Industriezonen mit Extras - Fiducia Management Consultants

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Industriezonen mit Extras - Fiducia Management Consultants
bu s i n e s s : China
ASIA B RIDGE 5: 2010
Industriezonen mit Extras
Mit hervorragenden Infrastrukturbedingungen und attraktiven Incentives locken
Chinas Industrieparks internationale Investoren. In unserer März-Ausgabe haben die
Fiducia-Manager Christian Groeger und Thaddäus Müller Chengdu und Guangzhou
unter die Lupe genommen. Diesmal lassen sie nun Tianjin gegen Suzhou antreten.
VON christian groeger & thaddäus müller ::: Der Suzhou
Industrial Park (SIP) wurde 1994 in einer chinesisch-singapu­
rischen Kooperation gegründet. Neben Kapitalinvestitionen
wollte man vor allem auch vom Know-how Singapurs in Bezug auf Wirtschaftsförderung und Stadtplanung profitieren.
Der Park befindet sich etwa 6 km östlich des Stadtzentrums
von Suzhou. Zunehmend breitet er sich westlich in Richtung
der Industriestadt Kunshan sowie nördlich in Richtung der
Yangdeng-Seen aus. Das ursprüngliche Areal der Kooperation
umfasst 80 qkm, mittlerweile ist die Fläche des Gesamtparks
auf 288 qkm angewachsen.
Der Park unterteilt sich in mehrere Areale, unter anderem
für Bio- und Nanotechnologie, Life-Science, IT und Software,
KMU sowie eine Export Processing Zone. Schlüsselindustrien
sind Elektronik, Werkstofftechnik und die Biopharmazeutische
Industrie. Im Laufe der Jahre haben sich zahlreiche multi­
nationale Investoren angesiedelt, darunter Siemens, Samsung,
Bosch, Nokia, Johnson&Johnson oder BASF. Die Gesamtzahl
der angesiedelten Unternehmen liegt mittlerweile bei über
3.100 Firmen. Im Jahr 2009 stieg die Gesamtwertschöpfung
gegenüber dem Vorjahr um 15% auf 112 Mrd. Yuan.
mit dem Ziel gegründet, anspruchsvolle in- und ausländische
Technologieunternehmen anzusiedeln. Die Zone befindet
sich etwa 40 km südöstlich vom Stadtzentrum Tianjin und ist
160 km von Beijing entfernt. Mit der Hauptstadt ist Tianjin
durch einen neuen Schnellzug verbunden, der die Strecke in
30 Minuten bewältigt. Das für die Hauptzone geplante ­Areal
von 40 qkm ist mitterweile gewachsen, zur Zone gehören zusätzlich der Yat-sen-Wissenschaftspark im Distrikt Wuqing,
der Microelectronics Park in Xiqing und der Chemiepark im
Distrikt Hangu. Neu ist auch die 48 qkm große Westzone, die
zwischen Hafen und Flughafen gelegen ist.
Mit direktem Zugang zum Hafen von Tianjin ist TEDA
gut aufgestellt für den Produktexport. Über 4.700 ausländische
Firmen aus 74 Ländern mit einem Investitionsvolumen von
über 54 Mrd. US-Dollar haben bislang ihren Weg in die TEDA
gefunden, davon 76 aktuelle Fortune-500-Unternehmen. 2009
erreichte die Gesamtwertschöpfung der Zone 127,5 Mrd. Yuan.
Zu den wichtigsten Branchen gehören unter anderem Elektronik, Automobil, Pharma und Chemie, ­Lebensmittel sowie
Luft- und Raumfahrt. Große ­Namen vor Ort sind Motorola,
Samsung, Toyota, Honeywell und Coca-Cola.
TEDA: fast schon von historischem Wert
Energieversorgung und Anbindung sind tadellos
Die Tianjin Economic-Technological Development Area
(TEDA) ist eine der ältesten Industriezonen und wurde 1984
Dank der Beteiligung aus Singapur verfügt der SIP über eine
erstklassige Infrastruktur. Die Versorgung mit Strom, Wasser,
Bild: TEDA
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Gas und Telekommunikationsmitteln erfolgt zu in
Tianjins entfernt.
der Region Shanghai kompetitiven Preisen. Der nahe
gelegene Taihu-See bietet die notwendigen Wasserreserven.
Über mehrere mehrere Autobahnen ist der SIP unter anderem
gut mit Shanghai, Nanjing, Hangzhou und weiteren Städten
des Jangtsedeltas verbunden. Die Bahnanbindung erfolgt über
Suzhou ­Station oder über den Cargo-Bahnhof in Baiyangwang
in 12 km Entfernung. Im Umkreis von 100 km befinden sich
der Hafen von Shanghai, der zu den größten der Welt zählt,
sowie die Häfen von Taicang und Changshu. Der circa 80
km entfernte Hongqiao Airport liegt weniger als eine Stunde
Fahrt entfernt, zum 120 km entfernten Pudong International
Airport beträgt die Fahrzeit etwa anderthalb bis zwei Stunden.
