Voraussetzungen für das Bearbeiten von Sachaufgaben in der
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Voraussetzungen für das Bearbeiten von Sachaufgaben in der
Voraussetzungen für das Bearbeiten von Sachaufgaben in der Grundschule von Eva Berendes Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 2. Anforderungen an das Lösen von Sachaufgaben 2.1 Analyse der Sachsituation 2.2 Entwicklung eines Lösungsplans 2.3 Ausführung des Lösungsplans 2.4 Überprüfung der Lösung auf Stimmigkeit 3. Schlussbetrachtung Literaturliste 1. Einleitung „Sachrechnen ist der Oberbegriff für die Auseinandersetzung mit Aufgaben, die einen Bezug zur Wirklichkeit aufweisen“ (Greefrath, 2010, S.74). Mit dem Thema Sachrechnen ist häufig die Auffassung verbunden, dass es zu einem der schwierigsten Gebiete der Mathematik gehört. Allgemein wird unter Sachrechnen das Bearbeiten von Aufgaben verstanden, die eine Situation aus dem Erlebnis- und Erfahrungsbereich des Kindes wiedergibt, selbst dann, wenn das Kind diese Situation bisher nicht selbst erfahren hat oder etwas davon weiß. Sachrechnen verfolgt das Ziel die folgenden drei Aspekte zu verbinden: • Anwenden der arithmetischen Kenntnisse • Problemlösefähigkeiten aufbauen • Umwelterschließung mit mathematischen Mitteln Dabei wird nicht nur gerechnet, sondern auch geschätzt, gezählt, verglichen, gezeichnet, gemessen, gebaut, zugeordnet und grafisch dargestellt. Hierzu werden Texte, Bilder, Grafiken oder auch authentisches Material wie Rechnungen oder Kassenzettel eingesetzt. Sachaufgaben können daher auf unterschiedlichen Wegen bearbeitet und gelöst werden. Neben dem Textverständnis ist es erforderlich, dass die Kinder sich gedanklich sowohl auf der Sachebene als auch auf der mathematischen Ebene bewegen können und fähig sind, diese zueinander in Beziehung zu setzen. Als Hauptursache für das Scheitern von Kindern beim Sachrechnen sieht Franke (Franke 2003, S. 19): • die für Kinder wenig motivierende Themenwahl für Sachaufgaben (Ratenkauf, Hausbau, Produktionszahlen u. ä. sind für Kinder uninteressante Themen) • das Vernachlässigen der Sache und damit mangelnder Realitätsbezug • das Einengen der Kinder auf einen Lösungsweg • die Bindung der Inhalte von Sachaufgaben an den gerade behandelten Stoff Auf diese Punkte werde ich in meinen weiteren Ausführungen noch eingehen. Empirische Untersuchungen belegen, dass Sachaufgaben im Vergleich zu arithmetischen Aufgaben um bis zu 30% schlechter gelöst werden (Reusser 1997, S. 142). Dies ist nachvollziehbar wenn man bedenkt, dass das Lösen von Sachaufgaben nicht nur arithmetische Kenntnisse voraussetzt, sondern zudem die Kompetenz, bildlich oder textlich dargestellte Problemsituationen in ein mathematisches Modell zu -1- überführen. Für die Bearbeitung sind sowohl sprachliche, sachliche als auch mathematische Fertigkeiten erforderlich. Des Weiteren scheint es einen Zusammenhang zu geben zwischen der Art und Weise wie Kinder an Sachaufgaben herangehen und den Erfahrungen, die sie im Schulunterricht sammeln. Den schulischen Mathematikunterricht verbinden Kinder häufig mit der an sie gestellten Erwartung, Lösungen zu produzieren. Im Jahr 1989 erregte das Buch „Wie alt ist der Kapitän“ von Stella Baruk großes Aufsehen. 76 von 97 befragten Zweit- und Drittklässlern hatten die Aufgabe „Auf einem Schiff befinden sich 26 Schafe und 10 Ziegen. Wie alt ist der Kapitän?