Unterrichtsentwurf Bergmann`sche Regel

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Unterrichtsentwurf Bergmann`sche Regel
Seminar für das Lehramt an Gymnasien und Gesamtschulen Jülich
Unterrichtsentwurf zum 5. Unterrichtsbesuch
I. Datenvorspann:
Studienreferendar/-in: I. Thomaschewski
Schule: Gymnasium Zitadelle der Stadt Jülich
Fach: Biologie
Datum: XXX
Zeit: XXX
Raum: Institut I 17
Klasse/Kurs: 13 (GK)
Fachlehrer/-in: XXX
Fachleiter/-in: XXX
Hauptseminarleiter/-in: XXX
II. Thema der Unterrichtsstunde:
Erarbeitung der Klimaregel für Homoiotherme am Beispiel der Bergmann’schen Regel
III. Stundenziel:
Die Schülerinnen und Schüler (im Folgenden SuS1 genannt) erarbeiten und begründen
anhand von gruppenteiligen theoretischen und praktischen Arbeitsphasen die
Bergmann’sche Regel auf kognitiver und experimenteller Ebene.
1
Anmerkung: Im Folgenden werden mit den Begriffen „Schüler“ / „Schülern“, „Lehrer“, „Lehrender“ etc. beide
generische Formen gemeint, d.h. diese Begriffe stehen sowohl für die weibliche als auch für die männliche Form
des jeweiligen Wortes.
1
Teilziele:
Die Schülerinnen und Schüler sollen…
TZ1
… im UG die Gesetzmäßigkeit (=Was?) der geographischen PinguinVerbreitung und deren Ursachen (=Warum?) anhand einer Folie erläutern,
indem sie ihre Vorkenntnisse aus der Unterrichtsreihe nutzen und fachlich
korrekt im Plenum argumentieren.
TZ2
… im UG ihre fachlichen und fachübergreifenden Kompetenzen trainieren,
indem sie Hypothesen für die Ursache (=Wie?) der Pinguin-Verbreitung
nennen und ggf. eigenständig Möglichkeiten zur experimentellen Überprüfung
nennen.
TZ3
… in GA ihre Kompetenzen in fachwissenschaftlichen Arbeitsweisen stärken,
indem sie arbeitsteilig anhand eines Anleitungstextes einen Versuch durchführen / mathematische Werte und Datentrends errechnen / zielgerichtet Information aus Textquellen herausschreiben.
TZ4
… in der GA ihre sozialen und prozessbezogenen Kompetenzen stärken,
indem sie die ermittelten Daten diskutieren, sich ggf. gegenseitig korrigieren
und ihre Ergebnisse auf Folienschnipseln festhalten.
TZ5
… im Plenum ihre fachlichen und fachübergreifenden Kompetenzen erweitern,
indem sie die Ergebnisse fachlich korrekt und visuell unterstützt (OHP Folien,
siehe Anhang) präsentieren und ihre Ergebnisse auf die der Vorredner
beziehen.
TZ6
… im Plenum ihre fachlichen und prozessbezogenen Kompetenzen stärken,
indem sie ihre anfänglichen Hypothesen im Hinblick auf die eigens ermittelten
Ergebnisse zur Bergmann’sche Regel bestätigen oder falsifizieren.
EZ7
… als Eventualziel in PA und UG ihre sprachliche und fachliche Kompetenz
anwenden und erweitern, indem sie anhand des erlangten Wissens Ausnahmen oder Einschränkungen der Bergmann’schen Regel ( Allen’sche Regel)
nennen.
EZ8
… als Eventualziel in PA ihre prozessbezogene und fachliche Kompetenz
fördern, indem sie den Sinn von Modellen und die Vor- und Nachteile dieses
Pinguin – Glaskolben – Modells diskutieren und im Plenum präsentieren.