Ab Mitte des Jahres soll eine U-Bahn den SIP mit dem Stadtzentrum verbinden.
Auch TEDA punktet bei der Energieversorgung. Das
nahe gelegene Kraftwerk speist 650 MW ein und soll im
Laufe des Jahres auf mehr als 1.000 MW erweitert werden.
Um Stromausfälle und sonstige Unregelmäßigkeiten zu vermeiden, verlässt man sich auf den Anschluss an das Beijing–
Tianjin–Tanggu Power Grid, das mit Raten zwischen 0,5 und
1 Yuan pro kWh eine vernünftige Versorgung bietet. Wasser,
Gas, Fernwärme und Abfallbeseitigung sind ebenso zentral
organisiert und die TEDA Holding, die für das Management
verantwortlich ist, rühmt sich mit dem ISO-9000-Zertifikat.
Durchschnittlich kann mit einem Niveau von 24 Yuan/qm
für die Monatsmiete gerechnet werden.
Schnellstraßen, eine Stadtbahn (bis Ende 2010 in Betrieb),
eine Intercity-Hochgeschwindigkeitsbahn, eine Eisenbahn (ca.
40 Minuten bis Tianjin) und der nahe gelegene Fracht­hafen
ermöglichen effiziente Logistik. Der circa 40 km westlich gelegene Tianjin Binhai International Airport ist in 40 Minuten
Der Industriepark TEDA liegt
etwa 40 km vom Stadzentrum
mit dem Auto zu erreichen, die Fahrt zum 180 km entfernten
Beijing Capital International Airport dauert zwei Stunden.
Für Bildung ist gesorgt
Direkt auf dem SIP-Gelände sind drei Universitäten vertreten, ganz Suzhou zählt insgesamt 17 Hochschulen und Universitäten, Einrichtungen zur Berufs- und Erwachsenenbildung sowie Forschungsinstitute. Bei der Ansiedlung leistet
das Suzhou Industrial Park Administrative Committee (SIPAC) Unterstützung bei Registrierungen und Zulassungen
im One-Stop-Verfahren, einige Anmeldungsschritte lassen
sich auch online vollziehen.
Von Singapur hat der Industriepark 1997 das Modell der
Sozialversicherung mit Provident Fund (Vorsorgereserve)
inklusive der Komponenten für Krankenversorgung, Altersversorgung und Eigenheimfinanzierung übernommen. Das
Modell bietet eine niedrigere Abgabenlast für Unternehmen
und gleichzeitig flexiblere Leistungen für chinesische Arbeit-
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ausländische Banken Branch ­Offices unterhalten, darunter
auch die Commerzbank, die seit 2009 vor Ort ist.
Die weichen Fakten und Argumente
Internationale Schulen, Krankenhäuser, Supermärkte, Bars
und sogar eine Shopping Mall (Bild) finden sich im Suzhou
Industrial Park.
nehmer als im übrigen China – ein starkes ­Argument für die
Loyalität der Arbeitnehmer am Standort SIP.
Seit Anfang 2008 existiert im SIP eine Integrated Free Trade
Zone (IFTZ), die die Export Processing Zone und die Bonded
Logistic Zone umfasst. Innerhalb der IFTZ können Produkte
und Dienstleistungen steuerfrei abgerechnet werden, wobei
neben Produktion, Sourcing, Exportabwicklung und Logistik
auch der Betrieb von F&E- und Testeinrichtungen möglich ist.
Gegenwärtig sind in der IFTZ 89 produzierende Unternehmen sowie 30 Logistikfirmen und 31 Handelsgesellschaften
vertreten. Ein Zollamt ist ebenso an die IFTZ angeschlossen
wie das S
­ uzhou Logistics Center inklusive Binnenhafen.
Kurze Amtswege in Tianjin
Die umfassende Unterstützung von ausländischen Firmenansiedlungen hat in Tianjin Priorität. Industrieverbände und
Handelskammern haben ihre lokalen Ableger in ­Tianjin, und
seit Ende 2008 gibt es eine eigene Vertretung der deutschen
AHK mit derzeit knapp 40 Mitgliedern. Weitreichend sind
auch die Investitionsförderungsaktivitäten der TEDA. In sechs
Büros kümmern sich TEDA-Mitarbeiter um Neu­ansiedlungen,
die ­Internet- und Werbepräsenz der Zone ist einmalig. Zudem
rühmt sich TEDA mit der wohl chinaweit schnellsten WFOE­Registrierung, die ­innerhalb einer Woche vollzogen werden
kann – und das, weil die beiden Behörden ­MOFCOM (Ministry of Commerce) und SAIC (State Authority of Industry and
Commerce), die die Gründungs­dokumente absegnen beziehungsweise die Geschäfts­lizenz erteilen, gemeinsam agieren.
