Wertorientiertes_Man..

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Wertorientiertes_Man..
Goebel, Sievi, Schumacher
Wertorientiertes Management und Performancesteuerung
Wertorientiertes Management
und Performancesteuerung
von Ralf Goebel, Christian Sievi, Matthias Schumacher
Deutscher Sparkassen Verlag Stuttgart
Die Deutsche Bibliothek – CIP-Einheitsaufnahme
Goebel, Ralf
Wertorientiertes Management und Performancesteuerung / von Ralf Goebel ;
Christian Sievi ; Matthias Schumacher. – Stuttgart : Dt. Sparkassen-Verl., 1999
(PraxisWissen)
ISBN 3-09-301233-3
© 1999 Deutscher Sparkassen Verlag GmbH, Stuttgart
Alle Rechte vorbehalten
Lektorat: Dr. Sybille Gößl
Satz: Fotosatz Rühle,Tiefenbronn
Druck und Binden: Gebr. Knöller KG, Stuttgart
Papier: hergestellt aus chlorfrei gebleichtem Zellstoff
Printed in Germany
I-10/1999 s 301 053 000
ISBN 3-09-301233-3
5
Vorwort
In einer gemeinsamen sog. »Machbarkeitsstudie« zum Barwertkonzept und Cashflow-orientierten Bilanzstrukturmanagement mit Regionalverbänden, Rechenzentren, Sparkassen und einer Landesbank hat der Deutsche Sparkassen- und Giroverband (DSGV) die grundsätzliche Eignung von wertorientierten Steuerungsmethoden
für Institute der Sparkassenorganisation (SKO) untersucht. Das Projekt wurde von
Herrn Dr. Sievi, freiberuflicher Wirtschaftsmathematiker, beraten.
Das Projekt gliederte sich in zwei Projektabschnitte, die in diesem Band dokumentiert werden:
– Teil 1 »Wertorientierte Steuerung des Zinsänderungsrisikos« analysiert die Umsetzbarkeit eines Cash-Flow- und wertorientierten Bilanzstrukturmanagements in Sparkassen und definiert die hierfür notwendigen fachlichen Standards.
– Teil 2 »Kalkulation und Marktsteuerung im Barwertkonzept« klärt, inwieweit das
sog. Barwertkonzept im Rahmen der Kundenkalkulation und Profitcenterrechnung Anwendung finden sollte.
Das Projektergebnis des ersten Teils unterstreicht eindrucksvoll die Vorteilhaftigkeit
der untersuchten Methoden (wertorientierte Steuerung, »Performancekonzept«) gegenüber den traditionell angewandten Verfahren (periodische Zinsüberschußsteuerung). Das Projektergebnis wurde inzwischen ohne wesentliche Adjustierungen zu
einem »Fachkonzept für die wertorientierte Zinsänderungsrisikosteuerung« abgerundet und ebenso wie das Projektergebnis des zweiten Teils (Barwertsteuerung in der
Kundenkalkulation) vom Betriebswirtschaftlichen Ausschuß des DSGV abgenommen. Um die zentralen Ankerpunkte »Wertorientiertheit« und »Performancebetrachtung« herauszustellen, haben wir uns entschlossen, den Titel »Wertorientiertes Management und Performancesteuerung« als gemeinsame Klammer dieser Dokumentation zu wählen.
Vier entscheidende Punkte der Machbarkeitsstudie sollen an dieser Stelle nochmals
besonders herausgestellt werden:
– Die bei der Konditionenvergabe bestimmten Margen sind nicht von der zukünftigen Zinsentwicklung abhängig.
– Die Profitcenter »Kundengeschäft« haben mit dem Performance- und Risikomanagement in Zinsgeschäften oder anderen Vermögenstiteln nichts zu tun.
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Vorwort
– Nur eine effektive Trennung der Managementbereiche »Kundengeschäft« und
»Treasury/Disposition« führt zu richtigen Steuerungsimpulsen und korrekten betriebswirtschaftlichen Bewertungen.
– Die Dispositions- und Treasurykonzeption des ersten Teils der Machbarkeitsstudie
ermöglicht in der praktischen Umsetzung die geforderte Trennung der Managementbereiche in bisher nicht gekannter Einfachheit und Transparenz.
Auf dem Weg zur Gesamtbanksteuerung hat der DSGV mit der »Machbarkeitsstudie« den Zinsänderungsrisikobereich fachinhaltlich abgeschlossen. Seit dem Herbst
1998 werden in einem Pilotprojekt mit Pilotsparkassen, Regionalverbänden, einer Beratungsgesellschaft und unter Leitung des DSGV die Standards für ein modernes
Adressenrisikomanagement und -controlling erarbeitet. Darüber hinaus liefert der
vorliegende Abschlußbericht der »Machbarkeitsstudie«, Teil 2, bereits die entscheidenden Impulse für ein Geschäftsfeldmanagement und -controlling als dritten Baustein zur Gesamtbanksteuerung und im Vorgriff auf zukünftige Herausforderungen.
Insofern kommt neben der Behandlung der Einzelfragen einer modernen Profitcenterrechnung dem Abschlußbericht eine grundlegende zukunftsorientierte Bedeutung
zu.
Wertorientierte Steuerung
des Zinsänderungsrisikos
Abschlußbericht und Fachkonzeption zum Projektteil 1 der Machbarkeitsstudie:
Barwertkonzept und Cash-flow-orientiertes Bilanzstrukturmanagement
9
Inhaltsübersicht
Seite
Wertorientierte Steuerung des Zinsänderungsrisikos . . . . . . . . . . . .
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1
Warum überhaupt Cash-flow und Barwerte? . . . . . . . . . . .
In diesem Kapitel wird begründet, warum viele bankbetriebswirtschaftliche Überlegungen auf Cash-flow basieren und warum Barwerte zur Beurteilung von Cash-flow besonders geeignet sind.
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2
Wie werden Cash-flow ermittelt – sogar für das variable
Geschäft? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
In diesem Kapitel wird gezeigt, wie Cash-flow für alle Zinsgeschäfte der Bank – insbesondere auch für variable Geschäfte –
ermittelt werden können. Ausgehend vom Cash-flow der Einzelgeschäfte kann dann der Summenzahlungsstrom für die Gesamtbank
ermittelt werden. Ein Beispiel für eine fiktive Sparkasse schließt das
Kapitel ab.
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3
Wie kann mit Cash-flow gesteuert werden? . . . . . . . . . . . . 103
In diesem Kapitel werden die verschiedenen Methoden, mit Hilfe
von Cash-flow die Bank ergebniswirksam zu steuern, erläutert. Im
Zentrum aller Methoden steht hierbei die Berechnung des Vermögens,
das im Zinsgeschäft der Bank gebunden ist. Hiervon ausgehend sind
barwertige Analysen und Analysen auf einen Planungshorizont möglich. Durch Maßnahmen zur Veränderung des Cash-flow oder sonstige dispositive Maßnahmen können das berechnete barwertige Risiko
bzw. sowohl Ergebnis wie Ergebnisschwankung am Planungshorizont
verändert und damit Ergebnis und Risiko der Bank bewußt gesteuert
werden (Performancekonzept). Abschließend wird gezeigt, wie mit
Hilfe von Cash-flow bzw. der in ihnen enthaltenen Zinsen der Zinsüberschuß der Bank prognostiziert werden kann.
4
Warum muß primär nach dem Performancekonzept
gesteuert werden? – Vergleich mit traditionellen Methoden
im Zinsgeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
In diesem Kapitel wird die Steuerung nach dem Performancekonzept mit der herkömmlichen Steuerung über GuV-Ergebnisse
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10
Inhaltsübersicht
und Bilanzkennzahlen verglichen. Dabei wird gezeigt, daß das Performancekonzept eindeutige Vorteile besitzt, während bei traditioneller
Steuerung die Gefahr von Fehlinformationen und damit Fehlentscheidungen besteht.
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6
Warum muß die Gesamtbank als Portfolio betrachtet
werden? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Der Fokus der bisherigen Betrachtungen lag auf dem Zinsgeschäft
der Bank. Dabei wurde die summarische Reaktion des Zinsgeschäfts
auf Zinsänderungen mit Hilfe des Summenzahlungsstroms untersucht. In diesem Kapitel werden verschiedene Erweiterungen der
bisherigen Vorgehensweise vorgestellt, die letztlich dazu dienen, das
Gesamtinstitut als Portfolio zu managen.
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Und die praktische Umsetzung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
In diesem Kapitel werden einige Hinweise zur praktischen
Umsetzung des Performancekonzepts diskutiert.
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Offener Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhalt
Seite
Wertorientierte Steuerung des Zinsänderungsrisikos . . . . . . . . . . . .
I
Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
II
Anforderungen und wesentliche Projekterkenntnisse . . . . . . . . .
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1.1.2.1
1.1.2.2
1.1.2.3
1.1.2.4
1.1.3
1.2
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2
2.1
2.2
2.2.1
2.2.2
2.2.3
2.2.4
2.3
2.3.1
2.3.2
2.3.3
2.3.4
2.3.5
2.3.6
Warum überhaupt Cash-flow und Barwerte? . . . . . .
Cash-flow als etablierte Rechnungsgröße bei diversen
Problemstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Nominale Kenngrößen und effektiver Zahlungsstrom . . .
Beispiele zur Anwendung von Cash-flow in der Bankpraxis
Effektivzinsberechnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Kursberechnungen/(Bar-)Wertbestimmung . . . . . . . . .
Margenberechnung und Margenbarwert . . . . . . . . . .
Investitionsrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Erste Schlußfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Reaktion des Barwerts von Cash-flow auf Zinsänderungen
Realisierbarkeit des Barwerts als Kassenzufluß bzw.
der Barwertveränderung als Ergebnis . . . . . . . . . . . .
Endwertbetrachtung, Planungshorizont und Zinsprognose
Unterschiede zur herkömmlichen Vorgehensweise . . . . .
Wie werden Cash-flow ermittelt – sogar für das variable
Geschäft? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Cash-flow des Festzinsgeschäfts und Summenzahlungsstrom.
Cash-flow von deterministischen Finanzinnovationen . . . .
Floater . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Zinsswap . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Forward Rate Agreement (FRA) . . . . . . . . . . . . . . . .
Reverse Floater . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Die Lösung für das variable Geschäft . . . . . . . . . . . . .
Abgrenzung »variabler Geschäfte« . . . . . . . . . . . . . . .
Irrwege zur Disposition variabler Geschäfte . . . . . . . . . .
Lösungsvorschlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Festlegung des Mischungsverhältnisses gleitender Zinsen . .
Gleitende Durchschnitte als Cash-flow . . . . . . . . . . . .
Vorgehensweise bei Bestandsänderungen . . . . . . . . . . .
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2.4.2
2.4.3
2.5
2.6
2.6.1
2.6.2
2.6.3
3
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3.1.1
3.1.2
3.1.3
3.1.4
3.2
3.2.1
3.2.2
3.2.2.1
3.2.2.2
3.3
3.3.1
3.3.2
3.3.3
3.4
3.4.1
3.4.2
3.4.3
3.4.4
Inhalt
Integrierte Betrachtung von Bewertungszins und
Bestandsänderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Berücksichtigung von Kreditausfällen und Sondertilgungen . .
Grundsätzliche Überlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Cash-flow bei Sondertilgung ohne Anspruch auf Vorfälligkeitsentschädigung und statistischem Verhalten des Kunden . . . .
Cash-flow bei Kreditausfällen auf statistischer Basis . . . . . .
Welche Bilanzpositionen werden nicht in Cash-flow umgesetzt?
Der Summen-Cash-flow – Beispielsparkasse . . . . . . . . . .
Cash-flow der Festzinspositionen . . . . . . . . . . . . . . . .
Cash-flow der variablen Positionen . . . . . . . . . . . . . . .
Summen-Cash-flow und Zinsüberschuß aus Ist-Geschäft . . .
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Wie kann mit Cash-flow gesteuert werden? . . . . . . . . . .
Vermögen im Zinsgeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Grundsätzliche Überlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Vermögen der Beispielsparkasse . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Zusammenhang mit bilanziellen Größen, Überführung
zur Bilanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Konsequenzen aus Vermögen und Vermögensstruktur . . . . . .
Barwertige Analysekonzepte und Maßnahmenplanung . . . . .
Szenarioanalysen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Varianz-/Kovarianzmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Beispiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Allgemeiner Rechenweg, Ergebnisse für die Beispielsparkasse . .
Analyse und Maßnahmen auf einen Planungshorizont
(»Performancekonzept«) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Dynamisierung der Barwertbetrachtung: Analyse
auf Planungshorizont . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Rechenlogik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Risikoanalyse und Maßnahmenplanung für die
»Beispielsparkasse« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Zinsüberschußplanung im Zusammenhang mit Cash-flow . . .
Identität der Ergebnisse in der Totalperiode . . . . . . . . . . . .
Planung des Zinsüberschusses in der Einzelperiode . . . . . . . .
Planung des außerordentlichen Ergebnisses in der Einzelperiode
Einbeziehung von Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhalt
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4.1.1
4.1.2
4.1.3
4.1.4
4.1.5
4.1.6
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4.2.1
4.2.2
4.2.3
4.2.4
4.3
4.4
4.4.1
4.4.2
4.4.3
4.4.4
5
5.1
5.2
5.3
5.4
5.4.1
13
Warum muß primär nach dem Performancekonzept
gesteuert werden? – Vergleich mit traditionellen Methoden
im Zinsgeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Zinsrisikosteuerung: Performance versus GuV-Planung . . . . . .
Inhaltliche Analyse der Zielgrößen . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Identität der Rechnungslegung über die Gesamtlebensdauer
und prinzipielle Relationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Gestaltbarkeit der Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Informationen über Vermögen, Risiko und Dispositionserfolg . . .
Planungshorizont bei Risikobetrachtungen . . . . . . . . . . . . .
Sichtweise der Immobilien, Beteiligungen, Aktien und Optionen .
Sonstige Unterschiede und Merkmale . . . . . . . . . . . . . . . .
Beispiele für Fehlsteuerungen bei Anwendung der traditionellen
Methoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Verkennung des Charakters der variablen Geschäfte, insbesondere
von Spareinlagen und Sichteinlagen . . . . . . . . . . . . . . . . .
Isolierte Steuerung des Depot A und dadurch Überschätzung
des Zinsänderungsrisikos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Impulse zum Eingehen von ungeeigneten dispositiven Positionen
bei Ausrichtung auf den Zinsüberschuß . . . . . . . . . . . . . . .
Fehlbeurteilung von bilanziellem Geschäft, das mit Optionen
verbunden ist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Zinsergebnisplanung und Grundsatzerfüllung als strikte
Nebenbedingung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Gleitende Durchschnitte versus Elastizitäten . . . . . . . . . . . .
Einsatzgebiet und Aufgaben des Elastizitätskonzepts . . . . . . . .
Produktzinsprognose für variable Geschäfte – Elastizitäten oder
gleitende Durchschnitte? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Eignung zur Disposition bzw. zur Gewinnung von Cash-flow
sowie zur Margenkalkulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Generelle Probleme bei der Planung des Zinsüberschusses
im Elastizitätskonzept . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Warum muß die Gesamtbank als Portfolio betrachtet
werden? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Unterschiedliche Märkte, Barwert versus Marktpreis
(»Auflösung des Summen-Cash-flow«) . . . . . . . . . .
Zinsoptionen im Zusammenspiel mit dem Zinsgeschäft .
Sonstige Vermögensbestandteile – die Bank als Portfolio .
Benchmarks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Anforderungen an Benchmarks . . . . . . . . . . . . . .
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6.2
6.3
Inhalt
Ordnung und Auswahl von Benchmarks durch
Risiko/Return-Analysen . . . . . . . . . . . . . . . .
Benchmark im Beispiel . . . . . . . . . . . . . . . . .
Risikokapitalzuteilung gegen Performanceversprechen
(VaR, RORAC, RAROC) . . . . . . . . . . . . . . . .
Risikolimitierung und MaH . . . . . . . . . . . . . .
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Und die praktische Umsetzung? . . . . . . . . . . . . . .
Dezentrale Steuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Die neuen Herausforderungen für Disposition und
Rechnungswesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Konsequenzen für Reporting und Betriebsvergleich/
Standardreports . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Technische Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Gesamtzusammenhänge und Informationsfluß . . . . . . .
Entwurf eines Übergangskonzepts . . . . . . . . . . . . . .
Variable Positionen in bestehenden GuV-Planungssystemen
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Offener Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
I
Empirische Ermittlung gleitender Durchschnitte für ausgewählte
Produkte der Pilotsparkassen – anonymisiert . . . . . . . . . . . .
II
Vergleich der Modellqualität gleitender Durchschnitte mit der
des Elastizitätskonzepts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
III
Cash-flow-Typisierung der derzeitigen SKO-Bilanzpositionen . . .
IV
Bericht der Rechenzentren und notwendige Bereinigungsarbeiten .
V
Exemplarische Fallgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Wertorientierte Steuerung
des Zinsänderungsrisikos
Erster Teil des Projekts »Machbarkeitsstudie zum Cash-flow-orientierten Bilanzstrukturmanagement und Barwertkonzept«1
I
Überblick
Die Instrumente, mit denen die Sparkassen heute ihr Zinsänderungsrisiko bzw. ihre
Bilanzstruktur steuern, sind in den letzten Jahrzehnten kontinuierlich weiterentwickelt worden. Stand anfangs nur die Volumensbegrenzung offener Positionen in
den Ablaufbilanzen im Vordergrund, wurden sukzessive auch die variablen Positionen
einbezogen (Elastizitätskonzept). Dynamische Modelle, bei denen automatisierte oder
frei wählbare Prognosen über mehrere Jahre das Neugeschäft und seine Struktur vorgeben, bilden den vorläufig letzten Abschluß.
Die Steuerungskomplexität hat sich durch die Verfeinerungen erheblich erhöht,
und zugleich sind die Grenzen einer Weiterentwicklung der traditionellen Methoden
erreicht. Die notwendigen Prognosen einer Geschäfts- und Marktentwicklung über
viele Jahre hinweg fallen den Vorständen und ihren Mitarbeitern in der heutigen »volatilen« Zeit immer schwerer, und ihre Aussagekraft ist eingeschränkt. Da die heutige
Steuerung der Bilanzstruktur darüber hinaus in hohem Maße durch Kundengeschäfte erfolgt, ist der Konflikt zwischen Instituts- und Kundenwunsch vorprogrammiert;
einer primären Kundenorientierung, die für ein professionelles modernes Management und die langfristige Existenzsicherung notwendig sein wird, sind enge Grenzen
gesetzt. Zudem sind die bisherigen Instrumente ausschließlich am GuV-Ertrag orientiert. Die Komponente »Risiko« spielt eine untergeordnete Rolle.
Wenn das Banking der Zukunft von der Risikosteuerung geprägt ist,2 dann muß ein
modernes Modell zum Bilanzstrukturmanagement das Thema Risiko3 in den Vordergrund stellen. Dabei ist die Frage, wie sich der tatsächliche Wert eines Finanzgegenstandes – also der Wert einer Aktie, der Wert eines Zinstitels bzw. generell der Wert
beliebiger »Vermögensbestandteile« des Instituts – bei der Änderung von Marktkonstellationen ändern kann. GuV-Auswirkungen haben in dieser Systematik zunächst
keinen Platz: Der Wert eines Titels ist grundsätzlich nicht abhängig von seiner dem
1 Teil 2 der Machbarkeitsstudie untersucht den Barwertansatz in der Kundenkalkulation auf seine Eignung
für Sparkassen. Dieser ist im zweiten Teil dieses Bandes dokumentiert.
2 Dr. Franke, West LB: »Banking der Zukunft ist Risk-Management« (Vortrag in Münster 1997).
3 In der Literatur wird Risiko als potentielle negative Wertänderung in der Zukunft bezeichnet (absolut
oder gegenüber einem Benchmark).
16
Wertorientierte Steuerung des Zinsänderungsrisikos
Vorsichtsprinzip unterliegenden GuV-technischen Verbuchung. Wenn die Zinsen sinken, ist ein Wertpapier oder ein Kredit im Bestand natürlich mehr wert als bisher, auch
wenn sich dies nicht in der aktuellen GuV widerspiegelt. Steigen die Zinsen, wird der
Wert geringer, auch wenn keine Abschreibung erfolgt (z. B. Wertpapier im Anlagebestand, Kreditgeschäft).
Der wertorientierte Ansatz entspricht in der Theorie und in seiner ökonomischen
Wirkung dem risikoorientierten Denken im Bankgeschäft. Die entsprechenden Konzepte sind seit Jahren der Standard im Investmentbanking und im Portfolio- bzw.
Fondsmanagement.
Es stellt sich daher die Frage, inwieweit die modernen Steuerungsmethoden auch
für Sparkassen anwendbar und praktikabel sind. Der Betriebswirtschaftliche Ausschuß des DSGV hatte beschlossen, dies im Rahmen einer »Machbarkeitsstudie« zu
untersuchen. Im ersten Teil des Projekts »Machbarkeitsstudie zum Cash-flow-orientierten Bilanzstrukturmanagement und Barwertkonzept« sollte hierbei vornehmlich
der Zinsbereich, also der wesentliche Marktpreis-Risikobereich in Sparkassen, betrachtet werden.
Das neue Konzept muß drei Kernanforderungen gerecht werden:
Die Steuerungsqualität muß signifikant verbessert werden können.
Das Konzept muß praktikabel sein (mit Übergangslösungen müssen rasche Umsetzungserfolge erzielbar sein).
Es muß zukunftssicher sein, d. h., es müssen grundsätzlich auch andere Risikobereiche mit einem vergleichbaren Ansatz integrativ behandelt werden können
(Stichwort: Gesamtbanksteuerung).
Darüber hinaus müssen die mit den traditionellen Methoden kaum beherrschbaren
qualitativen aufsichtlichen Anforderungen (Mindestanforderungen an das Betreiben
von Handelsgeschäften und Baseler Konsultationspapier zur Steuerung der Zinsänderungsrisiken) abgedeckt werden können.1
Theoretische Überlegungen und Plausibilisierungen reichen für einen Nachweis
nicht aus. An der Machbarkeitsstudie waren daher neben Regionalverbänden, Rechenzentren und einer Landesbank auch Pilotsparkassen – vgl. Abb. MS 1 – beteiligt,
die die Ergebnisse auf der operativen wie auf Vorstandsebene bewertet haben. Letztlich müssen die Entscheidungsträger (einschließlich Vorstand) in einer Sparkasse bestätigen, daß sie
mehr Transparenz über ihr Geschäft haben,
ihre Risiken und Ertragschancen genauer kennen und damit
deutlich besser als bisher entscheiden können.
1 Siehe hierzu auch: DSGV-Leitfaden zur Umsetzung der MaH vom 15.1.1996.
Überblick
17
Abbildung MS 1: Projektbeteiligte
Sparkassen- und Giroverband Hessen-Thüringen, RHSO
Taunussparkasse,
Bayerischer Sparkassen- und Giroverband/IZB,
Stadtsparkasse Nürnberg,
Niedersächsischer Sparkassen- und Giroverband,
dvg,
NordLB,
Rheinischer Sparkassen- und Giroverband,
Deutscher Sparkassen- und Giroverband e.V., Bonn,
Dr. Sievi (externer Berater)
Das Projekt startete am 18.4.1996 und wurde bezüglich der Fragen einer Cash-floworientierten Bilanzstruktursteuerung (Projektteil 1) am 30.10.1996 mit einer Lenkungsausschußsitzung vorläufig abgeschlossen. Dabei konnte festgestellt werden, daß
die oben definierten Kernanforderungen durch die wertorientierte Steuerungssystematik voll erfüllt sind.
Das mit den neuen Konzepten verbundene investive und risikoorientierte Denken
wird erhebliche geschäftspolitische Auswirkungen haben: Das periodische GuV-Ergebnis bleibt nicht mehr die entscheidende Steuerungsgröße. »Was soll erreicht werden, und welche Maßnahmen sind hierfür zu treffen?« – Diese Fragen machen die
Bedeutung von »Zielgrößen« offenbar: Die Zielgrößen setzen Steuerungsimpulse,
und nur das richtige Zielgrößenmodell kann zu richtigen Entscheidungen handlungsleitend beitragen. Folgende Hinweise mögen die Bedeutung der Projektergebnisse
noch unterstreichen:
Das Portfoliomanagement bestimmt die geschäftspolitischen Entscheidungen; gesamtheitliche Diversifizierungsmaßnahmen führen zu einer Verbesserung der Erträge bei gleichzeitig reduziertem Risiko.
Die »Allokation« von Eigenkapital1 bzw. Risikokapital erfolgt in Geschäftsfeldern
nach investiven Maßstäben (prototypische Kennzahlen hierfür sind »RAROC« und
»RORAC«2, bei denen Ertrag und Risiko ins Verhältnis gesetzt werden).
Bisherige Bewertungsmaßstäbe werden an Bedeutung verlieren (z. B. die durchschnittliche Bilanzsumme als Bezugsgröße). Neue, objektivere Maßstäbe treten an
die Stelle (Performance, Risiko).
1 Im betriebswirtschaftlichen Sinn.
2 RORAC: Return On Risk Adjusted Capital; RAROC: Risk Adjusted Return On Capital.
18
Wertorientierte Steuerung des Zinsänderungsrisikos
Der vorgelegte Abschlußbericht liefert neben der umfassenden konzeptionellen, praktischen und quantitativen Darstellung auch
die Diskussion von Alternativkonzepten,
die systematische Gegenüberstellung von GuV- und Performancekonzept,
ein Grobkonzept für ein Controllingmodell,
ein Grobfachkonzept zur DV-Umsetzung (Ad-hoc-Konzept und langfristiges Konzept) sowie
Vorschläge für ein Ertrags- und Risikoreporting auf der Basis des neuen Konzepts.
II
Anforderungen und wesentliche Projekterkenntnisse
Das Pflichtenheft: Handlungsbedarf
Die Überprüfung der »Machbarkeit« einer
Cash-flow- und (bar)wertorientierten Steuerung
im Zinsbereich
unter Risiko- und Performancegesichtspunkten
ist das Kernziel der Machbarkeitsstudie; das »Pflichtenheft« beinhaltet darüber hinaus, wie in Abb. MS 2 dargestellt, Teilziele. Dabei geht es um Lösungen für Steuerungsbereiche, für die es heute in der Sparkassenorganisation noch keine letztlich
zufriedenstellenden Antworten gibt.
Abbildung MS 2
Erweiterte Professionalität:
Messung/Steuerung des Dispositionserfolgs und -risikos
Durchgängige Konzeption: Vorkalkulation (nach Marktzinsmethode),
Nachkalkulation, Disposition
Integrative Betrachtung von bilanzwirksamen Geschäften (einschließlich variablen
Positionen!) und derivativen Instrumenten
Integrative Steuerung von Kundengeschäften, Depot-A-Geschäften und Handel
»Addierbarkeit« von Risiken
Systematische Portfoliosteuerung
Nicht nur die Zins-»Portfolios« der Sparkasse sind Erfolgsquelle – der Gesamterfolg
muß gesteuert und gemessen werden.
a) Professionalität wird notwendig: Messung/Steuerung des Dispositionserfolgs und
-risikos
Das Bankgeschäft ist nur dann konkurrenzfähig und professionell, wenn es, wie in
Abb. MS 3 dargestellt, den Kunden in den Mittelpunkt stellt. Im organisatorischen Bereich ist dies heute selbstverständlich: Service, anspruchsvolle Beratung und schnelle
Anforderungen und wesentliche Projekterkenntnisse
19
Entscheidungsprozesse werden als wesentliche Erfolgsfaktoren angesehen. Methoden
des Target Costing sorgen für Kompatibilität von »Produktions«-Kosten und Leistungsbereitschaft des Kunden. Notwendig ist aber auch, daß der Kunde die Finanzgeschäftsstruktur und Fristigkeiten erhält, die er will und braucht! Der Kundenberater
soll objektiv beraten. Dabei sieht er sich mit einer Schwierigkeit konfrontiert: Bei der
Fristigkeitsstruktur besteht ein natürlicher Gegensatz zwischen Kunden- und Institutsinteressen. Hätten die Kunden nämlich die gleiche Zinseinschätzung wie das Institut bzw. würde die Sparkasse ihre Kunden entsprechend der eigenen Zinseinschätzung
beraten, würde die Struktur der Kundengeschäfte den Sparkassenzielen automatisch
zuwiderlaufen.
Abbildung MS 3 Professionalität wird notwendig
Messung und Steuerung des Dispositionserfolgs und -risikos
2 Grundsätze
Management, Controlling
1. Der Kunde steht im Mittelpunkt:
Er erhält die Finanzgeschäfte und Fristigkeiten, die er will und braucht!
• Profitcentersteuerung
• Kunden-»Kalkulation«
• …
(Methode: Marktzinsmethode)
2. Es ist die Aufgabe des Disponenten
– und nicht des Kundenberaters –
die dispositionsbedingten
Ertrags- und Risikoziele des Instituts
zu steuern – unabhängig und gesamtheitlich!
Steuerung und Messung
des Dispositionserfolgs und -risikos
(Methode: ?)
Traditionellerweise versuchen viele Sparkassen, den Interessengegensatz auszugleichen, indem sie ihre Kunden durch absatzfördernde Maßnahmen (z. B. Margenzugeständnisse) für bestimmte Produkte und Fristigkeitsstrukturen »erwärmen«. Diese
Vorgehensweise hat jedoch gravierende Nachteile:
Der Gesamtertrag sinkt im allgemeinen entsprechend deutlich.
Eine Steigerung der Kundenzufriedenheit durch die niedrigeren Margen ist dennoch fraglich, da die Kunden ursprünglich andere Strukturen bevorzugt hätten.
Möglicherweise werden die Kunden eines Tages die falsche Fristenentscheidung sogar der Sparkasse trotz des »Sonderangebots« anlasten.
Im Sinne eines Mitnahmeeffekts nutzen clevere Marktteilnehmer ggf. Arbitragemöglichkeiten gegen die Sparkasse.
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Wertorientierte Steuerung des Zinsänderungsrisikos
Die erhoffte Wirkung kann im kleinteiligen Kundengeschäft nur über einen längeren Zeitraum eintreten. Die Gefahr ist groß, daß die Marktverhältnisse zwischenzeitlich die absatzfördernden Maßnahmen nicht mehr im erzielten Umfang
rechtfertigen.
Was folgt hieraus?
Das Kundenangebot soll attraktiv sein. Die Mitarbeiter stellen dem Kunden ihr
Know-how zur Verfügung, sie beraten im Interesse des Kunden – und hierfür können sie angemessene Margen verlangen.
Es ist Aufgabe der (Zentral-)Disposition1 und nicht des Kundenberaters, die dispositionsbedingten Ertrags- und Risikoziele des Instituts unabhängig und gesamtheitlich zu steuern. Hierfür steht ihr die ganze Palette der Interbankengeschäfte einschließlich der effizienten Derivate zur Verfügung.
Die Disposition steuert ein umfassendes Portfolio, nämlich sämtliche zinsabhängigen
Positionen des Instituts, und entscheidet über bedeutende Ertrags-, aber auch Risikopotentiale.
Zur Unterstützung der Kundenberater, für Zielvereinbarungen und die Beurteilung
ihrer Vertriebsleistung stehen heute ausgefeilte Verkaufscontrolling-Systeme zur Verfügung. Die Leistung der Disposition (bzw. des Zentraldisponenten) kann jedoch
trotz ihrer (seiner) gewichtigen Rolle mit den bestehenden Instrumenten nicht ausreichend transparent gemacht werden. Derzeit ist wohl keine Sparkasse in der Lage, in
angemessener Weise das Dispositionsergebnis zu messen. Aufgabe der Machbarkeitsstudie ist es, konzeptionelle und zugleich praktikable Antworten zu geben.
b) Durchgängige Steuerungskonzeption fehlt
Viele Steuerungskomponenten des Bankgeschäfts beruhen heute schon auf Cash-flow
und Barwerten:
Seit jeher ist die barwertige Steuerung der Handelsgeschäfte üblich: Die Kurse
(Marktpreise) von Zinspapieren sind nichts anderes als die Barwerte ihrer Cashflow. Bei Derivaten, die keine bilanzielle Darstellung mehr haben, kann man sich
ohnehin nur am Marktpreis/Barwert orientieren.
Preisangabenverordnung und Marktzinsmethode fußen auf Cash-flow und nicht
auf den klassischen »nominalen Größen« wie Buchwerten und Tilgungsbeträgen.
1 Das Verständnis der Funktion (Zentral-)Disposition geht hier weit über die kurzfristige Gelddisposition
hinaus. Vielmehr ist der Begriff im Sinn eines umfassenden Zinsrisikomanagements zu verstehen (vergleichbar dem traditionellen Begriff »Aktiv-Passiv-Management«). Die (Zentral-)Disposition braucht
nicht selbst die Handelsgeschäfte auszuführen. Disposition in diesem Sinne kann auch ein Vorstandsmitglied oder der Gesamtvorstand wahrnehmen.
Anforderungen und wesentliche Projekterkenntnisse
21
»Margen« nach der Marktzinsmethode sind keine GuV-Beträge, sondern Überschüsse im Zahlungsstrom.
Provisionserträge lassen sich als Barwert, nämlich als eine Soforteinnahme interpretieren.
Damit sind auch die Ergebnisbeiträge der Marktbereiche in den modernen Steuerungskonzepten bereits »effektive«, also Cash-flow-orientierte Größen.
Abbildung MS 4 Durchgängige Steuerungskonzeption fehlt
Renditeberechnungen
(auch nach Preisangabenverordnung)
basieren auf Cash-flow.
Provisionsgeschäfte
bedeuten barwertige Erfolge.
Marktzinsmethode basiert
Bewertung der Handelsauf Cash-flow.
geschäfte erfolgt mit Barwerten, die
Ergebnisbeiträge der
auf Cash-flow basieren.
Marktbereiche sind effektive Größen,
die auf Cash-flow basieren.
Institutssteuerung heute:
Institutssteuerung in Zukunft:
an Bilanzgrößen ausgerichtet;
am Cash-flow ausgerichtet;
einzelperiodisch, nicht am Cash-flow ausgerichtet
vermögensorientiert?
Der »Bruch« entsteht, wie Abb. MS 4 verdeutlicht, beim Übergang zur Gesamtinstitutssteuerung. Diese ist derzeit an Bilanzgrößen ausgerichtet; traditionelle Steuerungsaufgabe ist ausschließlich das Management der (periodischen) GuV-Ergebnisse.
Würde ein Vorstand heute fordern, aus Handelsergebnissen, Ergebnisbeiträgen der
Marktbereiche, Transformationsergebnis und den Provisionsgeschäften ein Gesamtergebnis seines Hauses zu ermitteln, würde er seinen Controller vor eine mit den
bestehenden Instrumenten unlösbare Aufgabe stellen. Die Machbarkeitsstudie soll
konzeptionell die Verzahnung zwischen den modernen Einzelgeschäftssteuerungsmethoden und der Gesamthaussteuerung sicherstellen.
c) Alle Produkt- und Geschäftsbereiche müssen integrativ betrachtet werden
Meist analysieren die Sparkassen – wie in Abb. MS 5 visualisiert – ihr Depot A, ihr
Handelsbuch und das Kundengeschäft jeweils separat. Nichtbilanzielle Positionen
werden dabei ebenfalls gesondert betrachtet. Zinsänderungen wirken jedoch auf alle
zinsabhängigen Geschäfte des Instituts simultan; isolierte Analysen sind daher für
einen Gesamtstatus wenig zielführend. Die Machbarkeitsstudie muß einen Weg aufzeigen, der eine integrative Betrachtung ermöglicht.
22
Wertorientierte Steuerung des Zinsänderungsrisikos
Abbildung MS 5 Alle Produkt- und Geschäftsbereiche müssen integrativ
betrachtet werden
Kundengeschäft
Depot A
Trading
bilanzwirksam
(z.T. variabel)
bilanzwirksam
bilanzwirksam
derivativ
derivativ
derivativ
Alle Geschäfte gemeinsam bestimmen das Marktrisiko (z. B. Zinsänderungsrisiko)
des Instituts.
d) Risiken müssen »addierbar«1 sein
Abschreibungsrisiken und das Risiko einer Verringerung der stillen Reserven sind typische Stichtagsrisiken. Im übrigen wirken sich Zinsänderungen GuV-mäßig auf die
Zinsspannen der aktuellen und zukünftigen Perioden aus. Eine Aggregation von
Stichtagswerten und periodischen Werten ist jedoch nicht möglich. Abb. MS 6 verdeutlicht, daß in der traditionellen GuV-Sicht das Gesamt-Zinsänderungsrisiko eines
Instituts nicht ermittelbar ist; es kann weder limitiert noch entsprechend gesteuert
werden. Die Konzepte der Machbarkeitsstudie müssen Risikopotentiale »gleichnamig«2 machen, also beispielsweise auf einen einheitlichen Referenzzeitpunkt beziehen; nur dadurch wird ein Gesamtrisikostatus möglich.
Das korrekt nach einheitlichen Maßstäben ermittelte Risiko ist für eine risikoorientierte Steuerung unerläßlich: Zur Abdeckung von Bankrisiken wird Risikokapital bereitgestellt, für das eine angemessene Rendite zu erwirtschaften ist (»Bereitstellung
von Risikokapital gegen Ertragsversprechen«).
e) Ausblick: Portfoliosteuerung
Zinsinduzierte Geschäfte spielen bei Sparkassen noch die dominante Rolle: In diesem
Bereich liegt der traditionelle Produktschwerpunkt; entsprechend sind die Steuerungskonzepte und -instrumente ausgerichtet. Je mehr der Wettbewerb unter Banken
und Sparkassen zunimmt, um so mehr wird man dazu übergehen müssen, geschäft-
1 Die Anführungszeichen bei »addierbar« sollen darauf hinweisen, daß es sich nicht um eine konventionelle mathematische Addition handeln muß, sondern daß die Risiken im statistischen Sinn aggregiert
werden.
2 »Gleichnamigkeit« ist auch das wichtigste Prinzip der Investitionsrechnung; hierzu sei auf die einschlägige Literatur verwiesen.
Anforderungen und wesentliche Projekterkenntnisse
23
liche Aktivitäten aller Art zu betrachten und systematisch mit portfolioorientierten
Methoden zu managen. Die Qualität des Portfolios und seiner Steuerung
innerhalb einer Risikoklasse und
risikobereichübergreifend
wird in Zukunft zum entscheidenden Erfolgsfaktor zur
Ertragsverbesserung und/oder
Risikoreduzierung.
Abbildung MS 6 Risiken müssen »addierbar« sein
traditionell
Periode 1
Stichtag
Abschreibungsrisiko
Stichtag
+
Risiko:
Verringerung der
stillen Reserven
= geht nicht!
< Limit (geht erst recht nicht !)
Risiko:
Verringerung der
Zinsspanne
…
+
Periode 1
+
sonstige
periodische
GuV-Risiken
…
Periode n
Periode n
Risiko:
Verringerung der
Zinsspanne
sonstige
periodische
GuV-Risiken
Gesamtrisiko nicht ermittel- und steuerbar
Wie in Abb. MS 7 dargestellt, müssen neben den klassischen Marktpreisrisiko-Bereichen Zinsen, Aktien und Fremdwährung auch Immobilien und Beteiligungen
(einschließlich ihrer Risiken) alternativ bei Anlageentscheidungen ins Kalkül gezogen
und mit vergleichbaren Methoden bewertet werden. Für eine bewußte Steuerung der
Adressenportfolien sind zukünftig Konzepte zu entwickeln, deren Risikomeßmethoden mit den Methoden der Marktpreisrisikosteuerung harmonieren. Im umkämpften Finanzmarkt (man denke nur an die aktuellen Diskussionen über Direktbanken, Vermögensanlagezentren, Immobilienzentren, Outsourcing von Funktionen
etc.) wird die Geschäftsfeldsteuerung, die heute im systematischen Sinn praktisch
nicht vorhanden ist, eine zunehmend gewichtige, wenn nicht die entscheidende Rolle spielen.
In diesem »Konzert« von sparkassenbetrieblichen Regelkreisen bleibt ein Fokus auf
die Zinsänderungsrisiken zu eng.
Ein neues Konzept, das in der Machbarkeitsstudie primär für den Zinsbereich entwickelt werden soll, muß im Grundsatz auf alle Risikobereiche des Instituts übertragbar sein. Das gesuchte gemeinsame Dach bedeutet, alle unternehmerischen Entscheidungen – seien sie in Fristigkeiten, Gebäude, Kunden, Geschäftsfelder etc. – als Investition anzusehen. Die Investitionen müssen »sich rechnen«: Ihre Risiken müssen
24
Wertorientierte Steuerung des Zinsänderungsrisikos
beherrschbar bleiben, und das notwendige Risikokapital muß eine angemessene Rendite1 erwirtschaften.
Für die »Machbarkeitsstudie« bedeutet dies, die Regeln der Investitionsrechnung
auch auf die Steuerung der Zinsänderungsrisiken zu übertragen. Nur dann ist die entsprechende Zukunftssicherheit gegeben.
Abbildung MS 7 Portfoliosteuerung gewinnt an Bedeutung
Geschäftsfelder
Zins-Geschäfte
FX-Geschäfte
Aktien
Beteiligungen
…
Investitionen
Immobilien
Die Qualität des Portfoliomanagements
• innerhalb einer Risikoklasse und
• risikobereichübergreifend
Index-Geschäfte
Adressen
wird in Zukunft zum entscheidenden Erfolgsfaktor zur
• Ertragsverbesserung und/oder
• Risikoreduzierung
Impulse durch aufsichtliche Anforderungen
Die bisherigen Ausführungen haben verdeutlicht, warum aus internen Steuerungsgründen eine Neuorientierung des Bilanzstrukturmanagements notwendig wird.
Die traditionellen Instrumente genügen aber auch den modernen aufsichtlichen
Anforderungen und Konzeptionen – insbesondere dem in Abb. MS 8 dargestellten
Trend zur verstärkt umfassenden, qualitativen Aufsicht – nicht mehr.
So schreiben beispielsweise die MaH2 vor, daß das Risikocontrolling- und -managementsystem insbesondere die mit Handelsgeschäften verbundenen Marktpreisrisiken zu erfassen und zu quantifizieren hat. Und weiter: »Dieses System soll in ein
möglichst alle Geschäftsbereiche der Bank umfassendes Konzept zur Risikoüberwachung und -steuerung eingegliedert sein und dabei die Erfassung und Analyse von
vergleichbaren Risiken aus Nichthandelsgeschäften ermöglichen.« Darüber hinaus
müssen die Marktpreisrisiken durch ein Globallimit begrenzt werden.
Das Anspruchsniveau aufsichtlicher Vorgaben ist also bereits zu einem gut Teil und
wird zunehmend marktpreisorientiert; GuV-Bewertungsregeln und -spielräume ver1 »Angemessen« darf nicht mit »maximal« gleichgesetzt werden! Im Rahmen ihres öffentlichen Auftrags
übernehmen die Institute der Sparkassenorganisation »Verantwortung in Gesellschaft und Region« und
haben daher nicht die Gewinnmaximierung zum Ziel. Um so mehr sind allerdings die Institute einer
wirtschaftlichen Bereitstellung ihrer Finanzdienstleistungen verpflichtet. In diesem Sinn ist »angemessen« zu verstehen.
2 »Mindestanforderungen an das Betreiben von Handelsgeschäften der Kreditinstitute«; Verlautbarung des
BAKred vom 23.10.1995.
Anforderungen und wesentliche Projekterkenntnisse
25
lieren ihre Relevanz als primäre Steuerungsgröße. Überträgt man die Systematik auf
das alle Geschäftsbereiche umfassende Konzept, so versagen allein aus aufsichtlichen
Gründen die periodischen GuV-Steuerungsphilosophien.
Abbildung MS 8 Der Weg aufsichtlicher Vorgaben – grobes Schema
Geschäftsleiterfunktion,
Ordnungsmäßigkeit
• Mindestanforderungen
(Handelsgeschäfte)
• Zinsänderungsrisiko
(Gesamtinstitut)
• interne Modelle zur
EK-Unterlegung der
Marktpreisrisiken
(Trading-Buch)
• Mindestanforderungen für (fast) alle
Geschäftsbereiche
• interne Modelle zur
EK-Unterlegung
der Risiken
(Marktpreis-, Adressen-, Liquiditäts-,
Beteiligungs-, Investitions-, Betriebsrisiken
etc. für (fast) alle
Institutsaktivitäten)
• Publizitätsrahmen
Grundsatz
I, IA, II, III,
Großkredit, …
Mischung:
• konkrete Vorgaben
• Parametrisierungen
für interne Modelle
des Trading-Buchs
generelle Vorgaben
für Parameter»Einstellungen«
bisher
aktuell/in Kürze*
zukünftig?
qualitativer
Anspruch/
Regelungsbereich
quantitative
Vorgaben/
Rechenvorschriften
* unter der Prämisse, daß interne Modelle verwendet werden
Im September 1997 legte der Baseler Ausschuß ein Papier zur Steuerung des Zinsänderungsrisikos vor. Er präferiert die sog. Substanzwertperspektive, die gleichbedeutend mit dem Barwertansatz ist. Es heißt: »Da die Substanzwertperspektive die potentiellen Auswirkungen von Zinsänderungsrisiken auf den Gegenwartswert sämtlicher
zukünftiger Zahlungsströme betrachtet, vermittelt sie ein umfassenderes Bild der potentiellen langfristigen Effekte von Zinsänderungsrisiken als die Ertragswertperspektive1.«
Man könnte sagen, daß die neuen Baseler Regelungen den Projektauftrag ex post
nochmals grundsätzlich formulieren: Die »Machbarkeitsstudie« soll zeigen, wie die
nunmehr auch von der Aufsicht formulierten Anforderungen konkret in Sparkassen
umgesetzt werden können. Dabei kommt der Studie zugute, daß die Aufsichtsbehörden im Rahmen eines qualitativen Anspruchsniveaus den Instituten ausreichend Freiheitsgrade für praktikable, den Sparkassen angemessene und zugleich sachgerechte
Lösungen lassen.
Zur Eigenkapitalunterlegung der Marktpreisrisiken im Handelsbuch sind nach der
6. KWG-Novelle auch sog. »interne Modelle« zugelassen. Die Aufsicht hat Parameter
1 Gleichbedeutend mit periodischer GuV-Sicht.
26
Wertorientierte Steuerung des Zinsänderungsrisikos
(z. B. Haltedauer, Konfidenzniveau) auf der Basis statistischer Modellbildungen vorgegeben, die die Institute bei ihren Berechnungen mit den internen Instrumenten einhalten müssen. Die Machbarkeitsstudie hatte nicht das Ziel, ein solches internes
Modell für die Sparkassen zu definieren. Das erarbeitete Konzept muß jedoch so offen
sein, daß die Einführung interner Modelle nur eine Weiterentwicklung und partielle
Vertiefung darstellt. Hierzu gehört auch, daß statistische Modellbildungen im Rahmen der Studie mit ihren Vor- und Nachteilen grundsätzlich zu beleuchten waren.
Projektergebnisse
Die (bar)wertorientierte Steuerung mit ihrer Cash-flow-Analyse erfüllt alle Anforderungen des Pflichtenhefts. Wie einleitend bereits angesprochen, hat das Projekt gezeigt, daß sie praktikabel und zukunftsorientiert ist; die Entscheidungsgrundlagen
werden in bisher nicht gekannter Weise verbessert.
Im folgenden sollen einzelne wesentliche Aspekte speziell beleuchtet werden:
1. Cash-flow, Barwertermittlung und Marktwert
Ein Finanzgeschäft besteht aus Ein- und Auszahlungen; durch die zeitliche Abfolge
und die Höhe dieser Ein- und Auszahlungen wird jedes Geschäft korrekt beschrieben.
Deshalb bildet der Cash-flow die richtige, objektive Basis für das Management und
das Controlling des Zinsergebnisses und des Zinsänderungsrisikos. Buchhalterische
Größen wie Buchwerte, Tilgungen und Disagien (bzw. deren buchhalterische Auflösungsmethoden) sind zur Steuerung nicht geeignet.
Der Barwert von Festzinsgeschäften1, also von Geschäften mit fest vereinbartem
Cash-flow, wird durch Diskontierung aller zukünftigen Ein- und Auszahlungen auf
den Stichtagswert ermittelt;2 dabei werden nur die Leistungen bis zum Ende der Zinsfestschreibung berücksichtigt. Dieses Verfahren ist grundsätzlich aus der Investitionsrechnung bekannt.
Werden die Zinssätze zur Diskontierung geschäftsspezifisch3 gewählt, entspricht
der Barwert dem Marktwert. Barwertmethode und die sog. Marktwertmethode sind
damit deckungsgleich. Im Projekt hat sich gezeigt, daß es für die meisten Sparkassen
ausreicht, die Geschäfte mit einer einheitlichen – also nicht geschäftsspezifischen – typischen Zinsstrukturkurve zu bewerten. Die Differenzen, die sich zu den echten
Marktwerten ergeben, sind im allgemeinen für Sparkassen nicht mehr steuerungsrelevant. Bei der Verwendung differenzierter Kurven ergibt sich im übrigen das Problem,
daß Aussagen über die Abhängigkeiten der unterschiedlichen Zinsstrukturkurven bei
1 Einschließlich solcher mit sehr kurzfristigen Zinsfestschreibungen.
2 Genauer geschieht dies durch die exakte kalkulatorische Nachbildung der zukünftigen Ein- und Auszahlungen des Finanzgeschäfts durch marktgängige Interbankengeschäfte.
3 Also z. B. Swapkurve, Bundkurve, Pfandbriefkurve etc.
Anforderungen und wesentliche Projekterkenntnisse
27
Zinsänderungen getroffen werden müssen.1 Mag die Differenzierung für Tradingbereiche noch sinnvoll sein, führt sie bei einer Gesamtbetrachtung bei den allermeisten Instituten zur Pseudogenauigkeit.
Das vorliegende Konzept ist jedoch von diesen Fragen unabhängig.
2. Variable Geschäfte im Barwertkonzept
Die klassischen »variablen Geschäfte« der Sparkassen, also Spareinlagen, Kontokorrentkredite, variable Hypothekendarlehen, haben keinen fest vorgegebenen Cashflow, aus dem sich ein Barwert ermitteln ließe. So heißt es auch im Baseler Konsultationspapier zum Zinsänderungsrisiko: »Eine der schwierigsten Aufgaben bei der
Messung des Zinsänderungsrisikos ist die Behandlung der Positionen, deren verhaltensabhängige Fälligkeit von der vertraglich vereinbarten Fälligkeit abweicht …« In
der Machbarkeitsstudie hat sich allerdings eine Methode zur Bildung passender synthetischer Cash-flow als sehr gut geeignet herausgestellt; das Zinsänderungsverhalten
variabler Positionen wird dabei durch eine Mischung aus gleitenden Durchschnitten
von Laufzeitzinsen nachgebildet.2 Dabei hat sich gezeigt:
Durch die Modellannahmen können auch variable Positionen als Cash-flow abgebildet werden; ihr Barwert wird ermittelbar.
Das Zinsänderungsrisiko kann daher für variable Positionen und Festzinsgeschäfte
integrativ bestimmt, limitiert und gesteuert werden.
Gleitende Durchschnitte lassen sich disponieren; insofern ist das Modell als Vorgabe für den Disponenten geeignet.
Die Modellbildung fügt sich ein in das System der Marktzinsmethode, und sie ist
geeignet zur Konditionensteuerung.
Volumensänderungen und Strategieänderungen können berücksichtigt werden.
Das heute weit verbreitete sog. »Elastizitätskonzept« zur Risikoerfassung variabler Positionen wurde im Projekt alternativ betrachtet. Dabei stellte sich heraus, daß sich das
Elastizitätskonzept
– nicht in das Konzept der barwertigen Bewertung einfügt,
– nicht geeignet ist zur Messung und Limitierung des Zinsänderungsrisikos,
– nicht geeignet ist als Dispositionsvorgabe und
– nur unzureichend geeignet ist für die Konditionenpolitik.
Darüber hinaus zeigen Beispielrechnungen, daß das Elastizitätskonzept auch bezüglich der Qualität der Zinsprognose unterlegen ist.
Im Ergebnis ist das Modell der gleitenden Durchschnitte zielführend und
grundsätzlich vorzuziehen.
1 Also beispielsweise: Wenn die Pfandbriefsätze um 1% steigen, wie stark steigen dann die Swapsätze und
die Bund-Sätze?
2 Vgl. Sievi, C.: Kalkulation und Disposition, Bretten 1995.
28
Wertorientierte Steuerung des Zinsänderungsrisikos
3. »Vermögen« aus Zinsgeschäften und Risiko
Der Barwert aller Zinsgeschäfte bzw. der Barwert der Cash-flow repräsentiert das im
Zinsgeschäft gebundene »Vermögen« des Instituts. Das Zinsänderungsrisiko ist die
mögliche Verringerung dieses Vermögenswertes bei Zinsschwankungen. Vermögensschwankungen können auf Basis von Zinsszenarien ermittelt werden, aber auch nach
statistischen »Value-at-risk«-Modellen (z. B. JP Morgan).
Es hat sich in der Machbarkeitsstudie eindrucksvoll bestätigt, daß die vermögensorientierte Sicht die richtige Entscheidungsgrundlage zur Zinsänderungsrisikosteuerung darstellt.
Das Projekt hat auch den praktischen Nachweis erbracht, daß eine Risikosteuerung,
die sich im wesentlichen auf das Depot A bzw. die MaH-relevanten Positionen bezieht, zu Fehlsteuerungen führen muß. Nur die gesamtheitliche Sicht ermöglicht eine
adäquate Nachbildung des Zinsänderungsrisikos und adäquate Steuerungskonzeption.1
Bei den Pilotsparkassen war das Zinsänderungsrisiko der MaH-Positionen dreimal
so hoch wie das tatsächliche Risiko. Die fehlende Information über das Gesamtinstitutsrisiko verleitet dazu, das Vermögen insgesamt zu kurz anzulegen, was in Zeiten
normaler Zinsstrukturen eine geringere Zinsspanne nach sich zieht. Die Institute hätten erheblich mehr Risikokapital einsetzen und damit verstärkt Ertragschancen nutzen können. Die Untersuchungen legen den Schluß nahe, daß bei Anwendung der
modernen Konzepte »in the long run« deutliche Ertragssteigerungen bei beherrschbarem Risiko möglich sind.
Die Frage der Höhe des Risikos im Verhältnis zum Vermögenswert und die Frage
von sinnvollen Haltedauern und Konfidenzintervallen wurden im Projekt ausführlich
beleuchtet. Ebenso wurden die Vor- und Nachteile von statistischen Modellen gegenüber Szenarioanalysen herausgearbeitet.
4. Performancesteuerung (Risikosteuerung/Planungshorizont/RORAC)
Steuerung ist ein dynamischer Prozeß. Das Konzept geht daher über eine stichtagsbezogene Analyse hinaus. Das Managementziel besteht darin, das »Vermögen« aus
Zinsgeschäften des Instituts an einem Planungshorizont zu optimieren, d. h. die Performance am Planungshorizont zu verbessern und dabei das Risiko im gegebenen
Rahmen zu halten.
Während die traditionellen GuV-orientierten Steuerungsinstrumente zwingend
verlangen, über Jahre die Plandaten zum Zinsniveau und zum Neugeschäft (Produkte, Margen und Fristigkeiten) vorzugeben, kommt die Barwert- bzw. Planungshori-
1 Siehe hierzu auch: DSGV-Leitfaden zur Umsetzung der MaH vom 15.1.1996.
Anforderungen und wesentliche Projekterkenntnisse
29
zontbetrachtung den Entscheidungsträgern entgegen: Ein einziger Planungshorizont
reicht aus! Auswahlkriterien für den Planungshorizont1 markieren folgende Fragen:
Bei welchem Planungshorizont fühlt sich der Entscheidungsträger (und Volkswirt)
bei seiner Prognose relativ wohl?
Bei welchem Planungshorizont spielen Geld/Brief-Differenzen eine tendenziell untergeordnete Rolle?
Bei welchem Planungshorizont sind sinnvolle Handlungsentscheidungen (strategisch, operativ; Vorstand, Treasurer, Händler) möglich?
Planungshorizontanalysen und -maßnahmen bedeuten auch ohne langfristige Planungsreihen kein kurzfristiges operatives Denken (mit diesem Vorurteil sollte aufgeräumt werden!). Es ist nämlich folgendes zu bedenken:
Wer sein Vermögen auf kurze Sicht optimiert, hat es auch auf lange Sicht optimiert.
Die Zinsänderungsrisikosteuerung des Disponenten kommt ohne die Simulation
von Kundenneugeschäften (Neugeschäftsplanung) aus: Dispositive Maßnahmen
kann der Disponent auch mit Interbankengeschäften ergreifen.
Eine Geschäftsfeldplanung (d. h. die Planung der Neugeschäfte) ist über die Margenplanung (einschließlich absoluter und relativer Margenrisiken) in das Modell
integrierbar – so wie jede andere Investitionsentscheidung auch.
Das Geschäftsfeldmanagement2 – und hiermit zusammenhängend die Neugeschäftsplanung – ist ein eigenständiger Steuerungsbereich. Gibt es Margenabhängigkeiten
zum Zinsniveau, so sind diese über Korrelationen zu berücksichtigen – wie beim
Fremdwährungs-, Aktien-, Index- und sonstigen Bereichen. Würden Geschäftsfeldfragen und Neugeschäftsplanung unsystematisch mit dispositiven Fragen vermengt –
wie es häufig geschieht –, wäre eine verursachungs- und verantwortungsgerechte moderne betriebswirtschaftliche Steuerung zum Scheitern verurteilt.
Die Möglichkeit, mit kurzfristigen Planungshorizonten arbeiten zu können, ist für
die Ertragssituation des Instituts möglicherweise der entscheidende Vorteil der neuen Steuerungsphilosophie: Prognosen über Neugeschäfte, ihre Zinsen und ihre Festzinsperioden, die sich – je länger die Fristen sind – immer mehr im Unwägbaren verlieren, sind für die Zinsänderungsrisikosteuerung verzichtbar. Die Vorstände und ihre
Mitarbeiter können sich bei ihren Entscheidungen erheblich sicherer als früher
fühlen.
Die Ergebnisse der Machbarkeitsstudie zeigen, wie der Einsatz von Risikokapital bei
Entscheidungen systematisch zum Maßstab gemacht werden kann. Die Machbar1 Bei den Projektbeteiligten herrscht Übereinstimmung, daß in den meisten Sparkassen ein Planungshorizont von ca. 3 bis 12 Monaten sinnvoll ist (bei Positionen im Handelsbuch ggf. kürzerfristig).
2 Neben der Adressenrisikosteuerung wird das Geschäftsfeldmanagement und -controlling zur wichtigen
betriebswirtschaftlichen Herausforderung der Zukunft.
30
Wertorientierte Steuerung des Zinsänderungsrisikos
keitsstudie bedeutet den Einstieg in die RORAC-/RAROC-Orientierung. Das Schlagwort »modernes Bankgeschäft ist Risikosteuerung« wird durch das Projektergebnis
mit Leben gefüllt.1
5. Neues Rollenverständnis: Disposition und Rechnungswesen
Wertorientierte Steuerung oder GuV-Steuerung – der »Glaubenskrieg« wurde im Projekt beigelegt, indem die jeweiligen Rollen im Bankmanagement geklärt bzw. neu definiert wurden.
Die Steuerungspriorität liegt bei der Barwert- bzw. Planungshorizontsicht; Steuerungsgrößen sind dabei Performance und Performancerisiko, die betriebswirtschaftlich die richtigen Impulse setzen und die korrekten Ergebnisse liefern.
Hierfür muß eine (Zentral-)Disposition bzw. ein »Bilanzstrukturmanagement«
aufgebaut werden.
Eine GuV-Vorausschau und -Planung (ggf. auch eine Limitierung von GuV-Risiken) ist parallel notwendig.2 Da »in the long run« die Identität von Barwertüberschuß
und GuV-Ergebnissen sichergestellt ist, kann sie sich allerdings auf überschaubare
Planperioden beschränken (z. B. die beiden folgenden Bilanzstichtage). Unrealistische
langfristige GuV-Hochrechnungen mit Plandaten über 5 bis 10 Jahre werden nicht
mehr benötigt.
Eine Überführung von betriebswirtschaftlichen Daten in konkrete GuV-Daten erweist sich als überflüssig und letztlich kontraproduktiv.
Wenn die betriebswirtschaftlichen Maßnahmen im Rahmen der wertorientierten
Steuerung festgelegt sind, stimmen sich Disposition und Rechnungswesen über die
konkreten Geschäfte wegen ihrer möglicherweise unterschiedlichen GuV-Auswirkungen ab. Das Rechnungswesen ist dabei ein eigenständiger, gestalterisch eingreifender
Steuerungsbereich, der zum Ziel hat,
die Möglichkeiten der GuV zur sinnvollen Verstetigung der Erträge bewußt zu nutzen und
zugleich einen Widerspruch zwischen betriebswirtschaftlichen Ergebnissen und
GuV-Ergebnissen zu vermeiden.
Diese Funktionen bedeuten für die meisten Institute ein neues Rollenverständnis des
Rechnungswesens.
1 Die diesbezüglichen Ergebnisse der Machbarkeitsstudie sind hierfür als erster Schritt und Basis für eine
Diskussion in der Sparkassenorganisation anzusehen.
2 In der Machbarkeitsstudie wurde auch die Erfüllung der Grundsätze II/III behandelt. Dabei zeigt sich,
daß ihre typischen Probleme beim dargestellten aktiven Bilanzstrukturmanagement an Bedeutung verlieren; abgesehen davon entfallen diese Grundsätze in der Zukunft ohnehin.
Anforderungen und wesentliche Projekterkenntnisse
31
6. Benchmarking
Mit kurzfristigen Vermögensanlagen läßt sich ohne Zinsänderungsrisiko immer ein
Performancezuwachs erzielen. Es stellt sich aber die Frage, wann die Finanzdisposition
»gut oder schlecht« gewesen ist. Dabei ist nicht nur maßgeblich, wie hoch die Performance war, sondern auch welche Risiken hierfür eingegangen werden mußten.1
Als Maßstab (»Benchmark«) für die Beurteilung können beispielsweise die Performance-/Risikoprofile und RAROC-Kennzahlen2
eines Indexes (z. B. der REX) oder der Mischung von Indexen z. B. (REX und DAX),
eines vom Vorstand vorgegebenen Musterportfolios,
eines Fonds,
anderer SKO-Institute,
von nationalen oder sogar internationalen Anlagegesellschaften, deren Daten erhältlich sind,
gewählt werden.
Marktpreisrisiko (bzw. Zinsänderungsrisiko) ist dann nicht nur das Risiko, daß sich
das Vermögen bei einer Änderung der Marktpreise absolut verringert, sondern daß es
sich gegenüber dem Benchmark ungünstiger entwickelt.
Die neue Steuerungsphilosophie wird auch die Vergleichssystematik der Institute
der Sparkassenorganisation untereinander, den Betriebsvergleich, »revolutionieren«.
Mit der Performance-/Risikomessung bzw. mit RAROC-Kennzahlen steht ein objektiver Maßstab zur Verfügung, der das Institut gesamtheitlich bewertet und der nicht
willkürlich beeinflußt werden kann.3
Der Weg für einen neuen Betriebsvergleich ist durch die Machbarkeitsstudie vorgezeichnet, der Vergleich wurde allerdings im Rahmen des Projekts nicht differenziert
ausgearbeitet.
7. Investitionsrechnung und Bankgeschäft werden betriebswirtschaftlich
zusammengeführt
Unternehmerisch handeln heißt: Kapital bewußt investieren. In produzierenden Betrieben ist dies immer schon selbstverständlich, in Banken hält diese Vorstellung nun
langsam Einzug. Bewußt investieren bedeutet für Banken z. B.:
in Fristentransformation,
in Geschäftsfelder,
in Kundengruppen,
in Service,
1 Grob gesprochen ist bei gleicher Performance der Disponent mit dem geringeren Risiko besser.
2 Siehe auch Fußnote 1 S. 32.
3 Beispielsweise durch den Aufbau oder den Abbau von Interbankengeschäften, die die Bilanzsumme, nicht
aber das absolute Geschäftsergebnis verändern.
32
Wertorientierte Steuerung des Zinsänderungsrisikos
in Mitarbeiter,
in Technik,
in Zinsgeschäfte, Aktien, Fremdwährungen, Beteiligungen, Immobilien und sonstige Vermögensgegenstände.
Die klassische »Investitionsrechnung« liefert das Kalkül zur Beurteilung von Investitionen; das in der Machbarkeitsstudie als geeignet identifizierte Steuerungskonzept ist
damit deckungsgleich. Das investive Denken wird daher im Institut verankert, und es
ist auf sämtliche geschäftlichen Aktivitäten eines Hauses übertragbar. Damit ist der
Grundstein für eine integrative Institutssteuerung gelegt.
8. Performanceschwankungen
Die neuen Bewertungsmaßstäbe sind objektiv und haben nicht mehr die »glättenden«
Eigenschaften des GuV-Ergebnisausweises – mit anderen Worten: Die Performance
wird erheblich stärker schwanken als das GuV-Ergebnis. Dies ist aber »normal« und
auch einsichtig, da man beim Eingehen von Risiken nicht immer »richtigliegen« kann.
Sofern die für eine interne Steuerung ermittelten Performancedaten an Aufsichtsorgane (Gewährträger) weitergegeben werden sollen, müssen diese zuvor damit vertraut
gemacht werden, daß eine negative oder ungünstige Performance »ab und zu« eintreten kann. Sicherlich ist das ein Kommunikationsproblem; die verbesserten Steuerungsmethoden sollten jedoch den Aufsichtsorganen positiv vermittelbar sein, zumal
sie international und im Fondsbereich auch üblich sind.
Auf Dauer kann natürlich eine ungünstige oder gar negative Performance nicht
hingenommen werden – sie würde aber auch in der GuV nicht mehr »geglättet« werden können.
Die Ausführungen zeigen auch, daß es völlig verfehlt wäre, die Vorstandsleistung
ausschließlich oder primär nach der periodischen Performance des Instituts zu messen. Eine Vorstandsleistung ist ein »Portfolio«-Mix aus vielen Leistungen, und es kann
wohl kaum erwartet werden, daß die Vorstände und ihre Institute immer in allen Bereichen die richtigen Annahmen treffen und richtig entscheiden. Wesentliche Komponenten einer Vorstandsleistung sind ohnehin qualitativer Natur, wie Kreativität und
»Perspektive« für das Institut.
Resümee
Das Bankmanagement bleibt auch beim Barwertkonzept, was es schon immer war:
»Entscheidung unter Unsicherheit«. Es wird aber viel transparenter und realitätsnäher, worüber entschieden werden muß!
Notwendig wird eine neue Ausrichtung, und »Erfolg« wird neu definiert: nämlich
Performance und Risiko im Zeitablauf (und zwar absolut oder gegenüber einer
Benchmark). Das investive Denken wird in einem bisher nicht gekannten Maße unterstützt; es wird zukünftig alle Geschäftsbereiche eines Instituts prägen.
Warum überhaupt Cash-flow und Barwerte?
33
Wenn die neuen Konzepte ihre Umsetzung erfahren haben, wird sich selbstverständlich auch der Betriebsvergleich an den neuen Steuerungsnormen Performance,
Risiko und RAROC/RORAC ausrichten müssen.
In der Steuerungspraxis hat sich bei den Pilotinstituten gezeigt, daß Entscheidungen mit dem neuen Konzept anders (richtiger!) gefällt würden als bisher. Es ist
mehr Risikodeckungskapital vorhanden, und demzufolge können andere Strukturen (z.B. längere Fristen) gewählt werden. In den Instituten wird erstmals in
einer Kennzahl transparent, bei welchen konkreten Zinsentwicklungen für das
Gesamtinstitut höhere Verluste zu erwarten sind. Im Normalfall sind deutlich
höhere Erträge als bisher zu erwarten bei gleichzeitig optimierter Risikobeherrschung.
Die Bedeutung der Derivate für die Institutssteuerung hat das Projekt nachdrücklich unterstrichen. Ohne Derivate sind die primäre Kundenorientierung und
der ausgleichende Charakter der Disposition nicht im erforderlichen Maße möglich.
Viele bisher ungelöste oder nur mit großem Aufwand lösbare Fragen können im
neuen Konzept in schlichter Form geklärt werden.
Mit dem Wechsel zum Barwertkonzept muß allerdings ein Know-how-Aufbau verbunden werden! Eine »verstandene« GuV-Steuerung wäre sicher besser als eine
»nichtverstandene« Barwertsteuerung. Möglicherweise ist das »Umdenken« dabei
kein einfacher Prozeß. Wenn es jedoch vollzogen ist, vereinfacht sich die Institutssteuerung aber in einem erheblichen Maße. Die Diskussionen mit den Fachbereichen,
aber auch den Vorständen in den Pilotsparkassen haben gezeigt, daß die Zeit für eine
Neuorientierung reif ist.
1
Warum überhaupt Cash-flow und Barwerte?
In diesem Kapitel wird begründet, warum viele bankbetriebswirtschaftliche Überlegungen auf Cash-flow basieren und warum Barwerte zur Beurteilung von Cash-flow
besonders geeignet sind.
1.1
Cash-flow als etablierte Rechnungsgröße bei diversen
Problemstellungen
1.1.1
Nominale Kenngrößen und effektiver Zahlungsstrom
In der (Sparkassen-)Praxis werden Geldgeschäfte (Kredite und Geldanlagen) durch
»nominale« Kenngrößen (z. B. Nominalzins, Nennwert) beschrieben. Diese bestimmen die finanziellen Auswirkungen eines Geschäftes, insbesondere die Zahlungshöhen und Zahlungstermine sowie die Art der Zinsberechnung und die anfallenden
Nebenkosten (Disagio, Gebühren etc.). Aus der nominalen Beschreibung kann der
34
Wertorientierte Steuerung des Zinsänderungsrisikos
effektive Zahlungsstrom abgeleitet werden1. Dieser Zahlungsstrom (Cash-flow)2 gibt
an, wieviel DM dem Kunden zu welchen jeweiligen Zeitpunkten tatsächlich (effektiv)
zufließen und welche Beträge der Kunde wann zum Ausgleich hierfür an die Bank
zahlen muß.
Zu jeder nominalen Beschreibung eines Geschäftes kann eindeutig ein effektiver
Zahlungsstrom gefunden werden.3 Gleichzeitig lassen sich zu einem gegebenen
Zahlungsstrom beliebig viele nominale Darstellungen finden, die völlig unterschiedliche Merkmale aufweisen.
Die beiden nachstehenden Darlehen in Abb. 1.1 und Abb. 1.2 bilden ein Beispiel hierfür.4
Zwingende Schlußfolgerung:
Geschäfte mit identischem Cash-flow (d. h., es fließen zu gleichen Zeitpunkten
gleiche Ein- und Auszahlungen) müssen im Controlling bzw. der internen Ergebnisrechnung gleich abgebildet werden.
Insbesondere ist eine gleiche Abbildung hinsichtlich
des Effektivzinses aus Bankensicht,
der erzielten Marge,
des Zinsänderungsrisikos und
des Ausfallrisikos bei identischem Kunden und identischer Sicherheit
unerläßlich.
Andernfalls besteht die Gefahr von Fehlsteuerungen, da trotz gleichen Geldflusses
das eine oder andere Geschäft bevorzugt wird.
Die Analyse auf Basis der Cash-flow garantiert diese nötige Gleichbehandlung
automatisch. Deshalb bilden Zahlungsströme die Basis aller bankbetriebswirtschaftlichen Überlegungen, die sich auf das Zinsgeschäft beziehen.
1 Teilweise müssen hierzu zusätzliche Prämissen – wie z. B. die Auszahlungstermine – gesetzt werden.
2 Die Begriffe »Zahlungsstrom« und »Cash-flow« werden im Fortgang als gleichbedeutend behandelt.
3 Zu Einzelheiten der Bestimmung von Zahlungsströmen – insbesondere auch für Finanzinnovationen
und das variable Geschäft – wird auf Kapitel 2 verwiesen.
4 Sämtliche Berechnungen im Abschlußbericht sind mit den Standardprodukten MARZIPAN bzw. DIS
der Gillardon financial Software, Bretten, ausgeführt.
Warum überhaupt Cash-flow und Barwerte?
Abbildung 1.1 Annuitätendarlehen 1
35
36
Wertorientierte Steuerung des Zinsänderungsrisikos
Abbildung 1.2 Annuitätendarlehen 2
Warum überhaupt Cash-flow und Barwerte?
37
Die beiden Darlehen sind trotz unterschiedlichen Nominalzinses, unterschiedlichen
Disagios und unterschiedlicher Kontoführung im Cash-flow – also den wirklich an
den Kunden fließenden und vom Kunden gezahlten Beträgen – identisch. Diese Identität gilt auch hinsichtlich der Zeitpunkte, an denen die Zahlungen fällig sind. Die
geringfügige Restschulddifferenz ist ausschließlich auf Rundungseffekte zurückzuführen.
1.1.2
Beispiele zur Anwendung von Cash-flow in der Bankpraxis
Die folgenden Anwendungen der Bankpraxis basieren seit eh und je auf Zahlungsströmen. Sie dienen als Beispiele dafür, daß das Denken in Cash-flow in wichtigen
bankwirtschaftlichen Bereichen von grundlegender Bedeutung ist.
1.1.2.1 Effektivzinsberechnungen
Wie gezeigt wurde, kann ein und derselbe Zahlungsstrom auf völlig verschiedene Weise als Nominalkondition dargestellt werden. Damit besitzt der Nominalzins für den
Vergleich von Geldgeschäften keine Aussagekraft. Dies gilt sowohl für die bankinterne
Beurteilung als auch für Vergleiche aus Kundensicht.
Ursache für die Unbrauchbarkeit des Nominalzinses ist, daß »Nebenkosten« wie
Disagio, Gebühren oder Kontoführungsmethode (z. B. verzögerte Tilgungsanrechnung) sich im Zahlungsstrom ebenso auswirken wie der Nominalzins selbst. Je höher
diese Nebenkosten gewählt werden, um so niedriger kann – bei gleichem Zahlungsstrom – der Nominalzins angesetzt werden.
Der Effektivzinsbegriff (Renditebegriff)1 basiert aus diesem Grund unmittelbar
auf dem Zahlungsstrom des zu beurteilenden Darlehens bzw. der zu beurteilenden
Geldanlage. Der Zahlungsstrom enthält alle Konditionenbestandteile2 in der Form, in
der sie die Rendite beeinflussen, nämlich dem zeitlich gegliederten Geldfluß.
Ausgehend vom Zahlungsstrom ist der Effektivzins als derjenige Zins definiert,
bei dem ohne weitere Nebenkosten das »Vergleichskonto« mit dem gegebenen Zahlungsstrom den Endsaldo Null aufweist, also »aufgeht«. Hierbei wird für das Ver-
1 Effektivzins und Rendite werden im Fortgang als synonyme Begriffe verwendet. Dabei wird die Bezeichnung »Effektivzins« vorwiegend bei Aktivgeschäften, die Bezeichnung »Rendite« vorwiegend bei Passivgeschäften angewandt. Für Spezialisten sei an dieser Stelle die Verbindung zur klassischen Investitionsrechnung deutlich gemacht: Der Effektivzins des Finanzgeschäfts entspricht dem internen Zinsfuß der
Investition.
2 Während es aus interner Bankensicht sinnvoll ist, alle Konditionenbestandteile zu berücksichtigen, erlaubt der Gesetzgeber bei der Effektivzinsberechnung nach Preisangabenverordnung, bestimmte Konditionenmerkmale nicht zu erfassen (z. B. Schätzgebühren, Kontoführungsgebühren in üblichem Ausmaß,
Bereitstellungszinsen). Dies geschieht dadurch, daß der Zahlungsstrom fiktiv ohne diese Preiskomponenten berechnet wird.
38
Wertorientierte Steuerung des Zinsänderungsrisikos
gleichskonto eine genormte Kontoführung gewählt. Da für die Kontoführung unterschiedliche »Normen« möglich sind, existieren in der Praxis unterschiedliche Effektivzinsbegriffe.
Die folgenden Vergleichskonten zeigen für das Beispiel aus Abschnitt 1.1.1 (unterschiedliche Nominalkonditionen bei gleichem Zahlungsstrom) das Vergleichskonto
mit exponentieller Verzinsung, wie nachfolgend in Abb. 1.3 dargestellt (Effektivzins
nach AIBD bzw. ISMA, voraussichtlich zukünftige EU-Norm), und nach derzeitiger
deutscher Preisangabenverordnung.
Da das Vergleichskonto (s. Abb. 1.4) auf dem Zahlungsstrom basiert, ist das Vergleichskonto und damit der Effektivzins für beide angegebenen Darlehen trotz verschiedener Nominalkonditionen in der jeweiligen Kontoführungsdefinition identisch.
Als Effektivzinsbegriff ist für interne Zwecke die exponentielle Definition eindeutig
vorzuziehen, da sie als einzige Definition in sich widerspruchsfrei ist.1
Abbildung 1.3 Vergleichskonto AIBD
1 Zur Begründung hierfür siehe Projektteil 2.
Warum überhaupt Cash-flow und Barwerte?
39
Abbildung 1.4 Vergleichskonto gemäß Preisangabenverordnung
1.1.2.2 Kursberechnungen/(Bar-)Wertbestimmung
Inhalt der Kursberechnung ist es, bei gegebenem Nominalzins und sonstigen Ausstattungsmerkmalen den Auszahlungskurs bzw. das Disagio so zu berechnen, daß ein vorgegebener Effektivzins bzw. eine vorgegebene Rendite erreicht wird. Die Kursberechnung betrifft hierbei beliebige Geldgeschäfte der Aktiv- und Passivseite. Beispiele sind
die Berechnung des Auszahlungsbetrages (Nominalwert – Disagio) bei Darlehen oder
des Kurses bei festverzinslichen Wertpapieren.
Da der vorgegebene Effektivzins ausschließlich auf Zahlungsströmen basiert (siehe
1.1.2.1), kann auch die Kursberechnung nur über Zahlungsströme erfolgen. Im Vergleichskonto wird lediglich eine andere Zielgröße berechnet: Während bei der Effektivzinsberechnung der Effektivzins bei vorgegebenem Zahlungsstrom die gesuchte
Größe ist, wird nun die zeitlich erste Zahlung des Cash-flow (der Auszahlungs- bzw.
Anlagebetrag) bei vorgegebenem Effektivzins berechnet.1 Dieser Kurs wird auch als
1 Für Spezialisten: Dieser Kurs bei vorgegebenem Effektivzins entspricht dem Barwert bei vorgegebenem
internen Zinsfuß in der klassischen Investitionsrechnung.
40
Wertorientierte Steuerung des Zinsänderungsrisikos
Barwert des Finanzgeschäfts bezeichnet. Wird der Barwert unmittelbar am Markt beobachtet, spricht man auch vom Marktwert.1 In diesem Sinne ist die sogenannte
Marktwertsteuerung identisch mit der Barwertsteuerung.
1.1.2.3 Margenberechnung und Margenbarwert
Für die Berechnung von Margen (in Prozent oder DM) ist der Begriff der »strukturkongruenten Refinanzierung« bzw. des »Gegengeschäfts«2 von grundlegender Bedeutung.
Die strukturkongruente Refinanzierung (s. Abb. 1.5–Abb. 1.7) zu einem beliebigen
Geschäft ist eine Mischung aus Interbankengeschäften (aktiv- oder passivseitig), deren addierte Zahlungsströme (Summenzahlungsstrom) das Spiegelbild des Zahlungsstroms des Ausgangsgeschäftes ist.
Konkret ist folgende Eigenschaft zu erfüllen: Zu allen zukünftigen Zeitpunkten
stimmen die Zahlungen des Geschäfts und des Summenzahlungsstroms der strukturkongruenten Refinanzierung bis auf das entgegengesetzte Vorzeichen überein.3 Nur
die sofort – am Kalkulationsdatum – anfallende Zahlung darf abweichen. Anders formuliert: Die Zahlungen aus dem Geschäft und seiner strukturkongruenten Refinanzierung (dem Gegengeschäft) gleichen sich zu jedem zukünftigen Zeitpunkt aus. Nur
am Kalkulationsdatum bleibt eine positive oder negative Differenz bestehen, die als
»Margenbarwert« sofort entnommen werden kann bzw. bei Verlustgeschäften zugeführt werden muß.
Der »Einstandssatz« oder »Bewertungszins«4 zu einem Geschäft ist der Effektivzins
der strukturkongruenten Refinanzierung.
Die prozentuale Marge ist die Differenz zwischen dem Effektivzins des Geschäfts
und dem Einstandssatz.
Alle Definitionen fußen wiederum ausschließlich auf Zahlungsströmen. Ohne
Kenntnis des tatsächlichen Zahlungsstroms ist keine adäquate Margenberechnung
durchführbar.
Die folgenden Abbildungen 1.5 bis 1.7 zeigen die Margenberechnung und die
strukturkongruente Refinanzierung des Beispiels aus 1.1.1. Alle Werte stimmen für
die beiden Darlehen überein, da die beiden Darlehen den identischen Zahlungsstrom
aufweisen.
1 Vgl. hierzu auch Abschnitt 5.1.
2 Für Passivgeschäfte handelt es sich um eine »strukturkongruente Anlage«. Allgemein wird sowohl für
Aktiv- als auch Passivgeschäfte von strukturkongruenter Refinanzierung bzw. vom Gegengeschäft gesprochen.
3 Die Definition entspricht der sog. »Sofortentnahme« der Marge. Daneben gibt es eine Definition mit
»laufender Entnahme«. Einzelheiten werden im Projektschritt 2 erläutert.
4 Beide Begriffe werden synonym verwandt.
Warum überhaupt Cash-flow und Barwerte?
Abbildung 1.5 Zinsen am Interbankenmarkt für die strukturkongruente
Refinanzierung
41
42
Wertorientierte Steuerung des Zinsänderungsrisikos
Abbildung 1.6 Berechnung Margenbarwert, Einstandssatz und Marge in Prozent
Die obigen Ergebnisse gelten auch für das Darlehen mit Disagio aus 1.1.1.
Warum überhaupt Cash-flow und Barwerte?
43
Abbildung 1.7 Strukturkongruente Refinanzierung
Die strukturkongruente Refinanzierung gilt gleichermaßen für die Disagiovariante
aus 1.1.1.
1.1.2.4 Investitionsrechnung
Die Investitionsrechnung ist ein allgemeines Verfahren zur Beurteilung von Investitionen – gleichgültig ob es sich um private Investitionen, um Investitionen im Industriebetrieb oder um bankbetriebliche Investitionen, dazu zählen auch jedwede Finanzgeschäfte, handelt.
Bei der Investitionsrechnung werden als Basis aller weiteren Überlegungen die mit
einer Investition verbundenen Mehrausgaben den erwarteten Einnahmensteigerungen bzw. Ausgabenminderungen in ihrem zeitlichen Verlauf gegenübergestellt. Es
wird also der Zahlungsstrom der Investition ermittelt.
Der Zahlungsstrom wird nach bestimmten Kriterien (Effektivzins, Barwert) ausgewertet, um die Vorteilhaftigkeit der Investition zu berechnen oder mehrere konkurrierende Investitionen in eine Reihenfolge hinsichtlich ihrer Rentabilität zu bringen.
44
Wertorientierte Steuerung des Zinsänderungsrisikos
1.1.3
Erste Schlußfolgerungen
Cash-flow sind die Basis für weitere Auswertungen bei vielen bankbetrieblichen
Anwendungen. Der Cash-flow umfaßt hierbei die gesamte betriebswirtschaftliche Lebensdauer1 eines Geldgeschäfts, d. h., es werden alle Effekte – gerade auch die langfristigen Auswirkungen – in die Bewertung einbezogen.
Im Gegensatz hierzu arbeitet die herkömmliche Rechnungslegung zur Erstellung
der Gewinn- und Verlustrechnung und der Bilanz mit Ergebnissen, die aus nominalen
Kenngrößen ohne Rückgriff auf den Zahlungsstrom gewonnen werden. Diese Ergebnisse beziehen sich zudem lediglich auf Teilperioden (z. B. Monate oder Jahre). In der
Regel werden hierbei Auswirkungen von Produkten »abgeschnitten«, deren (Rest-)
Lebensdauer die betrachteten Teilperioden übersteigt.
Da wichtige bankbetriebliche Bereiche – insbesondere die Produktkalkulation
im bilanziellen und außerbilanziellen Bereich (Effektivzinsen, Kurse, Margen) –
auf der Basis von Cash-flow gesteuert werden, sollte sich dieses Prinzip auf aggregierter Ebene – dem Bilanzstrukturmanagement – wiederfinden.
Andernfalls besteht die Gefahr der Fehlsteuerung sowohl auf lokaler als auch auf
Gesamtbankebene, da die Zielgrößen nicht einander entsprechen.
Wie in Kapitel 4 – insbesondere Abschnitt 4.2 – gezeigt wird, muß in der Praxis
mit derartigen Fehlsteuerungen in erheblichem Ausmaß gerechnet werden.
Die folgenden Abschnitte des Kapitels 1 zeigen die besonderen Vorteile der Cash-floworientierten Steuerung.
1.2
Reaktion des Barwertes von Cash-flow auf Zinsänderungen
Die folgende Darstellung wird anhand eines durchgehenden Beispiels aufgebaut.
Zunächst wird eine Position untersucht, die aus der Anlage des Vermögens der Bank
stammen soll. Vereinfachend kann davon ausgegangen werden, daß es sich um eine
Bank handelt, die soeben gegründet wurde und das eingezahlte Eigenkapital in Höhe
von 100 000 DM in der nachstehenden Anlage verwendet.
Tilgungsfreies Wertpapier, Nominalbetrag 100 000 DM, Kurs 100, 2 Jahre Zinsfestschreibung, jährliche Zinszahlung, Zins 8 % p. a.
1 Für Festzinsgeschäfte wird diese Lebensdauer im folgendem mit der Zinsbindungsdauer gleichgesetzt
werden. Vergleiche hierzu aber auch die Ausführungen zu variablen Produkten und zur Produktkalkulation (Projektteil 2).
Warum überhaupt Cash-flow und Barwerte?
45
Der Cash-flow des Papiers in Tab. 1.1 ist dargestellt:
Tabelle 1.1
Cash-flow
Jahr
0
– 100 000
1
–
2
+ 108 000
8 000
Der Interbankenzins sei am Kauftag 8 % für alle Fristen,1 so daß das Papier margenfrei
ist.
Das periodisierte Zinsergebnis des Papiers ist für beide Jahre jeweils 8000 DM, in
Summe 16 000 DM.
Es wird nun der Zeitpunkt »ein Jahr nach Kauf« betrachtet. Zu diesem Zeitpunkt sei
das Zinsniveau 7% für einjährige Laufzeiten.
Im periodisierten Zinsergebnis wird diese Tatsache nicht registriert!
In Barwertbetrachtung wird der Barwert bzw. der Kurs des Wertpapiers berechnet.
Er beträgt nach Bezahlung der Zinsen für das erste Jahr:
108 000
1,07
= 100 934,58
Die Bank hat einen Kursgewinn in Höhe von 934,58 DM erzielt, der im herkömmlichen Rechnungswesen nicht ausgewiesen wird.
Die barwertige Ergebniszuordnung in Tab. 1.2 lautet hingegen:
Tabelle 1.2
Jahr
Ergebnis
1
+ 8 000 + (100 934,58 – 100 000) = 8 934,58
2
+ 8 000 + (100 000 – 100 934,58) = 7 065,42
Summe
16 000,00
1 Da das Verfahren der strukturkongruenten Bewertung von Cash-flow, mit dem unterschiedliche Interbankensätze je Laufzeit systematisch berücksichtigt werden können, erst am Ende der Studie gezeigt werden soll, wird hier zunächst von einer flachen Zinsstruktur ausgegangen. Unter dieser Voraussetzung
kann die übliche Finanzmathematik des Auf- und Abzinsens angewandt werden.
46
Wertorientierte Steuerung des Zinsänderungsrisikos
Worin liegen die Vorteile dieser in Abb. 1.8 dargestellten Betrachtungsweise?
Abbildung 1.8
Vorteile der Cash-flow-Betrachtungsweise
1. Vorteil:
Opportunitätsdenken
2. Vorteil:
Preise für Tauschoperationen
3. Vorteil:
klare Entscheidungsregeln,
reale Rendite, Performance
4. Vorteil:
Beurteilung beliebiger,
auch offener Positionen
1. Vorteil: Opportunitätsdenken
Die Bank erzielt im zweiten Jahr mit 8 000 DM Zinsen um 1000 DM mehr Zinsen, als
sie bei einer Neuanlage des ursprünglichen Kapitals nach einem Jahr erhalten könnte.
Hätte die Bank ursprünglich nur für ein Jahr angelegt, so müßte sie sich nun mit 7%
Zins zufriedengeben.
Der erzielte Erfolg aus der zweijährigen Anlage anstelle der einjährigen Anlage beträgt barwertig am Ende des ersten Jahres:
1 000
1,07
= 934,58 DM
Genau diese Summe müßte nach einem Jahr zusätzlich zur Verfügung stehen, damit
im zweiten Jahr bei nun 7% Verzinsung ebenfalls 8 000 DM an Zinsen erwirtschaftet
werden können.
Da der Erfolg in Höhe von 934,54 DM durch die Entscheidung im ersten Jahr verursacht wurde, ist er dem ersten Jahr in einer Ergebnisrechnung zuzuordnen.
Die barwertige Ergebnisrechnung macht gleichzeitig klar, daß im zweiten Jahr nicht
mehr 8 %, sondern nur noch 7% Verzinsung auf das nun zur Verfügung stehende Kapital erzielt werden können. Wird nämlich der Erfolg des ersten Jahres zum Kapital
hinzugefügt, so entspricht der Erfolg des zweiten Jahres genau 7% Verzinsung auf das
Kapital am Ende des ersten Jahres:
7 065,42
100 934,58
= 1,07
Die herkömmliche Zinsüberschußrechnung kennt hingegen keine Opportunitäten. Um identische Aussagen wie bei der Barwertberechnung zu gewinnen, müßten
Warum überhaupt Cash-flow und Barwerte?
47
Simulationsrechnungen durchgeführt werden, die aufzeigen, welcher Zinsüberschuß
bei einer anderen Anlagepolitik möglich gewesen wäre. Diese Berechnungen sind zwar
theoretisch möglich, sie werden aber in der Praxis aufgrund des unverhältnismäßig
hohen Aufwandes in aller Regel nicht durchgeführt. In der barwertigen Darstellung ist
diese Sichtweise der Standard.
2. Vorteil: Preise für Tauschoperationen
Angenommen, die Bank rechnet in obigem Beispiel am Ende des Jahres 1 damit, daß
der derzeitige Interbankenzins in Höhe von 7% nach einem weiteren Jahr (am Ende
des zweiten Jahres ab Anlagebeginn) auf 6 % absinkt.
Die derzeitige Restlaufzeit des Papiers von einem Jahr ist nun ungünstig, da in
einem weiteren Jahr das fällige Kapital nur noch zu 6 % angelegt werden kann.
Die Bank möchte in ein Wertpapier mit längerer Laufzeit tauschen, das den derzeitigen Zins von 7% für die längere Frist absichert.
Der Kurs von 100 934,58 DM gibt genau an, zu welchem Preis der Tausch möglich
ist.
Die Kursbildung entspricht also exakt der Information, zu welchen Preisen
Tauschoperationen beliebiger Art durchgeführt werden können. Die Kenntnis des
Tauschpreises ist aber für eine Beurteilung des Tausches unumgänglich.
Das oben gezeigte Opportunitätsdenken entspricht somit dem Denken in Tauschpreisen.
Die herkömmliche Ergebnisrechnung zeigt die Tauschpreise nur dann, wenn der
Tausch de facto durchgeführt wird bzw. für ein Wertpapier Abschreibungsbedarf besteht. Zur Beurteilung von Entscheidungen werden aber generell objektive Maßstäbe
benötigt. Diese objektiven Maßstäbe sind ohne die jeweiligen Tauschpreise nicht
ableitbar. Entsprechen die Tauschpreise darüber hinaus nicht den Marktpreisen/Barwerten, so sind Manipulationen möglich.
Die barwertige Betrachtung informiert permanent über die marktgerechten
Tauschpreise und regt damit zur aktiven Beobachtung der eigenen Vermögensanlage
an, während die traditionelle Ergebnisrechnung die Initiative des Entscheidungsträgers erfordert.
3. Vorteil: klare Entscheidungsregeln, reale Rendite, Performance
Die Ergebnisrechnung in einer Bank darf sich nicht darauf beschränken, nur Vergangenheitswerte festzustellen. Diese können ohnehin nicht mehr korrigiert werden, man
kann nur aus ihnen für zukünftige Entscheidungen lernen.
Entscheidend für Erfolg oder Mißerfolg ist es, richtige zukunftsorientierte Entscheidungen zu treffen.
Im Beispiel muß sich die Bank im Startjahr Null überlegen, für welche Frist sie die
Summe in Höhe von 100 000 DM anlegen möchte. Modellhaft sollen nur die Fristen
1 Jahr und 2 Jahre zur Verfügung stehen.
48
Wertorientierte Steuerung des Zinsänderungsrisikos
Abweichend von der bisherigen Prämisse einer flachen Zinsstruktur wird für ein
Beispiel unterstellt, daß für ein Jahr Laufzeit die Rendite 8,95 % beträgt, für zwei Jahre
8 %. Die Zinsprognose lautet auf 7% Zins am Ende des Jahres 1 für ein weiteres Jahr
Anlagefrist.
Die Bank kann also bei Eintreffen der Zinsprognose
(a) 100 000 DM für zwei Jahre zu 8 % anlegen
oder
(b) 100 000 DM zunächst zu 8,95 % für ein Jahr und anschließend zu 7% für ein weiteres Jahr.
Welche Alternative besser ist, kann mit folgenden Berechnungen überprüft werden:
Alternative (a):
Der Verkaufspreis für das Papier beträgt nach einem Jahr 100 934,58 DM (siehe Berechnungen oben). Inklusive der geflossenen Zinsen stehen 108 934,58 DM zur Wiederanlage für ein weiteres Jahr zur Verfügung. Die Wiederanlage kann zu 7% erfolgen.
Am Ende des zweiten Jahres beträgt das Vermögen somit 108 934,58 DM 1,07 =
116 560,00 DM.
Der gleiche Endwert wird erzielt, wenn das Papier beibehalten wird und nur der geflossene Zins zu 7% wieder angelegt wird: 8 000 1,07 + 108 000 = 116 560,00 DM.
Alternative (b):
Nach einem Jahr fließen aus der Anlage 108 950,00 DM zurück. Diese können zu 7%
für ein weiteres Jahr angelegt werden. Am Ende des zweiten Jahres beträgt das Vermögen somit 116 576,50 DM.
Die Alternative (b) ist also günstiger.
Das Beispiel hat zugleich gezeigt, daß traditionelle Durchschnittskalkulationen zu
Fehlschlüssen führen; danach wäre die Alternative (b) ungünstiger gewesen, da ihr
Durchschnittszins von 8,95 % und 7% mit 7,975 % unter dem Zins von (a) mit 8 %
liegt.
Maßgeblich für die Vorziehenswürdigkeit der Alternative (b) ist, daß bei dieser Alternative der Tauschpreis nach einem Jahr mit 108 950,00 DM höher ist als der
Tauschpreis der Alternative (a) mit 108 934,58 DM. Danach steht bei beiden Alternativen der gleiche Wiederanlagezins zur Verfügung. Entscheidend ist also das zum
Tauschzeitpunkt erzielte Vermögen.
Warum überhaupt Cash-flow und Barwerte?
49
Schlußfolgerung:
Die Zielgröße
»Periodenerfolg = Zufluß in der Periode + Vermögensveränderung«
bzw. allgemeiner
»Ergebnis = Kassenfluß + Vermögensveränderung«
muß für einen bestimmten Planungshorizont simulativ geplant werden.
Die Ermittlung der Vermögensveränderung bedeutet hierbei die Ermittlung des Barwertes des ausstehenden Cash-flow am Betrachtungszeitpunkt.
Der Periodenerfolg für die erste Periode (Jahr 1) ist bei Alternative (a) 8 934,58 DM.
Bei Alternative (b) beträgt der Periodenerfolg 8 950,00 DM. Als Prozentzahl ausgedrückt sind dies – bezogen auf das Startkapital in Höhe von 100 000,00 DM – bei Alternative (a) 8,93458 % und bei Alternative (b) 8,950 %.
Die Fachbezeichnung für den wie oben definierten Periodenerfolg lautet »reale
Rendite« bzw. »Performance«.
Mit entsprechenden Rechenmodellen kann die reale Rendite ermittelt werden. Hierbei wird der Zins am Planungshorizont (hier 7%) simulativ variiert, damit die Auswirkung einer Fehlprognose der Zinsen bzw. das eingegangene Zinsänderungsrisiko
sichtbar wird.
In der herkömmlichen Rechnungslegung wird die Vermögensveränderung nicht
oder nur unzureichend erfaßt.1 Deshalb kann die herkömmliche Rechnungslegung
keine adäquaten Steuerungsimpulse liefern.
4. Vorteil: Beurteilung beliebiger, auch offener Positionen
Die Barwertmethodik ermöglicht die Beurteilung
beliebiger Positionen
mit beliebigem Eigenmittelanteil und
beliebigen Fristen.