EZ: Eventualziel
2
IV. Die Unterrichtsreihe:
Thema der Unterrichtsreihe:
Ökologie – Ökologische Verflechtungen und nachhaltige Nutzungen
(Abiotische und biotische Umweltfaktoren, Population)
(vgl. Richtlinien für das Gymnasium, Sekundarstufe II, S. 28,29) 2
Stellung der Stunde im Reihenkontext:
Themen der vorherigen und nachfolgenden Stunden:
2
-
Ökologie – was ist das?: Die SuS erstellen in GA Pfeildiagramme mit den
Kerndefinitionen der Ökologie, indem sie Informationen aus Texten auswerten und
visualisieren.
-
Abiotische und biotische Faktoren: Die SuS erlernen die Definition von abiotischen
und biotischen Faktoren am Beispiel der Zauneidechse (Lacerta agilis).
-
Abiotischer Faktor 1: Temperatur. Homoiotherme und poikilotherme Tiere und
deren Eigenschaften werden über Praxisbeispiele in Gruppenarbeit ermittelt.
-
Ökologische Potenz: der Einfluss des abiotischen Faktors Temperatur wird am
Beispiel des Mehlwurms (Präferenzversuche) und am Beispiel von Bachforelle und
Karpfen (Toleranzversuche) eigenständig erarbeitet und im Plenum dargestellt.
-
Klimaregeln bei Homoiothermen: Eigenständige Erarbeitung der Bergmann’schen
Regel durch gruppenarbeitsteiliges Bearbeiten theoretischer und praktischer Teilaspekte und Zusammenführen der einzelnen Ergebnisse (inkl. Versuchsprotokoll).
Ggf. Formulieren von Ausnahmen / Erweiterungen zur Bergmann’schen Regel.
-
Kurzer Exkurs: Modelle – ein Abbild der Wirklichkeit? (Modellkritik im Bezug auf
die Pinguin – Glaskolben – Modelle der vergangenen Stunde).
-
Allen’sche Regel: die SuS nutzen ihr Wissen um die Bergmann’sche Klimaregel
und erweitern diese anhand von englischsprachigen Texten und Abbildungen, um
die Allen’sche Regel zu formulieren.
-
Abiotischer Faktor 2: Wasser. Expertenpuzzle zu der Frage, wie die Wasseraufnahme und der Wassertransport in Pflanzen funktioniert.
-
Störfaktor Mensch: Medienpräsente Wörter wie Erderwärmung, Carbon Footprint,
Schmelzen der Polkappen, Verschwinden natürlicher Lebensräume etc. werden im
Hinblick auf die Klimaregeln, das Wissen um die Toleranz und Präferenz von
Tieren und die daraus resultierenden Konsequenzen für Flora und Fauna
diskutiert.
Richtlinien und Lehrpläne für die Sekundarstufe II
3
V. Didaktische und unterrichtsmethodische Entscheidungen
Die Ökologie (grch. oikos „Haus, Haushalt“ und logos „Lehre“) ist diejenige Teildisziplin
der Biologie, welche die Beziehungen zwischen Organismen untereinander und mit ihrer
Umwelt erforscht. Längst ist dieses Themengebiet durch seinen komplexen und vielschichtigen Charakter ein Thema mit Gegenwartsbezug geworden: die Konsequenzen
des Eingreifens der Menschen in Ökosysteme ist in den Medien allgegenwärtig. Ebenso ist
auch der heutigen Jugend ist bewusst, „[…] dass der Mensch mit seinen ökonomischen
und gesellschaftlichen Ansprüchen in regionale und globale Abhängigkeiten und Gesetzmäßigkeiten eingebunden ist und deshalb eine Nutzung nachhaltiger Ressourcen unabdingbar ist.“3 Die Richtlinien verlangen weiter, dass anhand von Praxisbeispielen die
Dringlichkeit in diese Abhängigkeiten vermittelt werden muss, damit die natürlichen
Lebensgrundlagen auch für die folgenden Generationen erhalten bleiben. Gerade mit dem
Unterthema Abiotische Faktor Temperatur weckt man ganz automatisch Schülerassoziationen (Erderwärmung, Schmelzen der Polkappen, Verschwinden natürlicher Lebensräume etc.) und kann das Vorwissen der SuS daher in den Unterricht mit einbinden. Die
SuS werden in dieser Stunde anhand der Klimaregeln von Bergmann zuerst eine
Ursachenforschung betreiben, d.h. den morphologischen (physikalischen) Sinn der
geographischen Verbreitung der Pinguinarten erarbeiten. In den Folgestunden wird
anschließend der Fokus etwas weiter gerichtet; der Störfaktor Mensch (siehe Reihenkontext) wird als einprägsames und reelles Praxisbeispiel genutzt, um das fragile Zusammenspiel der Lebensräume und ihrer Bewohner zu verdeutlichen.