Auch in anderen Bereichen arbeiten die Behörden vor Ort
effizient zusammen. So hat die National Development and Reform Commission (NDRC) zu Jahresbeginn den Anträgen von
13 neuen Venture-Capital und Private-Equity-Gesellschaften
stattgegeben, die in der Tianjin Development Zone oder der
unmittelbaren Nähe ansässig sind. Jährlich im Juni findet das
„China International Private ­Equity Forum“ statt, das mittlerweile 4.500 Teilnehmer anzieht. Die Bedeutung Tianjins als
Finanzplatz wird zudem dadurch unterstrichen, dass über zehn
Suzhou ist in China berühmt für seine Gartenanlagen in der
Altstadt. Die Lebenshaltungskosten sind etwas niedriger als in
Shanghai. Hinzu kommt der Vorzug geringerer Verkehrs- und
Besiedlungsdichte gegenüber dem großen Nachbarn.
Im Hinblick auf Unterkünfte bietet der SIP selbst eine
Reihe von Optionen für unterschiedliche Geldbeutel und
Geschmacksrichtungen, von einfacher Grundausstattung bis
hin zu Luxusvillen. Darüber hinaus findet sich in Suzhou ein
breites Wohnangebot, und man kann auch von Shanghai aus
pendeln. Je nach Anbindung und Wohnort dauert die Fahrt
mit dem Auto etwa eine bis anderthalb Stunden. In der Zone
selbst gibt es ein Krankenhaus mit teilweise englischsprachigem
Personal, und auch einige westliche Zahnärzte haben hier ihre
Praxen. Große Einkaufszentren und Supermarktketten bieten ausländische Produkte an, in kulinarischer Hinsicht gibt
es ebenfalls internationale Auswahl. Für Zerstreuung sorgen
zahlreiche Bars direkt im SIP sowie am Wochenende Suzhou
oder Shanghai.
Neben einer Reihe singapurisch geführter Bildungseinrich­
tungen, deren Angebot vom Kindergarten bis zur Erlangung
der Hochschulreife reicht, gibt es eine deutsche und zwei weitere internationale Schulen. Etwa 20.000 Ausländer leben in
Suzhou/SIP, wovon die meisten im SIP arbeiten. Angesichts
der vielen deutschen Expats in Suzhou hat die AHK in China
im März 2010 eine eigene Vertretung gegründet, wo regelmäßig Veranstaltungen stattfinden.
Auf dem 11 qkm großen Wohnareal der TEDA leben etwa
3.000 Ausländer aus über 30 Ländern. Die Zone kümmert sich
in vielerlei Hinsicht um deren Wohlergehen. Zahlreiche Restaurants, Bars und Karaokebars haben sich in der Huanghai
Road angesiedelt, und der nahe gelegene, gepflegte Taifeng
Park lädt zu Spaziergängen im Grünen oder zum Joggen ein.
Zudem lassen ein eigener botanischer Garten und ein Forest
Park das industrielle Umfeld vergessen.
Die Fakten sprechen dafür, dass sich in Suzhou und auch
in Tianjin erstklassige Möglichkeiten für ausländische Firmen bieten, ihr China-Geschäft zu starten oder auszubauen.
In vielen Kategorien befinden sich beide Zonen auf den vorderen Rängen. Suzhou und SIP sind jedoch internationaler
und bieten viele Verbindungen nach Shanghai, Taicang oder
Kunshan, wo sich wichtige Industriecluster angesiedelt haben. Tianjin kann als Produktionsstätte in Verbindung mit
einem Liaison-Office in Beijing dienen und erhält Pluspunkte als wachsendes Finanzzentrum Nordchinas. Eine klare ­Empfehlung kann jedoch nur für den Einzelfall gegeben
werden, wenn insbesondere untersucht wird, wo sich die nötige Kunden- und Zulieferernähe besser darstellt. :::
Christian Groeger ist Client Relationship Manager und Thaddaeus
­Müller Business Development Manager bei Fiducia Management Consultants. Fiducia hilft bei Standortsuche, Firmengründung und Buchhaltung in China und Hong Kong. Kontakt: [email protected],
www.fiducia-china.com.
Bild: Wikimedia, Li Gong Di
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