Energy Info 5_2005 7. März Silke Mader +MR2
Transcrição
Energy Info 5_2005 7. März Silke Mader +MR2
No. 5/2005 7.03.2005 Autorin Dr. Silke Mader wissenschaftliche Mitarbeiterin [email protected] Tel: +43/732/2468/5657 Fax: +43/732/2468/5651 „Eindämmung des Klimawandels mit Hilfe von Atomenergie?“ Links zum Thema APA-Aussendung: „Atomkraft als Antwort auf den Klimawandel?“ http://www.journale.apa.at/cms/ journale/energie/index.html Abfallentsorgung: der springende Punkt http://europa.eu.int/comm/research/rtdi nfo/40/01/article_495_de.html Atomenergie – ein Auslaufmodell http://www.umweltinstitut.org Lässt sich die gefährliche Entwicklung des drohenden Klimawandels tatsächlich nur mit Atomenergie aufhalten? Politiker und Wissenschaftler sind sich über die Zukunft der Atomenergie uneinig. Einerseits wird sowohl in wissenschaftlichen Studien als auch in politischen Stellungnahmen klar gemacht, dass der Kampf gegen den Klimawandel und der Ausstieg aus der Atomenergie nicht miteinander kompatibel sind, andererseits konnte aber bereits nachgewiesen werden, dass eine Energiewende auf Basis von Energieeffizienz, Energiesparen und dem Ausbau der erneuerbaren Energien möglich und realistisch ist. Befürworter der Atomenergie führen neben der Preisstabilität (der Brennstoff Uran sei weltweit kostengünstig) und der Versorgungssicherheit (Atomkraftwerke können das gesamte Jahr am Netz sein und rund um die Uhr produzieren) vor allem auch das Argument des Klimaschutzes an. Dies wird damit begründet, dass die Erzeugung von Strom aus Atomenergie im Gegensatz zur Stromerzeugung aus fossilen Energieträgern nicht zur Freisetzung von CO2 beiträgt. Kritiker hingegen kontern, dass sich Atomkraftwerke aufgrund der hohen Investitionskosten nur rechnen, wenn sie subventioniert werden. Der Preis für Uran habe außerdem mit derzeit 17,85 USD pro halbes Kilogramm den höchsten Stand seit 20 Jahren erreicht. Ende 2001 betrug der Preis für dieselbe Menge noch 6 USD. Hinsichtlich der Versorgungssicherheit wird von den Atomenergie-Kritikern entgegengehalten, dass auch Uran eine endliche Ressource ist, deren Restlaufzeit beim derzeitigen Jahresverbrauch bei knapp 36 Jahren liegt. Einig hingegen sind sich sowohl Kritiker als auch Befürworter darüber, dass bisher für das größte Problem der Atomenergie, nämlich der Endlagerung des strahlenden Abfalls, noch keine Lösung gefunden wurde. Die Frage, ob von Atomenergie auch eine militärische Gefahr ausgeht, steht derzeit ebenfalls im Mittelpunkt aktueller Diskussionen. Immerhin ist unumstritten, dass erst die Installation von Atomreaktoren es ermöglicht, Produkte wie Plutonium zu gewinnen, die für die Bombenproduktion nötig sind. Fakten zur Atomenergie Weltweit sind derzeit 439 Atomkraftwerke in 31 verschiedenen Ländern in Betrieb, die rund 16 %, d.h. ein Sechstel, des globalen Elektrizitätsbedarfes produzieren. In den USA, eindeutiger Spitzenreiter im Bereich der Erzeugung von Strom aus Atomenergie, wird mit 104 Atomkraftwerken (AKW) eine Leistung von 763.744 GWh pro Jahr erreicht, gefolgt von Frankreich mit 59 AKW und einer jährlichen Leistung von 420.700 GWh. In der weiteren Reihung folgen Japan (54 AKW), Russland (30 AKW), Großbritannien (23 AKW), Nordkorea (19 AKW) und Deutschland (18 AKW). 