Wie bereits in den Richtlinien gefordert (Bereich II: Lernen im Kontext, Bereich III:
Umgang mit Fachmethoden und Formen des selbstständigen Arbeitens4), setzen sich die
SuS des GK 13 heute durch selbständiges und erforschendes Arbeiten mit dem Unterrichtsgegenstand Bergmann’sche Regel unter Einbeziehung naturwissenschaftlicher
Denk– und Arbeitsweisen (Hypothesenbildung, Experimente, mathematische Berechnungen, zeichnen, Hypothesenüberprüfung, Regelfindung) auseinander. Da die Richtlinien als
Schwerpunktvorhaben5 in der Sekundarstufe II eine Kombination von Themen mit
Basiswissen, mit exemplarischem Charakter, mit speziellen Fachmethoden sowie mit
hoher Schüler- und Gesellschaftsrelevanz vorsehen, ist die heutige Stunde ist daher
genau gemäß dieser Forderung geplant worden: durch gruppenarbeitsteiliges Vorgehen
kann parallel Basiswissen (Gruppe 6: Textanalyse), Wissen mit exemplarischem Charakter (Gruppe 5: Mathe) und fachspezifische Arbeitsmethoden (Gruppen 1-4: experimentelles Arbeiten) erarbeitet werden. Die Verknüpfung der Ergebnisse aus den einzelnen
Arbeitsschritten zu einer Sinneinheit steht allerdings als oberstes Ziel dieser Stunde
und resultiert in der Formulierung der Bergmann’schen Regel; zwar findet jede einzelne
Gruppe in der Erarbeitungsphase eine Teilwahrheit dieser Regel wieder, doch nur die
Kombination der einzelnen Sinneinheiten ergibt am Ende der Stunde eine von SuS
erstellte Klimaregel, die durch die eigenen Textrecherchen, Berechnungen und Experimente überprüft und gebildet worden ist.
Die übergeordneten prozessbezogenen Kompetenzen dieser Unterrichtsstunde
konzentrieren sich vor allem auf den Kompetenzbereich Erkenntnisgewinnung, ebenso
aber auch auf die Bereiche Kommunikation und Bewerten.6
Der inhaltliche Schwerpunkt der Stunde liegt in der multiperspektivischen und eigenständigen Regelfindung der Bergmann’schen Klimaregel, wie es schon für die Grundzüge
des Biologieunterrichts empfohlen wird:
„[…] Das Verständnis biologischer Systeme erfordert, zwischen den verschiedenen
Systemen gedanklich zu wechseln und unterschiedliche Perspektiven einzuneh-
3
Richtlinien und Lehrpläne für die Sekundarstufe II, S. 28.
Richtlinien und Lehrpläne für die Sekundarstufe II, S. 8, S. 10-11, S. 23-24.
5
vgl. Richtlinien und Lehrpläne für die Sekundarstufe II, S. 59.
6
Eine exakte Nennung der oben genannten prozessbezogenen Kompetenzbereiche befindet sich als letzter
Punkt (Punkt 14) im Teil IX Materialanhang.
