Diskussion zeigt, in der Tat
bald von jedem.
Weil das so ist und weil eine falsche Antwort
auf diese Fragen ein böses Erwachen oder
schlimmstenfalls gar keines nach sich zieht, deshalb lohnt es sich mit diesem bedeutenden Kapitel Soldatenwiderstand auseinanderzusetzen.
Auch deshalb, weil der antimilitaristische und
antifaschistische Kampf des Nationalkomitees und
des Bundes Deutscher Offiziere seit 1945 diffamiert, am liebsten aber unerwähnt bleibt.
„Die Gründung von NKFD und BDO im Jahre 1943 sind Teil der Deutschen Geschichte,
nicht aber der Tradition der Bundeswehr, die die
Überlieferung von Werten und Normen, die im
innerem Zusammenhang mit dem Grundgesetz
stehen, zur Grundlage hat. Außerdem bleibt
umstritten, inwieweit wirklicher Widerstand
gegen das NS-Regime in dieser Situation (gemeint ist die Kriegsgefangenschaft) möglich war.
Auch die starke kommunistische Prägung ist
hierbei auffällig gewesen ... Das NKFD bestand
auf der zivilen Seite hauptsächlich aus Exilkommunisten, die später die DDR aufbauten. Inso-
fern ist es für die Tradition der Bundeswehr nicht
möglich, diesen ,Widerstand’, der ein anderes
nicht- demokratisches Regime (die Sowjetunion)
unterstützte, als eigene Traditionslinie zu akzeptieren.“1 So lautete die entlarvende Antwort des
„Bundesverteidigungsministeriums“ auf eine Anfrage des Verbandes Deutscher in der Résistance,
in den Streitkräften der Antihitlerkoalition und der
Bewegung „Freies Deutschland“ (DRAFD) der zur
Unterstützung der Gedenkfeiern zum Jahrestag der
Gründung des NKFD beim „Verteidigungsministerium“ anklopfte.
Kein Wunder: 13.000 Offiziere der Naziwehrmacht und der Waffen-SS wurden in die Bundeswehr übernommen, alle Bewerber des NKFD und
des BDO wurden abgelehnt. Dies alles, das Totschweigen und die Missachtung des NKFD und
des BDO durch diesen Staat zeigt, wessen Geistes
Kind die Tradition dieser Armee zuzurechnen ist.
Die fortschrittlichen Kräfte tun gut daran, sich
mit der Geschichte des NKFD und des BDO zu
befassen, um einen Beitrag zur Entlarvung und Bekämpfung des deutschen Militarismus zu leisten.
Die Geschichte des NKFD und des BDO tragen auch dazu bei, unterscheiden zu lernen, zwischen den Interessen der Imperialisten und unseren eigenen Interessen, zu lernen, dass diese Interessen gegensätzlicher Natur sind.
Die Gründungsgeschichte des
NKFD und des BDO.
Die Geschichte des organisierten Soldatenwiderstandes im zweiten Weltkrieg ist eng verbunden mit dem Aufruf von 158 deutschen Soldaten,
die sich in sowjetischer Kriegsgefangenschaft befanden, das Hitlerregime zu stürzen.
In dem „Appell an das deutsche Volk“ vom
10.10.1941 hieß es:
„Es gibt zwei Deutschlands: das Deutschland
der Nazischmarotzer und das Deutschland der
Werktätigen; das Deutschland der vertierten
Raub- und Mordgesellen und das Deutschland
des ehrlichen und fleißigen Volkes. Es gibt das
Deutschland der faschistischen Barbaren und
das Deutschland der großen Denker, Erfinder
und Dichter, die durch ihre Leistungen die Weltkultur bereichert haben. Es gibt ein Deutschland
größenwahnsinniger Machthaber, die ihre Herrschaft durch einen aussichtslosen Krieg bis zum
letzten deutschen Soldaten zu retten versuchen;
und es gibt ein anderes Deutschland, das Hitler
und seine faschistische Terrorherrschaft verflucht ...“2
Die 158 Soldaten waren sich einig in der Einschätzung, „Hitler kann nicht siegen. Hitler führt
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Deutschland dem schlimmsten Versailles entgegen, führt dazu, dass Deutschland zergliedert
wird und das deutsche Volk die Kriegsschäden
bezahlen muss, die Europa und die Sowjetunion durch Hitler erlitten haben. Wollt ihr dieses
Los vermeiden, dann stürzt Hitler und richtet
ein freies und unabhängiges Deutschland
auf.“3 Es sollte aber fast noch 1,5 Jahre dauern bis
die Überzeugungsarbeit der Antifaschisten und
Antimilitaristen in den verschiedenen Kriegsgefangenenlagern dahingehend fruchteten, ein alle
Volksschichten umfassendes Komitee zu gründen,
mit dem Ziel Hitler zu stürzen, den Krieg zu beenden und ein antifaschistisches- demokratisches
Deutschland aufzubauen.