Hierzu werden gemäß der oben gezeigten Vorgehensweise der Barwert der Aktivseite
und der Barwert der Passivseite getrennt gebildet. Die Differenz dieser Barwerte ist die
zu beurteilende Zielgröße.
Das Ergebnis der getrennten Berechnung der Barwerte der Aktiv- und Passivseite
und anschließender Differenzbildung der Barwerte ist – bis auf Geld/Brief-Differenzen – identisch mit der Barwertbildung des Summenzahlungsstroms. Der Summenzahlungsstrom wird aus der vorzeichengerechten Addition der Zahlungsströme der
Aktiv- und Passivseite gewonnen.
1 Vergleiche hierzu vertiefend die Ausführungen in Kapitel 4.
50
Wertorientierte Steuerung des Zinsänderungsrisikos
Die simulative Betrachtung der Veränderung des Barwertes erlaubt eine adäquate Analyse der Gesamtergebnisschwankung und somit auch des Zinsänderungsrisikos.
In Kapitel 3 wird gezeigt, wie auf Basis des Summenzahlungsstroms (Cash-flow) einer Bank das Zinsänderungsrisiko ermittelt und gesteuert werden kann.
Das folgende einfache Beispiel dient zur vorläufigen Verdeutlichung der Vorgehensweise bei beliebigen Positionen:
Eine soeben mit einem Kapital von 100 000 DM gegründete Bank geht im Zeitpunkt 0 folgende Positionen ein:
Anlage von 200 000 DM für zwei Jahre zu 8 % am Interbankenmarkt,
Refinanzierung von 100 000 DM für ein Jahr zu 8,95 %.
Die aktuellen Interbankenzinsen betragen für zwei Jahre 8 %, für ein Jahr 8,95 %. Die
getätigten Geschäfte sind also margenfrei.
Die Bank prognostiziert nach einem Jahr für ein Jahr Restlaufzeit einen Interbankenzins von 7%.
Wie oben gezeigt, beträgt der Tauschpreis für die zweijährige Anlage nach einem
Jahr bei Eintreffen der Zinsprognose 2 108 934,58 = 217869,16 DM.
Für die Refinanzierung sind nach einem Jahr 108 950,00 DM zurückzuzahlen.
Der Barwert der Bank beträgt dementsprechend nach einem Jahr 217869,16 –
108 950,00 = 108 919,16 DM. Dies entspricht einer Performance (realen Rendite) von
8,91916 %.
Der Wert der Bank nach einem Jahr kann auch durch Bewertung des Summenzahlungsstroms, der nach einem Jahr noch aussteht, gewonnen werden (s. Tab.
1.3):
Tabelle 1.3
Aktiv-Cash
Jahr
Passiv-Cash
Summen-Cash
bereits geflossen
0
1
+ 16 000,00
– 108 950,00
– 92 950,00
+ 216 000,00
0,00
+ 216 000,00
Die Bewertung des Summen-Cash-flow ergibt als Barwert:
– 92 950,00 +
216 000,00
1,07
= 108 919,16 DM
Dieser Barwert stimmt mit dem Ergebnis der obigen Berechnung überein.
Bei der gegebenen Zinsprognose wäre es also vernünftiger, das Eigenkapital ohne
Fristentransformation und Leverageeffekt für ein Jahr zu 8,95 % anzulegen.
Warum überhaupt Cash-flow und Barwerte?
51
Durch analoge Berechnungen mit anderen Zinsprognosen kann ermittelt werden,
bei welchen Zinsszenarien am Planungshorizont die eingegangene Fristentransformation lohnend ist und wie hoch das eingegangene Risiko ist.
1.3
Realisierbarkeit des Barwertes als Kassenzufluß
bzw. der Barwertveränderung als Ergebnis
Häufig wird die These vertreten, der Barwert bzw. die Barwertveränderung sei »nur«
eine rechnerische Größe. Dies ist unzutreffend:
Der Barwert entspricht dem Vermögenswert der Bank in zinstragenden Geschäften, der jederzeit als Kassenzufluß realisiert werden kann.
Der Barwertzuwachs kann ebenso von Periode zu Periode als Gewinn realisiert
werden.
Hierzu stehen folgende Möglichkeiten zur Verfügung:
Der Verkauf der handelbaren Positionen am Markt.
Die strukturkongruente Refinanzierung bzw. Anlage der Positionen mit Gegengeschäften.
Die Realisierung des Barwerts bedeutet allerdings, daß der Barwert als »Geld« in der
Kasse liegt. Sofern das Vermögen nicht zinslos gehalten werden soll, muß eine Neuanlage des Kassenbestandes erfolgen. Erfolgt die Neuanlage exakt in den Geschäften, die
vor Realisierung des Barwertes vorhanden waren, hat sich – bis auf Geld/Brief-Differenzen – nichts verändert.
Daraus folgt:
Die Nichtrealisierung des Barwertes bzw. der Verzicht auf Veränderung der Fristigkeitsstruktur entspricht der Anlage des Vermögens in den bereits getätigten
Geschäften.
»Nichts tun« ist also die bewußte Entscheidung für die Anlage des Vermögens der
Bank in den Zahlungsströmen der bereits getätigten Geschäfte.
In Fortsetzung des Beispiels aus 1.2 wird die Realisierbarkeit des Barwertes gezeigt.
Vereinfachend wird von Geld/Brief-Differenzen abstrahiert.
Barwert im Jahr 0
Die Bank hat im Jahr 0 ein Gründungskapital in Höhe von 100 000 DM. Es werden die
beiden Geschäfte »Anlage 200 000 DM für 2 Jahre zu 8 %«, »Refinanzierung 100 000
DM für 1 Jahr zu 8,95 %« getätigt.
52
Wertorientierte Steuerung des Zinsänderungsrisikos
Verkauf der Positionen am Markt
Es ist unmittelbar einsichtig, daß durch den Verkauf der beiden Geschäfte bei noch
unveränderten Zinsen und ohne Geld/Brief-Differenz die ursprünglichen 100 000 DM
wieder realisiert werden.
Refinanzierung der Positionen am Markt
Zur Refinanzierung der beiden Geschäfte werden die beiden Gegengeschäfte »Refinanzierung 200 000 DM für 2 Jahre zu 8 %«, »Anlage 100 000 DM für 1 Jahr zu
8,95 %« getätigt. Hierdurch sind die ursprünglichen 100 000 DM wieder in der Kasse
verfügbar. In den zukünftigen Zeitpunkten gleichen sich die Cash-flow der Aktiv- und
Passivseiten (inklusive der Gegengeschäfte) jeweils aus.
Das ursprüngliche Gründungskapital kann natürlich auch dadurch wieder realisiert
werden, daß eine der beiden Positionen verkauft, die andere refinanziert wird.
Barwert im Jahr 1
In Jahr 1 ist die Refinanzierung zu 8,95 % fällig. Dadurch liegt ein Kassenabfluß in
Höhe von 108 950 DM vor. Diese Position ist somit bereits als Barwert gegeben.
Verkauf der Positionen am Markt
Die Anlage zu 8 % besitzt noch ein Jahr Restlaufzeit. Da das derzeitige Zinsniveau für
ein Jahr Restlaufzeit annahmegemäß 7 % beträgt, ist der Kurs des Papiers inklusive geflossener Zinsen 217869,16 DM (Berechnung siehe oben).
Der Kassensaldo beträgt also 217869,16 – 108 950,00 = 108 919,16 DM. Der Barwert ist realisiert.
Refinanzierung der Positionen am Markt
Als Gegengeschäft für die vorhandene Anlage zu 8 % mit einem Jahr Restlaufzeit wird
eine einjährige Refinanzierung zu 7% abgeschlossen. Hierzu wird ein Refinanzierungsvolumen in Höhe von 201869,16 DM gewählt.
Die Rückzahlung aus der Refinanzierung beträgt 201869,16 DM 1,07 =
216 000,00 DM. Dieser Betrag deckt sich mit dem Rückfluß aus der verbleibenden
8 %-Anlage, so daß der Zahlungsstrom in den zukünftigen Zeitpunkten ausgeglichen
ist.
Der Kassenstand beträgt nach der Refinanzierung:
16 000,00 (soeben geflossene Zinsen) + 201869,16 (Refinanzierung) – 108 950,00
(Rückzahlung Passiva) = 108 919,16 DM. Der Barwert ist realisiert.
Warum überhaupt Cash-flow und Barwerte?
1.4
53
Endwertbetrachtung, Planungshorizont und Zinsprognose
Die Zielgröße »Ergebnis = Kassenfluß + Vermögensveränderung« erfordert für
ihre Berechnung einen Planungshorizont, an dem das Vermögen als Barwert am
Planungshorizont (Endwert1) ermittelt wird.
Dieses Vermögen am Planungshorizont kann dann mit dem aktuellen Vermögen
(Barwert am Planungszeitpunkt) verglichen werden. Mit Hilfe von Simulationsrechnungen
unter verschiedenen Zinsprognosen und
unter verschiedenen, den Summenzahlungsstrom verändernden Maßnahmen
wird die Zielgröße »Ergebnis« bzw. Performance (Ergebnis/aktueller Vermögenswert)
je Simulationslauf bestimmt. Hieraus kann unter Risiko-/Ertragsüberlegungen abgeleitet werden, ob Maßnahmen durchgeführt werden sollen oder ob die derzeitige
Struktur des Zahlungsstromes unverändert beibehalten wird.
»Planungshorizont« bedeutet also keineswegs, daß die Zahlungsströme nur bis
zum Planungshorizont ermittelt werden. Die Zahlungsströme werden in jedem
Fall bis zum Ende der wirtschaftlichen Lebensdauer der bestehenden Produkte bzw. bis zum Ablauf der für das Zinsänderungsrisiko maßgeblichen Zeit
(Zinsbindung) bestimmt. Die ausstehenden Zahlungsströme werden am Planungshorizont, der in aller Regel zeitlich vor dem Ende der letzten Zahlungsflüsse liegt, barwertig bewertet. Es ergibt sich der »Endwert« am Planungshorizont.
Kriterien für die Wahl eines geeigneten Planungshorizonts:
Bis zum Planungshorizont muß eine angemessene (relativ »genaue«) Zinsprognose möglich sein. Benötigt werden eine Zinsprognose im Verlauf bis zum Planungshorizont sowie die prognostizierte Zinsstruktur am Planungshorizont.
Die Zinsprognose im Verlauf bis zum Planungshorizont ist notwendig, um Kenntnis über die mögliche Wiederanlage von Cash-flow zu besitzen, die bis zum Planungshorizont fließen. Die Zinsprognose für den Zeitpunkt »Planungshorizont« ist
nötig, um den Barwert der Zahlungen, die nach dem Planungshorizont fließen, berechnen zu können.
Eine Prognose von Zinsen für Zeitpunkte, die nach dem Planungshorizont liegen, ist nicht notwendig. Die Bewertung der Cash-flow am Planungshorizont
1 Für Spezialisten: Dieser Wert entspricht in der klassischen Investitionsrechnung dem Kapitalendwert
oder dem Kapitalwert einer Investition zum Zeitpunkt des Planungshorizonts.
54
Wertorientierte Steuerung des Zinsänderungsrisikos
garantiert, daß in einen beliebigen anderen Zahlungsstrom getauscht werden kann
(Barwert als Tauschpreis).
Dies ist einer der entscheidenden Vorteile des modernen Steuerungskonzepts.
Spätestens zum Zeitpunkt des Planungshorizonts muß aktives Umschichten wirtschaftlich sinnvoll und gewollt sein. Die Bank muß bereit sein, mit jeder Neubewertung die Positionen der Bank aktiv zu verändern oder, anders ausgedrückt, den
Summenzahlungsstrom bzw. die Cash-flow der Bank neu auszurichten. Eine Bewertung ist nur sinnvoll, wenn Entscheidungen aus der Bewertung gezogen werden.
Entscheidungen bringen aber in der Regel Veränderungen in der Cash-flow-Struktur der Bank mit sich.
Wird die Cash-flow-Struktur nicht verändert, bedeutet dies, daß sich das Institut
genau für die gleiche Cash-flow-Struktur wieder entscheiden würde (unter Berücksichtigung von Umschichtungskosten aus Geld/Brief-Differenzen).
Abbildung 1.9 Nachteile traditioneller Bilanzstruktursteuerung
über Kundengeschäfte
Margen-Absatz-Wirkung
optimale Marge
Marge Einzelgeschäft
absatzfördernde Margenzugeständnisse:
– i. A. Ertragsreduktion
– Steigerung der Kundenzufriedenheit
fraglich
– erhoffte Wirkung meist mit
Verzögerung (zu spät?)
Gesamtertrag
Absatz
Die Neuausrichtung des Cash-flow der Bank kann nur teilweise durch das Kundengeschäft erfolgen, da Kundengeschäft nicht sofort in ausreichend hohem Umfang
zur Verfügung steht. Zudem besteht die Gefahr, dem Kunden Zinsbindungen und
Geschäfte aufzudrängen, die zwar die Bank, aber nicht der Kunde will. Dies wäre
mit Margeneinbußen und/oder unzureichender Kundenorientierung verbunden (vgl. Abb. 1.9).
Ein aktives Depot-A-Management, die Zusammenarbeit mit der Landesbank (Refinanzierungen, Anlagen) und der Einsatz von Finanzinnovationen können alle gewünschten Maßnahmen ohne Zeitverzug in ausreichender Höhe sicherstellen. Die
aktive »Beratung« der Kunden in von der Bank angestrebte Fristigkeiten ist nicht
Warum überhaupt Cash-flow und Barwerte?
55
mehr nötig. Die Kunden können endlich entsprechend der Zinseinschätzung der
Bank beraten werden. Konkrete »Fristigkeitsanforderungen« des Bilanzstrukturmanagements an die Kundenberater gehören somit der Vergangenheit an.1
Der Planungshorizont muß lang genug sein, daß Geld/Brief-Differenzen gegenüber
potentiellen Marktschwankungen eine untergeordnete Rolle spielen. Die bei Umschichtung anfallenden Geld/Brief-Differenzen sind nicht vermeidbar. Eine Umschichtung ist somit nur sinnvoll, wenn die anfallende Geld/Brief-Differenz durch
Zinsänderungen am Markt im Zeitablauf übertroffen wird.
Je höher also die Geld/Brief-Differenzen ausfallen, um so länger muß der Planungshorizont gewählt werden.
Konsequenzen für den Planungshorizont in Sparkassen
Im allgemeinen dürften Zinsprognosen mit einer Frist von mehr als einem Jahr zu ungenau und kaum aussagefähig sein. Somit sind Planungshorizonte, die deutlich länger
als ein Jahr sind, ungeeignet.2
Andererseits ist eine permanente Umschichtung des Summen-Cash-flow einer
Sparkasse weder organisatorisch machbar noch wegen der anfallenden Geld/BriefDifferenzen lohnend. Der kürzeste Zeitraum für eine grundlegende Umstrukturierung des Cash-flow einer Sparkasse dürfte drei Monate somit nicht unterschreiten.
In Handelsabteilungen der Sparkasse wird in der Regel mit kürzeren Zinsprognosen bis herab zu einem Tag gearbeitet. Es sollen auch kurzfristige Zinsschwankungen
genutzt werden. Soweit die im Handel anfallenden Geld/Brief-Differenzen kleiner
sind als bei der Gesamtbank (unterschiedliche Produktnutzung), sind im Handel
solch kurze Planungshorizonte sinnvoll.
Eine Zinsprognose für Fristen, die deutlich länger als ein Jahr sind, ist für die Entscheidungsfindung in Sparkassen nicht notwendig.
Im Gegensatz hierzu erfordert eine Steuerung der Bank auf der Basis von Zinsüberschüssen eine langfristige mehrjährige Zinsprognose, da der Zinsüberschuß
nur dann eine geeignete Planungsgröße ist, wenn er letztlich für die gesamte
Zinsbindungsdauer der in der Bank vorhandenen Geschäfte betrachtet wird.
In der Praxis werden Sparkassen bei der strategischen Globalplanung einen Planungshorizont von drei Monaten bis zu einem Jahr wählen. Handelsabteilungen
arbeiten mit Zinsprognosen von einem Tag bis zu etwa drei Monaten.
1 Vgl. auch die Ausführungen zu »Margen aus Neugeschäft« in Abschnitt 3.4.2 und »Neugeschäftsplanung
notwendig?« in Abschnitt 4.1.5.
2 Wenn etwa ab Oktober des laufenden Jahres die Ergebnisplanung für das folgende Kalenderjahr beginnt,
erweist sich auch eine Zinsprognose bis zum 31.12. des Folgejahres als sinnvoll.
56
1.5
Wertorientierte Steuerung des Zinsänderungsrisikos
Unterschiede zur herkömmlichen Vorgehensweise
Die Zielgröße bei barwertorientierter Betrachtung lautet:
Ergebnis = Kassenfluß + Vermögensveränderung
Wird hierbei der Kassenzufluß/Kassenabfluß in neuen Geschäften investiert, die in die
Bewertung am Planungshorizont einfließen, reduziert sich die barwertige Zielgröße
auf:
Ergebnis = Vermögensveränderung
In der traditionellen Ergebnisrechnung wird
der Kassenzufluß durch die abgegrenzten Zinsen zuzüglich des abgegrenzten Disagios (und sonstiger, eventuell abgegrenzter Gebühren) repräsentiert.
Die Vermögensveränderung wird nur in besonderen Fällen als »außerordentliches
Ergebnis« erfaßt.
Die folgende Einzeldiskussion zeigt, daß es hierbei zu erheblichen Abweichungen im
ausgewiesenen Ergebnis kommen kann.
Kassenzufluß versus abgegrenzte Zinsen und abgegrenztes Disagio
Der Kassenzufluß kann sich von den abgegrenzten Zinsen (inkl. abgegrenzten Disagien) vollständig unterscheiden, da die Existenz von Zinsen nichts über die zahlungswirksame Fälligkeit der Zinsen aussagt.
Beispiele hierfür sind der Zerobond bzw. abgezinste Sparbrief (die Zinsen werden
erst am Ende der Laufzeit zur Zahlung fällig) oder vorfällig zu zahlende Zinsen (die
Zinsen werden bereits am Beginn einer Periode für die Periode oder mehrere nachfolgende Perioden fällig).
Aber auch in den Fällen, in denen die Zinsen je Periode zur Zahlung fällig sind,
kann es durch die Disagioabgrenzung (Disagio als Zinsbestandteil) zu Abweichungen
kommen.
Sonderproblem Disagioabgrenzung
Zur tieferen Durchdringung dieses Problems wird auf das Beispiel aus Abschnitt 1.1.1
zurückgegriffen. Dort wurden zwei Darlehen vorgestellt, die trotz unterschiedlicher
Nominalkonditionen den gleichen Zahlungsstrom aufweisen. Hieraus wurde gefordert, daß die Darstellung in der Ergebnisrechnung ebenfalls identisch sein muß. Insbesondere muß also der in der Ergebnisrechnung ausgewiesene Zinsertrag (abgegrenzter Zins + abgegrenztes Disagio) in jeder Periode gleich sein.
Hierzu lassen sich folgende Ergebnisse zeigen:
In Totalsumme stimmen die Ergebnisse überein.
Das Ausmaß der Übereinstimmung je Einzelperiode hängt von der Art der Disagioabgrenzung ab. Bei der derzeit üblichen Methode der »nominalzinsproportionalen« Disagioabgrenzung kommt es zu leichten Verschiebungen im Ergebnisausweis.
Warum überhaupt Cash-flow und Barwerte?
57
Nur die »effektivzinskonstante« Disagioabgrenzung liefert identische Ergebnisse,
da die Abgrenzung hier nach den im Vergleichskonto ausgewiesenen Effektivzinsen
erfolgt. Die Effektivzinsen werden ihrerseits aus dem Zahlungsstrom gewonnen.
Die effektivzinskonstante Disagioabgrenzung entspricht somit der reinen Betrachtung von Cash-flow.
Die Tabelle 1.4 zeigt die Ergebnisse für die obigen Beispieldarlehen:
Nominalzinsproportionale Disagioabgrenzung
Bei der nominalzinsproportionalen Disagioabgrenzung wird das Disagio im gleichen
Verhältnis wie die Zinsen abgegrenzt. Zum Beispiel berechnet sich die Disagioabgrenzung für Darlehen 2 per 30.3.96 gemäß:
632,19 = 11 111,11 1399,17
24 591,38
Tabelle 1.4
Darlehen 1
Von Datum
bis Datum
30.12.1995
30.03.1996
30.06.1996
30.09.1996
30.12.1996
30.03.1997
30.06.1997
30.09.1997
30.12.1997
30.03.1998
30.06.1998
30.09.1998
30.12.1998
30.03.1999
30.06.1999
30.09.1999
30.12.1999
30.03.2000
30.06.2000
30.09.2000
30.12.2000
30.12.2000
Summe
Zins
abgegrenzt
0,00
2 000,00
1 980,00
1 959,60
1 938,79
1 917,57
1 895,92
1 873,84
1 851,31
1 828,34
1 804,91
1 781,01
1 756,63
1 731,76
1 706,39
1 680,52
1 654,13
1 627,21
1 599,76
1 571,75
1 543,19
0,00
35 702,63
Disagio
abgegrenzt
Darlehen 2
Gesamtertrag
0,00
0,00
0,00 2 000,00
0,00 1 980,00
0,00 1 959,60
0,00 1 938,79
0,00 1 917,57
0,00 1 895,92
0,00 1 873,84
0,00 1 851,31
0,00 1 828,34
0,00 1 804,91
0,00 1 781,01
0,00 1 756,63
0,00 1 731,76
0,00 1 706,39
0,00 1 680,52
0,00 1 654,13
0,00 1 627,21
0,00 1 599,76
0,00 1 571,75
0,00 1 543,19
0,00
0,00
0,00 35 702,63
Zins
Disagio
abgegrenzt abgegrenzt
0,00
1 399,17
1 399,17
1 399,16
1 399,17
1 318,53
1 318,53
1 318,54
1 318,53
1 233,84
1 233,84
1 233,83
1 233,84
1 144,87
1 144,88
1 144,87
1 144,88
1 051,43
1 051,43
1 051,44
1 051,43
0,00
24 591,38
Gesamtertrag
Ertragsdifferenz
0,00
0,00
632,19 2 031,36
632,19 2 031,36
632,18 2 031,34
632,19 2 031,36
595,75 1 914,28
595,75 1 914,28
595,76 1 914,30
595,75 1 914,28
557,49 1 791,33
557,49 1 791,33
557,48 1 791,31
557,49 1 791,33
517,29 1 662,16
517,29 1 662,17
517,29 1 662,16
517,29 1 662,17
475,07 1 526,50
475,07 1 526,50
475,07 1 526,51
475,07 1 526,50
0,00
0,00
11 111,11 35 702,49
0,00
–31,36
–51,36
–71,74
–92,57
3,29
–18,36
–40,46
–62,97
37,01
13,58
–10,30
–34,70
69,60
44,22
18,36
–8,04
100,71
73,26
45,24
16,69
0,00
0,14
58
Wertorientierte Steuerung des Zinsänderungsrisikos
Effektivzinskonstante Disagioabgrenzung
Zur effektivzinskonstanten Disagioabgrenzung muß zunächst das Vergleichskonto gebildet werden. Das Vergleichskonto ist für beide Darlehen identisch, da sie den gleichen Zahlungsstrom und somit auch den gleichen Effektivzins besitzen (s. Abb. 1.10).
Abbildung 1.10 Effektivzins AIBD: 8,2432%
Die Disagioabgrenzung wird nun so gebildet, daß die Zinsen laut Vergleichskonto sich
als Summe der Disagioabgrenzung und der Nominalzinsen ergeben. Zum Beispiel berechnet sich die Disagioabgrenzung für Darlehen 2 per 30.3.96 gemäß:
600,83 = 2 000,00 – 1399,17
Für Darlehen 1 stimmen die Zinsen laut Vergleichskonto und laut nominaler Berechnung überein, so daß keine Disagioabgrenzung nötig ist (s. Tab. 1.5).
Warum überhaupt Cash-flow und Barwerte?
59
Tabelle 1.5
Darlehen 1
Von Datum
bis Datum
Zins
abgegrenzt
30.12.1995
30.03.1996
30.06.1996
30.09.1996
30.12.1996
30.03.1997
30.06.1997
30.09.1997
30.12.1997
30.03.1998
30.06.1998
30.09.1998
30.12.1998
30.03.1999
30.06.1999
30.09.1999
30.12.1999
30.03.2000
30.06.2000
30.09.2000
30.12.2000
30.12.2000
Summe
0,00
2 000,00
1 980,00
1 959,60
1 938,79
1 917,57
1 895,92
1 873,84
1 851,31
1 828,34
1 804,91
1 781,01
1 756,63
1 731,76
1 706,39
1 680,52
1 654,13
1 627,21
1 599,76
1 571,75
1 543,19
0,00
35 702,63
Disagio
Darlehen 2
Gesamtertrag
Zins
abgegrenzt
0,00
0,00
0,00 2 000,00
0,00 1 980,00
0,00 1 959,60
0,00 1 938,79
0,00 1 917,57
0,00 1 895,92
0,00 1 873,84
0,00 1 851,31
0,00 1 828,34
0,00 1 804,91
0,00 1 781,01
0,00 1 756,63
0,00 1 731,76
0,00 1 706,39
0,00 1 680,52
0,00 1 654,13
0,00 1 627,21
0,00 1 599,76
0,00 1 571,75
0,00 1 543,19
0,00
0,00
0,00 35 702,63
0,00
1 399,17
1 399,17
1 399,16
1 399,17
1 318,53
1 318,53
1 318,54
1 318,53
1 233,84
1 233,84
1 233,83
1 233,84
1 144,87
1 144,88
1 144,87
1 144,88
1 051,43
1 051,43
1 051,44
1 051,43
0,00
24 591,38
Disagio
Gesamtertrag
Ertragsdifferenz
0,00
0,00
600,83 2 000,00
580,83 1 980,00
560,44 1 959,60
539,62 1 938,79
599,04 1 917,57
577,39 1 895,92
555,30 1 873,84
532,78 1 851,31
594,50 1 828,34
571,07 1 804,91
547,18 1 781,01
522,79 1 756,63
586,89 1 731,76
561,51 1 706,39
535,65 1 680,52
509,25 1 654,13
575,78 1 627,21
548,33 1 599,76
520,31 1 571,75
491,76 1 543,19
0,00
0,00
11 111,25 35 702,63
0,00
0,00
0,00
0,00
0,00
0,00
0,00
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Vermögensveränderung versus »außerordentliches Ergebnis«
Die Vermögensveränderung wird in der handelsrechtlichen Ergebnisrechnung ergebniswirksam registriert, wenn
die Position im Umlaufvermögen gehalten wird und gegenüber dem bisher erreichten Mindestwert eine weitere Wertminderung vorliegt,
Zuschreibungen bei Zerobonds bzw. abgezinsten Verbindlichkeiten vorzunehmen
sind
oder
wenn die Position aufgelöst wird.
Insbesondere werden alle Geschäfte im Anlagevermögen, die nicht wie Umlaufvermögen bewertet werden, nur zu Anschaffungswerten bewertet. Hier ist auch das strenge
Niederstwertprinzip des Umlaufvermögens nicht mehr maßgebend.
60
Wertorientierte Steuerung des Zinsänderungsrisikos
Folglich wird auch der Auf- oder Abbau von stillen Reserven nicht erfaßt. In diesem
Zusammenhang sei an die großen Wahlfreiheiten, Geschäfte im Anlage- oder Umlaufvermögen zu führen, nur erinnert.
Damit wird nur ein geringer Anteil der Positionen einer barwertigen Bewertung
unterzogen.
Relationen zwischen den Ergebnisrechnungen
Der betriebswirtschaftliche Wert (Vermögenswert, Barwert) der Zinsgeschäfte einer
Bank kann somit kleiner oder größer sein als ihr bilanzieller Wert. In der Praxis führt
das in der Bewertung inhärente »Vorsichtsprinzip« oder »Niederstwertprinzip« in der
Regel zur Bildung von z.T. erheblichen stillen Reserven, so daß im Normalfall das Vermögen der Bank aus Zinsgeschäften bei marktorientierter Bewertung sämtlicher Positionen deutlich über dem bilanziell ausgewiesenen Wert liegt.
Da die stillen Reserven jederzeit ganz oder teilweise realisierbar sind, bilden sie
einen Puffer zur Verstetigung des traditionellen Ergebnisses. Dies ist für die Außendarstellung auch gewünscht. Das Ergebnis nach Performancerechnung wird um den
bilanziell ausgewiesenen Wert schwanken und spiegelt den wirklichen betriebswirtschaftlichen Erfolg der vergangenen Periode wider.
Die Banken achten in der Regel darauf, daß die Reserven im Lauf der Zeit angemessen zunehmen. Deshalb liegt auf lange Sicht der Mittelwert der bilanziellen Ergebnisse unter dem Mittelwert laut Performancerechnung.
Eine genaue Analyse der Relationen zwischen den Ergebnissen und der in bestimmten Situationen zu erwartenden Ergebnisabweichungen wird in Kapitel 4, insbesondere Abschnitt 4.1 vorgenommen.
2
Wie werden Cash-flow ermittelt – sogar für das variable Geschäft?
In diesem Kapitel wird gezeigt, wie Cash-flow für alle Zinsgeschäfte der Bank – insbesondere auch für variable Geschäfte – ermittelt werden können. Ausgehend vom
Cash-flow der Einzelgeschäfte kann dann der Summenzahlungsstrom für die Gesamtbank ermittelt werden. Ein Beispiel für eine fiktive Sparkasse schließt das Kapitel ab.
2.1
Cash-flow des Festzinsgeschäfts und Summenzahlungsstrom
Cash-flow je Einzelgeschäft
Für jedes Festzinsgeschäft ist der zugehörige Cash-flow bis zum Ende der Zinsbindung aus seinen nominalen Daten ableitbar.1 Eine eventuelle spätere Prolongation zu
dann marktgerechten Konditionen beeinflußt das aktuelle Zinsänderungsrisiko der
Sparkasse nicht und muß daher unberücksichtigt bleiben.
1 Vergleiche die in Abschnitt 1.1.1 beispielhaft gezeigte Vorgehensweise.
Wie werden Cash-flow ermittelt?
61
Die jeweiligen Zahlungsströme der Festzinsgeschäfte der Aktiv- und Passivseite
können einzeln gespeichert und schließlich aufsummiert werden. Das Ergebnis ist der
Summenzahlungsstrom aller Festzinsgeschäfte, wobei die Aktiv- und Passivseiten bereits vorzeichengerecht summiert sind. Es verbleiben also nur die Überhänge.1
Treten bei Festzinsgeschäften außerplanmäßige Ereignisse (Sondertilgung, Ratenplanänderung, Aufstockung etc.) auf, so muß der Cash-flow der Geschäfte entsprechend abgeändert werden.
Diese Einzelerfassung ist die exakteste Methode, den Summen-Cash-flow zu erzeugen.
Ermittlung mit Hilfe der Zinsbindungsbilanz
Sparkassen erstellen zur Erfüllung aufsichtlicher Anforderungen regelmäßig eine
Zinsbindungsbilanz über die Festzinspositionen. Teilweise werden auch Zinsbindungsbilanzen für interne Zwecke erstellt. Diese Zinsbindungsbilanzen sind im Projekt zur hilfsweisen Ermittlung des Cash-flow der Festzinsgeschäfte genutzt worden.
Die Zinsbindungsbilanz enthält üblicherweise in zeitlicher Gliederung den Stand
des Restkapitals und die hierbei anfallenden prozentualen Zinsen. Die Differenz der
Kapitalstände ist die jeweils anfallende Tilgung. Ferner kann aus Kapitalstand und
prozentualem Zins der Zins in DM näherungsweise berechnet werden. Die Summe
aus Tilgung und Zins ist der gesuchte angenäherte Cash-flow.
Die Brauchbarkeit der Zinsbindungsbilanz für die Gewinnung des Summen-Cashflow hängt davon ab, wie weitgehend die Zinsbindungsbilanz auf exakten Daten beruht. Für die Pilotsparkassen bzw. die am Projekt beteiligten Rechenzentren konnten
keine exakten, aber hinreichend genaue Werte ermittelt werden. Einzelheiten können
dem offenen Anhang (Anhang IV) entnommen werden.
Für die hilfsweise Ermittlung des Zahlungsstroms aus der Zinsbindungsbilanz ist
also deren Qualität entscheidend. Probleme, die hieraus möglicherweise resultieren, haben nichts mit dem vorgestellten Konzept zu tun. Wenn die Zinsbindungsbilanz nicht nutzbar ist, kennen die Institute ihre offenen Positionen auch
bei klassischer Analysetechnik nicht! Generell muß also die Zinsbindungsbilanz
ausreichend aussagefähig sein. Erfahrungsgemäß verfügen Sparkassen nach einigen wenigen »Bereinigungen« über eine ausreichende Informationsbasis.
1 Sofern Cash-flow unterschiedlichen Zinsmärkten zugerechnet werden (z. B. DM/$ bzw. Swap/Bund), so
sind auch differenzierte Summen-Cash-flow sinnvoll (vgl. Abschnitt 5.1).
62
Wertorientierte Steuerung des Zinsänderungsrisikos
Tabelle 2.1 Aktiva
Datum
Restkapital
Zins %
Tilgung
Zins DM
Tilgung + Zins
= Cash
30.12.94
10 000
10,00
30.03.95
9 800
9,50
10 000–9 800
= 200
10 000 * 0,10 / 4
= 250
200 + 250
= 450
30.06.95
9 500
9,50
9 800–9 500
= 300
9 800 * 0,095 / 4
= 232,75
300 + 232,75
= 532,75
30.09.95
9 000
9,00
9 500–9 000
= 500
9 500 * 0,095 / 4
= 225,63
500 + 225,63
= 725, 63
usw.
Die Tabelle 2.1 zeigt für die Aktiv-Zinsbindungen beispielhaft die Vorgehensweise. Die
ersten drei Spalten beinhalten die Informationen der Zinsbindungsbilanz, die weiteren Spalten zeigen den Rechenvorgang. Für die Passivseite wird analog vorgegangen.
Die vorzeichengerechte Summe der Cash-flow der Aktiv- und Passivseite ist der Summenzahlungsstrom der Festzinspositionen.
2.2
Cash-flow von deterministischen Finanzinnovationen
Deterministische Finanzinnovationen werden auf ihre Primärgeschäfte zurückgeführt. Entsprechend wird der Zahlungsstrom gebildet.
Da die Produktvielfalt sehr groß ist, muß jeweils einzelfallbezogen vorgegangen
werden. Solange keine Optionsrechte mit den Finanzinnovationen verbunden sind,
sollte jeweils versucht werden, die Primärgeschäfte zu identifizieren und die entsprechenden Cash-flow zu ermitteln. Beispielhaft werden der Floater, Zinsswap, FRA und
Reverse Floater diskutiert.
2.2.1
Floater
Der Floater wird als Festzinsgeschäft auf die Zeitdauer bis zur nächsten Zinsanpassung
aufgefaßt. Mit der Zinsanpassung fließt das Kapital voll zurück.1 Nach der Zinsanpassung wird nur die vereinbarte Marge bis zum Ende der Laufzeit an den Zinsanpassungsterminen als Cash-flow eingestellt. Dies verdeutlicht Tabelle 2.2.
1 Häufig kalkulieren DV-Anwendungen Floater, indem Cash-flow für alle Zahlungsperioden mit den jeweiligen Forwards errechnet werden. Diese Cash-flow werden dann wieder abgezinst. Diese Vorgehensweise generiert per Definition einen identischen Barwert. Sofern allerdings eine Zinsänderung simuliert
wird, ist bei dieser Methode Vorsicht angebracht: Es ist sicherzustellen, daß zunächst neue Cash-flow kalkulatorisch ermittelt werden, bevor diese dann wieder barwertig bewertet werden können.
Wie werden Cash-flow ermittelt?
63
Beispiel
Aktivgeschäft, Nominalbetrag 100 000 DM, Betrachtungszeitpunkt 30.3.961, Laufzeitende 30.12.1997
Aktueller Nominalzins 6 %, Zinszahlung und Zinsanpassung halbjährlich am 30.6.
und 30.12.
Marge gegenüber FIBOR 0,5 %, Zinsrechnung 30/360 (vereinfachende Annahme)
Tabelle 2.2
Datum
Cash-flow
30. 03. 96
– (Kurswert + Stückzins) Aktueller Kurswert inklusive Stückzins am 30.3. 96
Erläuterung
30. 06. 96
+ 103 000,00
Rückfluß Kapital + Zins für die letzte Periode
30. 12. 96
+
250,00
Marge
30. 06. 97
+
250,00
Marge
30. 12. 97
+
250,00
Marge
2.2.2
Zinsswap
Der »normale« Zinsswap ist eine Kombination eines Festzinsgeschäfts und eines
Floaters, wobei ein Geschäft das andere refinanziert. Der Cash-flow des Zinsswaps ist
entsprechend der Summen-Cash-flow aus einem Floater und einem Festzinsgeschäft
(vgl. Tabelle 2.3).
Beispiel
Nominalbetrag 100 000 DM, Betrachtungszeitpunkt 30.3.96 2, Laufzeitende am
30.12.1997
Bank zahlt »langen« Festzins 12 % (jährlich am 30.12.), erhält »kurzen« Zins
(FIBOR) halbjährlich.
Aktueller FIBOR 6%, Zinszahlung und Zinsanpassung halbjährlich am 30.6. und
30.12.
Zinsrechnung 30/360 (vereinfachende Annahme)
1 Der Betrachtungszeitpunkt liegt bei diesem und den folgenden Beispielen jeweils vor Abschluß des
Geschäftes. Nach Geschäftsabschluß und Abwicklung beträgt der Cash-flow am Betrachtungszeitpunkt
0 DM.
2 Der Betrachtungszeitpunkt liegt unmittelbar vor dem Geschäftsabschluß.
64
Wertorientierte Steuerung des Zinsänderungsrisikos
Tabelle 2.3
Datum
Cash-flow
Erläuterung
30. 03. 96
Kurswert
Aktueller Kurswert (inkl. Stückzinsen) des Swap
(Plus oder Minus)
30. 06. 96
+ 103 000,00
Rückfluß Kapital + Zins für die zurückliegende
Periode Floater
30.12. 96
– 12 000,00
Zinszahlung Festzins
30. 06. 97
0,00
30. 12. 97
– 112 000,00
2.2.3
Zinszahlung Festzins + Tilgung Festzins
Forward Rate Agreement (FRA)
Der FRA ist eine Termingeldanlage auf Termin. Der Cash-flow ist in Tabelle 2.4 dargestellt.
Beispiel
Nominalbetrag 100 000 DM, Betrachtungszeitpunkt 30.3.96
FRA Verkauf zum Zinssatz von 6 %
Laufzeit des FRA vom 30.6.96 bis 30.12.96
Zinsrechnung 30/360 (vereinfachende Annahme)
Tabelle 2.4
Datum
Cash-flow
Erläuterung
30. 03. 96
0
30. 06. 96
– 100 000,00
Termingeldanlage Nominalkapital
30. 12. 96
+ 103 000,00
Rückzahlung des Termingeldes inklusive Zins
2.2.4
Reverse Floater
Der Reverse Floater ist eine Geldanlage zum Festzins, die in doppelter Höhe des Anlagebetrages durchgeführt wird und in einfacher Höhe des Anlagebetrages mit einem
Floater refinanziert wird.1 Der zugehörige Cash-flow ist in Tabelle 2.5 dargestellt.
1 Beschrieben wird der Reverse Floater mit doppeltem Hebel, am Markt werden auch Floater mit dreifachem Hebel angeboten.
Wie werden Cash-flow ermittelt?
65
Beispiel
Nominalbetrag zur Anlage 100 000 DM, Betrachtungszeitpunkt 30.3.96, Laufzeitende am 30.12.1997
Bank erhält Festzins 18 % (jährlich am 30.12.) abzüglich variablen Zins (FIBOR)
halbjährlich.
Aktueller FIBOR 6 %, Zinszahlung und Zinsanpassung halbjährlich am 30.6. und
30.12.
Zinsrechnung 30/360 (vereinfachende Annahme)
Tabelle 2.5
Datum
Cash-flow
Erläuterung
30. 03. 96
– Kurswert
Aktueller Kurswert inklusive Stückzinsen des Reverse
Floaters am 30. 3. 96 vor Geschäftsabschluß
30. 06. 96
– 103 000,00
Rückfluß Kapital + Zins für die zurückliegende
Periode Floater
30. 12. 96
+ 18 000,00
Zinszahlung Festzins
30. 06. 97
0,00
30. 12. 97
+ 218 000,00
Zinszahlung Festzins + Tilgung Festzins
Hinweis
Bei genauer Betrachtung ist im Reverse Floater noch ein CAP auf den FIBOR zu 18 %
enthalten, da bei einem FIBOR von über 18 % der Anleger nicht an den Emittenten
zahlt.
2.3
Die Lösung für das variable Geschäft1
2.3.1
Abgrenzung »variabler« Geschäfte
Da der Begriff »variabler« Zins bzw. »variables« Geschäft im Gegensatz zum »festen«
Zins in der Praxis, Literatur und Rechtsprechung unterschiedlich belegt ist, folgt
zunächst die im Projekt verwendete praktikable Abgrenzung; in Abb. 2.1 sind Beispiele für variable Produkte aufgeführt, in Abbildung 2.2 relevante Abgrenzungsaspekte.
Variable Produkte sind durch folgende Eigenschaften charakterisiert:
Die Bank kann den Zins ohne Beachtung fester Fristen oder ohne vertraglich fixierte Bemessungsvorschrift von sich aus an eine geänderte Zinssituation anpassen.
1 Die folgenden Ausführungen lehnen sich an Sievi, C.: Kalkulation und Disposition, Bretten 1995,
S. 215 ff. an.
66
Wertorientierte Steuerung des Zinsänderungsrisikos
Die Zinsanpassung durch die Bank erfolgt in der Praxis im Vergleich zur Änderung
der Interbankensätze nicht sofort und im gleichen Ausmaß, sondern stufenweise.
Bisweilen wird auch von einer verzögerten Anpassung gesprochen. Diese Charakterisierung trifft aber nicht den Kern der variablen Produkte. »Verzögert« würde
bedeuten, daß variable Produkte Marktzinsbewegungen in vollem Ausmaß mitmachen, allerdings mit zeitlicher Verzögerung (z. B. zwei Monate später). Die Beobachtungen zeigen jedoch, daß variable Produkte Zinsänderungen nicht in gleicher
Höhe, sondern nur stufenweise nachvollziehen. Eine zeitliche Verzögerung ist nur
eine mögliche zusätzliche Komponente der Zinsanpassungspolitik. Hierbei ist es
relativ schwierig, die Komponenten »nicht in gleichem Ausmaß« und »zeitlich verzögert« zu trennen.
Der Kunde hat weitgehende Rechte auf Sondertilgung (Darlehen) bzw. Kapitalabhebung/Kapitalerhöhung (Sparformen). Hierbei werden – sofern bestimmte Fristen eingehalten werden – keine Vorfälligkeitsentschädigungen oder Vorschußzinsen fällig.
Die Erfahrung lehrt, daß der Kunde von den Rechten auf Kapitaländerung aufgrund von Zinsänderungen kaum Gebrauch macht. Der Kunde verhält sich »träge«, solange er sich vom Zinsanpassungsverhalten der Bank nicht übervorteilt fühlt.
Die Änderungen im Kapitalverlauf sind eher von der persönlichen Situation (verfügbare Liquidität für Sondertilgungen oder erhöhte Sparraten) als von der Zinsentwicklung abhängig.
Abbildung 2.1 Beispiele für variable Produkte im beschriebenen Sinn sind:
Klassisches Sparbuch mit oder ohne Kündigungsfrist
Sparbücher mit dauerhafter Bonifizierung, aber variablem Grundzins
Sparverträge, die mit variablem Zins und/oder Bonifizierung abgewickelt werden
Kontokorrent im Haben, wobei der Zins faktisch nicht oder nur sehr gering angepaßt
wird
Variable Darlehen, aber nicht Darlehen mit Kopplung an einen Referenzzins und
vereinbarter Marge (also nicht Floater und Roll-over-Kredite)
Kontokorrent im Soll, ohne Bindung des Sollzinses an einen Index
Die Beobachtung der »Trägheit« des Kunden gilt insbesondere, wenn nicht der Einzelfall, sondern die Summe aller Geschäfte einer bestimmten Kategorie betrachtet
wird. Durch diese Summenbildung wird die persönliche Liquiditätssituation des
Kunden eliminiert. Schwankungen im Gesamtbestand eines variablen Produkts
treten nur dann auf, wenn eine Mehrzahl von Kunden mit der Zinsanpassung des
Instituts nicht mehr zufrieden ist und in andere Produkte umschichtet.
Wie werden Cash-flow ermittelt?
Abbildung 2.2 Abgrenzungsaspekte
Preisangabenverordnung
In der Preisangabenverordnung wird jedes Geschäft als »variabel« bezeichnet, dessen Zins
nicht bis zum Ende der Gesamtlaufzeit festgeschrieben ist (»anfänglicher effektiver Jahreszins«). Nur bei Krediten mit Festzins bis zur vollständigen Tilgung (z. B. Konsumentenkredite) darf die Bezeichnung »Effektivzins« (ohne weiteren Zusatz) verwendet werden. Die Übernahme der PAngV-Abgrenzung ist für das Projekt unbrauchbar.
Abgrenzung nach Verfügbarkeitsdauer des Kapitals und Liquidität
Nicht die Überlassungsdauer des Kapitals ist wesentlich, sondern die Zinsanpassung.
Würde die Überlassungsdauer entscheidendes Kriterium sein, müßten z. B. Baufinanzierungen unabhängig von der Zinsbindungsdauer auf eine geschätzte Gesamtlaufzeit als
Cash-flow abgebildet werden. Das Zinsänderungsrisiko wird somit manipulierbar!
Wesentlich ist auch, daß es bei Produkten mit variabler Zinsanpassung nicht auf die individuelle, sondern auf die kollektive Überlassung des Kapitals ankommt. So ist es z. B. bei Spareinlagen oder Sichteinlagen gleichgültig, wie lange der einzelne Kunde seine Einlagen in der
Bank beläßt: Solange stets neue Kunden an die Stelle von Kunden treten, die ihr Kapital abziehen, kann die Bank von einem konstanten, für lange Zeit verfügbaren Bestand ausgehen.
Formale Abgrenzung nach Bilanzposition und Abwicklung
Teilweise werden Produkte, die eigentlich Festzinsgeschäfte sind, rein formal aus buchungstechnischen Gründen als »Spareinlage« abgewickelt. So ist z. B. ein für eine bestimmte Zeit bonifiziertes Sparbuch während der Bonifizierungsdauer wie ein Termingeld
dieser Fristigkeit zu behandeln, wenn während der Bonifizierungsdauer sowohl der Basiszins als auch der Bonus festgehalten werden und nach Ablauf der Bonifizierung der normale Sparzins gezahlt wird oder die Bonifizierung an die aktuelle Zinssituation entsprechender Fristigkeit angepaßt wird bzw. angepaßt werden muß, da der Kunde sonst das
Kapital abzieht.
Kombinationen mit Optionen
Viele Bankprodukte sind mit zusätzlichen Optionen ausgestattet, ohne daß deshalb das
Produkt »variabel« wird. Die jeweiligen Optionsrechte müssen bei der Kalkulation und
Disposition rechnerisch abgetrennt, also isoliert kalkuliert und disponiert werden.1
»Unprodukte«
Produkte, die im System der Marktzinsmethode nicht disponierbar und kalkulierbar sind,
weil der Zins nicht nach Marktzinsen, sondern nach anderen Leitgrößen festgelegt wird
(z. B. Bindung an den Diskontsatz, Bindung an die Inflationsrate oder ähnliches), sollen
nicht als variabel, sondern als eigene Produktklasse definiert werden.
1 Zu Einzelheiten vergleiche Abschnitt 5.2.
67
68
Wertorientierte Steuerung des Zinsänderungsrisikos
Im Zentrum der Frage nach dem »richtigen« Cash-flow und Bewertungszins für
Produkte mit variablem Zins steht die Disponierbarkeit dieser Produkte. Nur
wenn es gelingt, für variable Produkte eine zinsänderungsrisikofreie Dispositionsvorschrift zu gewinnen, kann entsprechend dieser Vorschrift ein Bewertungszins festgelegt werden. Die Suche nach dem Cash-flow und dem Bewertungszins ist also mit der Suche nach einer geeigneten Anlage bzw. Refinanzierung der variablen Produkte am Interbankenmarkt identisch.
Ein zusätzliches mit obigen Anforderungen verbundenes Ziel ist es, dem Marktbereich eine möglichst konstante Marge zuzuweisen, da die Verkaufsleistung unabhängig von der aktuellen Zinslage gemessen werden soll.
2.3.2
Irrwege zur Disposition variabler Geschäfte
Bei der Disposition und Bewertung variabler Produkte sollen zunächst zwei häufig
begangene Irrwege vorgestellt werden. Nicht zuletzt die dort festgestellten Unstimmigkeiten haben dazu geführt, die vorliegende »Machbarkeitsstudie« ins Leben zu
rufen!
Disposition und Bewertung mit »kurzen Zinsen«, z.B. mit Drei-Monatsgeld:
Dieser Ansatz unterstellt aufgrund der juristischen Kapitalbindung, daß die variablen Produkte innerhalb kürzester Zeit von seiten des Kunden vollständig gekündigt
werden könnten. Dann müßten die entsprechenden Volumina mit aktuellen (Fest-)
zinsen neu eingekauft bzw. angelegt werden. Entsprechend werden die variablen Produkte nur für kurze Zeit disponiert, als Bewertungszins dient der entsprechende »kurze« Zinssatz (z. B. Tagesgeldsatz, Monatssatz bis Jahressatz).
Abbildung 2.3 Fehlsteuerung bei kurzen Zinsen als Bewertungszins
am Beispiel der Spareinlagen
In Zeiten niedriger Zinsen (normale Zinsstruktur) wäre der Bewertungszins sehr niedrig,
die Marge aus Spareinlagen entsprechend gering. Die Berater würden höhere Margen erreichen, wenn sie eine Umschichtung in Sparkassenbriefe empfehlen.
In Zeiten hoher Zinsen mit inverser Zinsstruktur würde die Marge für Spareinlagen aber
sehr hohe Werte annehmen. Die vorher in die Umschichtung gedrängten Kunden fehlen
jetzt – und neue Sparer (oder gar Umschichter) werden gerade in der Hochzinsphase
schwer zu finden sein. Die Konfrontation des Sparbereichs mit Bewertungszinsen, die sich
dauernd stark ändern, und die daraus folgenden Umschichtungen wären aber für eine
kontinuierliche Pflege des Sparerbestands, bei der ruhige und stetige Maßnahmen angesagt sind, Gift.
Wie werden Cash-flow ermittelt?
69
In der Konsequenz werden dann bei der klassischen Zinsbindungsbilanz die variablen
Produkte einfach weggelassen, da sie als kurzfristig fällig und daher ohne längerfristige Zinsbindung angesehen werden.
Der Ansatz verkennt aber grundlegende Eigenschaften der variablen Produkte:
Zum einen haben die Kunden zwar formal weitgehende Kapitalanpassungsrechte,
tatsächlich werden diese aber nicht ausgeübt, vor allem nicht bei Betrachtung einer
Gesamtheit von Kunden. Die Erkenntnisse der Bodensatztheorie werden ignoriert.
Zum anderen erfolgt die Zinsanpassung nicht parallel zum Marktzinssatz
(gleichgültig ob der Tagesgeldsatz oder Sechs-Monatssatz gewählt wird), sondern
stufenweise bzw. nicht in gleichem Ausmaß. Dies ist aber gleichbedeutend mit einer
Bindung der variablen Produkte an Zinssätze der Vergangenheit in einem im folgenden näher untersuchten Ausmaß! Genau hier liegt der Unterschied zum Floater
oder Roll-over-Kredit, die am Fixingtag in vollem Umfang an die aktuellen Marktzinsen angepaßt werden. Dies ist beispielhaft für Spareinlagen in Abbildung 2.3 beschrieben.
Ein »kurzer« Bewertungszins hätte somit eine völlige Fehlsteuerung der Bank zur
Folge!
Bewertung mit jeweiligen Zinsen längerer Fristen:
Vielfach wird vorgeschlagen, die variablen Geschäfte mit Bewertungszinsen zu belegen, die dem jeweiligen, aktuellen Zins einer längeren Frist (ein Jahr bis 10 Jahre) am
Betrachtungszeitpunkt entsprechen.1 Es werden z.T. Mischungen aus jeweiligen Zinsen angesetzt, wobei auch Zinsen für Fristen von unter einem Jahr mit bestimmten
Anteilen zum Tragen kommen können.
Dieser Ansatz hat den Vorteil, daß durch die Verwendung längerfristiger Zinsen der
Bewertungszins weniger stark schwankt als bei der Anwendung kurzer Zinsen. Insofern wird der Eigenschaft der variablen Produkte hinsichtlich ihrer langsameren Zinsreagibilität Rechnung getragen.
Dem stehen im wesentlichen jedoch drei Nachteile gegenüber:
1. Es ist zweifelhaft, ob durch dieses Vorgehen bereits eine ausreichende Margenkonstanz erreicht werden kann. Wie die historische Analyse zeigt, schwanken z. B. die
Zinsen für Spareinlagen in wesentlich geringerem Ausmaß als der Zehn-Jahreszins,
der der »trägste« Interbankenzins ist. Noch deutlicher ist die Abweichung beim
1 Z. B. Schierenbeck, H.; Rolfes, B.: Entscheidungsorientierte Margenkalkulation, Frankfurt 1988, S. 170 ff.
70
Wertorientierte Steuerung des Zinsänderungsrisikos
Zins für Kontokorrent Haben, der sich ebenfalls wesentlich langsamer als der
Zehn-Jahreszins bewegt.
2. Der entscheidende Nachteil ist jedoch, daß ein jeweiliger längerfristiger Bewertungszins nicht disponierbar ist, wenn die Zinsanpassungen des Produkts häufiger
erfolgen, als die Frist für den Bewertungszins ist. Wird z. B. der jeweilige ZehnJahreszins als Bewertungszins verwendet, so müßte der Disponent hierzu permanent eine Zehn-Jahresfrist kaufen, diese Frist nach kurzer Zeit verkaufen und
danach – zum neuen Zins – wieder eine Zehn-Jahresfrist kaufen. Es entsteht
– durch die Kursbewegungen zwischen Kauf und Verkauf – ein erhebliches Zinsänderungsrisiko. Die hierdurch bedingten Zins- und Kursdifferenzen – also die
Gesamterträge – schwanken sogar noch stärker als kurzfristige Zinsen.1 Somit ist
ein vermuteter Vorteil (die langsamere Anpassung) ins Gegenteil umgeschlagen.
3. Ein weiterer Nachteil dieses Vorschlags besteht darin, daß Volumenschwankungen
nicht berücksichtigt werden. Eine längerfristige Anlage bzw. Refinanzierung ist
nämlich nur dann möglich, wenn während der gewählten Dauer keine Volumenschwankung auftritt. Andernfalls ist ein Verkauf der Gegenposition notwendig, der
in der Regel nicht zum Kurs 100 % möglich ist. Dann kommt es zu Ergebniswirkungen, die in das derzeitige Berechnungsschema nicht einfließen.
2.3.3
Lösungsvorschlag2
Zu beseitigen sind letztlich zwei Mängel der vorangehenden Vorschläge: Die realisierte Schwankung des Bewertungszinses ist im Vergleich zum variablen Produkt zu groß,
und/oder der Bewertungszins ist nicht disponierbar. Folglich muß zunächst nach
einer Bewertung gesucht werden, die »schwächere« Zinsschwankungen hat und
gleichzeitig disponierbar ist.
Erste, später aufhebbare Prämisse:
Das zu untersuchende Produkt weist ein konstantes Gesamtvolumen auf. Diese
Prämisse ist im ersten Schritt sinnvoll: Ein Steuerungsmodell muß auf jeden Fall
bei konstantem Volumen »funktionieren«. Die einzelnen Geschäfte dürfen hierbei durchaus schwankende Inanspruchnahmen aufweisen, solange sich der Gesamtbestand nicht wesentlich verändert.3
1 Bode, M.; Jancar, S.; Sievi, F.: Richtiges Timing oder Risiko-Return-Analyse, in: Die Bank 2/89, S. 93 ff.
2 Erstmals veröffentlicht durch: Flesch, H. R.; Piaskowski, F.; Seegers, J.: Marktzinsmethode bzw. Wertsteuerung – neue Thesen und Erkenntnisse aus der Realisierung, in: Die Bank 9/87, S. 380 ff., ausführlicher
dargestellt durch: Benke, H.; Gebauer, B.; Piaskowski, F.: Die Marktzinsmethode wird erwachsen: Das Barwertkonzept, in: Die Bank 8/91, S. 459 ff.
3 Dies bedeutet insbesondere, daß die »durchschnittliche Verweildauer« einer einzelnen Spareinlage bzw.
die Dauer der durchschnittlichen Inanspruchnahme eines variablen Kredites an keiner Stelle der Untersuchung benötigt wird.
Wie werden Cash-flow ermittelt?
71
Mit dieser Prämisse kann das Gesamtvolumen am Interbankenmarkt wie folgt verwendet werden (Dispositionsvorschrift zur Erzielung der kalkulierten Marge!):
Der Gesamtbestand wird in einem ersten Schritt so strukturiert, daß im Zeitablauf
monatlich der gleiche Anteil des Bestandes fällig wird.1 In wie viele Anteile der Bestand zerlegt wird, ist hierbei freigestellt. Es wird von N Anteilen ausgegangen, die sich
in N Monaten gleichmäßig abbauen.
Mit Fälligkeit jeden Anteils des Gesamtvolumens wird dieser Bruchteil wieder für N
Monate (also für so viele Monate, wie Anteile vorhanden sind) angelegt. Dadurch
bleibt die einmal bestimmte Struktur dauerhaft revolvierend erhalten.
Als Bewertungszins ergibt sich nach Durchlaufen einer Startphase der gleitende
Durchschnitt der revolvierenden Verwendung mit Zinsbindung für N Monate
am Interbankenmarkt. Wird unterstellt, daß die genannte Startphase sich bereits
historisch vollzogen hat, kann unmittelbar der gleitende Durchschnitt – auch
unter Verwendung historischer Zinsen – als Bewertungszins angewandt werden.
Beispiele:
Der Gesamtbestand wird in 120 Teile zerlegt (N = 120), von denen jeden Monat ein
Teil fällig ist und zur Erhaltung der Struktur für 120 Monate angelegt wird. Der Bewertungszins ist der gleitende Zehn-Jahresdurchschnitt.
Analog kann ein 60stel des Bestandes revolvierend für fünf Jahre (60 Monate,
N = 60) angelegt werden. Als Bewertungszins erhält man den gleitenden Fünf-Jahresdurchschnitt der Fünf-Jahreszinsen.
Die Abbildung 2.4 zeigt die Vorgehensweise bei einem gleitenden Sechs-Monatsdurchschnitt: Der Gesamtbestand wird in 6 Schichten aufgeteilt, die in den nächsten
6 Monaten fällig sind. Wird eine Schicht fällig, so wird sie erneut für 6 Monate angelegt.
Wird unterstellt, daß auch die Startanlage historisch bereits vorgenommen wurde
und hier nur als Restlaufzeit gezeigt wird, so ist der Zins je Monat gleich dem Durchschnittszins für den Sechs-Monatszins der letzten sechs Monate.
Allgemein kann mit beliebigen Zinsbindungen gearbeitet werden. Wesentlich ist
nur, daß die Zinsbindung der Aufteilung in Zinsanpassungsperioden entspricht, so
daß bei revolvierender Anlage die Struktur erhalten bleibt.
Kommt es allerdings zu einem Auf- oder Abbau des Volumens des Geschäfts (Aufhebung der Volumenskonstanz-Prämisse), so darf die Aufbau- oder Abbauphase nicht
vernachlässigt werden. Wird z. B. angenommen, der Gesamtbestand sei momentan
von Null auf das volle Volumen angestiegen, so ist der Bewertungszins im ersten
1 Theoretisch wäre eine tägliche Fälligstellung korrekt; dies führt aber zu Pseudogenauigkeiten. In der
Praxis kann bei variablen Produkten angenommen werden, daß sich der Zins maximal monatlich ändert.
72
Wertorientierte Steuerung des Zinsänderungsrisikos
Monat der Durchschnittssatz der aktuellen Zinssätze mit Frist von einem Monat bis zu
sechs Monaten. Einen Monat weiter entfällt bei der Durchschnittsbildung der EinMonatszins, der aktuelle Sechs-Monatszins kommt hinzu. Nach sechs Monaten ab
Start gilt schließlich der reine Durchschnitt der Sechs-Monatszinsen der letzten sechs
Monate.
Auf die Effekte, die sich für die Disposition und Festlegung des Bewertungszinses
bei Bestandsveränderungen ergeben, wird noch speziell (Abschnitt 2.3.6) eingegangen. Zunächst wird vereinfachend ein konstanter Bestand unterstellt, dessen Disposition bereits historisch durchgeführt wurde und für den folglich der gleitende Durchschnitt ohne Berücksichtigung der Anlaufphase gilt.
Abbildung 2.4
0
1
2
Startanlage
3
4
5
6
7
8
9
Monate
Folgeanlage
Das Verfahren erlaubt es, als Bewertungszins auch Mischungen gleitender Durchschnitte, die aus unterschiedlichen Fristen gebildet werden, zu verwenden. Wird als
Bewertungszins z. B. eine Mischung von 60% gleitendem Zehn-Jahreszins und 40%
gleitendem Drei-Monatssatz festgelegt, so wird der Gesamtbestand wie folgt aufgeschnitten: 60% des Bestandes werden in 120 gleiche Teile zerlegt, die mit Fristen von
einem Monat bis zu 120 Monaten fällig werden. Die restlichen 40% werden in drei
gleiche Teile zerlegt, die mit Fristen von einem Monat, zwei Monaten und drei Monaten ablaufen.
2.3.4
Festlegung des Mischungsverhältnisses gleitender Zinsen
Das vorgeschlagene Verfahren erlaubt zunächst beliebige Mischungsverhältnisse, da
alle diese Mischungen disponierbar sind. Die Auswahl einer für ein variables Produkt
geeigneten Mischung erfolgt nach folgendem Maßstab:
Die Mischung soll so festgelegt werden, daß die Marge in Prozent (Differenz zwischen Produktzins und Bewertungszins laut Mischungsverhältnis) möglichst
konstant ist.
Wie werden Cash-flow ermittelt?
73
Die Margenkonstanz wird über das statistische Maß »Standardabweichung« gemessen. Hilfsweise kann die Spannweite, in der sich die Marge bewegt (höchste beobachtete Marge abzüglich niedrigste beobachtete Marge), verwendet werden.
Die Forderung nach Margenkonstanz entspricht dem Grundgedanken der Marktzinsmethode, den Produkterfolg vom Dispositionserfolg zu trennen. Dies geschieht
dadurch, daß dem Marktbereich eine Marge zugemessen wird, die möglichst unabhängig von Zinsschwankungen am Markt ist. Die absolute Höhe der erzielten Marge
spielt für die Auswahl des Mischungsverhältnisses hierbei keine Rolle.1
Sollte aus geschäftspolitischen Gründen für ein variables Produkt kein hinsichtlich
der Margenkonstanz optimiertes Mischungsverhältnis zugrunde gelegt werden, so
eröffnet sich den Anwendern die Möglichkeit, die Modellrisiken zu quantifizieren.
Margenschwankungen sind bei der Limitierung grundsätzlich, bei nicht erfolgter
Optimierung entsprechend erhöht, zu berücksichtigen. Notwendig ist in jedem
Fall die Verwendung gleitender Durchschnitte in Form von revolvierenden Tranchen, um die Disponierbarkeit zu gewährleisten.
Zur Festlegung des Mischungsverhältnisses nach dem Gesichtspunkt der Margenkonstanz gibt es grundsätzlich zwei Wege, die sich gegenseitig ergänzen.
Historische Analyse
Bei der historischen Analyse wird das Mischungsverhältnis aus Vergangenheitsdaten
ermittelt. Hierzu wird je Produkt zunächst ein repräsentativer Zeitraum ausgewählt.
Dieser Zeitraum darf einerseits nicht zu kurz sein, da in ihm mindestens eine Phase
steigender und eine Phase fallender Zinsen enthalten sein sollte. Andererseits ist ein zu
langer Zeitraum unbrauchbar, da nicht erwartet werden kann, daß die Zinsanpassungspolitik auch über sehr lange Zeiträume hinweg konstant ist. In der Praxis ist ein
Untersuchungszeitraum von mindestens fünf Jahren, höchstens 15 Jahren sinnvoll.
Nur bei Produkten, deren Lebensdauer kürzer als fünf Jahre ist oder für die aus technischen Gründen keine längeren Zeitreihen ermittelt werden können, ist ausnahmsweise ein kürzerer Betrachtungszeitraum zulässig.
Am Beispiel der Spareinlagen wird die Vorgehensweise beispielhaft gezeigt (vgl.
auch Tabelle 2.6).
1 Bei bestimmten Produkten kann ein Trend in der Marge festgestellt werden (stetige Verbesserung oder
stetige Verschlechterung der Marge), der unabhängig von der aktuellen Zinsentwicklung (steigende Zinsen oder fallende Zinsen) ist. In diesem Fall tritt an die Stelle der Margenkonstanz die Forderung, daß die
Marge einem zeitlich linearen Trend folgt. Die Marge in % liegt also – als Funktion der Zeit – auf einer
definierten Linie.
74
Wertorientierte Steuerung des Zinsänderungsrisikos
Beispiel Spareinlagen
Der Untersuchung liegt das Datenmaterial der Deutschen Bundesbank für die Entwicklung des Spareckzinses zugrunde. Als Interbankenzinsen dienen der DreiMonatsfibor sowie hilfsweise die Renditen von Bundeswertpapieren mit den Restlaufzeiten 1 Jahr, 5 Jahre sowie 10 Jahre. Der Betrachtungszeitraum erstreckt sich von
1/1985 bis 11/1996, umfaßt also zwölf volle Jahre.
Die folgende Tabelle zeigt für verschiedene Mischungen aus gleitenden Durchschnitten als Bewertungszins die Konsequenzen für die erzielte Marge und deren
Schwankung:
Tabelle 2.6
Bewertungszins =
Mischung gleitender Durchschnitte
(Mischungsanteile in Prozent)
gleitend
3 Monate
gleitend
1 Jahr
gleitend
5 Jahre
Ergebnis für die Marge %
gleitend
10 Jahre
Minimum Maximum Spannweite Standard- Mittelwert
abweichung
100
0
0
0
1,27
7,17
5,91
1,85
3,78
0
100
0
0
1,07
6,46
5,39
1,64
3,58
0
0
100
0
3,42
5,85
2,44
0,69
4,81
0
0
0
100
4,57
5,66
1,09
0,31
5,07
10
0
0
90
4,65
5,44
0,79
0,18
4,96
0
10
0
90
4,68
5,35
0,67
0,17
4,92
0
10
10
80
4,63
5,21
0,58
0,15
4,90
5
10
10
75
4,52
5,12
0,60
0,13
4,83
Hätte eine Bank ihre Spareinlagen in den letzten 12 Jahren nur im Drei-Monatsgeld
revolvierend angelegt, so hätte dies zu einer Schwankung der Marge von 1,27% bis
7,17% geführt. Die Bank hätte also erhebliche Ergebnisschwankungen hinnehmen
müssen. Die mittlere Marge in Höhe von 3,78 % kann nur dann bilanziell als kontinuierliches Ergebnis ausgewiesen werden, wenn die Bank in Zeiten hoher Zinsen
große Reserven bildet, die sie in Zeiten niedriger Zinsen wieder auflöst.
Bei einer Anlage der Spareinlagen im gleitenden Zehn-Jahresdurchschnitt hätte sich
die Marge zwischen 4,57% und 5,66% bewegt. Die mittlere Marge von 5,07% wäre
deutlich höher ausgefallen. Die Bank hätte also gleichzeitig Risiko abgebaut und den
Ertrag erhöht.
Die einfachen, »reinen« gleitenden Durchschnitte zeigen, daß die beste Lösung
einen hohen Anteil an gleitenden Zehn-Jahreszinsen enthalten muß. Zu dieser vorläu-
Wie werden Cash-flow ermittelt?
75
fig besten Lösung werden nun kürzere gleitende Durchschnitte systematisch beigemischt.
Auch hier wird so vorgegangen, daß zunächst nur jeweils zwei gleitende Durchschnitte verwendet werden und hierfür jeweils das günstigste Mischungsverhältnis ermittelt wird. Im Fall der Beimischung von Drei-Monatsgeld und Jahresgeld erweisen
sich jeweils 10 % Anteil dieser Fristen als optimal. Hierdurch wird die Schwankung in
der Marge nochmals deutlich reduziert, wobei allerdings die Risikoreduzierung geringfügig zu Lasten des durchschnittlichen Ertrags geht.
Nach mehreren weiteren systematischen Probierversuchen wird – sofern nur »runde« Mischungsanteile gewählt werden – folgende optimale Lösung gefunden: 5 %
Drei-Monatsgeld, jeweils 10 % Jahresgeld und Fünf-Jahresgeld sowie 75 % Zehn-Jahresgeld. Die absolute Schwankung für die Marge beträgt historisch nur noch 0,60 %,
wobei in ca. 66 % der Fälle die Marge im Bereich von 0,13 % (Standardabweichung)
um den Mittelwert von 4,83 % schwankt. Das Zinsänderungsrisiko ist minimiert, der
mittlere Ertrag mit 4,83 % nur geringfügig niedriger als bei einer Lösung ausschließlich auf Basis des gleitenden Zehn-Jahresdurchschnitts.
Eine Sparkasse, die die Spareinlagen dispositiv entsprechend dem Lösungsvorschlag verwendet, könnte bei einem Spareinlagenvolumen von 100 Mio. jährlich 7,5
Mio. an zehnjährigen Zinsbindungen vergeben, ohne sich anderweitig zu refinanzieren. Sie hätte dadurch im Betrachtungszeitraum gegenüber einer Bank, die die
Spareinlagen nur mit Fristen bis zu einem Jahr verwendet, ein um rund 1,1% besseres
Zinsergebnis, bei 100 Mio. Sparvolumen also 1,1 Mio. DM. Zudem wäre dieses Zinsergebnis mit hoher Konstanz erzielt worden.
Zu beachten ist, daß die gefundenen Ergebnisse nicht nur für die »klassischen« Spareinlagen mit »gesetzlicher Kündigungsfrist« gelten. Sie treffen ebenso auf alle bonifizierten Spareinlagen zu, bei denen der Bonus nicht vom aktuellen Zinsniveau abhängig ist.
Beispiele hierfür sind das »Bonussparen« (fester Bonus am Ende der Laufzeit) oder
der »flexible Sparplan« (wachsender Bonus in Abhängigkeit von der erreichten Laufzeit). Ein weiteres Beispiel sind Sparformen, bei denen die Bonushöhe vom Guthabenstand abhängig, vom aktuellen Zinsniveau hingegen unabhängig ist. Wesentlich
ist, daß sich der Basiszins gleichlaufend mit dem Spareckzins bewegt.
Für diese Produkte liegt als Produktverzinsung eine Parallele zum reinen Spareckzins vor. Die Marge verringert sich dadurch zwar um den Bonus (und den eventuell
höheren Basiszins), ist aber immer noch konstant, so daß für diese Produkte das Mischungsverhältnis in der Regel nicht verändert werden muß. Der Vorteil hieraus ist,
daß ein größeres Volumen an Spareinlagen gemeinsam disponiert werden kann und
dadurch die (vorläufige) Prämisse der Volumenskonstanz noch besser erfüllt ist. (Umschichtungen zwischen den Sparprodukten verringern zwar eventuell die Marge, verändern aber nicht das Dispositionsverhalten.)1
1 Siehe hierzu auch Abschnitt 2.3.7.
76
Wertorientierte Steuerung des Zinsänderungsrisikos
Die Abbildung 2.5. zeigt den Spareckzins, den oben definierten Bewertungszins
und die resultierende Marge. Wegen des hohen Anteils an gleitendem 10-Jahresdurchschnitt und gleitendem 5-Jahresdurchschnitt bewegt sich der Bewertungszins sehr träge. Er vollzieht die Bewegung im Sparzins praktisch parallel mit. Dadurch kommt es
zu der gewünschten Margenkonstanz. Bemerkenswert ist, daß die Marge auch in der
derzeitigen Niedrigzinsphase (Stand 11/96) nicht unter 4,5 % sinkt. Für die erwähnten
bonifizierten Produkte ist die Kurve der Produktverzinsung parallel zur Kurve der
Spareckzinsen, die Marge für diese Produkte ist entsprechend niedriger, aber ebenfalls
nahezu konstant.
Abbildung 2.5: Spareinlagen: Produktzins, Bewertungszins und Marge
8,0
Bewertungszins
7,0
6,0
Marge
5,0
4,0
3,0
Produktzins
2,0
1,0
0,0
85
86
87
88
89
90
91
92
93
94
95
96
97
Insgesamt kann also in historischer Betrachtung eine überzeugende Lösung gefunden werden.
Ergebnisse der historischen Analyse für die Pilotsparkassen
Im Rahmen der Machbarkeitsstudie wurden für die Pilotsparkassen Zeitreihen für
die variablen Produkte aufgestellt, die die Zinsentwicklung für diese Produkte
zeigen. Simulativ wurde für jedes variable Produkt das Mischungsverhältnis gleitender Durchschnitte ermittelt, das eine minimale Standardabweichung in der
Marge aufweist. Die Standardabweichung ist ein Risikomaß dafür, wie die Marge
gegenüber der Kalkulation schwanken kann. Diese Ergebnisschwankung kann bei
Wie werden Cash-flow ermittelt?
77
der Risikoanalyse des Instituts und der Risikokapitalallokation berücksichtigt
werden.
Gleichzeitig wurde jeweils die Volumensentwicklung im betrachteten Zeitraum
untersucht. Die Volumensschwankungen waren gering genug, um die Prämisse der
Volumenskonstanz aufrechtzuerhalten.
Wesentliche Erkenntnisse:
1. Die gefundenen Mischungsverhältnisse weisen durchgehend eine geringe
Standardabweichung auf.
2. Die ermittelten Ergebnisse für die Mischungsverhältnisse unterscheiden sich
teilweise für die beiden Pilotsparkassen. Sie unterscheiden sich auch von den
Werten, die auf der Grundlage der Statistiken der Deutschen Bundesbank
erstellt wurden (siehe oben).
3. Das Konzept bewährt sich also auch in der Praxis. Die ermittelten Mischungsverhältnisse können jedoch nicht ungeprüft auf andere Institute übertragen
werden. Es ist zu erwarten, daß die Zinsanpassungspolitik je nach geschäftspolitischer Ausrichtung, Konkurrenzsituation oder vorwiegender Kundenschicht in der Vergangenheit unterschiedlich war und auch zukünftig unterschiedlich bleiben wird.
Zu Einzelheiten wird auf den offenen Anhang I verwiesen.
Bewertungszins als Neufestlegung von Produkt- und Konditionenpolitik
Aufgrund von Vergangenheitsdaten ermittelte Ergebnisse sollten nicht kritiklos in die
Zukunft übertragen werden. Vielmehr ist es unbedingt notwendig, sich gedanklich
mit der zukünftigen Preispolitik zu beschäftigen und aus diesen Überlegungen heraus
den Bewertungszins festzulegen. Nur wenn in der Zukunft wie in der Vergangenheit
verfahren wird, verfahren werden kann und verfahren werden soll, kann ein individuell historisch vorliegender Bewertungszins unverändert in die Zukunft übernommen werden.
In vielen Fällen bietet es sich aber an, die Festlegung des Bewertungszinses mit einer
aktiven Produktpolitik und einer internen verpflichtenden Übereinkunft über die
Zinsanpassungspolitik zu verbinden.
Zu diesen Überlegungen wird ein Beispiel gebildet. Anschließend wird der allgemeine Prozeß der Festlegung des Bewertungszinses für variable Geschäfte dargestellt.
Beispiel KK-Haben
Historisch liegt der Guthabenzins für Kontokorrent im Haben bei »normalen« Konten zwischen 0 % und 0,5 %. Als Bewertungszins bietet sich also eine Mischung aus
»langen« gleitenden Zinsen – vornehmlich dem gleitenden 10-Jahreszins – an, da
78
Wertorientierte Steuerung des Zinsänderungsrisikos
dieser Zins am wenigsten schwankt und somit für die Marge das konstanteste Ergebnis liefert.
Aufgrund des Vordringens von Geldmarktfonds, Kartenkonten und Direktbanken
sind zwei Entwicklungen denkbar:
Guthabenstände am Girokonto werden – jedenfalls ab bestimmten Guthabenständen – höher verzinst als bisher. Die neue Zinshöhe ist aber weitgehend unabhängig
von der aktuellen Zinskondition für kurzlaufende Gelder. So könnte sich z. B. für
KK-Haben ein Zins von 3 % bis 4 % einpendeln.
Guthabenstände am Girokonto werden mit hohen Zinsschwankungen verzinst,
wobei sich die Verzinsung an den Leitzinsen für kurzfristige Geldanlagen (Tagesgeld, Monatsgeld etc.) orientiert, die Anpassungen aber etwas träger erfolgen als die
Zinsen für echte Termingelder.
Im ersten Fall muß an der Bewertung mit langfristig gleitenden Sätzen nichts verändert werden. Es hat sich zwar die absolute Höhe der Guthabenzinsen verändert, nicht
aber deren Trägheit. Die Marge verringert sich, der Bewertungszins bleibt hingegen
unverändert.
Wenn aber aufgrund des Vordringens von Geldmarktfonds die Sparkassen zu einer
»geldmarktnahen« Verzinsung der Guthabensalden aus Konkurrenzgründen gezwungen werden, kann der gleitende 10-Jahresdurchschnitt als Bewertungszins nicht mehr
verwendet werden. Es ist dann eine kürzere Disposition der Guthabenstände notwendig, im Extremfall kann nur noch mit Tagesgeld gearbeitet werden. Sollte dieser Extremfall eintreten, bedeutet aber auch die tägliche Anpassung der Zinsen für Haben
Salden am Girokonto für die Bank kein Zinsänderungsrisiko mehr.
Wenn eine Sparkasse also befürchtet, daß hinsichtlich der Zinspolitik für Guthabenstände am Girokonto in der Zukunft ein Wandel in der Anpassung der Zinsen
einsetzt, dem sie sich nicht entziehen kann, so muß bereits heute das entsprechende
Volumen anders – nämlich »kürzer« – bewertet werden.
Hierbei kann gegebenenfalls nach Kundengruppen, Verwendungsarten des Girokontos oder Mindestvolumen für die Verzinsung unterschieden werden. Die entsprechenden Bestände erhalten hierbei je nach beabsichtigter Zinsanpassungspolitik unterschiedliche Bewertungszinsen. Die Festlegung des Bewertungszinses bietet also
gleichzeitig die Chance, sich mit absehbaren oder befürchteten Entwicklungen
auseinanderzusetzen und Strategien für die zukünftige Vorgehensweise zu überdenken.
Allgemeiner Abstimmungsprozeß
Die Festlegung des Bewertungszinses ist also nicht nur dem Disponenten oder Controller überlassen, sondern es muß zu einer Übereinkunft zwischen Vorstand, Disponenten und dem Marktbereich kommen. Der Marktbereich muß hierbei abschätzen, mit welcher Preispolitik (Zinsanpassung und Marge) er dem Disponenten ein
Wie werden Cash-flow ermittelt?
79
hinreichend konstantes Volumen des betrachteten Produkts zur Verfügung stellen
kann. Entsprechend verwendet der Disponent die entsprechenden Mittel und stellt
dem Marktbereich den jeweiligen Bewertungszins zur Verfügung, der wiederum bei
konstanter Marge für den Marktbereich die vereinbarte Preispolitik ermöglicht.
Bei dieser gegenseitigen Abstimmung kann auch von Beginn an ein Aufbau oder
Abbau des Volumens in festgelegter Weise erfolgen, nur muß diese Volumensvereinbarung vom Marktbereich bei der festgelegten Preispolitik bzw. beim festgelegten Bewertungszins auch eingehalten werden.
Daß derartige Abstimmungsgespräche zwischen Markt und Disponenten wegen
der hohen strategischen Bedeutung für die Sparkasse auf Vorstandsebene unter Beteiligung des Controllers geführt werden müssen, versteht sich von selbst. Letztlich entscheidet der Vorstand über die zukünftig beabsichtigte Zinsanpassungspolitik bzw.
Preispolitik, die gleichzeitig eine Aussage über die geplanten Volumina beinhaltet. Alle
Beteiligten sind dann an diese Übereinkunft gebunden.
Zur Klarstellung sei an dieser Stelle nochmals darauf verwiesen, daß der Disponent
auch von der vereinbarten Dispositionsmethode abweichen kann. Wie in Abschnitt
2.3.5 (gleitende Durchschnitte als Cash-flow) gezeigt wird, lassen sich die Cash-flow
aus Festzinsgeschäften und variablen Geschäften zu einem Summen-Cash-flow addieren. Nur dieser summarische Cash-flow dient als Grundlage der Disposition. Hier
können Zinsänderungsrisiken eingegangen werden, die letztlich einzelnen Positionen
nicht mehr zuordenbar sind, aber auch nicht mehr zugeordnet werden müssen. Der
Bewertungszins ist von der konkreten Disposition stets unabhängig, er entspricht
der getroffenen Vereinbarung.
Ist der Abstimmungsprozeß (vgl. schematische Darstellung in Abb. 2.6) erfolgreich
abgeschlossen, hat die Festlegung eines Mischungsverhältnisses für die gleitenden
Zinsen als Bewertungszins bis auf weiteres normierenden Charakter: Ist einmal ein
Bewertungszins definiert, so ist damit eine Aussage über das Zinsanpassungsverhalten
der Bank getroffen. Die benötigte Parallelität zwischen Marktzins und Kundenzins
stellt sich automatisch ein. Zukünftige »historische« Untersuchungen werden dann
das Ergebnis zeigen, das vorab abgesprochen war. Wenn es trotzdem zu Schwankungen der Marge kommt, so sind diese dem Marktbereich zuzuordnen, der die vereinbarte Absprache nicht einhalten konnte oder wollte. Abweichungen von der Volumensvorgabe sind wie in 2.3.6 zu behandeln.
Letztlich wird der gesamte Bereich der variablen Produkte mit einer durchdachten
und dokumentierten Geschäftspolitik ausgestattet. Ad-hoc-Entscheidungen ohne
langfristige Planung werden nicht mehr getroffen.
80
Wertorientierte Steuerung des Zinsänderungsrisikos
Abbildung 2.6 Abstimmungsprozeß bei variablen Produkten
Vorstand, Produktbereich, Marketing und Controlling entscheiden über:
Preispolitik
Volumenspolitik
Zinsanpassungspolitik:
Zielmarge:
Festlegung des Bewertungszinses als Mischungsverhältnis gleitender Durchschnitte
Festlegung der Zielmarge je
nach Kündigungsrechten
und Mindestvolumen
Volumen bzw. Volumensveränderung:
Die Volumensentwicklung
steht in direktem Zusammenhang mit der Preispolitik
(Zinsanpassung und Marge)
Die festgelegte Preis- und Volumenspolitik entscheidet über den Deckungsbeitrag der Produkte je Einzelvertrag und in Gesamtbetrachtung.
Der Disponent wird bei den Beratungen hinzugezogen. Er prüft, ob die Bewertungszinsen
sachlich richtig festgelegt sind und dispositiv ohne Zinsänderungsrisiken nachvollzogen
werden können. Er zeigt die Konsequenzen für den Kundenzins bei alternativen Zinsszenarien auf.
Der Disponent entscheidet über die konkrete Disposition der variablen Produkte unter
Beachtung des Zinsänderungsrisikos.
2.3.5
Gleitende Durchschnitte als Cash-flow
Der Vorschlag, variable Produkte mit Mischungen aus Gleitzinsen zu bewerten, kommt
einer Abbildung der variablen Geschäfte in Festzinspositionen gleich. Die variablen Geschäfte können damit gemeinsam mit Festzinspositionen disponiert werden. Hierzu müssen die variablen Geschäfte in Zahlungsströme umgesetzt werden, damit eine Gesamtsummenbildung der Cash-flow über Festzinsen und variable Zinsen möglich ist. Dies ist einer
der großen konzeptionellen und praktischen Vorteile der vorgeschlagenen Vorgehensweise.
Die Methode zur Umsetzung eines gleitenden Bewertungszinses in einen Cash-flow
kann einfach an einem Beispiel demonstriert werden.
Beispiel Spareinlagen:
Für Spareinlagen soll als Bewertungszins der Mischzins aus 5 % gleitendem DreiMonatssatz, jeweils 10 % gleitendem Ein-Jahressatz und Fünf-Jahressatz und 75 %
gleitendem Zehn-Jahressatz festgelegt worden sein.
Bei einem Volumen von 100 000 Einheiten entfallen also
5 000 auf den gleitenden Drei-Monatssatz
10 000 auf den gleitenden Ein-Jahressatz
10 000 auf den gleitenden Fünf-Jahressatz
75 000 auf den gleitenden Zehn-Jahressatz
Wie werden Cash-flow ermittelt?
81
Die entsprechenden Volumina müssen nun entsprechend der gleitenden Disposition
erneut in Schichten aufgeteilt werden:
5 000 in 3 Teile à
1666,67 mit Laufzeiten von 1 bis 3 Monaten
10 000 in 12 Teile à
833,33 mit Laufzeiten von 1 bis 12 Monaten
10 000 in 60 Teile à
166,67 mit Laufzeiten von 1 bis 60 Monaten
75 000 in 120 Teile à
625,00 mit Laufzeiten von 1 bis 120 Monaten
Hinzu kommt der Zins, der im Beispiel mit 3 % angenommen wird. Hierbei wird stets
der aktuelle Zins des variablen Geschäfts angesetzt. Die Spalte »Restkapital« in der
untenstehenden Tabelle dient hierbei als Hilfsgröße zur Berechnung des Zinses.
Durch Addition der jeweiligen Fälligkeiten und Hinzurechnung des Zinses wird der
in Tabelle 2.7 dargestellte Cash-flow gewonnen:
Tabelle 2.7 Cash-flow für Spareinlagen bei einem Volumen von 100 000 Einheiten
Folgemonat
Tilgungscashs
Gleit. 3 M Gleit 1 J
Gleit 5 J
RestGleit 10 J kapital
0
Zins
3%
Cash
Gesamt
100 000,00
1
1 666,67
833,33
166,67
625,00
96 708,33
3 291,67
2
1 666,67
833,33
166,67
625,00
93 416,67
3 291,67
3
1 666,67
833,33
166,67
625,00
90 125,00
3 291,67
4
833,33
166,67
625,00
88 500,00
1 625,00
10
833,33
166,67
625,00
78 750,00
1 625,00
11
833,33
166,67
625,00
77 125,00
1 625,00
12
833,33
166,67
625,00
75 500,00 2 606,88
4 231,88
13
166,67
625,00
74 708,33
791,67
59
166,67
625,00
38 291,67
791,67
60
166,67
usw.
usw.
625,00
37 500,00 1 279,38
61
625,00
36 875,00
2 071,04
625,00
62
625,00
36 250,00
625,00
118
625,00
1 250,00
625,00
119
625,00
625,00
120
625,00
0,00
usw.
Summe
5 000,00
10 000,00 10 000,00 75 000,00
625,00
121,88
746,88
82
Wertorientierte Steuerung des Zinsänderungsrisikos
Bei der Zinszahlung wird im Beispiel unterstellt, daß der Monat 12 mit dem Jahresende – dem Termin der Zinszahlungen bei Spareinlagen – zusammenfällt. Einen
Monat später werden die im Monat 1 fälligen Tilgungen mit der jeweiligen Frist
(3 Monate, 1 Jahr, 5 Jahre, 10 Jahre) wieder angelegt. Dadurch bleibt die Gesamtstruktur erhalten. Die Position für die Zinszahlung bleibt unverändert am Jahresende – jetzt
dem Monat 11 – fixiert. Der aktuelle Produktzinssatz wird aktualisiert. Vereinfachend
könnte auch monatlich der Zins in Höhe von 1/12 des Jahreszinses, bezogen auf das
Restkapital, als Cash-flow eingetragen werden.
2.3.6
Vorgehensweise bei Bestandsänderungen
Abbildung 2.7 Mögliche Ursachen für Bestandsänderungen
Es lassen sich wegen der Kündigungsrechte der Kunden bei vielen variablen Produkten
zufällige Schwankungen um einen Mittelwert im Volumen nicht vermeiden. Das Problem tritt besonders stark bei Kontokorrentkonten im Soll und Haben, aber auch – in
geringerem Ausmaß – bei Spareinlagen und variablen Darlehen auf.
Ein Volumenaufbau oder -abbau kann aber auch bewußt geplant werden. Auf diesen
wichtigen Fall wurde bereits mehrfach verwiesen – er dürfte in der Praxis sehr häufig
vorkommen. Die Volumensänderung ist also zwischen Marktbereich und Disposition
abgesprochen.
Schließlich kann der Marktbereich das Verhalten der Kunden falsch eingeschätzt haben.
Die eingeschlagene Zinsanpassungspolitik führt dann dazu, daß wegen hoher Attraktivität der Zinsen ein Zustrom in das Produkt einsetzt oder aber – wegen zu geringer
Zinsattraktivität – der Bestand schmilzt.
Die bisherigen Überlegungen gehen davon aus, daß das Gesamtvolumen des betrachteten Produkts annähernd konstant ist. Die Festlegung des fiktiven Ablaufs und damit
des Zinsanpassungsverhaltens bedeutet für den Marktbereich also auch dessen Zusage, mit diesem Zinsanpassungsverhalten das aktuelle Volumen zu erhalten.
In der Praxis sind jedoch Volumensveränderungen die geplante oder ungeplante
Regel. Mögliche Ursachen sind in Abbildung 2.7 beschrieben. Bei einem Volumenszuwachs kann die bereits erwähnte Startphase bis zum Erreichen des reinen gleitenden
Durchschnitts nicht vernachlässigt werden. Ebenso müssen Überlegungen getroffen
werden, wie ein Volumenabbau bewältigt werden kann.
Die Abbildung 2.8 verdeutlicht, über alle Sparkassen aggregiert, die Volumensentwicklung der Spareinlagen in der Vergangenheit:
Wie werden Cash-flow ermittelt?
83
Abbildung 2.8 Spareinlagenbestände am Jahresende seit 1981 in Mrd. DM
(ab 1990 inkl. Ostdeutschland)
700
600
Summe
500
höher verzinst
400
300
200
normal verzinst
100
0
1981
1985
1990
1995
Rechentechnisch wird folgende Möglichkeit empfohlen, Volumensveränderungen zu
berücksichtigen:1
Ausgleichszahlungen bei Volumensveränderungen
Der Bewertungszins entspricht stets der definierten Mischung gleitender Durchschnitte. Bei einem Volumenszuwachs hat der Marktbereich eine Ausgleichszahlung –
je nach Zinssituation positiv oder negativ – zu leisten, die die Effekte aus der Volumensveränderung kompensiert.
Bei einer Volumensveränderung muß das hinzukommende oder wegfallende Volumen in Schichten entsprechend der Struktur des Ablaufs nach Bewertungszins angelegt bzw. refinanziert werden. Die Anlage ist aber nur zu Ist-Zinsen möglich,
während im Bestand die historischen Zinsen gelten. Die Ausgleichszahlung ist also
so zu bemessen, daß dadurch die Zinsdifferenz zwischen historischen Zinsen und IstZinsen barwertig ausgeglichen wird. Die Berechnung erfolgt nach den Grundsätzen
der Berechnung von Vorfälligkeitszahlungen und entspricht letztlich der strukturkongruent ermittelten Ausgleichszahlung (nach gleicher Methode wie bei der Bestimmung des Margenbarwertes in Abschnitt 1.1.2.3).
1 Eine weitere Möglichkeit, bei der der Bewertungszins bei Volumensveränderungen ohne Ausgleichszahlung geändert wird, wird in Sievi, C.: Kalkulation und Disposition, Bretten 1995, S. 267 ff., diskutiert.
84
Wertorientierte Steuerung des Zinsänderungsrisikos
Die Vorgehensweise wird an einem einfachen Beispiel in Abbildung 2.9 demonstriert:
Beispiel:
Als Bewertungszins sei der gleitende Vier-Jahreszins mit jährlichen Perioden (also
Aufteilung des Gesamtbestandes in vier Abschnitte) festgelegt. In der folgenden Übersicht sind beispielhaft historische 4-Jahreszinssätze einer möglichen aktuellen IstZinssituation für die Laufzeiten 1– 4 Jahre gegenübergestellt:
Abbildung 2.9
Historisch 4 Jahre: 6,00%
Aktuell
1 Jahr: 8,00%
Historisch 4 Jahre: 6,25%
Aktuell
2 Jahre: 7,50%
Historisch 4 Jahre: 6,75%
Aktuell
3 Jahre: 7,25%
Historisch 4 Jahre: 7,00%
Aktuell
4 Jahre: 7,00%
Historisch betrachtet war vor drei Jahren also eine Niedrigzinsphase. Der Zins für
Vier-Jahresgeld ist kontinuierlich angestiegen, der aktuelle Vier-Jahressatz beträgt 7%.
Der Bewertungszins in der aktuellen Periode ist der Durchschnitt der historischen
Zinsen, also 6,5 %. Gleichzeitig haben sich die kürzeren Zinsen nach oben bewegt, es
wird im Ist eine inverse Zinsstruktur unterstellt.
Erfolgt nun ein Volumenaufbau oder Volumenabbau, so muß das betrachtete Volumen mit Ist-Zinsen disponiert werden. Die Veranlagung bzw. Refinanzierung soll aber
den historischen Bewertungszins erbringen. Folglich ist eine barwertige Ausgleichszahlung nötig.
Im Fortgang der beispielhaften Berechnung wird von einem Volumenaufbau von
10 Mio. DM ausgegangen. Es soll sich um ein variables Passivgeschäft handeln, so daß
die Anlage dieser 10 Mio. gemäß der vorgegebenen Ablaufstruktur notwendig ist. Bei
der Veranlagung müssen die historischen Zinsen erzielt werden, damit der Bewertungszins unverändert bleibt:
Der Ausdruck in Abb. 2.9 zeigt die Berechnung für die Schicht mit 3 Jahren. Vorab
sind die Ist-Zinsen als Bewertungszins im Programm eingegeben. Es wird vereinfachend ohne Geld/Brief-Differenz gearbeitet.
Wie werden Cash-flow ermittelt?
85
Abbildung 2.10 Tilgungsfreie Darlehen *Strukt.kongr.*
Da in der Drei-Jahresschicht laut historischem Zins ein Zins von 6,75 % erzielt werden
muß, der aktuelle Zins aber bei 7,25 % liegt, kommt es bei unverändertem Bewertungszins zu einem Nutzen für die Disposition. Dieser Nutzen (32 535 DM) wird als
Ausgleichszahlung an den Marktbereich weitergegeben.
Die analoge Berechnung für alle Schichten bringt das Ergebnis in Tab. 2.8: Für den
Volumenaufbau von 10 Mio. DM würde also die Disposition wegen der weit über dem
Bewertungszins (6,5 %) liegenden Ist-Zinsen eine einmalige Ausgleichszahlung von
134 818 DM an den Marktbereich erbringen.
Die Wirkung der Ausgleichszahlung für den Marktbereich ist zielkonform:
Vereinbart ist das Halten des Volumens. Bei einem Passivprodukt hinkt in Zeiten
gestiegener Zinsen der Bewertungszins hinter dem aktuellen Zins her. Die Kunden erhalten – gemessen an aktuellen Marktzinsen – einen zu niedrigen Zins. Die Zinsanpassung erfolgt aber durch die gleitende Durchschnittsbildung noch in einem Ausmaß, das die Kunden nicht verärgert und nicht zu erheblichen Umschichtungen in
andere Produkte veranlaßt. Die Trägheit der Kunden entspricht gewissermaßen der
Trägheit der Zinsanpassung, so daß die Volumenskonstanz gewährleistet ist. Gelingt es
in dieser Situation dem Marktbereich, das Volumen zu steigern, liegt für die Bank ein
Gesamtnutzen vor, der höher ist als die Marge, die dem Marktbereich als Differenz
von Produktzins und Bewertungszins zugemessen wird. Folglich ist eine zusätzliche
Ausgleichszahlung an den Marktbereich angebracht.
86
Wertorientierte Steuerung des Zinsänderungsrisikos
Tabelle 2.8
Historischer
Zins (4 Jahre)
Ist-Zins
für die Schicht
Ausgleichszahlung
DM
1
6,00
8,00
46 296,30
2
6,25
7,50
55 986,22
3
6,75
7,25
32 535,65
4
7,00
7,00
0,00
Schicht
Restlaufzeit Jahre
Summe
134 818,17
Der Marktbereich kann die Ausgleichszahlung im Rahmen der absatzpolitischen
Überlegungen beliebig einsetzen, unter anderem für Werbemaßnahmen oder für eine
Anhebung des Zinses bei den Kunden.
Analoge Überlegungen in anderen Zinssituationen oder für Aktivprodukte zeigen, daß die Ausgleichszahlung stets zielkonform wirkt.