“ gelöst, üblicherweise mit 36 Jahren. Auch andere Untersuchungen kommen zu ähnlichen Ergebnissen. Während sich Vorschulkinder zu 90% weigern solche Aufgaben zu rechnen werden Kapitänsaufgaben (Aufgaben, die nicht gelöst werden können, weil wichtige Angaben fehlen) von Grundschulkindern vermehrt gelöst je höher die Klassenstufe ist, in der sie sich befinden. So kommt eine Studie, bei der 300 Vorschul- und Schulkindern eine Kapitänsaufgabe vorgelegt wurde zu folgendem Ergebnis: Von den Vorschulkindern und Erstklässlern hatten nur 10% eine Kapitänsaufgabe gelöst, während es bei den Zweitklässlern schon 30% waren und bei den Dritt und Viertklässlern zwischen 54 und 71% (Radatz, 1983, S.205-217). Erst ab der 5. Klasse sank der prozentuale Anteil wieder. Mögliche Ursachen für dieses Phänomen sehen Untersuchungen darin, dass Kinder im schulischen Mathematikunterricht folgende Erfahrung machen: • jede Aufgabe ist lösbar • jede Lösung ist eindeutig • die geforderten Operationen sind meist die, die gerade besprochen werden oder zu den Zahlen passen Werden die Rahmenbedingungen verändert führt das zu deutlich weniger Lösungsversuchen bei unlösbaren Aufgaben, zum Beispiel dann, wenn vorher gesagt wird, dass einige Aufgaben nicht lösbar sind oder wenn die Aufgaben außerhalb des Mathematikunterrichts gestellt werden. Vorraussetzungen für das erfolgreiche Bearbeiten und Lösen von Sachaufgaben ist somit nicht nur der verständige Umgang mit den Grundrechenarten, sondern zudem muss das Kind umfassende Kompetenzen zum Textverständnis erworben haben und über Strategien zur Problemlösung verfügen. -2- Die dabei auftretenden Fehler und Missverständnisse weisen auf eine Unstimmigkeit zwischen den Anforderungen der Aufgabe und der Kompetenz des Kindes hin. Durch eine genaue Fehleranalyse können Fehlerursachen aufgedeckt werden. Nur so können mögliche Fehlerquellen korrigiert bzw. vermieden werden. Was hat sich das Kind beim Bearbeiten der Aufgabe gedacht und woran liegt es, dass dabei Fehler aufgetreten sind? Wie kann man Sachrechenkompetenzen erwerben? Mit diesen Überlegungen möchte ich mich im Folgenden beschäftigen. Dabei beschränke ich mich bei meinen Ausführungen auf den Umgang mit Sachaufgaben bei Grundschülern. 2. Anforderungen an das Lösen von Sachaufgaben Das Lösen von Sachaufgaben ist ein zielgerichtetes Vorgehen bei dem eine sprachliche, bildhafte oder konkret präsentierte Situation in ein mathematisches Modell überführt werden muss. Dieses muss mathematisch bearbeitet und die Lösung in Beziehung zur Ausgangssituation gesetzt werden. Die Bearbeitung erfolgt im Wesentlichen in vier Phasen: • Analyse der Sachsituation • Entwicklung eines Lösungsplans • Ausführung des Lösungsplans • Überprüfung der Lösung auf Stimmigkeit 2.1 Analyse der Sachsituation In dieser ersten Phase geht es darum, die Problemstellung zu verstehen. Dafür muss das Kind über allgemeine Sprachkompetenzen verfügen. Es muss die beschriebene Situation kognitiv erfassen können, die relevanten Informationen entnehmen können und die verwendeten Fachausdrücke verstehen. Der gesamte Lösungsprozess wird von der Fragestellung geleitet. Erst diese ermöglicht ein zielgerichtetes Vorgehen, indem wichtige von unwichtigen Aspekten getrennt werden. Da diese Phase wesentliche Grundlage zur weiteren Bearbeitung der Aufgabe ist, widme ich ihr Ausführungen besondere Aufmerksamkeit. -3- in meinen Fehler in dieser Phase deuten darauf hin, dass das Kind den Text entweder nicht verstanden hat oder sich erst gar nicht damit auseinandergesetzt hat. Möglicherweise hat das Kind versucht ein mathematisches Modell zu konstruieren, indem es nach typischen Anzeichen im Text sucht, die auf eine bestimmte Rechenoperation hinweisen. Dabei können drei mögliche Vorgehensweisen unterschieden werden: • Ausrichtung an den Zahlen im Text und den eigenen Kompetenzen Das Kind orientiert sich an den Zahlen im Text und versucht sie der Reihenfolge nach miteinander in einer Rechnung zu verbinden. So deuten