Erst die zahlreichen militärischen Niederlagen
an der Front beschleunigten bei vielen Soldaten
und Offizieren die Einsicht, sich der drohenden
Katastrophe entgegenzustellen.
Es war eine Herkulesaufgabe für die deutsche
Emigranten, die unentwegt in den Kriegsgefangenenlagern für das Ziel arbeiteten, die von deutschem Militarismus und der faschistischen Ideologie vergifteten Soldaten und Offiziere zu überzeugen, sich endlich gegen ihre Herren, gegen ihre
Befehlshaber zu wenden. Die Einsicht in die Notwendigkeit sich den Antimilitaristen und Antifaschisten anzuschließen war unter dem Leid des
Krieges sicher nicht für alle freiwillig und in voller Überzeugung. Es ist müßig zu ergründen, wie
viele Soldaten und Offiziere erst unter Bomben
und Granaten, erst in Gefangenschaft sich gegen
die Faschisten stellten. Viele sicher auch aus Opportunismus, aus Angst und Furcht.
Entscheidend war aber die Tatsache, dass die
faschistischen Angreifer, die Wehrmacht geschwächt und gebremst wurden und somit ihre
Niederlage schneller herbeigeführt werden konnte. Dies ist der unauslöschbare Beitrag aller, die
sich im NKFD und BDO organisiert hatten.
Aber zurück zur Gründungsgeschichte.
Besonders aktiv bei der Vorbereitung des
NKFD waren Teile des Kriegsgefangenenlagers
27. Auf einer Versammlung des Lagers 27 konstituierte sich ein Ausschuss, der die Gründung
des „Nationalkomitees Freies Deutschland“ vorbereitete. In dem vorbereitenden Ausschuss wurden u.a. gewählt: Weinert (Vorsitzender), Johannes Becher, Hauptmann Hadermann (Dr.Ernst
Hadermann war der erste deutsche Offizier, der
zum Sturz Hitlers aufgerufen hatte.), Leutnant
Bernd von Kügelgen, die KPD-Abgeordneten
Pieck und Ulbricht.
Am 16.1.1943 trat auch die erste deutsche antifaschistische Offiziersgruppe mit einem Appell
an „die Offiziere der vor Stalingrad eingeschlossenen deutschen Truppen“ in Erscheinung. Auf
Basis dieser verschiedenen Initiativen kam es am
12./13. Juli 1943 in Krasnogorsk zu der historischen Gründungsversammlung des Nationalkomitees Freies Deutschland. Das Gründungskomitee
bestand aus 38 Mitgliedern. In der Rede, die auf
der Gründungstagung des NKFD gehalten wurde,
hieß es: „Die Körperschaft, die unsere Bewegung
leitet und die sie vor unserem Volke und vor der
Welt vertreten soll, trägt den Namen Nationalkomitee ,Freies Deutschland’. Geben wir unserer neuen Fahne ,Freies Deutschland’ die Bedeutung, die ihr gebührt. Unser Ziel ist das freie
Deutschland ... Der Name ,Freies Deutschland’
Faschismus
bedeutet, dass wir ein Deutschland wollen, das
frei ist von jeder äußeren und inneren Knechtschaft. Die Voraussetzung der äußeren Freiheit
ist die innere Freiheit unseres Volkes ... An dieser jungen Flamme soll sich der Widerstandswille im Lande und an der Front entzünden ...Die
Sowjetregierung legt unserer Sammlung in diesem Lande kein Hindernis in den Weg ... seine
Aufgabe ist nicht nur die Abwendung der Katastrophe, sein Ziel ist die Schaffung einer Grundlage, auf der ein freies Deutschland erblühen
kann ... Unser Deutschland wird gesäubert sein
von allem abscheulichen Unrat, den die fluchbeladene Hitlerzeit ihm hinterließ. Von allen
schändlichen Maßnahmen, die ihren Ursprung
im Völker- und Rassenhass, in der Theorie vom
Herrenvolk hatten, wird nicht eine Spur mehr
übrig bleiben.“4
Nach der Konstitution des Nationalkomitees
war es sehr wichtig, die sich vom Hitlerregime
lossagenden Offiziere zu organisieren, da davon
auszugehen war, dass die Aufrufe bekannter Offiziere noch mehr Gehör finden würden als die Aufrufe der einfachen Soldaten bzw. der niedriger
Dienstgrade.