26 weitere Atomkraftwerke befinden sich gerade in Bau. Indien stockt z.B. den derzeitigen Bestand von 14 auf 22 AKW auf. Iran und Südkorea verfügen derzeit noch über keine AKW, arbeiten jedoch bereits an der Errichtung von Atomkraftwerken. China spricht aufgrund des Wirtschaftswachstums und der einhergehenden Energieknappheit davon, mindestens 30 AKW in den nächsten 15 Jahren bauen zu wollen. Der Neubau findet vor allem in Asien statt, wo zwei Drittel, der in jüngster Vergangenheit ans Netz gegangenen AKW, liegen. Abschlussbericht über das Grünbuch „Hin zu einer europäischen Strategie für Energieversorgungssicherheit“ http://europa. eu.int/comm/energy_transport/ livrevert/final/report_de.pdf Hinter jeder Atombombe steht ein „friedliches“ Atomprogramm http://www.global2000.at Analysiert man den Anteil von Atomstrom an der Stromerzeugung, so weist Litauen mit 80 %, gefolgt von Frankreich mit 78 % und der Slowakei mit 57 % den größten Anteil auf. Die Zukunft der Atomenergie… …weltweit Die internationale Atomenergiebehörde (IAEA) erwartet bis 2030 mehr als eine Verdopplung der Atomkraftnutzung und bis 2050 sogar eine Vervierfachung. Internationale Energieagenturen schätzen das Wachstum der Nuklearenergie weitaus geringer ein. Gegenüber dem Jahr 2000 wird ein Anstieg der Atomstromproduktion von höchstens bis zu 40 % erwartet. Im WETO (World Energy, technology and climate policy outlook 2030) der Europäischen Kommission wird geschätzt, dass der Anteil der Nuklearenergie an der gesamten Stromproduktion von 16,9 % im Jahr 1990 auf rund 10 % im Jahr 2030 zurückgehen wird. Die IEA prognostiziert sogar nur einen Anteil von 9 % im Jahr 2030. …in Europa Europäische Kommission, World energy, technology and climate policy outlook 2030, 2002 http://europa.eu.int/comm/research/en ergy/pdf/weto-annex1.pdf IEA, World Energy Outlook, 2002 http://www.worldenergy outlook.org/ weo/pubs/weo2002/weo2002.asp ZITAT der ehemaligen EUKommissarin Loyola de Palacio: „Entweder wir verzichten auf Kernenergie und halten Kyoto nicht ein, oder wir verzichten nicht auf Kernenergie und halten Kyoto ein.“ http://europa.eu.int/comm/research/rtdi nfo/40/01/article_493_de.html Innerhalb Europas gibt es derzeit nur einen einzigen Auftrag für einen Neubau, und zwar in Finnland, wo 2009 ein neuer Reaktor ans Netz gehen soll. In Frankreich gehen 2020 die ersten AKW aus Altersgründen vom Netz, werden aber ab 2018 schrittweise durch den neuen Europäischen Druckwasserreaktor ersetzt. Areva, der weltgrößte Nuklearkonzern, plant außerdem in Südfrankreich die Errichtung einer riesigen, neuen Anlage zur Urananreicherung für rund drei Mrd. Euro. In Großbritannien gibt es im Gegensatz zu Deutschland, Schweden, Belgien und den Niederlanden noch keinen Ausstiegsbeschluss; es soll jedoch auch weiterhin nicht in die Atomtechnik investiert werden. In Osteuropa scheitert der Ausbau von Atomanlagen in vielen Ländern an finanziellen Hürden. Russland jedoch will die Atomproduktion innerhalb von 5 Jahren verdreifachen und Tschechien möchte ebenfalls zwei weitere Reaktorblöcke errichten. Auch Polen denkt daran ein erstes AKW zu bauen, weil nach 2019 alte Kohlekraftwerke ersetzt werden müssen. Rumänien will Cernavoda II fertig stellen und die Slowakei überlegt sogar, die mit der EU vereinbarte Schließung der beiden ältesten slowakischen AKW zu überdenken und eventuell neu zu verhandeln. In der Schweiz soll möglicherweise ein neues AKW zwei alte (Beznau und Mühleberg) ersetzen. Von Seiten der Europäischen Kommission sieht man in der Atomenergie eine Option, die man sich hinsichtlich der Erreichung der Kyotoziele, unter Wahrung eines hohen Niveaus nuklearer Sicherheit, offen halten sollte. Die Entscheidung für oder gegen Kernenergie steht den Staaten der EU völlig offen. Mit dem Einsatz der Kernenergie und erneuerbaren Energien in der Stromerzeugung können gemeinsam mit Energieeffizienz-Maßnahmen lt. Grünbuch mehr als 300 Mio. t CO2 eingespart werden. Der Ausstieg mancher Mitgliedstaaten aus der Kernenergieindustrie wird die Fähigkeit der Gemeinschaft, ihre Kyoto-Verpflichtungen