zum Beispiel zwei kleine Zahlen auf eine Multiplikationsaufgabe hin oder wenn erst eine große und dann eine kleine Zahl im Text vorkommen wird eine Subtraktionsaufgabe vermutet. Ebenso ist es möglich, dass das Kind eine Rechenoperation bevorzugt, die es gut kann und diejenigen vermeidet bei denen es sich nicht sicher fühlt. • Ausrichtung an Signalwörtern Das Kind versucht anhand von Schlüsselbegriffen, die es im Text entdeckt auf eine Rechnung zu schließen. Typische Formulierungen deuten auf eine bestimmte Rechenoperation hin. Wörter wie „weniger“, „geringer“, „verbrauchen“ oder „abschneiden“ versteht es als Hinweis, die Zahlen in einer Subtraktionsaufgabe zu verarbeiten. Aus Begriffen wie „mehr“, „gewinnen“, „hinzukommen“ oder „sammeln“ schließt es auf eine Additionsaufgabe. Gerade schwächere Schüler suchen nach solchen Signalwörtern im Text ohne im Weiteren darauf zu achten, ob die dazu passende Rechenoperation als Lösung des Sachproblems in Frage kommt. • Ausrichtung an den Inhalten des aktuellen Unterrichts Im Unterricht wird das Sachrechnen häufig grundsätzlich zur Anwendung der arithmetischen Kenntnisse zum Abschluss an die Vermittlung einer bestimmten Rechenart eingesetzt. Das kann zur Folge haben, dass das Kind für die Lösung von Sachaufgaben den Gedanken verinnerlicht, dass immer das gerechnet werden muss, was gerade Unterrichtsstoff ist. Bricht eine Sachaufgabe aus dem gewohnten Schema aus, wird wie gewohnt die aktuelle Rechenart angewandt und absurde Ergebnisse werden hingenommen. -4- Als Beispiel für die Bearbeitung einer Rechengeschichte, bei der sich das Kind offenbar mehr an den äußeren Merkmalen als den Inhalten des Textes orientiert hat möchte ich folgenden Lösungsversuch näher betrachten: „Anna möchte sich eine Puppe kaufen. Seit einigen Monaten spart sie von ihrem Taschengeld regelmäßig und wirft Geld in ihre Spardose. Die Puppe, die sie sich ausgesucht hat, kostet 33 €. Im Sparschwein befinden sich inzwischen 24 €. Wie viel Geld möchte sich Anna kaufen? 33+24=37 Anna spielt mit ihrer Puppe.“ November 2010, pikas (www.pikas.uni-dortmund.de) Es lässt sich vermuten, dass das Kind, das diese Rechengeschichte bearbeitet hat, sich mehr an Signalwörtern wie „kaufen“ und „sparen“ orientiert hat und sich weniger mit der Problemstellung auseinandergesetzt hat. Vielleicht war ihm auch gar nicht klar, dass es darum geht ein Problem zu lösen und dieses sich im Text wiederfindet. Weiterhin könnte es noch sein, dass es den Text überhaupt nicht richtig gelesen hat und dies vielleicht auch nicht als relevant ansieht, sondern von vornherein nur nach bestimmten Formulierungen gesucht hat, um eine Rechenoperation zu erkennen. Es hat aber gelernt, dass eine Frage gestellt werden muss und die Frage immer mit „wie viel“ beginnt. Im Text befindet sich bei den Zahlen das Währungszeichen Euro und es geht ums Kaufen. Diese Verknüpfung führt für das Kind zu der Fragestellung: „Wie viel Geld möchte sich Anna kaufen?“ Wenn man spart, deutet das auf eine Plusrechnung. Vielleicht wurde in der Schule auch gerade Plus gerechnet oder das Kind rechnet am liebsten Plus. Dass immer ein Antwortsatz verlangt ist, ist ihm zwar klar, aber anscheinend nicht, dass sich dieser auf die Frage beziehen muss. Wenn Sachaufgaben sich in Textform präsentieren und analysiert werden müssen sollte dieser Schritt zunächst eingeübt werden. Die Lesefähigkeit hängt sehr stark vom Interesse am Inhalt ab. Daher ist auch hierbei auf geeignete Texte zu achten, die nicht an den Bedürfnissen des Kindes vorbeizielen und Begriffe enthalten, die dieses entsprechend des Alters noch nicht verstehen kann. Der Text sollte das Interesse des Kindes wecken, sodass es sich mit