4
4
men. Damit gelingt es im Biologieunterricht in besonderem Maße, multiperspektivisches und systemisches Denken gleichermaßen zu entwickeln. […] 7
Vor allem das fachübergreifende Lernen bietet den multiperspektivischen Blick über die
eigenen Fachgrenzen hinaus und damit auch externe Einsichten, Fähigkeiten, Arbeitsmethoden und Lernstrategien, die in gemeinsamer Klärung eine (oder mehrere) Problemlösestrategien auftun und somit auf den komplexen und interdependenten Zusammenhang
und Gegenwartsbezug des Themenkomplexes Ökologie hinweisen.8 Die Aufteilung des
Kurses in sechs Expertengruppen erlaubt einerseits eine multidimensionale Betrachtung
der Kernfrage (wie kann man die geographische Verbreitung der Pinguine biologisch /
physikalisch / mathematisch begründen?), andererseits eine geringere Mitgliederzahl pro
Gruppe, was wiederum den individuellen Lernzugang und individuellen Lernerfolg
optimiert. Die Bergmann’sche Klimaregel bietet zudem eine gute Möglichkeit, die
diversen Lerntypen (kognitiv, auditiv, haptisch, visuell) individuell anzusprechen und
somit ein möglichst individuelles positives Lernergebnis zu erzielen. Indem praktische
(experimentelle) und theoretische (kognitive) Elemente kombiniert werden, fordert und
fördert man die SuS diverser Lerntypen gleichermaßen und motiviert sie, die eigens
erstellten Hypothesen zur Verbreitung der Pinguine durch Fakten zu belegen. Das Experiment mit den Rundkolben erweist sich dabei zwar in der Vorbereitung als zeitintensiv
(siehe mögliche Problemstellen), in der Durchführung allerdings als schülerfreundlich,
effektiv und mit hoher Gelingchance. Das Prinzip der Ganzheitlichkeit gewährleistet
dabei in der heutigen Stunde das Erleben eines kompletten Arbeitsvorgangs der Biologie,
bei dem den SuS vor allem das Hypothesenbilden, das genaue Betrachten und Erfassen
des Wesentlichen, sowie die Hypothesenreflexion und Regelfindung abverlangt wird 9. Der
Vorgang der Hypothesenfindung, des praktischen Arbeitens, des Auswertens und des
Reflektierens motiviert die SuS, da sie in diesem Moment reelle fachübergreifende
Forschungsarbeit nachvollziehen und dabei die eigenen Hypothesen experimentell (bzw.
kognitiv) überprüfen können. Das Pinguin – Glaskolben – Modell10 versteht sich dabei …
„[…] als Lehr- und Lernmodelle der Erkundung und des Entdeckens, [es dient] der
Erklärung und Bestätigung sowie der Veranschaulichung. […] Wenn die Schüler
selbst das Modell in die Hand nehmen können und damit umgehen können (visueller und taktiler Sinn), können sie dadurch stark motiviert werden. Am intensivsten
beschäftigen sich die Lernenden mit Modellen, die sie selber entwickeln oder
herstellen. […]“11
Wie Eschenhage in diesem Zitat schreibt, würde der Modellvergleich der Kugel (Rundkolben) mit dem zu untersuchenden Objekt (Pinguinkörper) in dieser Stunde zu Veranschaulichungs- und Demonstrationszwecken12, sowie zur Motivationssteigerung dienen.
Primär dienen die Experimente zur Bestätigung (bzw. Falsifizierung) der SuS-Hypothesen
und werden daher in der Präsentationsphase als letzter Punkt (so zu sagen als Praxisbeweis) dargestellt werden. Im Sinne der inhaltlichen Entlastung der Stunde wird heute
nur die Bergmann’sche Regel erarbeitet. Dies hat zweierlei Gründe: einerseits konnte ich
das Ausgangsniveau und die Arbeitsgeschwindigkeit des Kurses nur anhand der drei
vorherigen Stunden messen und werde daher die Stunde inhaltlich nicht zu anspruchsvoll
konzipieren. Andererseits gelang mir der Praxisversuch zur Allen’schen Regel (zum Beispiel Löffel als Hasenohren) in der Realität nur sehr selten und ist daher für mich nicht
aussagekräftig genug. Eine reine Textarbeit zum Allen’schen Versuch wäre hier zwar
möglich gewesen, würde aber kaum Zeit lassen, der Ursprungsidee der Hypothesenbildung und Hypothesenreflektion angemessenen Zeitraum in der Präsentationsphase zu
geben (siehe auch Problemstellen der Stunde).