Allgemein ist für die Berechnung der Ausgleichszahlung die Kenntnis des historischen Zinses notwendig. Allerdings können im System der Ausgleichszahlungen die
historischen Volumina entfallen, da die Höhe der Ausgleichszahlung ausschließlich
vom Änderungsvolumen – nicht vom historischen Volumen – abhängig ist.
2.3.7
Integrierte Betrachtung von Bewertungszins und Bestandsänderung
Die bisherigen Überlegungen waren darauf abgestellt, unter der Prämisse eines konstanten Bestandes eine risikominimale Mischung gleitender Durchschnitte zu finden.
Angesichts von in der Realität schwankenden Beständen ist zur Abbildung des
Markterfolges die Berechnung von Ausgleichszahlungen notwendig.
Es könnte sein, daß die Volumensänderungen bei bestimmten Produkten so hoch
sind, daß durch die Ausgleichszahlung Ergebnisschwankungen im Markt auftreten,
die der Zielsetzung eines konstanten Marktergebnisses widersprechen.
Bei geplanten bzw. vom Marktbereich nicht beeinflußbaren Volumensveränderungen muß folglich für die Ermittlung einer geeigneten Mischung gleitender Durchschnitte folgende Zielfunktion in ihrer Schwankung minimiert werden:
Zielfunktion zur Ermittlung einer geeigneten Mischung gleitender
Durchschnitte:
Festlegung der Mischung aus gleitenden Durchschnitten derart, daß die Summe
aus laufenden Margen und den durch Volumensveränderungen bedingten Ausgleichszahlungen – also das Gesamtergebnis des Marktbereichs – möglichst konstant ist.
Wie werden Cash-flow ermittelt?
87
Für die Optimierung der Mischungsverhältnisse aus gleitenden Durchschnitten gelten
folgende Grundsätze:
1. Der gleitende Durchschnitt wird zunächst so bestimmt, daß ohne Berücksichtigung von Volumenschwankungen eine möglichst hohe Margenkonstanz erzielt
wird.
2. Werden hohe Volumenschwankungen festgestellt, ist durch die Ausgleichszahlungen die Ergebniskonstanz für den Marktbereich nicht mehr gegeben.
3. Die Ausgleichszahlungen fallen um so höher aus, je »länger« der Bewertungszins
gewählt wird, da längere Restlaufzeiten im Cash-flow höhere Kursschwankungen
bedeuten. Umgekehrt verringert ein »kürzerer« Bewertungszins die Ausgleichszahlungen. Beim Tagesgeld als Bewertungszins entfallen die Ausgleichszahlungen
vollständig. Es ist also nur sinnvoll, den Bewertungszins bei starken Volumenschwankungen – ausgehend vom Optimum ohne Volumenschwankungen – zu
verkürzen. In der Regel kann dadurch ein neues Optimum gefunden werden.
4. Weisen für ein Produkt zwei Mischungen von gleitenden Durchschnitten ohne
Berücksichtigung von Volumenschwankungen in etwa gleiche Margenkonstanz
auf, so sollte – auch bei geringerer durchschnittlicher Marge – der »kürzeren« Mischung der Vorrang gegeben werden. Dadurch können Volumenschwankungen
besser bewältigt werden.
5. Werden für zwei oder mehrere variable Produkte, die sich gegenseitig substituieren
können, in etwa ähnliche Mischungsverhältnisse gleitender Durchschnitte gefunden, so ist es sinnvoll, für diese Produkte ein einheitliches Mischungsverhältnis
festzulegen. Dadurch ist die Volumenskonstanz besser gewährleistet.1
Berechnungen, die Volumensveränderungen berücksichtigen, waren für die Pilotsparkassen nicht notwendig. Insbesondere im Sparbereich konnten mehrere Produkte mit
ähnlicher Zinsanpassungspolitik zu einer Produktgruppe mit einheitlichem Bewertungszins zusammengefaßt werden. In einigen Fällen wurde bei in etwa gleicher
1 In Sparkassen existieren häufig Spareinlagen mit unterschiedlicher Namensgebung, die sich durch Kündigungsfristen, nominale Ausstattung und absolute Höhe des Zinses (inkl. Bonus) unterscheiden. Das
Zinsanpassungsverhalten ist jedoch weitgehend gleich. Beispiele hierfür bilden
Sparbücher mit unterschiedlicher Kündigungsfrist,
Sparbücher mit dauerhafter Bonifizierung, deren Bonifizierungshöhe nicht vom Marktzinsniveau,
sondern von der bisherigen Anlagedauer oder dem Anlagevolumen abhängt, der sog. »flexible Sparplan«, abhängt,
der sog. »flexible Sparplan«.
Die Anlageformen konkurrieren weitgehend um ähnliche Anlagemotive, so daß es zu Volumensverschiebungen zwischen ihnen kommen kann, ohne das Gesamtvolumen wesentlich zu verändern. Teilweise löst
auch ein optisch »moderneres« Produkt ein »Altprodukt« ab, ohne substanziell an der Zinsanpassungspolitik etwas zu verändern. In diesen Fällen ist es wegen der dann höheren Volumenskonstanz günstiger,
für die jeweilige Produktgruppe einen einheitlichen Bewertungszins festzulegen.
88
Wertorientierte Steuerung des Zinsänderungsrisikos
Margenkonstanz der »kürzeren« Mischung der Vorrang gegeben. Angesichts dieser
Vorgehensweise konnten die beobachteten Volumenschwankungen vernachlässigt
werden.
2.4
Berücksichtigung von Kreditausfällen und Sondertilgungen
In diesem Abschnitt wird gezeigt, wie erwartete Abweichungen vom vertragsgemäßen
Zahlungsstrom bei der Ermittlung des Summen-Cash-flow der Bank berücksichtigt
werden können. Derartige Abweichungen können insbesondere durch zulässige Sondertilgungen und Kreditausfälle entstehen.
2.4.1
Grundsätzliche Überlegungen
Bei der Berücksichtigung erwarteter Abweichungen vom vertraglich vereinbarten
Zahlungsstrom muß zunächst unterschieden werden, ob es sich um ein Festzinsgeschäft oder ein Geschäft mit variabler Verzinsung im Sinn von Abschnitt 2.3 handelt.
Bei variablen Geschäften gehören Abweichungen von einem ursprünglichen Zahlungsplan zur Charakteristik des Geschäfts. Sie führen zu Volumensänderungen, die
bereits in Abschnitt 2.3.6 behandelt wurden. Insofern ist hier keine weitere Erläuterung notwendig.
Bei Festzinsgeschäften sind Änderungen im vereinbarten Zahlungsstrom grundsätzlich nicht mit den Eigenschaften von Festzinsgeschäften vereinbar. Dennoch lassen
sich Modifizierungen des ursprünglichen Geschäftes und damit auch des Zahlungsstroms nicht immer vermeiden. Je nach Ursache der Änderungen ist eine unterschiedliche Vorgehensweise angebracht:
(1) Sondertilgungen mit Anspruch auf Vorfälligkeitsentschädigung
Sofern Sondertilgungen im Vertrag nicht ausdrücklich zugelassen sind, hat die Bank
bei im Grundbuch gesicherten Festzinsgeschäften das Recht auf Vorfälligkeitsentschädigung1. Die Rechtsprechung geht dahin, daß die Bank so gestellt werden muß, als
wäre der Vertrag unverändert fortgeführt worden (»vorzeitige Erfüllung« durch Sondertilgung). Somit dürfen und müssen derartige Sondertilgungen bei der Aufstellung
des Summenzahlungsstroms nicht berücksichtigt werden. Einzelheiten zur Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung werden im Projektteil 2 erläutert.
1 Eine Ausnahme bilden Darlehen mit Zinsbindungen von mehr als 10 Jahren. Hier hat der Kunde ab dem
zehnten Jahr nach vollständiger Auszahlung mit dreimonatiger Kündigungsfrist das Recht auf Sondertilgung. Dieser Fall ist wie unter dem nachfolgenden Punkt (2) zu behandeln.
Wie werden Cash-flow ermittelt?
89
(2) Sondertilgung ohne Anspruch auf Vorfälligkeitsentschädigung; Ausübung nach
Zinssituation
Die Bank hat in zwei Fällen trotz Festzins keinen Anspruch auf Vorfälligkeitsentschädigung bei Sondertilgungen: Der erste Fall liegt vor, wenn die Bank trotz Sicherung
des Kredits im Grundbuch Sondertilgungen auf die Gesamtsumme oder Teilsummen
vertraglich geregelt zuläßt. Der zweite Fall liegt vor, wenn Kredite an natürliche Personen ohne beruflich bedingten Anlaß und ohne Sicherung im Grundbuch gegeben
werden, z. B. Konsumentenkredite. Hier kann der Kunde nach einer Kündigungssperrfrist von sechs Monaten mit einer Frist von drei Monaten kündigen.
In beiden Fällen handelt es sich um Optionsrechte des Kunden. Bei der Bewertung
der Optionsrechte muß danach unterschieden werden, ob der Kunde primär sein
Kündigungsrecht von der allgemeinen Zinssituation abhängig macht oder ob für den
Kunden in erster Linie seine eigene Liquiditätssituation ausschlaggebend ist. Der Fall
zinssituationsbezogener Sondertilgungen wird zuerst behandelt. Der Fall, daß der
Kunde Sondertilgungen hauptsächlich entsprechend seiner individuellen Liquidität
vornimmt, wird in Abschnitt (3) besprochen.
Bei rationalem Verhalten und entsprechendem Zugang zum Markt wird der Kunde
Sondertilgungen ausschließlich von der jeweils vorliegenden Zinssituation abhängig
machen: Er wird das Kündigungsrecht dann ausüben, wenn der Zins für eine neue
Kreditaufnahme niedriger ist als der Vertragszins. Ebenso wird er vorhandene Liquidität für Sondertilgungen verwenden, wenn der aktuelle Anlagezins unter dem Vertragszins liegt.1
In diesem Fall kann ein Sondertilgungsrecht wie eine Zinsoption bewertet werden.
Entsprechend müssen die vorliegenden Kündigungsrechte rechnerisch vom Vertrag
abgetrennt und gesondert bewertet werden. Der Summen-Cash-flow wird also so aufgestellt, als hätte der Kunde keine Sondertilgungsrechte. Die Sondertilgungsrechte
müssen z.B. im Optionsbuch der Bank erfaßt und nach eigenen Methoden entsprechend der Art der gewährten Option bewertet werden. Einzelheiten sind in Abschnitt
5.2 skizziert.
(3) Sondertilgung ohne Anspruch auf Vorfälligkeitsentschädigung,
statistisches Verhalten des Kunden
In vielen Fällen wird der Kunde rechtlich vorhandene oder zugebilligte Sondertilgungsrechte nur dann wahrnehmen, wenn er außerplanmäßig mehr Liquidität zur
Verfügung hat, als ursprünglich bei Kreditvergabe kalkuliert. Eine Sondertilgung aus
neu aufgenommenen Krediten ist wegen der wirtschaftlichen Situation des Kunden
unwahrscheinlich, die entsprechenden Beträge sind zu klein, oder der Kunde erkennt
diese Möglichkeit nicht. Er will vielmehr gespartes Geld oder außerplanmäßige Geld-
1 In beiden Fällen muß noch die steuerliche Situation berücksichtigt werden.
90
Wertorientierte Steuerung des Zinsänderungsrisikos
zuflüsse zur Sondertilgung verwenden. Dies geschieht weitgehend unabhängig von
der allgemeinen Zinssituation. Besonders bei Konsumentenkrediten leisten Kreditnehmer entsprechend der vorhandenen Liquidität Sondertilgungen bzw. lösen den
Vertrag bei unerwartetem Geldzufluß vollständig auf. Die allgemeine Zinssituation
spielt hierbei keine oder nur eine untergeordnete Rolle.
In diesen Fällen versagt die klassische Optionspreistheorie, da dort der Auslöser für
eine Ausübung der Option in der Zinssituation gesehen wird. Vielmehr ist ein statistischer Ansatz notwendig. Entsprechend der Höhe der statistisch erwarteten Sondertilgungen wird ein erwarteter Zahlungsstrom aufgestellt, der an die Stelle des Zahlungsstroms ohne Einbeziehung von Sondertilgungen tritt. Einzelheiten werden in
Abschnitt 2.4.2 erläutert.
(4) Kreditausfälle
Bei Unternehmenskrediten können Änderungen im Zahlungsplan durch Kreditausfälle ebenfalls als Optionsrecht interpretiert werden: Der Unternehmer hat das Recht,
der Bank sein Unternehmen zu übertragen. Er wird dies dann tun, wenn der Wert der
Unternehmung unter der Restschuld des Kredits liegt. Sinkt z. B. der Firmenwert
unter die Verschuldung der Firma, wird der Firmeninhaber der Bank seine Firma
überlassen und sich dadurch von den Schulden befreien.
Nach dieser Auffassung, bei der Kreditausfälle als Optionsrecht des Kunden betrachtet werden, wird das Optionsrecht entsprechend der Optionspreistheorie bewertet. Das Optionsrecht wird vom Zahlungsstrom abgetrennt und gesondert bewertet.
Der Zahlungsstrom wird ohne erwartete Ausfälle aufgestellt und fließt unverändert in
den Summenzahlungsstrom ein. Insofern deckt sich die Vorgehensweise mit der Vorgehensweise beim Sondertilgungsrecht mit Ausübung nach Zinssituation.
Die Interpretation und rechnerische Verarbeitung von Kreditausfällen als Optionsrecht des Kunden ist jedoch nur eine mögliche Vorgehensweise zur Erfassung des
Ausfallrisikos. Eine andere Möglichkeit ist die Anwendung statistischer Methoden.
Hierbei wird ein gemäß Wahrscheinlichkeit erwarteter Zahlungsstrom »nach Ausfallrisiko« ermittelt. Die entsprechende Vorgehensweise ist in Abschnitt 2.4.3 dargestellt.
2.4.2
Cash-flow bei Sondertilgung ohne Anspruch auf Vorfälligkeitsentschädigung und statistischem Verhalten des Kunden
Sind Sondertilgungen nur von der Liquiditätslage des Kunden abhängig, kann versucht werden, hierüber statistische Aussagen zu gewinnen. Hierbei ist es angebracht,
nach Kreditarten zu unterscheiden. Am Beispiel von Konsumentenkrediten soll die
Vorgehensweise erläutert werden.
Die Sparkasse soll statistisch ermittelt haben, daß bei 100 Mio. Gesamtbestand der
Konsumentenkredite jährlich 10 Mio. Sondertilgungen geleistet werden. Da weitere
Untersuchungen zu aufwendig sind, wird angenommen, daß sich diese Sondertilgun-
Wie werden Cash-flow ermittelt?
91
gen je Einzelvertrag gleichmäßig auf alle Jahre bzw. Monate der Laufzeit des Kredits
verteilen. Somit ist nicht der Anteil der Sondertilgungen an der Kreditsumme, sondern an der Ratenhöhe maßgeblich.
Bei einem Effektivzins von 10 % und einer vertragsgemäßen Kreditlaufzeit von
4 Jahren1 fallen für 100 Mio. Gesamtbestand monatlich 2 513711 DM an vertragsgemäßer Ratenhöhe an. Dies wäre – bei ausschließlich vierjähriger Laufzeit der Kredite – der Zahlungsstrom ohne Sondertilgungen. Da aber monatlich 10 Mio./12 =
833 333 DM an Sondertilgungen geleistet werden, beträgt die tatsächliche Ratenhöhe
3 347 044 DM pro Monat. Die Ratenhöhe ist also um 33,15 % höher als geplant.
Mit dieser neuen Ratenhöhe verkürzt sich die Laufzeit des Konsumentenkredits von
48 Monaten auf 34,24 Monate. Dies ist der Cash-flow der Konsumentenkredite nach
Sondertilgungen. Dieser Cash-flow wird in den Summenzahlungsstrom eingestellt.
Treffen die erwarteten Sondertilgungen ein, bleibt dies für das Treasury ohne Auswirkungen, da alle Maßnahmen (zinsänderungsrisikofreie Absicherung des Cash-flow
bzw. bewußtes Eingehen von Risiken) von Beginn an auf den Zahlungsstrom mit Sondertilgungen abgestellt wurden.
Bei Abweichungen in der tatsächlichen Höhe der Sondertilgungen von den geplanten Sondertilgungen müßten eigentlich Ausgleichszahlungen (Vorfälligkeitsentschädigung bzw. Vorfälligkeitsnutzen) zwischen Marktbereich und Treasury fließen. Die
entsprechende Datenhaltung und Berechnung ist jedoch in der Praxis in der Regel
nicht gegeben. Auch dürfte das Ausmaß der entsprechenden Zahlungen nicht wesentlich sein. Deshalb wird in der derzeitigen Praxis hierauf verzichtet.
2.4.3
Cash-flow bei Kreditausfällen auf statistischer Basis
Die Vorgehensweise zur Berücksichtigung von Kreditausfällen auf statistischer Basis
soll an zwei Beispielen erläutert werden.
Beispiel 1
Eine Bank vergibt ein tilgungsfreies gewerbliches Darlehen in Höhe von 100 000 DM
mit 3 Jahren Zinsbindung. Der Nominalzins sei 10 % bei jährlicher Zinszahlung.
Aus der Vergangenheit sollen im Wege statistischer Untersuchungen folgende Informationen über die Ausfallwahrscheinlichkeit bekannt sein:
Im ersten Jahr fallen mit 1% Wahrscheinlichkeit Darlehen aus, wobei 70 % des
Darlehens zurückgezahlt werden.
Von den im ersten Jahr nicht ausgefallenen Krediten fallen im zweiten Jahr 2 % aus,
wobei 60 % des Darlehens zurückgezahlt werden.
1 Die nachfolgende Berechnung mit nur einer Laufzeit von 4 Jahren ist nur beispielhaft zu verstehen. In der
Praxis ist es notwendig, nach verschiedenen vertragsgemäßen Laufzeiten zu differenzieren.
92
Wertorientierte Steuerung des Zinsänderungsrisikos
Von den im ersten und zweiten Jahr nicht ausgefallenen Krediten fallen im dritten
Jahr 2,5 % aus, wobei 50 % des Darlehens zurückgezahlt werden.
Die Zinsen werden bei Ausfall jeweils nicht bezahlt; alle Ausfälle werden vereinfachend am Jahresende angenommen.
Die folgende Tabelle 2.9 zeigt die Vorgehensweise zur Berechnung des Cash-flow nach
Ausfällen:
Tabelle 2.9
Wahrscheinlichkeit
Situation/
Ereignis
Nebenrechnung
Ergebnis
Ausfall im Jahr 1
0,01
0,010000
70 000,00
0,00
0,00
Ausfall im Jahr 2
0,99 0,02
0,019800
10 000,00
60 000,00
0,00
Ausfall im Jahr 3 0,99 0,98 0,025
0,024255
10 000,00
10 000,00
50 000,00
0,99 0,98 0,975
0,945945
10 000,00
10 000,00
110 000,00
Kein Ausfall
Summe
Erwarteter
Cash
Cash Jahr 1 Cash Jahr 2 Cash Jahr 3
1,000000
Mit Wahrscheinlichkeit
gewichteter Cash
Ausfall im Jahr 1
700,00
0,00
0,00
Ausfall im Jahr 2
198,00
1 188,00
0,00
Ausfall im Jahr 3
242,55
242,55
1 212,75
Kein Ausfall
9 459,45
9 459,45
104 053,95
Erwarteter Cash = Summe
10 600,00
10 890,00
105 266,70
Bei der Berechnung ist insbesondere die Art der Ermittlung der Wahrscheinlichkeit
für das Eintreten eines Ereignisses zu beachten. Die Berechnung wird für das Ereignis
»Ausfall im Jahr 3« erläutert:
Von den im ersten Jahr nicht ausgefallenen Krediten (Wahrscheinlichkeit 0,99) und
auch im zweiten Jahr nicht ausgefallenen Krediten (Wahrscheinlichkeit 0,98) beträgt
die Wahrscheinlichkeit für den Ausfall 0,025. Alle diese Wahrscheinlichkeiten müssen
multipliziert werden, um die Wahrscheinlichkeit zu bestimmen, mit der das Ereignis
»Ausfall im dritten Jahr« im Bezug zu allen möglichen Ereignissen auftritt. Mit dem
Ergebnis (Wahrscheinlichkeit 0,024255) wird der entsprechende Cash-flow multipliziert.
Im Ergebnis zeigt sich, daß der Cash-flow nach Ausfall nicht nur in der Summe kleiner, sondern auch erheblich nach vorne verlagert ist.
Wie werden Cash-flow ermittelt?
93
Das Beispiel 1 erfordert exakte Aufstellungen nicht nur über die Wahrscheinlichkeit
eines Ausfalls, sondern auch über die Höhe der dann noch zu erwartenden Zahlung.
Häufig liegen derartige Informationen nicht vor. Im folgenden Beispiel 2 soll aus statistischen Unterlagen nur ablesbar sein, daß pro Jahr 1% der Kreditsumme durch
Ausfälle verlorengeht. Die Zinsen sollen hierbei im Gegensatz zu Beispiel 1 noch bezahlt werden.
Beispiel 2
Tilgungsfreies Darlehen wie in Beispiel 1.
Kreditausfall pro Jahr 1% der Restschuld.
Die Zinsen werden im Jahr des Ausfalls noch bezahlt.
Im ersten Jahr fallen mit 1% Wahrscheinlichkeit Darlehen aus, wobei 70 % des
Darlehens zurückgezahlt werden.
Analog zur Berechnung in Beispiel 1 zeigt Tabelle 2.10 das Ergebnis.
Tabelle 2.10
Wahrscheinlichkeit
Situation/
Ereignis
Nebenrechnung
Ergebnis
Ausfall im Jahr 1
0,01
0,010000
10 000,00
0,00
0,00
Ausfall im Jahr 2
0,99 0,01
0,009900
10 000,00
10 000,00
0,00
0,009801
10 000,00
10 000,00
10 000,00
0,970299
10 000,00
10 000,00
110 000,00
Ausfall im Jahr 3 0,99 0,99 0,01
Kein Ausfall
0,99 0,99 0,99
Summe
Erwarteter
Cash
Cash Jahr 1 Cash Jahr 2 Cash Jahr 3
1,000000
Mit Wahrscheinlichkeit
gewichteter Cash
Ausfall im Jahr 1
100,00
0,00
Ausfall im Jahr 2
99,00
99,00
0,00
Ausfall im Jahr 3
98,01
98,01
98,01
9 702,99
9 702,99
106 732,89
10 000,00
9 900,00
106 830,90
Kein Ausfall
Erwarteter Cash = Summe
0,00
Es ist also im Beispiel keinesfalls so, daß Cash-flow durch die Kreditausfälle gleichmäßig um 1000 DM pro Jahr reduziert wird. Wiederum ist eine Verlagerung des Cashflow nach »vorne« zu beobachten.
Eine gleichmäßige Kürzung des Cash-flow um die erwartete Ausfallwahrscheinlichkeit kann lediglich als Näherung für dispositive Zwecke angesehen werden.
94
Wertorientierte Steuerung des Zinsänderungsrisikos
Abschließende Bemerkungen
Insgesamt ist nicht damit zu rechnen, daß durch Sondertilgungen und Kreditausfälle
der Summenzahlungsstrom der Bank derart verändert wird, daß sich für die Beurteilung des Zinsänderungsrisikos und der gegebenenfalls zu treffenden Maßnahmen wesentliche Unterschiede ergeben. Deshalb werden derzeit in der Praxis Sondertilgungen
und Kreditausfälle bei der Ermittlung des Summenzahlungsstroms überwiegend
nicht berücksichtigt.
2.5
Welche Bilanzpositionen werden nicht in Cash-flow umgesetzt?
Wie in Kapitel 1 erläutert, liegt der besondere Vorteil der Abbildung von Produkten
durch Cash-flow in der Möglichkeit, Barwerte von Cash-flow zu berechnen und Aussagen über die Reaktion dieser Barwerte auf Zinsänderungen zu gewinnen. Wo aber
Barwerte von Produkten direkt gegeben sind oder die Veränderung dieser Barwerte
wesentlich von anderen Einflußgrößen als dem Zinsniveau abhängt, ist die Bildung
von Cash-flow nicht sinnvoll.
Immobilien, Aktien
Die Risiken in diesen Bereichen hängen zwar in gewissem Ausmaß von der allgemeinen
Zinsentwicklung ab, doch ist diese Einflußgröße von untergeordneter Bedeutung. Die
Gewinnschwankungen bzw. Vermögensschwankungen von Aktienanlagen oder Anlagen in Immobilien können nur unzureichend aus der Zinsentwicklung erklärt werden.
Also ist eine Umsetzung in einen Zahlungsstrom – die primär zur Analyse der Einflußgröße »Zins« auf das Ergebnis dient – nicht sinnvoll. Vielmehr werden die Positionen einzeln mit jeweiligen Marktpreisen und Marktvolatilitäten bewertet.
Beteiligungen
Sofern aus Beteiligungen vertraglich ein fester Zahlungsstrom fließt, sind diese wie
Festzinsen (gegebenenfalls mit Optionsrechten) zu behandeln. Handelt es sich hingegen um Beteiligungen, bei denen die Ausschüttung vom Gewinn abhängt, so werden
die Beteiligungen als eigene Vermögensposition geführt. Die Umsetzung in einen
Cash-flow unterbleibt in diesem Fall.
Andere Bilanzpositionen
Auch alle anderen Bilanzpositionen wie z. B. Rückstellungen für Ausfälle und Pensionsrückstellungen werden nicht in Cash-flow umgesetzt. Entweder sind diese Positionen nur Gegenpositionen für die andere Bilanzseite und werden entsprechend dort
real berücksichtigt (z. B. sind die Pensionsrückstellungen als Teil des Vermögens angelegt), oder die Position drückt unmittelbar ein erwartetes Risiko aus, das bei der Vermögensermittlung zu berücksichtigen ist.
Wie werden Cash-flow ermittelt?
95
Eigenkapital
Das bilanzielle Eigenkapital ist eine Kunstgröße, die nicht das wirkliche Vermögen der
Bank widerspiegelt. Aus diesem Grund ist es nicht zielführend, etwa über die Gewinnansprüche der Eigentümer einen Cash-flow zu konstruieren.
Unprodukte
Unprodukte sind Produkte, die im System der Marktzinsmethode nicht kalkulierbar
sind (z. B. Zinsbindung an Diskontsatz).
Über die Erfassung von »Unprodukten« können keine generellen Aussagen gemacht werden. Im Einzelfall muß eine Lösung gefunden werden, die das Risiko möglichst gut abbildet.
Gegebenenfalls ist eine separate Erfassung und Beurteilung angebracht, vor allem
wenn die Unprodukte stark mit Optionen verwoben sind.
Optionen
Der Wert von Optionen hängt je nach Art der Option von unterschiedlichsten Einflußgrößen ab. Diese Einflußgrößen müssen systematisiert und in ihrer Auswirkung
auf den Optionspreis analysiert werden.
Einen Spezialfall bilden Optionen im Zinsbereich. Hier ist der Optionspreis zwar in
jedem Fall zinsabhängig, doch ist der Zins nicht die einzige Einflußgröße auf den Wert
der Option. Dieser wird wesentlich auch durch die Volatilität der Zinsen und die Restlaufzeit bis zum Verfallsdatum beeinflußt.
Die hilfsweise Abbildung von Zinsoptionen als Cash-flow – die so aufgebaut werden, daß die Reaktion auf die Zinsänderung abgebildet wird – kann also nur als grobe
Näherung gelten.
Optionen müssen in ihrer Preisentwicklung simuliert werden. Die dort erzielten
Ergebnisse werden selbstverständlich zwingend mit den Simulationsergebnissen für
die Barwerte der Cash-flow (und anderen Simulationsergebnissen) zusammengeführt, wobei die jeweils gemeinsam betrachteten Szenarien konsistent konstruiert sein
müssen.
Lösungen für Optionen im Rahmen eines statistischen Value-at-Risk-Modells würden den Rahmen dieser »Machbarkeitsstudie« sprengen.
Produkte, die mit Optionen gekoppelt sind
Viele gängige Produkte des täglichen Bankgeschehens sind mit Optionen gekoppelt.
Beispiele hierfür sind:
Sondertilgungsrechte bei Festzinsprodukten während der Zinsbindungsdauer ohne
Vorfälligkeitsentschädigung.
Kündigungsrechte bei Festzinsprodukten auf der Passivseite (z. B. »Bundesschatzbriefe«).
96
Wertorientierte Steuerung des Zinsänderungsrisikos
Festhalten der Kreditkondition für eine bestimmte Frist mit Abnahmerecht des
Kunden (»Annahmeoption«).
Kreditrahmen mit Festzins und freiem Abruf und Rückzahlungsrecht.
Schließlich kann auch das Ausfallrisiko als ein Optionsrecht des Kunden interpretiert
werden: Der Kunde dient das besicherte Objekt (bzw. die Firma) an, wenn der Wert
des Objekts bzw. der Firma unter der Schuldensumme liegt.
Bei allen Produkten, die mit Optionsrechten ausgestattet sind, müssen die entsprechenden Rechte vom Produkt abgetrennt und separat bewertet werden. Bei Produkten
des Zinsgeschäfts wird also der Cash-flow so dargestellt, als wäre das Optionsrecht
nicht vorhanden.
Die so abgetrennten Optionsrechte werden wie reine Optionen (siehe oben) behandelt.
Einbeziehung von ausgabewirksamen Kosten und Investitionen?
Zielsetzung bei der Bildung des Summenzahlungsstroms ist es, die Einflüsse von Zinsänderungen auf den Wert des Zahlungsstromes zu analysieren und hieraus sinnvolle
Maßnahmen zur Veränderung des Zahlungsstromes zu entwickeln. Zukünftige Einnahmen und Ausgaben, die nicht durch das Zinsgeschäft bedingt sind, wirken aber auf
diesen Zahlungsstrom ebenso ein wie Einnahmen und Ausgaben aus dem Zinsgeschäft.
Folglich sollten nach Möglichkeit wesentliche Ausgaben für Investitionen (z. B.
Neubau von Filialen, betriebliche Investitionen mit wesentlicher Ausgabensumme)
sowie heute bereits bekannte Ausschüttungen bzw. Kapitalzuführungen ebenfalls in
den Summenzahlungsstrom einbezogen werden.
Bei den Pilotsparkassen wurden die laufenden Kosten wegen des Arbeitsaufwandes
nicht in den Cash-flow einbezogen. Wesentliche Investitionen wurden – sofern geplant – berücksichtigt.
Fraglich ist grundsätzlich, ob sich die Berücksichtigung der laufenden ausgabewirksamen Kosten (z. B. Gehaltszahlungen, Mieten, Ausgaben für Material etc.) lohnt.
Hierbei muß bedacht werden, daß die laufenden Kosten der Zukunft nicht nur aus
dem heutigen Ist-Geschäft bestritten werden können, sondern vom Folgegeschäft
mitgetragen werden müssen. Folglich müssen die genannten Kosten in der Zukunft
nicht in vollem heutigen Ausmaß, sondern nur anteilig berücksichtigt werden. Einfach
zu realisieren ist ein gleichmäßiger Abbau der Kosten in einer bestimmten Zeitspanne,
betriebswirtschaftlich sinnvoller ist ein Abbau der Kosten entsprechend dem Abbau
des Kapitals der Aktiv- und Passivseite.
Für die Einbeziehung der laufenden Kosten spricht die höhere Genauigkeit bei der
Bestimmung des Zinsänderungsrisikos. Gleichzeitig werden wichtige Daten für die
Gelddisposition gewonnen.
Gegen die Einbeziehung sprechen der erhöhte Arbeitsaufwand und die Unsicherheit darüber, wie der vorhandene Kostenblock rechnerisch abgebaut werden soll.
Wie werden Cash-flow ermittelt?
97
Diese Fragestellungen können sukzessive im Rahmen der Einführung des hier vorgestellten Konzepts Berücksichtigung finden.
Die Integration der einzelnen Vermögensbereiche wird im Abschnitt 5.3: »Sonstige
Vermögensbestandteile – die Bank als Portfolio« diskutiert.
2.6
Der Summen-Cash-flow – Beispielsparkasse
Das nachfolgende Beispiel soll für eine fiktive Sparkasse die vorausgehenden Überlegungen zur Ermittlung des Cash-flow verdeutlichen. Der so erzeugte Cash-flow wird
in späteren Kapiteln durchgehend verwendet. Zur besseren Übersicht werden teilweise Vereinfachungen vorgenommen; insbesondere werden nicht alle Bilanzpositionen
detailliert aufgeführt.
Die Beispielsparkasse soll am Stichtag 30.12.96 folgende Bilanzstruktur (Tabelle
2.11) aufweisen:
Tabelle 2.11 Bilanz per 30. 12. 96
Aktiva
Passiva
Position
Mio.
Position
Mio.
Darlehen an Kunden mit Festzins
1 750
Einlagen von Kunden mit Festzins 2 000
(inkl. Termingeld), Refinanzierungen mit Festzins bei Banken
Depot A
1 000
Darlehen an Kunden mit
variablem Zins
150
Spareinlagen
750
KK-Soll
400
KK-Haben
350
Zwischensumme Zinsgeschäft
3 300
3 100
Aktien
10
Rückstellungen
200
Beteiligungen
80
Eigenkapital
(gesetzliche und freie Rücklagen)
200
Sonstiges (z. B. Inventar)
10
Immobilien
100
Bilanzsumme
3 500
2.6.1
3 500
Cash-flow der Festzinspositionen
Wie in 2.1 erläutert, kann der Cash-flow des Festzinsgeschäfts mit Hilfe der Zinsbindungsbilanz ermittelt werden. Die Tabelle 2.12 zeigt die entsprechende Auswertung.
98
Wertorientierte Steuerung des Zinsänderungsrisikos
Tabelle 2.12 Zinsbindungsbilanz und Cash-flow der Festzinsgeschäfte
Kundengeschäft
Festzins
Aktiv Depot A
Passiv
Festzins Gesamtsumme
Festzins
(Kunden und Interbanken) (Überhänge Aktiv – Passiv)
Mon. Stand Zins
Tilg.
Zins
Stand Zins
Tilg.
Zins
Stand Zins
Tilg.
Zins
Stand Tilg.
Zins
Cash
Mio.
Mio.
Mio.
Mio.
Mio.
Mio.
Mio.
Mio.
Mio.
Mio.
Mio.
Mio.
%
%
1 000 6,75
%
2 000 6,10
Mio.
0
1 750 6,90
0
0
0
0
0
0
750
0 0
0
6
1 550 6,90 200
57
900 6,75 100
32
1 500 6,30 500
54
950
– 200 35
– 165
12
1 400 6,89 150
51
800 6,75 100
29
1 250 6,30 250
43
950
0 36
36
18
1 250 6,88 150
46
700 6,74 100
25
1 100 6,25 150
37
850
100 34
134
24
1 100 6,87 150
40
600 6,73 100
22
950 6,25 150
32
750
100 30
130
30
950 6,86 150
35
500 6,72 100
18
800 6,25 150
27
650
100 26
126
36
800 6,85 150
30
400 6,71 100
15
650 6,25 150
23
550
100 22
122
42
650 6,84 150
25
300 6,70 100
12
500 6,25 150
18
450
100 19
119
48
500 6,85 150
20
250 6,68
50
9
350 6,25 150
13
400
50 16
66
54
350 6,86 150
15
200 6,66
50
8
250 6,25 100
9
300
100 13
113
60
200 6,87 150
9
200 6,66
0
7
220 6,25
30
7
180
120 9
129
66
150 6,88
50
6
150 6,64
50
6
180 6,30
40
6
120
60 6
66
72
100 6,89
50
4
100 6,62
50
4
150 6,30
30
5
50
70 3
73
78
50 6,90
50
3
80 6,60
20
3
100 6,30
50
4
30
20 2
22
84
50 6,91
0
2
50 6,58
30
2
75 6,30
25
3
25
5 1
6
90
50 6,92
0
2
50 6,56
0
2
75 6,30
0
2
25
0 1
1
96
30 6,93
20
1
20 6,54
30
1
50 6,30
25
2
0
25 1
26
102
30 6,94
0
1
20 6,52
0
1
50 6,30
0
2
0
0 0
0
108
30 6,95
0
1
20 6,50
0
1
50 6,30
0
2
0
0 0
0
114
10 6,96
20
1
0 6,48
20
0
0 6,30
50
1
10
– 10 0
– 10
120
0 6,97
10
0
0 6,46
0
0
0 6,30
0
0
0
10 0
10
Erläuterungen
Die weißen Felder können der Zinsbindungsbilanz entnommen werden. Die schattierten Felder sind Berechnungsergebnisse.
Der besseren Übersichtlichkeit halber wird mit einem Raster von sechs Monaten
gearbeitet. In der Praxis sollte – zumindest in den ersten Jahren – nach Möglichkeit
ein engeres Raster verwendet werden. Die Möglichkeiten hierzu hängen von der
Qualität der Zinsbindungsbilanz ab. Ergebnisse zur Qualität der vorliegenden Zinsbindungsbilanzen können dem Anhang entnommen werden.
Wie werden Cash-flow ermittelt?
99
Im Gegensatz zur Berechnung in Abschnitt 2.1 wird hier der Zins in DM aus dem
Mittelwert der Kapitalstände und aus dem gemittelten Zins berechnet. Beispielsweise errechnet sich der Zins für Depot A zum Zeitpunkt 66 Monate aus einem
Kapital von 175 Mio. (Mittelwert von 200 und 150) sowie einem Zins von 6,65 %
(Mittelwert von 6,66 und 6,64).
2.6.2
Cash-flow der variablen Positionen
Für die variablen Geschäfte wird unterstellt, daß mit Hilfe der in 2.3 beschriebenen
Methoden die in Tabelle 2.13 dargestellten Mischungsverhältnisse festgestellt wurden:
Tabelle 2.13
Produkt
Mischungsverhältnis
gleitender Zinsen
Aktueller Produktzins
%
Variable Darlehen an Kunden
60% gleitend 1 Jahr
40% gleitend 10 Jahre
6,00
Kontokorrent Soll
10 % 1 Monat
10% gleitend 3 Monate
80% gleitend 1 Jahr
8,25
Spareinlagen
15% gleitend 3 Monate
15% gleitend 1 Jahr
35% gleitend 5 Jahre
35% gleitend 10 Jahre
2,75
Kontokorrent Haben
20% gleitend 5 Jahre
80% gleitend 10 Jahre
0,50
Die Mischungsverhältnisse weichen damit teilweise erheblich von den festgestellten
Mischungsverhältnissen auf Basis der Daten der Bundesbank ab. Dies wird besonders
an den Spareinlagen sichtbar. Während in Abschnitt 2.3.4 für Spareinlagen nur ein
Anteil von 5% des »gleitenden 3-Monatszinses« und von 75 % des »gleitenden 10Jahreszinses« ermittelt wurde, ist hier ein erheblich »kürzeres« Mischungsverhältnis
gewählt. Dies wurde bei den Pilotsparkassen in ähnlicher Form beobachtet. Die Ursache hierfür ist sowohl eine höhere historisch festgestellte Zinsschwankung als auch
die Befürchtung mangelnder Volumenskonstanz.
An dieser Stelle sei nochmals angeführt, daß die Pilotsparkassen untereinander
unterschiedliche Mischungsverhältnisse aufwiesen. Dies verdeutlicht, daß in
der Praxis die »richtigen« Mischungsverhältnisse von jeder Sparkasse individuell ermittelt werden müssen. Eine Übernahme von Analyseergebnissen, unabhängig davon, ob diese von anderen Häusern oder auf aggregierter Ebene ermittelt wurden, kann zu Fehlsteuerungen führen.
100
Wertorientierte Steuerung des Zinsänderungsrisikos
Aus den Mischungsverhältnissen, dem Startvolumen und dem Startzins läßt sich folgender Cash-flow, wie in den Tabellen 2.14 und 2.15 dargestellt, für die variablen Geschäfte ermitteln:
Tabelle 2.14 Variable Aktiva
Mon.
Nr.
0
6
12
18
24
30
36
42
48
54
60
66
72
78
84
90
96
102
108
114
120
Variable Darlehen an Kunden
Stand Zins Tilg. Zins
Mio. %
Mio. Mio.
150
6,00
0
0
102
6,00
48
4
54
6,00
48
2
51
6,00
3
2
3
48
6,00
1
3
45
6,00
1
3
42
6,00
1
3
39
6,00
1
3
36
6,00
1
3
33
6,00
1
3
30
6,00
1
3
27
6,00
1
3
24
6,00
1
3
21
6,00
1
3
18
6,00
1
3
15
6,00
0
12
6,00
3
0
9
6,00
3
0
6
6,00
0
3
3
6,00
0
3
6,00
0
0
3
Kontokorrent Soll
Stand Zins Tilg.
Mio. %
Mio.
400
8,25
0
160
8,25
240
0
8,25
160
0
8,25
0
0
0
8,25
0
0
8,25
0
0
8,25
0
0
8,25
0
0
8,25
0
0
8,25
0
0
8,25
0
0
8,25
0
0
8,25
0
0
8,25
0
0
8,25
0
0
8,25
0
8,25
0
0
8,25
0
0
8,25
0
0
8,25
0
0
8,25
0
Zins
Mio.
0
12
3
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
Summe variable Aktiva
Stand Tilg. Zins Cash
Mio. Mio. Mio. Mio.
550
0
0
0
262
288
15
303
54
208
6
214
51
3
2
5
3
48
4
1
45
3
4
1
42
3
4
1
39
4
3
1
36
4
3
1
33
4
3
1
30
4
3
1
27
4
3
1
24
4
3
1
21
4
3
1
18
4
3
1
15
3
3
0
12
3
3
0
9
3
3
0
6
3
3
0
3
3
3
0
0
3
3
0
Wie werden Cash-flow ermittelt?
101
Tabelle 2.15 Variable Passiva
Mon.
Nr.
0
6
12
18
24
30
36
42
48
54
60
66
72
78
84
90
96
102
108
114
120
Spareinlagen
Stand Zins
Mio. %
750
2,75
2,75
542
2,75
446
2,75
407
2,75
368
2,75
328
2,75
289
2,75
249
2,75
210
2,75
171
2,75
131
2,75
118
2,75
105
2,75
92
2,75
79
2,75
66
2,75
53
2,75
39
2,75
26
2,75
13
2,75
0
Tilg.
Mio.
0
208
96
39
39
39
39
39
39
39
39
13
13
13
13
13
13
13
13
13
13
Zins
Mio.
0
9
7
6
5
5
4
4
3
3
2
2
2
1
1
1
1
1
0
0
0
Kontokorrent Haben
Stand Zins Tilg.
Mio. %
Mio.
350
0,50
0
0,50
329
21
0,50
21
308
0,50
21
287
0,50
21
266
0,50
21
245
0,50
21
224
0,50
21
203
0,50
21
182
0,50
21
161
0,50
21
140
0,50
14
126
0,50
14
112
0,50
14
98
0,50
14
84
0,50
14
70
0,50
14
56
0,50
14
42
0,50
14
28
0,50
14
14
0,50
14
0
Zins
Mio.
0
1
1
1
1
1
1
1
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
Summe variable Passiva
Stand Tilg. Zins Cash
Mio. Mio. Mio. Mio.
1100
0
0
0
239
871 229
10
124
754 117
8
67
694
60
7
66
60
6
634
66
60
5
573
65
60
5
513
65
60
4
452
64
60
4
392
63
60
3
332
63
60
2
271
29
27
2
244
29
27
2
217
29
27
2
190
29
27
1
163
28
27
1
136
28
27
1
109
28
27
1
81
28
27
1
54
27
27
0
27
27
27
0
0
Erläuterungen
Die weißen Felder sind Eingabefelder. Die schattierten Felder sind Berechnungsergebnisse, die sich aus dem angenommenen Mischungsverhältnis für die gleitenden
Durchschnitte ergeben. Die Rechenlogik hierzu wurde in Abschnitt 2.3.5 dargestellt.
Der besseren Übersichtlichkeit halber wird mit einem Raster von sechs Monaten
gearbeitet. In der Praxis sollte bzw. kann problemlos mit einem monatlichen Raster
gerechnet werden.
Im Gegensatz zur Berechnung in Abschnitt 2.3.5 wird hier der Zins in DM aus dem
Mittelwert der Kapitalstände (und aus dem gemittelten Zins) berechnet. Ferner
wird vereinfachend eine halbjährliche Fälligkeit der Zinsen unterstellt.
102
2.6.3
Wertorientierte Steuerung des Zinsänderungsrisikos
Summen-Cash-flow und Zinsüberschuß aus Ist-Geschäft
Die Gesamtsumme über alle Positionen der Bank ergibt sich aus Tabelle 2.16.
Tabelle 2.16
Mon.
Nr.
0
6
12
18
24
30
36
42
48
54
60
66
72
78
84
90
96
102
108
114
120
Überhang Festzins
Variable Aktiva
Tilg.
Mio.
0
–200
0
100
100
100
100
100
50
100
120
60
70
20
5
0
25
0
0
–10
0
Tilg.
Mio.
0
288
208
3
3
3
3
3
3
3
3
3
3
3
3
3
3
3
3
3
3
Zins
Mio.
0
35
36
34
30
26
22
19
16
13
9
6
3
2
1
1
1
0
0
0
0
Cash
Mio.
0
–165
36
134
130
126
122
119
66
113
129
66
73
22
6
1
26
0
0
–10
10
Zins
Mio.
0
15
6
2
1
1
1
1
1
1
1
1
1
1
1
0
0
0
0
0
0
Variable Passiva
Cash
Mio.
0
303
214
5
4
4
4
4
4
4
4
4
4
4
4
3
3
3
3
3
3
Tilg. Zins
Mio. Mio.
0
0
229 10
8
117
7
60
6
60
5
60
5
60
4
60
4
60
3
60
2
60
2
27
2
27
2
27
1
27
1
27
1
27
1
27
1
27
0
27
0
27
Überhang Total
(Aktiv – Passiv)
Cash Tilg. Zins Cash
Mio. Mio. Mio. Mio.
0
0
0
0
239 –141 40
–101
124
91 34
126
67
43 29
72
66
43 26
68
66
43 22
65
65
43 19
62
65
43 16
58
64
– 7 13
6
63
43 11
53
63
7
63
70
29
4
36
40
29
2
46
48
29
1
– 4
– 3
29
0
–19
–19
28
0
–24
–24
28
0
1
1
28
0
–24
–24
28
0
–24
–24
27
0
–34
–34
27
0
–14
–14
Die Gesamtübersicht in Abb. 2.11 zeigt deutlich, daß die ausschließliche Erfassung des
Festzinsgeschäfts für die Ermittlung des Gesamtzahlungsstroms und damit des
Zinsänderungsrisikos nicht ausreicht. Nur durch Einbeziehung des Zahlungsstromes
der variablen Positionen wird z. B. deutlich, daß die Sparkasse im Bereich ab 6,5 Jahren Passiv-Überhänge ausweist. Diese sind im wesentlichen durch die variablen Passiva bedingt. Man beachte, daß es zum vorliegenden Ergebnis kommt, sogar wenn im
Beispiel die Spareinlagen gegenüber den allgemein auf Basis von Bundesbankdaten ermittelten Mischungsverhältnissen deutlich »kürzer« bewertet werden.
Das Vorliegen von Passiv-Überhängen in den »längeren« Fristen war für alle untersuchten Sparkassen grundsätzlich typisch, wobei Ausmaß und Beginn des PassivÜberhanges unterschiedlich ausfielen. Als Ursachen hierfür können folgende Gründe
genannt werden:
Wie kann mit Cash-flow gesteuert werden?
103
Abbildung 2.11
150
100
50
0
–50
–100
–150
–200
Juni Dez Juni Dez Juni Dez Juni Dez Juni Dez Juni Dez Juni Dez Juni Dez Juni Dez Juni Dez
97 97 98 98 99 99 00 00 01 01 02 02 03 03 04 04 05 05 06 06
Gesamt-Cash-flow
variable Positionen
Festzinspositionen
Sparkassen sind im Kundengeschäft mit Zinsbindungen ab fünf Jahren traditionell
eher zurückhaltend. Im Passivbereich sind langlaufende Sparbriefe unüblich. Darlehen mit Zinsbindungen von mehr als 5 Jahren werden teilweise an Landesbanken vermittelt. Bei eigener Vergabe von Darlehen mit langen Zinsbindungen werden diese
häufig am Interbankenmarkt entsprechend refinanziert.
Die Cash-flow der Festzinsgeschäfte mit Kunden sind entsprechend im Bereich von
über 5 Jahren weitgehend ausgeglichen.
Das Depot A weist in der derzeitigen Niedrigzinsphase in Erwartung steigender
Zinsen ebenfalls wenige »lange« Restlaufzeiten auf.
Die variablen Aktiva weisen häufig »kürzere« Mischungsverhältnisse als die variablen Passiva auf. Insbesondere die Spareinlagen und die Sichteinlagen können wegen
der trägen Zinsanpassung bei entsprechender Volumenskonstanz als längerfristige
Mischungen gleitender Durchschnitte abgebildet werden. Dadurch kommt es insgesamt zu dem beobachteten Passiv-Überhang in den längeren Fristen.
3
Wie kann mit Cash-flow gesteuert werden?
In diesem Kapitel werden die verschiedenen Methoden, mit Hilfe von Cash-flow die
Bank ergebniswirksam zu steuern, erläutert. Im Zentrum aller Methoden steht hierbei
die Berechnung des Vermögens, das im Zinsgeschäft der Bank gebunden ist. Hiervon
ausgehend sind barwertige Analysen und Analysen auf einen Planungshorizont mög-
104
Wertorientierte Steuerung des Zinsänderungsrisikos
lich. Bei barwertigen Analysen wird untersucht, wie sich eine schockartige Zinsänderung am Interbankenmarkt auf das Vermögen auswirkt (»Over-night«-Veränderung).
Bei Analysen auf Planungshorizont wird die durch Zeitablauf und Zinsänderungen
induzierte Vermögensänderung innerhalb eines Zeitraums ermittelt. Während die
barwertige Analyse Auskunft über das eingegangene aktuelle Risiko (»Over-night«Risiko) gibt, liefert die Analyse auf Planungshorizont das eingegangene Risiko und
den damit erzielten bzw. erzielbaren Erfolg bis zu einem definierten Stichtag.
Durch Maßnahmen zur Veränderung des Cash-flow oder sonstige dispositive Maßnahmen kann das berechnete barwertige Risiko verändert werden. Ebenso können
durch entsprechende Maßnahmen sowohl Ergebnis wie Ergebnisschwankung am Planungshorizont verändert und damit Ergebnis und Risiko der Bank bewußt gesteuert
werden.
Abschließend wird gezeigt, wie mit Hilfe von Cash-flow bzw. der in ihnen enthaltenen Zinsen der Zinsüberschuß der Bank prognostiziert werden kann.
3.1
Vermögen im Zinsgeschäft
3.1.1
Grundsätzliche Überlegungen
Der Summen-Cash-flow zeigt, zu welchen Zeitpunkten welche Zahlungen per Saldo
aus der Bank fließen oder an die Bank zurückfließen. Diese Zahlungen können bzw.
müssen von der Bank mit neuen Zinsen wieder angelegt bzw. refinanziert werden.
Strukturkongruente Refinanzierung von neuen Geschäften
Bereits in Kapitel 1 (Abschnitt 1.1.2.3) wurde der Begriff der »strukturkongruenten
Refinanzierung« für ein neu abgeschlossenes Einzelgeschäft eingeführt.1 Hierbei werden zu einem Geschäft Gegengeschäfte so abgeschlossen, daß sich alle zukünftigen
Zahlungen aus dem Geschäft und den Gegengeschäften gegenseitig aufheben. Nur am
Ist-Zeitpunkt – dem Kalkulationsdatum – bleibt eine positive oder negative Differenz
bestehen, die als Margenbarwert den Totalgewinn oder Totalverlust (ohne Kosten) aus
dem Geschäft anzeigt.
Die entsprechende Berechnung eignet sich hervorragend zur Bewertung bzw. Kalkulation von neu abzuschließenden Geschäften.2 Werden die entsprechenden Gegengeschäfte der »strukturkongruenten Refinanzierung« real durchgeführt, liegt der
Margenbarwert als Kassenzufluß (bzw. Kassenabfluß) tatsächlich vor. Das Zinsände-
1 Der Begriff »strukturkongruente Refinanzierung« wird nicht nur für Aktivgeschäfte, sondern auch für
Passivgeschäfte angewandt. Dort müßte eigentlich korrekt von »strukturkongruenter Anlage« gesprochen werden.
2 Einzelheiten werden im Projektteil 2 diskutiert.
Wie kann mit Cash-flow gesteuert werden?
105
rungsrisiko ist ausgeschlossen, wenn man von der Notwendigkeit, den Margenbarwert
wieder anzulegen, absieht.
Wird das Geschäft von der Sparkasse nicht refinanziert (Verwendung von Eigenkapital) oder nicht strukturkongruent refinanziert, so bleibt für die Gesamtbank ein
Zinsänderungsrisiko bzw. eine Zinsänderungschance. Der hieraus entstehende negative oder positive Zusatzerfolg wird als »Fristentransformationsbeitrag« oder »Strukturbeitrag« bezeichnet. Zu beachten ist, daß hierin auch ein eventueller Erfolg aus der
Anlage des Eigenkapitals1 enthalten ist.
Der »Fristentransformationsbeitrag« sollte nicht dem Geschäft selbst bzw. dem
Marktbereich, der das Geschäft abgeschlossen hat, zugerechnet werden. Diese Erfolgskomponente wird durch die Stelle, die das Zinsänderungsrisiko der Bank
steuert bzw. das Vermögen der Bank anlegt, verantwortet.
Je nach Organisationsstruktur und -bezeichnung sind hierfür die »Zentraldisposition«, das »Treasury«, der Vorstand selbst oder mehrere Institutionen verantwortlich.2
Im folgenden soll hierfür vom »Treasury« gesprochen werden. Entsprechend muß der
Erfolg diesen Stellen zugeordnet werden.
Es wird ausdrücklich darauf hingewiesen, daß Einzelgeschäfte in aller Regel nicht
sofort strukturkongruent refinanziert werden. Einerseits ist dies von der Größenordnung der Geschäfte her häufig unmöglich, andererseits will die Bank Zinsänderungschancen bewußt wahrnehmen. Dennoch ist die Bewertung der Geschäfte mit Hilfe des
Margenbarwerts als Maßstab für den Erfolg der Marktbereiche äußerst sinnvoll, da
dadurch der Erfolg des Marktbereichs unter Ausschluß des Zinsänderungsrisikos
»fair« festgestellt werden kann.3 Die notwendige und geforderte Auftrennung der Erfolgskomponenten »Marktbereich« und »Treasury« gelingt auf diese Weise.
Strukturkongruente Bewertung von bestehenden Geschäften
Der obige Ansatz zur Bewertung neuer Geschäfte kann auf bestehende Geschäfte ausgeweitet werden. Hierbei liegt ein Teil des Zahlungsstromes des Geschäfts bereits in
der Vergangenheit – z. B. die Auszahlung an den Kunden und die bereits geflossenen
Rückzahlungsraten. Für die noch ausstehenden Zahlungen werden Gegengeschäfte in
der Art abgeschlossen, daß sich die Zahlungsströme des Geschäfts und der Gegengeschäfte gegenseitig aufheben. Auch in diesem Fall entsteht am Ist-Zeitpunkt ein
Kassenüberschuß oder ein Kassendefizit. Der entsprechende Wert ist nun aber nicht
mehr der Margenbarwert, da ja ein Teil der Zahlungen des Geschäfts bereits geflossen
1 Im Fortgang wird gezeigt, daß eigentlich nicht vom Eigenkapital, sondern vom »Vermögen im Zinsgeschäft« gesprochen werden sollte.
2 Auf weitere Einzelheiten wird in Kapitel 6 eingegangen. Dort werden auch entsprechende Organisationsvorschläge unterbreitet.
3 Vgl. auch Projektteil 2 der Machbarkeitsstudie.
106
Wertorientierte Steuerung des Zinsänderungsrisikos
ist und nicht mehr in die Berechnung eingeht. Vielmehr wurde der Wert des ausstehenden Zahlungsstromes als »Barwert« berechnet (siehe Abschnitt 1.1.2.2; Kalkulationsmethode analog Abschnitt 1.1.2.3). Bei Aktivgeschäften ist der Barwert positiv,
bei Passivgeschäften negativ.
Der strukturkongruent ermittelte Barwert des ausstehenden Zahlungsstroms eines
Geschäfts kann wie folgt interpretiert werden:
Führt die Bank die entsprechenden Gegengeschäfte tatsächlich durch, realisiert sie
den Barwert des ausstehenden Zahlungsstromes. Dieser Barwert kann in gleicher
oder anderer Weise wieder angelegt werden (positiver Barwert bei Aktivgeschäften)
bzw. muß in gleicher oder anderer Weise refinanziert werden (negativer Barwert
von Passivgeschäften). Der Barwert eines Geschäfts entspricht also dem Tauschpreis, zu dem der Cash-flow des Geschäfts in einen beliebigen anderen Cash-flow
mit gleichem Barwert transferiert werden kann. Hierbei bleibt (bis auf Geld/BriefDifferenzen) der Wert des Geschäfts erhalten, das Zinsänderungsrisiko verändert
sich jedoch.
Bei dieser Betrachtung muß strikt zwischen dem Cash-flow des Geschäfts und
dem Geschäft selbst unterschieden werden: Der zum Geschäft gehörende Cashflow kann jederzeit durch strukturkongruente Refinanzierung als Barwert realisiert
werden. Das Geschäft selbst beinhaltet möglicherweise weitere Kosten- und Erlösbestandteile, die in dem – nach den Prinzipien des Kapitels 2 aufgestellten – Cashflow des Geschäfts nicht enthalten sind.
Beispiele hierfür sind:
– Verwaltungskosten,
– Kostenkomponenten zur Deckung der Ausfallrisiken,
– Grundsatzkosten,
– Wert des Kundengeschäfts (Chancen auf Folgegeschäfte),
– Komponenten, die das Risiko potentieller Schwankungen der veranschlagten
Kosten und Erlöse abdecken.
Wird nicht nur der Cash-flow des Geschäfts, sondern das Geschäft selbst am Markt
verkauft, wirken sich diese Zusatzkomponenten auf den am Markt erzielbaren Preis
aus.1
Werden für ein bestehendes Geschäft keine Gegengeschäfte abgeschlossen, so entspricht dies der Anlage des Barwerts in dem Cash-flow des vorhandenen Geschäfts.
Wurden zu dem Cash-flow eines Geschäfts bereits bei Neuabschluß die strukturkongruenten Gegengeschäfte abgeschlossen und damit der Margenbarwert realisiert, so könnten nun zu dem Geschäft selbst, zu den Gegengeschäften oder sowohl
zum Geschäft als auch den Gegengeschäften erneut Gegengeschäfte abgeschlossen
1 Vgl. hierzu auch die entsprechenden Ausführungen in Abschnitt 1.2 und 1.3.
Wie kann mit Cash-flow gesteuert werden?
107
werden. Im ersten Fall bleiben im Endeffekt nur die Restzahlungsströme der ursprünglichen Gegengeschäfte übrig. Im zweiten Fall verbleibt der Restzahlungsstrom des Ursprungsgeschäfts. Der dritte Fall ist betriebswirtschaftlich sinnlos, da
ohne Veränderung der Zahlungsströme nur Geld/Brief-Differenzen erzeugt werden.
Bei »handelbaren« Geschäften (Wertpapieren, Finanzinnovationen) entspricht der
Barwert dem Preis, der am Interbankenmarkt für den Cash-flow des Geschäfts erzielbar ist (»Marktwert«). Sind mit dem Geschäft zusätzlich zum betrachteten
Cash-flow weitere Kosten oder Erlöskomponenten verbunden, die nicht im betrachteten Cash-flow enthalten sind, so fließen diese Komponenten zusätzlich in
den Marktpreis ein. Es muß natürlich vorausgesetzt werden, daß – bis auf Geld/
Brief-Differenzen – »fair« ohne Marge gehandelt wird.
Im Fall der vorzeitigen Rückzahlung von Darlehen bedeutet eine Zahlung in Höhe
des Barwertes durch den Kunden, daß die Bank nach Ablösung genau so gestellt ist
wie vor Ablösung (ohne Berücksichtigung des entfallenden Risikos und eventuell
entfallender Kosten). Da der Barwert in der Regel mit der aktuellen Restschuld des
Darlehens nicht übereinstimmt, muß der Kunde bei einer Ablösung nicht nur die
Restschuld zurückführen. Liegt der Barwert über der Restschuld, muß die Differenz
als »Vorfälligkeitsentschädigung« an die Bank gezahlt werden. Liegt der Barwert
unter der Restschuld, ist die Bank juristisch nicht zu einer Erstattung verpflichtet.
Sie könnte aber den entsprechenden Differenzbetrag an den Kunden auszahlen,
ohne durch die Ablösung einen wirtschaftlichen Schaden zu erleiden.
Beim Forderungsverkauf von Darlehen bestehen folgende Möglichkeiten:
Die Bank behält das Darlehen im eigenen Bestand (Verwaltungskosten werden
selbst getragen) und trägt das Ausfallrisiko selbst. Verkauft wird nur der Cash-flow
des Darlehens, der für den Käufer damit sicher ist. Dann kann als Kaufpreis der Barwert realisiert werden.
Übernimmt die kaufende Bank die Verwaltung des Darlehens und das Ausfallrisiko,
so reduziert sich der Kaufpreis um die erwarteten bzw. potentiellen Kosten und
Ausfälle.
Alle Interpretationen zeigen, daß der Barwert der ausstehenden Cash-flow eines
Geschäfts das »Zinsvermögen« (im folgendem kurz »Vermögen«) ist, das in diesem
Geschäft gebunden ist. Es kann sich hierbei um positives Vermögen (Restzahlungsstrom von Aktivgeschäften) oder negatives Vermögen (reale Schulden, Restzahlungsstrom von Passivgeschäften) handeln.1
1 Um Mißverständnisse zu vermeiden, sollte noch einmal klargestellt werden, daß sich in diesen Ausführungen der Begriff des »Vermögens« nur auf den Wert der Cash-flow selbst bezieht, nicht jedoch auf
die Zusatzeffekte, die möglicherweise mit dem Geschäft verbunden sind (Verwaltung, Ausfallrisiken, …
s. o.).
108
Wertorientierte Steuerung des Zinsänderungsrisikos
Dieses Vermögen ist im Cash-flow der Ist-Geschäfte angelegt. Das Vermögen kann
aber jederzeit anders angelegt werden, indem der Zahlungsstrom strukturkongruent
refinanziert und der entstehende Barwert in beliebigen anderen Geschäften bzw. Fristen erneut angelegt wird. Damit Geld/Brief-Differenzen und eine unnötige Aufblähung der Bilanzsumme vermieden werden, können hierbei Geschäfte, die zunächst
zur strukturkongruenten Refinanzierung und danach zur Wiederanlage des Vermögens benötigt werden, von Beginn an unterbleiben.
Das (Zins-)Vermögen ist also gleichzeitig der Tauschpreis, zu dem der Cash-flow
in beliebige andere Cash-flow des gleichen Wertes getauscht werden kann.
Strukturkongruente Bewertung des Summenzahlungsstroms
Für eine Institutsanalyse liegt es nahe, sich nicht auf die strukturkongruente Bewertung einzelner Geschäfte zu beschränken, sondern die Bewertung aller bestehenden
Geschäfte durchzuführen. Bei neu abgeschlossenen Geschäften erhält man auf diese
Weise den Margenbarwert, bei laufenden Geschäften den Barwert der ausstehenden
Zahlungsströme (positiv oder negativ). Zu beachten ist, daß nicht nur die Kundengeschäfte, sondern auch alle Interbankengeschäfte – insbesondere also auch die wirklich
durchgeführten Gegengeschäfte zu anderen Geschäften – bewertet werden. Entsprechend der obigen Interpretation gibt die Summe über alle derart berechneten Barwerte (bzw. Margenbarwerte) an, welches Vermögen derzeit im Cash-flow der Zinsgeschäfte gebunden ist.
Die Bewertung jedes einzelnen Geschäftes ist arbeitsaufwendig, unübersichtlich
und wenig sinnvoll. Letztlich kommt es auf das summarische Endergebnis für das Vermögen an. Hierzu kann auf den Summenzahlungsstrom für die Gesamtbank zurückgegriffen werden. In diesem sind alle Zahlungsströme der Einzelgeschäfte enthalten.
Der strukturkongruente Barwert des Summenzahlungsstroms entspricht bis auf
Geld/Brief-Differenzen der Summe der Barwerte der Cash-flow der Einzelgeschäfte.
Geld/Brief-Differenzen entstehen, da sich einzelne Geschäfte im Summenzahlungsstrom gegenseitig aufheben und dadurch – im Gegensatz zur Einzelbewertung – entsprechende Gegengeschäfte unterbleiben können.1
Somit liegen folgende Endergebnisse vor:
Die Summe der Barwerte der Cash-flow aller Einzelgeschäfte ist – bis auf
Geld/Brief-Differenzen – dem Barwert des Summenzahlungsstroms gleich.
Der Barwert des Summenzahlungsstroms entspricht dem (Zins-)Vermögen, das
in den Cash-flow der Zinsgeschäfte der Bank gebunden ist.
1 Auch zur Vermeidung überflüssiger Geld/Brief-Differenzen ist der Summenzahlungsstrom die korrekte
dispositive Meßlatte.
Wie kann mit Cash-flow gesteuert werden?
109
Das im Zinsgeschäft gebundene Vermögen ist in den Cash-flow der bestehenden Zinsgeschäfte angelegt.
Das Vermögen im Zinsgeschäft kann jederzeit in anderen Cash-flow angelegt
werden, indem die strukturkongruente Refinanzierung ganz oder teilweise
durchgeführt wird und der so in der Kasse entstehende Wert strukturell neu angelegt wird.
3.1.2
Vermögen der Beispielsparkasse
Die obigen Überlegungen werden anhand der »Beispielsparkasse« aus Abschnitt 2.5
demonstriert.
Hierzu wird zunächst die Zinsstruktur am Kalkulationsdatum festgelegt, in Tab. 3.1
im Detail dokumentiert und in Abb. 3.1 visuell dargestellt.
Zinsstruktur
Datum:
Kalkulationsdatum:
Valutadatum:
Uhrzeit der Zinsstruktur:
Währung:
Finanzplatz:
Teilmarkt:
Bemerkung:
Interpolationsart:
Abschlag Geldmarkt:
Abschlag Kapitalmarkt:
30.12.1996
30.12.1996
03.01.1997
13,02
DEM
Frankfurt
IB
dsgv
usancenkonform linear
0,100 %
0,050 %
110
Wertorientierte Steuerung des Zinsänderungsrisikos
Tabelle 3.1 Zinssätze zur Zinsstruktur
Laufzeit
Fällig am Laufzeit Nominal Rendite
in Jahren Brief
Brief
Zinsusance
Kupontyp
Stückzinstyp
Kup.
p. a.
BriefKurs
Tagesgeld 02.01.1997
– 0,00
3,0000
3,0450
Kal/360
long
ohne
1
100,0000
Tom/Next 03.01.1997
0,00
3,0000
3,0453
Kal/360
long
ohne
1
100,0000
Spot/Next 06.01.1997
0,01
3,0000
3,0450
Kal/360
long
ohne
1
100,0000
1 Monat 03.02.1997
0,08
3,0000
3,0414
Kal/360
long
ohne
1
100,0000
2 Monate 03.03.1997
0,17
3,0500
3,0891
Kal/360
long
ohne
1
100,0000
3 Monate 03.04.1997
0,25
3,1000
3,1362
Kal/360
long
ohne
1
100,0000
6 Monate 03.07.1997
0,50
3,2000
3,2255
Kal/360
long
ohne
1
100,0000
9 Monate 06.10.1997
0,76
3,2500
3,2623
Kal/360
long
ohne
1
100,0000
05.01.1998
1,01
3,2997
3,3000
30/360
norm
ohne
1
100,0000
2 Jahre 04.01.1999
2,00
3,6999
3,7000
30/360
norm
ohne
1
100,0000
3 Jahre 03.01.2000
3,00
4,1000
4,1000
30/360
norm
ohne
1
100,0000
4 Jahre 03.01.2001
4,00
4,5000
4,5000
30/360
norm
ohne
1
100,0000
5 Jahre 03.01.2002
5,00
4,9000
4,9000
30/360
norm
ohne
1
100,0000
6 Jahre 03.01.2003
6,00
5,2000
5,2000
30/360
norm
ohne
1
100,0000
7 Jahre 05.01.2004
7,01
5,5499
5,5500
30/360
norm
ohne
1
100,0000
8 Jahre 03.01.2005
8,00
5,8500
5,8500
30/360
norm
ohne
1
100,0000
1 Jahr
9 Jahre 03.01.2006
9,00
5,9500
5,9500
30/360
norm
ohne
1
100,0000
10 Jahre 03.01.2007
10,00
6,0000
6,0000
30/360
norm
ohne
1
100,0000
15 Jahre 03.01.2012
15,00
6,2500
6,2500
30/360
norm
ohne
1
100,0000
Hinweise
Die Zinsstruktur wird durch die Zinssätze für die »Standardlaufzeiten« am Interbankenmarkt bestimmt. In der obigen Tabelle sind die wichtigsten Standardlaufzeiten mit ihren jeweiligen Fälligkeiten angegeben. Hierbei ist zu beachten, daß
Fälligkeitstermine nur an Bankarbeitstagen liegen können. Laufzeitbeginn für die
Standardlaufzeiten »Tagesgeld« ist das Kalkulationsdatum (hier 30.12. 96). »Tomorrow/Next« beginnt am Fälligkeitstermin des Tagesgeldes. Alle anderen Standardlaufzeiten beginnen am Fälligkeitstermin von »Tomorrow/Next«, also zwei
Bankarbeitstage nach dem Kalkulationsdatum (hier 3.1. 97).
Im Beispiel wird mit einer pauschalen Geld/Brief-Differenz für den Geldmarkt
(0,100 %) und den Kapitalmarkt (0,050 %) gearbeitet. Die Tabellenwerte der Tabelle 3.1 sind Briefsätze. Die Geldsätze sind entsprechend niedriger.
Wie kann mit Cash-flow gesteuert werden?
111
Die Zinssätze für weitere Laufzeiten werden linear interpoliert. Einzelheiten werden
im Projektteil 2 (Kalkulation) erläutert.
Rendite in %
Abbildung 3.1: Aktuelles Zinsniveau
6,5
6,0
5,5
5,0
4,5
4,0
3,5
3,0
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
15
Restlaufzeit
Strukturkongruente Refinanzierung und Barwert des Summen-Cash-flow
Die Übersicht in Tabelle 3.2 zeigt die strukturkongruente Refinanzierung mit der obigen Zinsstruktur für den Summen-Cash-flow der »Beispielsparkasse«. Der SummenCash-flow (Spalte = Bewegung) wurde hierbei der Tabelle aus Abschnitt 2.5.3 entnommen.
112
Wertorientierte Steuerung des Zinsänderungsrisikos
Tabelle 3.2
von
bis
30. 12. 1996
02. 01. 1997
03. 01. 1997
03. 01. 1997
03. 01. 1997
03. 01. 1997
03. 01. 1997
03. 01. 1997
03. 01. 1997
03. 01. 1997
03. 01. 1997
03. 01. 1997
03. 01. 1997
03. 01. 1997
03. 01. 1997
03. 01. 1997
03. 01. 1997
03. 01. 1997
03. 01. 1997
03. 01. 1997
03. 01. 1997
03. 01. 1997
02. 01. 1997
03. 01. 1997 0,01
03. 07. 1997 0,50
03. 01. 1998 1,00
03. 07. 1998 1,50
03. 01. 1999 2,00
03. 07. 1999 2,50
03. 01. 2000 3,00
03. 07. 2000 3,50
03. 01. 2001 4,00
03. 07. 2001 4,50
03. 01. 2002 5,00
03. 07. 2002 5,50
03. 01. 2003 6,00
03. 07. 2003 6,50
03. 01. 2004 7,00
03. 07. 2004 7,50
03. 01. 2005 8,00
03. 07. 2005 8,50
03. 01. 2006 9,00
03. 07. 2006 9,50
03. 01. 2007 10,00
Lfz.
Rendite
3,045
3,045
3,124
3,300
3,498
3,699
3,899
4,100
4,300
4,500
4,700
4,900
5,050
5,200
5,374
5,498
5,649
5,850
5,850
5,900
5,925
5,950
Kurs plus
Stückzins
100,000
100,000
100,000
99,997
100,014
100,000
100,018
100,000
100,022
100,000
100,026
100,000
100,030
100,000
100,034
99,999
100,037
100,000
100,040
100,000
100,041
100,000
Zins
3,000
3,000
3,100
3,297
3,498
3,699
3,899
4,100
4,300
4,500
4,700
4,900
5,050
5,200
5,374
5,498
5,649
5,850
5,850
5,900
5,925
5,950
Nennwert Kassenzufluß
400,75
400,75
400,79
400,79
– 103,09
– 103,09
114,55
114,55
64,61
64,62
60,33
60,33
59,87
59,88
56,56
56,56
55,21
55,22
2,88
2,88
52,58
52,60
67,01
67,01
42,05
42,07
48,29
48,29
1,18
1,18
– 16,20
– 16,20
– 19,76
– 19,77
2,91
– 2,91
– 20,88
– 20,89
– 21,92
– 21,92
– 32,10
– 32,11
– 13,21
– 13,21
Bewegung
– 101,00
126,00
72,00
68,00
65,00
62,00
58,00
6,00
53,00
70,00
40,00
48,00
– 3,00
– 19,00
– 24,00
1,00
– 24,00
– 24,00
– 34,00
– 14,00
Erläuterungen
Laufzeit – von, bis, Lfz.
Die Spalten geben das Datum des Laufzeitbeginns und des Laufzeitendes des jeweiligen Refinanzierungsmittels an. Zusätzlich wird die Laufzeit in Jahren genannt.
Rendite
Rendite des Wertpapiers nach exponentieller Methode (AIBD/ISMA). Einzelheiten
zur Renditedefinition werden in Projektteil 2 (Kalkulation) erläutert. Bei Laufzeiten,
die nicht den Standardlaufzeiten entsprechen (siehe oben), handelt es sich um interpolierte Werte. Einzelheiten hierzu und verschiedene Interpolationsmethoden werden
in Projektteil 2 erläutert. Je nachdem, ob es sich um eine Anlage (negatives Vorzeichen
in Spalte »Nennwert«) oder eine Refinanzierung (positives Vorzeichen in Spalte
»Nennwert«) handelt, ist der Geldsatz bzw. der Briefsatz angegeben.
Wie kann mit Cash-flow gesteuert werden?
113
Kurs plus Stückzins
Entscheidend für die strukturkongruente Refinanzierung ist der Cash-flow der verwendeten Interbankenpapiere. Es ist also nicht der Kurs, sondern der Kaufpreis inkl.
Stückzinsen entscheidend.
Zins
Nominalzins des verwendeten Interbankenpapiers. Einzelheiten werden in Projektteil
2 erläutert.
Nennwert
Nominalwert des Refinanzierungs- bzw. Anlagevolumens in der jeweiligen Frist. Das
Volumen ist so berechnet, daß der Summen-Cash-flow der Refinanzierung bzw. Anlage mit dem Cash-flow laut Spalte »Bewegung« übereinstimmt.
Die Bank müßte zur Realisierung des Barwerts mit Fristen von einem Jahr bis zu
sechs Jahren Refinanzierungsmittel in der angegebenen Höhe aufnehmen. Gleichzeitig müßte sie auf ein halbes Jahr und im Bereich von 6,5 Jahren bis 10 Jahren Anlagen
tätigen. Damit stünde der Barwert mit Valuta 2 Tage zur Verfügung. Die beiden Refinanzierungen mit jeweils 1 Tag Frist (Tagesgeld und Tomorrow/Next) holen diesen
Barwert in die Kasse per 30.12.96.
Einzelheiten werden in Projektteil 2 erläutert.
Kassenzufluß
Kassenzufluß bzw. Kassenabfluß, der durch das jeweilige Papier der »strukturkongruenten Refinanzierung« bewirkt wird. Sofern die Größe »Kurs + Stückzins«
gleich 100 % ist, stimmen Nennwert und Kassenzufluß überein. In allen anderen
Fällen ist der Kassenzufluß gleich dem Nennwert multipliziert mit »Kurs + Stückzins«.
Bewegung
Zu bewertender Cash-flow. Im Beispiel liegt der Summen-Cash-flow der »Beispielsparkasse« als Cash-flow vor.
Die Berechnung ergibt, daß durch die strukturkongruente Refinanzierung per
30.12. 96 ein Kassenzufluß von 400,75 Mio. entsteht. Dies ist entsprechend der obigen allgemeinen Überlegungen das Vermögen, das die Beispielsparkasse in den
Cash-flow des Zinsgeschäfts gebunden hat.
3.1.3
Zusammenhang mit bilanziellen Größen, Überführung zur Bilanz
Bilanziell hat die Beispielsparkasse im Zinsgeschäft Aktiva in Höhe von 3 300 Mio.,
Passiva von 3100 Mio. (siehe Bilanz in Abschnitt 2.5). Es sind somit 200 Mio. Eigenkapital im Zinsgeschäft gebunden. Der wirkliche Wert aller Cash-flow im Zinsgeschäft
beträgt nach obiger Berechnung 400,75 Mio. Im Zinsgeschäft sind also »stille Reser-
114
Wertorientierte Steuerung des Zinsänderungsrisikos
ven« in Höhe von 200,75 Mio. enthalten. Hierbei sind – wie oben erläutert – zusätzliche Kosten oder Erlöse (Verwaltung, Ausfallrisiken etc.), die mit den Geschäften verbunden sind, nicht berücksichtigt.
Die Berechnung des Vermögens kann auch für einzelne Teilpositionen der Bank erfolgen. Hierzu wird der Summen-Cash-flow für die jeweilige Teilposition gebildet und
mit der oben dargestellten Methode bewertet.
Für die Tabelle 3.3 wurden die Barwerte der einzelnen Geschäfte auf Basis der
zugehörigen Cash-flow separat strukturkongruent berechnet. Ein Vergleich mit den
bilanziellen Werten zeigt, wo die Cash-flow-Reserven im einzelnen liegen.
Tabelle 3.3
Geschäft
bilanzieller
Wert
Vermögenswert
(Barwert der
Cash-flows)
Reserve
Darlehen an Kunden mit Festzins
1 750
1 842,61
92,61
Depot A
1 000
1 047,20
47,20
150
150,56
0,56
Aktiva (Zinsgeschäft)
Darlehen an Kunden mit variablem Zins
KK-Soll
Zwischensumme Aktiva
400
405,67
5,67
3 300
3 446,04
146,04
2 000
2 057,13
– 57,13
750
704,16
45,84
Passiva (Zinsgeschäft)
Einlagen von Kunden, Refinanzierungen
mit Festzins
Spareinlagen
350
284,52
65,48
Zwischensumme Passiva
KK-Haben
3 100
3 045,81
54,19
Summe Aktiva – Passiva
200
400,23
200,23
400,75
200,75
0,52
0,52
Vermögen bei Summenbewertung
Bewertungsdifferenz
(wegen vermiedener Geld/Brief-Differenz)
Erläuterungen zum Zinsgeschäft
Da bei der Einzelbewertung Anlagen und Refinanzierungen getätigt werden, die
sich bei summarischer Bewertung teilweise gegenseitig aufheben (z. B. bei Wertpapieren und Sparbriefen), ist die Summe der Einzelwerte kleiner als der Wert bei
Wie kann mit Cash-flow gesteuert werden?
115
Summenbewertung. Die Differenz (0,52 Mio.) entspricht den vermiedenen Geld/
Brief-Differenzen.
Bei sämtlichen Aktivpositionen liegen im Beispiel stille Reserven vor. Die Reserven
entstehen aus der Differenz der Produktzinsen im Vergleich zu den Interbankenzinsen. Die Differenz ist um so höher, je höher die Marge bei Abschluß der Geschäfte war und je stärker die Zinsen im Vergleich zum Abschlußtermin gesunken
sind. Im Beispiel sind die Zinsen seit Abschluß der Geschäfte gesunken. Dies führt
zu erhöhten Reserven – insbesondere im Kundengeschäft mit Festzins und im
Depot A.
Die Reserven im Depot A sind in der Regel nicht über alle Geschäfte gleichmäßig
verteilt. Es kann durchaus sein, daß bei einzelnen Geschäften der aktuelle Kurswert
unter dem Buchwert liegt, bei anderen Geschäften darüber. Berechnet wurde nur
der summarische Wert. Eine Berechnung bzw. Marktbewertung, die die jeweilige
Situation bei den Einzelwerten anzeigt, sollte für eine detaillierte Beurteilung des
Depot A zusätzlich durchgeführt werden.
Bei den Passiva mit Festzins (Kundeneinlagen und Refinanzierungen) liegt der Vermögenswert über dem bilanziellen Wert. Dies bedeutet, daß die Beispielsparkasse in
dieser Position entsprechend der Bewertung der Cash-flow mehr Schulden hat, als
sie bilanziell ausweist. Es liegen »Stille Verluste« vor. Die Ursache für diese Situation
liegt in den seit Abschluß der Geschäfte gefallenen Zinsen. Der aktuelle Bewertungszins liegt unter dem Zins, den die Kunden durchschnittlich erhalten.
Es ist zu beachten, daß sich Zinsänderungen bei geschlossenen Positionen auf die
Vermögensveränderung der Aktivseite im selben Ausmaß auswirken wie auf der
Passivseite. Eine hohe Reserve im Aktivgeschäft wegen gesunkener Zinsen bedingt
also gleichzeitig geringe oder negative Reserve im Passivgeschäft.
Die Spareinlagen und die Sichteinlagen sind Einlagen mit niedriger Verzinsung und
»langen« Abläufen gemäß gleitenden Durchschnitten. Der Kundenzins liegt unter
dem Bewertungszins. Entsprechend besitzen diese Geschäfte trotz gesunkener
Zinsen Kurswerte von weit unter 100 %. Es liegen also – bedingt durch die hohen
Margenbarwerte – hohe stille Reserven in diesen Geschäften.
Die ausgewiesenen Reserven hängen generell vom aktuellen Marktzins ab. Sie
geben also keinen Aufschluß über die Rentabilität der Geschäftsbereiche und
können nicht für eine Analyse der strategischen Bedeutung dieser Geschäftsbereiche verwendet werden. Die Reserven sind nur dann mit den Margenbarwerten identisch, wenn alle Geschäfte am Bewertungstag neu abgeschlossen
werden.
Realisierbarkeit der Reserven
Es ist, wie gezeigt wurde, immer möglich, den Barwert der Cash-flow und damit auch
die stillen Reserven summarisch durch strukturkongruente Refinanzierung zu realisieren. Hiervon abzugrenzen ist die Frage, ob und auf welche Weise die stillen Reser-
116
Wertorientierte Steuerung des Zinsänderungsrisikos
ven isoliert pro Einzelgeschäft durch direkten Verkauf des Geschäfts selbst am Markt
realisierbar sind.
Am einfachsten ist dies bei den Wertpapieren, bei denen durch Verkauf und erneute Anlage die Kursreserven sofort sichtbar gemacht werden können.
Bei den Darlehen bildet der Forderungsverkauf an andere Banken einen Weg, die
Reserven zu heben. Entsprechende Geschäfte finden bereits auf breiterer Ebene statt.
Übernimmt die kaufende Partei auch Kosten und Risiken, muß allerdings mit einem
entsprechend niedrigeren Kaufpreis gerechnet werden. Dies wird hier nicht weiter
berücksichtigt, da es keine Relevanz im Rahmen der Diskussion des Zinsänderungsrisikos hat.
Sparbriefe könnten wie Darlehen verkauft werden, doch sind solche Geschäfte noch
unüblich.
Schwierig ist die Mobilisierung der in den variablen Geschäften gebundenen Reserven, da hierfür derzeit keine Märkte existieren. Theoretisch bietet es sich an, daß der
Vertragsgegenstand beim Kauf nur die Cash-flow gemäß der gleitenden Durchschnitte sind, die nach den in Kapitel 2 dargestellten Regeln gebildet werden.
Sonstige Vermögenspositionen
Zum Vermögen der Bank, das im Cash-flow der Zinsgeschäfte gebunden ist, kommen
die sonstigen Vermögenspositionen und weitere Korrekturen. Auch hier muß zwischen den bilanziellen Buchwerten und den realen Istwerten unterschieden werden.
In der Beispielsparkasse sollen folgende Verhältnisse vorliegen:
Aktien
Der Buchwert der Aktien beträgt 10 Mio. Die Bank betreibt eine ruhige Anlagepolitik,
bei der Kursgewinne bewußt nicht durch Umschichtung »realisiert« werden. Auf diese
Weise sollen erhebliche stille Reserven in Höhe von 11 Mio. entstanden sein. Die
Bewertung mit Kurswerten ergibt entsprechend 21 Mio.
Allgemein ist die Bewertung von Aktien sehr einfach, da – sofern die Aktien börsennotiert sind – direkte Marktpreise vorhanden sind. Eine Bewertung größerer Bestände (Paketpreise) kann mit Hilfe von Schätzungen erfolgen.
Beteiligungen
Der Buchwert der Beteiligungen beträgt 80 Mio. Ein aktuelles Wertgutachten gibt für
die Beteiligung einen Istwert von 85 Mio. an.
Für Beteiligungen wird es notwendig sein, den Wert in regelmäßigen Abständen
(etwa jährlich) zu schätzen.
Sonstiges (z. B. Inventar)
Buchwert und Istwert der Betriebs- und Geschäftsausstattung weichen im Normalfall
nur geringfügig voneinander ab. Im Beispiel wird ein Wert von 9 Mio. angesetzt. Die
bilanzielle Abschreibung liegt also unter dem realen Wertverzehr.
Wie kann mit Cash-flow gesteuert werden?
117
Immobilien
Nach Buchwerten liegt ein Vermögen von 100 Mio. vor, der Marktwert sei laut Schätzung 150 Mio.
Auch hier ist ein Wertgutachten nötig, das etwa alle zwei bis drei Jahre aktualisiert
wird.
Überleitung zum bilanziellen Eigenkapital
Die Buchwerte können mit der Bilanz abgestimmt werden. Die Überleitung zum
bilanziellen Eigenkapital wird durch Tabelle 3.4 gezeigt.
Tabelle 3.4
Vermögensposition
Wert Mio. DM
Buchwert
Istwert
Reserve
200,00
400,75
200,75
Aktien
10,00
21,00
11,00
Beteiligungen
80,00
85,00
5,00
Sonstiges (Inventar)
10,00
9,00
– 1,00
100,00
150,00
50,00
–
200,00
665,75
465,75
Zinsabhängiges Geschäft (siehe oben)
Immobilien
Rückstellungen
Saldo = Eigenkapital/Rücklagen bzw.
Gesamtvermögen
3.1.4
– 200,00
200,00
Konsequenzen aus Vermögen und Vermögensstruktur
Aus dem Vermögen und der Vermögensstruktur lassen sich einige sehr wichtige Konsequenzen und Schlußfolgerungen ziehen.
Fairer Verkaufspreis
Die Eigentümer der Bank haben in der Bank ein Vermögen von 665,75 Mio. gebunden. Die erste Frage ist somit, ob – bei fairer Verhandlung (also ohne Gewinn oder
Verlust eines Partners) – auch ein entsprechender Kaufpreis am Markt erzielbar ist.
Hierbei muß bedacht werden, daß 665,75 Mio. ausschließlich der Betrag ist, der
dem Wert der Aktiv- und Passivpositionen entspricht. Im Zinsgeschäft sind hierbei
nur die Cash-flow der Geschäfte bewertet, nicht die entsprechenden Geschäfte selbst.
Es müssen also folgende Korrekturen durchgeführt werden:
Sofern mit einzelnen Geschäften zusätzlich zum erfaßten Cash-flow weitere Kosten
oder Erlöse verbunden sind, müssen diese als Barwert geschätzt werden.
118
Wertorientierte Steuerung des Zinsänderungsrisikos
Insbesondere müssen die Ausfallrisiken berücksichtigt werden. Die geschätzten
Werte können hierbei erheblich von den bilanziellen Wertberichtigungen abweichen.
Ebenso müssen die Kosten, die mit der Abwicklung der bestehenden Geschäfte verbunden sind, als geschätzter Barwert abgezogen werden.
Ferner müssen die eingegangenen Verpflichtungen an Mitarbeiter in Form von
Pensionszusagen abgezogen werden. Ist der versicherungstechnische Wert der Zusagen den aktuell gebildeten Pensionsrückstellungen gleich, kann der entsprechende Wert der Bilanz entnommen werden. Andernfalls ist ein Gutachten über den
Barwert der eingegangenen Verpflichtungen notwendig.
Im Fall der Fusion oder sogar Auflösung müßten zusätzlich anfallende Abfindungen an Mitarbeiter und andere entsprechende Kosten berücksichtigt werden.
Zu dem verbleibenden Vermögenswert muß der Wert des Kundenstamms der Bank
addiert werden (»Adressenwert«, »guter Name«, Marktdurchdringung).
Ebenso muß das Know-how der Mitarbeiter als immaterieller Wert geschätzt werden.
Ein weiterer Abzugsposten ist die Preiskomponente des Risikos, daß die o. a. potentiellen Werte schwanken.
Filialbewertung
Die Ermittlung des fairen Verkaufspreises stellt auch einen Weg zur Bewertung von
Filialen dar, die von einer Bank an eine andere Bank verkauft werden sollen. Ebenso
kann beim Tausch von Filialen die Ausgleichszahlung festgelegt werden.
In der Berechnung sind dann nur diejenigen Geschäfte und Vermögenswerte aufzunehmen, die der Filiale zuzurechnen sind und im Fall des Verkaufs bzw. Tausches
auch bei der Filiale verbleiben.
Mindestanspruch an das Ergebnis
Angenommen, die Inhaber der Bank könnten unter Berücksichtigung des Wertes der
Kundenbeziehung und der durch den Käufer übernommenen Pflichten (Pensionszusagen, Ausfallrisiken) mit einem Preis von 650 Mio. rechnen. Dann muß die Bank
– soll sie ein lohnendes Investment bilden – vor Steuern mindestens das erbringen,
was bei konventioneller Anlage des Vermögens erzielbar wäre. Wird bei Direktanlage
eines Vermögens in Wertpapieren und Aktien von durchschnittlich 8 % Verzinsung
ausgegangen, so müßte die Bank folglich im Schnitt jährlich mindestens 52 Mio. Ertrag erwirtschaften, bei jährlicher vollständiger Gewinnentnahme.
Vermögensstruktur
Im Fall der Beispielsparkasse sind ca. 60 % des Vermögens (401 Mio. von 666 Mio.) im
Zinsgeschäft konzentriert. Rund 22 % des Vermögens hat die Beispielsparkasse in Immobilien angelegt. Zirka 16 % des Vermögens sind in Beteiligungen und Aktien inve-
Wie kann mit Cash-flow gesteuert werden?
119
stiert. Diese Ausrichtung der Vermögensstruktur sollte kritisch überprüft werden.
Weitere Ausführungen hierzu erfolgen in Abschnitt 5.3.
3.2
Barwertige Analysekonzepte und Maßnahmenplanung
Die in Abschnitt 3.1 dargestellte Berechnung des im Zinsgeschäft gebundenen Vermögens1 bildet die Basis für den nächsten Analyseschritt.
Der Berechnung des Vermögens liegt die Zinsstruktur am Analysedatum zugrunde.
Die Höhe des Vermögens ist somit von der Höhe der Geld- und Kapitalmarktzinsen
abhängig. Ändert sich die Zinsstruktur, ändert sich das Vermögen. Gesucht ist das
Ausmaß und die Richtung der Veränderung, wenn eine bestimmte Zinsveränderung
unterstellt wird.
Hierzu wird der Summen-Cash-flow der Bank zunächst mit Ist-Zinsen, danach mit
einer veränderten Zinsstruktur bewertet. Dadurch wird die Auswirkung einer sofortigen bzw. schockartigen Zinsänderung auf das Vermögen der Bank simuliert. Es
wird von barwertiger Vermögensveränderung bzw. barwertigen Zinsänderungsrisiko
gesprochen. In sehr guter Näherung ist damit das Risiko der Vermögensveränderung
»über Nacht« erfaßt. Je länger aber der Planungshorizont ist, um so ungenauer wird
die Berechnung. Bereits bei einem Planungshorizont von einem Monat sollte deshalb
auf die im Folgeabschnitt 3.3 vorgestellten Methoden zurückgegriffen werden (Analyse auf Planungshorizont).
3.2.1
Szenarioanalysen
Es ist generell – insbesondere aber bei der Geschäftsstruktur der Sparkassen – nicht
ausreichend, das barwertige Zinsänderungsrisiko nur für eine einzige angenommene
Veränderung der Zinsstruktur zu berechnen (etwa Anstieg aller Zinsen um 0,75 %).
Vielmehr müssen mehrere Szenarien für Zinsänderungen simuliert werden, die die
»Randbereiche« möglicher Zinsänderungen abgreifen. Hier ist eine standardisierte
Vorgehensweise anzustreben, wobei man sich üblicherweise an Vergangenheitswerten
orientiert. Zu diesen »Risiko-Szenarien« sollte mindestens ein Szenario kommen, das
die aktuelle Meinung der Bank für die nächste Zukunft abbildet.
Darüber hinaus sind nach den »MaH« sogenannte »Worst-case-Szenarien« zu untersuchen, die »den schlimmsten Fall« abdecken sollen. Während Risikoszenarien in
der Vergangenheit eingetreten bzw. in ähnlicher Form eingetreten sind, wird bei
Worst-case-Szenarien bewußt nochmals der Horizont für grundsätzlich mögliche
(besonders ungünstige) Szenarien geweitet. Da die methodische und rechentech-
1 Im folgenden, da nur der Zinsbereich tangiert ist und Verwechslungen ausgeschlossen sind, kurz als »Vermögen« bezeichnet.
120
Wertorientierte Steuerung des Zinsänderungsrisikos
nische Vorgehensweise zur Risikoberechnung mit der der Risikoszenarien identisch
ist, wird im Fortgang der Untersuchung von Worst-case-Szenarien abstrahiert.
Für den Zeitraum von Jan. 1985 bis Dez. 1996 wurde zur Bildung von »Risikoszenarien« eine entsprechende Analyse vorgenommen1 und in Tabelle 3.5 dokumentiert.
Als Basisdaten dienen die Renditen von Bundesanleihen gemäß Statistik der Bundesbank, die getrennt nach den Fristen 1 Jahr, 5 Jahre und 10 Jahre vorliegen. Die dort beobachteten maximalen Zinsänderungen können problemfrei auf andere Märkte übertragen werden.
Die Zinsänderungen wurden für den Zeitraum »1 Monat« beobachtet. Dies dient
als Näherungswert für kürzere Zeiträume (ein Tag, zehn Tage), wobei zur »sicheren
Seite« abgeschätzt wird.
Die Szenarien sind so gebildet, daß in den jeweiligen Fristen 1 Jahr, 5 Jahre und
10 Jahre eine definierte Zinsbewegung vorliegen muß: Zum Beispiel muß beim Szenario – – – eine Zinssenkung in allen drei Fristen vorliegen, beim Szenario + + – müssen der einjährige und fünfjährige Zins steigen, der zehnjährige fallen. Entsprechend
sind bei den Szenarien mit Verdrillung (wechselndes Vorzeichen der Zinsänderung) die Ausschläge geringer als bei den Szenarien mit Zinsanstieg bzw. Zinssenkung in allen Fristen.
Tabelle 3.5 Maximale Zinsänderungen je Laufzeit innerhalb eines Monats von
1985/1 bis 1996/12 je Szenariotyp
Szenario
Laufzeit
1 Jahr
5 Jahre
10 Jahre
–––
– 1,21
– 0,63
– 0,43
+++
+ 1,03
+ 0,83
+ 0,85
––+
–
–
–
++–
+ 0,33
+ 0,05
– 0,04
–++
– 0,13
+ 0,11
+ 0,18
+––
+ 0,10
– 0,16
– 0,24
–0+
– 0,28
0,00
0,05
+0–
+ 0,28
0,00
– 0,12
Erwartung
+ 0,10
+ 0,10
+ 0,10
Parallel 0,75 %
+ 0,75
+ 0,75
+ 0,75
1 Vgl. Sievi, C.: Seminarunterlagen »Gesamtbanksteuerung: Disposition und Risikosteuerung im Barwertkonzept – die Bank als Portfolio«, Bretten 1997.
Wie kann mit Cash-flow gesteuert werden?
121
Das Szenario – – + konnte mit Frist ein Monat innerhalb des Untersuchungszeitraums
nicht beobachtet werden.
Das unter »Erwartung« angegebene Szenario spiegelt die Zinserwartung der Bank
in nächster Zukunft wider. Das empirisch nicht beobachtete Szenario »Parallel 0,75«
wird zu Vergleichszwecken eingeführt.
Für die Fristen unter einem Jahr wird als maximale Zinsänderung die Veränderung
des Jahreszinses angenommen. Die Zinsänderung für Zwischenfristen (z. B. zwei Jahre) wird aus den obigen Werten interpoliert.