dem Sachproblem identifizieren kann. Zunächst sollte ausschließlich der Text ergründet werden und nicht gerechnet werden, um der -5- Herangehensweise entgegenzuwirken, einfach irgendetwas mit den Zahlen zu rechnen, unabhängig vom Zusammenhang. Der gezielte Einsatz von Kapitänsaufgaben kann in dieser Phase sinnvoll sein, um das Augenmerk auf die Texterschließung zu lenken. Man kann Texte vorlegen bei denen das Kind herausfinden muss, wo überhaupt etwas ausgerechnet werden kann, wie z.B. folgende Arbeitsanweisung aus „Kopf und Zahl“, 14, S. 3: „Auf diesem Blatt brauchst du nicht zu rechnen. Kreuze nur die Geschichten an, die Rechenaufgaben sind, bei denen man etwas ausrechnen kann. o Maria ist jünger als ihr neunjähriger Bruder. o Die Franks wohnen im 5. Stock des Hauses Nr.45 in der Bayerstraße. o Eine Brezel kostet 60 Cent. Wie viel kosten 4 Brezeln? o Hans ist 4 Jahre älter als sein achtjähriger Bruder. o 4 Semmeln und ein Brot kosten zusammen 5 € 50 Cent. o Frau Rübe kauft ein: für 12 € Käse, für 13 € 50 Cent Wurst. Sie gibt einen 50€-Schein. Wie viel Geld bekommt sie zurück? o Katrin gibt auf dem Markt für Gemüse 5 € 60 Cent und für Obst 3 € 70 Cent aus. Wie viel Geld bekommt sie zurück? o Kapitän Harmson fährt auf einem 42 m langen und 12 m breiten Schiff zur See. Wie schnell ist sein Schiff?“ Anhand von kurzen Rechengeschichten, bei denen mehrere Fragen vorgegeben sind, lässt sich zunächst erarbeiten, welche Fragen anhand des Textes überhaupt beantwortet werden können. Im zweiten Schritt kann überlegt werden mit welchen Fragen, bezogen auf den Text, etwas ausgerechnet werden kann. Die Hündin Nalja hat 9 Junge bekommen. Davon sind 6 Weibchen. Wie viele Männchen sind es? Wie viele Welpen sind es? Wie viele Weibchen sind es? Wie viele Tiere sind es insgesamt? Wie heißt die Hündin? -6- Wer ist Nalja? Im Schulbuch „Welt der Zahl 4“ findet sich hierzu folgende geeignete Übung: -7- Weitere sinnvolle Übungen zur Entwicklung von Textkompetenz können sein: • • • • • • • • Erzählen des Textes mit eigenen Worten Unverstandenes erkennen und klären Textstellen markieren Aussagen zum Text mit Textstellen belegen Fragen zum Text beantworten und/oder selbst entwickeln Text vereinfachen oder umstrukturieren Text zusammenfassen z.B. mit Hilfe von Stichwörtern Angaben, die zum Rechnen benötigt werden, herausschreiben November 2010 © PIK AS (http://www.pikas.uni-dortmund.de/) 24 2.2 Entwicklung eines Lösungsplans Die zweite Phase ist der bedeutendste Schritt des gesamten Prozesses. Es muss ein mathematisches Modell gefunden werden, das Kind muss die Sachsituation in die mathematische Sprache übersetzen. In dieser Phase sind kreative Fähigkeiten gefragt und das Gelingen ist abhängig vom mathematischen Wissen und Können des Kindes und davon, ob es über geeignete Darstellungsmittel verfügt. Diese müssen im Unterricht zuvor explizit eingeübt worden sein, damit die vollzogenen Denkprozesse graphisch oder durch das Bilden und Aufschreiben einer Rechenaufgabe verdeutlicht werden können. Das mathematische Modell ist der Bezugspunkt für eine spätere Rückschau und Fehlersuche. Das Überführen der Sachsituation in ein mathematisches Modell kann fehlerhaft sein, weil das Kind den Text bzw. die Bilder falsch interpretiert hat, wichtige Informationen nicht berücksichtigt oder etwas falsch gelesen hat. Schwierigkeiten bei der Umsetzung können auch dann entstehen, wenn die lösungsrelevanten Informationen im Text nicht in der gleichen Reihenfolge wie die zu erstellenden Rechenaufgaben angeordnet sind oder das Kind sich noch keine geeignete Methoden zur Veranschaulichung angeeignet hat. Möglicherweise hat es die Rechenoperationen nicht verstanden und kann