Da das NKFD u.a. auf Initative der emigrierten
Mitglieder der KPD und auf Unterstützung der
KPDSU und der Roten Armee entstand, galt es von
Anfang an die Vorbehalte gegenüber den Kommunisten aus dem Weg zu räumen und sie praktisch
als konsequente Verfechter für Frieden und Gerechtigkeit kennenzulernen. D.h. das NKFD selbst
und die Arbeit des NKFD‘s musste auf eine möglichst breite Grundlage gestellt werden. Nur so
konnten Teile aus dem Offizierscorps gewonnen
werden. Klar war, dass die Entwicklung an der
Front täglich dazu beitrug zu erkennen, dass der
Krieg nie zu gewinnen sein wird und jeder weitere Kampftag entsprechend sinnlos sein sollte. Insbesondere die verheerende Niederlage der 6. Armee bei Stalingrad förderte diese Einsicht bei den
Offizieren, ihren Eid auf Hitler abzuschwören und
sich der Bewegung „Freies Deutschland“ anzuschließen.
Der 11./12.09.1943 war deshalb ein weiteres
wichtiges Datum, da in Anwesenheit von 100 De-
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Präsidium der Gründungskonferenz des NKFD. Am
Rednerpult Major Karl
Hetz. Sitzend von links:
Major Herbert Stößlein,
Erich Weinert, Soldat Max
Emendörfer, Wilhem Pieck,
Hauptmann Ernst Hadermann
1 Junge Welt, 12.08.03
2 Bodo Scheurig: „Verrat hinter
Stacheldraht?“, dtv 1965, München, S. 43 ff.
3 ebda
4 E. Weinert, Memento Stalingrad,
S. 233 ff.
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Faschismus
legierten aus fünf Offiziersgefangenenlagern sowie
unter Beisein von Mitgliedern des NKFD‘s der
BDO gegründet wurde.
Über die Aufgaben des Bundes sprachen General Seydlitz, seitens des NKFD ergriffen Weinert, Vizepräsident Major Hetz und der Gefreite
Zippel das Wort.
Als Präsident des BDO wurde Seydlitz, zum
Vizepräsidenten Generalleutnant Edler von Daniels und Oberst Steidle einstimmig gewählt.
Nach der Gründung des BDO wurde das Gründungskomitee des NKFD um 17 Mitglieder vergrößert. Die Zusammensetzung des NKFD war wie
folgt: „39 von den 55 Mitgliedern waren Kriegsgefangene und zwar 4 Generale, 2 Oberste, 5 Majore, 2 Hauptleute , 7 Oberleutnante und Leutnante, 1 evangelischer und ein katholischer
Wehrmachtspfarrer, 1 Armeejurist, 16 Vertreter
der Mannschaften ... Die 16 Zivilisten waren 5
ehemalige kommunistische Reichtagsabgeordnete, 2 Langtagsabgeordnete, 1 Gewerkschaftsund 1 Jugendvertreter, 1 Redakteur, 6 Schriftsteller und Künstler ...“5
Das Manifest des Nationalkomitees Freies Deutschland
Grundlage der Arbeit des NKFD bildete ein
Manifest, gerichtet an die Wehrmacht und an das
deutsche Volk.
Als wichtigste Aufgabe wurde in dem Manifest
die Rettung der detschen Nation betrachtet, deren
Existenz bei Fortführung des Krieges bedroht war.