zu erfüllen, nicht beeinträchtigen, da dieser erst nach 2012 zum Tragen kommt. Mittel- bis längerfristig würde jedoch der völlige Verzicht auf Kernenergie bedeuten, dass 35 % der Stromproduktion von erneuerbaren oder konventionellen Energieträgern kommen müssten. Die Zukunft der Kernenergie soll innerhalb der EU vor allem auch davon ZITAT des international renommierten Klimatologen Professor André Berger: „Anfang des 21. Jhdt. aus der Kernenergie auszusteigen, ist nicht nur Anachronismus, sondern abhängen, ob auf die Frage der Behandlung radioaktiver Abfälle und ihres Transportes eine klare, sichere und transparente Antwort gefunden wird. Eine Ende des Jahres 2001 für die Kommission durchgeführte Umfrage (Eurobarometer) hat ergeben, dass zwei Drittel der befragten Personen der Meinung sind, die Kernenergie müsse eine Option für die Elektrizitätserzeugung bleiben, wenn auf die Frage der Behandlung radioaktiver Abfälle eine sicherheitstechnisch befriedigende Antwort gefunden wird. Im Sechsten Rahmenprogramm 2000-2006 wird die Kernforschung, insbesondere die Verbesserung der nuklearen Sicherheit und der Abfallbehandlung, mit 1,23 Mrd. Euro unterstützt. Dies entspricht einer 8 %igen Erhöhung gegenüber dem Fünften Rahmenprogramm und ist in etwa zweieinhalbmal mehr als in die gesamte Förderung von erneuerbarer Energie investiert wird. wird sich für lange Zeit als größter Fehler erweisen, der jemals von einer Regierung in Belgien begangen wurde.“ (nach der Entscheidung der belgischen Regierung, den Gebrauch von Atomenergie in Belgien langfristig einzustellen) http://europa.eu.int/comm/research/rtdi nfo/40/01/article_493_de.html Ansicht der dt. Bundesregierung: „Die Nutzung der Atomkraft ist keine Voraussetzung für eine erfolgreiche Klimaschutzpolitik“ Abfallentsorgung – ein unlösbares Problem? Der Atommüll, der aus den in AKW verwendeten Brennstoffen stammt, kann Tausende bis Hunderttausende von Jahren hoch radioaktiv bleiben. Nur ein Teil dieses Atommülls wird in Wiederaufarbeitungsanlagen (La Hague in Frankreich oder Sellafield in Großbritannien) recycelt. Der Rest wird als „zur endgültigen Entsorgung bestimmte bestrahlte Brenn-stoffe“ (EEBB) eingestuft. EU-weit haben sich bisher etwa 17.500 Tonnen EEBB angesammelt. Die Jahresproduktion der 25 EU-Mitgliedstaaten wird auf 1.730 Tonnen geschätzt. Dazu kommt noch der schwach- und mittelaktive Atommüll, der bis zu 30 Jahren radioaktiv bleiben kann. Der Umfang dieser Art von Atommüll wird von der Europäischen Kommission auf 150.000 m³ innerhalb der ehemaligen EU-15 Länder geschätzt. Aus den 10 neuen Mitgliedstaaten kommen noch mehrere Zehntausend m³ dazu. Derzeit wird die Möglichkeit einer geologischen Endlagerung als eine machbare und akzeptable Lösung betrachtet, dennoch hat noch kein einziges Land der Welt begonnen, diese effektiv in Angriff zu nehmen. Resümee http://www.sonnenseite.com/fp/archiv/ Akt-News/5877.php Zusammenfassend lässt sich sagen, dass auch zukünftig kein Ende der Diskussion über die Vor- und Nachteile der Atomenergie im Zusammenhang mit Klimaschutz in Sicht ist. Weltweit betrachtet wird vor allem in Asien die Kernenergie noch stärker anwachsen; dennoch sehen internationale Energieagenturen den Anteil an der Stromproduktion bis zum Jahr 2030 auf 9 bis 10 % schrumpfen. Innerhalb der EU steht die Entscheidung für oder gegen Kernenergie den Mitgliedstaaten, unter Wahrung eines Niveaus nuklearer Sicherheit, völlig offen. Die bisher noch ungelösten Probleme, wie Endlagerung des strahlenden Abfalls oder auch Weiterverbreitung waffenfähigen Materials, werden wohl auch in naher Zukunft noch offen bleiben. Entscheidung des Bezirksgerichts Hernals, ZG 6 