daher die Aufgabe im Text nicht erkennen. -8- Konkrete oder graphische Bearbeitungshilfen können das Erkennen der mathematischen Struktur der Aufgabe und damit das Erstellen eines mathematischen Modells zur Lösungsfindung erleichtern. Konkrete Bearbeitungshilfen sind: • Rollenspiele • Veranschaulichung mit Material Graphische Bearbeitungshilfen sind: • Skizzen/Zeichnungen • Tabellen • Diagramme/Strichlisten • Pfeilbilder • Rechendreiecke Bevor diese Methoden eingesetzt werden können, müssen diese zunächst selbst als eigener Lerninhalte den Kindern zugänglich gemacht werden. Die Kinder müssen an das Anfertigen von Skizzen, Diagrammen und Tabellen herangeführt werden So können bspw. zur Übung begonnene Skizzen vorgegeben werden, die vervollständigt werden müssen oder es können passende Geschichten und Aufgaben zu vorgegebenen Skizzen erarbeitet werden. Zum Erlernen dieses Arbeitsschrittes finden sich in Schulbüchern entsprechende Übungen. Die folgenden Grafiken stammen aus Schulbüchern der ersten Klasse. Die Kinder sollen zu den Bildern Rechengeschichten erzählen und diese dann als Aufgabe aufschreiben. (Nussknacker - Unser Rechenbuch, 2000, S.37) -9- (Mathematik 1, 1995, S. 31) Um das Verständnis in den Zusammenhang zwischen einer Skizze und der passenden Rechenaufgabe zu fördern können Übungen wie Folgende eingesetzt werden: (Humbold Universität zu Berlin, Philosophische Fakultät IV, Institut für Erziehungswissenschaften, Abteilung Grundschulpädagogik, Lernbereich Mathematik, Prof. Dr. M. Grassmann) - 10 - (Osnabrücker Zentrum für mathematisches Lernen, Arbeitsblatt Multiplikation) „Die Kinder müssen Bearbeitungshilfen als wirkliche Hilfen erleben und sinnvoll anwenden lernen. Darstellungsformen, die die Kinder eigenständig entwickeln, sollten unterstützt und gewürdigt werden.“ ( Franke, 2010, S.110) Auch wenn die Darstellungen der Kinder zunächst voll von unwichtigen Details sind, die zum Lösen der Aufgabe nicht benötigt werden, sollte eine individuelle Entwicklung von Lösungsstrategien gefördert werden. Eigene Lösungswege und Notationsformen sollten dann gemeinsam reflektiert werden, mit dem Ziel die eigenen Zugänge durch das Angebot erfolgversprechender Strategien weiterzuentwickeln und zu unterstützen. Dadurch wird das Vertrauen der Kinder in die eigene sachrechnerische Fähigkeit gestärkt. Bietet der Unterricht den Kindern die Möglichkeit sich auszuprobieren und ihre Vorgehensweise zu reflektieren, werden sich die Darstellungsformen in der Regel von selbst mit der Zeit auf das Wesentliche reduzieren. Allerdings sind der Veranschaulichung mit Material oder mittels einer Graphik Grenzen gesetzt. So kann das Material oder die zeichnerische Darstellung nur behilflich sein, - 11 - wenn die grundlegenden Zusammenhänge der Aufgabe erfasst worden sind. Zudem muss bei der konkreten Darstellung mit Zahlen operiert werden, die sinnvoll mit dem Material repräsentiert werden können. Um Kinder im Lösungsprozeß zu unterstützen ist es sinnvoll Strukturhilfen zu schaffen. Dabei sollte man jedoch nicht darauf drängen ein stereotypes und festgelegtes FrageRechnungs-Antwort-Schema zu verwenden. Dieses als Hilfe vorgegebene Modell beinhaltet die Gefahr, dass Kinder darin nicht wie beabsichtigt eine Unterstützung zur Lösungsfindung sehen, sondern es als Einladung verstehen, stur ihr Spektrum an Bearbeitungsstrategien zu erweitern. Die Motivation, das Sachproblem zu lösen ist gering, sie versuchen nur das Schema abzuarbeiten, mit dem Ziel, die richtige Lösung zu finden. Es sollte daher immer wieder geprüft werden, ob es eine sinnvolle Hilfe für das Kind ist, wenn die Sachaufgabe nach einem Schema bearbeitet wird. Im Vordergrund muss das