Die Aufgabe der Wehrmacht wurde vom NKFD
darin gesehen, auf die okkupierten Gebiete zu
verzichten und sich in die Grenzen von 1937 zurückzuziehen. Allerdings wurde im Januar 1944
diese Forderung aufgegeben und nunmehr die völlige Souveränität für Polen, die Tscheslowakei und
Österreich verlangt.
Um von vorneherein den antifaschistischen
Charakter des NKFD klar zu machen, richtete sich
das Manifest einerseits an die Fronttruppen und
andererseits an das Volk zuhause.
Dazu hieß es: „Deutsche Soldaten und Offiziere an allen Fronten! Ihr habt die Waffen! Bleibt
Vorstand des antifaschistischen „Bundes deutscher
Offiziere“ auf der Gründungsversammlung in Lunjowo bei Moskau, 11.-13.
September 1943
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unter den Waffen! Bahnt euch mutig unter verantwortungsbewussten Führern, die eins sind
mit euch im Kampf gegen Hitler, den Weg zur
Heimat, zum Frieden!“6
An die Menschen in Deutschland wurde folgender Appell gesandt: „Ihr seid die Mehrheit!
Macht sie zur Stoßkraft durch Organisation!
Bildet Kampfgruppen im Betrieb, im Dorf, im Arbeitslager, auf den Hochschulen, überall, wo ihr
zusammenkommt! Leistet Hitler keine Gefolgschaft mehr!“7
Das NKFD hatte seine Arbeit daraufhin angelegt, auf möglichst breiter Basis zusammenzuarbeiten und unter Berücksichtigung des faschistischen Einflusses der Soldaten und Offiziere auf
das Hauptziel hinzuarbeiten, Hitler zu stürzen.
In diesem Zusammenhang spielte der Gedanke der nationalen Frage eine große Rolle in der
Agitation und Propaganda des NKFD bzw. BDO.
Das Hitlerregime wurde angeklagt, die Nation zu
zerstören und dem deutschen Volk die Ächtung
und Verachtung der Menschheit zu bringen und
eine nicht mehr gutzumachende Schuld an den
Völkern der Welt aufzuladen.
In verschiedenen Dokumenten kommen diese
Gedanken zur Geltung.
Mit der Deklaration „Aufgaben und Zielstellung“ und mit dem Aufruf „An die deutschen Generale und Offiziere! An Volk und Wehrmacht“
wurden die Grundsätze des „Bundes Deutscher
Offiziere“ dargelegt. In der Deklaration heißt es:
„Diese Erkenntnis (dass die nationalsozialistische Regierung niemals zum Frieden bereit ist)
zwingt uns, dem verderblichen Regime Hitlers
den Kampf anzusagen und für die Schaffung
einer vom Vertrauen des Volkes getragenen
und auf ausreichende Machtmittel gestützten
Regierung einzutreten, damit auch von unserer Seite alles geschehe, was unserem Vaterland
den Frieden und eine glückliche Zukunft sichern kann.“8
Als Ziel des BDO wurde verkündet: „Es lebe
das freie, friedliche und unabhängige Deutschland.“9
Damit wurde eine gemeinsame Basis von NKFD
und BDO hergestellt, nämlich ein demokratischantifaschistisches Deutschland aufzubauen.
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Strategie war es also, dass Volk und die Wehrmacht das Hitlerregime stürzen und bewaffnet in
die Heimat zurückmarschieren.
Spätestens 1944 (Januar) musste das NKFD und
der BDO schließlich einsehen, dass diese Taktik
nicht aufgehen wird. Trotz der zunehmenden Niederlagen an der Front, war die Mehrheit nach wie
vor bereit für Hitler zu kämpfen. Zu tief war in
den Köpfen der Soldaten die faschistische Ideologie verwurzelt.
Diese Einschätzung der realen Situation führte beim NKFD und beim BDO zu einer Änderung
ihrer Taktik. Die Soldaten wurden aufgerufen zu
kapitulieren oder in geschlossener Formation überzulaufen. Für die revolutionären Kräfte im NKFD
bzw. BDO war dies eine bittere Erkenntnis, dass
das Deutsche Volk aus eigener Kraft den Faschismus nicht besiegen wird.
Ein sehr wichtiges Dokument waren die
„25 Artikel zur Beendigung des Krieges“.