C 112/02k Stattgabe einer Klage auf Unterlassung der Gefährdung des Lebens bzw der Gesundheit der Klägerinnen durch radioaktive Immissionen aus dem Atomkraftwerk Mochovce Autorin 1. Dr. Ingrid Galhaup und Dr. Eva Glawischnig hatten im Juli 1998 eine Privatklage gegen die Betreiber des slowakischen AKW Mochovce (Slovenské Elektronen) auf Unterlassung von Immissionen eingebracht, weil sie das „sicherheitstechnisch mangelhaft ausgestattete“ Atomkraftwerk 160 km östlich von Wien durch radioaktive Immissionen bedrohe. Genauer gesagt, würden sie als Eigentümerin einer Liegenschaft bzw Mieterin einer Wohnung in Wien bei einem Störfall des Atomkraftwerkes Mochovce unmittelbar betroffen sein. Gestützt wurde der Unterlassungsanspruch auf die §§ 364 (nachbarrechtlicher Schutz vor bestimmten Emissionen) und 1295 (allgemeiner Schadenersatzanspruch) ABGB. Begründend wurde dazu ausgeführt, dass „durch die Inbetriebnahme des Atomkraftwerks […] die Gefährdung durch einen potentiellen Störfall akut [werde] und Immissionen, die das ortsübliche Ausmaß übersteigen und zu einer Gefährdung von Eigentum, Leib, Leben und Gesundheit führen, unmittelbar drohen würden. Auf Grund der schlechten bzw nicht vorhandenen Sicherheitsvorkehrungen, drohten den Klägerinnen bereits durch den Betrieb des Atomkraftwerks gesundheitsgefährdende Immissionen.“ 2. Nach diversen Streitigkeiten ob der inländischen Gerichtsbarkeit gemäß § 27a JN und der Zuständigkeit nach § 81 JN („ Streitigkeiten um unbewegliches Gut“) entschied das BG Hernals nun: Margot Reisinger Wissenschaftl. Mitarbeiterin [email protected] Tel: +43/732/2468/5654 Fax: +43/732/2468/5651 1) „Die beklagte Partei ist schuldig, die Gefährdung des Lebens bzw der Gesundheit der Klägerinnen durch radioaktive Immissionen aus dem Atomkraftwerk Mochovce zu unterlassen. 2) Die beklagte Partei ist gegenüber der Erstklägerin schuldig, durch geeignete Vorkehrungen dafür zu sorgen, dass radioaktive Immissionen auf die Wohnung […], Wien, aus dem Atomkraftwerk Mochovce unterbleiben. 3) Die beklagte Partei ist gegenüber der Zweitklägerin schuldig, durch geeignete Vorkehrungen dafür zu sorgen, dass radioaktive Immissionen auf die Wohnung […], Wien, aus dem Atomkraftwerk Mochovce unterbleiben. 4) Die beklagte Partei ist darüber hinaus schuldig, den Klägerinnen die […] Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exek ution zu Händen des Klagevertreters zu bezahlen.“ 3. Nach Meinung der Klägerinnen bedeutet das Urteil zweierlei: „E nt weder muss das Atomkraftwerk nachgerüstet werden, verbessert werden, die Standards verbessert werden. Oder es muss abgeschaltet werden.“ Als Erfolg sei zu verbuchen, dass hiermit „erstmals in der europäischen Rechtsgeschichte […] ein Gericht auch erkannt hat, dass ein Atomkraftwerk, das in Betrieb ist, eine unmittelbare Bedrohung für Leib, Leben und Eigentum der Menschen auch jenseits der Grenze darstellt.“ 4. Die Konsequenzen aus der Entscheidung lassen sich im Augenblick noch nicht abschätzen. Zum einen wollen die slowakischen Elek trizitätswerke gegen das noch nicht rechtskräftige Urteil Berufung erheben, zum anderen stellt sich selbst bei letztinstanzlicher Bestätigung des Urteils durch den OGH die Frage nach der grundsätzlichen Vollstreckbarkeit. Eine ähnliche Klage wurde vom Land Oberösterreich 2001 gegen die Betreiber des tschechischen Atomkraftwerks Temelin eingebracht. Eine Entscheidung steht diesbezüglich noch aus, da die Causa an den Europäischen Gerichtshof weitergeleitet wurde. ENERGIEINSTITUT AN DER JOHANNES KEPLER UNIVERSITÄT LINZ Altenberger Straße 69, A-4040 Linz Tel: +43-732-2468-5656 / Fax: DW 5651 / [email protected] / www.energieinstitut-linz.at