Interesse stehen, ein Problem zu lösen, und nicht ein passendes Schema anzuwenden. Das Formulieren einer Frage kann eine Hilfe sein, da dadurch die Problemstellung aus dem Text herausgearbeitet wird. Aber auch hier muss die problemorientierte Fragestellung zunächst eingeübt werden. Hierzu ließe sich zum Beispiel eine Rechengeschichte mit unterschiedlichen Fragen vorgeben, wobei das Kind jene Fragen herausfinden soll, die das Problem erfassen. Timo liest ein Buch. Er hat schon 35 Seiten gelesen. Jeden Tag schafft er 7 Seiten. Wie viele Seiten hat das Buch? Was kostet das Buch? Wie viele Tage braucht Timo für die 35 Seiten? Wie viele Seiten muss Timo noch lesen? Um Kinder dazu anzuregen, sich mit mathematischen Fragestellungen auseinanderzusetzen, kann das eigene Formulieren von Fragen anhand einer vorgegebenen Rechengeschichte eine weitere sinnvolle Übung sein: Heute muss der Gärtner zu Frau Lehmann. Er fährt direkt von zu Hause los und fängt um 11.00 Uhr bei Frau Lehmann im Garten an . Es gibt viel zu tun. Der Gärtner pflanzt zwei kleine Apfelbäume, - 12 - zwei Rosenstöcke, einen Pflaumenbaum, acht Tulpen, drei Narzissen, fünf Maiglöckchen und ein kleines Tannenbäumchen. Um 17.00 Uhr ist er mit der Gartenarbeit bei Frau Lehmann fertig und fährt mit dem Auto nach Hause. Für den Weg von Frau Lehmann bis nach Hause braucht er eine halbe Stunde. Schreibe vier Fragen zu dieser Sachaufgabe auf, bei denen deine Mitschüler etwas ausrechnen können. „Sachrechenkompetenzen werden nicht durch das Erlernen von Schrittfolgen oder Musterlösungen erworben, sondern durch das beharrliche Üben im Problemlösen und reflektieren über Lösungswege.“ ( Schipper et al., 2000, S.231). Dafür existiert kein Normalschema. Übungen zur Entwicklung der Problemfähigkeit können zum Beispiel darin bestehen, den Kindern Phantasie- und Knobelaufgaben anzubieten, die dazu anregen, neue Sichtweisen und Lösungsstrategien zu entwickeln. Um den Kindern ein Gerüst zur Unterstützung bei der Bearbeitung von Sachaufgaben zu bieten kann auch ein Modell wie Folgendes herangezogen werden. Es sollte aber auch hier nicht zu einer starren Verwendung führen. - 13 - 2.3. Ausführung des Lösungsplans Diese Phase ist der mathematischen Lösung gewidmet. In der Regel werden hier die mathematischen Operationen durchgeführt, die in der zweiten Phase erarbeitet wurden. Es muss also eine adäquate Rechenaufgabe zur Lösung des Problems gefunden werden. Vorrausetzung dafür ist, dass das Kind die erlernten Grundrechenarten auf allen Ebenen (ikonisch, konkret-handelnd und symbolisch) erfasst hat und zwischen den Ebenen wechseln kann. Dabei sollte die Aufmerksamkeit des Kindes nicht so sehr auf seine rechnerischen Fähigkeiten gelenkt werden, sondern vielmehr darauf, wie die zuvor gemachten Überlegungen und die Darstellung des Lösungsweges übereinstimmen. In dieser Phase kann das Kind eventuell auch dazu angehalten, zunächst ohne zu rechnen eine Lösung zu finden. Dazu ein Beispiel aus der Lerntherapie: Moritz fährt mit dem Rad ins 18 Kilometer entfernte Bamberg. In einer halben Stunde legt er im Durchschnitt 3 Kilometer. Wie lange braucht er für den Weg? Tom bearbeitet Sachaufgabe, indem er zunächst ein Streckendiagramm konstruiert. Er teilt eine 18 cm lange Strecke in Abschnitte zu je 3 cm auf und erhält auf diese Weise sechs Abschnitte. An dieser Stelle wird noch einmal reflektiert, welche Bedeutung die sechs Abschnitte im Kontext der Sachsituation haben, damit es nicht zu voreiligen Schlussfolgerungen kommt. Dann wird überlegt, mit welcher Rechenaufgabe die Lösung herausgefunden werden kann. Da Tom weiß, dass das Aufteilen eines Ganzen in gleichgroße Abschnitte durch eine Divisionsaufgabe