Barwertiges Zinsänderungsrisiko der Modellbank
Für die Modellbank werden in Tabelle 3.6 als Ergebnisse berechnet:
Tabelle 3.6 Zinsänderungsrisiko der Gesamtbank (»over night«)
Szenario
Barwert
(Vermögenswert)
vor Zinsänderung
– – –
+++
++ –
– ++
+– –
– 0 +
+0 –
Erwartung
Parallel 0,75 %
400,75
400,75
400,75
400,75
400,75
400,75
400,75
400,75
400,75
Barwertveränderung
durch Zinsänderung
Mio. DM
+ 9,74
– 8,21
– 2,31
+ 0,58
– 0,30
+ 1,57
– 2,13
– 0,89
– 6,66
Prozentuale
Vermögensveränderung
%
+ 2,43
– 2,05
– 0,58
+ 0,14
– 0,08
+ 0,39
– 0,53
– 0,22
– 1,66
122
Wertorientierte Steuerung des Zinsänderungsrisikos
Die ausschließliche Betrachtung des Depot A der Modellbank ergibt die Ergebnisse
aus Tabelle 3.7:
Tabelle 3.7 Zinsänderungsrisiko nur Depot A
Szenario
Barwert
(Vermögenswert)
vor Zinsänderung
Barwertveränderung
durch Zinsänderung
Mio. DM
Prozentuale
Vermögensveränderung
%
– – –
+++
++ –
– ++
+– –
– 0 +
+0 –
Erwartung
Parallel 0,75 %
1 047,20
1 047,20
1 047,20
1 047,20
1 047,20
1 047,20
1 047,20
1 047,20
1 047,20
+ 23,22
– 25,28
– 3,69
– 1,18
+ 2,49
+ 2,29
– 2,29
– 2,87
– 21,17
+ 2,22
– 2,41
– 0,35
– 0,11
+ 0,24
+ 0,22
– 0,22
– 0,27
– 2,02
Auswertung des Zinsänderungsrisikos
Das höchste Risiko der Bank liegt mit 2,05 % Vermögensverlust beim Szenario + + +
vor. Entsprechend gewinnt die Bank beim Szenario – – –. Bemerkenswert ist, daß
auch die Szenarien + + – und + 0 – 0,58 % bzw. 0,53 % Verlust anzeigen, obwohl hier
das Ausmaß der Zinssteigerung gegenüber dem Szenario + + + relativ klein ist. Ebenso sollte beachtet werden, daß die Szenarien – + + und – 0 + für die Bank einen Vermögenszuwachs bedeuten.
Diese Effekte können auf die spezielle Struktur des Cash-flow der Beispielsparkasse zurückgeführt werden: Die Tabelle 3.8 gibt darüber Auskunft, wie Zinsänderungen
in verschiedenen Fristen auf den Vermögenswert wirken.
Tabelle 3.8
Frist
Cash-flow
der Beispielsparkasse
Auswirkungen auf Vermögen
Steigender Zins
Fallender Zins
0,5 Jahre
1 Jahr bis 6 Jahre
6,5 Jahre bis 10 Jahre
negativ
positiv
negativ
Vermögen steigt
Vermögen sinkt
Vermögen steigt
Vermögen sinkt
Vermögen steigt
Vermögen sinkt
Bei einer Zinssteigerung in allen Fristen wirken also gegenläufige Effekte. Das höchste
Risiko entsteht bei durchgehend steigendem Zins nur deshalb, weil die Beispielsparkasse im Bereich 1 Jahr bis 6 Jahre die höchsten Cash-flow aufweist und insbesondere
mittlere Laufzeiten bei Zinsänderungen bereits eine ausreichende Hebelwirkung besitzen. Darüber hinaus ist das Ausmaß der Zinssteigerungen bei einem generellen
Zinsanstieg deutlich höher als bei einer Verdrillung. Durch entsprechende Überlegungen können alle obigen Effekte gut erklärt werden.
Wie kann mit Cash-flow gesteuert werden?
123
Das stärkste Zinsänderungsrisiko für die Beispielsparkasse würde entstehen, wenn
der Zins in der Frist »0,5 Jahre« fällt, in den Fristen 1 Jahr bis 6 Jahre deutlich steigt
und in den Fristen ab 6,5 Jahre fällt. Derartige Zinsänderungen konnten zwar von der
Richtung her empirisch beobachtet werden, doch war das Ausmaß der Zinsänderung
historisch so gering, daß kein nennenswertes Risiko entsteht.
Die Überlegungen zeigen, daß barwertige Vermögensveränderungen das Zinsänderungsrisiko der Bank adäquat abbilden und erklären. Damit liegt auch eine Möglichkeit zur Erfüllung der »Mindestanforderungen an das Betreiben von Handelsgeschäften« vor, auf die in Abschnitt 5.6 noch vertiefend eingegangen wird.
Wird nur das Depot A betrachtet, liegt ebenfalls beim Szenario + + + das höchste
Risiko vor. In absoluten Zahlen ist die Barwertveränderung etwa dreimal so hoch wie
für die Gesamtbank. Auch relativ ist das Risiko mit 2,41% deutlich höher als das Risiko für die Gesamtbank (2,05 %). Ursächlich hierfür ist, daß das Depot A in hohem
Ausmaß das Gegengeschäft zu Passivpositionen der Bank mit Kunden bildet.
Die isolierte Beobachtung des Depot A zeigt auch bei einzelnen Szenarien eine
andere Richtung der Ergebnisveränderung an als eine Betrachtung der Gesamtbank.
Beispielsweise gewinnt die Gesamtbank beim Szenario – + + 0,14 % ihres Wertes,
während das Depot A um 0,11% im Wert sinkt. Der umgekehrte Fall liegt beim Szenario + – – vor.
Mit Hilfe barwertiger Analysen kann das Zinsänderungsrisiko bei sofortigen
Zinsänderungen berechnet und erklärt werden. Barwertige Analysen können die
Basis für die Erfüllung der »Mindestanforderungen« bilden.
Die isolierte Betrachtung des Depot A reicht für die Steuerung des Zinsänderungsrisikos nicht aus. In der Regel wird das Risiko deutlich überschätzt. Fehlinformationen und damit Fehlsteuerungen hinsichtlich der Richtung und des
Ausmaßes von Vermögensveränderungen bei Zinsänderungen können nicht
ausgeschlossen werden.
Maßnahmenplanung
Die barwertige Berechnung des Zinsänderungsrisikos eignet sich auch zur Maßnahmenplanung. Im folgenden wird dies am Fall der Beispielsparkasse demonstriert.
Die barwertige Berechnung hat für die Gesamtbank ein maximales Risiko von
2,05 % ergeben (Szenario + + +). Es wird nun angenommen, daß dieses Risiko dem
Vorstand bzw. den Eigentümern zu hoch ist. Für die vorliegenden Szenarien soll nur
ein Risiko von maximal 1,75 % (gleich 7 Mio.) akzeptabel sein. Der Wert des Zinsgeschäfts der Beispielsparkasse darf also »über Nacht« höchstens von 400,75 Mio. auf
393,75 Mio. fallen. Dies soll durch entsprechende Maßnahmen erreicht werden.
Gleichzeitig soll erreicht werden, daß bei Eintritt des erwarteten Szenarios »Erwartung« der Vermögensverlust für die Bank vermieden wird.
124
Wertorientierte Steuerung des Zinsänderungsrisikos
Geprüft wird, ob ein Verkauf von 50 Mio. Wertpapiere mit der Frist von 4 Jahren
diese Anforderungen erfüllt. Der zufließende Betrag soll im Tagesgeld angelegt werden
und unterliegt damit im Prinzip keinem Zinsänderungsrisiko (Maßnahme 1).
Zur Berechnung wird zunächst der neue Summen-Cash-flow nach durchgeführter
Maßnahme berechnet.
Entsprechend der am Kalkulationsdatum vorliegenden Zinsstruktur weisen Fristen
von 4 Jahren einen Briefsatz von 4,50 % auf. Da Wertpapiere zum Briefsatz verkauft
werden, entfällt somit jährlich ein Cash-flow von 50 0,045 = 2,25 Mio. (Zinsen des
Wertpapiers). Am Fälligkeitstag (3.1.2001) entfallen zusätzlich 50 Mio. Der entsprechende Betrag fließt in der Kasse mit zwei Tagen Valuta zu.
Die Abbildung 3.2 zeigt den Cash-flow der Gesamtbank nach dem erfolgten Verkauf.
Abb. 3.2
Datum
Cash-flow
Erläuterung
03. 01. 1997
50,00
03. 07. 1997
– 101,00
03. 01. 1998
123,75
03. 07. 1998
72,00
03. 01. 1999
65,75
03. 07. 1999
65,00
03. 01. 2000
59,58
03. 07. 2000
58,00
03. 01. 2001
– 46,25
03. 07. 2001
53,00
in allen anderen Fristen
03. 01. 2002
70,00
unveränderte Cash-flow
03. 07. 2002
40,00
03. 01. 2003
48,00
03. 07. 2003
– 3,00
03. 01. 2004
– 19,00
03. 07. 2004
– 24,00
03. 01. 2005
1,00
03. 07. 2005
– 24,00
03. 01. 2006
– 24,00
03. 07. 2006
– 34,00
03. 01. 2007
– 14,00
Kassenzufluß aus Verkauf
= 126,00 – 2,25
= 68,00 – 2,25
= 62,00 – 2,25
=
6,00 – 52,25
Wie kann mit Cash-flow gesteuert werden?
125
Für den neuen Zahlungsstrom werden wieder die Risikoanalysen durchgeführt. Die
Tabelle 3.9 zeigt die neuen Ergebnisse:
Tabelle 3.9 Zinsänderungsrisiko der Gesamtbank nach Maßnahme 1
(»over night«)
Szenario
Barwert (Vermögenswert) vor
Maßnahme und
Zinsänderung
Barwert (Vermögenswert) nach
Maßnahme vor
Zinsänderung
Barwertveränderung durch Zinsänderung1
Mio. DM
Prozentuale
Vermögensveränderung
%
–––
400,75
400,67
+ 8,23
+ 2,05
+++
400,75
400,67
– 6,73
– 1,68
++–
400,75
400,67
– 2,17
– 0,55
–++
400,75
400,67
+ 0,59
+ 0,14
+––
400,75
400,67
– 0,56
– 0,14
–0+
400,75
400,67
+ 1,37
+ 0,34
+0–
400,75
400,67
– 2,07
– 0,52
Erwartung
400,75
400,67
– 0,79
– 0,20
Parallel 0,75 %
400,75
400,67
– 5,41
– 1,35
Das gewünschte Risikolimit (1,75 % bzw. 7 Mio. DM) ist eingehalten, da der höchste
Verlust nun 1,68 % beträgt. Die Maßnahme reduziert gleichzeitig den Vermögensverlust beim Szenario »Erwartung« von 0,27% auf 0,20 %. Die Maßnahme erfüllt diesbezüglich den beabsichtigten Zweck nur in der »richtigen« Richtung, kann aber den
Verlust nicht vermeiden.
Hinweise zur Maßnahmenplanung
Mit dem reduzierten Risiko haben sich auch die Chancen bei Zinssenkungen verringert (siehe Szenario – – –).
Beim Szenario + – – hat sich das Risiko erhöht, doch ist das Risiko bei diesem
Szenario weit unter dem vorgegebenen Limit, so daß es nicht »schlagend« wird.
Geeignete Software sollte die Höhe einer Maßnahme bei vorgegebenem Risikolimit
berechnen und mehrere Maßnahmen gleichzeitig beurteilen können.
Maßnahmen reduzieren stets den Barwert der Bank, auch wenn am Markt keine
Zinsbewegung stattfindet (Szenario: »alle Zinsen bleiben unverändert«). Im Beispiel verringert sich der Barwert von 400,75 Mio. DM auf 400,67 Mio. DM. Dieser
Effekt ist auf die Geld/Brief-Differenz zurückzuführen. Der Differenzbetrag kann
als »Kosten« der Maßnahme interpretiert werden.
1 Barwertveränderung gegenüber der Ausgangssituation (vor Maßnahme und Zinsänderung).
126
Wertorientierte Steuerung des Zinsänderungsrisikos
Beim erwarteten Szenario »Erwartung« erleidet die Bank auch nach Maßnahme
noch einen Vermögensverlust. Die Struktur der Cash-flow steht also nicht im Einklang mit der eigenen Zinserwartung.
Eine weitere Berechnung zeigt, daß folgende Maßnahme 2 für die Bank beim Szenario »Erwartung« einen Vermögenszuwachs erbringt:
Maßnahme 2
Nom.-Betrag Anlage ab
– 100,00
03.01.1997
– 100,00
03.01.1997
– 50,00
03.01.1997
– 50,00
03.01.1997
Anlage bis
03.01.2000
03.07.2000
03.01.2001
03.01.2003
Laufzeit
3,00
3,50
4,00
6,00
Nom.-Zins
4,100
4,300
4,500
5,200
Rendite
4,100
4,300
4,500
5,200
Kurs
100,0000
100,0222
100,0000
100,0000
Maßnahme 2 bedeutet den Verkauf von jeweils 100 Mio. DM Wertpapieren aus den
Fristen 3 Jahre und 3,5 Jahre sowie den Verkauf von jeweils 50 Mio. DM Wertpapieren aus der 4-Jahresfrist und 6-Jahresfrist. Die zufließenden Beträge werden im Tagesgeld angelegt.
Beim Szenario »Erwartung« steigt der Vermögenswert der Bank dadurch um
0,04 %. Das maximale Risiko liegt beim Szenario + 0 – mit 1,49 Mio. DM bzw.
0,37% Verlust vor. Das Risiko wurde also stark reduziert.
Die Berechnung zeigt, daß relativ hohe Beträge im Cash-flow verschoben werden
müssen, damit sich Risiko und erwarteter Erfolg grundlegend verändern.
In den obigen Beispielen wurden als Maßnahmen Operationen im Depot A betrachtet. Aus Sicht des Cash-flow und damit des Risikos der Gesamtbank hätte an
die Stelle des Wertpapierverkaufs auch die Refinanzierung treten können, ohne die
obigen Ergebnisse zu verändern.1 Ebenso hätte der Wertpapierverkauf mit nahezu
gleicher Wirkung durch einen Swap ersetzt werden können, bei dem die Bank Festzinszahler ist. Der Unterschied liegt nur darin, daß der Swap gleichzeitig eine Anlage auf die Frist der variablen Zinsanpassung (z. B. sechs Monate) bedeutet. Die jeweiligen Risiken bleiben nahezu unverändert.
Weitere Ausführungen zum Einsatz von Finanzinnovationen können dem Abschnitt 2.2 entnommen werden. Grundsätzlich gilt hierbei, daß Maßnahmen mit
gleichem Cash-flow hinsichtlich Risiko und Erfolg die gleiche Auswirkung haben –
seien sie bilanzieller Natur oder außerbilanzieller Natur.
Natürlich ist aber die herkömmliche bilanzielle Wirkung bzw. die Wirkung auf die
GuV unterschiedlich. Hierin liegt für die Bank ein erhebliches Gestaltungspotential
bei der konkreten Durchführung von Maßnahmen.
Die Auswirkungen von Maßnahmen auf die GuV sowie auf das bilanzielle Abschreibungsrisiko werden in Abschnitt 3.4.4 erläutert.
1 Voraussetzung hierbei ist, daß die Refinanzierung zur gleichen Rendite erfolgt wie der Wertpapierverkauf.
Wie kann mit Cash-flow gesteuert werden?
3.2.2
127
Varianz-/Kovarianzmodelle1
Die barwertige Analyse des Zinsänderungsrisikos mit Hilfe von Szenarien, die die
»Grenzen« der möglichen Zinsveränderungen erfassen, setzt naturgemäß die Definition der entsprechenden »Grenz- bzw. Risikoszenarien« voraus. Der Anwender kann
hierbei im Prinzip die Grenzen nach seiner Maximalerwartung frei setzen. Im Regelfall ist jedoch eine statistische Fundierung aus Vergangenheitswerten, wie sie in Abschnitt 3.2.1 vorgenommen wurde, vorzuziehen.
Die statistischen Daten wurden in Abschnitt 3.2.1 nur nach den Maximalwerten
analysiert. Die weitere Information, die in den Zinsveränderungen enthalten ist, blieb
hierbei unberücksichtigt. Es könnte aber sein, daß der Maximalwert ein »Ausreißer«
ist, der sehr weit weg von den anderen extremen Zinsänderungen ist. In diesem Fall
muß statistisch nicht unbedingt mit dem Ausreißer gerechnet werden, sondern es
kann ein geringerer Veränderungswert angesetzt werden. Umgekehrt könnte es sein,
daß sich in der Nähe des Maximalwerts eine Vielzahl weiterer Datenpunkte befindet,
so daß entsprechend mit dem Auftreten höherer Abweichungen gerechnet werden
muß, obwohl diese hohe Abweichung bisher noch nicht vorgekommen ist.
Das folgende Verfahren der Varianz-/Kovarianzanalyse wertet das gesamte historisch vorliegende Datenmaterial statistisch aus. Dadurch werden die oben genannten
Probleme vermieden. Gleichzeitig lassen sich konkrete Wahrscheinlichkeiten angeben, mit denen ein gewisses Grenzszenario bzw. ein gewisses Risiko eintritt.
Das folgende einfache Beispiel dient zur Erläuterung der Vorgehensweise. Anschließend werden die Werte für die Beispielsparkasse berechnet.
3.2.2.1 Beispiel
Vermögen 100 000 DM.
Zusätzliche Aufnahme von 100 000 DM mit Frist von einem Jahr (Zins 4 %).
Das Vermögen und die aufgenommenen 100 000 DM – insgesamt 200 000 DM –
werden auf zwei Jahre angelegt (Zins 5 %).
Der resultierende Zahlungsstrom ist in Tabelle 3.10 dargestellt.
Tabelle 3.10
Datum
30. 12. 96
30. 12. 97
30. 12. 98
Cash-flow
0
– 104 000 + 10 000 = – 94 000
+ 210 000
1 Die folgenden Ausführungen entsprechen der Vorgehensweise des Risikomodells nach JP Morgan. Vgl. JP
Morgan, RiskMetrics – Technical Document (Till M. Guldimann), New York 1995.
128
Wertorientierte Steuerung des Zinsänderungsrisikos
Berechnet werden soll das Zinsänderungsrisiko des obigen Cash-flow.
Für die Zinsstruktur sind lediglich die Fristen »1 Jahr« und »2 Jahre« in Tabelle 3.11
maßgeblich:
Tabelle 3.11 Interbankenzinsen mit jährlicher Zinszahlung (»Straight«-Renditen)
Laufzeit
1 Jahr
2 Jahre
Fällig am
30. 12. 97
30. 12. 98
Nominalzins
4,0000
5,0000
Rendite
4,0000
5,0000
Zinsusance
30/360
30/360
Kurs
100,0000
100,0000
Es wird ohne Geld/Brief-Differenz gearbeitet.
Die Analyse von JP Morgan für Zinsveränderungen basiert nicht auf den Renditen
für Papiere mit laufender Zinszahlung, sondern auf den hieraus abgeleiteten Zerobondrenditen. Die entsprechenden Werte können Tabelle 3.12 entnommen werden:1
Tabelle 3.12 Zerobondrenditen
Laufzeit
1 Jahr
2 Jahre
Fällig am
30. 12. 97
30. 12. 98
Rendite
4,00000
5,02525
Zinsusance
30/360
30/360
Kurs
96,153846
90,659341
Den statistischen Werten der Vergangenheit werden die absoluten Veränderungen der
Zerobondrenditen entnommen. Diese werden jedoch nicht unmittelbar ausgewertet,
sondern in relative Prozentzahlen der Zinsveränderung umgerechnet.
Eine absolute Veränderung des Zinses um 0,1% bedeutet bei einem Ausgangszins
von 5 % eine relative Veränderung von 2 %; bei einem Ausgangszins von 10 % eine relative Veränderung von 1%. Hinter dieser Vorgehensweise steht die durch Erfahrung
gestützte Annahme, daß die absoluten Zinsschwankungen bei höherem Zinsniveau
stärker ausfallen und etwa proportional zur absoluten Höhe des aktuellen Zinses sind.
Für die relativen Zinsveränderungen sollen aus der Vergangenheit die statistischen
Werte in Tab. 3.13 vorliegen:
Tabelle 3.13 Risikotabelle (Volatilitäten und Korrelationen)2
Volatilität3 der relativen Zinsveränderungen in % pro Tag
Korrelation der relativen Zinsveränderungen
1 Jahr
2 Jahre
1 Jahr
1,450
1,000
0,940
2 Jahre
1,865
0,940
1,000
1 Die Ableitung der Zerobondrenditen aus den Renditen von Papieren mit laufender Zinszahlung wird in
Projektteil 2 erläutert.
2 Die obigen Werte wurden von JP Morgan mit Datum 27.9.96 für die letzten 250 Handelstage als relative
Tagesveränderung ermittelt. Sie können täglich neu aktualisiert über Internet abgerufen werden.
3 Multipliziert mit dem Faktor 1,6449, siehe nachfolgende Hinweise.
Wie kann mit Cash-flow gesteuert werden?
129
Inhaltliche Bedeutung der Volatilität und der Korrelation1
Die Volatilität ist ein Maß für die Schwankungsbreite des Zinses; sie entspricht also im
Kern der üblichen statistischen Standardabweichung. In der obigen Tabelle (Originaldaten von JP Morgan) ist aber nicht die Standardabweichung selbst, sondern die Standardabweichung multipliziert mit dem Faktor 1,6449 angegeben. Dies entspricht
einem Konfidenzintervall von 90 % (zweiseitig) bzw. 95 % (einseitig). Der Jahreszins
verändert sich also mit einer Wahrscheinlichkeit von 90 % innerhalb eines Tages um
nicht mehr als 1,450 %. Bei einem aktuellen Jahreszins von 4,00 % ist somit mit einer
Wahrscheinlichkeit von 90 % damit zu rechnen, daß der Jahreszins am nächsten Tag
nicht um mehr als 4,00 1,450 / 100 = 0,058 % vom aktuellen Zins abweicht.
Die Korrelation ist ein Maß für die Kopplung der Zinssätze – hier der Zinsen für die
einjährige und zweijährige Frist. Sie liegt im Bereich von + 1 bis – 1. Eine Korrelation
von + 1 bedeutet eine exakt gleichläufige Veränderung der Zinsen, d. h. eine Zinserhöhung im Ein-Jahreszins ist stets auch mit einer Zinserhöhung des Zwei-Jahreszinses
verbunden. Ebenso liegen Zinssenkungen stets gleichzeitig vor. Eine Korrelation von
– 1 bedeutet, daß Zinserhöhungen im Ein-Jahreszins stets Zinssenkungen im ZweiJahreszins bedeuten und umgekehrt. In beiden Fällen ist ein linearer Zusammenhang
der Zinsen gegeben. Eine Korrelation von 0 signalisiert, daß die Bewegungen des EinJahreszinses nicht mit den Bewegungen des Zwei-Jahreszinses im Zusammenhang stehen. Aus der Bewegung des Ein-Jahreszinses kann in diesem Fall auch statistisch nicht
auf die Bewegung des Zwei-Jahreszinses geschlossen werden.
Die Werte für die Korrelation sind ebenfalls für einen Veränderungszeitraum von
einem Tag für die letzten 250 Tage ermittelt.
Im Beispiel beträgt die Korrelation zwischen dem einjährigen und dem zweijährigen Zins 0,94. Die Zinssätze laufen demnach weitgehend identisch, es liegt jedoch kein
strikt linearer Zusammenhang vor.
Weitere Hinweise bei der Anwendung des Systems von JP Morgan
Bei der Ermittlung der Volatilität und der Korrelation für die letzten 250 Handelstage
wendet JP Morgan eine exponentielle Gewichtung der Werte an, so daß die jüngsten
Ereignisse stärker, die weiter zurückliegenden Ereignisse schwächer in die Berechnung
eingehen. Die Volatilitäten und gegenseitigen Korrelationen werden für die Fristen
1 Tg, 1 M, 3 M, 6 M, 1 J–5 J, 7 J, 9 J, 10 J, 15 J, 20 J, 30 J ermittelt. Zur Auswahl steht
eine Haltedauer von einem Tag oder 10 Tagen. Alle Analysen beziehen sich auf Zerobondrenditen. Die Werte können derzeit kostenlos über Internet täglich aktualisiert
abgerufen werden.
1 Zur exakten Definition der Volatilität und Korrelation sowie zu weiteren Eigenschaften dieser Kenngrößen wird auf die statistische Standardliteratur verwiesen.
130
Wertorientierte Steuerung des Zinsänderungsrisikos
Umrechnung der Zinsvolatilitäten in Kursvolatilitäten
Für die Risikoermittlung sind nicht die Veränderungen der Zinsen, sondern die Veränderungen der Kurse maßgeblich. Die relative Zinsveränderung muß zu diesem
Zweck in eine relative Kursveränderung umgerechnet werden.
Die Umrechnung der Zinsvolatilitäten in Kursvolatilitäten wird zunächst nur für
Zerobonds benötigt. Hierzu wird die erste Ableitung des Barwerts eines Zerobonds
– fällig zum Zeitpunkt t – nach dem Zins gebildet.
Es bezeichnet: BW = Barwert des Zerobonds
p = Zinssatz % des Zerobonds
t
= Fälligkeitszeitpunkt des Zerobonds
Dann gilt für ein Endkapital von 1 des Zerobonds:
(
BW = 1 1 +
)
p
100
(
–t
dBW
p
t
=–
1+
(1)
100
dp
100
Der Ausdruck
t
(
1+
p
100
)
– t –1
)
=–
(
t 1+
(
–t
p
100
100 1+
)
p
100
)
=–
t BW
(
100 1+
p
100
)
ist für einen Zerobond identisch mit der sog. »Modified Dura-
tion«, im folgenden als ModDur abgekürzt.
Für kleine Änderungen dp des Zinses p gilt somit:
(2) dBW =
BW
100
ModDur dp
Für die relative, prozentuale Änderung des Barwertes gilt entsprechend:
(3)
dBW
BW
100 = – ModDur dp
Das negative Vorzeichen in der Formel signalisiert, daß die Zinsänderung und die
Kursänderung gegenläufige Richtungen besitzen.
Man beachte, daß die Formel nur für kleine Zinsänderungen hinreichend genau ist,
für höhere Zinsänderungen kann sie nur als Näherungswert gelten. In diesem Fall
sollte der Kurs nach Zinsänderung direkt aus dem neuen, geänderten Zins berechnet werden.
Wie kann mit Cash-flow gesteuert werden?
131
Eine relative Zinsänderung um den Betrag Vola entspricht einer absoluten Zinsänderung von:
(4) absolute Zinsänderung = absolute Zinshöhe Vola
100
Wird (4) in (3) eingesetzt, erhält man für die resultierende relative Kursveränderung:
(5)
dBW
BW
100 = – ModDur absolute Zinshöhe Vola
100
Zu beachten ist, daß in allen Formeln für die Zinsen die Zerobondrenditen Verwendung finden müssen, nicht die Zinssätze von Wertpapieren mit jährlicher Zinsausschüttung.
Im Beispiel liegen die Ergebnisse in Tabelle 3.14 vor:
Tabelle 3.14
Datum
Cash-flow
ZerobondRendite
Modifizierte
Duration
Zinsvolatilität
Kursvolatilität
30. 12. 97
– 94 000,00
4,00000
0,961538
1,450
0,055769
30. 12. 98
210 000,00
5,02525
1,904304
1,865
0,178473
Berechnung der Einzelrisiken
Jeder Cash-flow kann als Zerobond interpretiert werden, dessen Kurs gerade der Barwert des Cash-flow ist. Tabelle 3.15 berechnet für das Beispiel:
Tabelle 3.15
Cash-flow
Kurs/100
=
Barwert
– 94 000,00
0,96153846
=
– 90 384,61
210 000,00
0,90659341
=
190 384,61
=
100 000,00
Summe Barwerte = Vermögen
Die absolute Kursänderung, die durch die Kursvolatilität bewirkt wird, dokumentiert
Tab. 3.16.
Tabelle 3.16
Barwert
– 90 348,61
190384,61
Kursvola/100
0,055769/100
0,178473/100
=
=
=
Kursänderung
– 50,41
339,79
132
Wertorientierte Steuerung des Zinsänderungsrisikos
Interpretation
Die Wahrscheinlichkeit, daß die Zinsen bzw. die Kurse innerhalb der Spanne ± Vola
liegen, beträgt 90 %.1 Die Wahrscheinlichkeit, daß die Kursschwankung des zweijährigen Zerobonds mehr als 339,79 DM beträgt, ist 10 %. Entsprechend ist die Wahrscheinlichkeit für einen Verlust 5 %, da nur eine negative Kursschwankung Verluste
bedeutet. 10 % ist das zweiseitige Konfidenzniveau, 5 % das einseitige.
Die ausgewiesenen Werte spiegeln sowohl die Verluste (Risiken) als auch die möglichen Gewinne wider. Das negative Vorzeichen im einjährigen Bereich ist so zu verstehen, daß die Verluste bei einer Zinssenkung eintreten, während die Verluste im
zweijährigen Bereich bei einer Zinserhöhung eintreten.
Falls die Berechnung mit einem anderen Konfidenzniveau erfolgen soll, muß das
berechnete Risiko mit einem Faktor multipliziert werden. Die Faktoren ergeben sich
aus den Eigenschaften der Normalverteilungsfunktion. In der Tabelle 3.17 sind einige
Werte zusammengestellt.
Tabelle 3.17
Zweiseitiges
Einseitiges
Konfidenzniveau Konfidenzniveau
Faktor, wenn
die Volatilität als
Standardabweichung
angegeben ist
50,00 %
60,00 %
68,00 %
80,00 %
90,00 %
75,00 %
80,00 %
84,00 %
90,00 %
95,00 %
0,67448961
0,84162113
0,99445806
1,28155109
1,64485259
95,00 %
99,00 %
97,50 %
99,50 %
1,95996252
2,57583223
Bemerkung
Auf dieser Basis
wird die Volatilität
von JP Morgan
angegeben.
Faktor, wenn
die Volatilität wie
von JP Morgan
angegeben wird
0,41006082
0,51166963
0,60458795
0,77912823
1,00000000
1,19157335
1,56599579
Gesamtrisiko und Korrelationen
Falls die einjährigen und zweijährigen Zinsen jeweils exakt um die jeweilige Volatilität
steigen, entsteht in der einjährigen Position ein Gewinn in Höhe von 50,41 DM und
in der zweijährigen Position ein Verlust von 339,79 DM, insgesamt somit ein Verlust
von 289,38 DM. Fällt der einjährige Zins um eine Volatilität und steigt gleichzeitig
der zweijährige Zins, so entsteht in beiden Positionen ein Verlust, insgesamt also
50,41 DM + 339,79 DM = 390,20 DM.
Weder der eine Grenzfall (Korrelation + 1) noch der andere Grenzfall (Korrelation
–1) entspricht der Realität. Der Zusammenhang zwischen den Zinssätzen wird durch
1 Die Zinsvolatilität war bereits zu diesem Signifikanzniveau angegeben, siehe oben.
Wie kann mit Cash-flow gesteuert werden?
133
die Korrelation von 0,940 beschrieben. Die gleiche Korrelation gilt in guter Näherung
auch für die Kurse.
Mit Kenntnis der Korrelation k läßt sich für das gesamte Kursrisiko folgende Formel
angeben:
Gesamtrisiko = R12 + R22 + 2 * k * R1 * R2 = 292,91
mit: R1 = – 50,41
R2 =
339,79
k=
0,940
(Kursrisiko 1 Jahr)
(Kursrisiko 2 Jahre)
(Korrelation der Zinsen und gleichzeitig der Kurse)
Mit einer Wahrscheinlichkeit von 95 % ist somit der Gesamtverlust bei einer Haltedauer von einem Tag nicht größer als 292,91 DM.
Andere Haltedauern
Das berechnete Risiko bezieht sich im Beispiel auf die Dauer von einem Tag, da die
Basisdaten für die Volatilität und die Korrelation mit diesem Betrachtungszeitraum
ermittelt wurden. In der Praxis werden aber Risikokenngrößen für einen längeren
Zeitraum benötigt. Der Zeitraum erhält hierbei die Bedeutung der »Haltedauer«. Innerhalb der Haltedauer soll es der Bank auch bei ungewöhnlichen Situationen möglich sein, sich von einer Position zu trennen und Risiken durch geeignete Maßnahmen
glattzustellen. In der Regel wird hierzu von einer Haltedauer von 10 Handelstagen
ausgegangen.1
Es stehen zwei Möglichkeiten zur Verfügung, eine längere Haltedauer zu berücksichtigen:
(a) Die Volatilitäten und Korrelationen werden von Beginn an für die gewünschte
Haltedauer ermittelt.
Der Rechenweg zur Risikobestimmung bleibt hierbei unverändert, es werden
lediglich die entsprechend veränderten Ausgangsdaten verwendet.
JP Morgan stellt Volatilitäten und Korrelationen neben der Haltedauer von einem
Tag auch für 10 Tage Haltedauer zur Verfügung. Werte für andere Haltedauern
müssen individuell ermittelt werden.
(b) Es wird unterstellt, daß die Zinsveränderungen von Tag zu Tag voneinander unabhängig sind. Das Risiko für eine längere Haltedauer kann unter dieser Prämisse gemäß folgender Formel berechnet werden:
RisikoHaltedauer = Risiko1Tag *
Haltedauer (Tage)
1 Z. B. wird in der sechsten KWG-Novelle bei der Berechnung des zur Risikoabdeckung benötigten Eigenkapitals eine Haltedauer von 10 Tagen unterstellt.
134
Wertorientierte Steuerung des Zinsänderungsrisikos
Bei einer Haltedauer von 9 Tagen beträgt im Beispiel das Risiko nach dieser Formel 3 292,91 = 878,73 DM.
Je länger die Haltedauer ist, um so ungenauer wird Formel (b), da von einer Unabhängigkeit der Zinsveränderungen über längere Zeiträume nicht ausgegangen werden
kann. Die Methode (a) liefert in jedem Fall bessere Ergebnisse.
Value at Risk
Die berechneten Risikowerte werden als »Value at Risk« (teilweise auch »Capital at
Risk« oder »Money at Risk«) bezeichnet (Abkürzung VaR). Ein Value at Risk bezieht
sich stets auf eine bestimmte Haltedauer und ein bestimmtes Konfidenzintervall.
Ein Value at Risk von X DM bei einer Haltedauer von t Tagen und einem (einseitigen) Konfidenzintervall von p % bedeutet, daß am Ende der Haltedauer (und damit
auch innerhalb der Haltedauer) der Vermögensverlust mit einer Wahrscheinlichkeit
von p % nicht größer als X DM ist. Mit einer Wahrscheinlichkeit von 100 – p % ist der
Verlust größer als X DM, eine obere Grenze für den Verlust kann nicht angegeben werden.
Die Interpretation des Value at Risk wird in Abschnitt 5.5 fortgesetzt.
3.2.2.2 Allgemeiner Rechenweg, Ergebnisse für die Beispielsparkasse
Im allgemeinen fließt der Zahlungsstrom einer Bank nicht nur an zwei Zeitpunkten,
sondern an beliebigen Terminen. Die Volatilitäten und Korrelationen können aber
nicht für beliebig viele Zeitpunkte berechnet werden, sondern nur für eine endliche
Anzahl von Zeitpunkten. Im System von JP Morgan wurden hierfür die Zeitpunkte
1 Tag, 1 Monat, 3 Monate, 6 Monate, 1 Jahr bis 5 Jahre, 7 Jahre, 9 Jahre, 10 Jahre,
15 Jahre, 20 Jahre und 30 Jahre ausgewählt.
Die Tabelle 3.18 zeigt die Korrelationsmatrix mit Haltedauer von einem Tag bei
einem Konfidenzniveau von 90 % bzw. einseitig 95 %, wie sie von JP Morgan per
27.11.96 bereitgestellt wurde.
Wie kann mit Cash-flow gesteuert werden?
135
Tabelle 3.18 Risikotabelle (JP Morgan)
Typ
1 Tg
Vola
0,589 0,654 0,598 0,784
1M
3M
6M
1J
1,45
2J
3J
4J
5J
7J
9J
1,865 1,797 1,621 1,379 1,043 0,958
10 J
0,95
15 J
20 J
0,832 0,786
30 J
0,743
Korr.
1 Tg
1M
3M
6M
1J
2J
3J
4J
5J
7J
9J
10 J
15 J
1,00 – 0,112 – 0,172 – 0,232 – 0,245 – 0,340 – 0,322 –0,330 – 0,312 –0,280 – 0,279 – 0,283 – 0,273 – 0,286 – 0,244
1,00
0,713 0,570 0,315 0,238 0,209 0,201 0,195 0,180
0,159 0,145 0,121
0,114 0,088
1,00
0,786 0,428 0,328 0,299 0,296 0,285 0,278
0,245 0,224 0,186
0,164 0,156
1,00
0,697 0,670 0,657 0,630
0,605 0,583 0,543
0,528 0,498
0,940 0,914 0,869 0,853 0,815
0,803 0,788 0,749
0,738 0,689
0,985 0,954 0,941 0,890 0,873 0,857 0,819
0,814 0,758
0,829 0,737
1,00
1,00
1,00
0,986 0,977 0,937
0,918 0,897 0,862
0,858 0,811
1,00
0,937 0,916 0,885
0,883 0,839
0,997 0,957
1,00
0,964
0,944 0,922 0,892
0,891 0,851
1,00
0,992 0,974 0,958
0,952 0,933
1,00
0,994 0,985
0,978 0,962
1,00
0,994
0,985 0,968
1,00
0,996 0,984
20 J
30 J
1,00
0,983
1,00
Mapping
Die begrenzte Zahl von Laufzeiten, für die Volatilitäten und Korrelationen bereitstehen, bedingt gleichzeitig, daß auch der zu untersuchende Cash-flow nur an den
genannten Zeitpunkten Zahlungen aufweisen darf. Diese Voraussetzung liegt im
Normalfall nicht vor.
Aus dem genannten Grund müssen die Zahlungen des Original-Cash-flow in
geeigneter Weise auf das vorgegebene Zeitraster abgebildet werden. Dies geschieht
dadurch, daß eine Zahlung, die zwischen zwei Rasterzeitpunkten liegt, anteilig dem
einen, anteilig dem anderen Rasterzeitpunkt zugeordnet wird. Hierbei erfolgt die Verteilung so, daß der Barwert und das Risiko des Cash-flow erhalten bleiben. Der entsprechende Vorgang wird als »Mapping« bezeichnet. Zu Einzelheiten wird auf die
Literatur verwiesen.1
1 Vgl. JP Morgan, RiskMetrics – Technical Document (Till M. Guldimann), New York 1995.
136
Wertorientierte Steuerung des Zinsänderungsrisikos
Berechnung des Gesamtrisikos
Für den gemappten Zahlungsstrom wird wie im Beispiel aus Abschnitt 3.3.2.1
zunächst das Kursrisiko Ri für jede einzelne Fälligkeit an den Rasterzeitpunkten (i = 1
bis n) berechnet. Das Gesamtrisiko wird dann mit folgender Formel gewonnen:
n
Gesamtrisiko =
n
Σ Σ k ij R i R j
i=1 j=1
mit:
k ij = Korrelation der Zinsänderungen zwischen den Zeitpunkten i und j
Ri = Kursrisiko für den Barwert des Cash-flow am Zeitpunkt i
Einbeziehung von Maßnahmen
Die Auswirkung von Maßnahmen kann dadurch analysiert werden, daß der Zahlungsstrom der Maßnahmen zum Ursprungszahlungsstrom addiert wird und für den
gemeinsamen Zahlungsstrom der Value at Risk wie oben beschrieben berechnet wird.
Ergebnisse für die Beispielsparkasse
Mit der geschilderten Vorgehensweise erhält man für die Beispielsparkasse folgende
Ergebnisse für den Value at Risk (Mio.):
Tabelle 3.19
Maßnahme
Haltedauer 10 Tage, Haltedauer 21 Tage
Konfidenzniveau
(1 Monat), Konfi90 % (einseitig 95 %) denzniveau 99,9 %
(einseitig 99,95 %)
Vergleichswert:
Maximales Risiko bei
Szenarioanalyse nach
3.2.1
»ohne«
2,22
6,45
8,21
Verkauf 40 Mio. DM
4 Jahre
1,82
5,28
6,73
Die Tabelle 3.19 zeigt, daß die Risikowerte nach Varianz-/Kovarianzanalyse und barwertiger Szenarioanalyse zwar nicht von den Zahlen her übereinstimmen, aber die
gleiche Relation untereinander aufweisen. Die beiden mit Hilfe der Varianz-/Kovarianzanalyse berechneten Werte stehen bei beiden Maßnahmen (»ohne« und »Maßnahme«) exakt im Verhältnis 1 zu 2,90. Die mit Hilfe der Szenarioanalyse berechneten
Werte verhalten sich zu den in etwa vergleichbaren Werten mit Haltedauer von einem
Monat und hohem Konfidenzniveau wie 1 zu 1,27. Bei entsprechender Adjustierung
des Risikos können in diesem Beispielfall in etwa identische Werte erwartet werden.
Wie kann mit Cash-flow gesteuert werden?
137
Würdigung des Varianz-/Kovarianzmodells im Vergleich zur barwertigen
Szenarioanalyse
Der Vorteil des Varianz-/Kovarianzmodells besteht darin, daß die Risikoaussagen mit
Wahrscheinlichkeiten hinterlegt werden können, die die gesamte Information der vorliegenden Stichprobe ausschöpfen. Hingegen sind bei Szenarioanalysen mit »Risikobzw. Grenzszenarien« Wahrscheinlichkeitsaussagen nur sehr ungenau möglich, da
»Ausreißer« statistisch nicht korrekt behandelt werden können.
Der Genauigkeitsgrad des Varianz-/Kovarianzmodells sollte jedoch nicht überschätzt werden. Stets ist zu beachten, daß alle Werte aus Stichproben gewonnen werden, die die »wahren« Prozesse nicht unbedingt widerspiegeln. Beim Rechenweg wird
mit zusätzlichen Annahmen (z. B. Normalverteilung) und Näherungen (Umrechnung
Zinsvolatilität in Kursvolatilität) gearbeitet.
Sowohl bei der Szenarioanalyse als auch bei der Varianz-/Kovarianzanalyse sollte
nicht die absolute Höhe des Risikos im Vordergrund stehen, sondern die Risikorelation bei bestimmten zu prüfenden Maßnahmen.
Nachteilig beim Varianz-/Kovarianzmodell ist, daß die Ergebnisse nur schwer dahingehend interpretiert werden können, bei welchem Szenario der berechnete Verlust eintritt oder überschritten wird. Der Anwender besitzt keine Information darüber, welche
Zinsveränderungen sich für ihn gut oder schlecht auswirken. Entsprechend ist die Maßnahmenplanung schwieriger als bei der Szenarioanalyse. Schließlich liefert die Varianz-/
Kovarianzanalyse keine Ergebnisse für die Zinserwartung, mit der der Anwender rechnet. Es handelt sich um ein reines Risikomodell, dem die Erlöskomponente fehlt.
Die im nächsten Abschnitt ausführlich erläuterten Vorteile einer Analyse auf einen
Planungshorizont können ebenfalls nicht im Varianz-/Kovarianzmodell nachgebildet
werden. Dies führt dazu, daß insgesamt der Varianz-/Kovarianzansatz für weniger
zielführend für Sparkassen beurteilt wird als die Szenarioanalyse bzw. grundsätzlich durch Szenarioanalysen ergänzt werden sollte.
3.3
Analyse und Maßnahmen auf einen Planungshorizont
(»Performancekonzept«)
Die bisherigen Überlegungen in Abschnitt 3.2 betrachten das Vermögen der Bank und
dessen Veränderung ausschließlich am Ist-Zeitpunkt. Im folgenden wird gezeigt, daß
diese Sichtweise bestimmte reale Phänomene nicht erklären kann und daß ein Übergang der Betrachtungsweise zur Ermittlung des Vermögens im Zeitablauf nötig ist.1
1 Die entsprechenden Gedanken wurden erstmals von Benke, Gebauer und Piaskowski unter dem Namen
»Barwertkonzept« vorgestellt (Benke, H., Gebauer, B., Piaskowski, F.: Die Marktzinsmethode wird erwachsen: Das Barwertkonzept (I) und (II), in: Die Bank, 8/1991, S. 457 ff. und 9/1991, S. 514 ff.). Zur besseren Unterscheidung dieser Gedanken von der reinen zeitpunktbezogenen Betrachtung gemäß Abschnitt 3.2 wird hier die Bezeichnung »Performancekonzept« gewählt.
138
Wertorientierte Steuerung des Zinsänderungsrisikos
Entsprechende Berechnungsmethoden werden vorgestellt und am Beispiel der Modellbank praktisch durchgeführt.
3.3.1
Dynamisierung der Barwertbetrachtung:
Analyse auf Planungshorizont
Die barwertigen Berechnungen unterstellen, daß Zinsänderungen unmittelbar am IstZeitpunkt eintreten. In der Realität vollziehen sich im Gegensatz hierzu Zinsänderungen stets im Zeitablauf. Das Ausmaß der möglichen bzw. realistischen Veränderung
hängt davon ab, wie lange die Zeitspanne ist, die zur Veränderung zur Verfügung steht.
Ebenso ist der Investor primär nicht daran interessiert, wie sein Vermögen momentan
schwankt. Er möchte vielmehr wissen, mit welchem Vermögen er nach einer bestimmten Zeit (dem Planungshorizont) rechnen kann und welche Schwankung im
Vermögenswert hierbei zu erwarten ist.
Die beiden Betrachtungen unterscheiden sich nicht nur in der Rechentechnik. Das
folgende einfache Beispiel zeigt, daß sie auch inhaltlich betriebswirtschaftlich zu unterschiedlichen Aussagen kommen.
Beispiel:
Eine Bank mit einem Vermögen von 100 Mio. DM hat 200 Mio. zum Marktzinssatz
von 6 % für zwei Jahre angelegt. Hierbei sind 100 Mio. DM im Tagesgeld zu aktuell
4 % refinanziert. In der Tabelle 3.20 sind die aktuelle Zinsstruktur, die Zinsprognose
und der Zahlungsstrom angegeben.
Tabelle 3.20
Frist
Marktzins Ist
in %
Zinsprognose
in %
Cash-flow
in Mio. DM
1 Tag
4,00
5,00
– 100,00 1
1 Jahr
5,00
6,00
+ 12,00
2 Jahre
6,00
7,00
+ 212,00
Bei steigenden Zinsen erleidet die Bank einen barwertigen Vermögensverlust. Zum
Beispiel beträgt der Barwert bei einer schockartigen Bewegung des Marktzinses um
1% nach oben in allen Fristen (entsprechend Zinsprognose) 96,3675 Mio.2 Der barwertige Verlust beträgt somit 3,63 %.
1 Der Zins für einen Tag wurde aus Vereinfachungsgründen weggelassen. Ebenso wird das entsprechende
minimale barwertige Risiko vernachlässigt.
2 Die Berechnung des strukturkongruenten Barwerts wird in Projektteil 2 erläutert.
Wie kann mit Cash-flow gesteuert werden?
139
Eine dynamische Betrachtung des Barwerts am Planungshorizont ein Jahr ab Beginn ergibt ein anderes Bild:
Wird angenommen, daß die Geldaufnahme der 100 Mio. DM weiterhin revolvierend im Tagesgeld erfolgt, so kann hierbei mit 4,5 % (Mittelwert aus aktuell 4 %
und Prognose 5 %) als Durchschnittszins gerechnet werden. Am Jahresende entsteht eine Sollposition von 104,50 Mio. DM Das Tagesgeld ist also nicht risikoneutral (wie bei der barwertigen Analyse), sondern besitzt eine Risikokomponente.
Am Jahresende fließen 12 Mio. DM als sicherer Wert zu. Diese Position war bei barwertiger Berechnung dem Zinsänderungsrisiko des gestiegenen Jahreszinses unterworfen.
Der Cash-flow in Höhe von 212 Mio. DM (fällig zwei Jahre ab Ist-Zeitpunkt, fällig
ein Jahr ab Planungshorizont) muß mit der Rendite für die Restlaufzeit von einem
Jahr abgezinst werden. Laut Prognose liegt hierfür ein Zins von 6 % vor. Der Barwert beträgt entsprechend 200 Mio. DM. Bei reiner Barwertanalyse wäre mit 7%
abgezinst worden.
Insgesamt beträgt der Barwert am Planungshorizont »ein Jahr ab Beginn« 200 + 12
– 104,50 = 107,50 Mio. DM. Die Bank hat bis zum Planungshorizont eine Performance von 7,50 % erzielt. Dieses Ergebnis steht im Gegensatz zur Aussage der
reinen Barwertbetrachtung. Während dort bei steigenden Zinsen mit einer Vermögensverringerung gerechnet wird, liegt im Beispiel auf Planungshorizont trotz gestiegener Zinsen eine Vermögensvermehrung vor. Nur dann, wenn der Zins deutlich stärker als in der Prognose angegeben steigt, kommt es zu Vermögensverlusten.
Allgemein treten bei einer Betrachtung auf Planungshorizont folgende Phänomene
auf, die die reine Barwertbetrachtung (Planungshorizont ist hier der aktuelle Stichtag)
nicht erfassen kann.
(1) Cash-flow, die zeitlich vor dem Planungshorizont liegen, müssen auf den Planungshorizont aufgezinst werden. Die Zinsen hierzu müssen der Zinsprognose
gemäß zeitlichem Verlauf entnommen werden.
Ein positiver Cash-flow vor dem Planungshorizont bedeutet bei steigenden Zinsen eine Vermögensvermehrung.1 Analoges gilt für negative Cash-flow, die zeitlich vor dem Planungshorizont anfallen.
(2) Cash-flow, die am Planungshorizont anfallen, sind risikoneutral.
(3) Cash-flow, die zeitlich nach dem Planungshorizont anfallen, müssen entsprechend der Zinsprognose strukturkongruent abgezinst werden. Maßgeblich für die
1 Bei reiner Barwertbetrachtung gibt es diesen Fall nicht; hier existieren nur positive Cash-flow zum oder
nach dem Planungshorizont (= Stichtag der Barwertbetrachtung). Positive Cash-flow bedeuten bei steigenden Zinsen dann immer eine Vermögensminderung, negative Cash-flow entsprechend eine Vermögenszunahme (siehe [2] und [3]).
140
Wertorientierte Steuerung des Zinsänderungsrisikos
Abzinsung sind nicht die Ursprungslaufzeiten eines Cash-flow ab Ist-Zeitpunkt,
sondern die Restlaufzeiten der Cash-flow ab Planungshorizont.
Bei einer normalen Zinsstruktur und gleichzeitiger Seitwärtsbewegung der Zinsen kommt es dadurch zu einer indirekten »Zinssenkung«. Analoge Effekte treten
auch bei anderen Zinsstrukturen bzw. Veränderungen der Zinsstruktur auf. Der
entsprechende Effekt wird in der Literatur als »Ritt auf der Zinsstrukturkurve«
beschrieben.
Liegen die tatsächlichen Zinsen am Planungshorizont über den vom aktuellen
Stichtag aus bestimmten Forward-Renditen am Planungshorizont, so resultiert
aus positiven Cash-flow eine Vermögensverminderung; aus negativen Cash-flow
ein Vermögenszunahme.1
(4) Die Phänomene (1) und (3) bewirken implizit, daß die Verzinsung des barwertigen Vermögens der Bank bis zum Planungshorizont bei der Berechnung berücksichtigt wird.
Die Ergebnisunterschiede zwischen der rein barwertigen Analyse und der Analyse auf
Planungshorizont fallen um so stärker aus, je weiter der Planungshorizont in der Zukunft liegt.
Schlußfolgerung
Die Analyse des Vermögens auf Planungshorizont (Performancekonzept) besitzt
gegenüber der reinen Barwertbetrachtung den Vorteil, daß die Planungshorizontbetrachtung den Planungs/Entscheidungs- und Performance/RisikoMeßprozeß dynamisiert. Dabei gilt:
Die Zinsen, die aus dem Vermögen bis zum Planungshorizont anfallen, werden realitätsgerecht erfaßt.
Cash-flow, die zeitlich vor dem Planungshorizont bzw. auf dem Planungshorizont liegen, werden in ihrer Risiko- und Erfolgswirkung korrekt abgebildet.
Der »Ritt auf der Zinsstrukturkurve« wird korrekt erfaßt.
3.3.2
Rechenlogik
Im Fortgang wird die Rechentechnik zur Ermittlung des Vermögens am Planungshorizont geschildert.
a) Alle Cash-flow, die zeitlich vor dem Planungshorizont liegen, werden bis zum Planungshorizont aufgezinst.
1 Bei reiner Barwertbetrachtung fallen die »Forward-Zinsen« mit den aktuellen Zinsen zusammen (siehe
vorangegangene Fußnote). Ein Ritt auf der Renditekurve entfällt somit bei der Barwertbetrachtung.
Wie kann mit Cash-flow gesteuert werden?
141
Die Aufzinsung erfolgt mit Zinssätzen, die im Verlauf bis zum Planungshorizont
prognostiziert werden.
Rechentechnisch kann die Aufzinsung rollierend im Tagesgeld oder in einem
Schritt durch direkte Anlage bis zum Planungshorizont erfolgen. Die jeweiligen
Zinsen werden der Zinsprognose entnommen.
b) Ein Cash-flow, der unmittelbar zum Planungshorizont fällig ist, bleibt im Wert unverändert.
c) Alle Cash-flow, die zeitlich nach dem Planungshorizont liegen, werden auf den
Planungshorizont strukturkongruent abgezinst (analog der beschriebenen Barwertsystematik).
Die Abzinsung bzw. Bewertung erfolgt mit den Zinssätzen, die für den Zeitpunkt
»Planungshorizont« prognostiziert werden.
Zinsprognosen, die zeitlich nach dem Planungshorizont liegen, gehen entsprechend nicht in die Berechnung ein. Derartige Zinsprognosen sind somit auch
nicht notwendig.
Das Vermögen der Bank am Planungshorizont setzt sich aus dem aufgezinsten Wert
der Cash-flow vor dem Planungshorizont (a), dem Saldo des Cash-flow am Planungshorizont (b) und der strukturkongruenten Bewertung der Cash-flow nach dem Planungshorizont (also Barwert am Planungshorizont) (c) zusammen.
Die Differenz aus Vermögen am Planungshorizont und Startvermögen gibt den Erfolg bzw. die »Performance« in DM an.
Aus dem Startvermögen und dem Vermögen am Planungshorizont kann der Vermögenszuwachs in Prozent berechnet werden. Dieses Ergebnis wird üblicherweise als
Performance (in %) bezeichnet. Bei einem Planungshorizont von einem Jahr stimmt
dieser Vermögenszuwachs mit der sog. »realen Rendite«1 überein. Andernfalls kann
der Vermögenszuwachs exponentiell in einen Vermögenszuwachs pro Jahr und somit
die reale Rendite umgerechnet werden. Die reale Rendite kann auch als »Performance
p. a.« (in %) bezeichnet werden und ist mit dem üblichen Begriff der Verzinsung als
Maßstab für den Kapitalzuwachs pro Jahr identisch.
Das Vermögen am Planungshorizont (bzw. die Performance oder die reale Rendite)
wird für unterschiedliche Zinsprognosen bzw. Zinsszenarien berechnet. Die Schwankung des Vermögens am Planungshorizont (bzw. die Schwankung der Performance
oder realen Rendite) unter den verschiedenen Zinsszenarien dient als Grundlage der
Messung des Zinsänderungsrisikos. Das Risiko kann hierbei als maximaler Verlust, als
Schwankung der Vermögenswerte selbst oder als relative Schwankung im Vergleich
mit einer Benchmark definiert werden.
Sofern Maßnahmen geplant sind oder in ihrer Auswirkung getestet werden sollen,
wird der Cash-flow dieser Maßnahmen zu dem Basis-Cash-flow addiert. Anschlie1 Zum Begriff der realen Rendite vgl. z. B. Sievi, C.: Kalkulation und Disposition, Bretten 1995, S. 43 ff.
142
Wertorientierte Steuerung des Zinsänderungsrisikos
ßend wird mit dem neuen Cash-flow die oben beschriebene Berechnung des Vermögens am Planungshorizont durchgeführt.
Als Maßnahmen sind folgende Typen sinnvoll bzw. zulässig:
»Sofortmaßnahmen« werden am Interbankenmarkt zu Geld- oder Briefsätzen des
Kalkulationsdatums abgeschlossen. Die Vorgehensweise hierzu wurde bereits im
barwertigen Ansatz gezeigt. Zu den Sofortmaßnahmen gehören auch Maßnahmen
auf Termin mit bereits heute fixierten Zinssätzen, wie z. B. Wertpapiertransaktionen
auf Termin, Terminswaps, FRAs oder Futures.
»Zukünftige Maßnahmen« sind geplante Maßnahmen in der Zukunft, für die der
Zins noch nicht feststeht. Entsprechend hängt auch der Cash-flow dieser Maßnahmen von der Zinsprognose ab.
Der Einsatz von zukünftigen Maßnahmen im Planungsmodell ist nur sinnvoll,
wenn der Laufzeitbeginn der Maßnahme zeitlich vor dem Planungshorizont
liegt. Das Laufzeitende der Maßnahme kann beliebig, also vor oder nach dem Planungshorizont gesetzt werden. Mit derartigen Maßnahmen werden Cash-flow, die
zeitlich vor dem Planungshorizont liegen, für eine beliebige Zeitspanne angelegt
oder refinanziert.
Wenig Sinn haben zukünftige Maßnahmen, deren Laufzeitbeginn zeitlich nach dem
Planungshorizont liegt. Diese Maßnahmen können an späteren Planungszeitpunkten auf ihre Wirksamkeit getestet werden, ohne die Chance für ihre Realisierung zu
vergeben. Zudem sind hierfür Zinsprognosen, die zeitlich nach dem Planungshorizont liegen, notwendig, ohne einen zusätzlichen Erkenntniswert zu liefern. »Planungshorizont« bedeutet ja gerade, daß die Bank bereit ist, am Planungshorizont
bzw. bis zum Planungshorizont die Bank entsprechend der Zinsprognose vollständig neu auszurichten (vgl. Definition in Abschnitt 1.4).
Durch Test verschiedener Maßnahmen mit verschiedenen Zinsprognosen erhält man
eine Entscheidungsmatrix, in der das Vermögen der Bank am Planungshorizont bzw.
die erzielten realen Renditen in Abhängigkeit von Zinsprognosen und Maßnahmen
dargestellt werden. Diese Matrix dient der Auswahl der zu treffenden Maßnahmen.
Die geschilderte Vorgehensweise kann auf den Summen-Cash-flow der Bank, auf
eine Benchmark, die Abweichung von der Benchmark oder beliebige Cash-flow
dezentraler Einheiten (z. B. Depot A) angewandt werden. Entsprechend ergeben sich
verschiedene Sichtweisen auf das eingegangene Risiko. Die Bedeutung dieser Vorgehensweise wurde bereits bei der barwertigen Betrachtung dargestellt.
Die Vorgehensweise wird in den folgenden Abschnitten anhand des bisherigen Beispiels näher erläutert.
Wie kann mit Cash-flow gesteuert werden?
3.3.3
143
Risikoanalyse und Maßnahmenplanung für die »Beispielsparkasse«
Festlegung der Zinsszenarien und der Zinsprognose
Die Ist-Zinsen am Kalkulationsdatum wurden bereits in Abschnitt 3.1.2 (Vermögen
der Beispielsparkasse) angegeben. Für eine sinnvolle Bestimmung von Zinsszenarien
wird der in Abschnitt 3.2.1 (Szenarioanalysen) aufgezeigte Weg fortgesetzt.
Für den Zeitraum von Jan. 1985 bis Dez. 1996 wurde zur Bildung von »Risiko-Szenarien« für die barwertige Analyse festgestellt, wie groß innerhalb eines Monats die
maximale Zinsänderung für die Laufzeiten 1 Jahr, 5 Jahre und 10 Jahre war. Die dortige Betrachtung war als obere Grenze für eine momentane Zinsänderung verwendet
worden. Die Werte werden nun exakt auf den Planungshorizont »ein Monat« angewandt. Zusätzlich wird für den Planungshorizont »drei Monate« eine analoge Analyse
durchgeführt. Aus dem vorliegenden Datenmaterial wird ergänzend gefiltert, wie groß
die maximale Veränderung der Zinsen (für 1 Jahr Laufzeit, 5 Jahre Laufzeit und 10 Jahre Laufzeit) innerhalb von drei Monaten war.
Die Bildung der Risikoszenarien + + +, – – –, + + – etc. erfolgt nach gleichem
Muster wie in Abschnitt 3.2.1 angegeben. Beispielsweise müssen beim Szenario + + –
der einjährige und der fünfjährige Zins steigen, der zehnjährige aber fallen.
Zusätzlich zu den Risikoszenarien wird eine Zinsprognose aufgestellt. Sie spiegelt
die wirkliche Erwartung der Bank wider und wird um einen zusätzlichen Stützpunkt
erweitert, um eine detaillierte Abbildung der eigenen Zinseinschätzung zu ermöglichen. Die Bank rechnet mit leicht steigenden Zinsen, wobei der Anstieg im kurzen Bereich geringfügig höher angenommen wird als im langen Bereich.
Auf eine Zinsprognose für weiter in der Zukunft liegende Planungshorizonte wird
verzichtet. Die Gründe hierfür wurden bereits in Abschnitt 1.4 angeführt, sie werden
in Abschnitt 4.1.5 vertiefend diskutiert.
Interpolation der Zinsszenarien bzw. Zinsprognosen
Die Zinsszenarien werden für die Fristen 1 Tag, 1 Jahr, 5 Jahre und 10 Jahre in ihrer
Höhe – ausgehend von der Ist-Zinsstruktur – durch die vorgegebene Abweichung
fixiert. Zwischen diesen Eckwerten wird linear interpoliert. Dies bedeutet, daß eine
kontinuierliche »Krümmung« der Zinsstrukturkurve nicht aufgenommen wird. Dies
wäre auch – insbesondere beim Szenario »+ + +« – wenig hilfreich, da hier bereits eine
Tendenz zur flachen Zinsstruktur mit entsprechend kleinerer Krümmung der Zinsstrukturkurve vorliegt.
144
Wertorientierte Steuerung des Zinsänderungsrisikos
Die Abbildung 3.3 zeigt beispielhaft die Interpolation für das Szenario + + +:1
Rendite in %
Abbildung 3.3: Zinsszenario + + +
8
7
6
5
4
Aktuelle Zinsstruktur
30. 1. 1997
30. 3. 1997
3
2
0
5
10
15
Laufzeit in Jahren
Bei der Zinsprognose werden die vorgegebenen Zinserhöhungen zu den Ist-Zinsen
für die Fristen 1 Tag, 1 Jahr, 2 Jahre, 3 Jahre, 5 Jahre, 7 Jahre und 10 Jahre addiert.
Anschließend wird über die neu gewonnenen Punkte linear interpoliert. Dies bedeutet, daß bei der Zinsprognose für die Fristen 8 Jahre und 9 Jahre die starke Krümmung
der Ist-Zinsstruktur verlorengeht. Die Tabelle 3.21 zeigt, daß bei dieser Art der Interpolation die Zinsprognose für 8 Jahre und 9 Jahre sogar eine geringfügige Zinssen1 Hierbei wird auf die Berücksichtigung von Geld/Brief-Differenzen verzichtet. Ausnahme: Bei der Zinsprognose »Seitwärts«, die vom Programm DIS automatisch erzeugt wird, erfolgt auch am Planungshorizont die Abzinsung mit der Geld/Brief-Differenz der Ist-Struktur. »Seitwärts« bedeutet als Zinsprognose,
daß die Zinsen am Planungshorizont unverändert vorliegen.
Wie kann mit Cash-flow gesteuert werden?
145
kung bedeutet, da die ungewöhnlich starke Krümmung der Ist-Zinsstruktur bei der
Zinsprognose auf ein »normales« Maß zurückgenommen wird.
Tabelle 3.21
Frist Jahre
Ist-Zins
(Mittelwert Geld –
Brief)
Zinsprognose
30.1.1997
Zinsprognose
30. 3.1997
7 Jahre
5,52
5,62
5,67
8 Jahre
5,82
5,76
5,80
9 Jahre
5,92
5,90
5,94
10 Jahre
5,98
6,03
6,08
Die Zinsprognose in grafischer Darstellung enthält Abb. 3.41, zusätzlich zur Zinsprognose führt Tabelle 3.22 die Risikoszenarien auf.
Tabelle 3.22
Veränderungszeitraum 1 Monat
Veränderungszeitraum 3 Monate
Laufzeit
Laufzeit
Szenario
1 Jahr
5 Jahre
10 Jahre
1 Jahr
5 Jahre
10 Jahre
–––
– 1,21
– 0,63
– 0,43
– 2,22
– 1,27
– 0,94
+++
+ 1,03
+ 0,83
+ 0,85
+ 2,02
+ 1,18
+ 1,22
– –+
–
–
–
–
–
–
++–
+ 0,33
+ 0,05
– 0,04
+ 0,17
+ 0,15
– 0,12
–++
– 0,13
+ 0,11
+ 0,18
– 0,09
+ 0,60
+ 0,70
+––
+ 0,10
– 0,16
– 0,24
+ 0,20
– 0,10
– 0,18
–0+
– 0,28
0,00
0,05
– 0,39
0,00
+ 0,38
+0–
+ 0,28
0,00
– 0,12
+ 0,43
0,00
– 0,28
Zinsprognose
+ 0,10
+ 0,10
+ 0,05
+ 0,20
+ 0,15
0,10
Das Szenario – – + konnte innerhalb des Untersuchungszeitraums nicht beobachtet werden.
Die Abweichung für das Tagesgeld wird mit der Abweichung für ein Jahr gleichgesetzt.
1 Die hier dargestellte Möglichkeit ist nur eine von mehreren sinnvollen Interpolationsvarianten. Beispielsweise könnte über vorgegebene Spreads interpoliert werden, so daß die Krümmung der Ist-Zinsstruktur
voll aufrechterhalten wird. Welche der Interpolationen dem realen Prozeß der Zinsveränderung besser
entspricht, muß fallweise entschieden werden.
146
Wertorientierte Steuerung des Zinsänderungsrisikos
Rendite in %
Abbildung 3.4: Zinsprognose und maximale Zinsänderungen innerhalb eines
Monats und innerhalb 3 Monaten
7
6
5
4
Aktuelle Zinsstruktur
30. 1. 1997
30. 3. 1997
3
2
0
5
10
15
Laufzeit in Jahren
Maßnahmen
Bei den folgenden Berechnungen sollen Maßnahmen getestet werden. Als Maßnahmen werden diskutiert:
»Ohne«
Die Sparkasse behält die aktuelle Struktur des Cash-flow bei.
»DsgvM1« Wie Maßnahme 1 aus Abschnitt 3.2.1:
Nom.-Betrag Anlage ab Anlage bis Laufzeit Nom.-Zins Rendite Kurs
– 50,00
03.01.1997 03.01.2001 4,00
4,500
4,500
100,0000
Der zufließende Betrag wird im Tagesgeld angelegt.
Wie kann mit Cash-flow gesteuert werden?
147
»DsgvM2« Wie Maßnahme 2 aus Abschnitt 3.2.1
Nom.-Betrag Anlage ab Anlage bis Laufzeit Nom.-Zins Rendite Kurs
– 100,00
03.01.1997 03.01.2000 3,00
4,100
4,100
100,0000
– 100,00
03.01.1997 03.07.2000 3,50
4,300
4,300
100,0222
– 50,00
03.01.1997 03.01.2001 4,00
4,500
4,500
100,0000
– 50,00
03.01.1997 03.01.2003 6,00
5,200
5,200
100,0000
Der zufließende Betrag (200 Mio.) wird im Tagesgeld angelegt.
»DsgvM3«
Anlage von 50 Mio. auf die Frist von 8 Jahren. Die entsprechenden Mittel werden im
Tagesgeld refinanziert.
Dadurch soll der Passivüberhang im Gesamt-Cash-flow der Beispielsparkasse in
den Fristen ab 6,5 Jahren (insgesamt rund 140 Mio.) abgemildert werden.
Die obigen Maßnahmen können auch mit anderen Instrumenten realisiert werden.
Zum Beispiel entspricht ein Wertpapierverkauf – bei gleicher Rendite – einer Refinanzierung. Ebenso entspricht ein Wertpapierverkauf einem Swap, bei dem die Bank Festzinszahler ist, sofern die »kurze«, variable Seite vernachlässigt wird.
Besonders vorteilhaft ist der Swap, wenn im gleichen Volumen gleichzeitig unterschiedliche Fristen verkauft und gekauft werden. Hier zahlt die Bank in Swap 1 den
festen Zins bis Frist 1 und erhält in Swap 2 den festen Zins bis Frist 2. Die variable Seite der Swaps hebt sich gegenseitig auf.1
Berechnungsergebnisse
Die Rechenlogik wurde bereits in Abschnitt 3.3.2 erläutert. Die Rechenergebnisse sind
in der Tabelle 3.23 zusammengefaßt.
1 Vergleiche auch die analogen Ausführungen in Abschnitt 3.2.1 (Hinweise zur Maßnahmenplanung) sowie Abschnitt 2.2.
148
Wertorientierte Steuerung des Zinsänderungsrisikos
Tabelle 3.23 Zeitliche Entwicklung des Vermögens mit Planungshorizont
30.1. 97 und 28. 3. 97
Vermögen am
30. 12. 96 = 400,75
Vermögenswert Mio.
Zuwachs Mio.
Zuwachs %
(Performance)
Maßnahme
Prognose
30. 1. 97
28. 3. 97
30. 1. 97
OHNE
Seitwärts
402,43
405,64
1,68
4,89
0,42
1,22
DsgvM1
Seitwärts
402,23
405,22
1,48
4,47
0,37
1,12
DsgvM2
Seitwärts
401,57
403,57
0,82
2,82
0,20
0,70
DsgvM3
Seitwärts
402,46
406,03
1,71
5,28
0,43
1,32
OHNE
Dsgv +++
394,09
391,70
– 6,66
– 9,05
– 1,66
– 2,26
– 1,71
28. 3. 97
30. 1. 97
28. 3. 97
DsgvM1
Dsgv +++
395,51
393,89
– 5,24
– 6,86
– 1,31
DsgvM2
Dsgv +++
402,12
404,38
1,37
3,63
0,34
0,91
DsgvM3
Dsgv +++
392,42
389,16
– 8,33
– 11,59
– 2,08
– 2,89
OHNE
Dsgv –––
411,58
422,11
10,83
21,36
2,70
5,33
DsgvM1
Dsgv –––
409,97
418,82
9,22
18,07
2,30
4,51
DsgvM2
Dsgv –––
402,08
403,10
1,33
2,35
0,33
0,59
DsgvM3
Dsgv –––
414,31
427,20
13,56
26,45
3,38
6,60
OHNE
Dsgv ++–
399,73
402,40
– 1,02
1,65
– 0,25
0,41
DsgvM1
Dsgv ++–
399,81
402,33
– 0,94
1,58
– 0,23
0,39
DsgvM2
Dsgv ++–
400,09
401,84
– 0,66
1,09
– 0,16
0,27
DsgvM3
Dsgv ++–
400,72
403,66
– 0,03
2,91
– 0,01
0,73
OHNE
Dsgv +––
401,67
403,95
0,92
3,20
0,23
0,80
DsgvM1
Dsgv +––
401,36
403,59
0,61
2,84
0,15
0,71
DsgvM2
Dsgv + ––
399,80
401,84
– 0,95
1,09
– 0,24
0,27
DsgvM3
Dsgv +––
403,33
405,70
2,58
4,95
0,64
1,24
OHNE
Dsgv –++
402,66
404,35
1,91
3,60
0,48
0,90
DsgvM1
Dsgv –++
402,59
404,62
1,84
3,87
0,46
0,97
DsgvM2
Dsgv –++
402,04
405,65
1,29
4,90
0,32
1,22
DsgvM3
Dsgv –++
403,17
403,66
2,42
2,91
0,60
0,73
OHNE
Dsgv –0+
403,71
409,03
2,96
8,28
0,74
2,07
DsgvM1
Dsgv –0+
403,42
408,42
2,67
7,67
0,67
1,91
DsgvM2
Dsgv –0+
401,80
405,53
1,05
4,78
0,26
1,19
DsgvM3
Dsgv –0+
404,61
409,71
3,86
8,96
0,96
2,24
OHNE
Dsgv +0–
399,99
401,47
– 0,76
0,72
– 0,19
0,18
DsgvM1
Dsgv +0–
399,98
401,37
– 0,77
0,62
– 0,19
0,15
DsgvM2
Dsgv +0–
399,83
400,82
– 0,92
0,07
– 0,23
0,02
DsgvM3
Dsgv +0–
401,20
403,21
0,45
2,46
0,11
0,61
OHNE
Prognose
401,32
404,03
0,57
3,28
0,14
0,81
DsgvM1
Prognose
401,36
403,95
0,61
3,20
0,15
0,60
DsgvM2
Prognose
401,60
403,71
0,85
2,96
0,21
0,74
DsgvM3
Prognose
401,59
404,41
0,84
3,66
0,21
0,91
Wie kann mit Cash-flow gesteuert werden?
149
Auswertung der Rechenergebnisse
Der erste Eindruck eines »Zahlenfriedhofes« sollte nicht darüber hinwegtäuschen, daß
diese Zusammenstellung alle notwendigen Informationen enthält, die in einem weiteren Schritt über 2 Filter zur konkreten übersichtlichen Entscheidungsmatrix werden.
Der erste Filter blendet ausschließlich die Werte für die erwartete Zinsprognose ein,
und dies zweckmäßigerweise für den priorisierten Planungshorizont. Im Beispiel soll
der 3monatige Planungshorizont vorrangig untersucht werden.1 Geprüft wird also,
welche Maßnahme am günstigsten ist, wenn die Zinsprognose der Bank »Prognose«
eintritt.
Tabelle 3.24
Maßnahme (Cash-flow)
OHNE
DsgvM1
DsgvM2
DsgvM3
Performance 2
3,28
3,2
2,96
3,66
(Mio. DM)
Die Tabelle 3.24 zeigt, daß die Maßnahme DsgvM3 hier den höchsten Vermögenszuwachs aufweist. Aus dieser Sicht sollte die Maßnahme DsgvM3 durchgeführt werden.
Die Maßnahmen DsgvM1 und DsgvM2 erweisen sich gegenüber der Maßnahme
»OHNE« (Beibehalten des gegenwärtigen Zustandes) auf Sicht 28.3.97 als schlechter.3 Dieses Ergebnis zeigt, daß Maßnahmen, die an einem Planungshorizont vorteilhaft erscheinen, bei einer Berechnung auf einen alternativen Planungshorizont
ungeeignet sein können. Dies gilt insbesondere, wenn ein Planungshorizont der aktuelle Stichtag ist und somit die Ergebnisse des reinen Barwertkonzeptes mit denen
der Analyse auf Planungshorizont verglichen werden. Die Abweichung in der Ergebniswirkung ist dabei um so größer, je weiter der zukünftige Planungshorizont vom
aktuellen Stichtag entfernt liegt. Die theoretischen Ergebnisse aus Abschnitt 3.3.1 werden somit im Beispiel bestätigt.
Die durchzuführende Maßnahme kann aber nicht allein an der Zinsprognose »Prognose« ausgerichtet werden. Es ist auch zu prüfen, welche Ergebnisse bei Eintreten der
definierten Risikoszenarien erzielt werden.
Der zweite Filter blendet die jeweils schlechteste Performance einer Maßnahme als
Risiko ein. Diese Ergebnisse müssen mit dem vorgegebenen Risikolimit verglichen
werden. Dadurch wird geprüft, ob der Verlust der Bank bei »standardisiert gemessenem Irrtum« hinsichtlich der Zinsprognose innerhalb der selbst gesetzten Grenzen
liegt. Die obige Tabelle 3.24 wird entsprechend zu Tabelle 3.25 erweitert:
1 Zur Thematik »Länge des Planungshorizontes« vgl. auch die Abschnitte 1.4, 3.3.1 und 4.1.5.
2 Synonym verwandt werden die Begriffe Ertrag und Vermögenszuwachs.
3 Auf Sicht 30.1.97 war DsgvM2 noch geringfügig günstiger.
150
Wertorientierte Steuerung des Zinsänderungsrisikos
Tabelle 3.25
Maßnahme (Cash-flow)
OHNE
DsgvM1
DsgvM2
Performance (Mio. DM)
3,28
3,2
2,96
(Mio. DM) 1
9,05
6,86
»–« 0,07
Risiko
DsgvM3
3,66
11,59
Bei der rein barwertigen Analyse hatte die Sparkasse ein Limit von 7 Mio. bzw. 1,75 %
als maximalen Vermögensverlust gesetzt. Wenn dieses Limit weiterhin gilt, wird deutlich, daß die Sparkasse nun handeln muß: Die Maßnahme »OHNE« überschreitet das
Limit (9,05 Mio. DM). Aber auch bei Durchführung der Maßnahme DsgvM3 wird
dieses Limit nicht eingehalten. Beim (sehr unwahrscheinlichen) Szenario dsgv + + +
beträgt der Verlust 11,59 Mio. (1 Monat: 8,33 Mio.). Die Maßnahme DsgvM3 darf also
nur dann durchgeführt werden, wenn die Bank von Beginn an ein höheres Limit für
tragbar hält. Das Beispiel zeigt, daß ein zu enges Limit eventuell sinnvolle Maßnahmen verhindern kann. Es zeigt aber gleichzeitig, daß die alleinige Ausrichtung einer
Maßnahme auf die Zinsprognose im »Irrtumsfall« zu erheblichen Verlusten führen
kann.
Soll das Limit von 7 Mio. maximalem Verlust für den Planungshorizont »drei Monate« eingehalten werden, muß die Maßnahme DsgvM1 oder DsgvM2 durchgeführt
werden. Im Hinblick auf die Zinsprognose »Prognose« weist DsgvM1 die günstigere
Performance auf.
Die Maßnahme DsgvM2 besitzt ein »negatives« Risiko, d. h., trotz ungünstigster
Zinsprognose wird durch den 3monatigen Zeitablauf (Zinsüberschuß und Rutsch auf
der Zinsstrukturkurve) noch eine – wenn auch minimale – positive Performance erzielt. Im Hinblick auf die Zinsprognose weist sie aber auch – trotz der Erwartung steigender Zinsen – die schlechteste Performance auf. Man beachte, daß die Maßnahme
DsgvM2 bei der statischen Risikobetrachtung der Barwertanalyse im Gegensatz hierzu bei steigenden Zinsen am besten beurteilt wurde.
DsgvM2 ist nur einem Institut zu empfehlen, das sehr risikoscheu bzw. sich hinsichtlich seiner Zinsprognose sehr unsicher ist (etwa unterschiedliche Meinung der
Vorstandsmitglieder). Die Diskussion dieses Beispiels wird in den Abschnitten 5.4.3
und 5.5 durch eine systematische Performance/Risiko-Sicht abgerundet.
3.4
Zinsüberschußplanung im Zusammenhang mit Cash-flow
Die Notwendigkeit, neben der Performance die Bilanz und GuV zu planen, wurde bereits mehrfach betont. Im Zentrum der nachfolgenden Überlegungen steht der Zinsüberschuß als zentrales Element der GuV-Planung. Es wird gezeigt, welche prinzipiellen Zusammenhänge zwischen der Performance und dem Zinsüberschuß bestehen
1 Auf Basis standardisierter Szenarien.
Wie kann mit Cash-flow gesteuert werden?
151
und wie der Zinsüberschuß prognostisch geplant werden kann. Ebenso wird die
Planung des außerordentlichen Ergebnisses (Abschreibungen aus Wertpapieren,
»Realisierung« von Verlusten oder Gewinnen) dargestellt.
3.4.1
Identität der Ergebnisse in der Totalperiode
Im Performancekonzept wird das Vermögen der Bank zum Zeitpunkt 1 mit dem Vermögen der Bank zum Zeitpunkt 2 verglichen. Zwischenzeitliche Zahlungen wurden
hierbei im bisherigen Rechenschema durch Folgegeschäfte (Anlagen oder Refinanzierungen) in die Vermögensberechnung aufgenommen (siehe Abschnitt 3.3.2). Erfolgsgröße ist der Zuwachs im Vermögen.
Die Performance kann jedoch auch ohne angenommene Folgegeschäfte für die Anlage oder Refinanzierung zwischenzeitlicher Zahlungen berechnet werden. Hierzu
wird für jeden Zeitpunkt, an dem eine zwischenzeitliche Zahlung stattfindet, das Vermögen »vor Zahlung« und das Vermögen »nach Zahlung« berechnet. Diese beiden
Vermögenswerte unterscheiden sich genau um die Zahlung. Die Performance in DM
wird dann für aufeinanderfolgende Zeitpunkte t1 und t2, an denen zwischenzeitliche
Zahlungen stattfinden, nach der Formel
Performance (DM) zwischen t1 und t21 =
Vermögen vor Zahlung zum Zeitpunkt t2 – Vermögen nach Zahlung zum Zeitpunkt t1
berechnet.
Die gesamte Performance zwischen den Zeitpunkten 1 und 2 ist die Summe aller
derartig berechneten Teilperformancen.2
Der Zinsüberschuß der Bank berechnet sich als Summe aller Zinserträge abzüglich
aller Zinsaufwendungen.
Wird ein Geschäft der Bank isoliert über die gesamte Lebensdauer betrachtet, so ist
der totale Zinsüberschuß aus dem Geschäft gleich der Summe aller Einzahlungen an
die Bank abzüglich aller Auszahlungen von der Bank. Dieser Zinsüberschuß wird auf
einzelne Teilperioden verteilt.
Wird die Performance eines Geschäfts nach der obigen Methode über die gesamte
Lebensdauer des Geschäfts berechnet, gelten folgende Aussagen:
Das Startvermögen zu Beginn des Geschäfts ist der Anfangszahlung des Geschäfts
gleich.
1 Wie erwähnt, darf es zwischen t1 und t2 keine Zahlungen geben.
2 Das beschriebene Verfahren ist identisch mit der Berechnung der Performance von Fonds. Die Fondsgesellschaften führen dieses Verfahren täglich zur Erfolgsmessung durch.
152
Wertorientierte Steuerung des Zinsänderungsrisikos
Das Endvermögen am Ende des Geschäfts ist der Schlußzahlung des Geschäfts
gleich.
Die Vermögenswerte »vor Zahlung« und »nach Zahlung« unterscheiden sich genau
um die Zahlung.
Die um die Zahlungen bereinigten Vermögensschwankungen zwischen Beginn und
Ende des Geschäfts saldieren sich gegenseitig weg.
Aus den obigen Aussagen folgt, daß die gesamte DM-Performance eines Produktes
über dessen Lebensdauer gleich der Summe aller Einzahlungen abzüglich der Summe
aller Auszahlungen ist.
Über die gesamte Lebensdauer eines Produkts stimmt somit der Zinsüberschuß
mit der gesamten Performance (in DM) überein. Ebenso stimmt der Zinsüberschuß für die Gesamtbank über deren Lebensdauer mit der gesamten Performance überein.
In den Einzelperioden kann es aber zu erheblichen Abweichungen kommen.1 Da
sich die Einzelgeschäfte der Bank zeitlich überlappen, kommt es auch nie zu
einem vollständigen Ausgleich. Die Abweichungen glätten sich aber im Lauf der
Zeit, auf längere Sicht herrscht näherungsweise Ergebnisidentität.
Zinsüberschuß und Performance sind verschiedene Sichtweisen des gleichen Betrachtungsgegenstandes »Erfolg der Bank«. Unter dem Gesichtspunkt der Steuerung ist die Sichtweise Performance eindeutig vorzuziehen.
Zur Identität zwischen Performancekonzept und GuV lassen sich weitere Aussagen
gewinnen, vor allem hinsichtlich der Identität bei der Berechnung des Margenbarwerts bzw. der laufenden Marge.2 Diese Ergebnisse werden in Projektteil 2 diskutiert.
Wegen der Identität der Ergebnisse über die Gesamtperiode bzw. auf »lange Sicht«
sowie der hohen Aussagekraft uind Steuerungsrelevanz der Performance ist es möglich, sich bei der Planung des Zinsüberschusses auf das aktuelle Jahr – maximal ein
Folgejahr – zu beschränken.
Argumentationskette3:
Zinsüberschuß und Performance stimmen auf lange Sicht überein.
Eine Planung der Performance auf »kurzen« Planungshorizont berücksichtigt
auch die langfristige Ergebniswirkung voll.
1 Vgl. auch Ausführungen unter Abschnitt 4.1.4, dort werden die entsprechenden Fragen systematisch behandelt.
2 Vgl. Probson, S.: Identität von Barwert und Finanzbuchhaltung, in: Die Bank 3/94. Ebenso Pfingsten, A./
Thom, S.: Der Konditionsbeitrag-Barwert in der Gewinn- und Verlustrechnung, in: Die Bank 4/95,
S. 242 ff.; vgl. auch: Goebel R., Buth, D.: Nur effizientes Management schafft Sicherheit, in: BBL.: 6/93.
3 Die Argumente hierfür werden ausführlich in Kapitel 4 diskutiert.
Wie kann mit Cash-flow gesteuert werden?
153
Die Planung der Performance hat gegenüber der Planung des Zinsüberschusses erhebliche Vorteile.
Der Zinsüberschuß kann durch Maßnahmen und Wahrnehmung von Bewertungsrechten gestaltet und geglättet werden.
Folglich ist es voll ausreichend, den Zinsüberschuß (die GuV) für das aktuelle
Jahr und ggf. ein Folgejahr zu planen.
Zusätzlich muß das bilanzielle außerordentliche Ergebnis nur für das aktuelle
Jahr und ggf. ein Folgejahr geplant werden.
3.4.2
Planung des Zinsüberschusses in der Einzelperiode
Die Zinsüberschußplanung setzt sich aus drei Komponenten zusammen: der Ermittlung des Zinsüberschusses aus Ist-Geschäft, dem Zinsüberschuß aus »dispositivem
Zwangsgeschäft« (Bilanzabgleich) sowie der Planung der Margen (DM) im Neugeschäft.
Zinsüberschuß aus Ist-Geschäft
Beim Zinsüberschuß aus Ist-Geschäft werden ausschließlich die derzeit vorhandenen
Geschäfte betrachtet. Berechnet wird, welcher Zinsüberschuß bei regulärem Ablauf
dieser Geschäfte für die Bank entsteht. Daß hierbei – wegen Überhängen der Aktivoder Passivseite – die Bilanz nicht »aufgeht« und Folgegeschäfte zwingend notwendig
sind, wird in weiteren Schritten berücksichtigt.
Bei den Festzinsgeschäften wird die Berechnung bis zum Ende der Zinsbindungsdauer durchgeführt. Bei den variablen Geschäften wird vom Kapitalablauf nach dem
Mischungsverhältnis gleitender Durchschnitte ausgegangen. Dies impliziert, daß die
Marge, die aus variablen Geschäften gezogen werden kann, konstant ist. Genau dies ist
aber durch geeignete Wahl des Mischungsverhältnisses gleitender Zinsen möglich, wie
in Abschnitt 2.3 gezeigt wurde.
Im Fall der Beispielsparkasse kann der Zinsüberschuß aus Ist-Geschäft unmittelbar
der Aufstellung aus Abschnitt 2.5.3 entnommen werden, die auch zur Ermittlung des
Summen-Cash-flow diente. Die Planung der Performance auf Basis des Cash-flow
und die Planung des Zinsüberschusses aus Ist-Geschäft beruhen also auf identischen
Daten und identischen Prämissen.1
Wie erläutert, interessieren für die Planung des Zinsüberschusses nur die ersten beiden Jahre, die in Tabelle 3.26 dargestellt sind.
1 Es wird empfohlen, in der Praxis mit monatlichem Zeitraster zu arbeiten. Das hier verwendete halbjährliche Raster dient nur der höheren Übersichtlichkeit.
154
Wertorientierte Steuerung des Zinsänderungsrisikos
Tabelle 3.26
Überhang Festzins
Mon.
Nr.
Variable Aktiva
Variable Passiva
Überhang Total
(Aktiv – Passiv)
Tilg.
Zins
Cash
Tilg.
Zins
Cash
Tilg.
Zins
Cash
Tilg.
Zins
Cash
Mio. DM Mio. DM Mio. DM Mio. DM Mio. DM Mio. DM Mio. DM Mio. DM Mio. DM Mio. DM Mio. DM Mio. DM
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
6
– 200
35
– 165
288
15
303
229
10
239
– 141
40
– 101
12
0
36
36
208
6
214
117
8
124
91
34
126
18
100
34
134
3
2
5
60
7
67
43
29
72
24
100
30
130
3
1
4
60
6
66
43
26
68
Der Zinsüberschuß aus Ist-Geschäft ist unabhängig von der Zinsentwicklung. Dies
gilt auch für das variable Geschäft, da das Mischungsverhältnis der gleitenden Durchschnitte so gebildet ist, daß möglichst hohe Margenkonstanz erreicht wird (siehe
oben).
Der Zinsüberschuß aus Ist-Geschäft ist entsprechend die konstante Komponente
bei der Planung des Zinsüberschusses.
Zinsüberschuß aus dispositivem Zwangsgeschäft
Wie die obige Aufstellung zeigt, liegt zum Zeitpunkt 6 Monate ein Zahlungsstrom von
– 101 Mio. vor. Dieser Zahlungsstrom muß durch weitere Geschäfte geschlossen werden. Die Bank muß somit 101 Mio. am Interbankenmarkt oder von Kunden aufnehmen. Analog müssen die Zahlungen, die mit Frist 1 Jahr, 1,5 Jahre und 2 Jahre anfallen
(+ 126 Mio., + 72 Mio. und + 68 Mio.) angelegt werden.
Bei der Berechnung wird zunächst davon ausgegangen, daß die Refinanzierung
bzw. Anlage am Interbankenmarkt erfolgt. Liegt in Wirklichkeit ganz oder teilweise
Kundengeschäft vor, wird dies in der Erfolgskomponente »Margen aus Neugeschäft«
erfaßt.
Hinsichtlich der Fristigkeit für die Anlagen bzw. Refinanzierungen wird vom Tagesgeld ausgegangen. Alternativ kann mit einer Anlage bzw. Refinanzierung bis zum Planungshorizont gerechnet werden. Die Vorgehensweise ist also wiederum analog zur
Berechnungsmethode bei der Ermittlung der Performance (vgl. Abschnitt 3.3.2).
Sollen für die Refinanzierung bzw. Anlage andere Fristen gelten, so kann dies durch
»Maßnahmen«, also direkte Planung der entsprechenden Anlagen bzw. Refinanzierungen problemfrei getätigt werden.
Die Höhe des Zinssatzes für die Refinanzierung bzw. Anlage hängt von der Zinsprognose ab. Für Zeitpunkte, die weiter als drei Monate in der Zukunft liegen, wurde
bisher keine Zinsprognose abgegeben. Die Bank rechnet mit der in Tabelle 3.27 aufgeführten Zinsprognose bzw. Schwankungen im »kurzen« Bereich.
Wie kann mit Cash-flow gesteuert werden?
155
Tabelle 3.27
Zeitraum
Prognose
unterstellte Prognoseschwankung
Zweites Halbjahr 01 (Durchschnitt)
3,25
2,5 % – 5,0 %
Jahr 02 (Durchschnitt)
4,50
2,0 % – 7,0 %
Bei Eintreffen der Prognose beschreibt Tab. 3.28 somit den Zinsüberschuß aus dispositivem Zwangsgeschäft.
Tabelle 3.28
Zeitpunkt bzw.
Zeitraum
Cash-flow
Kapitalstand
Zins
(auf Kapitalstand)
30. 06. 97
– 101
– 101,00
30. 12. 97
126
+ 23,36
– 101 3,25
100 2
30. 06. 98
72
+ 95,89
23,36 4,5
100 2
= 0,53
30. 12. 98
68
+ 166,05
95,89 4,5
100 2
= 2,16
= – 1,64
Analog werden in Tabelle 3.29 die Ergebnisse für den Zinsüberschuß aus dispositivem
Zwangsgeschäft bei den unterstellten Prognoseschwankungen ermittelt. Zusammenfassend lauten die Jahresergebnisse:
Tabelle 3.29 Zinsüberschuß aus dispositivem Zwangsgeschäft
Zeitraum
Jahr 1997
Janr 1998
Prognose
– 1,64
+ 2,69
Szenario »niedrig«
Szenario »hoch«
– 1,26
+ 1,20
– 2,53
+ 4,14
Die Ergebnisse zeigen, daß der Zinsüberschuß aus dispositivem Zwangsgeschäft im
Fall der Beispielsparkasse in Abhängigkeit von der Zinsentwicklung auch bei extremen Annahmen nur geringfügig schwankt. Im Vergleich zum Zinsüberschuß aus IstGeschäft ist diese Schwankung unbedeutend. Ein hoher Einfluß auf das Zinsergebnis
ist nur zu erwarten, wenn die Bank in den ersten beiden Jahren sehr starke Aktiv- oder
Passivüberhänge besitzt.
156
Wertorientierte Steuerung des Zinsänderungsrisikos
Margen aus Neugeschäft
Die bisherigen Berechnungen gehen davon aus, daß die Bank kein Neugeschäft betreibt. Es werden nur die bestehenden Geschäfte abgewickelt und Überhänge durch
dispositives Zwangsgeschäft am Interbankenmarkt geschlossen. Für eine realistische
Planung des Zinsüberschusses muß als letzter Baustein das Neugeschäft in die Planung integriert werden.
Hinsichtlich des Neugeschäfts wird von der Prämisse ausgegangen, daß das Neugeschäft strukturkongruent refinanziert wird. Das Neugeschäft enthält also bei der
Zinsüberschußplanung keine Fristentransformation. Diese Voraussetzung ist aus
mehreren Gründen sinnvoll:
Bei der Berechnung der Zinswirkung des dispositiven Zwangsgeschäfts wurde von
einer Anlage bzw. Refinanzierung am Interbankenmarkt ausgegangen. In der Realität wird das dispositive Zwangsgeschäft teilweise oder ganz durch Neugeschäft mit
Kunden ersetzt. Da sich das Kundengeschäft exakt um die Marge vom Interbankengeschäft unterscheidet, bleibt die Rechnung insgesamt richtig.
Der vorgeschlagene Rechenweg folgt dem Grundgedanken der Marktzinsmethode,
der auf einer Ergebnistrennung in Dispositionserfolg und Margenerfolg basiert.
Durch die Annahme der strukturkongruenten Refinanzierung des Neugeschäfts
wird die Planung auf sichere Daten gestellt. Ein zusätzlicher Dispositionserfolg
durch Eingehen von Fristentransformation ist zwar möglich, doch kann ein geplanter Erfolg – wegen unzutreffender Zinsprognose – zum realen Mißerfolg werden. Die Margen aus Neugeschäft hingegen können völlig unabhängig von dispositiven Maßnahmen geplant werden.
Fristentransformation kann andererseits auch völlig unabhängig von den Kundengeschäften durchgeführt werden. Entsprechend sollte das Kundengeschäft nicht
mit geplanten zukünftigen dispositiven Maßnahmen vermischt werden.
Es ist generell problematisch, bereits heute zukünftige dispositive Maßnahmen zu
planen, deren Konditionen von der zukünftig eintretenden Zinsstruktur abhängen.
Derartige Maßnahmen können in der Zukunft – bei bekannter Zinsstruktur und
neuer Prognose – ebensogut neu geplant und tatsächlich ausgeführt werden.
Angenommen, ein Disponent erwartet im Zehn-Jahresbereich zunächst in den folgenden drei Monaten steigende Zinsen, danach stark fallende Zinsen. Er plant nun,
in drei Monaten zehnjährige Anlagen zu kaufen, und rechnet den erwarteten höheren Zins sowie den Kursgewinn in die Planung seines dispositiven Ergebnisses ein.
Diese Vorgehensweise ist äußerst fragwürdig. Der Disponent kann nämlich die
Maßnahme »Kauf Zehn-Jahrespapiere« erst dann endgültig entscheiden, wenn die
drei Monate verstrichen sind. Er wird nur dann wirklich kaufen, wenn seine Erwartung hinsichtlich nun sinkender Zinsen nach wie vor unverändert ist. Im Normalfall wird der Disponent von der Realität überholt: Möglicherweise ist der Zins nicht
wie erwartet gestiegen, möglicherweise wird ein weiteres Steigen prognostiziert,
Wie kann mit Cash-flow gesteuert werden?
157
möglicherweise beginnen die Zinsen schon früher zu sinken etc. Die Rechnung besitzt zu viele Unbekannte.
Die Rechnung wird zur selbstgestellten Falle, wenn der Disponent trotz geänderter
Rahmenbedingungen die geplante Maßnahme schematisch durchführt.
Zur Klarstellung sei auch daran erinnert, daß Termingeschäfte, deren Konditionen
bereits heute fixiert sind, problemlos in die Berechnung einbezogen werden können.
Die Prämisse der Strukturkongruenz erlaubt es, sich bei der Planung des Neugeschäfts auf Margen in % und Volumina je Geschäftsfeld zu beschränken. Alternativ
könnten direkt Margen in DM geplant werden. Die Planung des Neugeschäfts wird
in jedem Fall stark vereinfacht, da die konkreten Zinsen des Neugeschäfts nicht geplant werden müssen. Aus diesem Grund sind auch Elastizitäten zur Prognose der
Zinsen für das Neugeschäft nicht notwendig.
