Unser Freund, das Atom - Friedrich-Schiller

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Unser Freund, das Atom - Friedrich-Schiller
URL: http://www.uni-jena.de/Forschungsmeldungen/FM150730_Kernenergie.pdf
"Unser Freund, das Atom"
Wissenschaftshistoriker sind an EU-Großprojekt zur Geschichte der
Kernenergie in Europa beteiligt
Foto: Anne Günther/FSU
Bernd Helmbold und Dr. Christian Forstner (v.l.) untersuchen im Rahmen eines EU-Großprojektes
die Geschichte der deutschen und österreichischen Kernenergieforschung.
Der "Atomkraft, nein danke!"-Aufkleber ziert nicht nur immer noch einige Autos in Deutschland und
Europa. Er ist auch Ausdruck eines gesellschaftlichen Umgangs mit dem Thema Kernenergie.
Politisch haben sich nach der Katastrophe im japanischen Kernkraftwerk Fukushima die
Einstellungen gegenüber der Atomkraft verändert. Doch während u. a. in Deutschland der Ausstieg
im Eilverfahren beschlossen wurde, halten andere europäische Staaten weiter an der
Nukleartechnologie fest. Diesen aktuellen Entscheidungen liegen historisch gewachsene
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Strukturen in den einzelnen europäischen Staaten zu Grunde, die nun in einem EU-Großprojekt
untersucht werden.
Nationale Kontroversen und transnationale Wissenstransfers
An dem aktuell gestarteten Projekt "History of Nuclear Energy and Society (HoNEST)", das die
Europäische Union mit rund drei Millionen Euro fördert, ist auch die Friedrich-Schiller-Universität
Jena beteiligt. Ziel der ländervergleichenden Studie ist es, die Erfahrungen mit Kernenergie von 20
europäischen Staaten aus den vergangenen 70 Jahren zusammenzutragen. Damit sollen
Erklärungen über die Vielfalt und den Wandel der Beziehungen der europäischen Gesellschaft zur
Kernenergie auf Basis der historischen Erfahrungen möglich werden. Das dient zum einen der
Politikberatung, zum anderen sollen Kontroversen zwischen den verschiedenen Interessengruppen
und der europäischen Öffentlichkeit analysiert werden. Fragen zur Risikobewertung und besonders
zur Endlagerung haben die Debatten in den vergangenen 70 Jahren immer wieder stark geprägt.
Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf den unterschiedlichen nationalen Projekten der europäischen
Staaten. Während in den westeuropäischen Ländern größtenteils das amerikanische
Atomenergie-Know-how übertragen wurde, versuchten sich die osteuropäischen Staaten, bzw.
jene, die in den Händen der sowjetischen Besatzungsmacht lagen, entweder an eigenen Projekten
oder wurden in die sowjetischen Programme eingegliedert.
Die Länderstudien aus Österreich und Deutschland bzw. der ehemaligen DDR liefern Dr. Christian
Forstner und Bernd Helmbold vom Institut für Geschichte der Medizin, Naturwissenschaft und
Technik der Universität Jena. Die beiden Wissenschaftler vom Ernst-Haeckel-Haus sammeln
hierfür Daten aus Archiven in Österreich und Deutschland und führen Interviews mit Zeitzeugen.
"Wir gehen davon aus, dass die nationale Nuklearpolitik nur in einem breiteren inter- und
transnationalen Rahmen verstanden werden kann", so Forstner, der im Rahmen seiner Habilitation
das Projekt an der Jenaer Universität leitet. Dabei können die Forscher an die Erkenntnisse ihres
aktuellen DFG-Projektes zu Max Steenbeck anknüpfen, der den Aufbau der Kernenergie in der
DDR maßgeblich mitgestaltete.
Nukleartechnik im Kalten Krieg
Deutschland und Österreich haben eine lange Tradition in der Kernenergieforschung. Nach dem
Zweiten Weltkrieg war es beiden Ländern jedoch nicht möglich, eigene nationale
Atomenergieprogramme zu entwickeln. Zum einen aus wirtschaftlichen Gründen, zum anderen
wegen politischer Beschränkungen. Nicht nur in der DDR auch in Westdeutschland wollten die
Alliierten nationale Sonderwege in der Nukleartechnologie verhindern. Um gesellschaftliche
Akzeptanz warb man in Deutschland dennoch. So war der ursprünglich amerikanische
Werbeslogan "Unser Freund, das Atom" nur einer der vielen Versuche, die Gesellschaft der 50er
Jahre für die neue Technologie zu begeistern.
Während in der DDR die Nukleartechnologie der Sowjetunion übernommen wurde, baute
Österreich nach 1955 mit Hilfe der USA seine Kernenergie aus. Um eine militärische Nutzung zu
unterbinden und weil der USA an der Patentsicherung gelegen war, stellten sie sogar
Forschungsreaktoren als Komplettpakete zur Verfügung.
Für Forstner ist der Umgang Österreichs mit Kernenergie doppelt interessant: Einerseits
kooperierte Österreich sehr stark mit internationalen Organisationen wie der Atomenergiebehörde
IAEA, andererseits scheiterte das österreichische Atomprogramm in den 1970er Jahren. "Die
Analyse dieses Scheiterns Österreichs ist von entscheidender Bedeutung für das Verständnis der
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aktuellen Entwicklungen in mehreren anderen europäischen Staaten, die den Atomausstieg
anstreben oder bereits hinter sich haben", ist Dr. Forstner überzeugt.
Für das interdisziplinäre Projekt zur Geschichte der Kernenergie in Europa sei das Institut mit der
Forschungsstelle im Ernst-Haeckel-Haus auf Grund der früheren Projekte und Erfahrungen
bestens geeignet, betonen die Forscher.
Kontakt:
Dr. Christian Forstner
Institut für Geschichte der Medizin, Naturwissenschaft und Technik der
Friedrich-Schiller-Universität Jena
Berggasse 7, 07745 Jena
Tel.: 03641 / 949510
E-Mail: [email protected]
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