wiedergegeben wird, kann er nun auf rechnerischem Weg die Problemstellung bearbeiten. Dieses Beispiel macht noch einmal deutlich, wie wichtig es ist, alle mathematischen Ebenen zusammenzuführen. Die Skizze allein wäre für Tom keine Hilfe gewesen, wenn er nicht bereits verstanden hätte, welche Rechenart durch diese repräsentiert wird. Um den Zusammenhang zwischen Sachsituation und Rechenaufgabe zu festigen ist es hilfreich Kinder dazu zu ermutigen, passende Rechengeschichten zu vorgegebenen Termen zu formulieren. Die Kinder sollen ihre eigene Erlebniswelt in Rechenaufgaben wiedererkennen. Dieser Zusammenhang kann zum Beispiel hergestellt werden, indem - 14 - man sie auffordert zu einer vorgegebenen Aufgabe mehrere Alltagssituationen zu entwickeln wie nachfolgendes Beispiel zeigt: Finde 3 Rechengeschichten zu der Aufgabe 16:8. Beispiele hierfür könnten sein: • auf einer Geburtstagsfeier werden 16 Bratwürste gegrillt. Die acht Kinder essen alle Bratwürste auf. Jedes Kind bekommt gleich viele Bratwürste. • ein 16 Meter langer Stoff wird in acht gleich große Stücke geteilt • 16 Personen mieten sich im neuen Freizeitpark ein Ferienhaus. In jedes Haus passen acht Personen 2.4. Überprüfung der Lösung auf Stimmigkeit In dieser Phase muss das errechnete Ergebnis im Hinblick auf die Problemstellung übergeprüft werden. Die Antwort muss auf die Fragestellung rückbezogen werden. Sonst kann es passieren, dass das Kind meint, nun mit der Aufgabe fertig zu sein und seine Lösung rein schematisch in einem Antwortsatz präsentiert, ohne sich von absurden Resultaten beeindrucken zu lassen. Möglicherweise muss der Text erneut gelesen werden, um die Ausgangssituation wieder präsent zu machen. Die gedankliche Ebene muss erneut gewechselt werden: von der mathematischen Ebene zur sachbezogenen Ebene. Trotz arithmetisch korrekter Rechnung kann das Ergebnis im Widerspruch zu der Sachsituation oder zur Fragestellung stehen. Treten bei der Interpretation der Lösung Unstimmigkeiten auf, muss der Prozess ggf. erneut durchlaufen werden. Diese Interaktion wird solange durchgeführt bis ein stimmiges Schlussergebnis vorliegt. Um Kinder für diese Phase des Bearbeitungsprozesses zu sensibilisieren eignet sich die Auseinandersetzung mit unsinnigen oder bewusst falsch aufgearbeiteten Sachaufgaben, in denen die Kinder die Fehler entweder sofort erkennen oder dazu aufgefordert werden, danach zu suchen. Begründungen, warum es wichtig ist - 15 - Differenzen zwischen Rechnung und Realität aufzudecken liefern Burmester und Bönig anhand einer Alltagssituation (Burmester/Bönig, 1993, S. 13-14): Frieda hat in ihrem Garten eine Sonnenblume ausgesät. In der letzten Woche ist die Pflanze 5 cm gewachsen. Wie viel cm ist die Blume nach 104 Wochen gewachsen? Von 114 Schülerinnen und Schülern der vierten Klasse verweigerten nur 13 die Berechnung. Die meisten errechneten als Ergebnis 5,20 m. Mit der Sachsituation hatten sie sich nicht auseinandergesetzt. Für sie war es unwichtig, dass 5,20m doch recht groß für eine Sonnenblume sind oder dass eine Sonnenblume nicht 2 Jahre lang wächst. Deshalb sollten Kinder immer wieder dazu aufgefordert werden, auch bei Schulbuchtexten Mögliches oder Unmögliches herauszufinden, denn nur wenn sie den Sachverhalt ernst nehmen, werden sie über die Lösung nachdenken. Für die erfolgreiche Bearbeitung dieser Phase sind zudem folgende Übungen eine sinnvolle Unterstützung: • Bei einer Sachaufgabe die entsprechenden Antworten zu Fragen zuordnen und umgekehrt. • Sachaufgaben mit errechnetem Ergebnis fertig schreiben. 