Wieder sorgt die geeignete Mischung gleitender Durchschnitte dafür, daß auch
beim variablen Geschäft von konstanten Margen ausgegangen werden kann. Auch
hier werden Elastizitäten nicht benötigt.
Es könnte eingewandt werden, daß die im Neugeschäft erzielbare Marge von der Höhe
des Zinsniveaus abhängig ist. Zum Beispiel kann bei Termineinlagen von Kunden in
der Regel in der Hochzinsphase eine höhere Marge erzielt werden als in der Niedrigzinsphase. Sofern hierzu Regelmäßigkeiten festgestellt werden können, können diese
in Form eines funktionalen Zusammenhangs – möglicherweise eines linearen Zusammenhangs – in die Planung einbezogen werden. Diese funktionalen Zusammenhänge
sollten aber nicht mit herkömmlichen Elastizitäten verwechselt werden, da dort der
Zins des Produkts, nicht jedoch die Marge die abhängige Variable bildet.
Die Prämisse der Strukturkongruenz erlaubt es ebenfalls, bei der Margenplanung
jeweils von der optimalen Kundenorientierung auszugehen. Diese erlaubt, dem
Kunden jeweils das Produkt mit der vom Kunden gewünschten Zinsbindung zu
verkaufen. Hierfür kann eine entsprechende Marge erwartet werden. »Sonderangebote«, die den Kunden für die Bank günstige Zinsbindungen mit entsprechenden
Margenzugeständnissen anpreisen, sind nicht mehr nötig. Sie sind vielmehr für die
Ertragslage der Bank negativ zu beurteilen.1
Würden im Neugeschäft Fristentransformationen zugelassen, müßten nicht nur
Volumina und Margen, sondern absolute Zinshöhen, Volumina und Fristen je Produkt festgelegt werden. Zudem ergäben sich durch die neuen Inkongruenzen weitere Überhänge, die erneut durch dispositives Zwangsgeschäft bzw. »Bilanzausgleich«
geschlossen werden müßten. Der Planungsumfang würde sich potenzieren – die
Übersichtlichkeit und Klarheit der Aussagen ginge verloren. Das Planungsmodell
hätte zu viele Parameter. Ein gegenüber den hier dargestellten Analysen zusätzlicher
Erkenntnisgewinn ist nicht vorhanden.
1 Vgl. hierzu auch Abschnitt 1.4.
158
Wertorientierte Steuerung des Zinsänderungsrisikos
Ausgehend von den genannten Prämissen, kann die Planung nun im Fall der Beispielsparkasse durchgeführt werden. Die Übersichten in Tabelle 3.30, 3.31 und 3.32 zeigen
die Planung des Neugeschäfts je Einzelposition sowie die zugehörigen Rechenergebnisse.
Tabelle 3.30 Neugeschäft in Zinsbindungen
Zeitraum
Aktiva aus Zinsbindungen
von
bis
Restkapital
Ist
Planvolumen
gesamt
PlanMarge
%
PlanRestMarge
kapital
Mio. DM Ist
Planvolumen
gesamt
PlanMarge
%
PlanMargen
Marge
neu
Mio. DM Mio. DM
Dez. 96
Juni 97
Dez. 97
Juni 98
Dez. 98
1 750
1 550
1 400
1 250
1 100
1 750
1 750
1 750
1 800
1 800
0,75
0,75
0,75
0,75
0,75
0,00
0,75
1,31
2,06
2,63
2 000
2 000
2 000
2 000
2 000
0,40
0,40
0,40
0,40
0,40
0,00
1,00
1,50
1,80
2,10
Passiva aus Zinsbindungen
2 000
1 500
1 250
1 100
950
Summe
0,00
1,75
2,81
3,86
4,73
Die Zeile »Dezember 1996« zeigt die aktuellen Ist-Werte für Restkapital und Marge %.
Die Spalte »Restkapital Ist« gibt an, welcher Kapitalstand zum angegebenen Zeitpunkt im Ist-Geschäft noch vorhanden ist. Diese Information wird der Zinsbindungsbilanz der Festzinsgeschäfte entnommen.
Die Spalte »Planvolumen gesamt« zeigt das von den Marktbereichen geplante Gesamtvolumen. »Neugeschäft« ist die Differenz zwischen dem »Planvolumen gesamt«
und dem »Restkapital Ist« (ohne Ausweis).
Die Spalte »Plan-Marge %« enthält die geplante Marge für das Neugeschäft.
Aus den obigen Informationen kann die »Plan-Marge DM« berechnet werden:
Plan-Marge DM = (Planvolumen gesamt – Restkapital Ist) Plan-Marge %
Die Berechnung wurde im Beispiel global für alle Geschäfte mit Zinsbindung durchgeführt. In der Praxis ist eine Differenzierung nach Geschäftstypen notwendig.
Tabelle 3.31 Neugeschäft variable Aktiva
Zeitraum
Variable Kundendarlehen
von
bis
Restkapital
Ist
Planvolumen
gesamt
PlanMarge
%
PlanRestMarge
kapital
Mio. DM Ist
Dez. 96
Juni 97
Dez. 97
Juni 98
Dez. 98
150
102
54
51
48
150
160
160
160
160
1,00
0,90
0,90
0,90
0,90
0,00
0,26
0,48
0,49
0,50
Kontokorrentkredite
400
160
0
0
0
Planvolumen
gesamt
400
400
400
400
400
Summe
PlanMarge
%
PlanMargen
Marge
neu
Mio. DM Mio. DM
5,00
5,00
5,00
5,00
5,00
0,00
6,00
10,00
10,00
10,00
0,00
6,26
10,48
10,49
10,50
Wie kann mit Cash-flow gesteuert werden?
159
Die Bedeutung der Spalten und die Rechenlogik sind analog zum Festzinsgeschäft. Inhaltlich entspricht die Spalte »Restkapital Ist« dem Ablauf nach dem gewählten Mischungsverhältnis der gleitenden Durchschnitte.
Bei den Kundendarlehen ist eine Ausweitung des Volumens geplant. Entsprechend
wird damit gerechnet, daß die derzeitige Ist-Marge von 1,00% auf 0,90 % reduziert
werden muß.
Tabelle 3.32 Neugeschäft variable Passiva
Zeitraum
Variable Spareinlagen
von
bis
Restkapital
Ist
Planvolumen
gesamt
PlanMarge
%
PlanRestMarge
kapital
Mio. DM Ist
Dez. 96
Juni 97
Dez. 97
Juni 98
Dez. 98
750
542
446
407
368
750
740
740
730
730
3,00
3,00
3,00
3,00
3,00
0,00
2,97
4,41
4,85
5,44
Kontokorrent Haben
350
329
308
287
266
Planvolumen
gesamt
350
350
350
350
350
Summe
PlanMarge
%
PlanMargen
Marge
neu
Mio. DM Mio. DM
6,50
6,50
6,50
6,50
6,50
0,00
0,68
1,37
2,05
2,73
0,00
3,65
5,77
6,89
8,17
Die Bedeutung der Spalten und die Rechenlogik sind analog zu den variablen Aktiva.
Bei den Spareinlagen wird ein Rückgang des Volumens geplant. Dennoch liegt
»Neugeschäft« vor, da die Differenz zwischen dem Kapitalabbau gemäß gleitenden
Durchschnitten und dem Planvolumen als Neugeschäft berechnet werden muß.
Zusammenfassung der Teilergebnisse
Zusammenfassend gelten somit die in Tabelle 3.33 und 3.34 dargestellten Ergebnisse
für den Zinsüberschuß:
Tabelle 3.33 Jahr 1
Zinsüberschuß aus
Ist-Geschäft
dispositivem Zwangsgeschäft
Neugeschäft Zinsbindungen
Neugeschäft variable Aktiva
Neugeschäft variable Passiva
Totalsumme Mio.
in Prozent der Bilanzsumme
Erwartung
74,00
– 1,64
4,56
16,74
9,42
103,00
2,95
Szenario »niedrig«
74,00
– 1,26
4,56
16,74
9,42
103,00
2,96
Szenario »hoch«
74,00
– 1,53
4,56
16,74
9,42
103,00
2,95
160
Wertorientierte Steuerung des Zinsänderungsrisikos
Tabelle 3.34 Jahr 2
Zinsüberschuß aus
Ist-Geschäft
dispositivem Zwangsgeschäft
Neugeschäft Zinsbindungen
Neugeschäft variable Aktiva
Neugeschäft variable Passiva
Totalsumme Mio.
in Prozent der Bilanzsumme
Erwartung
55,00
2,69
8,59
20,99
15,06
102,00
2,92
Szenario »niedrig«
55,00
1,20
8,59
20,99
15,06
101,00
2,88
Szenario »hoch«
55,00
4,14
8,59
20,99
15,06
104,00
2,97
Die Zinsspanne der Beispielsparkasse bleibt also auch bei starker Zinsschwankung
weitgehend konstant.
3.4.3
Planung des außerordentlichen Ergebnisses in der Einzelperiode
Das außerordentliche Ergebnis der Bank hängt – sofern es sich um außerordentliche
Ergebnisse des Zinsbereichs handelt – primär vom Depot A ab. Außerordentliche Ergebnisse entstehen dort in folgenden Fällen:
Abschreibungen von Papieren im Umlaufvermögen, sofern der Kurs unter den aktuellen Buchwert sinkt.
»Realisierung« von Gewinnen oder Verlusten bei Fälligkeit oder Verkauf von Papieren.
In welchem Ausmaß Zinsänderungen außerordentliche Ergebnisse induzieren, hängt
von mehreren Faktoren ab:
Höhe der stillen Reserven, die im Depot A enthalten sind: Die Kursverluste je Papier, die niedriger sind als die jeweilige stille Reserve, wirken sich bilanziell nicht
aus. Kursgewinne bleiben unberücksichtigt. (Der jeweilige Abbau bzw. Aufbau der
stillen Reserven geht zwar in das Ergebnis laut Performancerechnung ein, nicht aber
in die GuV.)
Aktive Maßnahmen, die Bewertungsveränderungen bewirken: Die Bank kann
durch den Verkauf von Wertpapieren jederzeit stille Reserven als außerordentliches
Ergebnis realisieren. (Werden die verkauften Wertpapiere anschließend zurückgekauft, bleibt der Zahlungsstrom und damit das Risiko gemäß Performancerechnung unverändert.)
Ausübung von Wahl- und Gestaltungsrechten: Das außerordentliche Ergebnis ist
durch Ausübung von Wahlrechten in hohem Maße gestaltbar, wie z. B. durch Zuordnung zum Anlage- oder Umlaufvermögen, Bildung von »Produktbündeln« in
Form von Hedgegeschäften.
Wie kann mit Cash-flow gesteuert werden?
161
Eine Prognose der außerordentlichen Ergebnisse ist also nur in Kenntnis der exakten
Zusammensetzung des Depot A möglich. Insbesondere müssen die aktuellen Buchwerte und damit die vorhandenen stillen Reserven bekannt sein.
Eine Auswertung per Bilanzstichtag sollte folgende Informationen beinhalten:
Bis zum Bilanzstichtag anfallende Gewinne und Verluste durch Ablauf der Papiere.
Am Bilanzstichtag notwendige Abschreibungen (Kurswert kleiner Buchwert bei
Papieren im Umlaufvermögen).
Am Bilanzstichtag vorhandene stille Reserven (Kurswert größer Buchwert bei
Papieren im Umlaufvermögen).
Am Bilanzstichtag vorhandene stille Reserven in Papieren des Anlagevermögens.
Am Bilanzstichtag vorhandene stille Verluste in Papieren des Anlagevermögens.
Aus diesen Informationen erkennt das Institut einerseits zwingend anfallenden Abschreibungsbedarf, andererseits den möglichen Handlungsspielraum.
Hierzu liegen von verschiedenen Anbietern Lösungen vor (Host- oder PC-Software).
Eine Analyse des Depot A der Beispielsparkasse in dieser Hinsicht unterbleibt aus
Platzgründen. Hierzu wäre die Angabe der Einzelzusammensetzung des Depot A notwendig.
Das in Abschnitt 3.2.1 berechnete barwertige Zinsänderungsrisiko für das Depot A
erlaubt eine Abschätzung des maximalen Abschreibungsbedarfs für die Beispielsparkasse. Die Abschätzung beruht auf der Prämisse, daß für alle Papiere des Depot A am
Jahresbeginn Kurswert und Buchwert übereinstimmen, also keine stillen Reserven
vorhanden sind. Nach dieser Berechnung liegt ein maximaler Abschreibungsbedarf
von 25,28 Mio. vor (Szenario + + +).
3.4.4
Einbeziehung von Maßnahmen
Die Wirkung von Maßnahmen auf den Zinsüberschuß kann auf einfache Weise ermittelt werden: Jede Maßnahme wird nach ihrer Durchführung zum Ist-Geschäft. Sie
beeinflußt damit den Zinsüberschuß aus Ist-Geschäft. Gleichzeitig liegen in der Regel
neue Überhänge im Cash-flow vor, die ihrerseits auf den Zinsüberschuß im dispositiven Zwangsgeschäft wirken.
Ebenso muß die eventuelle Wirkung der Maßnahme auf das außerordentliche Ergebnis geprüft werden.
Am Beispiel der Maßnahme DsgvM3 (Anlage von 50 Mio. auf Frist von 8 Jahren,
Nominalzins gleich Rendite 5,80%) wird die Berechnung demonstriert.
Die Mittel zur Anlage der 50 Mio. stammen aus »kurzer« Geldaufnahme. Unter
dem Szenario »Prognose« kostet diese Geldaufnahme rund 3,15 % (Ist-Zins 3,0 %,
Zinsprognose 3,25 %). Es liegt somit eine Erhöhung des Zinsüberschusses um
50 Mio. (5,80 – 3,15) / 100 = 1,33 Mio. vor.
162
Wertorientierte Steuerung des Zinsänderungsrisikos
Der entsprechende Zinsüberschuß kann ebenso für andere Zinsszenarien berechnet werden. Schließlich kann ebenso der Abschreibungsbedarf in Fall der definierten
Zinsszenarien berechnet werden.
4
Warum muß primär nach dem Performancekonzept gesteuert werden?
– Vergleich mit traditionellen Methoden im Zinsgeschäft
In diesem Kapitel wird die Steuerung nach dem Performancekonzept mit der herkömmlichen Steuerung über GuV-Ergebnisse und Bilanzkennzahlen verglichen. Dabei wird gezeigt, daß das Performancekonzept eindeutige Vorteile besitzt, während bei
traditioneller Steuerung die Gefahr von Fehlinformationen und damit Fehlentscheidungen besteht.
Die Analyse beschränkt sich vorläufig primär auf das Zinsgeschäft. Die Erweiterung
der Betrachtungen auf die Gesamtbank bzw. andere Vermögenspositionen erfolgt in
Kapitel 5.
4.1
Zinsrisikosteuerung: Performance versus GuV-Planung
Der Vergleich der Konzepte erfolgt unter verschiedenen Blickwinkeln. Es werden die
inhaltlichen Unterschiede, die Identität über die Gesamtlebensdauer und die prinzipiellen Relationen, die Gestaltbarkeit der Ergebnisse, die Informationen über Vermögen
und Risiko sowie sonstige Merkmale erläutert.
Abbildung 4.1: »Risiken müssen addierbar sein«
traditionell
Periode 1
Stichtag
Abschreibungsrisiko
Stichtag
+
Risiko:
Verringerung der
stillen Reserven
= geht nicht!
< Limit (geht erst recht nicht !)
Risiko:
Verringerung der
Zinsspanne
…
+
Periode 1
+
sonstige
periodische
GuV-Risiken
…
Periode n
Periode n
Risiko:
Verringerung der
Zinsspanne
sonstige
periodische
GuV-Risiken
Gesamtrisiko nicht ermittel- und steuerbar
Warum muß primär nach dem Performancekonzept gesteuert werden?
4.1.1
163
Inhaltliche Analyse der Zielgrößen
Analysiert man die Zielgrößen der jeweiligen Konzepte, zeigen sich signifikante Unterschiede. Traditionell, d. h. bei einer Zinsrisikosteuerung nach GuV, werden zwei
Zielgrößen betrachtet: der Zinsüberschuß je Periode und die aktuellen bilanziell
wirksamen Wertveränderungen; die beiden Zielgrößen sind dabei in ihrer Steuerungswirkung nicht harmonisierbar (siehe Abbildung 4.1). Das Performancekonzept
hingegen betrachtet alle Wertveränderungen und bildet sie gemeinsam mit dem
Zinsüberschuß summativ in einer Zielgröße »Performance« ab. Die folgende Tabelle
stellt die abgebildeten Zielgrößen der genannten Steuerungskonzepte gegenüber.
Tabelle 4.1
Steuerung nach GuV
Steuerung nach Performancekonzept
Abgebildete Zielgröße
Zinsüberschuß je Periode und bilanziell wirksame
Wertveränderungen.
Zinsüberschuß je Periode und alle Wertveränderungen in einer gemeinsamen Zielgröße.
Bilanziell wirksame Wertveränderungen treten nur
bei Wertpapieren im Umlaufvermögen und bei
Derivaten auf, wenn
Wertveränderungen treten in allen Zinspositionen mit jeder Zinsveränderung auf. Es werden
nur Kurswerte betrachtet, keine Buchwerte.
– der Kurswert unter den Buchwert sinkt,
– bei Verkauf oder Fälligkeit Kursgewinne oder
Kursverluste »realisiert« werden.
Die Zielgröße »Performance« mißt das im Zinsgeschäft gebundene Vermögen (Summe aller
Kurswerte) und dessen Veränderung im Zeitablauf.
Zinsüberschüsse werden als reguläre, betriebsbedingte Ergebniskomponente aufgefaßt, während
Wertveränderungen als »außerordentliche«
Ereignisse gewertet werden.
Hinweis: Die Wertveränderung entspricht
exakt den Zinsüberschußveränderungen in der
Zukunft.
Gewinnbegriff
Gewinn = Zinsüberschuß zuzüglich Wertveränderungen unter bilanziellen Gesichtspunkten
Gewinn = Zinsüberschuß zuzüglich reale Wertveränderungen (absolute Änderung des Vermögenswertes aus Zinspositionen in einer Periode)
Die Übersicht in Tabelle 4.1 zeigt: Während die GuV nur einen kleinen Teil der Wertveränderungen erfaßt und sich überwiegend an »Buchwerten« orientiert, werden im
Performanceansatz die aktuellen Werte (Kurswerte) aller Zinsgeschäfte1 ermittelt und
im Zeitablauf verfolgt. Künstlich erzeugte Buchwerte gibt es in diesem System nicht.
1 Beispiel: Ein Sparkassenbrief, der sich hinsichtlich der Restlaufzeit, der Zinskondition und der Emittentenbonität nicht von einem börsengehandelten Wertpapier unterscheidet, wird auch identisch bewertet
(mit dem Kurswert, nicht mit dem Nominal- bzw. Buchwert).
164
Wertorientierte Steuerung des Zinsänderungsrisikos
Schlußfolgerungen:
Die GuV bildet den Erfolg der Bank im Zinsbereich nur unvollständig ab. Es
fehlen nahezu alle Wertveränderungen.
Die Performancerechnung zeigt den Erfolg inklusive Wertveränderungen korrekt.
4.1.2
Identität der Rechnungslegung über die Gesamtlebensdauer
und prinzipielle Relationen
Aus der Übersicht in 4.1.1 folgt, daß in der Praxis mit erheblichen Unterschieden bei
der Ergebnisfeststellung zu rechnen ist. Deshalb ist es sinnvoll, sich mit den prinzipiellen Relationen zwischen den Ergebnissichten zu beschäftigen. Unter welchen Bedingungen herrscht Identität, wann sind Unterschiede in welcher Richtung zu erwarten?
Identität über die Gesamtlebensdauer
Wie bereits in Abschnitt 3.4.1 dargelegt, ist über die Gesamtlebensdauer eines Produktes und damit letztlich auch der Gesamtbank der Erfolgsausweis gemäß GuV und
Performancekonzept identisch.
Da die Ergebnisrechnung in der Praxis aber auf Teilperioden (mindestens Jahre)
abzielt, liegen je Teilperiode in der Regel unterschiedliche Ergebnisse vor.
In Fortsetzung des bereits in Abschnitt 1.2 vorgestellten Beispiels sollen einerseits
die Unterschiede, andererseits die Identität über die Gesamtperiode dargestellt werden:
Beispiel
Tilgungsfreies Wertpapier oder Darlehen, Nominalzins 8 % (jährliche Zinszahlung),
Kurs 100 %, 2 Jahre fest, Nominalbetrag 100 000 DM. Zinsniveau bei Kauf 8 % (Kurs
100 %).
Ein Jahr später beträgt das Zinsniveau für einjährige Laufzeiten:
a) 7 %; der Kurs des Papiers ist entsprechend 100,93458 %, Kursgewinn 934,58 DM.
b) 9 %; der Kurs des Papiers ist entsprechend 99,08257, Kursverlust 917,43 DM.
Warum muß primär nach dem Performancekonzept gesteuert werden?
165
Hieraus resultieren die nachstehend aufgeführten Ergebnisse:1
Tabelle 4.2 Ergebnisse bei Zinsentwicklung gemäß a): 7% Zins im zweiten Jahr
Jahr
1
2
Summe
GuV
Performancekonzept
Anlagevermögen
Umlaufvermögen
DM
%
DM
%
8000
8000
16000
8,00
8,00
8000
8000
16000
8,00
8,00
keine Unterscheidung zwischen
Anlage- und Umlaufvermögen
DM
%
8934,58
7065,42
16000,00
8,93458
7,00000
Tabelle 4.3 Ergebnisse bei Zinsentwicklung gemäß b): 9% Zins im zweiten Jahr
Jahr
1
2
Summe
GuV
Performancekonzept
Anlagevermögen
Umlaufvermögen
DM
%
DM
%
8000
8000
16000
8,00
8,00
7082,57
8917,43
16000,00
7,08257
9,00000
keine Unterscheidung zwischen
Anlage- und Umlaufvermögen
DM
%
7 082,57
8 917,43
16 000,00
7,08257
9,00000
Das Beispiel in den Tabellen 4.2 und 4.3 zeigt deutlich die Asymmetrie der Behandlung von Wertpapieren im Umlaufvermögen. Kursverluste gegenüber dem bisherigen
Buchwert werden gemäß »Niederstwertprinzip« bzw. »Vorsichtsprinzip« in der Rechnungslegung aufgezeigt, Kursgewinne hingegen nicht. Handelt es sich beim fraglichen
Geschäft um ein Kundendarlehen oder eine Kundeneinlage, wird es in der GuV wie
»Anlagevermögen« bewertet. Liegt ein Wertpapier vor, besteht die Wahlmöglichkeit
der Zuordnung zum Anlagevermögen oder Umlaufvermögen mit entsprechend unterschiedlichen Ergebnissen.
Im Performancekonzept besteht keine Wahlmöglichkeit, da das Papier nach Kurswerten abgebildet wird.
1 Ergänzende Hinweise:
Das obige Beispiel könnte zu der Annahme führen, das Performancekonzept sei bei steigenden Zinsen
mit der Bewertung im Umlaufvermögen identisch. Das ist falsch. Der Unterschied wird z. B. bei einem
Wertpapier mit längerer Laufzeit deutlich: Ist im ersten Jahr eine Abschreibung wegen einer Zinssteigerung nötig und erfolgt im zweiten Jahr und in den Folgejahren die Rückkehr zum alten Zinsniveau,
so wird im Performancekonzept der entsprechende Kursanstieg erfaßt, in der GuV nicht. Die gebildete stille Reserve wird erst bei Verkauf oder Fälligkeit ausgewiesen.
Gelegentlich werden Kursverluste als unwichtig abgetan, da sie – wegen der Identität der Ergebnisse in
der Gesamtsumme – bis zum Ende der Laufzeit wieder aufgeholt werden. Diese Sichtweise ist unzutreffend. Eine Kursveränderung entspricht exakt der Zinsveränderung (Opportunitätsdenken), und
Tauschgeschäfte bzw. Umschichtungen können nur anhand der aktuellen Kurse beurteilt werden (vgl.
auch Abschnitte 1.2 und 1.3).
166
Wertorientierte Steuerung des Zinsänderungsrisikos
Grundsätzlich mögliche Unterschiede in Teilperioden
Da der Zinsanteil in einer Periode in beiden Konzepten identisch ist, entscheidet die
erfaßte Wertveränderung über mögliche Unterschiede. Hinsichtlich der Wertveränderung sind folgende Relationen denkbar, die jeweils mit Beispielsituationen untermauert werden:
Ergebnis laut GuV kleiner als Ergebnis laut Performancekonzept
Beispielsituationen:
Die Bank betreibt insgesamt keine oder nur geringe Fristentransformation,
muß aber hohe Abschreibungen im Depot A bei Zinssteigerungen hinnehmen.
Dieser Fall liegt letztlich bei allen Banken vor, bei denen das Depot A der Anlage überschüssiger Passivmittel aus Kundengeschäft dient und die Fristigkeit
der Überhänge im Kundengeschäft den Ablaufstrukturen im Depot A in etwa
entspricht. Der Extremfall wäre bei einer Bank gegeben, die sich im Kundenbereich stark auf das Passivgeschäft beschränkt und die Anlage der Kundenmittel strukturkongruent in Wertpapieren vornimmt.
Im genannten Fall müssen bei Zinssteigerungen die Wertpapiere im Umlaufvermögen abgeschrieben werden. Die Kursverluste im Passivbereich, die für
die Bank eine Verringerung der Passivverpflichtungen und damit eine Vermögenssteigerung bedeuten, werden in der GuV bzw. Bilanz nicht berücksichtigt.
Im Performancekonzept werden hingegen beide Kursbewegungen abgebildet,
so daß per Saldo kein Risiko bzw. ein wesentlich kleineres Risiko übrigbleibt.
Die genannte Situation konnte in den Pilotsparkassen beobachtet werden. Das
Depot A dient in hohem Ausmaß der Anlage von Kundeneinlagen (Sparbriefe, Wachstumszertifikate, Spareinlagen). Die Abschreibungen, die im Depot A
bei steigenden Zinsen zu erwarten sind, übertreffen deutlich das Gesamtrisiko
der Bank (siehe speziellen Anhang).
(Hinweis: Hiervon unberührt bleibt die Möglichkeit, bilanzielle Kursverluste im Depot A durch Widmung der Papiere zum Anlagevermögen bzw.
durch entsprechende Auswahl von nicht abschreibungspflichtigen Titeln zu
vermeiden.)
Die Passivseite der Bank ist insgesamt »länger« als die Aktivseite, die Zinsen
sind in der Betrachtungsperiode gestiegen:
Da alle Kundengeschäfte in der GuV mit Buchwerten bewertet werden, registriert die GuV hier keine Wertveränderungen. Ist ein Teil der Aktivseite in zu
bewertenden Papieren angelegt, so erleiden diese Papiere u. U. bilanzielle
Kursverluste. Wirtschaftlich treten auf der Passiv- und Aktivseite Kursverluste
Warum muß primär nach dem Performancekonzept gesteuert werden?
167
ein, wobei – wegen der längeren Laufzeit – die Kursverluste auf der Passivseite
überwiegen. Folglich steigt das Vermögen in Zinsgeschäften. Damit kann die
Situation eintreten, daß laut GuV ein Verlust angezeigt wird, obwohl nach Performancerechnung ein Gewinn vorliegt.
Die Passivseite ist »kürzer« als die Aktivseite, die Zinsen sind in der Betrachtungsperiode gesunken:
Analog zur obigen Situation liegen höhere Wertzuwächse auf der Aktivseite
vor als auf der Passivseite. Dadurch gewinnt die Bank an Wert. Handelt es sich
bei den Aktiv- und Passivgeschäften um Kundengeschäfte, wird der Wertgewinn in der GuV nicht abgebildet. Auch bei Wertpapieren im Umlaufvermögen wird der Wertgewinn nur dann in der Ergebnisrechnung erfaßt, wenn
diese Papiere verkauft werden.
Die Tatsache, daß in den zuvor genannten Situationen der Gewinn laut GuV kleiner ist
als der Gewinn laut Vermögensrechnung, führt zur Bildung bzw. zur Erhöhung von
stillen Reserven. Hierbei ist zu beachten, daß diese Reserven nicht nur im Depot A,
sondern auch in Kundengeschäften (bei Aktivgeschäften Kurswert über, bei Passivgeschäften Kurswert unter Buchwerten) liegen können.
Die Möglichkeit, im bilanziellen Ergebnis unterhalb des Ergebnisses laut Performancerechnung bleiben zu können, entspricht dem »Sicherheitsdenken« der deutschen Rechnungslegung. (Es ist auch nicht auszuschließen, daß die GuV Verluste ausweist, obwohl ein Vermögenszuwachs erzielt wurde.)
Ob dieser Effekt erwünscht oder unerwünscht ist, hängt von der allgemeinen Ergebnissituation im betrachteten Jahr ab. Eine Bank, deren Performanceergebnis sehr
gut ist, wird dieses Ergebnis nicht in voller Höhe nach außen zeigen wollen und die
genannten Reserven für schlechtere Jahre bilden. Sinkt aber bei mittlerem Performanceergebnis durch die gezeigten Effekte das Ergebnis laut GuV unter eine gewisse
Grenze oder wird negativ, erfordert dies Maßnahmen, die dem entgegenwirken (siehe
Abschnitt 4.1.3).
Ergebnis laut Performance kleiner als Ergebnis laut GuV
Beispielsituationen:
Auflösung stiller Reserven, die in den Vorperioden erzielt wurden, bei sonst
geringer Fristentransformation oder bei unveränderter Zinsstruktur:
In diesem Fall wird ein Vermögenszuwachs, der in Vorperioden erwirtschaftet,
damals aber in der GuV nicht ausgewiesen wurde, in der Ist-Periode durch
Verkauf oder Fälligkeit der Position realisiert. Gleichzeitig hat sich – wegen
geringer Fristentransformation oder geringen Zinsschwankungen – der Ver-
168
Wertorientierte Steuerung des Zinsänderungsrisikos
mögenswert der Bank nicht verändert. Der Fall liegt z. B. vor, wenn die Bank
stille Reserven im Depot A durch Verkauf der entsprechenden Positionen realisiert, Forderungen an Kunden, deren Kurswert über dem Buchwert liegt, verkauft oder Verpflichtungen an Kunden, deren Kurswert unter dem Buchwert
liegt, durch Bezahlung des Kurswertes abstößt.
Die Passivseite ist »länger« als die Aktivseite, die Zinsen sind in der Betrachtungsperiode gesunken:
Die Bank gewinnt hier durch Kurssteigerungen an der Aktivseite weniger, als
sie durch Kurssteigerungen auf der Passivseite verliert. Der entsprechende Vermögensverlust wird in der GuV nicht gezeigt. Die Bank hat »stille Verluste«,
die in der GuV und Bilanz ohne weiteres nicht erkannt werden können.
Die Passivseite ist »kürzer« als die Aktivseite, die Zinsen sind in der Betrachtungsperiode gestiegen:
Die Bank gewinnt hier durch Kurssteigerungen an der Aktivseite weniger, als
sie durch Kurssteigerungen auf der Passivseite verliert. Der entsprechende Vermögensverlust wird in der GuV nicht gezeigt. Die Bank hat hier »stille Verluste«, die in der GuV und Bilanz ohne weiteres nicht erkannt werden können.
In den Beispielfällen, in denen das Ergebnis laut GuV größer ist als das Ergebnis laut
Performance, werden »stille Reserven« abgebaut oder stille Verluste erzeugt. Eine Bank
könnte also trotz Vermögenseinbußen GuV-Gewinne ausweisen.
Die genannten Situationen stehen konträr zum »Sicherheitsdenken« der herkömmlichen Rechnungslegung. Dies gilt vor allem, wenn nicht nur stille Reserven aus
Vorperioden verzehrt werden, sondern zusätzlich stille Verluste hingenommen werden müssen.
Schlußfolgerungen:
Über die Gesamtperiode herrscht Ergebnisidentität, in den Einzelperioden
können erhebliche Unterschiede mit beliebigen Relationen bestehen.
Die Bank hat die Möglichkeit, stille Reserven in den Jahren aufzubauen, in denen das Ergebnis laut GuV unter dem Ergebnis laut Performancerechnung
liegt.
Die Bank baut in Situationen, in denen das Ergebnis laut GuV über dem Ergebnis laut Performance liegt, stille Reserven ab oder erzeugt stille Verluste.
Besonders gefährlich ist es, wenn ein realer Vermögensverlust wegen des Abbaus stiller Reserven oder der Erzeugung stiller Verluste nicht erkannt wird.
Wegen der schwer kalkulierbaren Relationen ist es notwendig, die GuV separat zu planen und alle Maßnahmen auf ihre Wirkung in der GuV hin zu
überprüfen.
Warum muß primär nach dem Performancekonzept gesteuert werden?
4.1.3
169
Gestaltbarkeit der Ergebnisse
Die Möglichkeit, daß in den Teilperioden der Gewinnausweis abweicht, ist letztlich
auch eine Folge der Gestaltbarkeit der GuV. Die Unterschiede hinsichtlich der Gestaltbarkeit der Ergebnisse werden in der Tabelle 4.4 aufgeführt.
Tabelle 4.4 Gestaltbarkeit des Ergebnisses
GuV
Performancekonzept
Der Ertrag laut GuV kann durch vielfältige Bewertungsrechte jederzeit und
kurzfristig erhöht oder verringert werden.
Die Performance kann nur langfristig durch Maßnahmen
gesteuert werden.
Das Jahresergebnis kann geschäftspolitisch gestaltet und geglättet werden.
Stille Reserven können in erheblichem
Ausmaß gelegt werden.
Stille Verluste können erzeugt werden.
Die Gestaltbarkeit ist um so höher, je
mehr stille Reserven in der Vergangenheit gelegt wurden.
Eine Ergebnisveränderung tritt nur bei Zinsänderungen bzw.
in Zeitablauf ein.
Kurzfristig kann das Ergebnis nicht verändert werden.
Es bestehen keine Manipulationsmöglichkeiten.
Stille Reserven können nicht gelegt werden. Es bestehen
keine Möglichkeiten der Ergebnisglättung.
Der Erfolg wird ohne manipulative Gestaltungsmöglichkeiten
abgebildet.
Es müssen – soll nicht mit zu geringem Risiko gearbeitet werden – manchmal Vermögensverluste hingenommen werden.
Die GuV bietet allein im Zinsbereich zahlreiche Bewertungsrechte bzw. Gestaltungsmöglichkeiten:
Zuordnung von Wertpapieren zum Anlagevermögen oder Umlaufvermögen
Umwidmung von Wertpapieren aus dem Anlagevermögen in das Umlaufvermögen
Realisierung stiller Reserven durch Verkauf oder Ablauf
Abschluß von Finanzinnovationen mit Ausgleichszahlungen
Zuordnung von Finanzinnovationen als Hedgeposition oder Tradingposition
Verkauf von Forderungen
Verkauf von Verbindlichkeiten bzw. Rückkauf eigener Emissionen
Realisierung von Geschäften als Provisionsgeschäft oder als Eigengeschäft
Abschluß von bilanziellen Geschäften, die mit Optionen gekoppelt sind, bei denen
die Optionsrechte aber nicht bewertet werden (z. B. Wertpapiere mit Kündigungsrecht des Emittenten, die mit höherem Nominalzins ausgestattet sind. Das entsprechende Optionsrecht wird in der Bilanz nicht abgebildet.)
An weitere Bewertungs- und Gestaltungrechte, die außerhalb des Zinsbereichs liegen
(Einzelwertberichtigungen, Immobilien, Aktien, Beteiligungen, Optionen), sei nur erinnert. Diese Bewertungsrechte ermöglichen es zusätzlich, die GuV bzw. Bilanz im gewünschten Sinn zu gestalten, wobei die Wirkung dieser Maßnahmen im Ausmaß die
oben genannten Möglichkeiten des reinen Zinsbereichs in der Regel übertrifft. Ein
170
Wertorientierte Steuerung des Zinsänderungsrisikos
Beispiel hierfür ist der Verkauf von abgeschriebenen Immobilien mit anschließendem
»Lease Back«.
Eine Steuerungsgröße, die »gestaltet« werden kann, kann aber grundsätzlich nie
geeignet sein, ein Unternehmen zu führen; hierfür ist eine objektive Zielgröße unabdingbar. Das Performancekonzept ist dazu geeignet, denn es bietet keine Bewertungsrechte oder Möglichkeiten, den Ergebnisausweis zu beeinflussen. Eine Ergebnisveränderung im Zinsbereich tritt nur ein, wenn Zeit vergeht (Zinszuwachs) und/oder die
Zinsstruktur sich verändert (Wertveränderungen).1
Schlußfolgerungen
Das Ergebnis laut GuV ist – innerhalb weiter Grenzen – gestaltbar.
Insbesondere kann das Ergebnis laut GuV geglättet werden.
Der Bildung von Reserven kommt hohe Bedeutung zu: Je höher die Reserven,
um so größer ist der Gestaltungsspielraum.
Das Performancekonzept ist das geeignete betriebswirtschafliche Modell. Es
erfordert wegen der starken Ergebnisschwankungen und wegen möglicher
negativer Performance (keine Glättungsmöglichkeit) aufgeklärte Eigentümer
und Kontrollinstanzen.
4.1.4
Informationen über Vermögen, Risiko und Dispositionserfolg
Eine (interne) Ergebnisrechnung sollte nicht nur über den tatsächlichen Gewinn informieren, sondern auch über Vermögens- bzw. Kapitalgrößen und das bestehende
oder in der Vergangenheit eingegangene Risiko. Die Übersichten in den Tabellen
4.5– 4.7 zeigen jeweils, wie die beiden Ansätze diesen Forderungen entsprechen.
Vermögen
Das herkömmliche Rechnungswesen basiert auf Buchwerten. Diese können von den
realen Marktwerten in positiver und negativer Richtung erheblich abweichen. Folglich
kann die Bilanz niemals über reale Marktwerte und damit echte Vermögensgrößen informieren, sondern nur über synthetisch (nämlich als Bezugsbasis) erzeugte Kapitalpositionen.
Das Performancekonzept informiert sui generis über die Vermögenswerte der
Bank, da es die Feststellung und Entwicklung des Vermögens als Kernpunkt beinhaltet.
1 Da die Bank ihr Vermögen anlegen muß, unterliegt sie immer einem Zinsänderungsrisiko. Je nach Fristigkeit der Anlage des Vermögens und je nach gleichzeitiger inkongruenter Geldaufnahme werden hierbei Situationen auftreten, in denen eine negative Performance entsteht. Dies ist bei starken Zinssteigerungen bereits bei einer Anlage des Vermögens im Fünf-Jahresbereich der Fall.
Warum muß primär nach dem Performancekonzept gesteuert werden?
171
Tabelle 4.5 Ermittlung des Vermögens
GuV
Performancekonzept
Feststellung des Eigenkapitals, gegliedert nach
verschiedenen Kategorien.
Ermittlung des im Zinsgeschäft gebundenen
Vermögens aus dem Cash-flow.
Die bilanziellen Kapitalgrößen entsprechen nicht
dem Wert des Unternehmens.
Ermittlung des Marktwertes anderer Vermögensbestandteile (Aktien, Optionen, Immobilien, Beteiligungen, Inventar, Rechte etc.).
Aus bilanziellen Informationen geht die Vermögensstruktur nicht hervor.
Kenntnis der Vermögensstruktur.
Risiko
Die Risikomessung im herkömmlichen Ansatz beschränkt sich darauf, die Schwankungen im Ergebnis laut GuV festzustellen bzw. prognostisch zu planen. Da das Ergebnis laut GuV eine gestaltbare Position ist, die durch Maßnahmen verändert – insbesondere geglättet – werden kann, kann eine hierauf fußende Risikomessung nicht
zielführend sein. Das Risiko kann systematisch unterschätzt (überwiegend Positionen
im Anlagevermögen mit gleichzeitig hoher Fristentransformation) oder überschätzt
werden (Depot A im Umlaufvermögen als Gegenposition zu Kundeneinlagen).
Im Gegensatz hierzu bedeutet »Risiko« im Performanceansatz die negative reale
Vermögensveränderung absolut oder relativ zum erwarteten Ergebnis. Das Risiko ist
bei standardisierter Szenariotechnik rechnerisch eindeutig definiert und kann nicht
durch Ausübung von Bewertungsrechten manipuliert werden.
Tabelle 4.6 Risiko und Chance (hier: relativ definiert)
GuV
Performancekonzept
Abweichung der Änderung des Ergebnisses laut GuV von
der erwarteten Änderung, hierbei Aufspaltung in Veränderung des Zinsüberschusses und Veränderung des außerordentlichen Ergebnisses.
Abweichung der Änderung des Vermögens im Zeitablauf von der erwarteten
Änderung.
Dispositionserfolg
Die Marktzinsmethode soll nach der Konzeption Dispositionserfolg vom Markterfolg
(Erfolg aus Kundengeschäften) trennen. Der Dispositionserfolg ist hierbei ausschließlich der Erfolgsbeitrag, der durch das Eingehen von Fristentransformationen bewirkt
wird.
In der herkömmlichen Umsetzung wird hierzu zunächst der Zinsüberschuß laut
GuV festgestellt. Hiervon werden die Konditionenbeiträge der Marktbereiche abgezogen. Die verbleibende Restgröße wird nach Abzug des als »normal« anzusehenden
Zinsertrags aus der Anlage des bilanziellen Eigenkapitals (sog. Anlage- und Finanzierungserfolg) dem Treasury erfolgswirksam zugerechnet.
172
Wertorientierte Steuerung des Zinsänderungsrisikos
Tabelle 4.7 Ergebnisabbildung des Dispositionserfolgs
GuV
Performancekonzept
Ergebnis laut GuV abzüglich der Ergebnisanteile
der Marktbereiche.
Gesamterfolg der Bank laut Performancekonzept,
korrigiert um Erfolgskomponenten, die dem
Treasury nicht zuzurechnen sind.
Je nach Konzept weitere Korrektur um den
»Anlage- und Finanzierungserfolg«.
Der periodenbezogene Dispositionserfolg als
Zinsüberschuß sagt nichts über die aktuelle
Leistung des Treasury aus, da der Zinsüberschuß
durch Entscheidungen in Vorperioden mitbeeinflußt wird.
Korrekturpositionen sind: Barwerte der Kundengeschäfte, Zu- oder Abflüsse von Geld an andere
Bereiche wie z. B. ausgabewirksame Kosten, Kapitalzuführungen oder Ausschüttungen, Umschichtungen
von Geld in oder aus Vermögenspositionen, die dem
Treasury nicht zugerechnet werden.
Die beschriebene Vorgehensweise leidet unter drei Schwächen:
1. Der Zinsüberschuß in der Ist-Periode resultiert nicht nur aus den Entscheidungen
dieser Periode, sondern auch aus Entscheidungen in Vorperioden. Eine entscheidungs- und verantwortungsorientierte Ergebniszuordnung fehlt.
2. Umgekehrt wirken sich Dispositionsmaßnahmen, die in der Ist-Periode getroffen
werden, nicht nur in der Ist-Periode aus. Eine langfristige Position, die innerhalb
des Jahres – eventuell mit Zinsdefiziten – geöffnet wurde und am Jahresende erfolgreich geschlossen werden konnte, wirkt sich im Zinsüberschuß des Jahres negativ aus. Der Erfolg wird erst in Folgejahren sichtbar. Auch im genau umgekehrten Fall ergeben sich mitunter dramatische Fehlinformationen. Erneut ermangelt
es einer entscheidungsorientierten Ergebniszuordnung.
3. Der »Anlage- und Finanzierungserfolg« wird aus bilanziellen Kapitalgrößen abgeleitet. Da die bilanziellen Größen nicht mit den Ist-Vermögenswerten übereinstimmen, kann die entsprechende Größe niemals korrekt berechnet werden.
In der Regel sind die bilanziellen Kapitalgrößen deutlich niedriger als das »wahre«
Vermögen. Somit wird der »normale« Anlage- und Finanzierungserfolg zu niedrig angesetzt, die Leistung des Treasury dadurch überschätzt. Das Performancekonzept mißt
den Dispositionserfolg korrekt und sendet die angemessenen Steuerungsimpulse.
Schlußfolgerung
Nur das Performancekonzept informiert korrekt und entscheidungsorientiert
über Vermögen, Risiko und Dispositionserfolg.
Warum muß primär nach dem Performancekonzept gesteuert werden?
4.1.5
173
Planungshorizont bei Risikobetrachtungen
Wichtig für eine vergleichende Darstellung ist nicht zuletzt die Betrachtung des Zeitraumes, der im Verlauf mindestens simuliert werden muß, um das Zinsänderungsrisiko vollständig zu erfassen. Die Tabelle 4.8 analysiert überblickartig den hierzu
notwendigen »Planungshorizont« bei traditionellen Verfahren und beim Performancekonzept.
Tabelle 4.8 Planungshorizont
GuV
Performancekonzept
Zur Erfassung des Risikos müssen mehrere
Jahre der GuV simulativ geplant werden
(in der Praxis fünf Jahre).
Es gehen keine Informationen verloren, wenn die Performance auf »kurze Frist« (Fristen bis zu einem Jahr)
unter Beachtung von Risiko und Ertrag optimiert wird.
Dieser Planungshorizont ist
Hierzu ist eine Zinsprognose im Verlauf bis zum Planungshorizont und mit Stand am Planungshorizont notwendig. Zinsprognosen, die nach dem Planungshorizont
liegen, bringen keinen zusätzlichen Nutzen.
– einerseits zu kurz, da viele Produkte
Zahlungsströme besitzen, die über 5 Jahre
hinausreichen,
– andererseits zu lang, da weder eine vernünftige Zinsprognose noch eine Planung des Neugeschäfts für 5 Jahre möglich
ist.
Neugeschäftsplanung ist zur Risikosteuerung nicht notwendig.
Ergänzend wird die GuV für das laufende und gegebenenfalls das Folgejahr geplant.
Kritik am Zinsüberschuß laut GuV als Maßgröße für das Zinsänderungsrisiko
Die Veränderung des Zinsüberschusses laut GuV in Abhängigkeit von Zinsveränderungen sagt über das wirkliche Zinsänderungsrisiko nichts aus, solange nur das IstJahr betrachtet wird. Hierzu braucht nur an Festzinspositionen gedacht zu werden,
deren Laufzeiten nicht übereinstimmen, die aber mindestens ein Jahr lang sind. Die
entsprechenden Zinsdifferenzen beeinflussen den Zinsüberschuß, das inhärente
Zinsänderungsrisiko aus diesen Positionen wird aber nicht berücksichtigt.
Aus dem genannten Grund kann das Zinsänderungsrisiko in der GuV nur dann
abgebildet werden, wenn ein längerer Zeitraum betrachtet wird. Hierdurch werden
Veränderungen im Zinsüberschuß, die durch heutige Inkongruenzen bedingt sind,
sichtbar. In der Praxis wird hierzu ein Zeitraum von fünf Jahren vorgeschlagen.
Dieser Zeitraum reicht aber nicht aus, um das Risiko exakt zu erfassen. Ein Beispiel hierfür bildet ein zehnjähriges Darlehen, das mit einem fünfjährigen Sparbrief
refinanziert ist. Hier ändert sich der Zinsüberschuß in den ersten fünf Jahren nicht,
obwohl ein erhebliches Zinsänderungsrisiko vorliegt. Allgemein werden alle Positionen, deren Zinsbindung über fünf Jahre hinausreicht, nicht korrekt berücksichtigt.
Der vorgeschlagene Zeitraum ist also einerseits zu kurz.
Andererseits ist ein Planungszeitraum von fünf Jahren in der Praxis der Planung
zu lang. Folgende Problempunkte führen dazu, daß eine Planung des Zinsüberschusses für mehr als ein, maximal zwei Jahre nahezu unmöglich ist:
174
Wertorientierte Steuerung des Zinsänderungsrisikos
Der Planungszeitraum von fünf Jahren erfordert eine Zinsprognose im Verlauf für
die nächsten fünf Jahre, wobei jeweils die Zinsstrukturkurve geschätzt werden muß.
Zinsprognosen für einen derartig langen Zeitraum sind in der Praxis unmöglich
und allenfalls als Tendenzaussagen denkbar.
Die Planung des Neugeschäfts, das in der Zukunft abgeschlossen werden soll, ist
notwendig. Hierbei reicht eine globale Planung der Volumina und Zinsen bzw.
Margen nicht aus. Vielmehr müssen auch die vom Kunden nachgefragten Fristen je
Geschäftsart berücksichtigt werden. Diese Fristen hängen ihrerseits von der Zinsstruktur und den geforderten Zinssätzen bzw. Margenansprüchen der Bank ab.
Hinzu kommt, daß im geplanten Neugeschäft Inkongruenzen enthalten sein können, die sich ihrerseits auf den Zinsüberschuß auswirken. Zinsänderungsrisiken des
Altbestandes werden dadurch mit Zinsänderungsrisiken des Neugeschäfts vermischt. Eine Ergebnisanalyse – insbesondere Ursachenanalyse – der festgestellten
Schwankungen des Zinsüberschusses wird enorm erschwert. Auf diesen Punkt wird
bei der Diskussion des Elastizitätskonzepts nochmals eingegangen (Abschnitt 4.4).
Schließlich müssen alle dispositiven Maßnahmen, die in Abhängigkeit von jeweiligen Zinsentwicklungen getroffen werden sollen, in der Planung berücksichtigt sein.
Da diese Maßnahmen von der simulativ angenommenen Zinsentwicklung abhängen, ist eine Simulation enorm erschwert.
Bei allen genannten Punkten muß zusätzlich bedacht werden, daß für Risikobetrachtungen das Durchrechnen eines einzigen möglichen zukünftigen Zinsszenarios nicht
ausreicht. Vielmehr müssen simulativ neben erwarteten Zinsentwicklungen auch
»Risiko- bzw. Grenzszenarien«, die die Randbereiche möglicher Zinsentwicklungen
abdecken, berücksichtigt werden. Für alle diese denkbaren Zinsentwicklungen müssen das Neugeschäft mit Kunden und die jeweilige dispositive Reaktion geplant werden. Wegen der Vielfalt der Parameter wird der Planungsprozeß bei entsprechender
Verfeinerung derart komplex, daß er für Entscheidungsträger undurchsichtig und in
der Praxis nicht durchführbar wird.
Banken, die derzeit im angegebenen System arbeiten, planen entweder nur ein Jahr
oder arbeiten mit extrem vereinfachenden Annahmen. Beide »Lösungswege« sind
äußerst unbefriedigend.
Diskussion des Performancekonzepts
Im Performancekonzept wird grundsätzlich mit »kurzem« Planungshorizont gearbeitet. Diese »kurzfristige« Betrachtung reicht voll aus, um das Zinsänderungsrisiko der
Bank adäquat abzubilden und die Bank auch langfristig strategisch korrekt zu steuern. Die Begründung hierfür wurde bereits in Abschnitt 1.4 und 3.3, insbesondere
3.3.2, gegeben. Sie wird an dieser Stelle wiederholend vertieft.
Warum muß primär nach dem Performancekonzept gesteuert werden?
175
Festlegung des Planungshorizonts
Um Mißverständnisse zu vermeiden, wird nochmals betont, daß die Zahlungsströme
als Basis der Risikoanalyse in jedem Fall bis zum Ende der wirtschaftlichen Lebensdauer bzw. bis zum Ende der Zinsfestschreibung der bestehenden Geschäfte bestimmt
werden müssen. Die Zahlungsströme werden aber am Planungshorizont, der in aller
Regel zeitlich vor dem Ende der letzten Zahlungsflüsse liegt, barwertig bewertet.
Für die Wahl eines geeigneten Planungshorizonts gelten folgende Kriterien:
Es muß eine Zinsprognose im Verlauf bis zum Planungshorizont vorliegen. Ebenso
muß prognostiziert werden, welche Zinsstruktur am Planungshorizont vorliegt.
Die Zinsprognose im Verlauf bis zum Planungshorizont ist notwendig, um Kenntnis über die mögliche Wiederanlage von Cash-flow zu besitzen, die bis zum Planungshorizont fließen. Die Zinsprognose für den Zeitpunkt »Planungshorizont« ist
nötig, um den Barwert der Zahlungen, die nach dem Planungshorizont fließen, berechnen zu können.
Eine Prognose von Zinsen für Zeitpunkte, die nach dem Planungshorizont liegen,
ist nicht notwendig. Die Bewertung am Planungshorizont garantiert, daß in beliebige andere Cash-flow getauscht werden kann (Barwert als Tauschpreis).
Das Institut muß bereit sein, bis zum gewählten Planungshorizont die eingegangenen Positionen aktiv zu verändern. Eine Bewertung ist nur sinnvoll, wenn Entscheidungen aus der Bewertung gezogen werden. Entscheidungen bringen aber in der
Regel Veränderungen der Positionen des Instituts mit sich.
Ein aktives Depot-A-Management, der Einsatz von Refinanzierungen und Finanzinnovationen in Zusammenarbeit mit der Landesbank sind unumgänglich. Es
müssen organisatorische Vorkehrungen getroffen sein, die den regelmäßigen, rollierend aufgebauten Planungsprozeß, die entsprechende Durchführung und die
Risikokontrolle institutionell regeln. Die »Mindestanforderungen an das Betreiben
von Handelsgeschäften« geben hierzu einen individuell gestaltbaren Rahmen vor.
Die bei Umschichtung anfallenden Geld/Brief-Differenzen sind nicht vermeidbar.
Eine Umschichtung ist somit nur sinnvoll, wenn die anfallende Geld/Brief-Differenz durch Zinsänderungen am Markt im Zeitablauf übertroffen wird. Je höher also die Geld/Brief-Differenzen ausfallen, um so länger muß folglich der Planungshorizont gewählt werden.
Konsequenzen für den Planungshorizont in Sparkassen:
Im allgemeinen dürften Zinsprognosen mit einer Frist von mehr als einem Jahr ungenau und schwer zu erstellen sein. Somit sind Planungshorizonte, die deutlich länger als ein Jahr sind, ungeeignet.1 Andererseits ist eine permanente Umschichtung
1 Wenn etwa ab Oktober des laufenden Jahres die Ergebnisplanung für das folgende Kalenderjahr beginnt,
erweist sich auch eine Zinsprognose bis zum 31.12. des Folgejahres als sinnvoll.
176
Wertorientierte Steuerung des Zinsänderungsrisikos
des Summen-Cash-flow einer Sparkasse weder organisatorisch machbar noch
wegen der anfallenden Geld/Brief-Differenzen lohnend. Der kürzeste Zeitraum für
eine vollständige Umstrukturierung des Cash-flow einer Sparkasse dürfte drei
Monate nicht unterschreiten.
In Handelsabteilungen der Sparkasse wird in der Regel mit kürzeren Zinsprognosen bis herab zu einem Tag gearbeitet. Es sollen auch kurzfristige Zinsschwankungen genutzt werden. Da die im Handel anfallenden Geld/Brief-Differenzen in der
Regel kleiner sind als bei der Gesamtbank, sind im Handel auch kürzere Planungshorizonte sinnvoll.
Ist der »kurze« Planungshorizont ausreichend?
Häufig wird befürchtet, der »kurze« Planungshorizont sei unzureichend, da hierdurch
der Blick auf eine langfristige, strategisch ausgerichtete Disposition versperrt wird.
Dieses Argument ist unzutreffend, da die Barwerte bzw. Marktwerte Tauschpreise
zwischen verschiedenen Cash-flow bzw. Anlageformen darstellen. Die Berechnung
der Performance beinhaltet also einen möglichen Vermögenstausch am Planungshorizont. Die Bank kann am Planungshorizont ihr Risiko durch Glattstellung der Positionen stark reduzieren oder – in Erwartung einer neuen Zinssituation – neu ausrichten. Wer aber bis zum Planungshorizont mehr Performance erzielt hat und damit am
Planungshorizont mehr Vermögen besitzt, hat dadurch die bessere Ausgangsposition
für weitere Entscheidungen. Hierbei sind ihm durch seine frühere Entscheidung keine
zukünftigen Möglichkeiten versperrt. Es stehen ihm alle dispositiven Möglichkeiten
offen, die auch die Konkurrenten haben.
Bei der Steuerung des Zinsänderungsrisikos reicht die »kurzfristige« Sichtweise.
Üblicherweise sind strategische Entscheidungen »kurzfristigen«, rein operativen
Entscheidungen überlegen. Dies gilt nicht für das Zinsgeschäft:
Im Zinsgeschäft – und bei allen anderen »handelbaren«1 Vermögenspositionen –
liegt also eine völlig andere Situation vor als im alltäglichen Entscheidungsprozeß.
Ein Beispiel soll diesen Unterschied verdeutlichen:
Wer von Stadt A nach Stadt B mit dem Auto reisen möchte, hat häufig die Wahl zwischen Autobahn und Landstraße. Die Fahrtstrecke sei jeweils 200 km. Bei flüssigem
Verkehr ist – wegen der höheren möglichen Geschwindigkeit – die Route über die
Autobahn schneller. Es möge nun eine Prognose darüber vorliegen, daß auf der Landstraße keine Staus vorliegen, auf der Autobahn hingegen 20 km vor der Stadt B ein
1 Als »handelbar« kann eine Vermögensposition gelten, wenn ein Markt existiert, der – angesichts der
erstrebten Handelsgeschwindigkeit und Umschlagshäufigkeit – keine zu hohen Geld/Brief-Differenzen
aufweist.
Warum muß primär nach dem Performancekonzept gesteuert werden?
177
dauerhafter Stau mit hoher Wartezeit entsteht. Bei »kurzfristiger« Optimierung würde der Autofahrer sich nur auf die nächsten 100 km konzentrieren und feststellen, daß
er diese auf der Autobahn schneller hinter sich bringt. Er würde also die Autobahn
wählen. Damit hätte er wegen mangelnder strategischer Ausrichtung die falsche Entscheidung getroffen, da der Zeitgewinn durch den Stau vor Stadt B aufgezehrt wird
und die Route über die Landstraße insgesamt schneller ist.
Worin liegt der Unterschied zwischen diesem Beispiel und den Finanzmärkten? Auf
Finanzmärkten ist ein jederzeitiger Wechsel zwischen den Positionen zu geringen Kosten möglich. Auf Straßen hingegen ist ein Wechsel zwischen den Positionen »Autobahn« und »Landstraße« in der Regel nicht oder nur mit hohen »Kosten« (Zeitverlust
durch Ausfahrt und Kreuzen zur Landstraße) durchführbar.
Im obigen Beispiel wäre die Entscheidungssituation grundlegend anders, wenn
nach 100 km die Landstraße und die Autobahn mit einer Ausfahrt verbunden sind.
Nun reicht die »kurzfristige« Entscheidung für die nächsten 100 km. Optimal wäre es,
die ersten 100 km auf der Autobahn, den Rest auf der Landstraße zu fahren. Laufen die
Landstraße und die Autobahn nebeneinander und sind sie nach jeweils 1 km durch
eine Ausfahrt verbunden, reicht sogar die Entscheidung für den nächsten Kilometer,
um das Fahrtziel schnellstens zu erreichen. Die Finanzmärkte sind in dieser Hinsicht
mit einem Straßennetz zu vergleichen, das an jeder Stelle den Übergang zu einer beliebigen anderen »Straße« (Autobahn, Landstraße, Feldweg etc.) erlaubt. Nur die
Geld/Brief-Differenzen (im Beispiel vergleichbar mit den Auf- und Abfahrtsstrecken)
hemmen den fortlaufenden Wechsel.
Zur weiteren Verdeutlichung der Entscheidungssituation auf Finanzmärkten dient
folgendes Gedankenspiel: Angenommen, zwei Investoren haben die übernatürliche
Gabe, die Zinsstrukturkurve im täglichen Verlauf exakt zu prognostizieren. Investor A
besitzt diese Gabe mit einem Zeithorizont von drei Monaten, Investor B mit einem
Zeithorizont von 10 Jahren. Wer wird die besseren Entscheidungen treffen?
Die überraschende Antwort ist, daß der Investor B aus seinem größeren Wissen keinen wesentlichen zusätzlichen Vorteil ziehen kann. Der Investor B kann zwar alle seine Tauschoperationen für den Zeitraum von zehn Jahren von Beginn an festlegen. Alle Tauschoperationen, die er im Zeitraum von weniger als drei Monaten durchführen
möchte, kann der Investor A mit seiner Kenntnis der Zinsentwicklung für die nächsten drei Monate ebensogut treffen. Da beide Investoren auch kurzfristige Zinsentwicklungen gewinnbringend ausnutzen wollen (und bei optimaler Vorgehensweise
auch ausnutzen müssen), trifft A im Lauf der Zeit ebensogute Entscheidungen wie B.
Nur in Situationen, in denen sich der Tausch wegen der Geld/Brief-Differenz in den
nächsten drei Monaten nicht lohnt, ist Investor B im Vorteil. Derartige Situationen
sind in der Praxis wegen der im Vergleich zur Zinsentwicklung geringen Geld/BriefDifferenzen selten.
178
Wertorientierte Steuerung des Zinsänderungsrisikos
Rollierende Planung
Der Planungsprozeß vollzieht sich im Performancekonzept rollierend: Bei einem
Planungshorizont von z. B. drei Monaten wird nach getroffener Entscheidung und
Durchführung entsprechender Maßnahmen nicht drei Monate lang untätig abgewartet. Vielmehr werden die getroffenen Entscheidungen laufend (je nach Planungsintensität täglich, wöchentlich oder monatlich) überprüft, wobei der Planungshorizont sich ebenfalls mitverschiebt, also unverändert drei Monate bleibt. In die neue
Entscheidung – die gegebenenfalls eine Korrektur früherer Entscheidungen sein kann
– fließen die neuen Informationen über die Zinsstruktur ebenso wie die aktualisierten
Prognosen ein.
Es ist der Bank freigestellt, gleichzeitig mit verschiedenen Planungshorizonten
rollierend zu arbeiten. Beispielsweise könnte jeweils die Auswirkung einer Maßnahme
mit Planungshorizont »Ein Monat« und »Drei Monate« untersucht werden. Bei
monatlicher Planung kann auf diese Weise monatlich ein Soll-Ist-Vergleich durchgeführt werden, ohne an der prinzipiellen Ausrichtung auf drei Monate etwas zu verändern.
Neugeschäftsplanung notwendig?
Jedes Neugeschäft mit Kunden kann durch den gleichzeitigen Abschluß entsprechender Gegengeschäfte hinsichtlich des Zinsänderungsrisikos neutralisiert
werden. Die Einflüsse, die sich aus Neugeschäften mit Kunden und der Präferenz
der Kunden für bestimmte Zinsbindungsdauern ergeben, müssen somit bei der
Planung und Beurteilung von Dispositionsmaßnahmen nicht berücksichtigt
werden.
Es wäre sogar unsinnig, Neugeschäfte mit Kunden bei der Disposition zu berücksichtigen.
Dies gilt zunächst für das Neugeschäft, das zeitlich nach dem Planungshorizont
liegt. Neben der bereits erwähnten Möglichkeit der dispositiven Glattstellung dieser
Geschäfte ist es ohnehin sinnlos, sich über Dispositionsmaßnahmen, die zeitlich nach
dem Planungshorizont liegen, Gedanken zu machen. Die Gründe hierfür wurden
oben bereits ausführlich diskutiert.
Aber auch Neugeschäft mit Kunden, das voraussichtlich bis zum Zeitpunkt des Planungshorizonts abgeschlossen wird, sollte im Rahmen der Zinsrisikosteuerung nicht
geplant werden. Es tritt gegebenenfalls an die Stelle von dispositiven Maßnahmen,
wird dann aber bereits durch die Planung der dispositiven Maßnahmen erfaßt. Kundengeschäft, das sich nicht mit den dispositiven Absichten der Bank deckt, kann durch
entsprechende Gegenmaßnahmen beim jeweiligen Abschluß der Kundengeschäfte
eliminiert werden.
Im Gegenteil wäre eine Einbeziehung von Kundenneugeschäft bei der Perfor-
Warum muß primär nach dem Performancekonzept gesteuert werden?
179
manceberechnung schädlich, da im Neugeschäft in der Regel eine Fristentransformation enthalten ist, die sich mit den bestehenden Positionen vermischt. Das
berechnete Risiko kann dadurch sich scheinbar verringern, aber auch scheinbar vergrößern. Eine korrekte Steuerung wird dadurch erheblich erschwert, wenn nicht sogar
unmöglich gemacht.
Häufig wird versucht, Kundengeschäft, das in der Zukunft erwartet wird, bereits
heute dispositiv zu berücksichtigen. Dieser Ansatz verkennt wesentliche Tatsachen:
Kundengeschäft ist – bis auf die erzielte Marge – mit dem jederzeit möglichen Interbankengeschäft identisch. Wenn sich die Kombination »heutige dispositive Maßnahme/morgiges Kundengeschäft« rechnen soll, so muß dies auch die Kombination
»heutige dispositive Maßnahme/morgiges Interbankengeschäft (anstelle des Kundengeschäfts)« gelten. Beide Kombinationen unterscheiden sich nur durch die Marge, die
im Kundengeschäft enthalten ist. Diese kann aber auch durch den Abschluß von Gegengeschäften erzielt werden, wobei die Gegengeschäfte erst mit Abschluß des Kundengeschäfts getätigt werden müssen. Eine »vorausschauende« Disposition des Neugeschäfts bringt also keine Vorteile.
Wo ist die strategische Denkweise notwendig?
Die obigen Ausführungen könnten leicht dahingehend mißverstanden werden, daß
strategische Planung in Banken generell nicht notwendig ist. Dies ist natürlich nicht
der Fall; im Gegenteil ist in vielen Bereichen der Bank eine strategische Planung unerläßlich. Das obige Beispiel der Autofahrt zeigt, wann dies der Fall ist:
Immer dann, wenn »Positionen« kurzfristig nicht oder nur mit hohen Kosten
gewechselt werden können, ist eine strategische Entscheidung notwendig. Beispiele hierfür sind:
Entscheidungen über die prinzipiellen Geschäftsfelder der Bank
Entscheidungen über die Zielgruppen
Entscheidungen über Standorte und Servicekonzepte
Entscheidungen über Organisationsformen
Entscheidungen über EDV-Ausstattungen und entsprechende Programme
…
Die entsprechenden Entscheidungen müssen mit den generellen Hilfsmitteln der strategischen Planung getroffen werden, die meist qualitativer Natur sind. Sofern quantitative Ergebnisse als Entscheidungsgrundlage dienen sollen, ist hierzu keine Planung
des Zinsüberschusses notwendig, sondern eine Planung der erzielbaren Margen in
Relation zu den entstehenden Kosten und Risiken. In der klassischen Investitionsrechnung – die ihrerseits auf Cash-flow basiert – steht hierzu ein adäquates Hilfsmittel zur
Verfügung.
180
Wertorientierte Steuerung des Zinsänderungsrisikos
Vorteile des Performancekonzepts
Für die Berechnung der Performance bis zum (kurzen) Planungshorizont werden relativ wenige, leicht ermittelbare und gut überschaubare Informationen benötigt:
Cash-flow der existierenden Geschäfte bis zum Ende der für das Zinsänderungsrisiko maßgeblichen Zeit; gegebenenfalls als Summen-Cash-flow des Instituts.
Zinsprognose bzw. Zinsszenarien im Verlauf bis zum Planungshorizont – hierbei
primär Prognose der »kurzen« Zinsen.
Diese Information wird zum Aufzinsen der Cash-flow, die zeitlich vor dem Planungshorizont liegen, bis zum Planungshorizont benötigt.
Zinsprognose bzw. Zinsszenarien am Planungshorizont für alle relevanten Restlaufzeiten; also Prognose der Zinsstrukturkurve am Planungshorizont.
Die Cash-flow können – wie in Kapitel 2 erläutert – in der Praxis mit relativ geringem
Aufwand ermittelt werden. Zinsszenarien, die die »Randbereiche« möglicher Zinsentwicklungen für Risikobetrachtungen abdecken, können durch statistische Analysen
aus Vergangenheitswerten geschätzt werden. Die Zinsprognose, auf die – unter Beachtung des eingegangenen Risikos – die Disposition abgestellt wird, kann trotz der hiermit verbundenen Schwierigkeiten nicht vermieden werden. Sie ist jedoch in der Regel
für eine kurze Frist einfacher und mit höherer Sicherheit erstellbar als für lange
Fristen.
Eine Neugeschäftsplanung ist nicht notwendig.
Planung der GuV als Nebenbedingung
Wie in Abschnitt 4.1.2 erläutert, kann das Ergebnis laut GuV bzw. Bilanz trotz der
Identität über die Gesamtlebensdauer in der Einzelperiode erheblich vom Ergebnis
laut Performanceberechnung abweichen. Da die Bank in der Außenwirkung primär
nach den Methoden der externen Rechnungslegung beurteilt wird,1 darf die Planung der GuV nicht unterbleiben. Es reicht jedoch aus, die GuV und Bilanz für das
aktuelle Jahr, gegebenenfalls (etwa ab September) für das Folgejahr zu planen. Die
Methoden hierzu wurden bereits in Abschnitt 3.4 erläutert. Auf die neue Rolle, die der
Rechnungslegung aus dieser Sicht zukommt, wird in den Abschnitten 4.3 und 6.2 vertiefend eingegangen.
1 Internationale Standards der externen Rechnungslegung (IAS) werden das derzeitige Rechnungswesen
stark beeinflussen. Durch Bewertungsregeln, die näher an Marktwerten orientiert sind, kommt es zu
einer Annäherung an die hier vertretenen Steuerungskonzepte.
Warum muß primär nach dem Performancekonzept gesteuert werden?
181
Schlußfolgerungen:
Die GuV erfordert zur Abbildung des Zinsänderungsrisikos eine langfristige
Prognose vieler Parameter. Sie scheitert dadurch an praktischen Problemen
der Zinsprognose und Neugeschäftsplanung. Diese Planung wird zudem in
der Praxis »abgeschnitten«, so daß das Zinsänderungsrisiko noch nicht einmal
vollständig erfaßt werden kann.
Das Performancekonzept erlaubt es, sich mit einem »kurzen« Planungshorizont zu begnügen. Die Einbeziehung des Neugeschäfts mit Kunden ist nicht
nur nicht notwendig, sondern sogar zu vermeiden. Im Performancekonzept
kann praxisorientiert das Zinsänderungsrisiko geplant und gesteuert werden.
Das Performancekonzept erlaubt sowohl strategische als auch operative Entscheidungen, da es alle langfristigen Auswirkungen eines Zinsgeschäftes
berücksichtigt und bewertet; gleichzeitig spiegelt es die kurzfristigen Auswirkungen auch von einzelnen Maßnahmen korrekt wider. Dabei begünstigt ein
relativ kurzfristiger Planungshorizont, der alle langfristigen Effekte abbildet,
aufgrund der einfacheren Prognoseanforderungen die Praktikabilität des
Konzepts.
Die GuV wird als strikte Nebenbedingung aufgefaßt und für maximal ein Jahr
(gegebenenfalls ein Folgejahr) geplant.
4.1.6
Sichtweise der Immobilien, Beteiligungen, Aktien und Optionen
Auf die Vorteile, die sich aus der Sichtweise der Gesamtbank (Tab. 4.9) als Portfolio ergeben, wird in Kapitel 5 ausführlich eingegangen. Deshalb können an dieser Stelle vertiefende Erläuterungen unterbleiben.
Tabelle 4.9 Sichtweise der Immobilien, Beteiligungen, Aktien und Optionen
GuV
Performancekonzept
Immobilien erscheinen häufig nur als Mittel
zum Zweck (Immobilien als Verwaltungsgebäude oder Filialen). Sie unterliegen
keiner Rentabilitätskontrolle oder werden
nur als »notwendiger Kostenfaktor« aufgefaßt.
Immobilien, Beteiligungen, Aktien und Optionen werden
als eigene Vermögenspositionen betrachtet. Risiko und
Ertrag aus diesen Vermögenspositionen werden je Position erfaßt und aktiv gesteuert.
Zurückhaltung ist bei Beteiligungen, Aktien
und Optionen festzustellen. Diese werden
als risikoerhöhend und »spekulativ« betrachtet. Der Grund ist möglicherweise darin zu
suchen, daß diese Geschäftsfelder in der
GuV nur unzureichend erfaßt und keine
GuV-Steuerungssignale gegeben werden.
Immobilien, Beteiligungen, Aktien und Optionen sind
insbesondere aus dem Blickwinkel der Risikostreuung
(Risikominderung durch Diversifikation) interessant.
Bei vernünftiger Mischung wird das Risiko nicht erhöht,
sondern insgesamt vermindert.
Alle Risiken werden letztlich gemeinsam gesteuert
(Sichtweise der Portfoliotheorie, »die Bank als Portfolio«).
182
4.1.7
Wertorientierte Steuerung des Zinsänderungsrisikos
Sonstige Unterschiede und Merkmale
Die Gegenüberstellung in Tab. 4.10 zeigt, daß das Performancekonzept nicht nur bei
der Steuerung des Zinsänderungsrisikos, sondern auch in vielen anderen betriebsTabelle 4.10
GuV
Performancekonzept
Beziehung zur Effektivzinsberechnung
Nur statischer »Effektivzins«, der je Periode den
Zins in DM im Verhältnis zur nominalen Kapitalbindung angibt.
Der herkömmliche Effektivzins ist ein Spezialfall
des allgemeineren Performancebegriffs.1
Beziehung zur Marktzinsmethode, Margenberechnung und Margenbarwert
Kein gemeinsames Gedankengut mit der Marktzinsmethode.
Überlegungen vollziehen im Rahmen der Marktzinsmethode und sind in diese integriert.
Beziehung zur Investitionsrechnung
Keine Beziehung zur Investitionsrechnung.
Barwertkonzept bzw. Performanceberechnung
entspricht Investitionsrechnung (Barwertmethode
der Investitionsrechnung).
Vergleich von bilanziellem Geschäft und Provisionsgeschäft
Nicht möglich, da Erfolgsausweis bei bilanziellem
Geschäft und Provisionsgeschäft in verschiedenen
Perioden.
Voll möglich, da barwertige Beurteilung
(Vergleich von Barwert nach Kosten mit Provision
nach Kosten).
Behandlung von Finanzinnovationen
Finanzinnovationen werden – je nach Kategorie –
nur teilweise und unvollständig erfaßt. Optionen
werden nur hinsichtlich der Optionsprämie bei
Kauf und Verkauf abgebildet.
Vollständige und sachgemäße Abbildung aller
Finanzinnovationen und Optionen inklusive der
Wertveränderungen der Instrumente, die mit
Finanzinnovationen verbunden sind.
Aufbau von Kennzahlensystemen
Die bisherigen Kennzahlen sind – bedingt durch
die Gestaltbarkeit der GuV und die Bezugnahme
auf nominale Kenngrößen – nur sehr bedingt vergleichbar.
Ein Kennzahlensystem auf Basis effektiver Kenngrößen, der Vermögensstruktur, der Vermögensentwicklung (Performance) und des eingegangenen Risikos könnte neu entwickelt werden.
Die Kennzahlen informieren unvollständig und
zum Teil widersprüchlich.
Gefahr der Fehlsteuerung durch die derzeitigen
Kennzahlen, z. B. bei
– margenarmem Geschäft (Zinsspanne sinkt),
– Wahl der Nominalverzinsung im Depot A
(Trend zu nominal hochverzinslichen Papieren),
1 Einzelheiten sprengen den Rahmen der Untersuchung. Vergleiche hierzu Sievi, C.: Kalkulation und Disposition, Bretten 1995, S. 43 ff.
Warum muß primär nach dem Performancekonzept gesteuert werden?
183
wirtschaftlichen Fragestellungen erhebliche Vorteile mit sich bringt. Insbesondere erfüllt es die Anforderung an ein geschlossenes Steuerungssystem, in dem methodisch
einheitlich verschiedene Problemstellungen gelöst werden können. In diesem Zusammenhang wird auch an die Ausführungen in Abschnitt 1.1.2 erinnert (Anwendungen
von Cash-flow in der Bankpraxis).
Die Punkte sind jeweils selbsterklärend, so daß weitere Erläuterungen nicht notwendig sind.
Schlußfolgerungen:
Die GuV-orientierte Sicht erfüllt die genannten betriebswirtschaftlichen Anforderungen nicht.
Die aufgeführten weiteren betriebswirtschaftlichen Anforderungen werden
durch das in die Marktzinsmethode und das Barwertkonzept eingebundene
Performancekonzept voll erfüllt.
4.2
Beispiele für Fehlsteuerungen bei Anwendung
der traditionellen Methoden
Die traditionelle Steuerung der Bank mit Hilfe von GuV und Bilanz, die Unkenntnis
des Summenzahlungsstroms für die Gesamtbank, die isolierte Steuerung von Teilbereichen und die fehlerhafte Beurteilung des variablen Geschäfts können zu einer
Reihe von Fehlsteuerungen mit teilweise schwerwiegenden Konsequenzen führen.
Einige dieser Fehlsteuerungen werden nachfolgend aufgezeigt.
4.2.1
Verkennung des Charakters der variablen Geschäfte,
insbesondere von Spareinlagen und Sichteinlagen
Nach den Ergebnissen der Untersuchung können Spareinlagen und Sichteinlagen in
»langen« Cash-flow abgebildet werden (siehe Abschnitt 2.3). Der Cash-flow dieser
Produkte weist hohe Anteile mit Fristen, die über fünf Jahre hinausreichen, auf. Sie
stehen somit als langfristige Refinanzierungsmittel für entsprechendes Aktivgeschäft
zur Verfügung.
Viele Sparkassen üben im Aktivgeschäft mit Zinsbindungen zwischen 5 und 10
Jahren traditionell Zurückhaltung, beschränken sich auf die Vermittlung dieser
Zinsbindungen oder refinanzieren die entsprechenden Geschäfte in hohem Ausmaß.
Damit kommt es zu einem Passivüberhang in langen Fristen (siehe auch »Beispielsparkasse« laut Abschnitt 2.5).
Sparkassen betreiben somit tendenziell eine negative Fristentransformation (aus
»lang« mach »mittel« bis »kurz«). Das Transformationsergebnis wird hierdurch auf
Dauer belastet. Die Performance der Sparkasse und damit der Zinsüberschuß sind
184
Wertorientierte Steuerung des Zinsänderungsrisikos
– im Vergleich zu üblichen Benchmarks1 – relativ niedrig. Damit liegt auch auf Dauer
ein – im Vergleich zum Benchmarkergebnis – niedrigerer Zinsüberschuß vor.
Daß dieser negative Effekt in den Ergebnisrechnungen der Sparkassen nicht sichtbar ist, liegt an der hohen Marge, die in Spareinlagen und Sichteinlagen erzielt werden
kann. Diese hohe Marge überdeckt den genannten negativen Effekt.
Eine Analyse des Risikos der Sparkassen mit ähnlichen Summenzahlungsströmen
wie bei der »Beispielsparkasse« zeigt folgende Effekte:
Die Sparkasse ist gegen Parallelverschiebungen in der Zinsstruktur erst bei einer
großen Veränderung empfindlich, da sich z. B. bei einer Zinserhöhung die Kursverluste der Aktivpositionen (Überhänge in den »kurzen« und »mittleren« Fristen) mit den
Kursverlusten der Passivpositionen (Überhänge in den »langen« Fristen) unter
Berücksichtigung der jeweiligen Volumina zum Teil kompensieren. Kommt es jedoch
zu Verdrillungen in der Zinsstruktur, realisiert sich bereits bei geringer Zinsveränderung ein hohes Risiko: Bei steigenden »kurzen« und »mittleren« Zinsen liegen erneut
Kursverluste der Aktivüberhänge vor. Bleiben in dieser Situation aber die »langen«
Zinsen in etwa gleich hoch oder fallen sie sogar, fehlt die kompensierende Wirkung
der Kursverluste der Passivüberhänge. Im Gegenteil können hier Kurssteigerungen
auftreten, was den Vermögensverlust der Bank erhöht.
Insgesamt haben somit Sparkassen, deren Zahlungsstrom der »Beispielsparkasse« ähnelt, bei schlechter Performance ein hohes Zinsänderungsrisiko. Dieser
Zustand ist – jedenfalls als Dauerzustand – bedenklich. Eine Positionierung von
Sparkassen nach diesem Muster ist allenfalls vorübergehend in Erwartung stark
steigender Zinsen angebracht.2
4.2.2
Isolierte Steuerung des Depot A und dadurch Überschätzung
des Zinsänderungsrisikos
In vielen Banken und Sparkassen wird das Depot A im wesentlichen isoliert gesteuert.
Eine systematische Integration des Depot-A-Managements in die Gesamtbanksteuerung unterbleibt weitgehend. Werden die »Mindestanforderungen an das Betreiben
von Handelsgeschäften« ausschließlich auf die »reinen« Handelsgeschäfte und das
Depot A bezogen, verstärkt sich diese Tendenz.
1 Etwa dem Rex-Performanceindex.
2 Vgl. Goebel, R.: Überlegungen zum Anlage- und Refinanzierungsverhalten im Vorfeld der EWU, in: Sparkasse 7/96, S. 324–325.
Warum muß primär nach dem Performancekonzept gesteuert werden?
185
Wie erläutert, bilden Spareinlagen und Sichteinlagen in hohem Ausmaß Gegenpositionen zum Depot A. Eine isolierte Risikobeurteilung des Depot A führt
somit zu einer erheblichen Überschätzung des Risikos der Gesamtbank. Untersuchungen bei den Pilotsparkassen (und weiteren Testsparkassen) haben ergeben, daß das Risiko bei isolierter Betrachtung des Depot A etwa zwei- bis viermal
so hoch ist wie das der Gesamtbank (siehe auch »Beispielsparkasse«).
Ausgehend von dieser Fehlinformation könnte eine Verkürzung des Depot A folgen,
die sachlich nicht notwendig ist und sich renditeschmälernd auswirkt. Die im vorhergehenden Punkt (Verkennung des Charakters der Spareinlagen) angesprochenen Probleme werden dadurch zusätzlich verstärkt.
Sinnvoll ist nur eine integrierte Betrachtung der Gesamtbank,1 die das wahre Ausmaß des Risikos zeigt. Genau dies ist der Grundsatz des hier vorgetragenen Systems.
4.2.3
Impulse zum Eingehen von ungeeigneten dispositiven Positionen
bei Ausrichtung auf den Zinsüberschuß
Kein Passivvorlauf in Niedrigzinsphasen
In Niedrigzinsphasen kann ein Passivvorlauf (»lange« Refinanzierung bei »kurzer«
Anlage oder das Eingehen einer entsprechenden Swap-Position) in Erwartung steigender Zinsen sinnvoll sein.
In der GuV wirkt sich dieser Passivvorlauf in der Regel ertragsschmälernd aus, da in
Niedrigzinsphasen die »normale« Zinsstruktur vorherrscht. Deshalb wird möglicherweise die entsprechende Position nicht eingegangen, auch wenn sie – ausgehend von
der Zinsprognose und der Risikosituation – angebracht wäre.
Aktivvorlauf in Niedrigzinsphasen
Ein Aktivvorlauf (»lange« Anlage bei »kurzer« Refinanzierung oder das Eingehen
einer entsprechenden Swap-Position) bewirkt in Niedrigzinsphasen bei normaler
Zinsstruktur eine Verbesserung des Zinsüberschusses. Dieser Aktivvorlauf ist sinnvoll,
wenn mit sinkenden Zinsen, einer Seitwärtsbewegung oder mit leicht steigenden Zinsen gerechnet wird. In Erwartung stark steigender Zinsen ist die Position schädlich.
Es besteht die Gefahr, daß wegen des hohen Zinsüberschusses auch angesichts drohender starker Zinssteigerungen der in aktueller GuV-Sicht »rentable« Aktivvorlauf
beibehalten wird. Eine Bank kann vorübergehend ihr Ergebnis durch Verstärkung des
Aktivvorlaufs »schönen« und hierbei die eingegangenen Risiken ignorieren oder sogar
gegen die eigene Zinsprognose handeln.
1 Vgl. hierzu auch DSGV-Umsetzungsleitfaden zu den MaH vom 15.1.1996.
186
Wertorientierte Steuerung des Zinsänderungsrisikos
Kein Aktivvorlauf in Hochzinsphasen
In Hochzinsphasen kann ein Aktivvorlauf in Erwartung sinkender Zinsen sehr lohnend sein.
In der GuV wirkt sich dieser Aktivvorlauf in einer inversen Zinsstruktur ertragsschmälernd aus. Deshalb wird die entsprechende Position nicht oder in zu geringem
Ausmaß eingegangen.
Passivvorlauf in Hochzinsphasen
Im Gegenteil besteht die Gefahr, daß wegen des hohen Zinsüberschusses auch angesichts erwarteter deutlicher Zinssenkungen im Aktivgeschäft kurze und mittlere Fristen beibehalten werden, die längerfristig refinanziert sind. Die Bank tauscht hier in
unangemessener Weise Risiko gegen kurzfristigen Ertrag.
Vermeidung der genannten Fehlsteuerungen im Performancekonzept
Alle obigen Fehlsteuerungsimpulse sind im Performancekonzept nicht gegeben,
da zusätzlich zum erzielten Zinsüberschuß die durch Zinsveränderungen ausgelösten Wertveränderungen mit in die Performanceberechnung einfließen. Der
Entscheidungsträger wird korrekt über die zu erwartende Performance und damit den langfristigen Ertrag in Relation zum eingegangenen Risiko informiert
(vgl. auch Abschnitt 4.1).
4.2.4
Fehlbeurteilung von bilanziellem Geschäft, das mit Optionen
verbunden ist
Viele bilanzielle Geschäfte sind mit Optionsrechten ausgestattet, die je nach Ausgestaltung der Kunde oder die Bank ausüben kann. Beispiele hierfür sind:
Sondertilgungsrechte des Kunden bei Darlehen innerhalb der Zinsbindungsdauer.
Nichtabnahmerechte oder Aufstockungsrechte.
Festhalten von Konditionen für einen bestimmten Entscheidungszeitraum des
Kunden.
Kreditrahmen mit Festzinsvereinbarung, aber freiem Abrufrecht des Kunden.
Kündigungsrechte des Kunden bei Passivprodukten mit Festzins (z. B. Kündigungsrecht bei Produkten in Analogie zum Bundesschatzbrief).
Kündigungsrecht des Emittenten bei Emissionen, die den Sparkassen zur Eigenanlage angeboten werden.
Auch das Ausfallrisiko kann als Optionsrecht des Kunden interpretiert und bewertet werden.1
1 Vgl. Kirmße, S.: Die Bepreisung und Steuerung von Ausfallrisiken im Firmenkundengeschäft der Kreditinstitute – Ein optionspreistheoretischer Ansatz, Frankfurt 1996, S. 76 ff.
Warum muß primär nach dem Performancekonzept gesteuert werden?
187
Die genannten Optionsrechte werden im herkömmlichen Rechnungswesen überhaupt nicht abgebildet. Das jeweilige bilanzielle Geschäft wird in der Rechnungslegung so dargestellt, als gäbe es das Optionsrecht nicht.
Optionsrechte des Kunden bzw. Partners bedeuten aber stets eine Vermögensverminderung der Bank, Optionsrechte der Bank selbst eine Vermögensvermehrung. Besonders wichtig ist in diesem Zusammenhang, daß sich der Wert der Option in Abhängigkeit vom Zeitverfall, der Entwicklung der Zinsen und der Volatilität der Zinsen
– sowie eventuell weiterer Parameter – verändert. Diese Veränderungen werden aber
im herkömmlichen Rechnungswesen nicht erfaßt. Somit besteht eine erhebliche Gefahr der Fehlsteuerung.
Beispiel für eine Fehlsteuerung bei bilanzwirksamem Geschäft mit Optionen
Als Beispiel wird eine Emission mit einer Laufzeit von 5 Jahren, bei der der Emittent
ein Kündigungsrecht hat, gewählt. Die Kündigung sei einmalig exakt nach einem Jahr
möglich (Rückkaufswert 100 %).
Derartige Emissionen sind – wegen des Kündigungsrechts des Emittenten – mit
einem höheren Zins ausgestattet als Emissionen gleicher Zinsbindungsdauer. Da das
Optionsrecht in der GuV nicht bewertet wird, besteht in der GuV – bis auf den höheren Zins – kein Unterschied zu Emissionen mit ebenfalls fünfjähriger Zinsbindungsdauer. Eine Bank, die ihre Zinsspanne im aktuellen Jahr aufbessern will, wird somit
diese Emission erwerben.
Gegenüber der Emission ohne Kündigungsrecht besteht aber für die erwerbende
Bank ein erheblicher Unterschied: Dient der Kauf der Emission als Gegengeschäft zu
einer fünfjährigen Passivseite, so ist die Bank zwar bei steigenden Zinsen risikofrei. Bei
fallenden Zinsen wird der Emittent aber die Anleihe kündigen. Das Gegengeschäft zur
Kundeneinlage fehlt; die Schließung ist nur zu niedrigeren Zinsen möglich. Die Bank
ist ein asymmetrisches Risiko eingegangen, das der Preis für den höheren Zins war.
Noch schlimmer ist die Situation, wenn das Kündigungsrecht des Emittenten mit
einem Kündigungsrecht der Passivkundschaft (etwa bei Produkten in Analogie zum
Bundesschatzbrief) zusammenfällt. Hier wird bei steigenden Zinsen der Kunde, bei
fallenden Zinsen der Emittent kündigen. Die Bank ist in jeder Situation im Risiko.
Diese Risiken sind in der GuV und Bilanz in keiner Weise sichtbar und kalkulierbar.
Im Performancekonzept stellt das Kündigungsrecht des Emittenten eine negative
Vermögensposition dar. Die Rendite der Emission wird unter Einbeziehung dieser
»Kosten« (Kaufkurs über 100 %) nicht über der Rendite von Emissionen gleicher
Zinsbindungsdauer liegen – vorausgesetzt, der Emittent kalkuliert korrekt. Die Veränderung des Optionspreises wird – in Abhängigkeit von dem jeweiligen Zinsszenario1 –
mit in die Berechnung einbezogen. Zum Beispiel ist bei fallenden Zinsen der Wert der
1 Bei der Kalkulation von Optionen sind zusätzliche marktpreisbestimmende Faktoren zu berücksichtigen,
wie z. B. die Volatilität des Underlyings, die Restlaufzeit, der risikolose Zins.
188
Wertorientierte Steuerung des Zinsänderungsrisikos
Option nach einem Jahr gleich der Differenz des Kurswertes von Wertpapieren mit
vierjähriger Laufzeit (ohne Optionsrecht) zum Kurs 100 %. Der Verkaufskurs ist damit
unter 100 %. Die Bank hat im ersten Jahr – unter Berücksichtigung der Kursveränderungen – eine schlechte oder sogar negative Performance erwirtschaftet. Diese Performance ist – im Fall sinkender Zinsen – deutlich schlechter als die Performance eines
vergleichbaren Papiers ohne Kündigungsrecht. All diese Effekte treten in der Performancerechnung offen zutage, in der herkömmlichen Ergebnisrechnung werden sie
ignoriert.
Schlußfolgerungen:
Eine Risikosteuerung der Gesamtbank nur über die GuV ist in jedem Fall unzureichend und birgt die Gefahr der Fehlsteuerung in sich.
Nur die Messung der Performance der Bank über alle Positionen liefert vernünftige objektive Aussagen über die Risiko- und Ertragssituation der Bank
und erlaubt eine zielgerechte Steuerung der Sparkasse.
4.3
Zinsergebnisplanung und Grundsatzerfüllung
als strikte Nebenbedingung
Sparkassen müssen sich als öffentlich-rechtliche Institutionen der Beurteilung durch
ihre eigenen Aufsichtsgremien und Verbände ebenso stellen wie der Beurteilung durch
Externe – sei es die Presse, die sachkundige Kundschaft oder das breite Publikum. Das
Ergebnis dieser Beurteilung hat weitreichende Folgen für den weiteren Geschäftserfolg. Einer Sparkasse mit »schlechteren« Kennzahlen werden die Aufsichtsgremien
einen engeren Handlungsspielraum setzen; die sachkundige Kundschaft wird auf günstigere Konditionen drängen und das breite Publikum sich eventuell bei Anlagegeschäften zurückhalten.
Externe werden über den Erfolg der Sparkasse vorwiegend durch Kennzahlen der
Bilanz und GuV sowie ergänzende Mengeninformationen (z. B. Anzahl der Konten)
informiert. Performancekennzahlen werden nach außen derzeit – und voraussichtlich
auch in näherer Zukunft – nicht weitergegeben.
Diese restriktive Informationspolitik trifft zur Zeit auch für die eigenen Aufsichtsgremien und Verbände zu. Die Ursache hierfür ist primär, daß eine Information dieser
Zielgruppen über die Performance zunächst eine umfassende Aufklärungsarbeit erfordert. Performancekennzahlen, die naturgemäß hohen Schwankungen unterliegen,
könnten ansonsten leicht falsch interpretiert werden.
Warum muß primär nach dem Performancekonzept gesteuert werden?
189
Auf mittlere Sicht werden somit Bilanz und GuV – ergänzt um weitere Mengeninformationen – in der Berichterstattung der Bank wohl ihren wesentlichen Platz
behalten. Ein ausschließliches Reporting über die Performance ist derzeit kaum
denkbar.
Bereits mehrfach wurde darauf hingewiesen, daß die Ergebnisse laut Performancekonzept und GuV in der Einzelperiode – insbesondere im aktuellen Geschäftsjahr – in
der Regel nicht übereinstimmen.1
Aus den genannten Gründen ist es unumgänglich, die Zinsergebnisplanung parallel mit der Planung der Performance durchzuführen. Bilanz und GuV dienen dabei
aber nicht als primäre Steuerungsgröße – diese kommt der Performance zu –, sondern erhalten die Rolle einer strikten Nebenbedingung: Nur wenn Bilanz und GuV
bei den relevanten Institutionen das erwartete bzw. gewünschte Bild abgeben, kann
die Planung als abgeschlossen gelten und in entsprechende Maßnahmen umgesetzt
werden.
Gleiches trifft für die Einhaltung aufsichtsrechtlicher Normen (z. B. Grundsatz 1, 2
und 3) zu. Diese Normen müssen unbedingt erfüllt werden. Dies bedeutet, daß die
Sparkasse jederzeit den aktuellen Status kennen muß und in der Lage sein muß, die
Auswirkungen eventueller Maßnahmen auf die gesetzlichen Forderungen zu simulieren. Auch diese Normen begrenzen den Spielraum der Performancesteuerung und
sind als Nebenbedingung strikt einzuhalten.
Da die Liquiditätsgrundsätze 2 und 3 in der heutigen Form mit Einführung der
EWWU entfallen werden, kann auf nähere Ausführungen hierzu verzichtet werden.
Angemerkt sei allerdings, daß eine Steuerung der Auslastungskennzahlen mit Hilfe
von Finanzinnovationen, insbesondere Swaps in Verbindung mit börsennotierten
Floatern, auch derzeit schon i. d. R. in ausreichendem Maße möglich ist, ohne den gewünschten Summen-Cash-flow zu verändern.
Parallel zur Performanceplanung ist also die Planung der GuV, der Bilanz und
der aufsichtsrechtlichen Kennzahlen unumgänglich.
Die Methoden zur Planung des Zinsüberschusses – die ein Kernelement dieser Planungen bilden – wurden bereits in Abschnitt 3.4 vorgestellt. Wiederholend wird auf
folgende wichtige Ergebnisse hingewiesen:
Die Planung der GuV ist nur für das aktuelle Geschäftsjahr – gegebenenfalls das
Folgejahr – notwendig. Weiter in die Zukunft reichende Planungen des Zinsüberschusses sind überflüssig, da die Performanceplanung die Zukunft bis zum Ende
der bestehenden Geschäfte voll berücksichtigt (vgl. Abschnitt 4.1.5).
1 Vgl. insbesondere die Abschnitte 4.1.1, 4.1.2 und 4.1.3.
190
Wertorientierte Steuerung des Zinsänderungsrisikos
GuV und Bilanz können durch entsprechende Bewertungsrechte in hohem Maß
gestaltet werden. Es steht eine Vielzahl von Möglichkeiten zur Verfügung, das Ergebnis durch Auf- oder Abbau von stillen Reserven zu verschlechtern oder zu verbessern. Hierzu bestehen die Möglichkeiten nicht nur innerhalb des Zinsgeschäfts
(vgl. Abschnitt 4.1.3), sondern vor allem auch außerhalb des Zinsgeschäfts.
Die Managementaufgabe einer Planung und Gestaltung von GuV und Bilanz besteht
darin, die gegebenen Möglichkeiten im Rahmen der offiziellen Regeln und der »ungeschriebenen Gesetze« so auszunutzen, daß die »Allgemeine Anerkennung« sichergestellt ist. Ziel ist, daß in den Jahren, in denen die Ergebnisse laut Performancekonzept
über dem gewünschten langfristigen Ergebnisdurchschnitt liegen, entsprechende stille Reserven gebildet werden. Diese Reserven können in Jahren mit unbefriedigendem
Ergebnis mobilisiert werden. Auf diese Weise wird in seriöser Weise die gewünschte
Ergebniskontinuität gewährleistet, die sich streng an betriebswirtschaftlichen Erkenntnissen ausrichtet.
Dem klassischen Rechnungswesen kommt auf diese Weise eine neue, bedeutende
Rolle zu: In enger Zusammenarbeit mit dem Treasury, das primär für das Performanceergebnis zuständig ist, steuert das Rechnungswesen das Ergebnis laut GuV bzw.
nach Bilanz und präsentiert auf diese Weise die Bank in der Öffentlichkeit.