Vollkommen nüchtern wird die Situation dargelegt und klargestellt, dass Hitler diesen Krieg
niemals gewinnen wird und dass der is dato „Millionen ehemals glücklicher Familien; Dutzende ehemals blühende Städte, Deutschlands Kraft
und Ruf“ vernichtet hat.10
Das Dokument benennt die Schuldigen, ihr
Krieg wird „ein Verbrechen an der Nation“ genannt. Es wird auf die Argumente der Gegner eingegangen und Punkt für Punkt widerlegt.
Das NKFD stellt in diesem Dokument den Anspruch, die Keimzelle des neuen Deutschland zu
sein; eine Organisation, die den Wiederaufbau und
die Herstellung demokratischer Verhältnisse anpacken wird: „Das Nationalkomitee übernimmt
die Erbschaft, so schwer sie auch sei ... Wir wissen: Das Volk verlangt nach Leben, Frieden, Wiederaufbau, Glück. Wir wissen: Millionen wären
bereit, sofort den verlorenen Krieg auf der Stelle
zu beenden, sähen sie nur die Kraft, die sie aus
ihm heraus führt ... Die Welt hat uns beim Zerstören gesehen. Möge sie uns beim Aufbauen
sehen.“11
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Die wichtigsten Aktivitäten
des NKDF und des BDO
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Kriegsgefangene deutsche
Soldaten können sich wieder informieren
Die beiden wichtigsten Säulen der Arbeit des
NKFD und des BDO waren einerseits die Frontarbeit und andererseits die Arbeit in den Kriegsgefangenenlagern.
Dies war Ausdruck der programmatischen
Grundsätze: Beendigung des Krieges und Aufbau
einer neuen Gesellschaft, deren Grundlagen bereits in den Kriegsgefangenenlagern gelegt werden
sollten.
Als wichtigster Bestandteil galt auch die Kontaktaufnahme zur Heimat und den Eingekerkerten in den faschistischen Gefängnissen und KZ‘s.
So sollte z.B. Ernst Thälmann eine Stellungnahme zu dem Dokument „Wir Kommunisten im Nationalkomitee“ abgeben, zu der es allerdings nicht
mehr kam.12
Das Verhältnis NKFD und BDO
Das Flugblatt als Waffe
Der BDO hat sich nie als gegensätzliche Organisation zum NKFD verstanden sondern immer als
Ergänzung zum NKFD, mit einer besonderen Rolle beim antifaschistischen Aufbau.
General Seydlitz der erste Präsident des BDO
war zugleich auch Vizepräsident des NKFD.
Der BDO betrachtete das Manifest des NKFD
auch als seine politische Grundlage.
Allerdings sind einige Vorbehalte und Differenzen nicht zu verhehlen. So gab es Vorbehalte gegenüber den Kommunisten im NKFD. Die Erziehung der Offiziere im Geiste der preußischen, militaristischen Tradition verbot jegliche Propaganda in Richtung auf „Zersetzung der Wehrmacht“.
Sie träumten von einer Armee und einer Gesellschaftsordnung im bürgerlich-demokratischen
Sinne. Dies erklärt u.a. dass nur relativ wenige sich
nach dem Krieg in den Dienst des demokratischantifaschistischen Deutschlands stellten, mit dem
Ziel, den Sozialismus aufzubauen.
Einige einstmals hervorragende Vertreter des
NKFD bzw. BDO wurden auf Grundlage dieses
Widerspruches nach 1945 zu offenen Gegnern u.a.
des NKFD und BDO.
Rückgrat bildeten die „Frontbevollmächtigten“ (im Jahre 1943 gab es davon 17), die diese
Arbeit des NKFD und des BDO anleiteten und
die zahlreiche Helfer hatten. Die Berichte der
Frontbevollmächtigten bildeten die Basis für die
weitere Arbeit.
Die an die Front geschickten Antifaschisten
(Ende 1943 waren ca. 400 deutsche Antifaschisten
im Auftrag des NKFD an der Front. Ende des Krieges waren rd. 2.000 im Einsatz) gaben die Verpflichtung ab „aus Treue zur deutschen Nation mit dem
Nationalkomitee Freies Deutschland zu kämpfen.“
Die Arbeit der Antifaschisten an der Front erforderte fundiertes Wissen über die deutsche Truppe an dem jeweiligen Frontabschnitt. Wissen über
Art, Bestand, Stärke, Mängel der Ausrüstung,
Kenntnisse über die Einheitsführer (Charakter,
Stärken und Schwächen), über die Verfassung der
Einheit insgesamt waren unabdingbare Voraussetzungen um eine effektive Arbeit leisten zu können.