3. Schlussbetrachtung Die Kompetenzen zum Lösen von Sachaufgaben müssen Schritt für Schritt aufgebaut werden. Daher sollte das Sachrechnen von Anfang an ein Thema im Mathematikunterricht sein. Um den Kindern einen Zugang zu Sachaufgaben zu ermöglichen sollte jede der Phasen als eigenes Lernziel behandelt und abgesichert werden. Dabei ist der Aufbau von geeigneten Methoden zur Texterschließung und Bearbeitung von Sachaufgaben ein langfristig angelegter Prozess, der den Kindern im Laufe der Grundschulzeit ein Repertoire an Strategien zur Verfügung stellen soll, die sie aufgabenbezogen anwenden können. Ein rein schematisches Vorgehen bei der Bearbeitung sollte vermieden werden, besonders das in Schulbüchern übliche - 16 - Verfahren, dass die Sachaufgabe in der Regel durch die gerade erlernte Rechenoperation gelöst wird. Förderlich ist es zudem die Kinder immer wieder dazu anzuregen selbst Rechengeschichten zu Aufgaben zu erfinden, um sie zu sensibilisieren, selbst zu erkennen, wo in ihrem eigenen Lebensumfeld eine bestimmte Art des Rechnens notwendig ist. Es sollte daher selbstverständlich sein, dass vorgegebene Sachaufgaben in Bezug zur Lebenswelt des Kindes stehen. Für das Kind sollte augenscheinlich sein, dass das Bearbeiten von Sachaufgaben dem Zweck dient, eigene reale Probleme mit Mitteln der Mathematik lösen zu können und nicht für das „Einkleiden“ von Rechenoperationen erdacht wurde. Die folgende Rechengeschichte aus „Welt der Zahl 3“ entspricht wenig der Lebenswelt des Kindes und dient offensichtlich dem Zweck aktuelle Unterrichtsinhalte in einem Text zu verpacken. Aufgabe aus Welt der Zahl (2004), 3. Schuljahr Zielführender ist das Heranziehen lesenswerter Texte, zu denen das Kind einen Bezug aufbauen kann, da sie seiner Lebenswirklichkeit entsprechen. Die Lösungsbemühungen sollten sich dabei auf etwas wirklich „Erfragenswürdiges“ beziehen. Hierzu eignet sich auch Amüsantes, Verblüffendes oder Falsches aus Zeitschriften, wie z. B. Folgendes, was ich abschließend aufzeigen möchte: - 17 - Erichson: „8 Tage durch 4 Freundinnen macht 2 Negerküsse“ in: Die Grundschulzeitschrift, Heft 22, S.12 - 18 - Literaturverzeichnis Baruk Stella, Wie alt ist der Kapitän? Über den Irrtum in der Mathematik, Birkhäuser Verlag, Basel 1988 Bildungsplan Grundschule, Ministerium für Kultus, Jugend und Sport, BadenWürttemberg, 2004 Burmester, Katrin; Bönig, Dagmar (1993b): Sachaufgaben- Damit wir über die Wirklichkeit Bescheid wissen? In: Grundschulunterricht, Jg. 40, Oldenbourg Schulbuchverlag, München 1994 Erichson,C. in :Die Grundschulzeitschrift, Heft 22, Friedrich-Verlag, Seelze 1989 Franke, Marianne, Didaktik des Sachrechnens in der Grundschule, Spektrum, Heidelberg 2010 Grassmann, Prof. Dr. M., Primo, Humboldt-Universität zu Berlin, Philosophische Fakultät IV, Institut für Erziehungswissenschaften, Abteilung Grundschulpädagogik, Lernbereich Mathematik, 2010 Greefrath, Gilbert Didaktik des Sachrechnens in der Sekundarstufe, Spektrum, Heidelberg 2010 Mathematik 1, Mildenberger Verlag, Offenburg 1995 Nussknacker- Unser Rechenbuch, 1. Schuljahr, Ernst Klett Grundschulverlag, Leipzig 2000 Osnabrücker Zentrum für mathematisches Lernen, Arbeitsblätter zur Multiplikation PIKAS Projekt zur Unterstützung der Unterrichtsentwicklung, www.pikas.unidortmund.de Radatz Hendrik,Schipper, Wilhelm, Handbuch für den Mathematikunterricht an Grundschulen, Schroedel – Verlag, Braunschweig 1983 Reusser Kurt, Erwerb mathematischer Kompetenzen, in F.E. Weinert, Entwicklung im Grundschulalter: Beltz/Psychologie Verlagsunion, Weinheim 1997 Schipper Wilhelm et al., Handbuch für den Mathematikunterricht - 4.Schuljahr, Schroedel-Verlag, Braunschweig 2000 Verein für Lerntherapie und Dyskalkulie e. V., Kopf und Zahl, Ausgabe 14, München 2010 Welt der Zahl, 3. Schuljahr, Schroedel-Verlag, Braunschweig 2004