4.4
Gleitende Durchschnitte versus Elastizitäten
Das Elastizitätskonzept nimmt derzeit in den Planungssystemen der Sparkassen eine
wichtige Rolle ein. Es ist deshalb notwendig, sich mit diesem Systemansatz, der in der
Denkweise des Performancekonzepts nicht benötigt wird, auseinanderzusetzen. Die
entsprechende Analyse zeigt, wie das Elastizitätskonzept derzeit in den Planungssystemen eingebunden ist. Es wird deutlich, daß diese Aufgaben weitgehend entfallen. Aber
auch in der konkreten Produktzinsprognose liefern gleitende Durchschnitte bessere
Ergebnisse.
4.4.1
Einsatzgebiet und Aufgabe des Elastizitätskonzepts
Generelle Aufgabe des Elastizitätskonzepts
Das Elastizitätskonzept1 ist ein spezielles System zur Planung des Zinsüberschusses.
Der periodische Zinsüberschuß soll in Abhängigkeit von der Veränderung der Zins1 In Literatur und Praxis liegen verschiedene Ausprägungen des Elastizitätskonzepts vor. Je nach Ausbau
des Systems bzw. Komplexitätsgrad wird zwischen »statischen« und »dynamischen« Versionen unterschieden. Der Grundgedanke bzw. die Zielsetzung ist jedoch bei allen Systemen gleich, so daß auf diese
Unterschiede nicht weiter eingegangen werden muß. Vgl. u. a. Rolfes, B.: Die Steuerung von Zinsänderungsrisiken in Kreditinstituten, Frankfurt a. M. 1985 sowie aktuell Schwanitz, J.: Elastizitätsorientierte
Zinsrisikosteuerung in Kreditinstituten, Frankfurt a. M. 1996.
Warum muß primär nach dem Performancekonzept gesteuert werden?
191
strukturkurve analysiert werden. Durch Variation der Zinsstrukturkurve soll die Reagibilität des Zinsüberschusses auf Zinsänderungen und damit das Zinsänderungsrisiko ermittelt werden.
Hierbei wird insbesondere auf die Kenntnis der zeitlichen Entwicklung des Zinsüberschusses über mehrere Perioden bzw. Jahre hinweg Wert gelegt. In seiner weitestgehenden Ausprägung – dem dynamischen Elastizitätskonzept – wird eine Planung
des Zinsüberschusses für fünf Folgejahre angestrebt.
Die Elastizitätswerte spielen hierbei nur insofern eine Rolle, als mit ihrer Hilfe aus
den Interbankenzinsen die Produktzinsen für Geschäfte mit Kunden – insbesondere
für variable Geschäfte – abgeleitet werden.
Aufgabenbereich stark eingeengt
In den Abschnitten 4.1. und 4.2 wurde aber gezeigt, daß die ausschließliche Betrachtung des Zinsüberschusses bzw. des Ergebnisses nach GuV für eine zieladäquate
Steuerung der Bank nicht ausreicht und sogar die Gefahr erheblicher Fehlsteuerungen in sich birgt. Ferner wurde gezeigt, daß die Performancesteuerung die mehrperiodige Planung der GuV vollständig ersetzt. Diese ist nur noch für das aktuelle Jahr
und gegebenenfalls das Folgejahr notwendig. Hierzu wurden in Abschnitt 3.4 entsprechende Methoden vorgestellt.
Damit schrumpft der Aufgabenbereich des Elastizitätskonzepts stark zusammen. Es
kann dann allenfalls dazu dienen, die GuV des aktuellen Jahres bzw. Folgejahres zu
planen. Komplexe Systeme zur Planung der GuV, die weit in die Zukunft blicken können, werden überflüssig.
Offen ist allerdings, ob die Planung des Zinsüberschusses auf »kurze« Sicht mit dem
Elastizitätskonzept oder mit dem in Abschnitt 3.4 vorgestellten Konzept auf Basis der
Cash-flow und der gleitenden Durchschnitte besser gelingt. Diese Analyse muß in
zwei Teilschritte zerlegt werden:
Zunächst ist die Prognosequalität der Elastizitätswerte im Vergleich zu den gleitenden Durchschnitten zu untersuchen.
Anschließend muß der Rechenweg zur Ermittlung des Zinsüberschusses in beiden
Systemen unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten bzw. impliziten Prämissen verglichen werden. Hierbei kann in hohem Maße auf Ergebnisse des Abschnitts
3.4 (Zinsüberschußplanung) zurückgegriffen werden.
4.4.2
Produktzinsprognose für variable Geschäfte –
Elastizitäten oder gleitende Durchschnitte?
Begriff und Aufgabe der »Elastizitäten«
Mit Hilfe der »Elastizität« soll der Zusammenhang zwischen der Veränderung der Interbankenzinsen und der Veränderung der Zinsen für Kundenprodukte erfaßt werden.
192
Wertorientierte Steuerung des Zinsänderungsrisikos
In der ursprünglichen und einfachsten Fassung des Elastizitätskonzepts wird die
Veränderung eines Produktzinses (insbesondere Zins eines variabel verzinslichen
Kundenprodukts) in Relation zur Veränderung der Zinsen für Tagesgeld gemessen:
Elastizität =
Veränderung des Produktzinses
Veränderung des Tagesgeldzinses
Beide Veränderungen müssen sich hierbei auf die gleiche Zeitperiode beziehen.
Die Elastizität eines Festzinsprodukts beträgt definitionsgemäß 0, die Elastizität des
Tagesgeldes selbst ist 1. Empirisch wird die Elastizität als Steigung der Regressionsgeraden zwischen der Veränderung des Tagesgeldes und der Veränderung des Produktzinses gemessen.
Die ursprüngliche Begriffsbildung wurde teilweise erweitert und verfeinert.
Folgende erweiterte Ansätze liegen in Literatur und Praxis vor:
Anstelle des Tagesgeldzinses wird Monatsgeld, 3-Monatsgeld, 6-Monatsgeld etc. als
Referenzzins verwendet. Dies bedeutet keine wesentliche Änderung des Ansatzes,
da diese »kurzen« Zinssätze untereinander und mit dem Tagesgeldzins hoch korreliert sind.
Anstelle des »kurzen« Zinses werden auch »lange« Zinsen, wie z. B. Jahresgeld,
5-Jahresgeld, 10-Jahresgeld verwendet.
Es erfolgt eine Ankopplung an mehrere Referenzzinsen gemäß folgender Gleichung:
Veränderung des Produktzinses = Ela1 Delta(Referenzins1) + Ela2 Delta(Referenzins2) + … + ElaN Delta(ReferenzinsN)
Zeitverzögerungen werden »eingebaut«, d. h., die Veränderungen beziehen sich auf
zeitlich verschobene Perioden.
Bereits in Abschnitt 2.3.2 (Irrwege zur Bewertung variabler Geschäfte) wurde gezeigt,
daß die Ankopplung an »lange« Zinsen (und damit auch an mehrere Referenzzinsen)
wegen der Unmöglichkeit der dispositiven Umsetzung nicht zielführend ist. Diese
Ansätze werden damit nicht weiter verfolgt. Auf den synthetischen Einbau von Zeitverzögerungen wird aus Gründen des Umfangs der hier vorliegenden Untersuchung
verzichtet, Zeitverzögerungen werden jedoch beim theoretischen Prognosevergleich
mitbetrachtet.
Beispiel zur empirischen Ermittlung von Elastizitäten
Zur beispielhaften Ermittlung von Elastizitäten und für eine anschließende Produktzinsprognose werden Bundesbankzahlen herangezogen (Abb. 4.2):
Warum muß primär nach dem Performancekonzept gesteuert werden?
193
Untersuchungszeitraum 1/1985 bis 11/1996
Datenbasis Deutsche Bundesbank
Zins für variable Darlehen (Wohnungsbau) in Beziehung zum 3-Monatszins
Zinsen in %
Abbildung 4.2: Zinsentwicklung: 3-Monatszins/Variable Darlehen
12
10
8
variable Darlehen
6
4
3-Monatszins
2
85
86
87
88
89
90
91
92
93
94
95
Aus dem Diagramm können folgende Elastizitäten grob abgelesen werden:
1/85–12/87: Elastizität ≈ 2,0/2,0 ≈ 1,0
1/88–12/89: Elastizität ≈ 2,5/5,0 ≈ 0,5
1/90– 6/92: Elastizität ≈ 1,0/2,0 ≈ 0,5
7/92–11/96: Elastizität ≈ 4,0/6,5 ≈ 0,6
96
97
194
Wertorientierte Steuerung des Zinsänderungsrisikos
Das gleiche Datenmaterial kann auch als Korrelationsdiagramm (Abb. 4.3) dargestellt
werden:
Variable Darlehen in %
Abbildung 4.3: Korrelation 3-Monatszins/Variable Darlehen
11
10
6/92
1/85
9
8
12/87
12/89
12/93
7
6/89
6
1/96
5
3
4
5
6
7
8
9
10
11
3-Monatszins in %
Die globale Elastizität über den gesamten Zeitraum beträgt in etwa 4,5/7,0 ≈ 0,65. Es
liegen aber erhebliche Unterschiede zwischen einzelnen Zeiträumen vor (siehe oben).
Vergleich der Prognosekraft
Ausgehend von den Grunddaten des obigen Beispiels ermittelt man für das variable
Darlehen folgende Ergebnisse (Tab. 4.11 und Abb. 4.4) auf der Basis gleitender Durchschnitte:
Tabelle 4.11 Variable Darlehen 1/85 – 11/96
Mischungsverhältnis
gleitender Durchschnitte %
3 Mon.
10
1 Jahr
60
5 Jahre
10
Ergebnisse für die Marge %
10 Jahre
20
Min.
0,864
Max.
2,251
Spannweite
Mittelwert
Standardabweichung
1,386
1,496
0,314
Warum muß primär nach dem Performancekonzept gesteuert werden?
195
in %
Abbildung 4.4: Variable Darlehen: Marge
11
10
9
8
7
6
5
Produktzins
Bewertungszins
Marge
4
3
2
1
0
85
86
87
88
89
90
91
92
93
94
95
96
97
Das Korrelationsdiagramm zwischen dem Bewertungszins gemäß gleitenden Durchschnitten und dem Produktzins weist folgendes Bild (Abb. 4.5) auf:
Variable Darlehen, Zinsen in %
Abbildung 4.5: Korrelation Bewertungszins gleitender Durchschnitt/
Produktzins variable Darlehen
11,0
10,5
10,0
9,5
9,0
8,5
8,0
7,5
7,0
6,5
6,0
5,5
5,0
3,0
4,0
5,0
6,0
7,0
8,0
9,0
10,0
11,0
Gleitender Durchschnitt, Zinsen in %
196
Wertorientierte Steuerung des Zinsänderungsrisikos
Bereits der rein optische Vergleich der Korrelationsdiagramme (gleiche Skalierung auf
der x und y-Achse!) zeigt, daß die Korrelation zwischen den gleitenden Durchschnitten und dem Produktzins wesentlich höher ist als die Korrelation im Fall des Elastizitätsdiagramms. Damit ist die Prognosequalität der gleitenden Durchschnitte
grundsätzlich höher.
Diese Aussage läßt sich auch durch einen Vergleich der Prognosefehler, die in den
jeweiligen Systemen begangen werden, exemplifizieren:
Die Abbildung 4.6 zeigt die absolute Höhe des Prognosefehlers bei einer Prognose
des Produktzinses für den Zeitpunkt »Ein Jahr nach dem Ist-Zeitpunkt«. Die Fehlerkurve des Elastizitätskonzepts weicht deutlich stärker von der Nullinie ab und ist damit schlechter.
Fehler in %
Abbildung 4.6 Variable Darlehen: Prognosefehler 1 Jahr
1,5
1,0
0,5
0,0
– 0,5
– 1,0
Gleitender Durchschnitt
Elastizität
– 1,5
86
87
88
89
90
91
92
93
94
95
96
97
Jahr
Ein analoges Bild in Abb. 4.7 zeigt, in welchem System der Fehler größer war: Positive
Werte bedeuten, daß der Fehler beim Elastizitätskonzept größer war, negative Werte
signalisieren einen höheren Fehler beim gleitenden Durchschnitt.
Warum muß primär nach dem Performancekonzept gesteuert werden?
197
Fehler
Abbildung 4.7 Variable Darlehen: Fehlerdifferenz bei Prognose 1 Jahr
1,2
1,0
0,8
0,6
0,4
0,2
0,0
– 0,2
– 0,4
86
87
88
89
90
91
92
93
94
95
96
97
Jahr
Analoge Ergebnisse liegen für andere Produkte sowie für die Modellierung der Produkte der Pilotsparkassen vor (siehe Anhang II).
Ursachen für die schlechtere Prognosequalität der Elastizitäten
Die geringere Prognosequalität des Elastizitätskonzepts hat ihre tiefere Ursache in der
Tatsache, daß das Elastizitätskonzept grundlegende Eigenschaften variabler Geschäfte schlechter abbildet als das Konzept der gleitenden Durchschnitte.
Hierzu wird untersucht, wie Zinsänderungen in Referenzzinsen (Interbankenzinssätze) sich in Zinsänderungen des Produktzinses niederschlagen und welches der
beiden Modelle die Realität der Zinsanpassung bei variablen Produkten besser wiedergibt. Es wird also modellhaft theoretisch der Reaktionsmechanismus untersucht.
Es wird von folgenden Prämissen ausgegangen:
Referenzzinsen sind das Monatsgeld, 6-Monatsgeld und 24-Monatsgeld (2-Jahresgeld).
Der Referenzzins für das Elastizitätsmodell ist das Monatsgeld. Es wird ein variables
Aktivprodukt mit einer Elastizität von 0,5 unterstellt.
Als gleitender Durchschnitt werden ein gleitender 6-Monatszins (relativ schnelle
Reaktion auf Zinsänderungen) und ein gleitender 24-Monatszins (trägere Reaktion
auf Zinsänderungen) verwendet.
Während der Betrachtungsdauer sind die Zinsen für das Monatsgeld, 6-Monatsgeld und 24-Monatsgeld (Zwei-Jahresgeld) jeweils gleich hoch.
198
Wertorientierte Steuerung des Zinsänderungsrisikos
Diese Prämisse wird gesetzt, damit die beiden konkurrierenden Modelle in einer
konkreten Situation verglichen werden können. Die nachfolgenden Ergebnisse
bleiben prinzipiell unverändert, wenn ein konstanter Abstand zwischen den genannten Zinsen unterstellt wird.
Ohne die genannte Prämisse hängen die Ergebnisse des Vergleichs von zu vielen
Faktoren ab. Dadurch würde der Vergleich unübersichtlich.
Vor Beginn der Betrachtungsdauer liegt ein Zeitraum mit konstanten Zinsen, in
dem alle genannten Interbankenzinsen gleich 5 % sind. Das Monatsgeld, der gleitende 6-Monatsdurchschnitt und der gleitende 24-Monatsdurchschnitt sind vor
der betrachteten Zinsänderung entsprechend ebenfalls gleich 5 %.
Vor Beginn der betrachteten Zinsänderungen ist die »Marge«1 des variablen Produkts (gemessen am Monatszins, am gleitenden 6-Monatszins und am gleitenden
24-Monatszins) gleich 1,5 %. Der Produktzins beträgt also 6,5 %. Es wird ein fiktives Aktivprodukt unterstellt.
Es werden nun bestimmte Zinsänderungen der Referenzzinsen untersucht.
Einmalige Auslenkung im Referenzzins
In der Abbildung 4.8 wird davon ausgegangen, daß die drei Interbankenzinsen in
einem einzigen Monat von 5 % auf 6 % steigen und dann sofort wieder auf 5 % fallen.
Der Produktzins ist vor der Zinsänderung gleich 6,5 % (1,5 % Marge gegenüber
dem Monatssatz bzw. den gleitenden Durchschnitten).
Das Elastizitätsmodell prognostiziert, daß der Produktzins mit der Zinsänderung
sofort auf 7,0 % ansteigt und danach sofort wieder auf 6,5 % zurückfällt. Wird mit
Zeitverzögerung gearbeitet, steigt der Zins nach einer bestimmten Zeit auf 7,0 % und
fällt danach sofort wieder auf 6,5 %.
Im Gegensatz bewirken gleitende Durchschnitte eine länger anhaltende Zinserhöhung.
Beim gleitenden 6-Monatszins steigt der Zins um 1/6 %, diese Zinserhöhung bleibt
6 Monate bestehen.
Beim gleitenden 24-Monatszins steigt der Produktzins um 1/24 %, diese Zinserhöhung bleibt 24 Monate bestehen.
1 Margen kennt zunächst nur das Konzept der gleitenden Durchschnitte. Im Kontext der Elastizitäten
mußte korrekterweise von »Zinsabstand« gesprochen werden. Aus Gründen der Lesbarkeit unterbleibt in
diesem Kapitel die Unterscheidung (vgl. auch Abschnitt 4.4.3, in dem diese Thematik näher beleuchtet
wird).
Warum muß primär nach dem Performancekonzept gesteuert werden?
199
Zins in %
Abbildung 4.8 Auswirkung einer einmaligen Zinsänderung und Rückkehr
zum alten Niveau
7,0
6,5 {
6,0
Referenzzins
Elastizität 0,5
Gleitender Durchschnitt über 6 Monate
Gleitender Durchschnitt über 24 Monate
5,5
5,0
4,5
1
7
13
19
25
31
37
43
49
Monate
Die Überlegungen zu einer einmaligen Zinsänderung zeigen allgemein:
Gleitende Durchschnitte
Bei einem gleitenden Durchschnitt über N Monate bedeutet eine Erhöhung im Referenzzins um 1% eine Erhöhung des Produktzinses um 1/N % für N Monate.
Die Bank verzichtet in diesem Modell also insgesamt nicht auf Marge bzw. Ertrag.
Jede Zinsänderung in den Referenzzinsen wird voll an den Kunden weitergegeben,
allerdings nicht im gleichen Zeitraum wie die Zinsänderung, sondern über einen
längeren Zeitraum verteilt. Die Dauer dieses Zeitraums entspricht der Wahl der
Dauer des gleitenden Durchschnitts. Die Weitergabe der Zinsänderung am Interbankenmarkt erfolgt stufenweise.
Eine Bank, die einerseits ihre Zinsspanne auf Dauer halten will, andererseits den
Kunden nicht durch zu schockartige Zinsänderungen verärgern will, wird sich genau so verhalten. Die Dauer des gleitenden Durchschnitts gibt hierbei den Zeitraum an, in dem die Konditionsänderung am Interbankenmarkt an den Kunden
weitergegeben wird.
Elastizitätskonzept
Die Bank reagiert auf jede Zinsänderung in dem Ausmaß, das der Elastizität entspricht.
Die Reaktion erfolgt sofort (oder zeitverzögert), aber immer in der gleichen Zeitdauer wie die Änderung der Referenzzinsen.
Eine über einen Zeitraum »verschmierte« (stufenweise) Reaktion ist nicht darstellbar.
200
Wertorientierte Steuerung des Zinsänderungsrisikos
Die Bank verliert (oder gewinnt) bei einer Zinsänderung insgesamt Marge bzw. Ertrag.
Vergleich der Konzepte
Das Modell der gleitenden Durchschnitte ist realitätsnäher:
Bei variablen Produkten werden Zinsänderungen in der Regel zeitverzögert über
einen längeren Zeitraum weitergegeben. Durch die Wahl des gleitenden Durchschnitts (»kurz« oder »lang«) kann hierbei die Zeitverzögerung bzw. der Zeitraum
eingestellt werden. Ebenso wird hierdurch der Zinsanstieg im variablen Produkt
beeinflußt.
Wenn in der Praxis eine Bank die Veränderung im Referenzzins nicht in gleicher
Höhe an den Kunden weitergeben kann oder will, behält sie die Veränderung eben
entsprechend länger bei.
Auch wenn beim Elastizitätskonzept mit Zeitverzögerungen gearbeitet wird (wie
manchmal vorgeschlagen), erfolgt der Zinsanstieg in diesem Konzept nach der Zeitverzögerung stets gleich schnell. Die Geschwindigkeit des Anstieges kann nicht
beeinflußt werden.
Banken versuchen ihren Zinsüberschuß zu stabilisieren. Sinkt die Zinsspanne wegen unzureichender Weitergabe von Marktzinsänderungen bei variablen Produkten, so wird die Bank bemüht sein, diesen Nachteil durch entsprechend längere
Zeitdauer auszugleichen, und zwar so lange, bis die Zinsspannenrechnung wieder
»stimmt«.
Die Kriterien »zeitverzögert« und »nicht in gleichem Ausmaß« gelten also bei gleitenden Durchschnitten besser.
Kurzzeitiger Anstieg im Zinsniveau, danach konstante Zinsen
In der Abbildung 4.9 wird davon ausgegangen, daß die drei Interbankenzinsen innerhalb von 4 Monaten in Sprüngen von 0,25 % von 5 % auf 6 % ansteigen und dann bei
6 % verbleiben.
Der Produktzins ist vor der Zinsänderung gleich 6,5 % (1,5 % »Marge« gegenüber
dem Monatssatz bzw. den gleitenden Durchschnitten).
Das Elastizitätsmodell prognostiziert, daß der Produktzins mit der Zinsänderung
ebenfalls in 4 Monaten auf 7,0 % ansteigt und danach dauerhaft bei 7,0 % bleibt.
Im Gegensatz hierzu wird bei gleitenden Durchschnitten die Zinsänderung im Interbankenzins in den gleitenden Durchschnitten nur zeitverzögert weitergegeben. Die Zeitverzögerung steigt hierbei mit der »Länge« der gleitenden Durchschnitte (bei gleitendem
6-Monatsdurchschnitt schneller als bei gleitendem 24-Monatsdurchschnitt). Entsprechend steigt der Produktzins mit, da bei gleitenden Durchschnitten eine konstante
Marge zwischen dem Produktzins und dem gleitenden Durchschnitt postuliert wird.
Nach einer bestimmten Zeitdauer (6 Monate bzw. 24 Monate nach Ende der Zinssteigerung) ist die ursprüngliche »Marge« gegenüber den Interbankenzinsen wieder-
Warum muß primär nach dem Performancekonzept gesteuert werden?
201
hergestellt (1% »Marge« gegenüber den gleitenden Durchschnitten, die dann wieder
mit den jeweiligen Interbankenzinsen identisch sind).
Das Modell der gleitenden Durchschnitte ist aus zwei Gründen realitätsnäher:
Bei variablen Produkten werden Zinsänderungen in der Regel zeitverzögert weitergegeben. Durch die Wahl des gleitenden Durchschnitts (»kurz« oder »lang«) kann
hierbei die Zeitverzögerung eingestellt werden. Ebenso wird hierdurch der Zinsanstieg im variablen Produkt beeinflußt.
Auch wenn beim Elastizitätskonzept mit Zeitverzögerungen gearbeitet wird (wie
manchmal vorgeschlagen), erfolgt der Zinsanstieg in diesem Konzept nach der Zeitverzögerung stets gleich schnell. Die Geschwindigkeit des Anstieges kann nicht beeinflußt werden.
Bei einem längeren Verharren des Zinsniveaus auf höherem Niveau kann damit
gerechnet werden, daß die ursprüngliche Marge des variablen Produkts gegenüber
den jeweiligen Interbankenzinsen wiederhergestellt werden kann.
Je länger eine Phase geänderter Zinsen anhält, um so stärker werden die Banken die
Zinsen für ein variables Produkt den neuen Gegebenheiten anpassen, ohne langfristig auf Marge zu verzichten. Das Elastizitätskonzept kann dies nicht abbilden, da
dieses Konzept nur auf Zinsänderungen reagiert und die Zeitdauer, während der
der Zins unverändert auf neuem Niveau bleibt, nicht berücksichtigt.
Zins in %
Abbildung 4.9 Kurzfristiger Zinsanstieg, danach Verharren auf neuem Niveau
8,0
7,5
7,0
6,5
6,0
5,5
Referenzzins
Elastizität 0,5
Gleitender Durchschnitt über 6 Monate
Gleitender Durchschnitt über 24 Monate
5,0
4,5
1
7
13
19
25
31
37
43
49
Monate
202
Wertorientierte Steuerung des Zinsänderungsrisikos
Fortwährend steigende Zinsen
Als weitere Situation wird unterstellt, daß nach einer Phase konstanter Interbankenzinsen (alle Zinsen gleich 5 %) ein Zinsanstieg erfolgt, der sich lange Zeit fortsetzt. In
der Abbildung 4.10 wird von einer Zinserhöhung um 0,2 % pro Monat für die Referenzzinsen ausgegangen.
Im Elastizitätskonzept schrumpft der ursprüngliche Zinsabstand von 1,5 % (gegenüber den jeweiligen Interbankenzinsen) innerhalb von 15 Monaten auf 0 %, danach
wird er negativ. Pro Monat nimmt der Zinsabstand hierbei um 0,1% ab, so daß die Ertragssituation für die Bank sich immer mehr verschlechtert. Dies ist unrealistisch.
Beim gleitenden 6-Monatsdurchschnitt verringert sich die Marge gegenüber den jeweiligen Interbankenzinsen bis auf 1,0 %. Gegenüber dem gleitenden Durchschnitt
bleibt die Marge aber erhalten. Hat sich die Bank in dieser Situation entsprechend dem
gleitenden Durchschnitt refinanziert, muß sie keine Ertragseinbuße hinnehmen (vgl.
auch nächstes Beispiel).
Beim gleitenden 24-Monatsdurchschnitt verringert sich die Marge gegenüber den
jeweiligen Interbankenzinsen bis auf – 0,8 %, bleibt aber dann auf diesem Niveau erhalten. Bei Refinanzierung im gleitenden 24-Monatsdurchschnitt muß die Bank keine
Ertragseinbuße hinnehmen (vgl. auch nächstes Beispiel).
Hätte die Bank hingegen entsprechend der Elastizität mit »langem« Festzinsanteil
refinanziert (siehe Abschnitt 4.4.3), so müßte sie mit jedem Ablauf der Festzinsen zunehmend negative Zinsergebnisse hinnehmen.
Abbildung 4.10 Langfristiger, dauerhafter Zinsanstieg
Zins in %
16,5
14,5
12,5
10,5
8,5
Referenzzins
Elastizität 0,5
Gleitender Durchschnitt über 6 Monate
Gleitender Durchschnitt über 24 Monate
6,5
4,5
1
7
13
19
25
31
37
43
49
Monate
Warum muß primär nach dem Performancekonzept gesteuert werden?
203
Zinsauslenkungen und Rückkehr zum alten Zinsniveau
Es wird in Abbildung 4.11 und 4.12 untersucht, wie die konkurrierenden Konzepte auf
einen Anstieg im Zinsniveau mit Rückkehr zum alten Zinsniveau reagieren. Dabei
wird unterschieden, ob die Zinsauslenkung kurzfristig ist oder sich über einen längeren Zeitraum erstreckt.
Bei der kurzfristigen Zinsauslenkung steigen die betrachteten Interbankenzinsen in
zwei Monaten von 5 % in Schritten von 0,5 % bis auf 6 %. Ebenso schnell sinken sie
wieder auf 5 % ab.
Bei der langfristigen Zinsauslenkung steigen die Interbankenzinsen von 5 % in
10 Monaten in Schritten von 0,1% bis 6 % und sinken dann in der gleichen Weise
wieder auf 5 % ab.
Das Elastizitätskonzept prognostiziert, daß der Produktzins im Zeitraum des jeweiligen Zinsanstiegs von 6,5 % auf 7,0 % steigt und danach wieder auf 6,5 % fällt. Die
Dauer der Auslenkung spielt hierbei keine Rolle. Wenn die Zinsen am Interbankenmarkt wieder auf dem alten Niveau sind, ist auch der Produktzins wieder auf der ursprünglichen Höhe.
Im Gegensatz hierzu behandelt das Konzept der gleitenden Durchschnitte kurzfristige und langfristige Zinsauslenkungen unterschiedlich, wobei jeweils wiederum
ein Unterschied darin besteht, wie »lange« der gleitende Durchschnitt gewählt wird.
Die kurzfristige Zinsauslenkung wird vom gleitenden 6-Monatsdurchschnitt mit
einer Zinserhöhung des Produktzinses bis auf maximal 6,83 % weitergegeben. Beim
gleitenden 24-Monatsdurchschnitt erfolgt ein maximaler Zinsanstieg bis auf
6,58 %.
Die langfristige Zinsauslenkung bedeutet beim gleitenden 6-Monatsdurchschnitt
eine Erhöhung des Produktzinses bis auf maximal 7,35 %, beim gleitenden 24-Monatsdurchschnitt bis auf maximal 6,92 %.
Die Zinssteigerungen beim Produktzins erfolgen jeweils zeitverzögert, wobei die
Verzögerung beim »langen« gleitenden Durchschnitt größer ist.
Der Produktzins weist auch nach dem Absinken der Interbankenzinsen auf das alte
Niveau noch ein höheres Niveau als ursprünglich auf. Auch die Zinssenkung erfolgt
somit zeitverzögert. Je »länger« der gleitende Durchschnitt ist, um so länger dauert
es, bis der ursprüngliche Produktzins von 6 % wieder erreicht ist: Exakt 6 Monate
bzw. 24 Monate nach dem Absinken des Interbankenzinses auf das alte Niveau ist
auch der Produktzins wieder beim alten Niveau angelangt.
Das Integral der Zinsauslenkung (Zinsveränderung mal Zeitdauer der Zinsveränderung) der Interbankenzinsen ist in allen Fällen ebenso groß wie das Integral der
Zinsauslenkung bei den Produktzinsen. Jede Zinsänderung der Interbankenzinsen
wird letztlich im Lauf der Zeit voll an den Kunden weitergegeben. Der Ertrag der
Bank bleibt insgesamt erhalten, auch wenn von Teilperiode zu Teilperiode unterschiedliche Zinsüberschüsse vorliegen.
204
Wertorientierte Steuerung des Zinsänderungsrisikos
Die Veränderung des Produktzinses muß hierbei aber nicht im selben Zeitraum
erfolgen wie die Veränderung der Interbankenzinsen.
Im Gegensatz hierzu prognostiziert das Elastizitätskonzept im vorliegenden Fall
einen unwiederbringlichen Ertragsverlust, da die Fläche der Zinsänderung des Produktzinses nur halb so groß ist wie die Fläche der Zinsänderung des Referenzzinses.
Insgesamt ist das Modell der gleitenden Durchschnitte deutlich realitätsnäher. Es
berücksichtigt insbesondere, daß Banken dauerhafte Ertragseinbußen aufgrund geänderter Interbankenzinsen nicht hinnehmen.
Zins in %
Abbildung 4.11 »Kurzfristige« Zinsauslenkung, danach Rückkehr
zum alten Niveau
7,0
6,5
6,0
Referenzzins
Elastizität 0,5
Gleitender Durchschnitt über 6 Monate
Gleitender Durchschnitt über 24 Monate
5,5
5,0
4,5
1
7
13
19
25
31
37
43
49
Monate
Warum muß primär nach dem Performancekonzept gesteuert werden?
205
Zins in %
Abbildung 4.12 »Langfristige« Zinsauslenkung, danach Rückkehr
zum alten Niveau
7,5
7,0
6,5
6,0
Referenzzins
Elastizität 0,5
Gleitender Durchschnitt über 6 Monate
Gleitender Durchschnitt über 24 Monate
5,5
5,0
4,5
1
7
13
19
25
31
37
43
49
Monate
»Zufällige« Zinsschwankungen
Abschließend soll untersucht werden, wie die beiden konkurrierenden Konzepte eine
»zufällige« Zinsschwankung um ein konstantes Zinsniveau verarbeiten. Hierbei erfolgt zunächst ein Zinsanstieg, dann in doppeltem Ausmaß ein Zinsabfall und schließlich die Rückkehr zum alten Niveau (vgl. Abb. 4.13).
Im Beispiel wird von einer Veränderung der Interbankenzinsen um 0,5 % pro Monat ausgegangen. Einem Zinsanstieg um 1 % folgt ein Zinsabschwung von 2 % und
ein erneuter Anstieg um 1%, der zum alten Niveau zurückführt. Nach 8 Monaten ist
der Prozeß abgeschlossen.
Im Elastizitätskonzept folgt der Produktzins der Schwankung sofort jeweils in halbem Ausmaß.
Der gleitende 6-Monatsdurchschnitt vollzieht die Schwankung zeitverzögert stufenweise mit, da die Durchschnittsbildung mit 6 Monaten »kürzer« ist als die Schwankungsdauer. Die Summe der Zinsänderungen der Produktzinsen ist ebenso wie die
Summe der Zinsänderungen der Interbankenzinsen gleich Null.
Der gleitende 24-Monatsdurchschnitt glättet die Zinsschwankung so stark, daß nur
eine kurzzeitige, sechs Monate anhaltende Erhöhung im Produktzins mit einer maximalen Auslenkung um 0,08 % erfolgt. Danach ist der alte Produktzins wieder erreicht.
Da die Summe der Zinsänderungen aber gleich Null sein muß (siehe oben, Integral
der Zinsänderungen ist jeweils gleich Null), erfolgt der Ausgleich in Form einer sechsmonatigen Zinssenkung 24 Monate nach der Senkung der Interbankenzinsen mit
ebenfalls maximaler Auslenkung um 0,08 %.
206
Wertorientierte Steuerung des Zinsänderungsrisikos
Das Modell der gleitenden Durchschnitte ist insofern realitätsnäher, als kurzfristige
Zinsschwankungen am Interbankenmarkt durch entsprechend gewählte gleitende
Durchschnitte je nach Bedarf nachvollzogen oder aber auch geglättet werden können.
Soll die kurzfristige Zinsschwankung praktisch gar nicht an den Kunden weitergegeben werden, ist dies durch einen langfristigen gleitenden Durchschnitt möglich
(im Beispiel gleitender 24-Monatsdurchschnitt).
Unschön ist hierbei, daß die Zinsschwankung sich theoretisch lange nach ihrem Auftreten am Interbankenmarkt noch kurzzeitig im Produktzins auswirkt. Die entsprechende Zinsänderung fällt aber sehr klein aus, wenn von zufälligen Zinsschwankungen
ausgegangen wird, die sich in weniger als 10 Monaten vollziehen und wenn hierbei mit
gleitenden Durchschnitten von mehr als 36 Monaten gearbeitet wird. In der Praxis wird
der genannte Effekt dann in anderen Effekten aus Zinsänderungen untergehen.
Zins in %
Abbildung 4.13 »Zufällige« Zinsschwankungen
7,5
7,0
6,5
6,0
Referenzzins
Elastizität 0,5
Gleitender Durchschnitt über 6 Monate
Gleitender Durchschnitt über 24 Monate
5,5
5,0
4,5
4,0
1
4.4.3
7
13
19
25
31
37
43
49
Monate
Eignung zur Disposition bzw. zur Gewinnung von Cash-flow
sowie zur Margenkalkulation
Vertreter des Elastizitätskonzepts beabsichtigen zum Teil nicht, aus den ermittelten
Elastizitäten Cash-flow bzw. Dispositionsvorschriften oder Margen zu ermitteln. In
diesen Fällen ist die folgende Kritik obsolet. Das Elastizitätskonzept hat dann aber gegenüber dem Konzept der gleitenden Durchschnitte den Nachteil, daß es nur das Teilproblem »Produktzinsprognose« zu lösen versucht, während sich das Konzept der
gleitenden Durchschnitte bei allen obigen Problemstellungen bewährt. Wird das Elastizitätskonzept jedoch auch für die oben aufgeführten Steuerungsziele eingesetzt, so
sind folgende Anmerkungen zu beachten:
Warum muß primär nach dem Performancekonzept gesteuert werden?
207
Disposition im Elastizitätskonzept
Angenommen, eine Bank hat auf der Aktivseite nur Produkte mit variablem Zins der
Elastizität 0,6. Besteht die Passivseite zu 60 % aus Tagesgeld (bzw. dem Referenzzins
für die Elastizität) und 40 % aus langfristigen Refinanzierungsmitteln mit Festzins, ist
die Bank so lange vom Zinsänderungsrisiko frei, wie die Zinsbindungsdauer der Festzinsrefinanzierung reicht:
Jeweils 1% Zinsänderung des Referenzzinses (Tagesgeldzinses) bewirkt eine Zinsveränderung von 0,6 % der Passivseite, da 40 % der Refinanzierung im Zins unverändert bleiben und 60 % der Refinanzierung sich um 1% im Zins verändern.
Da die Aktivseite sich im Zins ebenfalls um 0,6 % bei 1% Zinsänderung des Referenzzinses verändert, bleibt die Zinsspanne bzw. Marge der Bank unverändert.
Allgemein ist ein variabel verzinsliches Kundenprodukt der Elastizität e dann
zinsänderungsrisikofrei refinanziert (bzw. angelegt), wenn die Refinanzierung zu
e 100 % aus Tagesgeld (bzw. Monatsgeld etc.) und (1 – e) 100 aus Festzinsen besteht.
Die Wahl der Zinsbindungsdauer für die Festzinskomponente bleibt hierbei der
Bank überlassen, die Theorie der Elastizität liefert hierzu keine Aussagen. Teilweise
wird versucht, die Festzinsseite der Disposition aus der »Haltedauer« des Produkts zu
ermitteln. Hierzu wird z. B. für Spareinlagen untersucht, wie lange der Kunde im
Durchschnitt eine Einzahlung bei der Bank beläßt (First-in/First-out-Verfahren).
In Annäherung an die »Methode der gleitenden Durchschnitte« wird die Festzinskomponente z.T. auch »gleitend« gewählt. Die Dispositionsvorschrift eines variablen
Produktes mit einer 60%igen Elastizität und 40%iger revolvierender 5-Jahresanlage
hat somit einen identischen Cash-flow wie ein Mischungsverhältnis 60% Monatszins
(bzw. gleitender 3-Monatszins) und 40 % gleitender 5-Jahressatz.1
Probleme und Fehler der Dispositionsvorschrift 2
Die Theorie der Elastizität liefert keine Aussage darüber, wie »lange« die Festzinskomponente gewählt werden muß. Eigentlich wird die Festschreibung so lange
benötigt, wie die Elastizität konstant sein soll.
Wird die Festzinskomponente auf eine bestimmte Zeit festgelegt, so verkürzt sich
die Restlaufzeit dieser Komponente fortwährend. Die Refinanzierung verändert
also ihre Qualität, obwohl das Produkt noch identisch ist.
Mit Auslauf der Zinsbindungsdauer des festen Anteils der Refinanzierung schwankt
das Zinsergebnis der Bank um die Zinsveränderung im Festzins. Die Refinanzierung ist also nicht zinsänderungsrisikofrei.
1 Annahme: In beiden Fällen wird in monatliche Tranchen aufgespalten.
2 Vgl. auch Abschnitt 2.3.2.
208
Wertorientierte Steuerung des Zinsänderungsrisikos
Wie sollen diese Zinsschwankungen interpretiert werden?
– Als Margenschwankung? Eine willkürliche und ungeeignete Festlegung!
– Als Bestandteil des Anpassungszusammenhangs? Dann müßten diese Zinsänderungen bei der Berechnung der Elastizität berücksichtigt werden, was aber nicht
geschieht!
Alle Vorschläge, als Referenzzins auch »längere« Zinsen als das Tagesgeld oder Monatsgeld zuzulassen, sind nicht disponierbar!
Der aktuell am Markt herrschende Zins für eine Frist größer ein Monat kann nicht
monatlich neu angepaßt werden, sondern erst am Ende der Zinsbindungsfrist.
Zum Beispiel dürfte ein variables Produkt, bei dem als Referenzzins der Jahreszins
gewählt wird, nicht öfter als jährlich angepaßt werden.
Wird der Festzinsanteil gleitend gewählt, so ist folgendes zu beachten: Notwendig,
um die Marge korrekt zwischen Marktbereich und Treasury aufzuspalten, ist auch
die Bewertung des »Festzinsanteils« mit gleitenden Zinsen.1 Soll der Festzinsanteil
mit gleitenden 5-Jahreszinsen disponiert werden, so hätte eine Bewertung dieses
Anteils mit aktuellen Zinsen in den 60 Fristen 1 Monat bis 5 Jahre – analog zur
Berechnung von Ausgleichszahlungen bei Volumenschwankungen – bei gleichzeitiger revolvierender 5-Jahresanlage des Treasury eine falsche Ergebniszuordnung
zur Folge. Ohne korrekte Ergebniszuordnung ist aber ein konsistentes Controllingsystem nicht realisierbar.
Volumenschwankungen können im System nicht abgebildet werden. Hierzu müßte ein Teil der Festzinsposition zum historischen Zins verkauft oder neu zugekauft
werden. Wird nur die variable Seite angepaßt, verändert sich die Elastizität.
(Das analoge Problem tritt auch bei den gleitenden Durchschnitten auf. Hier ist
aber das Problem theoretisch explizit gelöst und kann praktisch bei der Festlegung
des gleitenden Durchschnitts berücksichtigt werden.)
Eine Berücksichtigung der individuellen Haltedauer eines variablen Produkts
hilft bei der Disposition nicht weiter. Entscheidend sind das kollektive Verhalten
und die Geschwindigkeit der Zinsanpassung. Zum Beispiel kann trotz hoher
individueller Umschlagshäufigkeit der Gesamtbestand der Sichteinlagen weitgehend langfristig angelegt werden.
Durch den Einsatz der gleitenden Durchschnitte können die obigen Probleme
und Fehler gelöst werden:
Gleitende Durchschnitte lassen sich direkt in Zahlungsströme umwandeln.
Gleitende Durchschnitte definieren unmittelbar eine Dispositionsvorschrift,
die praktisch umsetzbar ist.
1 D. h. letztlich die Anwendung der Methode der gleitenden Durchschnitte.
Warum muß primär nach dem Performancekonzept gesteuert werden?
209
Die jeweiligen Fristen für die Gegengeschäfte sind über die Mischungsverhältnisse exakt definiert.
Da die fällig werdenden Abschnitte jeweils wieder in derselben Frist angelegt
werden, bleibt die Restlaufzeit stets gleich und von gleicher Struktur.
Es wird nicht nur eine konstante Zinsspanne bzw. Marge erreicht, sondern
auch eine symmetrische Kursschwankung, da die Restlaufzeiten stets unverändert bleiben.
4.4.4
Generelle Probleme bei der Planung des Zinsüberschusses
im Elastizitätskonzept
Die bisherigen Ergebnisse zur Brauchbarkeit des Elastizitätskonzepts zeigen zusammenfassend:
Das Elastizitätskonzept ist nur zur Planung des Zinsüberschusses geeignet, nicht
aber zu Disposition und Risikosteuerung.
Das Elastizitätskonzept ist dem Konzept der gleitenden Durchschnitte in der Prognosequalität unterlegen.
Andererseits wurde festgestellt, daß eine Planung des Zinsüberschusses für das aktuelle Jahr und gegebenenfalls das Folgejahr notwendig ist. Hierzu gibt es in der Sparkassenorganisation eingeführte Planungsmodelle. Die Elastizitäten dienen in diesen
Planungsmodellen zur Planung der Produktzinsen in Abhängigkeit von den zu prognostizierenden Interbankenzinsen.
In einem ersten Ansatz läge es nahe, bei den bestehenden Modellen zur Planung des
Zinsüberschusses den Teil, in dem die Elastizitäten als funktionaler Zusammenhang
zwischen Interbankenzins und Produktzins wirken, durch die Zinsprognose auf Basis
der gleitenden Durchschnitte zu ersetzen. Dies hätte eine höhere Prognosequalität
und damit eine bessere Treffsicherheit der Modelle zur Folge. Der Änderungsaufwand
wäre relativ gering.
Andererseits wurde in Abschnitt 3.4.2 ein Modell zur Planung des Zinsüberschusses vorgestellt, das von der bisherigen Vorgehensweise sehr stark abweicht. Der primäre Punkt ist hierbei die Behandlung des Neugeschäfts.
Im Systemvorschlag laut Abschnitt 3.4.2 wird für das Neugeschäft nicht der konkrete Produktzins, sondern nur die Marge geplant. Dies ist wegen der Ergebniszerlegung in den Zinsüberschuß aus Ist-Geschäft, Zinsüberschuß aus dispositivem
Zwangsgeschäft und Margen aus Neugeschäft möglich. Zusätzlich wird die Prämisse
gesetzt, daß das Neugeschäft strukturkongruent refinanziert wird.
Die bisherigen Systeme lassen für das Neugeschäft ausdrücklich eine erneute Fristentransformation zu. Entsprechend kann nur zwischen Zinsüberschuß aus IstGeschäft und Zinsüberschuß aus Neugeschäft unterschieden werden. Der »Bilanz-
210
Wertorientierte Steuerung des Zinsänderungsrisikos
abgleich« tritt an die Stelle des dispositiven Zwangsgeschäfts, umfaßt nun aber auch
die Inkongruenzen, die im Neugeschäft zusätzlich entstehen.
In Abschnitt 3.4.2 wurde ausführlich begründet, daß bei der Planung des Neugeschäfts aus betriebswirtschaftlichen und praktischen Gründen keine weitere Fristentransformation zugelassen werden sollte. Die Argumentation hierzu muß im
einzelnen nicht wiederholt werden.
Darüber hinaus zeigt der theoretische, konzeptionelle Vergleich von Elastizitätskonzept und Modell gleitender Durchschnitte, daß letzteres bei unveränderten Rahmenbedingungen korrekterweise insgesamt konstante Margen zur Folge haben, die
Elastizitäten jedoch willkürliche Margenveränderungen bewirken (vgl. Abschnitt
4.4.3).
Hieraus folgt, daß die bisherigen Systeme der Sparkassenorganisation zur Planung des Zinsüberschusses grundlegend reformiert werden müssen. Die in 3.4.2
dargestellte Vorgehensweise auf Basis der gleitenden Durchschnitte bildet hierzu
den Ausgangspunkt.
5
Warum muß die Gesamtbank als Portfolio betrachtet werden?
Der Fokus der bisherigen Betrachtungen lag auf dem Zinsgeschäft der Bank. Dabei
wurde die summarische Reaktion des Zinsgeschäfts auf Zinsänderungen mit Hilfe des
Summenzahlungsstroms untersucht. In diesem Kapitel werden verschiedene Erweiterungen der bisherigen Vorgehensweise vorgestellt, die letztlich dazu dienen, das Gesamtinstitut als Portfolio zu managen:1
Unterschiedliche Märkte
Die Bildung des Summenzahlungsstroms als Hilfsmittel zur Analyse ist nur zulässig, wenn Produkte mit gleichem Zahlungsstrom im Rahmen der gewünschten
Genauigkeit am Markt gleiche Preise erzielen. Andernfalls muß der Summenzahlungsstrom in Unterkategorien aufgelöst werden.
Optionen
Mit Hilfe von Optionen auf Zinsgeschäfte können spezifische Risikoprofile erzeugt
werden. Das »optionsfreie« Zinsgeschäft und Optionen auf Zinsgeschäfte müssen
im Zusammenspiel betrachtet werden.
Weitere Vermögenspositionen
Die Bank hat ihr Vermögen nicht nur im Zinsgeschäft gebunden. Immobilien und
Beteiligungen spielen bei Sparkassen eine erhebliche Rolle; Aktien gewinnen zunehmend an Bedeutung. Ferner sind unterschiedliche Währungen zu beachten. Im
1 Vgl. auch Benke, H., Piaskowski, F., Sievi, C.: Neues vom Barwertkonzept, in: Die Bank, 2/1995.
Warum muß die Gesamtbank als Portfolio betrachtet werden?
211
Performancekonzept muß die Entwicklung dieser und weiterer Vermögenspositionen ebenso betrachtet werden wie die Entwicklung des Vermögens im Zinsgeschäft.
Der Gesichtspunkt der Risikostreuung spielt hierbei eine besondere Rolle. Die Bank
muß als Portfolio betrachtet werden.
Benchmarking, RORAC, RAROC, Risikolimitierung
Die Steuerung eines Portfolios benötigt Vergleichsmaßstäbe, an denen der erzielte
Erfolg relativ gemessen wird. Die Allokation des Vermögens sollte in Relation zur
versprochenen Performance und zum eingegangenen Risiko bzw. Risikokapital erfolgen. Eine Risikolimitierung ist notwendig.
5.1
Unterschiedliche Märkte, Barwert versus Marktpreis
(»Auflösung des Summen-Cash-flow«)
In Abschnitt 1.1 wurde festgestellt, daß Zinsgeschäfte trotz unterschiedlicher nominaler Kenngrößen in vielen Fällen identische Zahlungsströme besitzen. Aus Sicht der
Bank bedeutet dies zu gleichen Zeitpunkten gleiche Geldzuflüsse bzw. Geldabflüsse
und damit den gleichen Erfolgsbeitrag. Hieraus wurde abgeleitet, daß Geschäfte mit
gleichem Zahlungsstrom in der Ergebnisrechnung gleich abgebildet werden müssen.
Da ferner Zahlungen zum gleichen Zeitpunkt saldiert werden können, ist die Bildung
des Summenzahlungsstroms möglich.1 Der Summenzahlungsstrom spiegelt trotz unterschiedlichster in ihm enthaltener Nominalkonditionen das Gesamtgeschäft der
Bank korrekt wider.
Die Betrachtung setzt aber voraus, daß identische Zahlungsströme auch tatsächlich
am Markt identisch bewertet werden. Ein Blick in die Praxis zeigt, daß hiervon nicht
grundsätzlich ausgegangen werden kann. Trotz gleicher Zahlungsströme besitzen folgende Produkte in der Regel am Interbankenmarkt unterschiedliche (Markt-)Preise
(Kurse) bzw. Renditen:
Swapmarkt – Pfandbriefmarkt
Bundeswertpapiere – Pfandbriefe
Bankschuldverschreibungen – Pfandbriefe
Geldmarkt – Markt kurzlaufender Wertpapiere
Pfandbriefe unterschiedlicher Emittenten
Pfandbriefe unterschiedlichen Emissionsvolumens
Darüber hinaus können häufig sogar innerhalb eines Teilmarktes durch wechselseitige strukturkongruente Refinanzierung Margen erzielt werden. Zum Beispiel muß
für den Kauf eines Bundeswertpapiers mit hohem Nominalzins in der Regel ein gerin-
1 Stillschweigend werden hierbei gleiche Währungen vorausgesetzt. Es versteht sich von selbst, daß die
Analyse für jede Währung getrennt vorgenommen werden muß.
212
Wertorientierte Steuerung des Zinsänderungsrisikos
gerer Marktpreis gezahlt werden als für den Kauf einer entsprechenden Mischung von
Bundeswertpapieren mit niedrigeren Nominalzinsen.
Als maßgeblich für die Renditeunterschiede können folgende Punkte gelten:
Bonitätsüberlegungen bzw. Ausfallrisiken: Ein anderes Rating bzw. geringfügig
höheres Ausfallrisiko spiegelt sich in der Rendite wider.
Unterschiedliche Liquidität und damit unterschiedliche Geld/Brief-Differenz: Je
höher tendenziell die Liquidität ist (z. B. Swapmarkt vor Pfandbriefmarkt, Bundespapier vor Pfandbrief, Jumbo-Pfandbrief vor »normaler« Emission), desto niedriger ist die gehandelte Rendite.
Unterschiedliche bilanzielle Darstellung und Auswirkung: Tendenziell werden »bilanzneutrale« Geschäfte bevorzugt.
Unterschiedliche steuerliche Behandlung: Auf diese Weise läßt sich z. B. die strukturkongruente Marge zwischen Bundeswertpapieren mit unterschiedlichem Nominalzins erklären.
Unterschiedliche Angebots- und Nachfragesituationen: Zum Beispiel erfolgt Auslandsnachfrage primär nach Bundestiteln bzw. nach »Bekanntheitsgrad«. So lassen
sich insbesondere auch Schwankungen im Renditeabstand zwischen den verschiedenen Märkten erklären.
Die Erzeugung des Cash-flow muß in der Praxis ohnehin je Einzelgeschäft erfolgen.1
Es erfordert also bei geeigneter Datenorganisation keinen Zusatzaufwand, die Cashflow zunächst nach geeigneten Untergruppen (z. B. Märkten) zu summieren und erst
danach die Gesamtsumme zu bilden. Das vorliegende Konzept ist hiervon unabhängig.
Auf welcher Auflösungsebene die Bewertung und Risikoanalyse des Zinsgeschäfts
erfolgt, hängt von der Zwecksetzung der jeweiligen Untersuchung ab:
Sollen gezielt einzelne Teilbereiche der Bank untersucht werden, ist die Auflösung
des Summenzahlungsstroms hierzu Voraussetzung. Eine Einzelanalyse ist primär
bei dezentraler Risikosteuerung der Bank angebracht (vgl. auch Abschnitt 6.1).
Eine exakte Vermögensermittlung erfordert die Auflösung des Summen-Cashflow in Teilmärkte, da jeder Teilmarkt mit der jeweils individuellen Zinsstrukturkurve bewertet werden muß.2 Wie viele Teilmärkte gebildet werden, hängt vom Genauigkeitsanspruch ab. Im Extremfall muß jedes Geschäft einzeln bewertet werden.
Häufig wird zwischen verschiedenen Märkten getauscht, oder es werden Kombinationen aus Produkten verschiedener Märkte gebildet. So kann z. B. geprüft werden,
ob bei geringen Zinsunterschieden zwischen Bundespapieren und Pfandbriefen
1 Lediglich bei variablen Geschäften ist aufgrund der Bodensatzüberlegungen eine summarische Ermittlung des Cash-flow für Produkte mit gleichem Mischungsverhältnis gleitender Durchschnittszinsen
möglich und angebracht.
2 Dies gilt insbesondere auch für unterschiedliche Währungen.
Warum muß die Gesamtbank als Portfolio betrachtet werden?
213
primär Bundespapiere, andernfalls Pfandbriefe gekauft werden sollen. Ein Beispiel
für eine Kombination bildet der Kauf eines Floaters in Kombination mit einem
Swap (Bank erhält Festzins) als synthetischer Ersatz eines Pfandbriefs.
Derartige Geschäfte können nur beurteilt werden, wenn die entsprechenden Zahlungsströme getrennt ermittelt werden und mit den jeweils zugehörigen Zinsstrukturen bewertet werden. Bei der Performanceberechnung muß eine mögliche unterschiedliche Entwicklung der Zinsstrukturen (Verringerung oder Erhöhung des
Renditeabstands) berücksichtigt werden.
Steht die Risikoanalyse für die Gesamtbank im Vordergrund, kommt es nicht auf
die exakte Ermittlung des Vermögens, sondern auf die Veränderung des Vermögens
an. Hierbei kann in erster Näherung davon ausgegangen werden, daß sich die
Renditen in den Teilmärkten parallel bewegen. Für eine reine Risiko- und Performanceanalyse der Gesamtbank genügt also in der Regel der Summenzahlungsstrom
der Gesamtbank. Dieser Summenzahlungsstrom kann mit einer einheitlichen Renditestruktur bewertet werden.1 Die Analyse wird dadurch vereinfacht und übersichtlich. In diesem Sinn wurde bisher nur der Summenzahlungsstrom der Bank
untersucht.
Für Detailanalysen zur Beurteilung einzelner Teilbereiche oder Teilmärkte – insbesondere zur Beurteilung von Tausch- und Kombinationsgeschäften zwischen
verschiedenen Märkten – sind eine Auflösung des Summenzahlungsstroms und
das Arbeiten mit verschiedenen Zinsstrukturen unumgänglich. Für eine Analyse
der Gesamtbank unter Risiko- und Performancegesichtspunkten genügt jedoch
in der Regel bei Sparkassen der Summenzahlungsstrom der Gesamtbank.
5.2
Zinsoptionen im Zusammenspiel mit dem Zinsgeschäft
Der Einsatz von Zinsoptionen kann in Fortführung des Beispiels aus Kapitel 3 demonstriert werden.
In Abschnitt 3.3 wurde die Maßnahme DsgvM3 (Anlage von 50 Mio. mit Frist 8
Jahre) getestet. Dabei zeigte sich, daß diese Maßnahme bei der vorliegenden Zinsprognose »Prognose« (leicht steigende Zinsen) mit dem Planungshorizont 3 Monate die
günstigsten Ergebnisse liefert. Das vorgegebene Limit in Höhe von 7 Mio. (maximaler
Verlust) verbietet aber die Maßnahme DsgvM3: Beim Szenario Dsgv + + + beträgt der
1 Eine weiterführende Untersuchung müßte berücksichtigen, wie vollständig eine Renditeänderung eines
bestimmten Teilmarktes (z. B. Pfandbrief) durch die unterstellte Renditeänderung der »einheitlichen«
Renditekurve erklärt wird (Korrelation). Die Komplexität steigt durch die dann notwendigen Varianz-/
Kovarianz-Betrachtungen oder vergleichbare Modelle erheblich. Für Sparkassen erscheint zunächst die
Annahme einer perfekten positiven Korrelation (= 1) als hinreichend genau. In der Regel wird als »einheitliche« Renditestruktur der Swapmarkt verwendet, da der Swapmarkt der liquideste Teilmarkt ist.
214
Wertorientierte Steuerung des Zinsänderungsrisikos
Verlust 11,59 Mio. Als Konsequenz hieraus muß die Bank die Maßnahme DsgvM1
oder DsgvM2 durchführen, obwohl hier unter der gegebenen Zinserwartung schlechtere Ergebnisse erzielt werden.
Noch extremer wäre die Situation, wenn die Bank an sinkende Zinsen glaubt. Hier
würde die Maßnahme DsgvM3 noch günstigere Ergebnisse als im diskutierten Fall liefern (erkennbar z. B. am Szenario Dsgv – – –). Dennoch könnte diese Maßnahme bei
einem Risikolimit von 7 Mio. nicht durchgeführt werden.
Der Einsatz einer Zinsoption oder eines Bündels von Optionen könnte hier zu
einer Lösung des Konflikts beitragen:
Durch den zusätzlichen Kauf von Puts auf Wertpapiere mit Ausübungstermin Termin 3 Monate kann sich die Bank gegen Kursverluste im Fall steigender Zinsen absichern. Die Ausübungspreise und die Volumina der Puts müssen dabei so festgelegt
werden, daß das vorgegebene Limit eingehalten wird.1 Damit kann die Maßnahme
DsgvM3, ergänzt um die Optionen, prinzipiell durchgeführt werden. Es muß natürlich geprüft werden, ob sich die Maßnahme angesichts ihrer Kosten (Kaufpreis der
Puts in Relation zu ihren Verkaufspreisen) im Fall der erwarteten Zinsprognose »Prognose« noch rechnet. Sind die Kosten höher als ca. 0,5 Mio., so wäre Maßnahme
DsgvM1 durchzuführen, da der Vorteil von DsgvM3 gegenüber DsgvM1 ca. 0,5 Mio.
beträgt und DsgvM1 auch ohne zusätzliche Optionen das Limit von 7 Mio. einhält.
Bei den obigen Berechnungen ist eine weitere Besonderheit bei der Anwendung von
Zinsoptionen zu beachten:
Der Wert einer Option hängt nicht nur von der Höhe der jeweiligen Zinsen ab, sondern auch von der Volatilität der Zinsen. Nur am Verfallsdatum (im Beispiel 3 Monate nach Abschluß) spielt die Volatilität keine Rolle mehr; hier ist allein der über den aktuellen Zins für die Restlaufzeit des Papiers determinierte Kurs des Basisgeschäfts
maßgeblich. Während der Laufzeit der Option (insbesondere auch am Planungshorizont 1 Monat) nimmt im Beispiel der Wert der Option mit höherer Volatilität zu, mit
niedrigerer Volatilität ab.
Damit die Performance der Bank per Planungshorizont 1 Monat im Fall der Durchführung der Maßnahme DsgvM3 mit ergänzenden Optionen bestimmt werden kann,
muß für den Planungshorizont also nicht nur die Zinsstruktur geschätzt werden, sondern auch die Volatilität. Analoges gilt für die Risikoszenarien, die zur Limitierung
benötigt werden. Wird hier einmal von maximal, einmal von minimal historisch beobachteter Volatilität ausgegangen, so verdoppelt sich die Anzahl der Risikoszenarien.
Dieser erhöhte Planungsaufwand befreit aber nicht von der Notwendigkeit, bei Vorliegen
von Optionen die Veränderung der Volatilität mit in die Szenarioanalyse aufzunehmen.
1 Es sei ausdrücklich darauf hingewiesen, daß der oder die Puts nicht unbedingt auf eine Laufzeit des Basisgeschäfts von 8 Jahren (entsprechend der Maßnahme DsgvM3) geschrieben werden müssen. Auch andere Laufzeiten – insbesondere die Verteilung der Optionen über mehrere Laufzeiten – kommen hierfür
in Betracht.
Warum muß die Gesamtbank als Portfolio betrachtet werden?
215
Allgemeine Ergebnisse
Das Beispiel zeigt zunächst, daß Zinsoptionen immer im Zusammenhang mit dem
gesamten Zinsbuch gesehen werden müssen.1 Weder eine isolierte Betrachtung der
Optionen noch eine Betrachtung der Optionen gemeinsam mit ihren jeweiligen
Basisgeschäften (z. B. Bewertungseinheiten) ist erfolgversprechend. So besitzen z. B.
der oder die Puts des obigen Beispiels eindeutig den Charakter eines Hedge-Geschäfts
im Rahmen des Gesamtbuchs. Das Volumen der Puts und die Ausübungspreise müssen so festgelegt werden, daß das Limit auf die Geschäfte der Gesamtbank – nicht ein
Limit auf die Maßnahme DsgvM3 – eingehalten wird.
Zur Ermittlung der Performance, die aus den Optionsgeschäften erzielt wird, muß
der Wert jeder Einzeloption am Planungshorizont (bzw. den Planungshorizonten) ermittelt werden. Die hierzu verwendeten Zinsprognosen bzw. Zinsszenarien entsprechen denen, die auch bei der Berechnung der Performance des reinen Zinsgeschäfts
angewandt werden. Zusätzlich sind aber eine Prognose sowie eine Maximal- und
Minimalabschätzung der Volatilität notwendig.2
Die so berechneten Performancewerte in DM für die Optionen können mit den
Performancewerten in DM für das reine Zinsgeschäft, die aus jeweils identischen
Zinsszenarien resultieren, saldiert werden. Dieser Gesamtsaldo liefert die geforderte
Gesamtsicht des Zinsgeschäfts und der Optionen auf das Zinsgeschäft.
Es muß allerdings darauf hingewiesen werden, daß diese Aussagen nur auf Simulationsmethoden zutreffen. Bei der statistischen Modellbildung mit Varianz-/Kovarianz-Modellen (JP Morgan, vgl. auch Abschnitt 3.2.2) werden Optionen nur unzureichend berücksichtigt. Es würde den Rahmen der vorgelegten Untersuchung
sprengen, auf diesbezügliche Lösungsansätze weiter einzugehen.3
5.3
Sonstige Vermögensbestandteile – die Bank als Portfolio
In Kapitel 3, Abschnitt 3.3 wurde für die Beispielsparkasse die Vermögensstruktur ermittelt. Die Übersicht in Tab. 5.1 zeigt wiederholend die Ergebnisse, wobei ergänzend
prozentuale Anteile berechnet wurden.
Aus der Übersicht konnten bereits Ergebnisse zum fairen Verkaufspreis sowie zum
Mindestanspruch an das Ergebnis abgeleitet werden (Abschnitt 3.1.4). Diese Überlegungen werden nun vertieft. Insbesondere wird hierbei auch die Verteilung des Gesamtvermögens der Sparkasse auf die verschiedenen Vermögenskategorien diskutiert.
1 Diese Aussage muß im Rahmen der Ausführungen zur dezentralen Steuerung (Abschnitt 6.1) relativiert
werden, bleibt aber in ihrem Kern erhalten.
2 Für weitere Hinweise zur Behandlung optionaler Geschäfte vgl. auch: »Fachkonzept zur Einführung des
Geschäftsfelds Derivate in Sparkassen«, DSGV-Sammelschreiben vom 22. 7.1997.
3 Vgl. auch Abbildung »typische VaR-Modelle« in Abschnitt 5.5.
216
Wertorientierte Steuerung des Zinsänderungsrisikos
Tabelle 5.1
Vermögensposition
Wert in Mio. DM
Istwert
Anteil %
Zinsabhängiges Geschäft
Aktien
Beteiligungen
Sonstiges (Inventar)
Immobilien
400,75
21,00
85,00
9,00
150,00
60,20
3,15
12,77
1,35
22,53
Gesamtvermögen
665,75
100,00
Würde eine Privatperson, die ein Vermögen von 665,75 Mio. gemäß obiger Struktur
angelegt hat, den Rat einer Sparkasse einholen, würde sie vermutlich folgende Hinweise bzw. Empfehlungen erhalten:
Der Anteil des Vermögens, das im Zinsgeschäft gebunden ist (Mix verschiedener
Laufzeiten), ist deutlich zu hoch.
Das zinsabhängige Geschäft sollte sich nicht auf DM beschränken, sondern internationale Titel mit weiter Streuung auch über verschiedene Währungen beinhalten.
Der Aktienanteil ist deutlich zu klein. Auch hier sollte international diversifiziert
werden.
Der Anteil an Immobilien könnte ausgebaut werden. Insbesondere könnten Immobilien, die nicht betriebsnotwendig sind, ins Portfolio aufgenommen werden. Auch
wäre an eine Streuung des Immobilienbesitzes auf verschiedene Standorte zu denken.
Die Vermögensstruktur der Beispielsparkasse widerspricht demnach Empfehlungen,
die allgemein für eine langfristige Vermögensanlage gelten.1
Hiergegen könnte eingewandt werden, daß eine Sparkasse mit Kunden primär
Zinsgeschäft betreibt und dadurch naturgemäß einen Großteil des Vermögens in
Zinstiteln gebunden hat. Ebenso sei der Anteil der Immobilien in hohem Ausmaß
durch die Anzahl der Betriebsstätten determiniert. Schließlich seien die Beteiligungen
häufig durch Organisationsstrukturen oder politische Überlegungen festgelegt, und
die Führung eines hohen Bestandes an Aktien und internationalen Anlagen gehöre
nicht zu den angestammten Geschäftsbereichen von Sparkassen.
Diese Gegenargumente können in hohem Maße entkräftet werden:
Die Abwicklung des Kundengeschäfts setzt nicht voraus, daß im Zinsgeschäft wesentliche Vermögensbestandteile gebunden sind. Werden alle Geschäfte struktur1 Zu allgemeinen Ergebnissen für Banken und Sparkassen vgl. Bode, M., Jancar, S., Sievi, C.: Multinationale Diversifikation: Viel zitiert, kaum befolgt, in: Die Bank, 4/94, S. 202 ff.
Warum muß die Gesamtbank als Portfolio betrachtet werden?
217
kongruent refinanziert und der entstehende Margenbarwert außerhalb des Zinsgeschäfts anderweitig angelegt, so ist trotz hohen Kundenvolumens kein Vermögen
im Zinsgeschäft gebunden. Im Extremfall könnte eine Bank im Zinsgeschäft sogar
ein negatives Vermögen ausweisen. Dies wäre dann der Fall, wenn das Kundengeschäft strukturkongruent glattgestellt würde und aus zusätzlicher Geldaufnahme
Immobilien und Aktien in einem Ausmaß gekauft würden, das das vorhandene
Vermögen übersteigt.
Ebenso ist es nicht notwendig, daß Betriebsstätten (Verwaltung, Filialen) im Besitz
der Sparkasse sind. Langfristig gemietete Immobilien erfüllen den beabsichtigten
Zweck ebenso. Umgekehrt muß der Immobilienbestand der Bank nicht unbedingt
betrieblichen Zwecken dienen. Gewerblich oder privat vermietete Immobilien können ebenso zum Bestand gehören.
Sicherlich ist ein bestimmter Beteiligungsbestand verbandspolitisch festgelegt.
Dennoch bleibt auch hier ein Spielraum, der genutzt werden kann.
Der kontinuierliche Ausbau eines Aktienbestandes eröffnet der Sparkasse nicht nur
erhebliche Performancechancen, sondern auch erhebliche Möglichkeiten zu Ergebnisgestaltung und Ergebnisglättung. Voraussetzung hierfür ist, daß ein hoher Anteil
des Aktienportfolios als langfristig strategische Anlage betrachtet wird, der wenig
Handelsaktivität ausgesetzt ist. Dadurch kommt es dauerhaft betrachtet zwangsläufig zum Aufbau stiller Reserven, die entsprechend bei der Gestaltung des Ergebnisses verwendet werden können.
Natürlich müssen gerade in der Ausbauphase des Aktienportfolios (stille Reserven
sind noch nicht ausreichend vorhanden) die Risiken beachtet werden. Der Ausbau
muß so erfolgen, daß ein Aktiencrash bilanzpolitisch problemlos verkraftet werden
kann.
Hinsichtlich der Struktur des Aktienportfolios wird die Orientierung an nationalen
und internationalen Marktindizes bei entsprechend breiter Streuung empfohlen.
Die Verteilung des Gesamtvermögens auf die einzelnen Vermögenskategorien ist also
nicht durch das Kundengeschäft oder durch betriebliche Erfordernisse bestimmt, sondern ein Entscheidungsparameter.
Gerade das Beispiel Immobilien zeigt, daß alle Vermögensbestandteile unter Rentabilitätsgesichtspunkten betrachtet werden müssen. Nicht nur die vermieteten Immobilien, sondern auch die eigengenutzten Immobilien müssen eine entsprechende Performance erwirtschaften und hinsichtlich der Performance in Wettbewerb zueinander
treten. Sonst ist die Frage, in welchen Immobilien das Sparkassengeschäft betrieben
wird (eigengenutzt, fremdgenutzt etc.) nicht entscheidbar.
Die Berechnung der Performance für Immobilien vollzieht sich analog zur Performanceberechnung im Zinsgeschäft. Der Wert der Immobilie muß regelmäßig (in der
Regel jährlich) geschätzt werden. Zur Wertveränderung kommt die erzielte Miete hinzu. Bei betrieblicher Nutzung tritt die Marktmiete, die bei Anmietung eines entsprechenden Objekts zu zahlen wäre (also die ersparte Miete), an die Stelle der erzielten
218
Wertorientierte Steuerung des Zinsänderungsrisikos
Miete. Entsprechende innerbetriebliche Leistungen sollten verrechnet werden. Der
Immobilienbestand der Bank wird somit »gemanagt«.
Sollen die Risiken aus unterschiedlichen Vermögenspositionen nicht nur additiv
verknüpft werden, müssen wiederum Korrelationen zwischen den Risikoklassen
Berücksichtigung finden.1
Die Bank kann und muß als Portfolio verstanden werden. Nicht nur die Performance des Zinsgeschäfts trägt zum Erfolg der Bank bei, sondern auch die Performance, die in anderen Vermögensbestandteilen erzielt wird. Hierbei ist insbesondere der Gedanke der Risikominderung durch Diversifizierung zu beachten.
5.4
Benchmarks2
Wann immer ein Ergebnis aus einer Geschäftstätigkeit ermittelt wird, so gewinnt dieses nur dann Aussagekraft, wenn es mit Ergebnissen verglichen wird, die in anderen
Tätigkeiten erzielbar gewesen wären. Zum Beispiel ist ein Vermögenszuwachs mit
Geldanlage in speziell ausgewählten Aktien von 15 % dann als schlecht anzusehen,
wenn der Gesamtmarkt der Aktien um 25 % im Wert gestiegen ist. Eine zufällige Auswahl von Aktien mit breiter Mischung hätte dann mehr erbracht als die spezielle Auswahl. Umgekehrt sind 2 % Vermögensmehrung in speziell selektierten Aktien dann
hervorragend, wenn im betrachteten Zeitraum zufällig gestreute Investitionen in anderen Aktien Verluste beschert hätten. Zur Beurteilung des Erfolges einer bestimmten
Strategie müssen also stets eine oder mehrere Vergleichsgrößen (Benchmarks) herangezogen werden.
Für eine Bank bestehen hier ebenso wie für den privaten Anleger zwei Problembereiche:
Zunächst muß darüber entschieden werden, welche generelle Vermögensstruktur
angestrebt werden soll, d. h. in welchen Anteilen das Gesamtvermögen auf zinstragende Titel, Aktien, Beteiligungen, Immobilien und sonstige Vermögensbestandteile verteilt werden soll. Dieses Problem wurde bereits im vorausgehenden
Abschnitt 5.3 angesprochen.
Anschließend muß festgelegt werden, welche generelle Anlagepolitik bzw. Strategie
innerhalb der jeweiligen Vermögenskategorie verfolgt werden soll.
1 Auch wenn die grundsätzlichen Methoden hierfür bekannt sind, liegt in diesem Bereich noch erheblicher
Weiterentwicklungsbedarf. Näheres würde weit über den Rahmen der »Machbarkeitsstudie« gehen. Seitens des Beraters wird empfohlen, sich den Risikomanagementfragen über Risikokategorien hinweg verstärkt zuzuwenden, da hier erhebliche Chancen bei begrenztem Risiko liegen.
2 Die Ausführungen erfolgen in enger Anlehnung an Sievi, C.: Kalkulation und Disposition, Bretten 1995.
Warum muß die Gesamtbank als Portfolio betrachtet werden?
219
Beide Problembereiche lassen sich nicht vollständig trennen, da ein höheres Risiko in
der generellen Vermögensstruktur zu einem niedrigeren tolerierbaren Risiko in den
Einzelkategorien führt und umgekehrt.1
Im Fortgang konzentriert sich die Problemstellung auf die Frage, welche Vergleichsmaßstäbe und Strategien für die Anlage des Vermögens im Zinsgeschäft denkbar und angebracht sind.
5.4.1
Anforderungen an Benchmarks
Vergleichsmaßstäbe (Benchmarks) können nicht willkürlich festgelegt werden, sondern müssen gewissen Anforderungen genügen. Diese Anforderungen sollen im Fortgang besprochen werden.
Praktische Nachvollziehbarkeit, Kontrollierbarkeit, exakte Definition
An einen Vergleichsmaßstab wird zunächst die Anforderung gestellt, daß er praktisch
nachvollziehbar (durchführbar) und kontrollierbar ist. Gleichwertig hiermit ist, daß
eine definierte Vorschrift vorliegt, entsprechend der das Vermögen anzulegen ist. Diese Vorschrift muß auch real umsetzbar sein.
Hierzu einige Beispiele für entsprechende Benchmarks:
1 Benchmark könnte z. B. sein, das Vermögen revolvierend im Tagesgeld anzulegen.
2 Ebenso eignet sich die revolvierende Anlage im Monatsgeld, Vierteljahresgeld etc.
3 Bei einem längeren Betrachtungszeitraum kommt auch die revolvierende Anlage
im Jahresgeld etc. in Frage.
4 Das Vermögen kann auch in noch längeren Fristen angelegt werden, z. B. in zehnjährigen Titeln. Da die Kontrolle der Benchmarks aber im Normalfall in kürzerer
Frist erfolgt (z. B. monatlich bis jährlich), ist es in diesem Fall notwendig, nach diesen Fristen den Anlageerfolg zu ermitteln.
Wird eine einmal gewählte Anlage des Vermögens z. B. in einem zehnjährigen Wertpapier auf Dauer beibehalten, so wird mit fortschreitender Zeit die Restlaufzeit der
Anlage immer kürzer. Bei der Bewertung wird also von Stichtag zu Stichtag mit der
Anlage in fortschreitend kürzeren Titeln verglichen. Die Benchmark ist im Zeitablauf nicht konstant. Dennoch ist sie exakt definiert, nachvollziehbar und kontrollierbar.
Auf das Problem der mangelnden Konstanz wird noch später eingegangen, hierbei
wird die Benchmark 4 entsprechend modifiziert.
5 Indizes, die aus realen Papieren gebildet werden, sind als Benchmark ebenso geeignet. Die Definition des Index ist hierbei mit dem eigenen Maßstab identisch.
1 Vgl. auch Abschnitt 6.1.
220
Wertorientierte Steuerung des Zinsänderungsrisikos
6 Die Forderung der Nachvollziehbarkeit stößt bei Indizes, die nicht aus realen Papieren gebildet werden, an Grenzen. Zum Beispiel ist der REX (Deutscher Rentenindex) ein Konstrukt aus fiktiven Rentenpapieren, die in der Realität nicht unbedingt verfügbar sind. Diese Indizes sind aber in der Regel so konstruiert, daß eine
Nachbildung des Index in der Praxis mit hoher Genauigkeit gelingt (sog. »Spiegelportfolios«)1. Somit erfüllen derartige Indizes ebenfalls die bisher gestellten Anforderungen.
7 Bei allen bisher genannten Benchmarks kann es erlaubt sein, zusätzliche Schulden
in einer der genannten Strukturen aufzunehmen. Das hierdurch gewonnene Kapital wird gemeinsam mit dem eigenen Vermögen in einer anderen Struktur angelegt.
Zum Beispiel könnte als Benchmark festgelegt sein, nicht nur das eigene Vermögen
revolvierend im Monatsgeld anzulegen, sondern zusätzlich Schulden in Höhe des
doppelten Volumens des Vermögens im Tagesgeld aufzunehmen und diese Mittel
ebenfalls im Monatsgeld anzulegen.
8 Ebenso ist es erlaubt, aus den bisher erläuterten Benchmarks 1 bis 7 beliebige Mischungen zu bilden, also das Vermögen in bestimmten Verhältnissen auf einzelne
Benchmarks aufzuteilen.
Nicht praktisch umsetzbar bzw. nicht exakt definiert sind hingegen folgende »Maßstäbe«, sie sind daher als Benchmark ungeeignet:
Die Anforderung, es müßten jährlich genau 8 % Verzinsung auf das Vermögen erzielt werden, ist nicht umsetzbar, weil es zu dieser Vorgabe keine Anlage gibt, die exakt dem Maßstab entspricht.
Ähnlich ist der Wunsch, das bilanzielle Eigenkapital müsse sich mit mindestens
15 % verzinsen, zu bewerten.
Ebenso ist es unzulässig, die Benchmark nachträglich zu adjustieren: Der Treasurer
darf nicht an der Anlage in Jahrestiteln gemessen werden, wenn diese sich im nachhinein als günstiger als die Anlage im Monatsgeld herausgestellt haben, aber zuvor
die Rendite bei Anlage im Monatsgeld zum Maßstab erklärt war. Hier fehlt es an der
Umsetzbarkeit. Es muß vorab gesagt werden, ob die Anlage in Jahrestiteln oder im
Monatsgeld als Benchmark dienen soll.
Nicht umsetzbar ist auch die Forderung, der Treasurer müsse die Ergebnisse der
Konkurrenzbank erzielen. Dies wäre nur dann möglich, wenn die Anlagestrategie
der Konkurrenzbank bekannt ist.
Die bisher besprochene Anforderung der praktischen Nachvollziehbarkeit bzw. exakten Definition schützt nicht vor abstrusen Benchmarks. Benchmark könnte z. B.
sein, am Monatsersten zu prüfen, welche Mondphase herrscht. Bei Vollmond wird im
Monatsgeld, ansonsten im Tagesgeld angelegt. Ist aber das Zinsniveau größer 8 %, so
1 Z. B. kann der REX als Cash-flow dargestellt werden, der den fiktiven Anlagen im REX entspricht. Vergleiche hierzu Benke, H.: Benchmarkorientierung im Zinsmanagement, in: Die Bank, 2/1993, S. 106 ff.
Warum muß die Gesamtbank als Portfolio betrachtet werden?
221
wird die Halbjahresfrist gewählt. Diese Vorschrift ist sowohl nachvollziehbar als auch
kontrollierbar, aber sicherlich ohne Sinngehalt.
Derartige unsinnige Benchmarks führen zu einer zweiten Gruppe von Forderungen:
Einfachheit und Sinngehalt
Ein Maßstab muß nicht nur durchführbar sein, sondern er sollte auch relativ einfach
verständlich sein. Hierbei gibt es sicherlich inhaltliche Abstufungen. Die extremste
Forderung wäre, jeder Anleger müsse in der Lage sein, bei entsprechend großem Vermögen den Maßstab nachzuvollziehen. Die bereits aufgeführten Benchmarks 1 bis 4
sowie 7 (bei Schulden und Anlagen gemäß 1 bis 4) und 8 (mit wenigen Mischkomponenten) erfüllen diese Forderung.
Wenn etwas mehr Wissen vorausgesetzt wird, können auch die Benchmarks 5 und
6 sowie 7 (aus allen Schulden und Anlagen) und 8 (mit beliebigen Mischungen) als
»einfach« bezeichnet werden.
Die Benchmark sollte ferner einen inhaltlichen Sinn besitzen. Alle Benchmarks
1 bis 8 entsprechen dieser Forderung, da mit der Anlage in bestimmten Fristen und
Strukturen jedermann wenigstens grob Chancen und Risiken verbinden kann. Hingegen hat eine Orientierung an den Mondphasen wenig betriebswirtschaftlichen Sinn
– es sei denn, man neigt dem Aberglauben und der Astrologie zu.
Zeitliche Konstanz
Ein einmal festgelegter Maßstab sollte sich während der Meßperiode in seiner Qualität
nicht ändern. Also ist es unzweckmäßig, bei einem Planungshorizont von einem Jahr
für das erste Halbjahr als Benchmark das Tagesgeld, für das zweite Halbjahr das
Monatsgeld zu wählen.
Der Forderung nach zeitlicher Konstanz widerspricht auch die Benchmark 4, da
sich hier die Frist der gewählten Anlage dauernd verkürzt. Aus diesem Grund wird die
Benchmark 4, die auf eine Anlage in längeren Fristen abzielt, modifiziert. Hierzu einige Beispiele:
4 -1 Das Vermögen wird in Jahrespapieren angelegt. Nach Ablauf eines Vierteljahres
wird die nunmehr neunmonatige Anlage verkauft und erneut eine Jahresanlage
gewählt. Dieser Vorgang wird fortlaufend wiederholt.
4 -2 Das Vermögen wird in Zehn-Jahrestiteln angelegt. Nach Ablauf eines halben Jahres wird die Anlage mit einer Restlaufzeit von 9,5 Jahren verkauft und erneut für
zehn Jahre angelegt. Der Vorgang wird kontinuierlich fortgesetzt.
4 -3 Allgemein wird in eine »längere« Frist investiert und nach Ablauf einer »kürzeren« Frist der Titel mit verkürzter Restlaufzeit verkauft. Die »kürzere« Frist entspricht hierbei der Periodizität der Ergebnismessung. Anschließend wird wieder
die ursprüngliche längere Frist gekauft. Somit bleibt die Fristigkeit der Vermögensanlage im Zeitablauf stets konstant, wenn von der Verkürzung zwischen den
222
Wertorientierte Steuerung des Zinsänderungsrisikos
Kaufterminen und Verkaufsterminen mit Neukauf abgesehen wird. Diese Verkürzung spielt aber keine Rolle, da das Ergebnis ohnehin nicht häufiger festgestellt werden soll.
Die Benchmarks vom Typ 4 -x besitzen den Nachteil, daß sie vom Investor bei direkter Nachbildung relativ viele Verkaufs- und Kaufoperationen erfordern. Aus diesem
Grund sollen als letzter Benchmarktyp gleitende Vermögensanlagen vorgestellt werden. Auch hierzu einige Beispiele:
9-1 Das Vermögen wird in acht gleiche Teile zerlegt, die in den Fristen von drei Monaten bis zwei Jahren fällig sind. Mit Fälligkeit einer Teilschicht wird diese
Schicht stets in der Zwei-Jahresfrist angelegt.
9-2 Das Vermögen wird in 120 gleiche Teile zerlegt, die in den Fristen von einem Monat bis 120 Monaten angelegt werden, so daß monatlich ein Hundertzwanzigstel
des Volumens zurückfließt. Diese Rückflüsse werden stets erneut für 120 Monate angelegt.
9-3 Allgemein wird also das Vermögen nach dem Prinzip der gleitenden Durchschnitte disponiert, das bereits in Abschnitt 2.3 bei Kalkulation und Disposition
der variablen Geschäfte vorgestellt wurde.
Die gleitende Vermögensanlage entspricht einer Mischung aus gleichen Anteilen von
Benchmarks vom Typ 4 -x. Zum Beispiel kann die Benchmark 9-2 auch dadurch erzeugt werden, daß jeweils ein Hundertzwanzigstel des Vermögens in den Benchmarks
gemäß 4 -x mit Fristen von einem Monat bis 120 Monaten angelegt wird.
Jede dieser 120 Benchmarkanlagen wird monatlich verkauft und in der ursprünglichen Frist neu gekauft. Genausogut kann aber nur die jeweils fällige Schicht stets für
zehn Jahre angelegt werden. Hierdurch werden Geld/Brief-Differenzen vermieden. In
beiden Fällen baut sich die Vermögensanlage monatlich gleichmäßig in zehn Jahren
bis zum Saldo Null ab, wobei diese Struktur dauerhaft erhalten bleibt. Das Kriterium
der zeitlichen Konstanz ist erfüllt.
5.4.2
Ordnung und Auswahl von Benchmarks
durch Risiko/Return1-Analysen
Durch die bisherigen Überlegungen wurden Anforderungen an Benchmarks gestellt,
die unsinnige und ungeeignete Maßstäbe ausschließen. Es steht aber nach wie vor eine
Vielzahl von Benchmarks zur Verfügung, unter denen gewählt werden muß.
Hierzu ist es sinnvoll, Aussagen über die Auswirkungen einer Vermögensanlage in
der Benchmark zu gewinnen.
1 Der Begriff »Return« ist in diesem Zusammenhang üblich. Er wird hier synonym zu dem Begriff »Performance« benutzt.
Warum muß die Gesamtbank als Portfolio betrachtet werden?
223
Prinzipielle Analysemöglichkeiten
Es sind zwei prinzipielle Vorgehensweisen möglich:
a) Der Investor gibt eine Zinsprognose bzw. mehrere Zinsszenarien vor. Es wird geprüft, welche Auswirkung eine Anlage in der Benchmark unter dieser Zinsprognose bzw. unter den Zinsszenarien hat. Entsprechend wird die Benchmark ausgewählt.
Der Investor hat also bestimmte Vorstellungen über die Zukunft und setzt seine
Benchmark so, daß sie diesen Vorstellungen entspricht. Die Zinsprognose bzw.
eine durch Zinsszenarien abgegrenzte Zinslandschaft bestimmen die Auswahl der
Benchmark.
Diese Vorgehensweise bedingt, daß die Benchmark mit geänderten Zukunftsvorstellungen laufend gewechselt wird. Von Planungsperiode zu Planungsperiode
können in dieser Betrachtung andere Normanlagen vorgegeben werden.
b) Es wird anhand historischer Daten geprüft, welche Auswirkung eine Benchmark in
der Vergangenheit gehabt hätte. Hierzu wird ein ausreichend langer Zeitabschnitt
der Vergangenheit betrachtet. Die Zinsprognosen bzw. Zinsszenarien der Vorgehensweise a) werden also der Vergangenheit bzw. dem historischen Verlauf entnommen. Der Investor hofft, daß sich die hieraus gewonnenen Ergebnisse auf die
Zukunft übertragen lassen.
Die Vorgehensweise vermeidet individuelle Zinsprognosen dadurch, daß die Vergangenheit als statistischer Prozeß fortgeschrieben wird.
Entsprechend ist es in dieser Vorgehensweise unsinnig, die Benchmark fortwährend zu wechseln. Charakteristische Eigenschaft dieser Benchmarkfestlegung
ist es, an einer Strategie, die vergangenheitsbezogen den Vorstellungen des Investors entspricht, festzuhalten. Eine Änderung der Benchmark ist nur angebracht,
wenn sich die Risikoneigung oder die »Ertragserwartung« des Investors verändert
oder wenn neue historische Erkenntnisse vorliegen.
Berechnung von Risiko und Return als Beurteilungsmaßstäbe
Im Fortgang wird anhand der Vorgehensweise b) gezeigt, wie aus historischen Daten
für Benchmarks Risiko und Return als Beurteilungsmaßstäbe berechnet werden können. Die gezeigte Methodik läßt sich auch auf die Vorgehensweise a) übertragen.
Wie erläutert, soll das Anlageergebnis der Benchmark periodisch (in der Praxis monatlich bis jährlich) festgestellt und beurteilt werden. Hierzu wird ermittelt, wie ein
Anfangskapital von 100 Einheiten durch Anlage in der Benchmark von Periode zu Periode wächst bzw. schrumpft. Für zwei unterschiedliche Benchmarks sollen die in Tabelle 5.2 dokumentierten vierteljährlichen Ergebnisse vorliegen:
224
Wertorientierte Steuerung des Zinsänderungsrisikos
Tabelle 5.2 Entwicklung eines Startkapitals von 100 bei Anlage in zwei
unterschiedlichen Benchmarks
Quartal
Benchmark 1
Kapital
0
1
2
3
4
5
6
7
8
100,00
102,00
102,50
101,00
103,00
104,00
104,00
106,00
107,00
Benchmark 2
Zuwachs %
Kapital
Zuwachs %
2,00
0,49
– 1,46
1,98
0,97
0,00
1,92
0,94
100,00
105,00
99,00
97,00
106,00
102,00
110,00
115,00
116,00
5,00
– 5,71
– 2,02
9,28
– 3,77
7,84
4,55
0,87
Offensichtlich ist der mittlere Zuwachs bei Benchmark 1 deutlich niedriger, dafür
schwanken die Zuwächse bei Benchmark 2 stärker.
Durchschnittlicher Zuwachs (Return)
Der mittlere Zuwachs kann einfach aus Startwert und Endwert berechnet werden. Für
Benchmark 1 beträgt der Zuwachs
8
107
100
= 1,0084931 entsprechend 0,84931% pro Quartal oder 3,4408 % pro Jahr.
Für Benchmark 2 ergeben sich die Werte 1,87% pro Quartal bzw. 7,70 % p. a.
Zu beachten ist, daß bei der Berechnung des mittleren Zuwachses nicht der arithmetische Mittelwert der Einzelzuwächse gebildet werden darf. Der korrekte Mittelwert
kann aus den Einzelwerten nur durch Bildung des geometrischen Mittels der Zuwachsfaktoren berechnet werden.
Risiko
Schwieriger ist es, eine geeignete Risikokennziffer zu finden. Hierbei nur auf die minimalen Zuwächse abzustellen oder die Spannweite der Zuwächse als Risikomaß zu
wählen, würde bedeuten, das Risiko an »Ausreißern« festzumachen. Sinnvoller ist es,
die Varianz bzw. die Standardabweichung der Zuwächse als Risiko zu definieren.
Ebenso wie der Mittelwert kann die Varianz nicht aus den prozentualen Einzelzuwächsen berechnet werden. Vielmehr ist es notwendig, zum Logarithmus (z. B. zur
Basis e, also zum natürlichen Logarithmus) überzugehen. Dies hat den Vorteil, daß aus
multiplikativen Verknüpfungen additive Berechnungen werden und somit im logarithmischen Raum die Varianz mit den üblichen Formeln berechnet werden kann. Die
folgende Tabelle zeigt die Vorgehensweise, die im Fortgang erläutert wird.
Warum muß die Gesamtbank als Portfolio betrachtet werden?
225
Rechenschema zur Risikoermittlung
1 Die prozentualen Zuwächse werden zunächst in Zuwachsfaktoren q = (1 + p / 100)
umgewandelt. Diese Faktoren können auch direkt aus den Kapitalien durch Quotientenbildung zweier nacheinander folgender Kapitalstände gewonnen werden.
Zum Beispiel beträgt der Zuwachsfaktor für Benchmark 2 im ersten Quartal
105 / 100 = 1,05.
2 Aus den Zuwachsfaktoren wird der Logarithmus zur Basis e (ln) gebildet. Der Logarithmus des Faktors 1,05 beträgt 0,04879 (siehe Tabelle 5.3).
3 Aus den Logarithmen der Zuwächse werden der Mittelwert und die Stichprobenstandardabweichung berechnet. Dies ist nun problemfrei möglich, da die vorhergehende Logarithmierung der eigentlich multiplikativ verknüpften Zuwachsfaktoren
zur normalen Addition führt.
4 Die folgenden Rechenschritte zeigen, wie aus den logarithmischen Mittelwerten
(Zeile [1] der Tabelle 5.3) und der logarithmischen Standardabweichung (Zeile [2]
der Tabelle 5.3), die auf Quartalsbasis berechnet wurden, prozentuale Jahreswerte
gewonnen werden können.
Wären die einzelnen Zuwachsfaktoren sofort in Jahreswerte umgerechnet worden,
so hätte hierzu die vierte Potenz (vier Quartale sind ein Jahr) gebildet werden müssen. Aus dem Zuwachsfaktor 1,05 pro Quartal wäre z. B. der Zuwachsfaktor 1,2155
geworden. Der Logarithmus dieses Jahreszuwachses ist genau viermal so groß wie
der angegebene Tabellenwert, da im logarithmischen Raum die Potenzierung zur
Multiplikation wird. Folglich wäre der Mittelwert der Logarithmen viermal so groß
wie der Mittelwert der Quartalswerte. In Zeile (3) der Tabelle 5.3 sind die entsprechenden Ergebnisse angegeben.
Die Standardabweichung der Logarithmen der Jahreswerte ist aber nur zweimal so
groß wie die Standardabweichung der Quartalswerte, da bei der Standardabweichung die Quadratwurzel gebildet wird (Quadratwurzel aus 4 ist 2). Der entsprechende Wert ist in Zeile (4) der Tabelle 5.3 enthalten.
5 Die logarithmischen Jahresdurchschnitte (3) bzw. logarithmischen Jahresstandardabweichungen (4) müssen nun wieder in jährliche Zuwachsfaktoren bzw. Prozentzahlen umgewandelt werden. Dies geschieht durch Anwendung der Umkehrfunktion zum Logarithmus, nämlich durch Potenzierung zur Basis e.
Zum Beispiel ist e hoch 0,10151 gleich 1,10684 (siehe Tabelle 5.3 Zeile [6]). Dies ist
der jährliche mittlere Zuwachsfaktor. Dem Zuwachsfaktor von 1,10684 entspricht
die Verzinsung von 10,684 % p. a.
Analog werden die anderen der jährlichen Zuwachsfaktoren und Standardabweichungen sowie die zugehörigen Prozentzahlen gewonnen. Die Werte sind in den
Zeilen (5) und (6) angegeben.
226
Wertorientierte Steuerung des Zinsänderungsrisikos
Tabelle 5.3 zum Rechenschema
Quartal
0
1
2
3
4
5
6
7
8
(1)
(2)
Benchmark 1
Benchmark 2
Kapital
Kapital
100,00
102,00
102,50
101,00
103,00
104,00
104,00
106,00
107,00
Zuwachs
logarithmisch (ln)
Quartalswerte
0,01980
0,00489
– 0,01474
0,01961
0,00966
0,00000
0,01905
0,00939
100,00
105,00
99,00
97,00
106,00
102,00
110,00
115,00
116,00
Zuwachs
logarithmisch (ln)
Quartalswerte
0,04879
– 0,05884
– 0,02041
0,08873
– 0,03847
0,07551
0,04445
0,00866
Durchschnitt der ln Quartalswerte
0,00846
0,01855
Standardabweichung der
ln Quartalswerte
0,01112
0,05076
Hochrechnung der ln Quartalswerte auf ln Jahreswerte
(3) (1) *4
0,03383
(4) (2) *2
0,02225
Hochrechnung der ln Jahreswerte auf Prozentjahreswerte
(5)
(6)
e hoch (3)
Durchschnitt % p.a.
e hoch (4)
Standardabweichung % p. a.
1,03441
3,441%
1,02249
2,249 %
0,07421
0,10151
1,07703
7,703 %
1,10684
10,684 %
Risiko/Return-Diagramme, effiziente Benchmarks
Die Ergebnisse hinsichtlich Risiko und durchschnittlichen Zuwachses (Return) können für die einzelnen Benchmarks grafisch veranschaulicht werden.
Die Abbildung 5.1 zeigt die Ergebnisse für die Benchmarks 1 und 2 des obigen Beispiels. Ferner wurde eine dritte Benchmark hinzugefügt, deren Return 5 bei einem
Risiko von 9 beträgt.
Angenommen, ein Investor entscheidet sich für Benchmark 3, da er subjektiv mit
einem Durchschnittsreturn von 5 % zufrieden ist und er kein höheres Risiko als 9 eingehen möchte. Dann ist die Frage, ob er nicht mit einer geeigneten Mischung der
Benchmarks 1 und 2 besser fährt als mit der Benchmark 3: Werden z. B. 50 % des Vermögens in der Benchmark 1 und 50 % des Vermögens in der Benchmark 2 angelegt,
so beträgt der mittlere Return 3,44 0,5 + 7,70 0,5 = 5,57 %.
Hinsichtlich des Risikos einer Mischung von Benchmarks kommt es darauf an, in
welcher Weise die Schwankungen der Zuwächse miteinander korreliert sind. Im
ungünstigsten Fall laufen beide Entwicklungen völlig synchron, d. h., die Benchmarks
1 und 2 sind starr aneinander gekoppelt. In diesem Fall ist das Risiko einer Mischung
Warum muß die Gesamtbank als Portfolio betrachtet werden?
227
zu gleichen Teilen ebenfalls der Mittelwert der Schwankungen, im Beispiel 2,25 % 0,5 + 10,68 0,5 = 6,47 %. Allgemein kann nachgewiesen werden, daß eine Mischung aus Benchmarks bei völliger Korrelation der Benchmarks auf der Verbindungsgeraden der Benchmarks liegt.