Weiterer zentraler Bestandteil waren die Vernehmungen der Kriegsgefangenen und die daraus
abzuleitende Strategie und Taktik im weiteren
Fortgang.
5 „Sie kämpften für Deutschland“,
Berlin 1959, S. 114
6 ebda, S. 146 ff.
7 ebda, S. 146 ff.
8 ebda, S. 157
9 ebda, S. 157
10 ebda, S. 173 ff.
11 ebda, S. 173 ff.
12 Else und Bernd von Kügelgen:
„Die Front war überall“, Berlin
1968, Vorwort
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Sendung mit dem Grabenlautsprecher. Deutscher
Antifaschist und Rotarmist
Walter Ulbricht diskutiert
mit deutschen Kriegsgefangenen
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Faschismus
Für die Agitation und
Propaganda bedienten
sich die Frontarbeiter
der verschiedensten Mittel, wie z.B. Zeitungen
(„Freies Deutschland“,
„Freies Deutschland im
Bild“), sowie zentraler
Flugschriften. Darüber
hinaus gab es unzählige
operative Flugblätter.
Es wurden alle Wege
genützt um dieses „Material“ an die deutschen
Truppen zu bringen:
Hinüberschießen in Behältern, Ablegen in
deutschen Gräben und
Stellungen durch Spähtrupps oder durch den
Einsatz von Partisanen
und Antifaschisten, die
hinter der Front arbeiteten. Beliebt war insbesondere die Methode,
über die reguläre Feldpost Flugblätter zu versenden, so dass auch die
Kommandeure in den
Genuss der Flugblätter
des NKFD und des
BDO kamen. So erreichten die Flugblätter millionenfache Auflage.
Ein weiteres wichtiges Mittel (vielleicht das
wichtigste Mittel) war die Lautsprecherpropaganda, die die Soldaten über die Frontlage bzw.
die Inhalte des NKFD und des BDO informierte. Wichtig dabei war es, dass die Offiziere und
Soldaten an den Frontabschnitten sprachen und
die Nazipropaganda widerlegten, dass alle, die
in Gefangenschaft geraten sind nicht, mehr lebten.
Es wurden sogar ganze Sendungen abgehalten
mit Musik usw. An der Leningrader Front wurden
allein vom 28.09.1943 bis 19.11.1943 415 Sendungen ausgestrahlt. Oft mussten die deutschen
Soldaten auf Befehl sofort schießen um diese Propagandasendungen zu stören.
Arbeit in den
Kriegsgefangenenlagern
Zentraler Bestandteil dieser Arbeit war die
Schulungstätigkeit. Es wurden Schulen für die
Kriegsgefangenen eingerichtet, in denen die Antifaschisten unterrichteten und über die Ursachen des Krieges und über die Ziele des NKFD
aufklärten.
Im Mittelpunkt stand auch die Aufklärungsarbeit zur Vorbereitung auf eine bessere Zukunft.
Diese wurden als die „umfangreichsten Vorarbeiten für den Neuaufbau des antifaschistischen
Deutschlands“ verstanden.13
Z.B. hat „über 1,5 Jahre im Rahmen des Nationalkomitee eine Kommission für die Umgestaltung des Unterrichtswesens gearbeitet ...
Richtlinien für den Unterricht in deutscher
Geschichte, die 1945 bei der demokratischen
Schulreform die Grundlage für den Geschichtsunterricht an unseren Schulen (in der DDR14)
bildete.“15
Ganz wichtig war es, dass die Kriegsgefangenen
über alle zur Verfügung stehenden Kommunikationskanäle Kontakt zur Heimat aufnahmen, um der
faschistischen Greuelpropaganda entgegenzuwirken, zu zeigen, dass Gefangenschaft nicht mit Folter und Tod gleich bedeutend war.