Den methodischen Schwerpunkt dieser Stunde bildet die phänomenologische Methode, d.h. zuerst erfolgt eine Phänomenpräsentation (Geographische Verteilung diverser
Pinguingattungen). Dem folgt die Phase aufeinander aufbauender Fragestellungen (Was
sieht man?  Warum ist dieses Phänomen so vorzufinden?  Wie könnte man es experimentell und / oder mathematisch nachweisen?), wobei in dieser Phase das Vorwissen
7
vgl. Richtlinien und Lehrpläne für Sekundarstufe I, S.9.
Richtlinien und Lehrpläne für die Sekundarstufe II, S. XVIII, S.7.
9
vgl. hierzu auch Richtlinien und Lehrpläne für die Sekundarstufe II, S. XII.
10
Richtlinien und Lehrpläne für die Sekundarstufe II, S. 70.
11
Eschenhage, Kattmann, Rodi (2008) S. 336 ff. Ebenso Richtlinien und Lehrpläne für die Sekundarstufe II, S.
XIII.
12
Vgl. dazu auch Reichart (1978) in Wenk, Trommer.
8
5
der Schüler, ihre Bezüge zur Lebenswelt und das Vorwissen aus dem Sachfachunterricht
zu diversen Antwortmöglichkeiten führen können. Daher ist diese Phase bewusst zu einer
Sammelphase von Antworten, Hypothesen und Vermutungen deklariert worden, um den
Erstkontakt der Schüler mit dem neuen Wissen so unverfälscht und offen wie möglich zu
halten. Eine Steuerung oder Korrektur der Aussagen durch die Lehrkraft wird bewusst
vermieden, da nur so den SuS ein motivierender, eigenverantwortlicher Forschungsgang
ermöglicht wird.13 Nach der Phase der Hypothesenfindung folgt eine anschließende
Erarbeitung des Sachzusammenhanges (im besten Falle nennen die SuS eigenständig
mögliche Versuchsansätze und gehen dann in die Erarbeitungsphase über). Am Ende der
phänomenologischen Methode steht die Präsentation und Diskussion der Ergebnisse
sowie die Reflexion der eigenen Hypothesen auf der Anfangsfolie. Diese Form der
multiperspektivischen Bearbeitung eines Sachthemas fordert von allen SuS die Aktivierung und Einbindung ihres Vorwissens, die Möglichkeit fachübergreifendes Wissen zu
nutzen, eine konzentrierte und fachgemäße Arbeitsweise während der Erarbeitungsphase, sowie eine oberstufengerecht Analysefähigkeit einzelner Sachverhalte, um diese in
einen Gesamtzusammenhang zu bringen.