Return
Abbildung 5.1 Risiko/Return-Diagramm
9
8
2
7
6
3
5
4
1
3
2
0
2,5
5,0
7,5
10,0
12,5
Risiko
In der Praxis sind Benchmarks niemals vollständig miteinander korreliert. Die
Schwankungen heben sich zum Teil gegenseitig auf. Im theoretischen Idealfall könnte
es sogar sein, daß zwei Benchmarks sich in ihren Schwankungen völlig gegenläufig bewegen, so daß das Risiko der Mischung null ist. In der Praxis wird dieser Fall nicht vorkommen, in jedem Fall aber bedeuten Mischungen eine Risikoreduktion. Die
Punkte einer Mischung liegen also in der Praxis im Risiko/Return-Diagramm links
von der Verbindungsgeraden.
Dies bedeutet für die Benchmark 3, daß sie durch eine Mischung der Benchmarks 1
und 2 »geschlagen« wird. Die Benchmark 3 liegt nämlich unter der Verbindungsgeraden der Benchmarks 1 und 2. Mit einer Mischung aus 63,4 % der Benchmark 1 und
36,6 % der Benchmark 2 hat der Investor ebenfalls eine mittlere Rendite von 5 %, da
gilt: 3,44 0,634 + 7,70 0,366 = 5,00 %. Das Risiko ist aber maximal 2,25 0,634
+ 10,69 0,366 = 5,33 % und liegt damit deutlich unter dem Risiko der Benchmark 3.
Benchmark 3 wird als »ineffizient« bezeichnet. Hingegen heißen Benchmarks, die
bei gleichem Return nicht von anderen Benchmarks durch geringeres Risiko übertroffen werden, »effizient«.
228
Wertorientierte Steuerung des Zinsänderungsrisikos
Konsequenzen
Es ist offensichtlich, daß nur effiziente Benchmarks als Vergleichsmaßstab zur Beurteilung einer Anlagestrategie geeignet sind.
Das Beispiel zeigt, daß ineffiziente Benchmarks mit Hilfe von Risiko/Return-Analysen ausgeschieden werden können. Die Wahl zwischen den effizienten Benchmarks
kann aber nicht weiter rationalisiert werden. Die Entscheidung, welches höhere Risiko für welchen höheren Return in Kauf genommen wird, bleibt der individuellen
Risikoneigung vorbehalten. Zahlreiche Anbieter haben sich darauf spezialisiert, effiziente Anlagestrategien aus historischen Daten zu ermitteln. Auf Einzelergebnisse
kann hier nicht eingegangen werden.1
5.4.3
Benchmark im Beispiel
In Fortsetzung des Beispiels aus Abschnitt 2.5 wird für die Beispielsparkasse folgende
Benchmark durch den Vorstand festgelegt:
Abbildung 5.2 Tilgungsdarlehen
Startdatum der Berechnung
Tilgungsanrechnung
1. Tilgungsanrechnung am
Zinsberechnungstermine
1. Zinsberechnungstermin am
1. Zinszahlungstermin am
Berechnungsbasis
Kalkulationsdatum
Margenbarwert
Marge % (AIBD)
Einstand
30.12.1996
mit jeder Rate
30.12.1996
halbjährlich
03.07.1997
03.07.1997
Margenbarwert
30.12.1996
0,00 DM
0%
5,285 %
Nominalzins
Effektivzins
5,217 %
5,285 %
(Vorgabe, da Anlage am Interbankenmarkt)
(Rechenergebnis)
(Rechenergebnis)
(Rechenergebnis)
Ungekoppelte Bewegungstreppen (Zins separat)
Beginn
30.12.1996
03.07.1997
Anzahl
Abstand
Betrag DM
1,00
20,00
0
180
400,75
20,04
Art
Auszahlung
Tilgung
1 Im Zinsbereich vgl. z. B. eine Untersuchung von Bode, Jancar, Sievi, die die »reinen« Strategien im Sinn
von 4 -x (siehe oben) und Mischungen hieraus für den Zeitraum von 1967 bis 1987 analysiert haben:
Bode, M., Jancar, S., Sievi, F.: Richtiges Timing oder Risiko-Return-Analyse, in: Die Bank, 2/89, S. 93 ff.
Warum muß die Gesamtbank als Portfolio betrachtet werden?
229
Die Vermögensstruktur der Bank soll unverändert bleiben, es werden also keine
Umschichtungen des Vermögens zwischen Zinsgeschäft, Aktien und Immobilien
vorgenommen.
Für das im Zinsgeschäft gebundene Vermögen (400,75 Mio.) gilt als Normanlage die
gleitende Zehn-Jahresanlage gemäß Benchmarktyp 9 -1 (vgl. Abschnitt 5.4.1). Will das
Treasury diese Vorgabe einhalten, sind folglich 400,75 Mio. so anzulegen, daß halbjährlich (halbjährliches Raster der Beispielsparkasse) ein Zwanzigstel des Vermögens zurückfließt. Jeder Rückfluß wird dann erneut in Titeln mit 10jähriger Laufzeit angelegt.
Für die übrigen Vermögenspositionen (Aktien, Beteiligungen, Immobilien, Inventar) werden ebenfalls geeignete Benchmarks festgesetzt. Da Untersuchungen hierzu
aber den Rahmen der vorliegenden Ausarbeitung sprengen und Umschichtungen
nicht vorgenommen werden, unterbleibt für die Modellbank die weitere Verfolgung
dieser Vermögenspositionen.
Abbildung 5.3 Cash-flow der Benchmark über Vergleichskonto
(Effektivzins 5,285%)
Datum
Bewegung DM
30. 12. 1996
03. 07. 1997
03. 01. 1998
03. 07. 1998
03. 01. 1999
03. 07. 1999
03. 01. 2000
03. 07. 2000
03. 01. 2001
03. 07. 2001
03. 01. 2002
03. 07. 2002
03. 01. 2003
03. 07. 2003
03. 01. 2004
03. 07. 2004
03. 01. 2005
03. 07. 2005
03. 01. 2006
03. 07. 2006
03. 01. 2007
– 400,75
30,66
29,98
29,46
28,93
28,41
27,89
27,36
26,84
26,32
25,79
25,26
24,74
24,22
23,70
23,17
22,65
22,13
21,61
21,08
20,56
Zins DM
Tilgung DM
Kontostand
10,63
9,94
9,42
8,89
8,37
7,85
7,33
6,80
6,28
5,75
5,23
4,70
4,18
3,66
3,14
2,61
2,09
1,57
1,05
0,52
– 400,75
20,04
20,04
20,04
20,04
20,04
20,04
20,04
20,04
20,04
20,04
20,04
20,04
20,04
20,04
20,04
20,04
20,04
20,04
20,04
20,04
– 400,75
– 380,71
– 360,68
– 340,64
– 320,60
– 300,56
– 280,53
– 260,49
– 240,45
– 220,41
– 200,38
– 180,34
– 160,30
– 140,26
– 120,23
– 100,19
– 80,15
– 60,11
– 40,08
– 20,04
0,00
Im Zinsgeschäft bedeutet die Benchmark, daß das Vermögen wie in einem Tilgungsdarlehen mit halbjährlicher Tilgung in zehn Jahren anzulegen ist. Hierbei wird von
ebenfalls halbjährlicher Zins- und Tilgungsverrechnung ausgegangen.
230
Wertorientierte Steuerung des Zinsänderungsrisikos
Die zugehörige Zinsstruktur am Interbankenmarkt ist in Abschnitt 3.1.2 definiert.
Die Berechnung in Abbildung 5.2 und 5.3 zeigt, welcher Cash-flow gemäß Benchmark
für die Beispielsparkasse vorliegen müßte.
Hinweise:
Bei der Berechnung wird davon ausgegangen, daß der Zins in jedem Jahr der
Anlage gleich hoch ist. Entsprechend wurde für eine Margenvorgabe von 0
(Anlage am Interbankenmarkt) ein einheitlicher Nominalzins von 5,217% berechnet. Der zugehörige Effektivzins beträgt 5,285 % und entspricht damit in
etwa dem Effektivzins einer tilgungsfreien Anlage mit einer Zinsbindungsdauer von ca. 6,25 Jahren (vergleiche Zinsstruktur).
Die Berechnung entspricht nicht exakt der vorgegebenen Benchmark, da sich
bei gleitender Wiederanlage der fällig werdenden Vermögensanteile der Nominalzins fortlaufend ändert. Insgesamt besitzt die Benchmark somit einen von
Jahr zu Jahr entsprechend der historischen Entwicklung wechselnden Nominalzins in Höhe des gleitenden Durchschnitts der Nominalzinsen. Da der gleitende Zehn-Jahresdurchschnitt aber im Zins nur gering schwankt, wird im
Beispiel vereinfachend ein einheitlicher Nominalzins gewählt.
Insgesamt liegt somit für die Beispielsparkasse die in Abbildung 5.4 und Tabelle 5.4
dokumentierte Situation vor:
Cash-flow-Abweichung in Mio. DM
Abbildung 5.4 Abweichung des Gesamt-Cash-flow von der Benchmark
150
100
50
0
–50
–100
–150
Juli Jan Juli Jan Juli Jan Juli Jan Juli Jan Juli Jan Juli Jan Juli Jan Juli Jan Juli Jan
97 98 98 99 99 00 00 01 01 02 02 03 03 04 04 05 05 06 06 07
Ist-Cash-flow
Benchmark
Abweichung
Warum muß die Gesamtbank als Portfolio betrachtet werden?
231
Tabelle 5.4 Zahlungsströme
Datum
03. 07. 97
03. 01. 98
03. 07. 98
03. 01. 99
03. 07. 99
03. 01. 00
03. 07. 00
03. 01. 01
03. 07. 01
03. 01. 02
03. 07. 02
03. 01. 03
03. 07. 03
03. 01. 04
03. 07. 04
03. 01. 05
03. 07. 05
03. 01. 06
03. 07. 06
03. 01. 07
Ist
– 101
126
72
68
65
62
58
6
53
70
40
48
–3
– 19
– 24
1
– 24
– 24
– 34
– 14
Benchmark
30,66
29,98
29,46
28,93
28,41
27,89
27,36
26,84
26,32
25,79
25,26
24,74
24,22
23,70
23,17
22,65
22,13
21,61
21,08
20,56
Abweichung
– 131,66
96,02
42,54
39,07
36,59
34,11
30,64
– 20,84
26,68
44,21
14,74
23,26
– 27,22
– 42,70
– 47,17
– 21,65
– 46,13
– 45,61
– 55,08
– 34,56
Die Beispielsparkasse ist also im Ist-Cash-flow deutlich »kürzer«, als es der Vorgabe
durch die Benchmark entspricht.
Besonders interessant ist, welche Ergebnisse für die Beispielsparkasse entstehen,
wenn das Zinsgeschäft gemäß Benchmark angelegt wird. Die Ergebnisse eines Vergleiches zum Ist-Zustand und zu den in Abschnitt 3.3.2 geprüften Maßnahmen (Rechenlogik vgl. Abschnitt 3.3.3) zeigt die folgende Tabelle 5.5:1
1 Die Rechenwerte der Tabelle entsprechen denen aus Abschnitt 3.3.3, jedoch wurden die Werte nicht nach
Zinsszenario, sondern nach Maßnahme sortiert. Die Ergebnisse für die Benchmark als »Maßnahme«
wurden neu berechnet.
232
Wertorientierte Steuerung des Zinsänderungsrisikos
Tabelle 5.5 Zeitliche Entwicklung des Vermögens mit Planungshorizont
30. 1. 97 und 28. 3. 97
Vermögen am 30. 12. 96
= 400,75
Maßnahme Prognose/
(Cash-flow) Szenario
OHNE = Ist
OHNE = Ist
OHNE = Ist
OHNE = Ist
OHNE = Ist
OHNE = Ist
OHNE = Ist
OHNE = Ist
OHNE = Ist
DSGV M1
DSGV M1
DSGV M1
DSGV M1
DSGV M1
DSGV M1
DSGV M1
DSGV M1
DSGV M1
DSGV M2
DSGV M2
DSGV M2
DSGV M2
DSGV M2
DSGV M2
DSGV M2
DSGV M2
DSGV M2
DSGV M3
DSGV M3
DSGV M3
DSGV M3
DSGV M3
DSGV M3
DSGV M3
DSGV M3
DSGV M3
Benchmark
Benchmark
Benchmark
Benchmark
Benchmark
Benchmark
Benchmark
Benchmark
Benchmark
Seitwärts
DSGV+++
DSGV– – –
DSGV++ –
DSGV+ – –
DSGV– ++
DSGV– 0 +
DSGV+ 0 –
Prognose
Seitwärts
DSGV+++
DSGV– – –
DSGV++ –
DSGV+ – –
DSGV– ++
DSGV– 0 +
DSGV+ 0 –
Prognose
Seitwärts
DSGV+++
DSGV– – –
DSGV++ –
DSGV+ – –
DSGV– ++
DSGV– 0 +
DSGV+ 0 –
Prognose
Seitwärts
DSGV+++
DSGV– – –
DSGV++ –
DSGV+ – –
DSGV– ++
DSGV– 0 +
DSGV+ 0 –
Prognose
Seitwärts
DSGV+++
DSGV– – –
DSGV++ –
DSGV+ – –
DSGV– ++
DSGV– 0 +
DSGV+ 0 –
Prognose
Vermögenswert (Mio.)
Zuwachs (Mio.)
30. 1. 97
28. 3. 97
30. 1. 97
28. 3. 97
Zuwachs (%)
Performance
30. 1. 97
28. 3. 97
402,43
394,09
411,58
399,73
401,67
402,66
403,71
399,99
401,32
402,23
395,51
409,97
399,81
401,36
402,59
403,42
399,98
401,36
401,57
402,12
402,08
400,09
399,80
402,04
401,80
399,83
401,60
402,46
392,42
414,31
400,72
403,33
403,17
404,61
401,20
401,59
402,67
390,47
415,57
404,02
407,60
402,89
404,99
405,09
402,14
405,64
391,70
422,11
402,40
403,95
404,35
409,03
401,47
404,03
405,22
393,89
418,82
402,33
403,59
404,62
408,42
401,37
403,95
403,57
404,38
403,10
401,84
401,84
405,65
405,53
400,82
403,71
406,03
389,16
427,20
403,66
405,70
403,66
409,71
403,21
404,41
406,39
387,78
430,01
407,74
410,15
399,63
406,86
409,47
405,01
1,68
– 6,66
10,83
–1,02
0,92
1,91
2,96
– 0,76
0,57
1,48
– 5,24
9,22
– 0,94
0,61
1,84
2,67
– 0,77
0,61
0,82
1,37
1,33
0,66
– 0,95
1,29
1,05
– 0,92
0,85
1,71
– 8,33
13,56
– 0,03
2,58
2,42
3,86
0,45
0,84
1,92
– 10,28
14,82
3,27
6,85
2,14
4,24
4,34
1,39
4,89
– 9,05
21,36
1,65
3,20
3,60
8,28
0,72
3,28
4,47
– 6,86
18,07
1,58
2,84
3,87
7,67
0,62
3,20
2,82
3,63
2,35
1,09
1,09
4,90
4,78
0,07
2,69
5,28
– 11,59
26,45
2,91
4,95
2,91
8,96
2,46
3,66
5,64
– 12,97
29,26
6,99
9,40
– 1,12
6,11
8,72
4,26
0,42
– 1,66
2,70
– 0,25
0,23
0,48
0,74
– 0,19
0,14
0,37
– 1,31
2,30
– 0,23
0,15
0,46
0,67
– 0,19
0,15
0,20
0,34
0,33
– 0,16
– 0,24
0,32
0,26
– 0,23
0,21
0,43
– 2,08
3,38
– 0,01
0,64
0,60
0,96
0,11
0,21
0,48
– 2,57
3,70
0,82
1,71
0,53
1,06
1,08
0,34
1,22
– 2,26
5,33
0,41
0,80
0,90
2,07
0,18
0,81
1,12
– 1,71
4,51
0,39
0,71
0,97
1,91
0,15
0,80
0,70
0,91
0,59
0,27
0,27
1,22
1,19
0,02
0,74
1,32
– 2,89
6,60
0,73
1,24
0,73
2,24
0,61
0,91
1,41
– 3,24
7,30
1,74
2,35
– 0,28
1,52
2,18
1,06
Warum muß die Gesamtbank als Portfolio betrachtet werden?
233
Es fällt auf, daß bei Anlage des Vermögens in der Benchmark ein Risiko von 10,28 Mio.
(Planungshorizont 1 Monat) bzw. 12,97 Mio. (Planungshorizont 3 Monate) vorliegt.
In Prozent sind dies 2,57% bzw. 3,24%1. Bisher war von einem Risikolimit von 7 Mio.
bzw. 1,75 % ausgegangen worden.
Das festgestellte Risiko für die Benchmark bedeutet einen inneren Widerspruch:
Die Bank kann nicht ein Limit von 7 Mio. setzen und gleichzeitig eine Benchmark vorgeben, die ein höheres Risiko besitzt. Im Fortgang soll davon ausgegangen werden,
daß das Limit entsprechend der Benchmark neu festgesetzt wird. Die Benchmark
bleibt unverändert.
Wenn die Benchmark als Richtlinie für die Anlagepolitik der Sparkasse verstanden
wird, muß die Sparkasse in der Lage sein, je nach Zinserwartung »länger« oder »kürzer« als die Benchmark anzulegen. Bei längerer Anlage ist aber im Szenario DSGV
+ + + das Risiko höher als in der Benchmark. Folglich reicht es im Beispiel nicht aus,
entsprechend der Benchmark ein Limit von 10,28 Mio. bzw. 12,97 Mio. zu gewähren.
Das Limit muß deutlich höher sein, etwa 15 Mio. bis 20 Mio., wobei der Wert der
Risikoneigung der Bank entspricht.
Die in Abschnitt 3.3.3 eingeführte Tabelle 3.24 (Planungshorizont 3 Monate) wird
entsprechend erweitert (Tab. 5.6):
Tabelle 5.6
Maßnahme Cash-flow
OHNE
DSGVM1
DSGVM2
DSGVM3
Benchmark
Performance (Mio. DM)
Risiko (Mio.) = VaR
3,28
9,05
3,20
6,86
2,96
»–« 0,07
3,66
11,59
4,26
12,97
Mit einem Risikolimit von z. B. 15 Mio. DM erscheinen die Maßnahmen DsgvM1,
DsgvM2 und DsgvM3 in einem neuen Licht.2 Die Entscheidung fällt – sofern nur diese
Maßnahmen zugelassen werden – klar zugunsten von DsgvM3. Hier werden angesichts der Prognose die besten Ergebnisse erzielt; gleichzeitig wird das vorgegebene
Limit leicht eingehalten. Die Maßnahme DsgvM3 ist auch die einzige Maßnahme, die
den Ist-Cash-flow der Bank »in Richtung« der Benchmark transferiert, da die Abweichung von der Benchmark wenigstens in der Laufzeit 8 Jahre verringert wird.3 Die
1 Zu beachten ist, daß bei der Berechnung für die Benchmark davon ausgegangen wird, daß das Vermögen
bereits gemäß Benchmark strukturiert ist. Die Rechenergebnisse zeigen also, was wäre, wenn die Bank
schon immer gemäß Benchmark angelegt hätte. Die Benchmark wird also nicht durch Maßnahmen aus
dem Ist-Cash-flow erzeugt. Dies würde wegen der Geld/Brief-Differenz zusätzliche Kosten erzeugen.
2 Vgl. auch die Ausführungen in Abschnitt 3.3.3.
3 Gleichzeitig wird allerdings durch das höhere Kassendefizit (Finanzierung der Anlage aus Tagesgeld) eine
im Ist-Zustand nicht vorhandene Abweichung im Tagesgeld erzeugt. Die Anlage sollte also – wird eine
bessere Annäherung an die Benchmark gewünscht – aus dem Verkauf von Mitteln etwa mit Frist von 1–3
Jahren erfolgen.
234
Wertorientierte Steuerung des Zinsänderungsrisikos
Maßnahmen DsgvM1 und DsgvM2 hingegen würden die Abweichung von der Benchmark noch erhöhen (Verkauf von Titeln mit Fristen von 3 bis 6 Jahren).
Gleichzeitig wird deutlich, daß – angesichts der Benchmark – alle bisher diskutierten Maßnahmen untauglich sind. Die Benchmark liefert nämlich bei der vorliegenden
Zinsprognose »Prognose« die besten Werte aller bisher diskutierten Maßnahmen.
Naturgemäß wird dabei auch das Risikolimit eingehalten (siehe oben). Die Beispielsparkasse sollte also weitergehende Maßnahmen »in Richtung« der Benchmark (oder
darüber hinaus)1 ergreifen. Natürlich muß hierbei das GuV-Risiko beachtet werden.
Die obigen Ergebnisse zeigen zusammenfassend:
Die aktuelle Ist-Struktur des Vermögens kann nur dann angemessen beurteilt
werden, wenn je Vermögenskategorie eine Benchmark vorgegeben ist.
Das Risikolimit muß so gewählt werden, daß das Risiko der Benchmark innerhalb des Limits liegt. Auch Abweichungen von der Benchmark müssen in gewissem Ausmaß möglich sein, ohne das Risikolimit zu verletzen.
Die Existenz einer Benchmark erleichtert das Auffinden von Maßnahmen zur
Strukturierung des Vermögens erheblich. Die Ist-Struktur bzw. die Struktur
nach Maßnahmen sollte so gewählt sein, daß – beim Eintreten der Zinsprognose – im Return bessere Ergebnisse erzielt werden als bei der Benchmark.
Hierbei sind das vorgegebene Limit sowie bilanztechnische Risiken zu beachten.
5.5
Risikokapitalzuteilung gegen Performanceversprechen
(VaR, RORAC, RAROC)
Mit Hilfe der Größen VaR (Value at Risk), RORAC (Return on risk adjusted capital),
RAROC (risk adjusted return on capital) wird versucht, die Auswahl zwischen
verschiedenen Vermögensanlagen bzw. Engagements weiter zu rationalisieren. Es werden die in der Fachliteratur aktuell diskutierten Begriffe Value at Risk, RORAC und
RAROC in eine für die Steuerung des Zinsrisikos der Sparkassen geeignete Interpretation übergeführt. Die betrachteten Methoden lassen sich auch auf die übrigen Geschäftsbereiche des Instituts erweitern. Insofern bilden sie den Einstieg in die Gesamtbanksteuerung.
Die Beispielsparkasse hat die Möglichkeit, den Cash-flow für das im Zinsgeschäft
gebundene Vermögen unverändert beizubehalten (OHNE), durch die Maßnahmen
1 Würde die Sparkasse durch ein Bündel von Maßnahmen den Cash-flow voll der Benchmark angleichen,
könnte sie dennoch nicht das Ergebnis der Benchmark erreichen, da die Maßnahmen Kosten verursachen
(Geld/Brief-Differenz). Die vorliegende Abweichung von der Benchmark wird dadurch »bestraft«, daß
die Rückkehr zur Benchmark Kosten auslöst. Diese Kosten sind bei der Auswahl von Maßnahmen »in
Richtung« Benchmark zu berücksichtigen.
Warum muß die Gesamtbank als Portfolio betrachtet werden?
235
DsgvM1, DsgvM2 sowie DsgvM3 neu zu strukturieren oder entsprechend der Benchmark anzulegen. Die Ergebnisse hierfür wurden unter der Zinserwartung (Prognose)
und unter Risikoszenarien berechnet (siehe Abschnitt 5.4.3). Der erwartete Return
entspricht dem Ergebnis, das bei Eintritt der Zinsprognose »Prognose« entsteht. Das
Risiko entspricht dem maximalen Verlust, der unter den definierten Szenarien entsteht. Die (absoluten) Ergebnisse für den Planungshorizont »drei Monate« (28.3. 97)
werden nochmals in Tabelle 5.7 zusammengefaßt.
Tabelle 5.7
Maßnahme Cash-flow
OHNE
DSGVM1
DSGVM2
DSGVM3
Benchmark
Performance (Mio. DM)
Risiko (Mio.) = VaR
Kritisches Szenario
3,28
9,05
DSGV+++
3,20
6,86
DSGV+++
2,96
»–« 0,07
DSGV+0 –
3,66
11,59
DSGV+++
4,26
12,97
DSGV+++
Value at Risk (VaR)
Der Begriff des VaR wurde bereits in Abschnitt 3.2.2 im Rahmen der Varianz-/Kovarianzanalyse eingeführt.
Ein VaR ist stets für eine bestimmte Wahrscheinlichkeit p und für einen bestimmten Zeitraum t definiert. Die Wahrscheinlichkeit p wird auch als Signifikanzniveau p
bezeichnet. Der Zeitraum t kann als »Haltedauer« interpretiert werden. Die Bank muß
innerhalb der Haltedauer in der Lage sein, ihre Risikopositionen glattzustellen bzw. zu
verändern. Ein VaR von X DM bedeutet, daß mit Wahrscheinlichkeit p der Vermögensverlust am Ende des Zeitraumes t (und damit auch innerhalb des Zeitraumes
t) nicht größer ist als X DM. Dies bedeutet gleichzeitig, daß mit Wahrscheinlichkeit
1 – p ein Verlust von mehr als X DM auftritt, wobei die Höhe des Verlustes nicht begrenzt ist.
Mit der in Abschnitt 3.2.2 erläuterten Methode der Varianz-/Kovarianzanalyse (und
der dort angegebenen Risikomatrix) kann bei einem Signifikanzniveau von 99,9 %
(zweiseitig1) und einer Haltedauer von 21 Tagen (Bankarbeitstage im Januar 1997) für
die Beispielsparkasse das nachstehende Risiko berechnet werden. In die Tabelle 5.8
wurde gleichzeitig das Verhältnis des berechneten Risikos nach Szenarioanalyse (Planungshorizont: 1 Monat) zum Risiko nach Varianz-/Kovarianz-Methode aufgenommen.
1 Dies entspricht einem einseitigen Konfidenzniveau von 99,95 %.
236
Wertorientierte Steuerung des Zinsänderungsrisikos
Tabelle 5.8
Maßnahme Cash-flow
OHNE
6,45
VaR (Mio. DM)
6,66
Risiko (Szenario)1
Verhältnis von Risiko (Szenario)/VaR 1,03
DSGVM1
DSGVM2
DSGVM3
Benchmark
5,28
5,24
0,99
1,30
0,95
0,73
8,03
8,33
1,04
9,59
10,28
1,07
Da die Methoden zur Risikoberechnung gemäß Szenarioanalyse und nach Varianz-/
Kovarianzanalyse inhaltlich unterschiedlich konzipiert sind und auch die Ausgangsdaten der Berechnung unterschiedlichen Ursprung besitzen, ist eine Übereinstimmung der Ergebnisse hinsichtlich des Risikos nicht zu erwarten:
Die Werte der Szenarioanalyse wurden aus den Zinsschwankungen der letzen 12
Jahre als Risikoszenario ermittelt (siehe Abschnitt 3.2.1). In den letzten 12 Jahren
trat das berechnete Risiko exakt einmal ein; es wurde aber niemals überschritten.
Die hieraus geschätzte Wahrscheinlichkeit, daß das Risiko kleiner dem berechneten
Wert ist, ist somit 1 – 1/144 = 99,31%. Die entsprechende Wahrscheinlichkeit, daß
das berechnete Risiko kleiner gleich dem berechneten Wert ist, liegt noch über diesem Wert; sie kann im Rahmen der Schätzgenauigkeit nicht besser angegeben werden.
Bei der Szenarioanalyse werden keine Annahmen hinsichtlich des Typs der Verteilung für das Risiko (z. B. Normalverteilung) getroffen. Es ist durchaus zulässig, daß
relativ hohe Verluste häufiger auftreten, als es der Normalverteilung entspricht (»fat
tails«).
Die der Varianz-/Kovarianzanalyse zugrundeliegende Kovarianzmatrix wird aus
den letzten 250 Handelstagen geschätzt, wobei eine exponentielle Gewichtung der
Werte vorgenommen wird (die jüngere Vergangenheit zählt höher).
Auf die bereits diskutierten prinzipiellen Unterschiede der barwertigen Betrachtung und der Betrachtung auf Planungshorizont wird verwiesen (vgl. Abschnitt
3.3.1).
Dennoch zeigt die Übersicht oben, daß die Berechnung nach Szenarioanalyse und die
Berechnung gemäß Varianz-/Kovarianzanalyse tendenziell die gleiche Aussage liefern.
Das Verhältnis der Risikogrößen beträgt (mit Ausnahme des Risikos bei Szenario
DsgvM2) in etwa 1,0 bei einer Bandbreite von 0,99 bis 1,07. Die Ausnahme im Fall
DsgvM2 ist darauf zurückzuführen, daß hier das Szenario Dsgv+ – – kritisch ist. Dieser Typ von Verdrillung (bzw. ein stärkeres Absinken des »langen« Zinses in Relation
zum »kurzen« Zins) war im Jahr 1996 relativ häufig vertreten, daher auch ist der VaR
nach Varianz-/Kovarianzmethode im Vergleich zum Risiko aus der Szenarioanalyse
tendenziell höher.
1 Zu den Werten vgl. Abschnitt 5.4.3.
Warum muß die Gesamtbank als Portfolio betrachtet werden?
237
Abbildung 5.5 Typische VaR-Modelle
Modell
Aspekte
Varianz-/Kovarianz-Modelle
• Nichtlineare Risikoprofile (Optionen) nicht abbildbar
• Im ersten Schritt einfachste Implementierung; konzeptionelle Verbesserungen werfen wesentliche neue Fragen auf.
(z. B. JP Morgan, Risk-Metrics)
Historische Simulation
• grundsätzlich für alle Risikoprofile geeignet
• umfangreiche Datenreihen notwendig mit entsprechenden
Auswertungslaufzeiten
• Die Frage bleibt: Wieviel Verlaß ist auf die Historie?
Monte-Carlo-Simulation
• grundsätzlich für alle Risikoprofile gut geeignet
• lange Auswertungslaufzeiten
• Die Frage bleibt: Wieviel Verlaß ist auf die Historie,
und welche statistische Verteilung ist die richtige ?
Wegen der Vorteile der Szenarioanalyse im Vergleich zur Varianz-/Kovarianzanalyse
(vgl. Abschnitt 3.2.2) werden als VaR im Fortgang die Werte der Szenarioanalyse verwendet. Zwar kann für diese Werte kein exaktes Signifikanzniveau angegeben werden,
doch ist bekannt, daß das Signifikanzniveau deutlich größer als 99,31% ist. Weitere typische VaR-Modelle werden in Abbildung 5.5 kurz charakterisiert.
Interpretationen des VaR
Um die Übersichtlichkeit zu erhöhen und aufgrund der tendenziell längerfristigen
Planungshorizonte der Sparkassen wird im Fortgang nur noch der Planungshorizont
»3 Monate« untersucht.
Legt die Beispielsparkasse ihr im Zinsgeschäft gebundenes Vermögen im Zahlungsstrom der Benchmark an, so kann sie statistisch mit folgendem rechnen: Innerhalb
eines Zeitraumes von 12 Jahren wird einmal innerhalb des Planungshorizonts von drei
Monaten ein Verlust eintreten, der 12,97 Mio. oder größer ist. Im restlichen Zeitraum
beträgt der Verlust weniger als 12,97 Mio. Bei einem Vermögen von 400,75 Mio. wäre
das dauerhafte Überleben der Beispielsparkasse – hätte sie keine anderen Risiken bzw.
Verlustquellen – also gesichert.
Die Beispielsparkasse hat aber neben dem Zinsänderungsrisiko auch andere – nicht
unerhebliche – Risiken zu tragen. Selbst wenn davon ausgegangen wird, daß das
Risiko der Immobilienanlage, der Beteiligungen und der Aktien aus dem jeweils dort
gebundenen Vermögen abgedeckt wird, verbleiben das Adressenausfallrisiko im Kreditgeschäft sowie das Betriebsrisiko (Kosten im Aktiv- und Passivgeschäft werden
nicht durch entsprechende Margenbarwerte übertroffen). Gelingt es, diese Risiken
ebenfalls als VaR zu quantifizieren,1 liegt eine Information darüber vor, in welcher
1 Auf Einzelheiten kann im Rahmen dieser Untersuchung nicht eingegangen werden.
238
Wertorientierte Steuerung des Zinsänderungsrisikos
Weise das Gesamtvermögen durch einzelne Risikoquellen beansprucht bzw. »verzehrt« wird.
Das Wort »verzehrt« darf hierbei nicht wörtlich interpretiert werden. Der VaR geht
für die Bank im Rahmen der gegebenen Wahrscheinlichkeit nur dann verloren, wenn
die (außergewöhnliche) Verlustsituation eintritt. Die Bank muß mit dem VaR für ihre
Risikogeschäfte bürgen. Der dem VaR entsprechende Anteil des Vermögens wird aber
ebenso wie das restliche Vermögen in Risikogeschäften angelegt.
Die Summe1 aller als VaR abgebildeten Risiken darf eine vom Vorstand zu bestimmende Relation zum Vermögen nicht überschreiten, damit das dauerhafte Überleben
der Bank gesichert ist. Die sechste KWG-Novelle verlangt z. B., daß ein speziell berechneter VaR (Haltedauer 10 Bankarbeitstage, Konfidenzniveau 99 %) mit »Eigenkapital« (als speziell definierter Vermögensbegriff) unterlegt werden muß.2 Die KWGNovelle hat sich somit die Interpretation des VaR als »Bürgschaftskapital« zu eigen
gemacht.
Im Rahmen der Portfolioanalyse erhält der VaR eine weitere Interpretation, bei der
der VaR zur realen Kapitalgröße wird.
Bislang wurde implizit unterstellt, daß grundsätzlich kein Alternativgeschäft
existiert, das risikolos ist. Dies soll nun eingeführt werden:
Es wird vereinfachend angenommen, daß zu einem bestimmten Zins risikolos Geld
angelegt und aufgenommen werden kann. Tatsächlich ist eine risikolose Anlage bzw.
Aufnahme nur für jeweils eine Planungsperiode auf den Planungshorizont möglich
(im Beispiel Anlage im 3-Monatsgeld). Da aber von Planungshorizont zu Planungshorizont (also bei rollierender Planung) der »risikolose« Zins schwankt, ist die Existenz des risikolosen Zinses in der Realität nicht gegeben. Diese Fiktion kann allerdings als Näherung betrachtet werden, da das Performancekonzept explizit Bezug auf
einen Planungshorizont nimmt. Ferner existieren am Markt Geld/Brief-Differenzen,
die vernachlässigt werden.
Wird die genannte Prämisse akzeptiert, besitzen Mischungen aus risikoloser Anlage bzw. Aufnahme und risikobehafteter Anlage als Risiko und Return Werte, die dem
Mischungsverhältnis entsprechen.3 Im Fall der Beispielsparkasse wird bei Anlage des
Vermögens in der Benchmark ein Return von 4,26 Mio. bei einem Risiko bzw. VaR
von 12,97 Mio. erwirtschaftet. Die »risikolose« Anlage des Vermögens bringt bei 3,1%
3-Monatszins:
400,75 Mio. DM 0,031 3/12 = 3,1 Mio. DM.
1 Die »Summe« kann hierbei gegebenenfalls als statistische Summe unter Berücksichtigung der Kovarianzen zwischen den einzelnen Risikobereichen gebildet werden.
2 Auf Einzelheiten kann im Rahmen dieser Untersuchung nicht eingegangen werden.
3 Vgl. zu den folgenden Ausführungen auch Abschnitt 5.4.2.
Warum muß die Gesamtbank als Portfolio betrachtet werden?
239
Werden nun z. B. 25 % des Vermögens im 3-Monatsgeld, 75 % des Vermögens in der
Benchmark angelegt, so entsteht ein Return von 3,10 0,25 + 4,26 0,75 = 3,97
Mio. Der VaR beträgt 12,97 0,75 = 9,72 Mio. Eine Aufnahme von 3-Monatsgeld in
Höhe des Vermögens bei Anlage des doppelten Vermögens in der Benchmark erzeugt
einen Return von 3,10 – 1,00 + 4,26 2,00 = 5,42 Mio. bei einem VaR von
12,97 2 = 25,94 Mio. Die Abbildung 5.6 zeigt die Ergebnisse für Risiko und Return
bei einem Anteil der Anlage in der Benchmark von 0 bis 2 (entsprechend Anteil 3Monatsgeld 1 bis – 1).
Ertrag (Mio. DM)
Abbildung 5.6 Mischungen aus Benchmark (Anteil) und 3-Monatsgeld
6
5
4
3
0,0
1,0
2,00
2
1
0
0
5
10
15
20
30
25
Risiko (Mio. DM)
Ein Investor, dem nur ein effektives Vermögen von 12,97 Mio. zur Verfügung steht und
der bereit ist, den Totalverlust einmal in zwölf Jahren zu riskieren, kann nach den Ergebnissen in Abb. 5.6 folgendermaßen vorgehen:
Ein Betrag in Höhe von 400,75 Mio. – 12,97 Mio. = 387,78 Mio. wird risikolos zu
3,1% im 3-Monatsgeld aufgenommen. Die Gesamtsumme wird in der Benchmark
angelegt. Das erzeugte Risiko ist dann exakt 12,97 Mio. Der Return beträgt 4,26 Mio.
– 387,78 Mio. 3,1/1200 = 3,26 Mio. Das Risiko ist somit gleich dem Risiko der
Benchmark, der Return ist allerdings um die Kosten der Geldaufnahme im risikolosen
Zins gesunken.
Der Beispielsparkasse steht insgesamt ein Vermögen von 400,75 Mio. zur Verfügung. Von diesem Vermögen könnten 12,97 Mio. dem Risikomanager »Vermögensanlage in Zinstiteln« verantwortlich als reales Kapital übertragen werden. Diesem ist
erlaubt, mit der vorgegebenen Wahrscheinlichkeit (kleiner 0,00833) den Totalverlust
innerhalb von drei Monaten zu riskieren. Die Überlassung des Risikokapitals ist dabei
240
Wertorientierte Steuerung des Zinsänderungsrisikos
zinslos. Der Risikomanager kann sich entsprechend der obigen Überlegungen 387,78
Mio. zusätzliches Kapital risikolos leihen und die Gesamtsumme in der Benchmark
anlegen. Er realisiert dadurch exakt das vorgegebene Risiko. Sein Return ist um die
Kosten der Geldaufnahme gegenüber der Benchmark reduziert. Legt die Beispielsparkasse gleichzeitig das verbleibende Kapital in Höhe von 387,78 Mio. risikolos an, werden für die Gesamtbank die entsprechenden Kosten wieder verdient. Die Gesamtbank
erzielt damit Risiko und Return gemäß den Werten der Benchmark. Erfolgen Kapitalanlage und Kapitalaufnahme als internes Geschäft, können hierbei auch Geld/BriefDifferenzen vermieden werden.
Damit erlaubt das Konzept des VaR folgende – gegebenenfalls dezentrale –
Risikosteuerung der Gesamtbank:
Den einzelnen Risikobereichen wird in Höhe des VaR effektives Kapital zugewiesen, das innerhalb der Planungsperiode den Risikobereichen zinslos zur
Verfügung steht.
Die Risikobereiche können zusätzlich risikoloses Kapital (im Beispiel 3-Monatsgeld) zu Marktzinsen aufnehmen. Die Aufnahme kann extern oder intern
erfolgen.
Der VaR aus der Gesamtanlage (überlassenes effektives Kapital in Höhe des VaR
und zusätzliche risikolose Geldanlage) darf je Risikobereich das überlassene
Risikokapital nicht übersteigen. Die zusätzliche risikolose Geldaufnahme bzw.
die Struktur der Gesamtanlage ist also durch den vorgegebenen VaR limitiert.
Der Erfolg je Risikobereich wird an der vorgegebenen Benchmark (abzüglich
Kosten der risikolosen Geldaufnahme) gemessen.1
Die Gesamtbank legt das nicht als VaR den Risikobereichen überlassene Vermögen extern oder intern risikolos an.
Auf die genannte Weise realisiert die Gesamtbank die »Summe«2 der überlassenen VaR als Gesamtrisiko. Der erwartete Return bzw. die erwartete Performance entspricht der gewichteten Summe der Performancen der vorgegebenen Benchmarks.
RORAC 3 (Return on risk adjusted capital)
In den bisherigen Ausführungen wurden grundsätzlich absolute Risiko- und Returnwerte verglichen. Nicht berücksichtigt wurde bislang die (risikolose) Anlagealterna1 Dies bedeutet gleichzeitig, daß die effektive Kapitalüberlassung in Höhe des VaR mit der Performance der
Benchmark verzinst wird.
2 Die »Summe« ist hierbei gegebenenfalls wieder als statistische Summe zu verstehen.
3 Vgl. Groß, H., Knippschild, M.: Risikocontrolling in der Deutsche Bank AG, in: Rolfes, B., Schierenbeck, H.,
Schüller, S.: Risikomanagement in Kreditinstituten, Frankfurt 1995, S. 69–109. Vgl. ebenso Schierenbeck,
H.: Ertragsorientiertes Bankmanagement, Band 2, S. 474 ff.
Warum muß die Gesamtbank als Portfolio betrachtet werden?
241
tive, bei der alle Cash-flow auf den Planungshorizont angelegt werden. Um den erwarteten Return einer Alternative mit dem Risiko dieser Alternative in einer Kennzahl
abzubilden und gleichzeitig mit einer risikolosen Anlage1 auf den Planungshorizont
zu vergleichen, bieten sich relative Kennzahlen an. Hierzu wird ein relativer erwarteter
Return (Performancerel) – der Return, der über die risikolose Anlage hinaus erzielt
wird – ins Verhältnis gesetzt zum relativen Risiko. Das relative Risiko (VaRrel) umfaßt
dabei neben dem absolutem VaR auch den (möglich gewesenen, aber) entgangenen
risikolos erzielbaren Return bis zum Planungshorizont. Es ergeben sich folgende Definitionen:
Performancerel = Performance der Alternative i – risikolos erzielbarer Return
VaRrel = VaR + risikolos erzielbarer Return
Die obigen Interpretationen des VaR als »Bürgschaftskapital« oder auch effektiv an
Risikoeinheiten überlassenes Kapital legen es nahe, das Verhältnis aus dem hierdurch
erzielten Return abzüglich des »risikolos« erzielbaren Returns und dem eingesetzten
VaR zuzüglich des risikolos erzielbaren Returns zu bilden:
RORAC % =
Performancerel
VaRrel
100
Damit die Kenngröße RORAC eindeutig definiert ist, müssen stets das dem VaRrel zugrunde liegende Signifikanzniveau sowie die Haltedauer und der Planungshorizont
mitangegeben werden.
Für die Benchmark ergibt sich folgende Berechnung (Ausgangszahlen vgl. Tabelle
S. 243, Spalte per 28. 3. 97):
Performancerel (Benchmark) = Performance (Benchmark) – risikolos erzielbarer
Return
= 4,26 Mio. DM – 3,1 Mio. DM = 1,16 Mio. DM
VaRrel (Benchmark)
= VaR (Benchmark) + risikolos erzielbarer Return
= 12,97 Mio. DM + 3,1 Mio. DM = 16,07 Mio. DM
RORAC in % (Benchmark) = Performancerel (Benchmark)/VaRrel (Benchmark)
= 1,16 Mio. DM/16,07 Mio. DM = 7,22 %
Für die Beispielsparkasse kann die inzwischen bekannte Tabelle (vgl. Tab. 5.6 –5.8) somit um die Spalte »Risikolos 3-Monate« und die Zeilen »Performancerel«, »VaRrel«
und »RORAC %« in Tab. 5.9 erweitert werden:
1 Die Existenz einer risikolosen Performance ist insofern eine Näherungslösung, da sie nur bezogen auf
einen definierten Planungshorizont (hier: 3 Monate) gilt. Da das Performancekonzept explizit auf einen
Planungshorizont ausgerichtet ist, wird, wie bereits erläutert, von einer risikofreien Performance ausgegangen, die genau dann entsteht, wenn das gesamte Vermögen auf den Planungshorizont angelegt wird.
242
Wertorientierte Steuerung des Zinsänderungsrisikos
Tabelle 5.9
Maßnahme Cash-flow
OHNE
Performance (Mio. DM) 3,28
0,18
Performancerel
Risiko (Mio. DM) = VaR 9,05
12,15
VaRrel
1,48
RORAC %
DSGVM1
DSGVM2
DSGVM3
3,20
0,10
6,86
9,96
1,00
2,96
– 0,14
»–« 0,07
3,03
– 4,62
3,66
0,56
11,59
14,69
3,81
Risikolos
3 Monate
3,10
0,00
»–« 3,10
0,00
0,00
Benchmark
4,26
1,16
12,97
16,07
7,22
Interpretation des RORAC
Die Interpretation und inhaltliche Bedeutung des RORAC kann am besten anhand eines Risiko-Return-Diagramms (Abb. 5.7) erläutert werden. Im Fall der Beispielsparkasse liegt folgende Situation vor:
Return bzw. Performance (Mio. DM)
Abbildung 5.7 Beispielsparkasse
4,3
Benchmark
4,1
3,9
3,7
DSGVM3
3,5
3,3
OHNE
DSGVM1
3,1
risikolos
DSGVM2
2,9
2,7
2,5
0
2,5
5,0
7,5
10,0
12,5
15,0
17,5
20,0
Risiko = VARrel (Mio. DM)
Die Kennziffer RORAC entspricht exakt der Steigung der Geraden zwischen dem Koordinatenpunkt für die risikolose Anlage und den Diagrammpunkten für die Anlagealternativen. Die Anlagealternative mit der größten Steigung, d. h. mit dem höchsten RORAC,
ist aus Risiko- und Performancegesichtspunkten zu realisieren. Anlagealternativen mit
identischem RORAC sind insoweit gleichberechtigt, als es keine eindeutige Handlungsanweisung mehr geben kann. Die individuelle Präferenz des Entscheidungsträgers hinsichtlich der Bereitschaft, Risiken einzugehen, entscheidet über die gewählte »Allokation«.1
1 Vgl. auch Abschnitt 5.4.2.
Warum muß die Gesamtbank als Portfolio betrachtet werden?
243
Nach den obigen Ergebnissen (siehe VaR) besitzt jede Mischung aus der risikolosen
Anlage und einer risikobehafteten Anlage Risiko- und Returnpunkte, die auf der Verbindungsgeraden der risikolosen Anlage und der risikobehafteten Anlage liegen. Im
Beispiel kann somit jeder Punkt auf der Geraden zwischen der risikolosen Anlage
(3-Monatsgeld) und den jeweiligen Alternativen realisiert werden. Insbesondere ist es
möglich, die Punkte auf der Verbindungsgeraden zwischen dem 3-Monatsgeld und
der Benchmark zu erzeugen. Hierzu muß die Beispielsparkasse einen entsprechenden
Anteil des Vermögens in der Benchmark, den Rest im 3-Monatsgeld anlegen. Der
RORAC aller dieser Punkte auf der Verbindungslinie ist natürlich identisch mit dem
RORAC der Benchmark und beträgt 7,22 %.
Die Verbindungsgerade zwischen dem 3-Monatsgeld und der Benchmark liegt über
den Punkten für die anderen Anlagealternativen (OHNE, DsgvM1, DsgvM2,
DsgvM3). Diese Alternativen sind somit ineffizient. Auch wenn die Beispielsparkasse das Risiko der Benchmark nicht tragen will, ist eine Kombination aus Monatsgeld und Benchmark günstiger als jede der ineffizienten Anlagen.
Die Grafik vermittelt intuitiv das Gefühl, daß der zusätzliche Return mit »sehr viel«
Risiko bezahlt werden muß. Hierbei ist aber zu bedenken, daß
das Risiko lt. Definition um den risikolos erzielbaren Return (3,1 Mio.) erhöht ist
und
unterstellt wird, die Sparkasse würde drei Monate lang tatenlos dem negativen
Zinsverlauf zusehen. Dies ist unrealistisch, da bei einer nachhaltigen Zinsentwicklung in Richtung des Risikoszenarios in aller Regel bereits entsprechende dispositive Maßnahmen ergriffen werden.
Unter der Prämisse, die Reaktionszeit der Sparkasse in einer Krisensituation beträgt
statt der 3monatigen Haltedauer lediglich 21 (Arbeits-)Tage, ergibt sich das RisikoReturn-Diagramm in Abb. 5.81.
Es ist also von erheblicher Bedeutung für die Risikoberechnung, in welcher Frist
eine Sparkasse in einer Krisensituation reagieren kann. Eine generelle Aussage für die
»richtige« Haltedauer ist ebensowenig möglich wie für die »richtige« Länge des Planungshorizontes (vgl. Abschnitt 4.1.5). Es wird an dieser Stelle deutlich, daß die
Festlegung des Planungshorizontes von der Festlegung der Haltedauer abweichen
kann, da Sinn und Zweck unterschiedlich sind.
Je schneller ein Institut auf Marktveränderungen reagieren kann, desto geringer ist
auch das mit der aktuellen Dispositionsentscheidung verbundene Risiko. Allerdings
bleibt das Risiko bestehen, daß auch die neue Dispositionsentscheidung falsch ist. Das
Deckungspotential, das für eine bestimmte Frist (z. B. 1 Jahr) maximal zur Verfügung
steht, sollte daher das Risikolimit für die einzelne Haltedauer deutlich übersteigen, um
1 Die verwendeten VaR-Zahlen lt. Varianz-/Kovarianzanalyse sind Abschnitt 5.5 Value at Risk (VaR) entnommen.
244
Wertorientierte Steuerung des Zinsänderungsrisikos
nicht durch eine »Schieflage« handlungsunfähig zu werden. Bei der bisherigen Argumentation wurde als risikolose Anlage das 3-Monatsgeld verwendet. Eine zinslose
Anlage des Vermögens ist ebenfalls grundsätzlich risikolos. Die zinslose Vermögensanlage entspricht im Risiko-Return-Diagramm dem Koordinatennullpunkt. Sie ist
formal ebenfalls ineffizient und wird auch intuitiv als unsinnig betrachtet.1
Return bzw. Performance (Mio. DM)
Abbildung 5.8 Beispielsparkasse
4,3
Benchmark
4,1
3,9
3,7
DSGVM3
3,5
3,3
OHNE
DSGVM1
3,1
risikolos
DSGVM2
2,9
2,7
2,5
0
2,5
5,0
7,5
10,0
12,5
15,0
17,5
20,0
Risiko = VARVarianz/Kovarianz (Mio. DM)
Abschließend werden die Interpretationsvorteile eines RORAC mit relativen Returnund Risikokennzahlen gegenüber einer vereinfachten absoluten Betrachtungsweise
verdeutlicht. Die Unterschiede stellt das folgende Risiko-Return-Diagramm dar:
1 Hierzu ist generell folgendes anzumerken:
In den vorangegangenen Ausführungen wurde vorausgesetzt, daß es die risikolose Anlage zumindest bis
zum Planungshorizont gibt. In der Realität gibt es aber keinen Return ohne Risiko! Diese »Fiktion« der
risikolosen Anlage konnte und mußte im vorgestellten Zusammenhang deshalb aufrechterhalten werden,
da sich die Ausführungen ausschließlich auf das Risikokapital für Zinsänderungsrisiken beziehen. Betrachtet man zusätzlich Risikoaufschläge für die generelle Kapitalüberlassung etc., so gäbe es keinen risikolosen Zins; diesen Risikoabschlag dürfte man aber nicht nur beim »risikolosen« Fall, sondern müßte
ihn auch in allen anderen Fällen kalkulieren. Letztlich bleiben sämtliche Relationen zur Berechnung des
RORAC, bezogen auf das Zinsänderungsrisiko, gewahrt und die hier getroffenen Aussagen richtig. Die
weiteren Risikobestandteile sind gesondert im Rahmen der Gesamtinstitutssteuerung »in Rechnung« zu
stellen.
Warum muß die Gesamtbank als Portfolio betrachtet werden?
245
absoluter Return
Abbildung 5.9 Risiko-Return-Diagramm zum Vergleich der unterschiedlichen
RORAC-Konzeptionen
4,5
4,0
Benchmark
G3
M3
3,5
risikolos
ohne
M1
M2
3,0
Umschichtung 2
2,5
Umschichtung 1
2,0
G1
G2
1,5
1,0
0,5
1,0
–4
–2
0
2
4
6
8
10
12
14
absolutes Risiko
Der »RORAC« wird in der Literatur häufig aus der Division des realistisch erwarteten
(Netto-)Ertrags (Return) durch die zu einem bestimmten Wahrscheinlichkeitsniveau
maximale negative Vermögensänderung (Risiko) ermittelt. Grafisch ist dies die Steigung einer Geraden, die vom Ursprung aus auf den Risiko-Return-Koordinatenpunkt
trifft (z. B. G1, G2.) Mit dieser Geraden gibt man an, wieviel zusätzlicher Ertrag mit jeder zusätzlichen Risikoeinheit erwartet werden kann.
Die in dem Risiko-Return-Diagramm abgebildeten Koordinatenpunkte »M1«,
»M2«, »M3«, »ohne« und »Benchmark« und deren Verbindungslinie mit dem Koordinatenursprung sind als Entscheidungsgrundlage in dieser Form jedoch wenig aussagekräftig. In der Interpretation hätte dies zur Folge, daß mit zunehmender Umschichtung des Risikokapitals aus der Anlagealternative (im Beispiel der Benchmark) in die
risikolose Anlage1 (hier beispielhaft dargestellt durch »Umschichtung 1« [G1] und
»Umschichtung 2« [G2]) ein solchermaßen berechneter RORAC steigt. Diese Kennzahl leidet im Zinsbereich somit unter einem systematischen Mangel. Da es mit Sicht
auf den Planungshorizont im reinen Zinsbereich eine »risikolose« Anlage gibt, strebt
solch ein RORAC mit zunehmender Umschichtung gegen unendlich.
Um diese Schwächen zu umgehen, wird der oben definierte »relative« RORAC vorgeschlagen. Der »relative« RORAC stellt hierbei das Verhältnis des relativ erwarteten
1 Das negative Risiko bei der Alternative »risikolos« resultiert, wie bereits mehrfach erläutert, aus der
Anlage des Vermögens auf den Planungshorizont und damit aus dem sicheren Zinsgewinn vom Kalkulationszeitpunkt bis zum Planungshorizont.
246
Wertorientierte Steuerung des Zinsänderungsrisikos
Returns zum relativen Risiko dar. Alle Punkte auf der Verbindungsgeraden zwischen
risikoloser Anlage und Benchmark (G3) führen zum identischen RORAC und sind
insoweit aus Risiko- und Performancegesichtspunkten gleichberechtigt.
Anlagealternativen mit höherem RORAC dominieren somit Anlagen mit niedrigerem RORAC. Das Risiko-Return-Ergebnis einer Anlage mit niedrigerem
RORAC kann durch eine entsprechende Mischung aus risikoloser Anlage und
der Anlage mit höherem RORAC übertroffen werden. Die Risikozuteilung sollte
in der Rangfolge der Risikobereiche nach RORAC erfolgen.
RAROC (risk adjusted return on capital)
Die Größe RAROC (risk adjusted return on capital) besitzt folgende Definition:
RAROC % =
Performancerel – Ziel RORAC VaRrel
100
VaRrel
Der ZielRORAC % entspricht hierbei dem RORAC, der in der vorgegebenen Benchmark erreicht wird. Die Größe ZielRORAC % VaRrel ist der Return, der entsprechend dem eingegangenen VaR in der konkret zu beurteilenden Anlagealternative erzielt werden müßte, damit diese den gleichen RORAC besitzt wie die Benchmark.
Zur exakten Definition müssen das zum VaR gehörende Signifikanzniveau und die
Haltedauer mitangegeben werden.
Die obige Gleichung läßt sich umformen:
RAROC % =
Performancerel
Ziel RORAC VaRrel
100 –
100
VaRrel
VaRrel
= Ist RORAC – Ziel RORAC
Die Größe RAROC reduziert sich somit auf einen als Differenz ausgedrückten Vergleich des in der Benchmark erwarteten RORAC mit dem in der Anlagealternative erwarteten RORAC.
Im Fall der Beispielsparkasse ergeben sich die Werte in Tabelle 5.10:
Tabelle 5.10
Maßnahme Cash-flow
OHNE
DSGVM1
DSGVM2
DSGVM3
Ist-RORAC %
Ziel-RORAC (Benchm.)
RAROC %
1,48
7,22
– 5,74
1,00
7,22
– 6,22
– 4,62
7,22
– 11,84
3,81
7,22
– 3,41
Risikolos
3 Monate
*
7,22
Benchmark
7,22
7,22
0,00
* nicht definiert
Warum muß die Gesamtbank als Portfolio betrachtet werden?
247
Die Benchmark selbst besitzt den RAROC null, da sie die Zielsetzung exakt erfüllt.
Alle anderen Alternativen erhalten einen negativen RAROC, da ihr RORAC unter der
Zielsetzung liegt.
Da die Größe RAROC lediglich eine aus dem RORAC abgeleitete Größe darstellt,
kommt ihr inhaltlich keine neue Qualität zu.
5.6
Risikolimitierung und MaH
Die »Mindestanforderungen an das Betreiben von Handelsgeschäften (MaH)«1 fordern neben einer Reihe von organisatorischen Voraussetzungen die Ermittlung und
Limitierung der in den Handelsgeschäften eingegangen Risiken. In den zur Zeit diskutierten Basler Richtlinien zur Ermittlung des Zinsänderungsrisikos werden ähnliche
Forderungen nicht nur für den Handelsbestand, sondern für die Gesamtbank erhoben.2
In Kapitel 3 – insbesondere in den Abschnitten 3.2 (barwertige Risikoanalyse) und
3.3 (Risikoanalyse auf Planungshorizont) wurden zu Risikosteuerung und Risikolimitierung auf Basis des Cash-flow verschiedene geeignete Verfahren vorgestellt. Im
Konzept des VaR (Abschnitt 5.5) liegt eine Verfeinerung dieser Ansätze vor. Mit den
bisher dargestellten Methoden können somit die Risiken im Zinsgeschäft sowohl für
die Gesamtbank als auch für beliebige Teilbereiche berechnet und limitiert werden.
Auf Verfahren zu Berechnung und Limitierung von Risiken in anderen Risikobereichen (Währungen, Aktien, Adressenrisiko etc.) einzugehen ist nicht Thema dieser
Untersuchung.3
Die vorliegende Untersuchung liefert also voll geeignete Methoden sowohl zur Erfüllung der MaH als auch der neuen Baseler Richtlinien. Insofern sind Wiederholungen nicht nötig.
Ergänzend soll jedoch auf folgende wichtige Tatbestände hingewiesen werden:
Das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen hat festgelegt, daß die MaH nicht nur
auf die reinen Handelsgeschäfte, sondern mindestens auch auf das Depot A der
Banken anzuwenden sind.
Die Einbeziehung des Depot A in die Risikoberechnung bedeutet aber für viele
Sparkassen eine erhebliche Überschätzung des Risikos, da das Depot A in hohem
Ausmaß der Anlage entsprechender Kundengeschäfte dient und somit in diesem
Anteil nicht Risikoposition, sondern Hedgeposition ist. Zu Einzelheiten wird auf
1 Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen: »Mindestanforderungen an das Betreiben von Handelsgeschäften der Kreditinstitute« vom 23.10.1995.
2 Baseler Ausschuß für Bankenaufsicht: Grundsätze für das Management des Zinsänderungsrisikos, Basel
September 1997.
3 Vergleiche hierzu DSGV-Leitfaden zur Umsetzung der MaH des DSGV S. 78–89.
248
Wertorientierte Steuerung des Zinsänderungsrisikos
die entsprechenden Ergebnisse in Kapitel 3 und 4 sowie auf die Ergebnisse für die
Pilotsparkassen verwiesen.
In dieser Situation bietet es sich an, die »Mindestanforderungen« nicht nur zu erfüllen, sondern über das gesetzlich geforderte Mindestmaß hinaus alle Zinsinstrumente gemeinsam zu analysieren. In der vorliegenden Untersuchung wurde gezeigt,
daß eine Berechnung des Zinsänderungsrisikos (und anderer Risiken) für die Gesamtbank problemlos zu bewältigen ist. Diese Betrachtung der Gesamtbank erfüllt
nicht nur die Mindestanforderungen (in dem über das gesetzliche Mindestmaß
hinausgegangen wird), sondern bietet gleichzeitig wirkungsvolle betriebswirtschaftliche Informationen zur Steuerung der Sparkasse. Die MaH sind bei dieser
Vorgehensweise ein Katalysator für ein sinnvolles und notwendiges Steuerungsinstrument, das nicht nur externen, sondern auch internen Zwecken dient.
Im Leitfaden des DSGV zur Erfüllung der MaH1 wird diese Position bereits vor Beginn der Machbarkeitsstudie vertreten. Die Machbarkeitsstudie bestätigt die dort
getroffenen Aussagen in vollem Maße.
Besonders hervorzuheben ist, daß bei dieser Vorgehensweise auch die Baseler
Richtlinien zur Steuerung des Zinsänderungsrisikos mit der gleichen Methode erfüllt werden, so daß doppelte Arbeit vermieden wird und die Bank intern und extern in jeder Hinsicht ein einheitliches Steuerungssystem verwenden kann. Da die
Baseler Grundsätze auch Basis für eine Reform bestehender aufsichtlicher nationaler Regelungen zum Zinsänderungsrisiko sein werden (Anschreiben des BAKred
zum Baseler Papier), ist man durch das hier vorgestellte Steuerungsmodell auch für
zukünftige Anforderungen vorbereitet.
Die MaH verlangen eine tägliche Bewertung und Risikoabschätzung der Finanzinstrumente des Anwendungsbereichs. Die exakte Bewertung des Summen-Cashflow ist derzeit nur monatlich möglich, da die zugrundegelegte Zinsbindungsbilanz
nur monatlich zur Verfügung steht. Dennoch sind Bewertungs- und Limitierungsanforderungen der MaH mit dem vorliegenden Konzept auch für das gesamte Zinsbuch unmittelbar umsetzbar. Hierzu sind folgende Schritte nötig:
1. tägliche Bewertung des Summen-Cash-flow mit der aktuellen Zinsstrukturkurve.
2. tägliche Adjustierung des Summen-Cash-flow um abgeschlossene »Großgeschäfte« ab einer sparkassenindividuell festzulegenden Grenze.
3. Nutzung eines Abschätzungsverfahrens zur Bildung von Simulationen für die
im Monatsverlauf »üblicherweise« auftretenden Änderungen im SummenCash-flow.2
4. tägliche Risikobewertung mit Hilfe des Szenarioverfahrens aus Abschnitt 3.3.
1 DSGV: Leitfaden zur Umsetzung der Verlautbarung des BAKred vom 23.10.1995 über »Mindestanforderungen an das Betreiben von Handelsgeschäften der Kreditinstitute«, 15. Januar 1996.
2 Vgl. DSGV-Umsetzungsleitfaden für die MaH.
Und die praktische Umsetzung?
249
Langfristig sollte das Abschätzungsverfahren zugunsten der täglichen Datenbereitstellung abgelöst werden.
Teilweise – insbesondere bei Anwendung des Elastizitätskonzepts – wird zur Erfüllung der MaH nicht mit barwertigen, sondern mit bilanziellen Risiken gearbeitet.
Diese Vorgehensweise wird derzeit von der Aufsichtsbehörde nicht beanstandet.
Zur Erfüllung der Baseler Richtlinien zur Steuerung des Zinsänderungsrisikos ist
diese Vorgehensweise sogar explizit alternativ zugelassen.
In Kapitel 4 wurde ausdrücklich auf die Gefahren, die eine ausschließliche Orientierung an bilanziellen Größen mit sich bringt, hingewiesen. Die Erfüllung der genannten Richtlinien im Wege der Berechnung und Limitierung bilanzieller Risiken
kann somit zwar derzeit den gesetzlichen Anforderungen genügen. Eine betriebswirtschaftlich sinnvolle Risikosteuerung wird damit nicht erreicht.
Fazit:
Die Ergebnisse der Machbarkeitsstudie unterstreichen eindrucksvoll die Vorteile
einer Steuerung nach Performance in Relation zum Risiko und die entsprechende Limitierung der realen, betriebswirtschaftlichen Risiken. Die gleichzeitige Beschränkung des Risikos nach bilanziellen Gesichtspunkten bildet hierbei eine
Nebenbedingung, nicht aber die Leitgröße.
6
Und die praktische Umsetzung?
In diesem Kapitel werden einige Hinweise zur praktischen Umsetzung des Performancekonzepts diskutiert.
6.1
Dezentrale Steuerung
Die bisherigen Überlegungen waren primär darauf abgestellt, das Zinsänderungsrisiko (und entsprechend alle anderen Risiken) zentral zu steuern. Diese Aufgabe liegt bei
kleineren Sparkassen i. d.R. beim Vorstand selbst mit Unterstützung durch das Controlling, zumindest bei größeren Instituten sollte eine Organisationseinheit »Treasury« (Zentraldisposition, Aktiv/Passiv-Steuerung o. ä.) installiert werden, deren
primäre Aufgabe die Allokation des Vermögens im Spannungsfeld von Risiko und Return ist (vgl. auch Abschnitt 6.2). Während die Marktbereiche also weitgehend dezentral agieren können,1 ist die Risikosteuerung im bisherigen Ansatz eine zentrale Aufgabe. Dies widerspricht existierenden Organisationsformen, in denen die Risiko- und
Returnsteuerung teilweise dezentralen Einheiten überlassen wird. So steuern z. B.
Handelsabteilungen in vielen Häusern im Rahmen von Limiten ihr Risiko selbst, ohne
1 Siehe Ergebnisse des Projektteils 2 der Machbarkeitsstudie.
250
Wertorientierte Steuerung des Zinsänderungsrisikos
über die Gesamtsituation des Instituts informiert zu sein. Nachfolgend wird gezeigt,
mit welchen Methoden auch die Dezentralisierung der Risiko- und Returnsteuerung
möglich ist. Die Ausführungen beschränken sich auf das Zinsänderungsrisiko; die
hierbei gewonnenen Ergebnisse können analog auf andere Risikobereiche übertragen
werden.
In Abschnitt 5.4.3 wurde für die Beispielsparkasse als Benchmark die Strukturierung des Cash-flow nach dem gleitenden Zehn-Jahresdurchschnitt vorgegeben. Die
Tabelle 6.1 zeigt wiederholend den Cash-flow nach Benchmark, Ist-Zustand sowie die
Abweichung voneinander.
Tabelle 6.1 Cash-flow
Datum
Benchmark
Ist
Abweichung
03. 07. 97
03. 01. 98
03. 07. 98
03. 01. 99
03. 07. 99
03. 01. 00
03. 07. 00
03. 01. 01
03. 07. 01
03. 01. 02
03. 07. 02
03. 01. 03
03. 07. 03
03. 01. 04
03. 07. 04
03. 01. 05
03. 07. 05
03. 01. 06
03. 07. 06
03. 01. 07
30,66
29,98
29,46
28,93
28,41
27,89
27,36
26,84
26,32
25,79
25,26
24,74
24,22
23,70
23,17
22,65
22,13
21,61
21,08
20,56
– 101
126
72
68
65
62
58
6
53
70
40
48
–3
– 19
– 24
1
– 24
– 24
– 34
– 14
– 131,66
96,02
42,54
39,07
36,59
34,11
30,64
– 20,84
26,68
44,21
14,74
23,26
– 27,22
– 42,70
– 47,17
– 21,65
– 46,13
– 45,61
– 55,08
– 34,56
Limitierung der Abweichung
Die Übersicht kann zur dezentralen Steuerung speziell ausgenutzt werden:1
Der Vorstand (bzw. Gewährträger, Eigentümer der Bank)2 erwartet aus dem im
Zinsgeschäft gebundenen Vermögen eine Performance bzw. ein Risiko gemäß Bench1 Vgl. auch Piaskowski, F.: Treasury im Barwertkonzept, in: Die Bank, 5/93.
2 Nachfolgend soll nicht mehr zwischen dem Vorstand und den Eigentümern der Bank unterschieden werden. Es wird unterstellt, daß der Vorstand im Auftrag und Sinn der Eigentümer handelt.
Und die praktische Umsetzung?
251
mark. Soll sich diese Erwartung bestätigen, muß das Vermögen gemäß Benchmark
angelegt werden. Andernfalls wäre die Benchmark zu wechseln, da jede Abweichung
von der Benchmark eine von der Vorgabe abweichende Risiko- und Performancesituation erzeugt.
Der Vorstand billigt jedoch dezentralen Einheiten – hier zunächst dem Treasury –
bessere Kenntnisse der Zinsentwicklung zu als sich selbst. Damit das Treasury diese
Kenntnisse umsetzen kann, muß ihm eine Abweichung von der Benchmark zugestanden werden.1 Tatsächlich liegt im Ist auch eine Abweichung von der Benchmark vor.
Naturgemäß muß das Treasury hierbei ein Limit einhalten.
Das Risikolimit für das Treasury bezieht sich nun aber nicht mehr – wie bei den bisherigen Überlegungen – auf den Ist-Zustand selbst, sondern auf die Abweichung des
Ist-Zustandes von der Benchmark.
Im Beispiel besitzt die Benchmark ein Risiko bzw. VaR von 12,97 Mio. Wird dem
Treasury ein Limit auf die Abweichung von der Benchmark von 3 Mio. zugestanden,
wäre der Ist-Zustand (VaR 9,05 Mio.) ebenso außerhalb des Limits wie DsgvM1 (VaR
6,86 Mio.) und DsgvM2 (VaR »–« 0,07 Mio.). Lediglich die Maßnahme DsgvM3 wäre
mit einem VaR von 11,59 Mio. zugelassen.
Die neue Sichtweise – Limitierung des Treasury durch die Abweichung von der
Benchmark – verhindert also nicht nur ein zu hohes Gesamtrisiko, sondern auch
ein in bezug auf die Benchmark zu niedriges Risiko.
Das Risiko für die Abweichung von der Benchmark wurde bisher als Differenz der
Risiken berechnet. Eine bessere Vorgehensweise hierzu ist, das Abweichungsrisiko direkt aus dem Differenzzahlungsstrom (Ist-Cash-flow – Benchmark) zu berechnen. Bei
dieser Vorgehensweise hat das Treasury kein Risiko, wenn es die Benchmark erfüllt
(Differenzzahlungsstrom gleich null). Eine Abweichung in Richtung höheres Gesamtrisiko wird ebenso wie eine Abweichung in Richtung niedrigeres Gesamtrisiko gewertet. Das Abweichungsrisiko wird vom Vorstand limitiert.
Die Vorgehensweise garantiert, daß die Gesamtbank im Risiko nicht um mehr als
das dem Treasury gesetzte Limit vom Risiko der Benchmark abweicht. Damit ist eine
dezentrale Risikosteuerung möglich. Der Vorstand ist für die Benchmark (und deren
Anpassung an neue Strategien) zuständig. Er genehmigt ferner das Limit für das Treasury als Abweichungslimit von der Benchmark. Das Treasury kann innerhalb des
Limits frei Dispositionsentscheidungen treffen, ohne den Vorstand jeweils aktuell zu
informieren.
Die aufgezeigte Dezentralisierung kann nicht nur zwischen Vorstand und Treasury
durchgeführt werden. Sie ist für beliebige Organisationseinheiten denkbar und kann
auch in mehreren Stufen nacheinander erfolgen. Zum Beispiel kann das Treasury
1 Vgl. auch Abschnitt 5.4.3.
252
Wertorientierte Steuerung des Zinsänderungsrisikos
wiederum Limits an den Handel, dieser wiederum Limits an den Geldhandel etc. bis
herab zum einzelnen Händler setzen. Da sich die jeweiligen Organisationseinheiten
nicht mehr zwingend über ihre Positionen informieren müssen, müssen die »Abweichungs-«Risiken strikt zum »Benchmark-«Risiko addiert werden, um das Gesamtrisiko der Bank zu ermitteln.1
Interne Geschäfte
Das vorgeschlagene System dezentraler Risikosteuerung läßt sich durch ein System, in
dem interne Geschäfte möglich sind, elegant realisieren:
Im Beispiel legt der Vorstand beim Treasury das im Zinsgeschäft gebundene Vermögen gemäß Benchmark an. Das Treasury hat also beim Vorstand Schulden in Höhe
des Vermögens gemäß der vorgegebenen Struktur. Hierzu werden zwei interne Konten
geführt, die die Habenposition des Vorstands und die Sollposition des Treasury zeigen. Analog werden zwischen allen dezentralen Risikoeinheiten interne Geschäfte abgeschlossen, die sich in internen Konten wiederfinden.
Mit Hilfe dieser internen Konten lassen sich folgende Auswertungen gewinnen:
Wird über alle Konten der Gesamtbank (inkl. der internen Konten) summiert, so
ergibt sich als Cash-flow der Ist-Zustand, da sich die internen Geschäfte gegenseitig
aufheben. Das Ist-Risiko der Gesamtbank kann also jederzeit berechnet werden.
Wird nur über die Konten des Vorstandes addiert, so existiert dort nur das interne
Habenkonto. Die Summierung ergibt somit den Cash-flow der Benchmark. Das
entsprechende Risiko kann wiederum berechnet werden.
Eine Summenbildung über alle Konten des Treasury (inkl. des internen Sollkontos
des Treasury) führt zum Cash-flow der Abweichung von der Benchmark. Das Treasury hat somit ein Risiko gegenüber der Vorgabe des Vorstandes.
Durch Vorgabe eines Risikolimits an das Treasury ist der Vorstand in der Lage, dem
Treasury dezentral Entscheidungsfreiheit im abgesteckten Rahmen zu gewähren,
ohne die Gesamtsteuerung der Bank in Form der Benchmark aus der Hand zu geben.
Analoge Steuerungsmechanismen können zwischen beliebigen Risikoeinheiten der
Bank installiert werden.
6.2
Die neuen Herausforderungen für Disposition und Rechnungswesen
Sparkassen werden zur Zeit überwiegend nach bilanziellen Kenngrößen gesteuert. Die
neue Sichtweise der Bank als Portfolio mit dem Primärziel der Erzielung einer mög1 Hierin liegt gleichzeitig die Problematik der dezentralen Risikosteuerung. Es kann durchaus sein, daß
einzelne Einheiten gegenläufige Positionen halten, die sich im Gesamtrisiko aufheben. Bei dezentraler
Risikosteuerung muß aber in Unkenntnis dieser Positionen das Risiko addiert werden. Die Position zählt
also doppelt, obwohl sie sich in Wirklichkeit aufhebt.
Und die praktische Umsetzung?
253
lichst guten Performance auf das Vermögen unter Beachtung des eingegangenen Risikos weist den bilanziellen Kenngrößen hingegen die Rolle einer Nebenbedingung zu,
für die bestimmte Kriterien strikt eingehalten werden müssen. Dies bedeutet neue
Herausforderungen für Disposition und Rechnungswesen.
Aufbau der Abteilung bzw. des Aufgabenbereichs »Treasury«
In vielen Instituten findet eine portfolioorientierte Gesamtsteuerung der Bank im
Sinn der Abschnitte 3.1 und 5.3 noch nicht institutionalisiert statt. Der Vermögensmix
wird nur sporadisch durch Vorstandsbeschluß festgelegt, etwa beim Erwerb oder Verkauf von Immobilien, wesentlichen Beteiligungen oder bei neuen Vorgaben für das
Volumen der Aktienanlage und dessen nationaler und internationaler Streuung.
Ebenso ist die Strukturierung des Vermögens in Zinsgeschäft nicht strikt organisiert.
Zwar wird das Zinsänderungsrisiko regelmäßig überwacht, und es werden strategische
Anlageentscheidungen (z. B. im Depot A) getroffen, doch fehlt häufig die systematische Zuordnung dieser Aufgaben auf Organisationseinheiten oder entsprechende
regelmäßig tagende Ausschüsse. Sofern in einzelnen Instituten bereits eine Abteilung
»Disposition« existiert, nimmt diese überwiegend nur einen Teilbereich der angesprochenen Aufgaben wahr – etwa die Refinanzierung des laufenden Neugeschäfts. Häufig
wird die generelle Vermögensanlage auch von Handelsabteilungen »nebenbei« miterledigt.
Es versteht sich von selbst, daß die in der vorliegenden Studie aufgezeigten Aufgaben der generellen Vermögenssteuerung und im Speziellen der Steuerung des Vermögens im Zinsgeschäft einer Institutionalisierung bedürfen. Die Bezeichnung »Treasury« könnte hierbei den Aufgabenbereich zutreffend beschreiben. Wegen der hohen
Bedeutung der Aufgabe muß die entsprechende Stelle direkt dem Vorstand unterstellt
werden und den Vorstand laufend über seine Aktivitäten informieren. Nur in kleinen
Instituten können regelmäßig tagende Arbeitskreise mit entsprechender Entscheidungsvollmacht eine entsprechende Stelle ersetzen.
Die Umsetzung des vorliegenden neuen Ansatzes bedarf entsprechender organisatorischer Änderungen. Letztlich muß die Verantwortung für die Erfüllung der
bestehenden Aufgaben bestimmten Personen bzw. Institutionen zugewiesen
werden. In der Sparkasse entstehen neue Einheiten mit fachlichen Anforderungen und Aufgaben, die es in dieser Art bisher institutionell nicht gegeben hat.
Neue Aufgaben des »traditionellen« Rechnungswesens
In der Berichterstattung der Sparkasse müssen natürlich nach wie vor Bilanz und GuV
– ergänzt um weitere Kennziffern und Mengeninformationen – einen wesentlichen
Platz einnehmen. Ein ausschließliches Reporting über die Performance ist derzeit
nicht denkbar.
254
Wertorientierte Steuerung des Zinsänderungsrisikos
Deshalb ist es unumgänglich, die Zinsergebnisplanung parallel mit der Planung der
Performance durchzuführen. Bilanz und GuV dienen dabei aber nicht als primäre
Steuerungsgröße – diese kommt der Performance zu –, sondern erhalten die Rolle
einer strikten Nebenbedingung: Nur wenn Bilanz und GuV bei den relevanten Institutionen das erwartete bzw. gewünschte Bild abgeben, kann die Planung als abgeschlossen gelten und in entsprechende Maßnahmen umgesetzt werden.
Gleiches trifft für die Einhaltung aufsichtsrechtlicher Normen zu. Diese Normen
müssen unbedingt erfüllt werden. Dies bedeutet, daß die Sparkasse jederzeit den aktuellen Status kennen und in der Lage sein muß, die Auswirkungen eventueller Maßnahmen auf die gesetzlichen Forderungen zu simulieren. Auch diese Normen begrenzen den Spielraum der Performancesteuerung und sind als Nebenbedingung strikt
einzuhalten.
Die Ergebnisse und Kennzahlen des traditionellen Rechnungswesens lassen sich
jedoch nicht als »Eins-zu-eins«-Beziehung aus den Planungen zur Performance ableiten. Die Generierung des gewünschten Zahlungsstromes kann mit den unterschiedlichsten Instrumenten (Kundengeschäft, Wertpapiere im Anlage- oder Umlaufvermögen, Finanzinnovationen) erfolgen. Die GuV-Auswirkungen können hierbei sehr
unterschiedlich sein. Zudem können GuV und Bilanz durch Bewertungsrechte in hohem Maß gestaltet werden. Es steht eine Vielzahl von Möglichkeiten zur Verfügung,
das GuV-Ergebnis durch Auf- oder Abbau von stillen Reserven zu beeinflussen. Hierzu bestehen die Möglichkeiten nicht nur innerhalb des Zinsgeschäfts (vgl. Abschnitt
4.1.3), sondern vor allem auch außerhalb des Zinsgeschäfts.
Die Managementaufgabe der Planung und Gestaltung von GuV und Bilanz sowie
entsprechender Kennziffern besteht darin, die gegebenen Möglichkeiten im Rahmen
der gesetzlichen Regelungen und als »üblich« angesehenen Gepflogenheiten gestalterisch auszunutzen. In Jahren, in denen die vorliegenden Bewertungskriterien »zu gut«
ausfallen, wird der Spielraum dazu genutzt, die Kennziffern gestalterisch zu verschlechtern. Dadurch werden automatisch Reserven gebildet, die später bei Bedarf
aufgelöst werden können. Durch das Performancekonzept kennt das Institut seine
tatsächlichen wirtschaftlichen Verhältnisse. Die GuV-Ergebnisse können unter
Berücksichtigung des Effekts der Ergebnisglättung entsprechend seriös ausgewiesen
werden.
Dem klassischen Rechnungswesen kommt eine neue Rolle zu, die das bisherige
Bild erweitert. Wesentliche Maßnahmen des Treasury müssen von Beginn an mit
dem Rechnungswesen abgesprochen werden. Hierbei kommt es darauf an, die
konkrete Gestaltung des Geschäfts in verschiedenen Varianten simulativ zu planen und die Art der Realisierung auszuwählen, die das gewünschte Bild in der
Öffentlichkeit erzeugt. Aber auch nach Geschäftsabschluß muß die Entwicklung
stets beobachtet und der Bewertungsspielraum genutzt werden.
,
Und die praktische Umsetzung?
6.3
255
Konsequenzen für Reporting und Betriebsvergleich/Standardreports
Das innerbetriebliche Controlling der Bank vollzieht sich derzeit über ein System von
Kenngrößen bzw. Kennziffern. Hierzu werden sowohl Mengengrößen als auch Wertgrößen ermittelt, die als solche selbst oder als hieraus abgeleitete Größen (z. B. Verhältniszahlen) den Kern der innerbetrieblichen Berichterstattung bilden. Gleiches gilt
für den überbetrieblichen Vergleich. Hier werden möglichst exakt definierte Kenngrößen und Kennziffern von den Sparkassenverbänden gesammelt und zum Zwecke
des Vergleichs unterschiedlicher Institute ausgewertet.
Sofern es sich bei den genannten Kenngrößen um solche handelt, die auch Gegenstand des externen Rechnungswesens sind und die prinzipiell der Öffentlichkeit
zugänglich sind, gelten die Ausführungen des obigen Abschnitts. Diese Kennziffern
müssen bewußt gestaltet werden und damit auch gestaltbar sein. Änderungen an der
Definition der Kennzahlen oder die Entwicklung neuer Kennzahlen sind in diesem
Fall nur angebracht, wenn dies durch eine Neugestaltung bestimmter Regeln der externen Rechnungslegung notwendig ist.
An interne Steuerungsgrößen müssen jedoch andere Anforderungen gestellt werden. Diese Steuerungsgrößen sollen letztlich der Erfüllung des Hauptzieles – der
Steigerung der Performance der Sparkasse – dienen. Als internes Steuerungs- und Vergleichssystem dürfen sie keinen Spielraum zur manipulativen Gestaltung lassen. Gleiches gilt für den überbetrieblichen Vergleich, sofern dieser die realen Verhältnisse
widerspiegeln soll.
Sofern es sich bei den internen Kenngrößen um reine Mengenangaben handelt
(z. B. Anzahl der Kunden, Konten, Darlehensabschlüsse, vermitteltes Bauspargeschäft
etc.) bestehen relativ geringe Möglichkeiten, die Daten manipulativ zu beeinflussen.
Insofern sind hier keine Änderungen notwendig.
Bei allen internen Kenngrößen, die Wert- bzw. Erfolgskomponenten enthalten,
sind jedoch zum Teil tiefgreifende Neudefinitionen erforderlich. Ursächlich hierfür
sind drei Problemkreise:
Das Performancekonzept fußt auf Marktwerten bzw. Vermögenswerten, also nicht
bilanziellen Werten. Folglich sind alle Kenngrößen, die bilanzielle Werte enthalten,
ungeeignet. Die entsprechenden bilanziellen Werte müssen bei der Definition
der Kenngröße durch den Marktwert bzw. Vermögenswert ersetzt werden.
Im Performancekonzept zählt nicht nur der Zinsüberschuß (gegebenenfalls zuzüglich bilanzieller Wertveränderungen und sonstiger Erfolgsgrößen), sondern der
Zinsüberschuß zuzüglich aller Wertveränderungen – eben die Performance in
DM. Folglich sind alle Kenngrößen, die nur den Zinsüberschuß enthalten, unbrauchbar. Bei ihrer Definition muß also der Zinsüberschuß (gegebenenfalls
zuzüglich bilanzieller Wertveränderungen etc.) durch die entsprechende Performance in DM ersetzt werden.
256
Wertorientierte Steuerung des Zinsänderungsrisikos
Im Performancekonzept zählen nur Nettogrößen bzw. saldierte Größen. Zum Beispiel werden die Zahlungsströme der Aktivgeschäfte und Passivgeschäfte nicht
nebeneinander jeweils für sich, sondern nur saldiert dargestellt. Dies bedeutet, daß
alle Bruttoumsatzgrößen (wie z. B. die Bilanzsumme) als Grundlage von Kennziffern ungeeignet sind. Entsprechende Kennziffern können ersatzlos entfallen.
Anhand eines Beispiels soll demonstriert werden, welche Kennziffern geeignet sind.
Laufende Verzinsung im Depot A
Die laufende Verzinsung im Depot A ist wie folgt definiert:
Laufende Verzinsung % =
Zinsertrag (Nominalzins)
100
Buchwert
Zielsetzung ist es, eine möglichst hohe laufende Verzinsung zu erzielen. Dies ist dann
der Fall, wenn der Zinsertrag bzw. Nominalzins möglichst hoch ist und – sofern möglich – gleichzeitig der Buchwert klein ist. Die Kenngröße kann im Sinn der Performance eine massive Fehlsteuerung auslösen, wie folgende Beispiele belegen:
Bei Neuerwerb wird systematisch nominal hochverzinslichen Papieren der Vorzug
gegeben, auch wenn die Rendite der Papiere eventuell niedriger ist bzw. die zu erwartende Performance schlechter ausfällt.
Ein Tausch von Papieren mit höherem Nominalzins in Papiere mit niedrigerem Nominalzins unterbleibt, auch wenn hierdurch eine höhere Performance zu erzielen
wäre.
Stille Reserven werden nicht realisiert bzw. entsprechende Tauschoperationen unterbleiben, auch wenn hierdurch die Performance gesteigert werden könnte.
Bei Anwendung der obigen Grundsätze muß in der Kennziffer die Größe »Zinsüberschuß (Nominalzins)« durch die Performance in DM (Zinsüberschuß zuzüglich
Wertveränderung) und die Größe »Buchwert« durch den Vermögenswert ersetzt werden. Damit erhält man als neue Kenngröße die Performance des Depot A in Prozent,
die unmittelbar an Stelle der laufenden Verzinsung tritt:
Performance % =
Performance DM (Zinsüberschuß + Wertveränderung)
100
Vermögenswert
Analog kann eine Vielzahl neuer, zielentsprechender Kennziffern gefunden werden,
die die »alten« Kennziffern ersetzen. Die Entwicklung entsprechender Kennziffern war
nicht Gegenstand der Machbarkeitsstudie. Sie lassen sich aber aus der dargestellten
Kalkulations- und Steuerungssystematik unmittelbar ableiten.1
1 Für weitere Hinweise zum Reporting vgl. auch »Fachkonzept zur Einführung des Geschäftsfeldes Derivate in Sparkassen«, DSGV-Sammelschreiben vom 22.7.1997.
Und die praktische Umsetzung?
257
Im ersten Schritt kann die Kenngröße »Performance in %« für das Vermögen im
Zinsgeschäft (Definition analog Depot A) bzw. »Performance in DM« ggf. relativ zu
einer Benchmark zur Beurteilung des Treasury herangezogen werden. Dazu wird der
Summen-Cash-flow im Zeitablauf jeweils mit der aktuellen Zinsstruktur bewertet.
Zur Behandlung von zwischenzeitlichen Zahlungen vgl. Abschnitte 3.4.1 und 6.4.2.
Vorschläge für ein Standardreporting liefern die folgenden Abbildungen. Abbildung 6.1 beinhaltet sowohl die wesentlichen Inhalte des regelmäßigen Standardreporting als auch die zusätzlichen Inhalte zur Beurteilung ggf. alternativ geplanter Maßnahmen.1 Abbildungen 6.2 bis 6.5 trennen zwischen dem Standardreporting und
einem Reporting zur Maßnahmenfindung. Anschließend ist in Abbildung 6.6 eine
mögliche Darstellung der Vermögensstruktur dargestellt.
1 Das Berechnungsblatt ist beim DSGV ebenso wie die Vermögensaufstellung als Excel-Tabelle verfügbar.
Insbesondere die RORAC-Auswertungen reagieren sensitiv auf die Input-Parameter. Da die Berechnungen in der Excel-Tabelle auf gerundeten Werten basieren, ergeben sich Abweichungen zu den Ergebnissen
im Kapitel 5.
Text
Währung:
Stichtag Cash-flow-Erstellung
Datum Berechn. = Datum Zinsstruktur
Ist-Vermögen Zinsgeschäft (TDM)
Ist-Performance seit letzter Berechnung (%)
Vergleichswert Perform. Benchmark (%)
Nr.
1
2
3
4
5
6
Planungshorizont
Risikoloser Zins bis Planungshorizont (%)
Risikolose Performance (%)
Limit auf Cash-flow (%)
Limit auf Abweichung von Benchmark (%)
Szenario
S+++
S++–
S+––
S+0–
S–++
S–––
S–0+
Prognose
Risiken: Cash bzw. Abweichungen (%)
Vergleichswert: Varianz/Kovarianz (%)
Nicht ausgenutztes Limit
RORAC %
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
21
22
23
Zinsänderungsrisiko und Maßnahmenplanung
Beispielsparkasse Abschlußbericht
Bank
Abbildung 6.1 Vermögen im Zinsgeschäft
1,15
– 2,26
0,41
0,80
0,18
0,90
5,33
2,07
0,81
2,26
1,61
1,74
Ist-Cash
Perf. %
1,01
– 1,71
0,39
0,71
0,15
0,97
4,51
1,91
0,80
1,71
1,32
2,29
Maßn. 1
Perf. %
– 4,64
0,91
0,27
0,27
0,02
1,22
0,59
1,19
0,74
– 0,02
0,32
4,02
Maßn. 2
Perf. %
3,68
– 2,89
0,73
1,24
0,61
0,73
6,60
2,24
0,91
2,89
2,00
1,11
Maßn. 3
Perf. %
100,00
4,00
0,00
Maßn. 4
Perf. %
7,10
– 3,24
1,74
2,35
2,18
– 0,28
7,30
1,52
1,06
3,24
2,39
0,76
mark
Perf. %
1,00
0,98
– 1,33
– 1,55
– 2,00
1,18
– 1,97
0,55
– 0,25
2,00
3,71
4,15
– 1,47
– 2,08
– 2,16
1,50
– 6,71
– 0,33
– 0,32
6,71
1,43
0,35
– 1,01
– 1,11
– 1,57
1,01
– 0,70
0,72
– 0,15
1,57
3,00
0,00
* ggf. dito für weitere Währungen
0,21
1,53
– 1,35
– 1,64
– 2,03
1,25
– 2,79
0,39
– 0,26
2,79
Ist-Cash Maßn. 1 Maßn. 2 Maßn. 3 Maßn. 4
Monate
Konfidenzintervalle (%)
Haltedauer (Tage)
Szenario
Szenario
VarCov
VarCov
30. 3. 97 3
3,100
> 99
99,9
90
21
0,775
4,000
3,000
Risiken des Cash-flow mit/ohne Maßnahmen
Bench- Abweichungen von der Benchmark
Datum
DEM *
30.12.96
30.12.96
400.750
Datum: 30.12.96
258
Wertorientierte Steuerung des Zinsänderungsrisikos
Und die praktische Umsetzung?
259
Abbildung 6.2 Standardreport: Risikodarstellung per TT.MM.JJJJ
Vermögensermittlung im Zinsgeschäft
Nr.
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
Text
Wert
Stichtag für Cash-flow-Ermittlung
(Datum der letzten Aktualisierung des Cash-flows)
Stichtag der Berechnung (zugleich Stichtag für Zinsstruktur)
Planungshorizont bzw. Planungshorizonte (z. B. 1 Tag, 1 M, 3 M, 6 M)
Ist-Vermögen im Zinsgeschäft DM
Ist-Performance in DM und % seit TT. MM. JJJJ
Vergleichswert der Benchmark in % und DM
Konfidenzniveau und Haltedauer in Tagen
(z. B.) 99 % (z. B.) 10 T
Risikolimit in % des Ist-Vermögens (4) bis zum Planungshorizont (3)
Risikolimit in TDM
Zinsertrag bis zum Planungshorizont bei sicherer Anlage des Vermögens
Abbildung 6.3 Ermittlung des Zinsänderungsrisikos
Methode 1: Szenarioanalyse auf Planungshorizont
Nr.
Risikoszenario für Konfidenzniveau (5)
bis zum Planungshorizont (3) laut Anlage
11
12
13
14
15
+++/– – –
++–/ – –+
+ – –/–++
+ – +/– + –
Prognose, Erwartung
16
Höchste negative Veränderung der Zeilen
(11) bis (15), Umrechnung dieser Prozentzahl in TDM = zu limitierendes Zinsänderungsrisiko
Nicht ausgenutztes Limit = (9)
abzüglich (16)
Veränderung des IstVermögens bis zum
Planungshorizont in %
Szenario
Symmetr.
Szenario
%
17
Veränderung der
Benchmark bis zum
Planungshorizont in %
Szenario Symmetr.
Szenario
;
;
;
;;; ;;;;;
TDM
%
TDM
260
Wertorientierte Steuerung des Zinsänderungsrisikos
Abbildung 6.4 Methode 2: Varianz-Kovarianzanalyse nach JP Morgan
ggf. zusätzlich
Nr.
Text
18
19
Haltedauer in Tagen
Konfidenzniveau
Werte
99 %
Benchmark
%
TDM
Ist-Vermögen
%
TDM
20
21
22
Risikolimit bis zur Haltedauer (18)
Value at Risk
Nicht ausgenutztes Limit = (20)
abzüglich (21)
Abbildung 6.5 Standardreport: Maßnahmenplanung per TT.MM.JJJJ
Simultanwerte zum Planungshorizont TT.MM.JJJJ
Vermögen am Stichtag in DM:
»nichts tun«
Performance in
Maßnahmen1, ..., n
Benchmark
DM
DM
DM
Risikolose Vermögensanlage
Zinsniveau unverändert
Zinsprognose
Standard-Zinsszenarien1, ..., n
VaR-Szenario
erwarteter RORACrel
ggf. VaRJP Morgan (unter Angabe
von Haltedauer und Konfidenzniveau)
Duration
1 Wie im Standardreport: Risikodarstellung.
%
%
%
Und die praktische Umsetzung?
261
Abbildung 6.6 Vermögen und Vermögensstruktur
Bank Beispielsparkasse Abschlußbericht
Datum : 30.12.96
Nr.
Text
Istwert
Buchwert
Reserve
Von Reserve
kurzfristig
liquidierbar
1
2
3
4
5
Zinsabhängiges Geschäft DEM
Zinsabhängiges Geschäft Währung 1
Zinsabhängiges Geschäft Währung 2
Ausfallrisiken Zinsgeschäft
Summe Zinsgeschäft
0
0
0
0
6
7
8
9
Aktien Europa
Aktien Region 1
Aktien Region 2
Summe Aktien
0
0
0
0
10
11
12
13
Immobilien selbstgenutzt
Immobilien vermietet gewerblich
Immobilien vermietet Wohnung
Summe Immobilien
0
0
0
0
14
15
16
17
Beteiligungen
Optionsrechte
Inventar
Sonstige Vermögenspositionen
18
Summe = Vermögen
0
0
0
0
19
20
21
22
Abstimmung zur Bilanz
– Rückstellungen (ohne Ausfallrisiken)
– stille versteuerte Rücklagen
– GuV-Saldo
= bilanzielles Eigenkapital
0
0
0
0
6.4
Technische Anforderungen
Die nachstehenden Ausführungen können naturgemäß nicht die technische Umsetzung der dargestellten Steuerungssysteme beschreiben. Es kann aber festgelegt werden, welche Anforderungen an ein System zu stellen sind. Ebenso wird beschrieben,
wie mit Hilfe von brauchbaren Übergangslösungen bereits heute die neuen Ansätze in
der Praxis realisiert werden können. Die Ausführungen beschränken sich hierbei
primär auf die Steuerung des zinstragenden Geschäfts.
262
6.4.1
Wertorientierte Steuerung des Zinsänderungsrisikos
Gesamtzusammenhänge und Informationsfluß
Die Abbildung 6.7 zeigt zunächst die wichtigsten Teilbereiche des Controlling des
Zinsgeschäfts im Überblick.1
Abbildung 6.7
Marktbereiche
• Datengewinnung
• Einzelgeschäftskalkulation
• Neugeschäftsplanung
Treasury (Disposition)
• Vermögensermittlung
• Vermögensallokation
• Steuerung der Risiken
• Performancerechnung
• Maßnahmenplanung/
Durchführung
Sachbearbeitung
Bestandsführung
Buchhaltung
Controlling Marktbereiche
• Analyse Einzelgeschäfte
• Summenbildung
Analyse nach:
– Berater
– Filiale
– Produkt/Produktgruppe
– Kunde/Kundengruppe
• Planung und Planungsanalyse
• Sonderauswertungen
GuV, Bilanzplanung
(externes Rechnungswesen)
• Analyse/Prognose
Zinsüberschuß
• Analyse/Prognose
außerordentliches
Ergebnis
• Neugeschäftsplanung
• Planung GuV, Bilanz
Gesamtcontrolling
Zusammenfassung der Ergebnisse, Gesamtreporting, Abstimmung mit Vorstand
Im Rahmen des Projektteils 1 interessieren nur die Bereiche »Treasury (Disposition)«
und »GuV, Bilanzplanung«. Es muß jedoch deutlich sein, daß die Datengewinnung
letztlich von den Marktbereichen ausgeht. Das Controlling der Marktbereiche bleibt
Projektteil 2 vorbehalten.