Nachdem 1943/44 die Rote Armee bereits drei
Viertel des okkupierten Gebietes zurückerobert
hatte, galt es den faschistischen Durchhalteparolen
den „Sieg oder Untergang“ entgegenzutreten. Entsprechend orientierten NKFD und BDO ihre Arbeit dahingehend. Sie forderten die Soldaten und
Offiziere auf, sämtliche Kampfhandlungen einzustellen und zu kapitulieren. Dies hat dazu geführt,
dass viele Einheiten und Soldaten in Gefangenschaft
gingen und der Krieg verkürzt wurde.
Bedeutung und Würdigung
des NKFD und BDO
Beide Organisationen haben dazu beigetragen
unzähliges Leben zu retten, indem viele Soldaten
u.a. nach Kontakt mit den Flugblättern usw. des
NKFD bzw. des BDO zur Roten Armee überliefen bzw. aufhörten im Kadavergehorsam für die
Faschisten zu kämpfen.
So verschoben sich im Verlaufe des Krieges die
Relationen immer mehr :
Während von den rd. 360.000 Mann, die in Stalingrad eingeschlossen wurden, 90.000 in Gefangenschaft kamen, stellte sich ein Jahr später in der
Krimarmee die Situation wie folgt dar:
50.000 Mann fielen, rd. 62.000 gingen in Gefangenschaft.
Oberst Steidle berichtete, dass am Dnjeprbogen
über 18.000 Mann sich ergaben und jeder Dritte
seinen Entschluss auch mit den Kontakt zum
NKFD begründete.16
Im Kessel von Snigorowka (März 1944)streckten schließlich rd. 6.000 Offiziere und Mannschaften die Waffen, über die Hälfte bekannte sich sofort zum NKFD.
Damit wurde die Hitler-Armee geschwächt und
tausende Soldaten konnten gerettet werden.
Aber die Bedeutung des NKFD und des BDO
ging weit über die Frontarbeit hinaus.
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Das NKFD war eine wichtige Keimform für das
demokratisch-antifaschistische Deutschland.
Zumindest in einem Teil Deutschlands wurde
somit den Imperialisten und Militaristen das
Handwerk für viele Jahrzehnte gelegt. Das NKFD
und der BDO trugen auf diese Art und Weise dazu
bei den Völkern der Welt zu zeigen, es gibt ein
anderes Deutschland.
Das NKFD und der BDO trugen dazu bei, den
Antikommunismus zu bekämpfen und zeigten großen Teilen des Volkes, dass es möglich und notwendig ist gemeinsam zu kämpfen.
Das Nationalkomitee Freies Deutschland war
eine wichtige Volksfrontbewegung gegen Faschismus und Krieg, so wie auf der historischen Brüsseler Konferenz der KPD von 1935 gefordert.
Die Gründung förderte den Zusammenschluss
der deutschen Antifaschisten weltweit.
„Am 11.11.43 schufen über 2.000 deutsche
Antifaschisten, die illegal in Frankreich lebten,
die Bewegung ,Freies Deutschland’„, die hervorragenden Anteil am Kampf der französischen Widerstandsbewegung hatte. In der
Schweiz bildete sich im August 43 die Bewegung ,Freies Deutschland‘. In England entstand
unter Leitung von Prof. Robert Kuczynski das
Komitee ,Freies Deutschland‘, in dem ...
J.Heartfield ... mitarbeiteten ... Ähnliche Zusammenschlüsse entstanden u.a. in Schweden,
Mexiko, Argentinien, Brasilien, Chile, Uruquay, Bolivien, und Kanada. Besonders genannt werden sollte hier noch das lateinamerikanische Komitee ,Freies Deutschland’, an
dessen Spitze der Schriftsteller Ludwig Renn
stand. In Deutschland gab es Gruppen des
NKFD in Berlin/Sachsen und Thüringen, Hamburg und im Ruhrgebiet.“17
Die Arbeit des NKFD und des BDO sind somit
unlöschbare Erfahrungen für die fortschrittlichen
Menschen in aller Welt.
Auflösung des NKFD und des
BDO
Ein halbes Jahr nach der Befreiung fand am
2.11.1945 die letzte Sitzung des NKFD und des
BDO statt.
Erich Weinert hielt das Hauptreferat des
NKFD, für den BDO sprach General Seydlitz.
Klar und ohne Wenn und Aber wurde in der
Schlusssitzung Bilanz gezogen und den neuen
Bedingungen Rechnung getragen.