Der Grundkurs 13 setzt sich aus 19 Mädchen und 5 Jungen zusammen. Da ich diesen
Kurs nur seit drei Stunden unterrichte, kann ich nur von den bisherigen Erfahrungen
sprechen. Der Kurs scheint dem neuen Themengebiet Ökologie mit Motivation und Entdeckergeist zu begegnen. Die ersten Stunden zeigten bereits eine stark heterogene Lerngruppe, vor allem im Bezug auf die Bearbeitung von Sachtexten und Grafiken. Daher
entschied ich mich von Anfang an, diverse Aufgabentypen in der Gruppe zu verteilen,
sodass fast jeder Lerntyp eine für ihn motivierende Aufgabe in dem Themenbereich
erhielt. Der hohe Anteil des eigenverantwortlichen Arbeitens entspricht dabei einerseits
den Forderungen einer Sekundarstufe II, andererseits optimiert er Qualität und Quantität
der Bearbeitung von Aufgaben und im besten Falle auch den individuellen Lernerfolg.14 In
der heutigen Stunde möchte ich dieses Verfahren eben wieder aufgreifen, indem ich eine
Mathegruppe (u.a. mit SuS aus Mathegrundkursen) bilde, eine Gruppe mit (meiner Einschätzung nach) visuell-kognitiven Lerntypen zur Sachtextbearbeitung und vier weitere
Gruppen, die sich parallel mit den Experimenten beschäftigen. Da ich den Kurs erst seit
kurzem kenne, halte ich diese dreistufige Erarbeitung zum Beweis der Hypothesen als
sinnvoll. Bei längerer Unterrichtserfahrung im Kurs würde ich den SuS allerdings freistellen, welche Gruppe / welches Material sie gerne bearbeiten möchten, da ein bevorzugter
Lerntyp der SuS nicht zwingendermaßen der alleinige seien sollte.
Die Binnendifferenzierung wurde in dieser Stunde speziell auf die unterschiedlichen
Arten der Lerntypen angepasst – kognitive, visuelle, haptische und / oder auditive Lerntypen werden heute individuell in den Phasen der Hypothesenbildung, der Erarbeitung,
der Präsentation und Hypothesenüberprüfung gefördert und motiviert.15 Da bei den meisten Lerntypen eine Kombination von (zumindest) zwei Lernarten besteht16, werden in
dieser Stunde zu Beginn die visuell-kognitiven Lerntypen durch die OHP-Folie und Hypothesenbildung, anschließend durch die Textarbeit und dem Zeichnen von Kurvenverläufen
gefördert und motiviert. Die kognitiv-haptischen Lerntypen, ebenso wie die visuellhaptischen Lerntypen, werden in der Erarbeitungsphase vor allem durch die Experimente
und mathematischen Berechnungen aktiviert und motiviert. Das Pinguin-GlaskolbenModell stellt dabei eine didaktische Reduktion des weitaus komplexeren Sachverhaltes
dar, die Präsentationsphase fordert und fördert vor allem die kognitiven und visuellen
Lerntypen. Eine weitere Binnendifferenzierung ist das Schüler-helfen-Schülern Prinzip,
bei dem sich die themenverwandten Gruppen 1 bis 4, sowie die Gruppen 5 und 6 untereinander austauschen dürfen und sich gegenseitig bei Problemen helfen dürfen und sollen. Der Gruppe 5 (Mathematische Berechnungen) stehen zudem eine weitere Binnendifferenzierung in Form von Hilfekärtchen und Lösungskärtchen (mit der richtigen mathematischen Formel) auf dem Pult zur Verfügung. Der Kurs hat bislang noch keine Erfahrung mit dieser Form der Hilfe gemacht, sodass ein tatsächliches Nutzen der Kärtchen
schwer vorherzusagen ist. In jedem Fall ist die Gruppe allerdings erst einmal auf
13
Anmerkung: Selbst wenn die SuS des Kurses nur Hypothesen nennen, die nicht zur Erforschung der Regel
beitragen, werden diese Aussagen in der letzten Phase mit dem Wissen um die (theoretischen, mathematischen
und physikalischen) Gesetzmäßigkeiten der Regel in neuem Licht interpretiert und eigenständig korrigiert und
daher als erneuter Lernerfolg aufgegriffen.
14
Vgl. Bovet, Huwendiek (2008), S. 110, zur Positivierung des Lernprozesses durch Erhöhung des eigenverantwortlichen Anteils beim Arbeiten.
15
Vgl. Spörhase-Eichmann, Ruppert (2004) Kapitel 7.