Erich Weinert hob hervor, dass der Zusammenschluss nicht nur zum Sturz Hitlers war, „sondern
um ein neues, wahrhaft demokratisches
Deutschland zu schaffen“. Allerdings : „Bewaffneter Kampf, Erhebung gegen die Unterdrücker.
Das Nationalkomitee hat dieses Ziel nicht erreichen können.“18
Erich Weinert ging auf die Arbeit des NKFD ein,
insbesondere auch auf die Schwierigkeiten in der
Zusammenarbeit mit dem BDO. Er würdigte die
Verdienste von General Seydlitz, den er als mutigen Mann charakterisierte. Am Ende seiner Rede
erklärte Weinert:
„Einstellung der Tätigkeit bedeutet nicht Aufgabe der inneren Bindungen, bedeutet nicht,
dass jeder nun seines Weges gehen wird. Wenn
wir Männer des NKFD uns später einmal in
Faschismus
Deutschland wieder finden, werden wir dasselbe gute kameradschaftliche Verhalten finden
wie hier. In einem werden wir uns eins sein wie
heute: in der Erkämpfung eines freien, demokratischen, sauberen Deutschland! (langanhaltender Beifall)“19
Die Auflösung des BDO wurde von General
Seydlitz gegründet, der ausführte, dass der BDO
eng mit dem NKFD verbunden war. Der BDO
hatte aber immer seine soziale Basis zu berücksichtigen. Menschen, die im Gehorsam erzogen
wurden und denen jede Neigung sich gegen bestehende Verhältnisse aufzulehnen, fremd war.
„Was nutzte der Einzelne, wenn er hitlerfeindlich war und ihn dennoch unterstützte?“
„Wir haben uns hinsichtlich der politischen
Denkfähigkeit und des Wagmutes der Heerführung im Unklaren befunden ... bei Gründung
des BDO ... 4 Generale, 3 Oberste, viele Beamte, wenig Aktive ...“ Da wenig Hoffnung war,
viele Offiziere zu gewinnen, „jetzt war nur noch
Hoffnung, auf das ganze Volk einzuwirken ...
Anfang 44 war völlige Verschmelzung vom
Bund und Komitee ... Kampfgemeinschaft aller
Werktätigen, Gewerkschaften und Kirchen,
Gemeinschaft all derer, die das Wohl des Volkes über die Ichsucht stellten, denen Frieden
höher dünkte als Schlachtruf. Möglichkeit und
Wirklichkeit der Freundschaft zwischen General und Grenadier, zwischen Materialist und
Christ, im Ideal des kämpferischen Humanismus ...“, sei dies erreicht worden. Seydlitz fährt
fort: „1944 war die Hälfte der gefangenen Offiziere für die Bewegung gewonnen ... Der 20.Juli
brachte auch Generalfeldmarschall Paulus zu
dem Entschluss ...Was der Bund wollte, hat er
nicht erreicht, aber er hat dazu beigetragen,
Menschen und Meinungen zu erziehen, die die
deutsche Zukunft braucht ... die das deutsche
Land erneuern und erhalten können ... Die Aufgabe des Bundes ist beendet und damit auch das
Weiterbestehen der Organisation. Gemeinsam
mit dem Nationalkomitee haben wir zwei Jahre und zwei Monate zusammengelebt, gemeinsam mit ihm findet auch die Arbeit des Offiziersbundes und die Notwendigkeit seines Bestandes sein Ende.“20
HB21/Arbeitsgruppe Faschismus
45
Vorderseite eines Frontflugblattes, das gleichzeitig
als Ausweis beim Übergang auf die Seite des
NKFD benutzt werden
konnte
13 Wissenschaftliche Zeitschrift der
Ernst-Moritz-Arndt-Universität,
Greifswald, Reihe Nr.2/3, S. 340
14 Eigene Anmerkung
15 ebda, S. 340
16 Heinz Voßke, „Im Kampfe bewährt“, Berlin 1969, S. 310
17 Wissentschaftlicher Zeitschrift,
a.a.O., S. 340 ff.
18 Verrat ..., a.a.O., S. 254 ff.
19 Verrat ..., ebda
20 Verrat ..., ebda
21 Der Artikel beruht auf einem
Dia-Vortrag von 1982 der revolutionären Sodaten der „Kämpfenden Jugend“ und der antimilitaristischen Zeitung „Rührt
Euch“

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