16
Vgl. Sütterlin (2009)
6
gruppeninterne Gespräche zur Lösungsfindung angehalten, bevor sie die Gruppe 5 kontaktiert, bzw. Hilfe- oder Lösungskärtchen in Anspruch nimmt. Um eine individuelle
Lernprogression und ein optimales Lernergebnis für jede Gruppe zu gewährleisten,
bekommen die Gruppen zusätzlich auf ihre Gruppenarbeit abgestimmte, unterschiedliche
Bonusaufgaben, die sie bei genügen Zeit in der Erarbeitungsphase als Team diskutieren
können. Dies puffert die unterschiedlichen Arbeitstempi (die vor allem Wegen der Praxisversuche entstehen werden) zeitlich ab und schafft eine sinnstiftende und fachbezogene
Kommunikation in den einzelnen Gruppen. Eine weitere Binnendifferenzierung findet sich
in der inneren und äußeren Differenzierung des Themas. Die äußere Differenzierung
erkennt man im unterschiedlichen Schwierigkeitsgrad der Themenbereiche Mathematik,
Textanalyse und praktische Arbeitsweisen. Die innere Differenzierung erfolgt durch die
kooperative Lernform, die diversen Bonusaufgaben und Hilfekärtchen.
Die Hausaufgabe der heutigen Stunde ist eher umfangreich und besteht aus mehren
Teilbereichen, zumal die folgende Doppelstunde wegen einer Lehrerfortbildung ausfallen
muss. Einerseits sollen die SuS (dem Prinzip der Ganzheitlichkeit folgend) ein Versuchsprotokoll für ihren Versuch anfertigen (Reproduktion des Wissens); die Gruppe 6 (Textanalyse) wird das Versuchsprotokoll aus den referierten Daten der unterschiedlichen
Präsentationen rekonstruieren. Andererseits wird die Ist-Situation (Bergmann’sche Regel)
mit Ausnahmen und Widersprüchen konfrontiert (Reorganisation des Wissens). In der
letzten Aufgabe sollen die SuS einen neuen und komplexen Sachverhalt über Energieumsatz und Größe von Homoiothermen kommentieren (Transferleistung).
Mögliche Problemstellen dieser Stunde sehe ich vor allem in dem Aspekt, dass die
Stunde vom inhaltlichen Lernzuwachs gesehen als nicht extrem anspruchsvoll gilt,
von den fachwissenschaftlichen Arbeitsweisen allerdings (Hypothesenbildung, Konzeption
der Hypothesenüberprüfung, experimentelles / mathematisches Erarbeiten des Sachverhaltes, Hypothesenreflektion) meiner Meinung nach geeignet für einen Grundkurs in der
Sekundarstufe II ist, zumal der Grundkurs bislang nicht viel Erfahrung mit praktischen
Arbeitsweisen hatte. Aus Gründen der inhaltlichen Entlastung habe ich mich daher gegen
ein Kürzen der genannten fachlichen Arbeitsweisen und somit für ein Fokussieren auf
eine Klimaregel entschieden. Eventualphasen am Ende der Stunde dienen einer weiteren
inhaltlichen Ergänzung (Ausnahmen der Regel, Erkennen der Allen’schen Regelmäßigkeiten) und würden so noch einmal den inhaltlichen Lernzuwachs der Stunde steigern. Eine
weitere Problemstelle könnte das Glaskolbenexperiment bieten. Da ich von einem 13er
Grundkurs ein gewisses Maß an vernünftigem, fachwissenschaftlichem Arbeiten voraussetze17, ist die Gefahr des heißen Wassers zwar zu beachten aber als eher minderes
Problem einzuschätzen. Die Abläufe des Messvorgangs sind hingegen Grund genug für
eine ausführliche Fehlerdiskussion in den Versuchsprotokollen: Messfehler entstehen bei
diesem Experiment enorm schnell, wie ich durch vorheriges experimentieren heraus
gefunden habe. Diese beginnen schon beim Befüllen der Kolben; das Wasser im Wasserkocher hat in seinem Siedepunkt exakt 92°C 18, nach dem Befüllen aber meist nur noch
90°C. Die Kolben müssen ganz gefüllt sein, um ein Ablesen der Thermometer zu
ermöglichen (was wiederum zu ungeraden Volumengrößen führt!), die Thermometer
dürfen nicht bewegt werden (Verwirbelungen verfälschen die Werte), die zeitlichen
Abstände müssen - vor allem bei den kleineren Kolben - exakt eingehalten werden, da
sich die Temperatur Werte sehr schnell verändern etc. Neben zeitlichen und messtechnischen Ungenauigkeiten, Fehlern beim Ablesen der Thermometer oder Fehlern beim
Eintragen der Werte in die Grafik (Kurvenverlauf) scheint der Versuch also mehr Fehlerquellen als erfolgversprechende Resultate zu beinhalten. Um diese letzteren aber zu
erreichen, bin ich auf das exakte Arbeiten aller SuS, die absolute Aufmerksamkeit der
Gruppe mir gegenüber und ihren Klassenkameraden gegenüber und auf das Interesse,
die Motivation und den Forschergeist des Kurses angewiesen, die eigenen Hypothesen in
Theorie und Praxis (im besten Falle) zu belegen. Da diese Einzelstunde in der siebten
Stunde stattfindet, ist mit möglichem Desinteresse oder Lustlosigkeit zu rechnen. Diese
Phase kann allerdings durch die eigenständige, forschende, fachwissenschaftliche und
fachübergreifende Arbeitsweise überwunden werden und in eine interessensgeleitete und
schülerzentrierte Arbeit mit selbstentdeckendem Lernen verwandelt werden.
17
vgl. auch die Forderungen der Richtlinien und Lehrpläne für die Sekundarstufe II, S. 97.
Anmerkung: Die Wasserkocher wurden schon vorab von mir befüllt und einzeln hoch gekocht. So verhindert
man ein Herausspringen der Sicherung und spart wertvolle Zeit in der Erarbeitungsphase.
18
7
VI. Literatur:
Lehrwerke:
-
Beyer, Eckebracht, Schneeweiß: Natura – Biologie für Gymnasien. Oberstufe Lehrerband und Schulbuch Teil A. Ernst Klett Schulbuchverlage. 1.Auflage. Stuttgart /
Leipzig, 2009.
-
Bovet, Huwendiek (Hrsg): Leitfaden Schulpraxis. Pädagogik und Psychologie für
den Lehrberuf. Cornelsen Verlag. Berlin, 2008.
-
Eschenhage, Kattmann, Rodi (Hrsg): Fachdidaktik Biologie. Aulis Verlag Deubner.
Köln, 2008.
-
Meyer, Hu: Experimentelles Arbeiten im Biologieunterricht. Friedrich-Forum 3.
Friedrich Verlag. Seelze, 1987.
-
Richtlinien und Lehrpläne für die Sekundarstufe II – Gymnasium / Gesamtschule
in Nordrhein-Westfalen, Biologie. Herausgegeben vom Ministerium für Schule und
Weiterbildung, Wissenschaft und Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen.
1. Auflage, Heft 4722. Ritterbach Verlag GmbH. Frechen, 1999.
-
Reichart: Modell im Unterricht. In: K. Wenk, G. Trommer (Hrsg): Unterrichten mit
Modellen, S. 267 – 273. Reihe 4: Leitthemen – Beiträge zur Didaktik der Naturwissenschaften. Westermann. Braunschweig, 1978 / 2.
-
Spörhase-Eichmann, Ruppert (Hrsg): Biologie – Didaktik. Praxishandbuch für die
Sekundarstufe I und II. Cornelsen Scriptor Verlag GmbH & Co. KG. Berlin, 2004.
-
Sütterlin (Hrsg): Dimensionen des Denkens: Dreiwertige Logik erklärt auf der
Basis von Gotthard Günther. 1. Auflage (Juli). Books on Demand. 2009.
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