Aufgaben und Informationsinput der Marktbereiche
Die Beschreibung der Aufgaben der Marktbereiche ist Bestandteil des Projektteils 2.
Die nachfolgenden Ausführungen bilden einen Vorgriff hierauf.
1 Zu den nachstehenden Ausführungen vergleiche auch Sievi, C.: Kalkulation und Disposition, Bretten
1995.
Und die praktische Umsetzung?
263
Die Marktbereiche entscheiden dezentral über die von ihnen getätigten Geschäfte.
Maßstab ist hierbei die strukturkongruente Refinanzierung. Die hierbei ermittelten
Margen in DM (barwertig oder laufend) werden bei der Kalkulation den entstehenden
Kosten gegenübergestellt.
Für die Kalkulation des Produkts benötigt der Marktbereich die gültigen Interbankensätze bzw. Marktzinssätze der eigenen Bank, um die strukturkongruente Refinanzierung und damit letztlich die erzielte Marge berechnen zu können.
Zu den Aufgaben der Marktbereiche gehört auch die Planung des Neugeschäfts für
die nächste Planungsperiode. Diese Planung ist notwendig, um Aussagen über die Geschäftsentwicklung zu gewinnen und hieraus eine Planung der prognostizierten Ergebnisse der Marktbereiche abzuleiten. Ferner ist die Neugeschäftsplanung für die
Planung der Gewinn- und Verlustrechnung und die Planung der Bilanz nötig.
Basis der Entscheidungen des Marktbereiches bilden zunächst Informationen über
den Kunden, die eine Zuordnung des Kunden zu Geschäftsbereichen, Kundengruppen und ähnlichen Merkmalen erlauben. Damit spätere Auswertungen nach verschiedenen Kriterien möglich sind, müssen diese Kriterien erfaßt und – im Falle des erfolgreichen Abschlusses – gespeichert werden.
Ebenso muß die historische Beziehung mit dem Kunden bekannt sein, um die anstehende Entscheidung über das zur Verhandlung stehende Geschäft nicht isoliert,
sondern im Gesamtzusammenhang der Kundenbeziehung treffen zu können.
Ferner sollten Informationen über das bei Kreditvergabe eingegangene Risiko beschafft werden.
Die Bank bewegt sich nicht im konkurrenzfreien Raum. Deshalb ist die Kenntnis
der allgemeinen und speziell vorliegenden Konkurrenzsituation bei einer Verhandlung bedeutsam.
Zur Neugeschäftsplanung ist eine Einschätzung des Marktes und der eigenen Potentiale in diesem Markt nötig. Ebenso ist die Kenntnis der Restschuldentwicklung des
Bestandes hilfreich, da hieraus abgeleitet werden kann, wieviel Neugeschäft (inkl. Prolongationen) notwendig ist, um das Bestandsvolumen zu erhalten. Die Restschuldentwicklung ermitteln entweder die Marktbereiche selbst oder erhalten diese Information von anderen Controllingeinheiten.
Die Marktbereiche planen nur die von ihnen erzielten Margen und die entsprechenden Volumina. Das konkrete Zinsniveau der Abschlüsse ist unwesentlich, da in
das Ergebnis der Marktbereiche nicht die absolute Zinshöhe, sondern nur der Mehrertrag gegenüber der strukturkongruenten Refinanzierung einfließt.
Zu beachten ist, daß als »Neugeschäft« nicht nur Geschäft mit neuen Kunden verstanden wird, sondern auch Prolongationen und Änderungen. Variables Geschäft ist
permanent Neugeschäft.
264
Wertorientierte Steuerung des Zinsänderungsrisikos
Informationsoutput der Marktbereiche
Im Rahmen der Kalkulation des Neugeschäfts ermitteln die Marktbereiche je Einzelgeschäft Informationen, die zum Teil für die Entscheidung über das Geschäft benötigt
werden, zum Teil weitergegeben werden.
Dem Kunden müssen gesetzlich vorgeschriebene Effektivzinsen genannt werden. In
vielen Fällen ist darüber hinaus eine freiwillige Information über Effektivzinsen angebracht (z. B. Konkurrenzvergleich, Passivgeschäfte). Der Kunde benötigt gegebenenfalls auch einen Zins- und Tilgungsplan, der die von ihm zu zahlenden Raten, die
Restschuldentwicklung sowie den abgegrenzten Zins und das abgegrenzte Disagio
(inkl. Gebühren) enthält.
Zum Zweck der Entscheidungsfindung berechnet der Marktbereich den internen
Effektivzins, den Einstandssatz und die hieraus resultierende prozentuale Marge sowie
den Margenbarwert. Durch Einbeziehung von Zusatzerträgen und Kosten (inkl. Risikokosten) wird hieraus eine Deckungsbeitragsrechnung abgeleitet. Sofern mit laufenden Margen gearbeitet wird, können auch diese berechnet werden.
Die Rechenergebnisse werden an das Controlling der Marktbereiche weitergeleitet.
Hierbei sind die Daten um Zuordnungskriterien (Kunde, Filiale, Berater etc.) zu ergänzen, damit im Controlling der Marktbereiche die Summenbildung nach den gewünschten Kriterien möglich ist.
Die Zuordnungskriterien sowie der Zins- und Tilgungsplan müssen auch an die
Sachbearbeitung/Bestandsführung und an die Buchhaltung weitergeleitet werden.
Hier bieten sich Integrationen in entsprechende Programme an.
Das Treasury (Zentraldisposition) benötigt als Information die Cash-flow der Geschäfte, aus denen der Summenzahlungsstrom gebildet wird. Dieser bildet die Basis
für weitere Auswertungen.
Für die Planung der Gewinn- und Verlustrechnung und der Bilanz werden die auf
Monate abgegrenzten Zinsen und das abgegrenzte Disagio (inkl. Gebühren) benötigt.
Diese Informationen bilden die Basis für das Zinsergebnis aus »Ist-Geschäft«.
Ebenso ist für die Planung der Gewinn- und Verlustrechnung die Kenntnis des von
den Marktbereichen prognostizierten Neugeschäfts nötig, wobei aus den bereits erläuterten Gründen eine Aufgliederung nach Marge und Volumen genügt.
Für eine Prognose des außerordentlichen Ergebnisses ist die Kenntnis der Abschreibungsmethodik der Geschäfte unerläßlich. Es muß z. B. festgehalten werden,
ob Wertpapiergeschäfte im Anlagevermögen oder im Umlaufvermögen gehalten
werden.
Hinweise
Sofern einzelne Geschäfte nicht von den Marktbereichen selbst, sondern z. B. direkt
vom Treasury oder von anderen Bereichen abgewickelt werden, sind diese Geschäfte informationstechnisch wie Marktgeschäfte zu behandeln. Wesentlich ist, daß alle
Und die praktische Umsetzung?
265
existierenden Geschäfte der Bank, gleichgültig wer für sie verantwortlich ist oder sie
abschließt, lückenlos erfaßt werden.
Dieses Prinzip gilt auch für interne Geschäfte, die zwischen einzelnen Abteilungen
abgeschlossen werden. Jedes Geschäft muß hierbei in jeder der beiden beteiligten
Abteilungen erfaßt sein, in der einen Abteilung als Aktiv-, in der anderen Abteilung
als Passivgeschäft. Bei der Summenbildung über die Gesamtbank heben sich die
internen Geschäfte also gegenseitig auf. Bei Ergebnisbildungen über Einzelbereiche wirken jedoch die internen Geschäfte auf das Ergebnis der jeweiligen Bereiche
ein.
Rentenhandel und Geldhandel sowie andere Spezialabteilungen können in der vorliegenden Betrachtung ebenfalls als Marktbereiche behandelt werden. Es spricht jedoch auch nichts gegen eine Zuordnung dieser Abteilungen zum Treasury. Wesentlich ist, daß alle abgeschlossenen Geschäfte mit den oben genannten Informationen
versehen werden.
Aufgaben des Treasury
Zunächst ist vom Treasury das Vermögen der Bank zu ermitteln. Die hierbei festgestellte Ist-Vermögensstruktur kann gegebenenfalls verändert werden. Hierdurch werden die Chancen und Risiken global vorstrukturiert.
Durch Detailanalyse der Strukturen innerhalb der einzelnen Vermögensbestandteile (welche Aktien und Beteiligungen, welche Immobilien, welche Überhänge im Zinsgeschäft) werden die Chancen und Risiken in den Teilbereichen festgelegt.
Entsprechen die Chancen und Risiken nicht den Zielvorstellungen, so können sie
durch Maßnahmen verändert werden. Denkbare Maßnahmen müssen hinsichtlich
ihrer Auswirkung auf Chance und Risiko untersucht werden, ein geeignetes Maßnahmenbündel ausgewählt und schließlich realisiert werden.
Die tatsächliche Vermögensentwicklung stimmt nicht unbedingt mit der Darstellung in der Gewinn- und Verlustrechnung und in der Bilanz überein. Deshalb muß
eine Abstimmung – vor allem bei der Durchführung größerer Maßnahmen – mit dem
externen Rechnungswesen erfolgen.
Die geplanten und realisierten Ergebnisse in der Vermögensentwicklung sollten
in einer Performancerechnung dargestellt werden, die auch einen Vergleich mit geeigneten Benchmarks erlaubt.
Informationsinput des Treasury
Zur Feststellung des Vermögens benötigt das Treasury je nach Art der Geschäfte, in
denen das Vermögen gebunden ist, unterschiedliche Informationen:
Für die Ermittlung des Vermögens in zinstragenden Titeln genügt der SummenCash-flow der entsprechenden Geschäfte. Dieser kann durch Summenbildung über
die Cash-flow der einzelnen Geschäfte gewonnen werden. Die entsprechenden Informationen werden von den Marktbereichen an das Treasury weitergegeben.
266
Wertorientierte Steuerung des Zinsänderungsrisikos
Aktien können unmittelbar mit aktuellen Kursen bewertet werden. Die Werte von
Beteiligungen und Immobilien müssen geschätzt werden, in größeren Zeitabständen
bietet sich eine Ergänzung der internen Schätzung durch externe Gutachten an.
Die (positiven oder negativen) Werte von eingegangenen Optionen können den
Marktpreisen der Optionen entnommen werden. Für eine Simulation der Optionspreise unter sich verändernden Risikoparametern ist ein entsprechendes Bewertungsprogramm unerläßlich.
Die Abhängigkeit der Vermögensentwicklung der Bank von verschiedenen Umweltfaktoren (Zinsstruktur, Aktienkursentwicklung, Immobilienpreisentwicklung,
Ergebnisse in bestimmten Branchen) spiegelt die Chancen und Risiken der Bank
wider. Eine Simulation dieser Risiken ist nur sinnvoll, wenn Prognosen über die
Umweltentwicklungen vorliegen. Hierbei sollte nicht nur von einer Prognose ausgegangen werden, die als am wahrscheinlichsten angesehen wird. Vielmehr ist es angebracht, Szenarien aufzustellen, die den Gesamtbereich möglicher Entwicklungen
aufzeigen.
Informationsoutput des Treasury
Wie bereits in den Aufgaben des Treasury beschrieben, liefert das Treasury Informationen über das Vermögen und die Vermögensstruktur der Bank und die hierbei
erzielte Performance. Ebenso werden – in Abhängigkeit von externen Einflußfaktoren – die Chancen und Risiken im Ist-Zustand dargestellt.
Das Treasury erarbeitet Vorschläge für Maßnahmen und zeigt die Wirkung dieser
Maßnahmen bei bestimmten Umweltszenarien auf. Es wird ein Maßnahmenvorschlag
zur Entscheidung vorgelegt. Alle Daten fließen an das Gesamtcontrolling zur Integration der Ergebnisse weiter.
Planung der Gewinn- und Verlustrechnung, Bilanzplanung
Das externe Rechnungswesen bedient sich ebenfalls der Informationen, die je Einzelgeschäft gesammelt werden.
Die Planung der Gewinn- und Verlustrechnung beginnt zunächst mit den Zinsergebnissen, die im vorhandenen Ist-Geschäft enthalten sind. Diese Informationen
können je Konto den Größen »abgegrenzter Zins« und »abgegrenztes Disagio« entnommen werden. Eine Summierung über alle Geschäfte (Aktiv – Passiv) zeigt den
Zinsüberschuß, der in den bereits abgeschlossenen Geschäften enthalten ist. Neugeschäft wird hierbei zunächst nicht berücksichtigt.
Sofern die Bank in den Zahlungsströmen der Geschäfte der Aktiv- und Passivseite
Über- oder Unterdeckungen besitzt – also Fristentransformation mit entsprechendem
Zinsänderungsrisiko betreibt –, sind zwangsweise Folgegeschäfte notwendig, um die
Zahlungsstromdifferenzen auszugleichen (dispositives Zwangsgeschäft). Diese Folgegeschäfte werden in der Realität teilweise als Kundengeschäfte, teilweise als Interbankengeschäfte abgewickelt. Zur Klarheit des Planungsprozesses wird unterstellt, daß es
Und die praktische Umsetzung?
267
sich um Interbankengeschäfte (ohne Marge) handelt. Margen durch Kundengeschäfte
über diese Interbankengeschäfte hinaus werden separat geplant.
Die Zinsentwicklung aus dispositiven Maßnahmen kann bis zum Planungshorizont einem entsprechenden Planungsmodul zur Berechnung der Auswirkung dispositiver Maßnahmen entnommen werden. Damit steht der zweite Bestandteil des
Zinsergebnisses der Bank fest.
Der dritte Bestandteil des Zinsergebnisses resultiert aus den Margenbeiträgen, die
vom Marktbereich durch Neugeschäft mit Kunden erzielt werden bzw. vom Marktbereich geplant werden. Analog zu oben genannter Prämisse, dispositive Folgegeschäfte
würden nur als Interbankengeschäfte durchgeführt, wird nun als Prämisse gesetzt, daß
Neugeschäfte mit Kunden stets strukturkongruent geschlossen werden. Damit werden
die Marktbereiche von der Planung konkreter Kundenzinsen befreit, sie planen nur
die entsprechenden Margen in Prozent sowie die Volumina in DM, letztlich also die
laufenden Margen in DM. Beide Informationen stehen als Output der Planung der
Marktbereiche zur Verfügung.
Das Zinsergebnis wird durch die Planung der sonstigen Ergebnisbeiträge wie z. B.
der Provisionserträge ergänzt. Durch eine Planung der Kosten kann die Gewinn- und
Verlustrechnung bis zum Betriebsergebnis weitergeführt werden.
Das außerordentliche Ergebnis kann durch eine Simulation der Abschreibungen im
Depot A und eine Schätzung der sonstigen außerordentlichen Ergebniskomponenten
gewonnen werden.
Die ermittelten Ergebnisse werden an den Vorstand, die Marktbereiche und das
Treasury weitergeleitet. Entsprechen die Planergebnisse nicht den Erfordernissen oder
Zielsetzungen, müssen von den betroffenen Abteilungen neue Schätzungen und Verpflichtungen über den Geschäftsverlauf abgegeben werden, bzw. es müssen neue dispositive Maßnahmen geprüft werden. Der Planungsprozeß schreitet so lange fort, bis
eine befriedigende Lösung gefunden wurde. Nach Abschluß der Planung werden laufend Soll-Ist-Vergleiche erstellt, die Abweichungen von der Planung aufzeigen und
eventuelle Gegenmaßnahmen einleiten.
6.4.2
Entwurf eines Übergangskonzepts
Problemsituation
Gemäß den obigen Ergebnissen müssen für eine Lösung, die auch zukünftigen Ansprüchen gerecht wird, je zinstragendem Geschäft bzw. Konto die in Tabelle 6.2 dargestellten Informationen erzeugt und in einer Datenbank gespeichert werden.
Die Datenbank muß Selektionen bzw. Summenbildung nach verschiedenen Kriterien zulassen.
In vielen Sparkassen steht aber der Cash-flow je Einzelgeschäft nicht oder nur für
bestimmte Geschäfte zur Verfügung. Entsprechende »Cash-flow-Generatoren« müssen erst geschaffen werden.
268
Wertorientierte Steuerung des Zinsänderungsrisikos
Tabelle 6.2
Art der Information
Empfänger der Information
Cash-flow des Geschäfts
Abgegrenzter Zins, abgegrenztes Disagio bzw.
abgegrenzte Gebühren
Nominale Restschuld
Treasury
GuV-Planung, Bilanzplanung
Sonstige Kontoinformationen (siehe oben)
Planung des Neugeschäfts im Rahmen der GuVPlanung
Diverse Zwecke (siehe oben)
Gleiches gilt für den abgegrenzten Zins und das abgegrenzte Disagio sowie für die
nominale Restschuld. Ebenso sind entsprechende Datenbanken nicht vorhanden.
Die technische Umsetzung des vorgeschlagenen Konzepts bedeutet also einen erheblichen Investitions- und Zeitaufwand.
Vorgehensweise in der Machbarkeitsstudie
Die Gewinnung des Summen-Cash-flow als Informationsinput für das Treasury muß
nicht unbedingt auf Basis der Einzelgeschäfte erfolgen. Es reicht für Sparkassen im ersten Schritt aus, wenn aus verdichteten Informationsquellen (z. B. Zinsbindungsbilanz, Summenvolumina der variablen Geschäfte je Mischungsverhältnis für die gleitenden Durchschnitte) der Summen-Cash-flow erzeugt werden kann.
Ebenso ist es für Sparkassen zunächst ausreichend, wenn die Ist-Zinsen bzw. der
Zinsüberschuß aus Ist-Geschäften als einer der Bausteine zur GuV-Planung summarisch aus verdichteten Informationsquellen ermittelt werden kann.
Allerdings geht bei dieser Vorgehensweise die Möglichkeit verloren, einzelgeschäftsbezogene Informationen je Konto für ein Controlling der Marktbereiche zu gewinnen. Insbesondere gehen auch wertvolle Informationen verloren, wenn das Verfahren
mit der kurzfristigen Liquiditätsdisposition verknüpft werden soll.
Der Weg, verdichtete Informationen als Basis zur Gewinnung des Summen-Cashflow sowie des Zinsüberschusses aus Ist-Geschäften zu benutzen, wurde von den
Pilotsparkassen begangen. Diese Möglichkeit wurde auch in Abschnitt 2.5 für die Beispielsparkasse beschritten. Mit Hilfe von Excel- bzw. Lotus-Arbeitsblättern wird aus
folgenden Informationsquellen der Summen-Cash-flow bzw. der Zinsüberschuß aus
Ist-Geschäften ermittelt:
Zinsbindungsbilanz bzw. ZIRI-Dateien
Volumen und Ist-Zins in % je variablem Geschäftstyp, Mischungsverhältnis gleitender Durchschnitte je variablem Geschäftstyp
Sonstige summarische Listen (z. B. Interbankengeschäfte, die nicht in der Zinsbindungsbilanz enthalten sind)
Manuelle Ergänzungen (z. B. Finanzinnovationen und große Cash-flow aus Einzelgeschäften, die nach der Erstellung der Zinsbindungsbilanz abgeschlossen wurden).
Und die praktische Umsetzung?
269
Der auf diese Weise ermittelte Summen-Cash-flow ermöglicht es den Sparkassen, mit
zunächst hinreichender Genauigkeit sowohl ihre Dispositionsentscheidungen zu treffen als auch deren Beurteilung zu ermöglichen. Dies kann – sofern gewünscht – mit
einer täglich aktualisierten Zinsstrukturkurve täglich erfolgen. Allerdings ist zu bedenken, daß bei dieser Methode die vom Marktbereich im Mengengeschäft eingegangenen Fristeninkongruenzen zwischen den Stichtagen zur Erstellung der Zinsbindungsbilanz unberücksichtigt bleiben. Sie sind in einer dauerhaft tragfähigen
Realisierung ebenfalls dem Erfolg des Disponenten zuzuordnen.
Im Bereich des Treasury besteht, wie aufgezeigt wurde, aktueller Handlungsbedarf,
den Summen-Cash-flow zu erzeugen. Arbeitsblätter zur Informationsgewinnung
erfüllen jedoch nicht die Voraussetzungen, die an die Sicherheit der Berechnungsschritte – auch vor dem Hintergrund der »Mindestanforderungen« – und an die Bequemlichkeit der Dateneingabe gestellt werden. Es wird deshalb eine Übergangslösung angestrebt. Die Übergangslösung kann später durch ein System, das auf Basis
der Einzelkonten arbeitet und somit alle Anforderungen an ein integriertes Controllingsystem erfüllt, abgelöst werden.
Lösungsvorschlag
Der von den Pilotsparkassen beschrittene Weg zur Cash-flow-Gewinnung über verdichtete Daten soll kurzfristig weiteren Sparkassen ermöglicht werden. Hierzu soll ein
DV-Programm für die im Projekt in Excel ausgeführten Arbeitsschritte entwickelt
bzw. extern beschafft werden. Das benötigte Programm wird im folgenden inhaltlich
beschrieben:
Programmeingaben:
Das Programm benötigt drei Typen von Eingaben (vgl. Tab. 6.3 bis Tab. 6.5).
Typ »Zinsbindungsbilanz«
Der Eingabetyp dient dazu, Informationen, die als Zinsbindungsbilanz bzw. ZIRIDatei in der Bank vorliegen, an das Programm zu übergeben.
270
Wertorientierte Steuerung des Zinsänderungsrisikos
Tabelle 6.3
Name zur Identifikation und Verwaltung
Kennung: aktiv, passiv, vorzeichengerecht
Rechenvorschriften Zinsberechnung und Cash-flow-Zuordnung:
• Zinsberechnung aus Kapitalstand Vordatum, Istdatum oder Mittelwert,
• Zinssatz aus Vordatum, Istdatum oder Mittelwert,
• Berechneter Cash-flow fließt am Vordatum, Istdatum oder mittleren Datum.
• Mindestraster für Cash-flow-Erzeugung
Datum
Kapitalstand DM
Zins %
(beliebige Termine als Datum)
(Beliebig viele Termine, wobei der Abstand zwischen den Terminen unterschiedlich sein kann)
Der Benutzer kann den genannten Typ mehrfach unter verschiedenen Identifikationen verwalten. Eine Dateiübergabe über Schnittstelle ist vorzusehen.
Aus den Eingabedaten müssen im gewünschten Raster (in der Regel monatlich)
nach den festgelegten Formeln der Cash-flow sowie der Zins in DM berechnet werden.
Typ »variables Geschäft«
Der Eingabetyp dient dazu, das variable Geschäft entsprechend der Methode der
»gleitenden Durchschnitte« als Cash-flow zu erfassen.
Tabelle 6.4
Name zur Identifikation und Verwaltung
Kennung: aktiv, passiv, vorzeichengerecht
Mischungsverhältnis gleitender Durchschnitt
Raster für Cash-flow-Erzeugung
Datum
Kapitalstand DM
Zins %
(nur eine Eingabezeile für den
aktuellen Stand)
Der Benutzer kann den genannten Typ mehrfach unter verschiedenen Identifikationen verwalten. Eine Dateiübergabe über Schnittstelle ist vorzusehen.
Aus den Eingabedaten werden im gewünschten Raster (in der Regel monatlich)
nach der in Abschnitt 2.3.5 festgelegten Vorgehensweise der Cash-flow sowie der Zins
in DM berechnet.
In Excel bzw. einem Vorprogramm können aus historischen Produktzinsen die jeweiligen gleitenden Durchschnittszinsen ermittelt werden.
Und die praktische Umsetzung?
271
Typ »Direkteingabe Cash-flow«
Der Eingabetyp dient dazu, Geschäft, für das der Cash-flow direkt als Zins und Tilgung vorliegt, zu erfassen. Er wird primär bei Finanzinnovationen und bei großen
Einzel-Cash-flow, die noch nicht in die Zinsbindungsbilanz eingeflossen sind, Verwendung finden. Da die Zinsbindungsbilanz in der Regel nur monatlich zur Verfügung steht, ist über diesen Eingabetyp die zwischenzeitliche Erfassung von relevanten
Einzel-Cash-flow möglich. Dies ist die Voraussetzung, um – sofern gewünscht – sowohl den Planungsprozeß als auch die Bewertung des Treasury auch in der Übergangsphase täglich durchführen zu können.
Tabelle 6.5
Name zur Identifikation und Verwaltung
Kennung: aktiv, passiv, vorzeichengerecht
Datum
Tilgung DM
Zins DM
(beliebige Termine als Datum)
Der Benutzer kann den genannten Typ mehrfach unter verschiedenen Identifikationen verwalten. Eine Dateiübergabe über Schnittstelle ist vorzusehen.
Aus den Eingabedaten wird der Cash-flow als Summe von Zins und Tilgung berechnet.
Programmausgaben
Das Programm berechnet den Summen-Cash-flow über die Gesamtbank bzw. über
ausgewählte Positionen. Ebenso könnte der Zinsüberschuß aus Ist-Geschäften bei
entsprechender Datenbereitstellung berechnet werden.
Der Cash-flow kann an das Dispositionsprogramm (Berechnung des [Zins-]Vermögens, Steuerung des Zinsänderungsrisikos, Auswahl geeigneter Maßnahmen) weitergegeben werden.
Der Zinsüberschuß kann an ein Planungsmodul zur GuV-Planung überführt werden.
6.4.3
Variable Positionen in bestehenden GuV-Planungssystemen
Zur Integration variabler Produkte in die GuV-Planungssysteme wird empfohlen,
entsprechend der Verfahrensweisen in den Abschnitten 3.4.2, 4.4.2 und Anhang II vorzugehen, um eine identische Methodik zu gewährleisten.
272
Wertorientierte Steuerung des Zinsänderungsrisikos
Anhang I: Empirische Ermittlung gleitender Durchschnitte für ausgewählte
Produkte der Pilotsparkassen – anonymisiert
Dieser Anhang enthält die von den Pilotsparkassen identifizierten Mischungsverhältnisse aus gleitenden Durchschnitten für variable Positionen sowie Kennzahlen für die
Schwankungen der Margen.
Die Inhalte der Bilanzpositionen entsprechen der Einteilung des Prognose- und
Finanzplanungssystems. Bei gemischten Positionen (fest und variabel) wurden jeweils
die variablen Anteile untersucht. Zur konkreten Vorgehensweise vgl. Abschnitt 2.3.4
der Abschlußberichtes.
Sparkasse A Bewertungszinsmischung
1 Monat
3 Monate gleitend
1 Jahr gleitend
5 Jahre gleitend
10 Jahre gleitend
Summe
Bipo 12 Bipo 13 Bipo 14 Bipo 31 Bipo 32 Bipo 33 Bipo 36 Bipo 43 Bipo 44
10
15
100
0
0
0
0
5
0
10
5
0
15
5
0
5
5
0
80
30
0
15
5
20
5
10
0
0
50
0
35
50
5
45
20
20
0
0
0
35
40
75
45
60
80
100
100
100
100
100
100
100
100
100
Sparkasse A Kennzahlen
Bipo 12 Bipo 13 Bipo 14 Bipo 31 Bipo 32 Bipo 33 Bipo 36 Bipo 43 Bipo 44
Mittelwert
Standardabweich.
Spannweite
1,01
4,53
0,48
2,08
0,22
1,18
0,15
0,64
0,22
0,88
0,15
0,68
0,28
1,31
0,32
1,31
0,11
0,42
Anhang II
273
Sparkasse B Bewertungszinsmischung
1 Monat
3 Monate gleitend
1 Jahr gleitend
5 Jahre gleitend
10 Jahre gleitend
Summe
Bipo 12 Bipo 13 Bipo 14 Bipo 31 Bipo 32 Bipo 33 Bipo 36 Bipo 43 Bipo 44
10
10
100
5
5
5
0
0
0
0
10
0
10
10
10
0
5
5
50
30
0
10
10
10
0
10
0
40
50
0
40
40
40
100
20
20
0
0
0
35
35
35
0
65
75
100
100
100
100
100
100
100
100
100
Sparkasse B Kennzahlen
Bipo 12 Bipo 13 Bipo 14 Bipo 31 Bipo 32 Bipo 33 Bipo 36 Bipo 43 Bipo 44
Mittelwert
Standardabweich.
Spannweite
0,69
3,00
0,84
2,98
1,29
4,84
0,25
1,13
0,26
1,09
0,40
1,57
0,48
1,89
0,35
1,54
0,19
0,68
Anhang II: Vergleich der Modellqualität gleitender Durchschnitte
mit der des Elastizitätskonzepts
Der Vergleich basiert auf Modellergebnissen, die jeweils mit Hilfe der gleitenden
Durchschnitte und einer »optimierten« Elastizität erstellt wurden. Der Produktzins
gemäß gleitender Durchschnitte ergibt sich aus der Aggregation von Bewertungszins
und mittlerer Marge. Die Elastizität wurde zum 1-Monats-Fibor ermittelt. Elastizitäten zu längerfristigen Zinssätzen wurden aufgrund der fehlenden Disponierbarkeit
nicht untersucht. Zu den untersuchten Produkten sind jeweils drei Grafiken aufbereitet:
a) Gegenüberstellung des tatsächlichen Produktzinses mit den modellierten Produktzinsen
b) Quantifizierung der jeweiligen Fehler
Die Modellierung der Produktzinsen gelang mit Hilfe der gleitenden Durchschnitte
grundsätzlich besser als mit dem Elastizitätskonzept.
Im Bereich der Sichteinlagen läßt sich eine noch treffendere Modellierung erstellen,
wenn unter Ausschluß einer Elastizität von konstanten Zinsen ausgegangen wird. Dies
wird hier mit Elastizität = 0 dokumentiert. Bereits wenn eine Elastizität von 0,1 oder
höher analysiert wird, generieren die gleitenden Durchschnitte bessere Modellwerte.
274
Wertorientierte Steuerung des Zinsänderungsrisikos
a) Gegenüberstellung des tatsächlichen Produktzinses mit den modellierten Produktzinsen
in %
Sparkasse B KK-Kredite Geschäftskunden
14
13
12
11
10
9
8
Produktzins
Gleitende Durchschnitte
Elastizität (0,65)
7
6
Feb
88
Feb
89
Feb
90
Feb
91
Feb
92
Feb
93
Feb
94
Feb
95
Feb
96
Anhang II
275
b) Quantifizierung der jeweiligen Fehler
in %
Sparkasse B Jeweilige Modellabweichung: KK-Kredite Geschäftskunden
2,0
1,5
1,0
0,5
0
– 0,5
– 1,0
Gleitender Durchschnitt
Elastizität (0,65)
– 1,5
– 2,0
– 2,5
Feb
88
Aug
88
Feb
89
Mittlerer Fehler
Standardabweichung
Aug
89
Feb
90
Aug
90
Feb
91
Aug
91
Feb
92
Aug
92
Gleitender Durchschnitt
0,00
0,70
Feb
93
Aug
93
Feb
94
Aug
94
Elastizität
0,13
1,04
Feb
95
Aug
95
Feb
96
276
Wertorientierte Steuerung des Zinsänderungsrisikos
a) Gegenüberstellung des tatsächlichen Produktzinses mit den modellierten Produktzinsen
Sparkasse A KK-Kredite Privatkunden
in %
14,5
14,0
13,5
13,0
12,5
12,0
11,5
11,0
10,5
Produktzins
Gleitende Durchschnitte
Elastizität (0,51)
10,0
9,5
9,0
Feb
88
Feb
89
Feb
90
Feb
91
Feb
92
Feb
93
Feb
94
Feb
95
Feb
96
Anhang II
277
b) Quantifizierung der jeweiligen Fehler
in %
Sparkasse A Jeweilige Modellabweichung: KK-Kredite Privatkunden
2,5
2,0
1,5
1,0
0,5
0
Gleitende Durchschnitte
Elastizität (0,51)
– 0,5
– 1,0
Feb
88
Aug
88
Feb
89
Mittlerer Fehler
Standardabweichung
Aug
89
Feb
90
Aug
90
Feb
91
Aug
91
Feb
92
Aug
92
Gleitender Durchschnitt
0,01
0,48
Feb
93
Aug
93
Feb
94
Aug
94
Elastizität
0,79
0,75
Feb
95
Aug
95
Feb
96
278
Wertorientierte Steuerung des Zinsänderungsrisikos
a) Gegenüberstellung des tatsächlichen Produktzinses mit den modellierten Produktzinsen
in %
Sparkasse A Spareinlagen mit 3monatiger Kündigungsfrist
4,5
4,0
3,5
3,0
Produktzins
Gleitende Durchschnitte
Elastizität (0,27)
2,5
2,0
Feb
88
Feb
89
Feb
90
Feb
91
Feb
92
Feb
93
Feb
94
Feb
95
Feb
96
Anhang II
279
b) Quantifizierung der jeweiligen Fehler
in %
Sparkasse A Jeweilige Modellabweichung: Spareinlagen
0,6
0,4
0,2
0
– 0,2
Gleitender Durchschnitt
Elastizität (0,27)
– 0,4
– 0,6
Feb
88
Aug
88
Feb
89
Mittlerer Fehler
Standardabweichung
Aug
89
Feb
90
Aug
90
Feb
91
Aug
91
Feb
92
Aug
92
Gleitender Durchschnitt
0,00
0,15
Feb
93
Aug
93
Feb
94
Aug
94
Elastizität
0,02
0,22
Feb
95
Aug
95
Feb
96
280
Wertorientierte Steuerung des Zinsänderungsrisikos
a) Gegenüberstellung des tatsächlichen Produktzinses mit den modellierten Produktzinsen
in %
Sparkasse B Spareinlagen mit 3monatiger Kündigungsfrist
4,0
3,8
3,6
3,4
3,2
3,0
2,8
2,6
Produktzins
Gleitende Durchschnitte
Elastizität (0,23)
2,4
2,2
2,0
Feb
88
Feb
89
Feb
90
Feb
91
Feb
92
Feb
93
Feb
94
Feb
95
Feb
96
Anhang II
281
b) Quantifizierung der jeweiligen Fehler
in %
Sparkasse B Jeweilige Modellabweichung: Spareinlagen
0,8
0,6
0,4
0,2
0
– 0,2
– 0,4
Gleitender Durchschnitt
Elastizität (0,23)
– 0,6
– 0,8
Feb
88
Aug
88
Feb
89
Mittlerer Fehler
Standardabweichung
Aug
89
Feb
90
Aug
90
Feb
91
Aug
91
Feb
92
Aug
92
Gleitender Durchschnitt
0,00
0,25
Feb
93
Aug
93
Feb
94
Aug
94
Elastizität
0,01
0,33
Feb
95
Aug
95
Feb
96
282
Wertorientierte Steuerung des Zinsänderungsrisikos
a) Gegenüberstellung des tatsächlichen Produktzinses mit den modellierten Produktzinsen
in %
Sparkasse B Sichteinlagen Geschäftskunden
1,4
1,2
1,0
0,8
0,6
0,4
Produktzins
Gleitende Durchschnitte
Elastizität (0)
0,2
0
Feb
88
Feb
89
Feb
90
Feb
91
Feb
92
Feb
93
Feb
94
Feb
95
Feb
96
Anhang II
283
b) Quantifizierung der jeweiligen Fehler
in %
Sparkasse B Jeweilige Modellabweichung: Sichteinlagen Geschäftskunden
0,6
0,4
0,2
0
– 0,2
– 0,4
– 0,6
– 0,8
Gleitender Durchschnitt
Elastizität (0)
– 1,0
– 1,2
Feb
88
Aug
88
Feb
89
Mittlerer Fehler
Standardabweichung
Aug
89
Feb
90
Aug
90
Feb
91
Aug
91
Feb
92
Aug
92
Gleitender Durchschnitt
0,00
0,35
Feb
93
Aug
93
Feb
94
Aug
94
Elastizität
0,15
0,15
Feb
95
Aug
95
Feb
96
284
Wertorientierte Steuerung des Zinsänderungsrisikos
a) Gegenüberstellung des tatsächlichen Produktzinses mit den modellierten Produktzinsen
in %
Sparkasse A Sichteinlagen Privatkunden
1,0
0,9
0,8
0,7
0,6
0,5
0,4
0,3
Produktzins
Gleitende Durchschnitte
Elastizität (0)
0,2
0,1
0
Feb
88
Feb
89
Feb
90
Feb
91
Feb
92
Feb
93
Feb
94
Feb
95
Feb
96
Anhang II
285
b) Quantifizierung der jeweiligen Fehler
in %
Sparkasse A Jeweilige Modellabweichung: Sichteinlagen Privatkunden
0,5
0,4
0,3
0,2
0,1
0
– 0,1
– 0,2
–0,3
Gleitender Durchschnitt
Elastizität (0)
– 0,4
– 0,5
Feb
88
Aug
88
Feb
89
Mittlerer Fehler
Standardabweichung
Aug
89
Feb
90
Aug
90
Feb
91
Aug
91
Feb
92
Aug
92
Gleitender Durchschnitt
0,00
0,11
Feb
93
Aug
93
Feb
94
Aug
94
Elastizität
0,04
0,02
Feb
95
Aug
95
Feb
96
286
Wertorientierte Steuerung des Zinsänderungsrisikos
Anhang III: Cash-flow-Typisierung der derzeitigen SKO-Bilanzpositionen
Die Abgrenzungen der einzelnen Cash-flow-Typen werden in folgender Übersicht
dargestellt:
Typ 1: Festzinsgeschäft
Bewertungstyp/Beschreibung
Beispiele
Der Zahlungsstrom ist während des aktuell betrachteten
Abschnitts (»Zinsbindungsdauer«) der Gesamtlaufzeit
fixiert. Nach Ablauf des betrachteten Abschnitts bzw.
der Zinsbindungsdauer handelt es sich um ein neues
Geschäft mit neuen Konditionen.
• Darlehen mit Festzins
• Sparformen mit Festzins und fester
Laufzeit
• Termingelder/Tagesgeld
• Festverzinsliche Wertpapiere,
Inhaberschuldverschreibungen
• Genußrechte mit Festzins
• Finanzinnovationen mit Festzinscharakter
• Floater
• Roll-over-Darlehen mit Margenvereinbarung
Die Disposition erfolgt nur für den aktuell betrachteten
Abschnitt bzw. berücksichtigt nur den fixierten
Zahlungsstrom.
Die Kalkulation kann für einen längeren Zeitraum
als die Fixierung des Zahlungsstromes erfolgen, wenn
für die Folgeabschnitte Informationen über die dann
erzielbare Marge vorliegen oder wenn die Marge in den
Folgeabschnitten bereits festgelegt ist.
Typ 2: wie Typ 1, mit Optionsrechten
Bewertungstyp/Beschreibung
Beispiele
Wie Typ 1, der Kunde oder die Bank
hat zusätzliche Optionsrechte.
Wie bei Typ 1, aber z. B. mit folgenden Zusatzrechten:
• Sondertilgungsrecht ohne Vorfälligkeitsentschädigung
• Kündigungsrechte bei Sparformen oder Wertpapieren
mit Festzins
• Wachstumszertifikat (analog zu Bundesschatzbriefen)
• Freie Sparrate innerhalb eines festen Rahmens
• Flexible Darlehensauszahlung ohne Bereitstellungszins
• Aufstockungsrecht/Nichtabnahmerecht
• Festhalten von Konditionen mit Abnahmerecht
• Abrufkredit (spekulativ)
Anhang III
287
Typ 3: Variabler Zins
Bewertungstyp/Beschreibung
Beispiele
Die Bank kann den Zins jederzeit anpassen. Die Zinsanpassung erfolgt stufenweise. Der Kunde hat im Gegenzug Kapitaländerungsrechte (z. B. Kündigung). Bei
»angemessenem« Zinsanpassungsverhalten kann mit
der Trägheit des Kunden gerechnet werden, insbesondere
bei Betrachtung eines Gesamtbestandes.
• Herkömmliches Sparbuch
• Sparformen/Sparverträge mit
variablem Zins, gegebenenfalls
zusätzlicher Bonus
• Variable Darlehen ohne Bezugnahme
auf Interbankenzins
• KK Haben
• KK Soll
Disposition und Kalkulation mit Hilfe »gleitender
Durchschnitte« bzw. »fiktiver Abläufe«
(siehe Abschnitt 2.3).
Typ 4: wie Typ 3, mit Optionsscheinen
Bewertungstyp/Beschreibung
Beispiele
Wie Typ 3, es sind aber zusätzliche Optionsrechte
vorhanden.
Variable Darlehen und Sparformen mit
Zinsober- und/oder Zinsuntergrenze
Typ 5: im System der Marktzinsmethode nicht kalkulierbare Produkte
Bewertungstyp/Beschreibung
Beispiele
Die Ausgestaltung des Produkts läßt die Festsetzung
eines Bewertungszinses nicht zu (das Produkt kann nicht
zinsänderungsrisikofrei disponiert werden). Produktbeitrag und Dispositionsbeitrag können nicht getrennt
werden.
• Anbindung an Eckzinsen, die keine
Marktzinsen sind (z. B. Diskontsatz)
• Anbindung an »falschen« Marktzins
(z. B. halbjährliche Anpassung an den
Durchschnittszins der letzten 6 Monate)
• Zinsabhängige Margen (z. B. Kundenzins = 80 % des Marktzinses)
288
Wertorientierte Steuerung des Zinsänderungsrisikos
Zuordnungskriterien MIS-Steuerungsreport Zinsänderungsrisiko (Aktivseite)
Position
Festzins I
(vertraglich
vereinbart)
– Kundengeschäft
Inhalt
BilanzBezeichnung
position Nr.
Erläuterung
Typ gemäß
Projekteinteilung
aus
aus
aus
aus
aus
aus
aus
aus
aus
– Eigengeschäft
aus
aus
aus
aus
012
013
014
015
016
017
018
019
020
021
022
023
Kontokorrentkredite Geschäftsgiro
Kontokorrentkredite Privatgiro
Kontokorrentkredite an Kommunen
Kfr. u. mfr. Ratenkredite m. Lfzzs.
Kfr. u. mfr. Realkredite
Kfr. u. mfr. Kommunaldarlehen
Kfr. u. mfr. Sonstige Darlehen
Lfr. Ratenkredite m. Laufzeitzins
Lfr. Realkredite
Lfr. Kommunaldarlehen
Lfr. Sonstige Darlehen
Weiterleitungsdarlehen
Festzinsanteil
Festzinsanteil
Festzinsanteil
vollständig
Festzinsanteil
Festzinsanteil
Festzinsanteil
vollständig
Festzinsanteil
Festzinsanteil
Festzinsanteil
vollständig
Typ 2
Typ 2
Typ 2
Typ 1
Typ 1
Typ 1
Typ 1
Typ 1
Typ 1
Typ 1
Typ 1
Typ 1
004
005
007
0081
009
010
Ford. an KI. 3 Mon. bis unt. 4 J.
Ford. an KI. 4 Jahre und darüber
Festverzinsliche Wertpapiere
Sonstige Wertpapiere
Handelsbestand Wertpapiere
Schuldscheine u. Namens-SV
Festzinsanteil
Festzinsanteil
vollständig
Festzinsanteil
Festzinsanteil
vollständig
Typ 1
Typ 1
Typ 1
Typ 1
Typ 1
Typ 1
1 Für Bilanzpositionen 8/9 gilt: Investmentanteile werden mit ihrer Struktur als Typ 1 erfaßt; ist die Struktur nicht bekannt, so sind sie als sonstige Vermögenspositionen (wie Aktien, Beteiligungen) zu behandeln.
2 Mitarbeiterdarlehen sind i.d.R als de-facto-festverzinslich anzusehen, aber als »variabel« ausgewiesen.
3 Unter Bilanzposition 16–22 ausgewiesene Kreditfloater sind wie Typ 1 zu behandeln.
4 Bausparvorratsvertrag ist als Typ 2 anzusehen.
5 U.a. WP-Floater.
6 Enthaltene Aktien sind als separate Vermögensposition zu erfassen.
7 Enthaltene Aktien sind als separate Vermögensposition zu erfassen.
8 Falls zum Tagesgeldsatz verzinst: Typ1; falls nicht oder dauerhaft nur marginal verzinst: Typ 3.
Anhang III
289
Zuordnungskriterien MIS-Steuerungsreport Zinsänderungsrisiko (Aktivseite)
Fortsetzung
Position
Inhalt
BilanzBezeichnung
position Nr.
Erläuterung
Typ gemäß
Projekteinteilung
Festzins II
(betriebswirtschaftl.)
– Kundengeschäft
–
–
keine
Bestände
– sonstige
verzinsliche
Positionen
024
026
Ausgleichsforderungen
Beteiligungen
vollständig
vollständig
Typ 1
nicht erfassen
– sonstige
unverzinsl.
Positionen
001
025
027
028
029
030
Kasse, Bundesbank
Durchlaufende Kredite
Grundstücke und Gebäude
Betriebs- u. Geschäftsausstattung
GuV-Saldo
Übrige Aktiva
vollständig
vollständig
vollständig
vollständig
vollständig
vollständig
Typ 1
Marge: Typ 1
nicht erfassen
nicht erfassen
nicht erfassen
nicht erfassen
011
012
013
014
016
017
0183
020
021
022
Wechselkredite an Kunden
Kontokorrentkredite Geschäftsgiro
Kontokorrentkredite Privatgiro
Kontokorrentkredite an Kommunen
Kfr. u. mfr. Realkredite
Kfr. u. mfr. Kommunaldarlehen
Kfr. u. mfr. Sonstige Darlehen
Lfr. Realkredite
Lfr. Kommunaldarlehen
Lfr. Sonstige Darlehen
vollständig
var. verz. Anteil
var. verz. Anteil
var. verz. Anteil
var. verz. Anteil
var. verz. Anteil
var. verz. Anteil
var. verz. Anteil
var. verz. Anteil
var. verz. Anteil
Typ 1
Typ 3
Typ 3
Typ 3
Typ 3
Typ 3
Typ 3
Typ 3
Typ 3
Typ 3
002
003
004
0054
0085,6
0097
006
Ford. an KI. laufende Guthaben8
Ford. an KI. Tagesgeld, unt. 3 Mo.
Ford. an KI. 3 Mon. bis unt. 4 J.
Ford. an KI. 4 Jahre u. darüber
Sonstige Wertpapiere
Handelsbestand Wertpapiere
Ford. an KI. Wechselkredite
vollständig
vollständig
var. verz. Anteil
var. verz. Anteil
var. verz. Anteil
var. verz. Anteil
vollständig
Typ 1
Typ 1
Typ 3
Typ 3
Typ 1
Typ 1
Typ 1
vollständig
nicht erfassen
Variabel
verzinsliches
Geschäft
– Kundengeschäft 2
aus
aus
aus
aus
aus
aus
aus
aus
aus
– Eigengeschäft
aus
aus
aus
aus
Bilanz-Ausgl.
Aktiva
290
Wertorientierte Steuerung des Zinsänderungsrisikos
Zuordnungskriterien MIS-Steuerungsreport Zinsänderungsrisiko (Passivseite)
Position
Festzins I
(vertraglich
vereinbart)
– Kundengeschäft
– Eigengeschäft
Inhalt
BilanzBezeichnung
position Nr.
Erläuterung
aus 031
Festzinsanteil9 Typ 1
aus
aus
aus
aus
aus
Typ gemäß
Projekteinteilung
032
033
034
035
036
037
038
039
040
041
042
046
047
Spareinl. mit gesetzl. Kündigung
(inkl. Fibor-Verzinsung)
Spareinl. Künd. unter 4 Jahren
Spareinl. Künd. 4 Jahre und darüber
Spareinl. Einmalanlagen
Spareinl. Ratenvertr. unter 4 Jahre
Spareinl. Ratenvertr. 4 J. u. darüber
Sparkassenbriefe unter 4 Jahre
Sparkassenbriefe 4 J. u. darüber
Inhaber-SV bis einschl. 4 Jahre
Inhaber-SV über 4 Jahre
Spk.-Obligationen bis 4 Jahre
Spk.-Obligationen über 4 Jahre
Termingeld. v. KU. 3 M. – < 4 Jahre
Termingeld. v. KU. 4 J. u. darüber
Festzinsanteil
Festzinsanteil
Festzinsanteil
Festzinsanteil
Festzinsanteil
vollständig
vollständig
vollständig
vollständig
vollständig
vollständig
vollständig
vollständig
Typ 1
Typ 1
Typ 1
Typ 1
Typ 1
Typ 1
Typ 1
Typ 1
Typ 1
Typ 1
Typ 1
Typ 1
Typ 1
050
051
052
056
Verb. an KI. 3 Mon. bis unter 4 Jahre
Verb. an KI. 4 Jahre und darüber
Weiterleitungsmittel
Eigenkap. verzinsl. o. nachr. Verb.
vollständig
vollständig
vollständig
vollständig
Typ 1
Typ 1
Typ 1
Typ 1
9 Bonusvereinbarungen gelten zeitlich befristet und werden angepaßt, sonst wie Typ 3.
Anhang III
291
Zuordnungskriterien MIS-Steuerungsreport Zinsänderungsrisiko (Passivseite)
Fortsetzung
Position
Inhalt
BilanzBezeichnung
position Nr.
Erläuterung
Typ gemäß
Projekteinteilung
Typ 310
Typ 311
Festzins II
(betriebswirtschaftl.)
– Kundengeschäft
043
044
Sichteinlagen von KU, Geschäft
Sichteinlagen von Kunden, privat
vollständig
vollständig
– sonstige
verzinsliche
Positionen
–
–
keine
Bestände
– sonstige
unverzinsl.
Positionen
053
054
055
059
060
Pensionsrückstellungen
Wertberichtigungen – Netto-Saldo12
Eigenkapital unverzinslich
GuV-Saldo
Übrige Passiva
vollständig
vollständig
vollständig
vollständig
vollständig
Abzugsposten
Abzugsposten
nicht erfassen
nicht erfassen
nicht erfassen
031
032
033
034
035
036
045
Spareinl. mit gesetzl. Kündigung
Spareinl. Künd. unter 4 Jahren
Spareinl. Künd. 4 J. und darüber
Spareinl. Einmalanlagen
Spareinl. Ratenvertr. unter 4 J.
Spareinl. Ratenvertr. 4 J. u. dar.
Termingeld. v. KU. Tagesgeld < 3M.
var. verz. Anteil
var. verz. Anteil
var. verz. Anteil
var. verz. Anteil
var. verz. Anteil
var. verz. Anteil
vollständig
Typ 3
Typ 3
Typ 3
Typ 3
Typ 3
Typ 3
Typ 1
048
049
057
Verb. an KI. laufende Guthaben
Verb. an KI. Tagesgeld, < 3 M.
Eigene Akzepte u. Solawechsel/
Umlauf
Indossamentsverbindlichkeiten
vollständig
vollständig
vollständig
Typ 113
Typ 1
Typ 1
vollständig
Typ 1
vollständig
nicht erfassen
Variabel
verzinsliches
Geschäft
– Kundengeschäft
– Eigengeschäft
aus
aus
aus
aus
aus
aus
058
Bilanz-Ausgl.
Aktiva
10 Falls zum Tagesgeldsatz verzinst: Typ1; falls nicht oder dauerhaft nur marginal verzinst: Typ 3.
11 Falls zum Tagesgeldsatz verzinst: Typ1; falls nicht oder dauerhaft nur marginal verzinst: Typ 3.
12 Solange Kredit bedient wird, gilt: Aktiva = ursprüngliches Kapital, Passiva = echte Ausfallgefährdung;
wenn Kredit nicht mehr bedient wird: Netto-Betrachtung.
13 Falls zum Tagesgeldsatz verzinst: Typ1; falls nicht oder dauerhaft nur marginal verzinst: Typ 3.
292
Wertorientierte Steuerung des Zinsänderungsrisikos
Anhang IV: Bericht der Rechenzentren und notwendige Bereinigungsarbeiten
IZB SOFT: Cash-flow-Darstellung der einzelnen Bilanzpositionen
Allgemeines
Sämtliche Bilanzpositionen wurden unter Verwendung von bestehenden Informationssystemen, die der Sparkassenorganisation zur Verfügung stehen, analysiert. Ausgehend von einem Monatsultimobestand (30.6.1996), der für jede Bilanzposition in
einem MIS-Report dokumentiert ist, wurden weitere Untersuchungen der Bilanzpositionen der Gesamtsparkasse unternommen. Für einzelne Positionen war die Information des Ultimobestandes bereits ausreichend, um sie in die Sparkassenanalyse
zu integrieren. Hierunter fallen die liquiden Positionen wie Kasse, Guthaben Bundesbank und laufende Guthaben bei Kreditinstituten.
Festzinspositionen
Unter Zuhilfenahme weiterer Informationssysteme (Dateien des Prognose- und Finanzplanungssytems und ZIRI-Datei) wurde, ausgehend vom jeweiligen Ultimobestand der Bilanzpositionen, die Festzinsanteile enthalten bzw. reine Festzinspositionen
sind, die Cash-flow-Darstellung generiert. In den verwendeten Informationssystemen
werden fällige Zahlungen taggenau bzw. monatsgenau erfaßt und die zugehörige
Zinszahlung ausgewiesen.
Festzinspositionen, deren Geschäfte im zur Verfügung stehenden Informationssystem nicht enthalten sind, wurden durch Analyse in der Pilotsparkasse manuell in
die Cash-flow-Darstellung eingerechnet. Als Beispiel wären hier sogenannte »unechte
Eurokredite« zu nennen, die aufgrund ihrer Charakteristik in keinem monatlichen Informationssystem enthalten sind.
Variabel verzinsliche Positionen
Bei den variabel verzinslichen Positionen und Positionen, die variabel verzinsliche
Anteile enthalten, wurde folgende Vorgehensweise gewählt:
Bei den ausschließlich variabel verzinslichen Positionen, wie z. B. KK-Kredite an
Privatkunden, wurde das Modell der gleitenden Durchschnitte angewendet, um eine
Fälligkeitsstruktur erstellen zu können. Das jeweilige optimale Mischungsverhältnis
wurde durch Analyse der einzelnen Bilanzpositionen vorab ermittelt.
Bei gemischten Positionen wurde vom Ultimobestand zuerst der Cash-flow aus
dem Festzinsanteil herausgerechnet. Die daraus erhaltene Restgröße wurde als variabel verzinslich betrachtet und ebenfalls nach dem Modell der gleitenden Durchschnitte behandelt. Bei der Ermittlung der Restgröße wurden allerdings teilweise Modifikationen vorgenommen, um das Volumen des variablen Anteils genauer darstellen zu
können. Bei verschiedenen Positionen lagen Sonderfälle vor. So ergab sich beispielsweise bei der Position »kurz- und mittelfristige Darlehen« Anpassungsbedarf durch
Rechtsabteilungsfälle und Mitarbeiterdarlehen. Die Mitarbeiterdarlehen wurden als
Anhang V
293
festverzinslich klassifiziert und damit dem festverzinslichen Anteil der Position zugeschlagen. Rechtsabteilungsfälle wurden anteilig als uneinbringlich eingestuft und
ebenfalls von der Restgröße aus Ultimobestand abzüglich Festzinsanteil abgesetzt.
Sonstige Positionen
In die Cash-flow-Darstellung der zinsabhängigen Positionen wurden verschiedene
Positionen aufgrund ihrer Charakteristik nicht einbezogen. Grundstückspositionen,
Betriebs- und Geschäftsausstattung sowie Beteiligungen wurden als Vermögenspositionen nicht in der Zahlungsstromanalyse erfaßt. Ähnlich wurde mit durchlaufenden
Krediten und dem als uneinbringlich klassifizierten Teil der Rechtsabteilungsfälle verfahren. Diese wurden als sonstige Positionen getrennt von der Cash-flow-Darstellung
aufgeführt.
Gesamtzahlungsstrom
Der Gesamtzahlungsstrom ist das Ergebnis aus der Zusammenfassung von Zahlungsströmen aus Festzinsgeschäft und solchen, die aus dem Modell für das variable Geschäft generiert wurden. Dieser Super-Cash-flow stellt die jeweiligen Ein- bzw. Auszahlungsüberhänge der Sparkasse zu bestimmten Zahlungszeitpunkten dar. Auf Basis
dieses Gesamtzahlungsstromes wurden sämtliche Analysen durchgeführt. Mit Hilfe
des Super-Cash-flow wurden der Wert des im Zinsgeschäft gebundenen Vermögens
und das Zinsänderungsrisiko der Gesamtsparkasse barwertig und für die Betrachtung
eines Planungshorizontes ermittelt.
Anhang V: Exemplarische Fallgestaltung
In diesem Anhang werden die Steuerungsinformationen des Performancekonzeptes
und der traditionellen, periodischen GuV-Steuerung für grundsätzliche Konstellationen im Zinsbereich der Sparkassen anhand exemplarischer Fälle komprimiert gegenübergestellt.
Die Untersuchung der Steuerungssignale erfolgt für unterschiedliche Zinsszenarien
unter Berücksichtigung folgender Anlageprämissen für fällige Cash-flow:
1. Anlage revolvierend als Tagesgeld bis zum Planungshorizont
Beispiel:
Ein am 15. Juli fälliger Cash-flow wird bis zum Planungshorizont am 30. September im Tagegeld angelegt.
2. Anlage direkt zum Planungshorizont
Beispiel:
Ein am 15. Juli fälliger Cash-flow wird am 15. Juli einmalig für 2,5 Monate angelegt
(Fälligkeit somit am Planungshorizont 30. September). Dieses Vorgehen ist nur im
Performancekonzept möglich, da in der periodischen Steuerung mehrere Stichtage
betrachtet werden müssen.
294
Wertorientierte Steuerung des Zinsänderungsrisikos
3. Anlage mit einer vom Planungshorizont unabhängigen festen Laufzeit entsprechend der Art des fälligen Cash-flow
Beispiel:
Ein am 15. Juli erwarteter Cash-flow, der aus der Fälligkeit eines Wertpapiers resultiert, wird mit der »üblichen« Laufzeit eines Wertpapiers (im untersuchten Fall 2
Jahre) neu angelegt.
Generell erfolgt die Wiederanlage zum Interbankensatz. Der Markterfolg künftiger
(Kunden-)Geschäfte bleibt somit bei diesen Fallgestaltungen ausgeklammert, um das
Dispositionsergebnis unverfälscht auszuweisen.
Die folgenden drei prototypischen Bilanz- bzw. Cash-flow-Situationen werden untersucht, wobei auf Fälligkeiten in der langen Frist verzichtet wird, um die Darstellung
transparenter zu gestalten:
1. Erste Fälligkeit vor dem Planungshorizont, Aktivüberhang in den mittleren Fristen
2. a) Fälligkeiten nur nach dem Planungshorizont, hoher Aktivüberhang in den
mittleren Fristen
b) Fälligkeiten nur nach dem Planungshorizont, wechselnder Aktiv-/Passivüberhang
1
Fall 1: Fälligkeiten im Planungszeitraum
1.1
Basisdaten
Die Tabelle V.1 zeigt die Ausgangsbilanz des ersten Falles und die unterstellten Fälligkeiten.
Tabelle V.1
Wertpapiere
Darlehen FZ
Festzinspassiva
Eigenkapital
Ausgangsbilanz Fälligkeiten
30. 6. 1998
1.1.1998
Fälligkeiten
31. 12. 1998
Fälligkeiten
31. 12. 1999
Fälligkeiten
31.12. 2000
Fälligkeiten
31. 12. 2001
Mio. DM
%
Mio. DM
%
Mio. DM
Mio. DM
Mio. DM
Mio. DM
500,0
500,0
950,0
50,0
6,0
7,0
4,0
0
100,0
200,0
300,0
7,0 100,0
8,0
–
4,5 350,0
%
6,5 100,0
–
100,0
4,0 300,0
%
6,0 100,0
7,0 100,0
3,5
%
5,5 100,0
6,5 100,0
%
5,0
5,5
Anhang V
295
Die unterstellte Zinsstruktur zum Stichtag 1.1.1998 sowie die analysierten Zinsszenarien ergeben sich aus der folgenden Aufstellung:
Restlaufzeit Zinsstruktur
1.1.1998
Tagesgeld 3,0
1
/2 Jahr
3,5
1 Jahr
4,0
2 Jahre
4,5
3 Jahre
4,75
4 Jahre
5,00
Alternativen zur Zinssatzentwicklung:
a)
b)
c)
d)
Zinssätze bleiben unverändert
Zinsniveau steigt kontinuierlich je Quartal um 0,25 Pp.
Zinsniveau sinkt kontinuierlich je Quartal um 0,25 Pp.
Zinsniveau dreht sich tendenziell, d. h.
Tagesgeld ab 30.6./12. jeweils + 0,3 Pp.
1
/2 und 1 Jahr + 0,2 Pp
2 Jahre unverändert
3 und 4 Jahre ab 30.6./12. je – 0,3 Pp.
Wie bereits ausgeführt, werden drei Anlagevarianten untersucht. Dies sind im einzelnen:
Anlageprämisse 1: Anlage aller fälligen Zahlungen bis zum Planungshorizont revolvierend im Tagesgeld
Anlageprämisse 2: Anlage aller fälligen Zahlungen bis zum Planungshorizont direkt
auf dem Planungshorizont
Anlageprämisse 3: Wiederanlage der Fälligkeiten am 30.6.1998 in Abhängigkeit der
Art der Fälligkeit, im Beispiel:
Darlehen
= 4 Jahre
Wertpapiere
= 2 Jahre
Festzinspassiva = 1 Jahr
Die Berechnung des Barwertes und der Barwertentwicklung erfolgt zu den Planungshorizonten 1.1.–31.3.–30.6.–30.9.–31.12.
1.2
Analyse der GuV-Auswirkungen
Bei dieser Analyse wird stets die Anlageprämisse 3, d. h. Anlage fälliger Cash-flow
mit vom Planungshorizont unabhängiger fester Laufzeit zugrunde gelegt; Anlageprämisse 1 ist in der Praxis unüblich, Anlageprämisse 2 ist in der GuV-Steuerung
nicht möglich. Es ergeben sich für die o.a. Ausgangsbilanz und die unterstellte Anlageprämisse sowie die zugrundegelegten Zinsszenarien die in Tab. V.2 dargestellten
Zinsüberschußentwicklungen.
Es zeigt sich, daß bei den Zinsentwicklungen 1a bis 1c im aktuellen Jahr ein identischer Zinsüberschuß ausgewiesen wird, während bei Szenario 1d eine Senkung des
Zinsüberschusses ermittelt wird. In den folgenden Jahren wird bei sinkenden Zinsen
noch das beste Ergebnis prognostiziert, bei unverändertem Zinsniveau fällt der Zinsüberschuß, und bei steigendem Zinsniveau geht der Zinsüberschuß noch weiter
296
Wertorientierte Steuerung des Zinsänderungsrisikos
zurück. Der höchste Verlust tritt in den ersten beiden Jahren bei einer Drehung der
Zinsstrukturkurve ein. Allerdings wird für das Jahr 2000 wieder ein höherer Zinsüberschuß als beim Szenario »Steigung« prognostiziert. Eine eindeutige »Reihenfolge«
dieser Szenarien ist nicht möglich. Auf Basis dieser Steuerungssignale wäre nunmehr
eine Maßnahmenplanung zu erstellen. Die Anlageprämisse 3 gilt in der Praxis nicht als
Maßnahme; im Sinne der Machbarkeitsstudie stellt sie eine der möglichen Maßnahmen dar.
Tabelle V.2
Zinsen
in Mio. DM
1. 1.– 30. 6.
Zinsen
in Mio. DM
1. 7.– 31. 12.
1. a Zinsniveau unverändert
13,75
Wertpapiere
15,00
14,50
Darlehen FZ
17,50
18,25
Festzinspassiva
19,00
10,00
Zinsüberschuß
13,50
ZÜ in % DBS
1. b Zinsniveau steigt je Quartal um 0,25 %
14,00
Wertpapiere
15,00
15,00
Darlehen FZ
17,50
19,00
Festzinspassiva
19,00
10,00
Zinsüberschuß
13,50
ZÜ in % DBS
1. c Zinsniveau sinkt je Quartal um 0,25 %
13,50
Wertpapiere
15,00
14,00
Darlehen FZ
17,50
17,50
Festzinspassiva
19,00
10,00
Zinsüberschuß
13,50
ZÜ in % DBS
1. d Zinsniveau dreht sich tendenziell
Wertpapiere
13,75
15,00
Darlehen FZ
14,20
17,50
Festzinspassiva
18,70
19,00
Zinsüberschuß
9,25
13,50
ZÜ in % DBS
Zinsen
in Mio. DM
1998
Zinsen
in Mio. DM
1999
Zinsen
in Mio. DM
2000
28,75
32,00
37,25
23,50
2,35 %
25,50
29,00
36,50
18,00
1,80 %
24,00
27,00
38,00
13,00
1,30 %
29,00
32,50
38,00
23,50
2,35 %
27,00
30,00
41,50
15,50
1,55 %
28,50
30,00
57,00
1,50
0,15 %
28,50
31,50
36,50
23,50
2,35 %
24,00
28,00
30,50
21,50
2,15 %
19,50
24,00
19,00
24,50
2,45 %
28,75
32,00
37,25
23,50
2,35 %
25,50
28,40
39,10
14,80
1,48 %
24,00
25,20
45,60
3,60
0,36 %
Anhang V
1.3
297
Auswertungen im Performancekonzept und Vergleich
mit GuV-Ergebnissen
Im Performancekonzept sind die Ausgangsbilanz und die Fälligkeiten in einen Cashflow zu überführen. Dieser Cash-flow ist in Tab. V.3 abgedruckt. Er ist gekennzeichnet
durch eine starke Fristentransformation aus dem kurz- in den mittelfristigen Laufzeitbereich.
Tabelle V.3
Datum
30. 06. 1998
31. 12. 1998
31. 12. 1999
31. 12. 2000
31. 12. 2001
Cash-flow in Mio. DM
9,5
– 232,5
– 75,0
222,5
210,5
Der Cash-flow zu den einzelnen Terminen ergibt sich aus der Summe der jeweils fälligen Zins- und Tilgungsleistungen für die in der Bilanz aufgeführten Aktiv- und
Passivprodukte. Der Cash-flow vom 31.12.2000 ergibt sich beispielhaft aus der Rechnung in Tab. V.4:
Tabelle V.4
Fälligkeit der Wertpapiere
Zinsen der fälligen Wertpapiere
Fälligkeit Darlehen
Zinsen der fälligen Darlehen
Zinsen der noch laufenden Wertpapiere
Zinsen der noch laufenden Darlehen
Summe in Mio. DM
100,0
5,5
100,0
6,5
5,0
5,5
222,5
Es sind zwei Aktivpositionen am 31.12.2000 fällig. Diese sind mit ihren verbundenen
Zinserträgen als Einzahlungen zu berücksichtigen. Darüber hinaus werden die Zinsen
aller weiteren Bestandspositionen, die an einem 31.12. der Folgejahre fällig sind,
addiert. Hiervon wären noch die Zins- und Tilgungsleistungen etwaiger Passivpositionen zu subtrahieren.
Der Summen-Cash-flow wird mit dem Zinsniveau vom 1. 1.1998 (vgl. Tab. V.5, keine Geld/Brief-Differenz) bewertet.
298
Wertorientierte Steuerung des Zinsänderungsrisikos
Tabelle V.5 Zinsstruktur (Zins Beispiel 1)
Laufzeit
Tagesgeld
6 Monate
1 Jahr
2 Jahre
3 Jahre
4 Jahre
Fällig am
02. 01. 1998
01. 07. 1998
04. 01. 1999
03. 01. 2000
02. 01. 2001
02. 01. 2002
Nominal
3,0000
3,5000
4,0007
4,5003
4,7501
5,0001
Rendite
3,0453
3,5305
4,0000
4,5000
4,7500
5,0000
Zinsusance
Kal/360
Kal/360
30/360
30/360
30/360
30/360
Die Bewertung ergibt den Barwert am 1.1.1998. Die jeweiligen Bewertungen am Planungshorizont mit den Zinsszenarien 1a (Zinsniveau bleibt unverändert) und 1b bis
1d (vgl. Tab. V.6) ergeben die Prognosewerte am Planungshorizont.
Die entsprechende Ergebnisübersicht befindet sich in Tab. V.7.
Tabelle V.6 Zinsprognose
»Steigung« (Zinsniveau 1b)
Prognosedatum
Interpol.art
glatt
31. 12. 1998
»Senkung« (Zinsniveau 1c)
Prognosedatum
Interpol.art
glatt
31. 12. 1998
»Drehung« (Zinsniveau 1d)
Tagesgeld
6 Monate
12 Monate
2 Jahre
3 Jahre
5 Jahre
4,000
4,500
5,000
5,500
5,750
6,250
Tagesgeld
6 Monate
12 Monate
2 Jahre
3 Jahre
5 Jahre
2,000
2,500
3,000
3,500
3,750
4,250
Prognosedatum
Interpol.art
Tagesgeld
6 Monate
12 Monate
2 Jahre
3 Jahre
5 Jahre
30. 06. 1998
31. 12. 1998
glatt
glatt
3,300
3,600
3,700
3,900
4,200
4,400
4,500
4,500
4,450
4,150
4,950
4,650
Tabelle V.7 faßt die Ergebnisse des ersten Falles aus Sicht des Performancekonzepts
zusammen. Es ergibt sich am 1.1.1998 ein Wert des Zahlungsstroms (»ursprünglich«)
von 83,537 Mio. DM. Dieses Zinsvermögen entwickelt sich bis zum Planungshorizont
am 31.12.1998 bei Zinsszenario »unverändert« (1a) und bei Anlageprämisse 1 auf
91,752 Mio. DM bzw. bei der Anlageprämisse 2 auf 91,776 Mio. DM. Die Unterschiede
in der Performance (reale Rendite) sind lediglich in der 2. Nachkommastelle ersichtlich.
Die Anlageprämisse 3 (Maßnahme) wird so interpretiert, daß die geplanten Maßnahmen bereits am 1.1.1998 fixiert werden, so daß die Anlage der fälligen Cashflow in der vorgegebenen Laufzeit zum jeweiligen Forward-Satz erfolgt. Hieraus ergibt
sich ein Vermögen am Planungshorizont von 94,021 Mio. DM bzw. 94,045 Mio. DM.1
Die Performance beträgt entsprechend 12,4 %.
1 Der Unterschied beruht auf der jeweiligen Behandlung der am 30. 6. 98 fälligen Zinszahlungen in Höhe
von netto 9,5 Mio. DM bis zum Planungshorizont in Abhängigkeit der Anlageprämisse 1 bzw. 2. Für diese Zinszahlungen trifft Anlageprämisse 3 keine Annahmen.
Anhang V
299
Tabelle V.7 Vermögensentwicklung zum Planungshorizont (Beispiel 1 Ergebnisse)
Kalkulationsdatum
1. 1. 1998
Planungshorizont 31. 12. 1998
Zinsszenario/
Cash-flow
Barwert/
Zinsvermögen
Barwert/
Zinsvermögen
1a)
ursprünglich
83537065,84
91752420,17
8215354,33
9,72
1a)
Maßnahme
83537065,84
94021817,28 10484751,44
12,41
1b)
ursprünglich
83537065,84
83481521,26
1b)
Maßnahme
83537065,84
79591662,12 – 3945403,72 – 4,67
1c)
ursprünglich
83537065,84 100368817,43 16831751,59
19,91 100405010,63 16867944,79 19,950 12575192,99
1c)
Maßnahme
83537065,84 109083933,27 25546867,43
30,20 109120070,38 25583004,54 30,240 21424833,72
1d)
ursprünglich
83537065,84
1d)
Maßnahme
83537065,84 101894071,00 18357005,16
Anlageprämisse 1
(rollierende Anlage in Tagesgeld)
Performance
in DM
Reale
Barwert/
Rendite Zinsvermögen
– 55 544,58 – 0,07
95468685,35 11931619,51
Anlageprämisse 2
(Anlage zum Planungshorizont)
14,12
91775924,22
Performance
in DM
8238858,38
VaR
JP Morgan
Reale
99%,
Rendite HD: 250 Tage
9,750 12575192,99
94045284,91 10508219,07 12,430 21424833,72
83492177,71
– 44888,13 – 0,050 12575192,99
79602302,06 – 3934763,78 – 4,660 21424833,72
95479500,46 11942434,62 14,130 12575192,99
21,71 101904869,35 18367803,51 21,721 21424833,72
Die Performance beim Szenario »Steigung« (1 b) ist mit – 0,07% leicht negativ. Bei
Durchführung der Anlageprämisse 3 beträgt die Performance – 4,67%. Eine Zinssenkung (1c) liefert demgegenüber Performancewerte von 19,91 % bei rollierender Anlage im Tagesgeld bzw. 30,2 % bei Durchführung der Anlageprämisse 3. Eine Drehung
der Zinsstrukturkurve liefert eine höhere Performance als das unveränderte Szenario,
aber eine niedrigere Performance als die Zinssenkung. Insgesamt zeigt sich, daß die
Performance bei Zugrundelegung der Zinsszenarien »Senkung«, »Drehung«, »unverändert«, »Steigung« in dieser Reihenfolge und in diesem Beispiel unabhängig von der
Anlageprämisse abnimmt. Die Analyse auf GuV-Basis zeigt demgegenüber die Reihenfolge »Senkung«, »unverändert«, »Steigung«, »Drehung«, wobei die letzten beiden
Szenarien nicht eindeutig eingestuft werden können.
Durch diese unterschiedliche Beurteilung der Szenarien ergeben sich unterschiedliche Steuerungsimpluse. Kritisch ist hierbei das Zinsszenario »Drehung« (1d). In
der GuV-Betrachtung werden die 1jährigen Festzinspassiva mit einem erhöhten Zinsniveau verlängert, während die Festzinsaktiva mit einem unveränderten bzw. geringeren Zinssatz verlängert werden. Dies führt zu einer Belastung des Zinsüberschusses.
Unberücksichtigt bleibt demgegenüber die deutliche Kurswertsteigerung der Festzinsaktiva durch die Zinssenkung im drei- und vierjährigen Bereich. Die gleichzeitige
Zinssteigerung im einjährigen Bereich sorgt parallel für eine niedrigere Bewertung der
300
Wertorientierte Steuerung des Zinsänderungsrisikos
Auszahlungsüberschüsse in diesem Bereich. Insgesamt ergibt sich der im Performancekonzept dargestellte deutliche Vermögensgewinn dieser Zinsentwicklung. Im
GuV-Steuerungssystem wird diese bei Eintritt des Zinsszenarios »Drehung« sehr positiv zu beurteilende Cash-flow-Struktur völlig falsch eingeschätzt.
Bemerkenswert ist der im Vergleich zu den ermittelten Performancewerten sehr hohe Zinsüberschuß in 1998 und 1999. Dieser resultiert aus den hohen Nominalzinsen
der Aktivanlagen. Die entsprechenden stillen Reserven (83,537 – 50 = 33,537 Mio.
DM) werden im Verlauf des Betrachtungszeitraumes verbraucht. Der ausgewiesene
Zinsüberschuß übersteigt somit erheblich das tatsächlich erzielte betriebswirtschaftliche Ergebnis. Dies ist ein typisches Beispiel für die prinzipielle Relation GuV-Ergebnis > Performance-Ergebnis.
Tabelle V.8 Zeitliche Entwicklung des Vermögens und der realen Rendite
Beispiel 1
Kalkulationsdatum
1. 1. 1998
Zeitablauf
31. 3. 1998
30. 6. 1998
30. 9. 1998
Zinsszenario/
Cash-flow
Barwert/
Barwert/
Zinsvermögen Zinsvermögen
1a)
ursprünglich
83537065,84 85251950,14
8,57 87194900,38
8,95
1a) ForwardMaßnahme
83537065,84 85397945,57
9,32 87650379,51
1a) Zukünftige
83537065,84 85251950,14
Maßnahme
8,57 87194900,38
30. 12. 1998
Barwert/
Barwert/
Reale Barwert/
Reale
Reale
Reale
Rendite Zinsvermögen Rendite Zinsvermögen Rendite Zinsvermögen Rendite
89338905,12
9,29
91722863,03
9,71
10,09
90600112,96 11,34
93980193,99
12,39
8,95
90136188,94 10,53
93507442,97
11,93
1b)
ursprünglich
83537065,84 83143633,73
– 1,89 82999282,05 – 1,28
83084214,17 – 0,72
83474380,28 – 0,07
1b) ForwardMaßnahme
83537065,84 81816543,65
– 8,07 80461261,82 – 7,23
79793006,12 – 5,89
79590680,98 – 4,69
1b) Zukünftige
83537065,84 83143633,73
Maßnahme
– 1,89 82999282,05 – 1,28
82352359,68 – 1,89
82175208,50 – 1,63
1c)
ursprünglich
83537065,84 87388407,40
20,00 91495081,90
95812434,99 19,90 100316408,58
19,90
1c) ForwardMaßnahme
83537065,84 89034686,25
29,41 95044965,16
29,4 101817417,25 29,94 109001112,56
30,20
1c) Zukünftige
83537065,84 87388407,40
Maßnahme
20,00 91495081,90
19,96
98190675,85 23,39
05305839,87
26,06
1d)
ursprünglich
83537065,84 87043905,64
18,10 90206020,40
16,60
93016422,97 15,29
95444048,03
14,13
1d) ForwardMaßnahme
83537065,84 88667973,59
27,27 93422250,24
25,07
97888674,55 23,35
01854018,91
21,73
1d) Zukünftige
83537065,84 87043905,64
Maßnahme
18,10 90206020,40
16,60
94625987,05 17,70
98548987,13
17,79
19,96
Anhang V
301
Im Performancekonzept ist es grundsätzlich möglich, im Zeitablauf verschiedene Planungshorizonte zu analysieren. Die Ergebnisse für das Beispiel 1 sind in der Tabelle
V.8 dargestellt.
In dieser Tabelle ist neben der Interpretation der Anlageprämisse 3 als ForwardMaßnahme auch die Darstellung der Anlageprämisse 3 als »zukünftige« Maßnahme
bewertet. Die zukünftige Maßnahme führt dazu, daß das Vermögen bis zur Fälligkeit
der Cash-flow (hier: 30.6.1998) parallel zur maßnahmenlosen Alternative verläuft. Ab
dem Zeitpunkt des fälligen Cash-flow verläuft die Performance in DM parallel mit der
Performanceentwicklung der Forward-Maßnahme. Dies hat folgende Ursache: Bis zur
Fälligkeit des Cash-flow bestimmt der ursprüngliche Cash-flow das Zinsänderungsrisiko. Nach Durchführung der Anlage am 30.6. ist der Cash-flow der Forward-Maßnahme von der Struktur her für das Zinsänderungsrisiko relevant. Es ergeben sich
leichte Unterschiede durch die unterschiedliche Zinshöhe der Forward-Maßnahme
und der zukünftigen Maßnahme sowie das unterschiedliche Ausgangsvermögen am
30.6.98.
Das Vermögen am Planungshorizont 30.6. zwischen der maßnahmenlosen Variante und der Maßnahme (zukünftig) ist demgegenüber identisch. Zu diesem Zeitpunkt
wird die zukünftige Maßnahme zum aktuellen Zinssatz durchgeführt, so daß ein
Tausch zu Marktkonditionen stattfindet, der bis auf Geld/Brief-Differenzen keine Vermögensänderung bewirkt.
Da bis zur Fälligkeit des Cash-flow (hier bis zum 30. 6.) das Vermögen sich nicht
ändert, ist eine Simulation dieser Maßnahme bereits am 1.1.1998 nicht zielführend.
Die Maßnahme wird erst am 30.6.1998 durchgeführt zu dem dann aktuellen Zinssatz,
so daß keine Vermögensvorteile und keine Vermögensnachteile durch eine Simulation
am Kalkulationsdatum 1.1.1998 entstehen. Diese Vermögensvor- bzw. -nachteile
würden mit Sicht auf den 30.6.1998 nur bei Interpretation der Anlageprämisse 3 als
Forward-Maßnahme auftreten, daher wird bei den folgenden Fallgestaltungen ausschließlich die Forward-Maßnahme diskutiert.
Die Ergebnisse eines Zinsszenarios bei unterschiedlichen Planungshorizonten sind
aufgrund der kontinuierlich und überwiegend linear unterstellten Zinsentwicklung
sehr ähnlich. Die Planungshorizontwahl sollte anhand der Kriterien in Abschnitt 4.1.5
des Abschlußberichts erfolgen.
2
Fall 2: Fälligkeiten nach dem Planungszeitraum
Der Fall 2 untergliedert sich in die beiden Varianten a und b. Diesen liegen die folgenden Ausgangsdaten zugrunde:
302
2.1
Wertorientierte Steuerung des Zinsänderungsrisikos
Basisdaten
In Tab. V.9 sind die Ausgangsbilanz und die Fälligkeiten wiederum übersichtsartig zusammengestellt.
a) Fall mit hohem Zinsänderungsrisiko (bei steigenden Zinsen) aufgrund eines hohen Aktivüberhangs in den mittleren Fristen.
b) Fall mit starker Verminderung des Zinsüberschusses aufgrund hohen Fälligkeitsvolumens hochverzinslicher Festzinsaktiva in den kurzen Fristen und insgesamt
wechselndem Aktiv- bzw. Passivüberhang.
Tabelle V.9
a) Festzinsdarlehen
b)
a) Festzinspassiva
b)
Eigenkapital
Ausgangsbilanz
1. 1. 1998
Mio. DM %
Fälligkeiten
31. 1. 1999
Mio. DM %
Fälligkeiten
31. 12. 1999
Mio. DM %
Fälligkeiten
31. 12. 2001
Mio. DM %
1 000
–
500
950
200
–
250
–
750
1 000
250
–
–
950
7,00
4,50
8,00
4,50
5,25
6,5
4,3
7,0
5,5
50
Für die exemplarischen Fälle 2a und 2b werden folgende Zinsstruktur und Zinssatzentwicklungen analysiert:
Restlaufzeit Zinsstruktur Alternativen zur Zinssatzentwicklung:
1.1.1998
Tagesgeld 3,0
a) Zinssätze bleiben unverändert
3 Monate
3,3
b) Zinssätze sinken am 30. 6.1998 um 0,3;
am 31.12. um 0,3; am 30. 6.1999 um 0,5
1 Jahr
4,0
2 Jahre
4,5
c) Zinssätze steigen am 30. 6.1998 um 0,3;
am 31.12. um 0,3; am 30. 6.1999 um 0,5
3 Jahre
4,75
4 Jahre
5,00
Es gelten die bereits im Grundsatz bekannten Annahmen für die Anlage fälliger Cashflow. Für die konkrete Fallgestaltung folgt hieraus:
Anlageprämisse 1: Anlage aller fälligen Zahlungen bis zum Planungshorizont revolvierend im Tagesgeld
Anlageprämisse 2: Anlage aller fälligen Zahlungen bis zum Planungshorizont direkt
auf den Planungshorizont
Anhang V
303
Anlageprämisse 3: Wiederanlage aller Fälligkeiten in Abhängigkeit der Art der Fälligkeit, im Beispiel:
– Darlehen 4 Jahre
– Festzinspassiva 2 Jahre.
Das bedeutet, daß der Cash-flow mit um 4 Jahre/2 Jahre zeitlich
versetzten Zu-/Abflüssen ergänzt werden muß (z. B. Fall a): 1000
Mio. Festzinsdarlehen fällig 31.12. 2005 und 950 Mio. Festzinspassiva fällig 31. 1. 2001).
Die am 31. 1.1998 fälligen Zinszahlungen werden im Performancekonzept gemäß Anlageprämisse 1 bzw. 2 bis zum Planungshorizont
angelegt, in der GuV-Sicht werden sie nicht weiter betrachtet.
Die sich aus diesen Anlageprämissen ergebenden weiteren Spezifika werden jeweils im
Ergebniszusammenhang diskutiert.
Die Berechnung des Barwertes und der Barwertentwicklung erfolgt zu den Planungshorizonten 1.1.1998; 30. 6.1998; 31.12.1998; 31.12.1999.
2.2
Analyse der GuV-Auswirkungen
Im Unterschied zur Fallgestaltung 1 liegen in diesen Beispielen Fälligkeiten erst nach
dem Planungshorizont am 31.12.1999 vor. Diese Fälligkeiten werden in der GuVSicht mit der o. a. Anlageprämisse 3 verlängert.
In Tab. V.10 sind die Ergebnisse für den Fall a) zusammengestellt.
Tabelle V.10 GuV-Ergebnisse Fall a)
Zinsen 1998
in Mio. DM
Zinsen 1999
in Mio. DM
Zinsen 2000
in Mio. DM
1. Zinssätze bleiben unverändert
Festzins-Darlehen
70,00
70,00
70,00
Festzins-Passiva
42,75
42,75
42,75
Zinsüberschuß
27,25
27,25
27,25
Zinsspanne
2,73 %
2,73 %
2,73 %
2. Zinssätze sinken 30. 6. und 12. 98 je 0,3 %, am 30. 6. 99 um 0,5 %
Festzins-Darlehen
70,00
70,00
70,00
Festzins-Passiva
37,52
42,75
37,50
Zinsüberschuß
32,48
27,25
32,95
Zinsspanne
3,25 %
2,73 %
3,30 %
3. Zinssätze steigen 30. 6. und 12. 98 je 0,3 %, am 30. 6. 99 um 0,5 %
Festzins-Darlehen
70,00
70,00
70,00
Festzins-Passiva
47,98
42,75
48,45
Zinsüberschuß
22,02
27,25
21,55
Zinsspanne
2,20 %
2,73 %
2,16 %
Zinsen 2001
in Mio. DM
70,00
42,75
27,25
2,73 %
70,00
32,696
37,304
3,73 %
70,00
52,805
17,195
1,72 %
304
Wertorientierte Steuerung des Zinsänderungsrisikos
Es wurde wiederum, wie in der Praxis üblich, Anlageprämisse 3 unterstellt, die Zinszahlungen bleiben hierbei unberücksichtigt.
Sofern die Zinssätze unverändert bleiben, ändert sich die Zinsüberschuß-Entwicklung bis zum Jahre 2001 nicht. Die einzige Fälligkeit (Festzinspassiva per 31. 1.1999)
wird mit dem bisherigen Zinssatz neu abgeschlossen. Bei einem sinkenden Zinsszenario steigen die Zinsüberschüsse in den Folgejahren, bei steigenden Zinsszenarien
sinken die Zinsüberschüsse in den Folgejahren. Der einzige »Treiber« für diese Ergebnisse ist wiederum die Fälligkeit der Festzinspassiva am 31. 1.1999 und der Zinssatz
für den neuen Abschluß.
In Tab. V.11 sind die GuV-Ergebnisse für Fall b) dargestellt. Es handelt sich von der
Struktur her um einen Fall mit starker Verminderung des Zinsüberschusses aufgrund
bevorstehender Fälligkeiten hochverzinslicher Festzinsaktiva.
Zur Berechnung der Zinsüberschüsse in den Jahren 2000 und 2001 ist auch die
Wiederanlage der am 31.12.1999 fälligen Produkte zu unterstellen. Dies erfolgt erneut
mit der Fristentransformation Refinanzierung 2 Jahre in Anlage 4 Jahre.
Die Grundtendenz im Fall b) entspricht der aus Fall a): Die beste Entwicklung erfolgt bei sinkenden Zinsen, die schlechteste bei steigenden.
Da darüber hinaus die Durchschnittsverzinsung der Aktivfälligkeiten einen wesentlich größeren Abstand zum aktuellen Zinsniveau besitzt als die Durchschnittsverzinsung der Passivfälligkeiten, bricht insgesamt über alle Szenarien der Zinsüberschuß
ein. Wie im Beispiel 1 werden erhebliche stille Reserven im Zinsüberschuß aufgezehrt.
Tabelle V.11 GuV-Ergebnisse Fall b)
Zinsen 1998
Zinsen 1999
Zinsen 2000
in Mio. DM
in Mio. DM
in Mio. DM
1. Zinssätze bleiben unverändert
Festzins-Darlehen
56,250
70,00
51,250
Festzins-Passiva
41,375
42,75
42,750
Zinsüberschuß
14,875
27,25
8,500
Zinsspanne
1,49 %
2,73 %
0,85 %
2. Zinssätze sinken 30. 6. und 12. 98 je 0,3 %, am 30. 6. 99 um 0,5 %
Festzins-Darlehen
53,500
70,00
45,500
Festzins-Passiva
40,275
42,75
33,300
Zinsüberschuß
13,225
27,25
12,200
Zinsspanne
1,32 %
2,73 %
1,22 %
3. Zinssätze steigen 30. 6. und 12. 98 je 0,3 %, am 30. 6. 99 um 0,5 %
Festzins-Darlehen
70,00
59,000
57,000
Festzins-Passiva
42,75
42,475
52,200
Zinsüberschuß
27,25
16,525
4,800
Zinsspanne
2,73 %
1,65 %
0,48 %
Zinsen 2001
in Mio. DM
51,250
42,750
8,500
0,85 %
45,500
32,383
13,117
1,31%
57,000
53,117
3,883
0,39 %
Anhang V
2.3
305
Auswertungen im Performancekonzept und Vergleich
mit GuV-Ergebnissen
Aus Sicht des Performancekonzeptes ist auch hier wieder eine wesentlich detailliertere
Analyse möglich. Der Cash-flow des Beispielfalles a) ist in der Tabelle V.12 dargestellt.
Er ist geprägt von der hohen Fristentransformation aufgrund der Refinanzierung in
13 Monaten und der Anlage in 4 Jahren.
Tabelle V.12 Cash-flow (Beispiel 2a)
Datum
31. 01. 1998
31. 12. 1998
31. 01. 1999
31. 12. 1999
31. 12. 2000
31. 12. 2001
Cash-flow in Mio. DM
– 42,75
70,00
– 992,75
70,00
70,00
1 070,00
Die Simulation des Cash-flow erfolgt wiederum mit der Zinsstruktur aus Beispiel 2
und den Zinsprognosen 2a, 2 b und 2 c. Diese sind in Tab. V.13 zusammengefaßt.
Tabelle V.13 Zinsstruktur am 1.1.1998 (Zins Beispiel 2 = Zinsprognose 2a)
Laufzeit
Fällig am
Tagesgeld
02. 01. 1998
3 Monate
01. 04. 1998
1 Jahr
04. 01. 1999
2 Jahre
03. 01. 2000
3 Jahre
02. 01. 2001
4 Jahre
02. 01. 2002
Zinsprognose (Zinsniveau 2 b)
Prognosedatum
Interpol.art
Laufzeit in Jahren
0,00
0,25
1,01
2,01
3,00
4,00
Tagesgeld
30. 06. 1998
glatt
2,700
31. 12. 1998
glatt
2,400
30. 06. 1999
glatt
1,900
Zinsprognose (Zinsniveau 2 c)
Nominal
3,0000
3,3000
4,0007
4,5003
4,7501
5,0001
Rendite
3,0453
3,3410
4,0000
4,5000
4,7500
5,0000
Zinsusance
Kal/360
Kal/360
30/360
30/360
30/360
30/360
3 Monate
12 Monate
2 Jahre
3 Jahre
5 Jahre
3,000
2,700
2,200
3,700
3,400
2,900
4,200
3,900
3,400
4,450
4,150
3,650
4,950
4,650
4,150
Prognosedatum
Interpol.art
Tagesgeld
3 Monate
12 Monate
2 Jahre
3 Jahre
5 Jahre
30. 06. 1998
31. 12. 1998
30. 06. 1999
glatt
glatt
glatt
3,300
3,600
4,100
3,600
3,900
4,400
4,300
4,600
5,100
4,800
5,100
5,600
5,050
5,350
5,850
5,500
5,850
6,350
306
Wertorientierte Steuerung des Zinsänderungsrisikos
Es ergeben sich die in Tab. V.14 aufgelisteten Ergebnisse aus der Performance-Sicht.
Tabelle V.14 Vermögensentwicklung zum Planungshorizont
Beispiel 2a – Ergebnisse
Kalkulationsdatum
1. 1. 1998
Planungshorizont 31. 12. 1998
Zinsszenario/
Cash-flow
Barwert/
Zinsvermögen
Barwert/
Zinsvermögen
2 a)
ursprünglich
77 819 836,18
97 746 227,17 19 926 390,99
2 a)
Maßnahme
77 819 836,18
80 023 042,66
2 203 206,48
2,80
2 b) Senkung
ursprünglich
77 819 836,18 114 732 091,98 36 912 255,80
2 b) Senkung
Maßnahme
77 819 836,18
89 959 381,75 12 139 545,57
2 c) Steigung
ursprünglich
77 819 836,18
81 124 774,04
2 c) Steigung
Maßnahme
77 819 836,18
42 298 149,44 – 35 521 686,74 – 45,28
Anlageprämisse 1
(rollierende Anlage in Tagesgeld)
Performance
in DM
3 304 937,86
Anlageprämisse 2
(Anlage zum Planungshorizont)
Reale
Barwert/
Rendite Zinsvermögen
25,29
Performance
in DM
97 419 622,58 19 599 786,40
VaR
JP Morgan
Reale
99%,
Rendite HD: 250 Tage
24,72 40 942190,50
1 876 601,89
2,39 48 990 612,84
46,81
14 292 176,69 36 472 340,51
46,10 40 942 190,50
15,42
89 519 466,46 11 699 630,26
14,86 48 990 612,84
4,20
79 696 438,07
80 911 302,99
3 091 466,75
3,82 40 942 190,50
42 084 678,33 – 35 735 157,85 – 45,56 48 990 612,84
Das unveränderte Zinsniveau (2 a) in der GuV-Sicht signalisiert einen im Zeitverlauf
konstanten Zinsüberschuß, die Performance-Sicht zeigt, daß bei diesem Zinsszenario
eine sehr hohe Performance (25,29 Prozent bei rollierender Anlage im Tagesgeld) erzielt werden kann. Dennoch ist der Zinsüberschuß mit 27,25 Mio. DM deutlich höher
als die Performance mit 19,9 Mio. DM. Auch hier werden stille Reserven im Zinsüberschuß ausgeschüttet. Dies wird deutlich, wenn der Zinsüberschuß unter sonst gleichen
Bedingungen für das Jahr 2002 ermittelt wird: Die Zinserträge gehen bei konstanten
Zinsaufwendungen von 7% auf 5 % (4-Jahresanlage) zurück. Dies bedeutet einen Einbruch des Zinsüberschusses um 20 Mio. DM p. a.! Im Jahre 2002 werden die stillen Reserven bei dieser Betrachtung weitgehend aufgezehrt sein.
Sofern die Anlageprämisse 3 (»Maßnahme«) unterstellt wird, geht die Performance
stark zurück. Die Maßnahme ist wie unter Beispiel 1 diskutiert, wiederum als Forward-Maßnahme ausgestaltet. Es ergeben sich allerdings erhebliche Unterschiede in
Abhängigkeit davon, bis zu welchem Zeitpunkt die Anlageprämisse 3 greift. Während
im Beispiel 1 die Anlageprämisse 3 nur bis zum Planungshorizont durchgeführt wurde, sind in diesem Beispiel die Fälligkeiten (ohne Zinszahlungen) ausschließlich nach
dem Planungshorizont. Im ersten Schritt wurden alle Fälligkeiten der Ausgangsbilanz
einmalig verlängert. Die Ergebnisse wurden in der o. a. Tabelle dargestellt. Die einmalige Verlängerung führt dazu, daß die zum 31.12. 2001 fälligen Festzinsdarlehen für
4 Jahre verlängert werden, während die zum 31. 1.1999 fälligen Festzinspassiva nur für
2 Jahre verlängert werden. Dadurch entstehen am 31. 1.2001 ein hoher Auszahlungs-
Anhang V
307
überschuß und am 31.12. 2005 ein hoher Einzahlungsüberschuß. Das Zinsänderungsrisiko ist somit im wesentlichen von einer 3jährigen Refinanzierung und einer
8jährigen Anlage geprägt.
Da die Zinsstruktur nur in den ersten 4 bzw. 5 Jahren normal verläuft und danach
als konstant angesehen wird, ergibt sich kein Kurseffekt aufgrund der Restlaufzeitverkürzung in der langen Anlage, während die Refinanzierung durch den Rutsch auf der
Zinsstrukturkurve einen höheren Wert der Verbindlichkeit am Planungshorizont generiert. Hieraus erklärt sich die sehr niedrige Performance bei Durchführung der
Maßnahme zum Planungshorizont. Diese Aussage gilt tendenziell für alle Szenarien
beim Beispiel 2a. Darüber hinaus werden die Unterschiede zwischen den einzelnen
Zinsszenarien durch die Performance quantifiziert.
Ein anderes Bild würde sich ergeben, wenn lediglich die Fälligkeit am 31.1.1999
gemäß Anlageprämisse 3 erneut angelegt würde, wie Tabelle V.15 beweist.
Tabelle V.15 Zeitliche Entwicklung der Performance in %
(Beispiel 2a – modifiziert)
Zinsszenario/Cash-flow
2 a ursprünglich
2 a Maßnahme
2 b ursprünglich
2 b Maßnahme
2 c ursprünglich
2 c Maßnahme
30. 6. 1998
23,31
11,85
48,30
20,32
0,89
3,53
30. 12. 1998
25,28
11,52
46,81
19,19
4,18
3,80
30. 6. 1999
26,15
9,80
48,50
18,59
2,47
1,03
30. 12. 1999
25,32
9,33
40,16
15,46
8,89
3,12
Die Werte zeigen, daß bei Durchführung dieser Forward-Maßnahme die Performance
wesentlich weniger schwankt. Dies resultiert aus der verminderten Fristentransformation, da lediglich die Festzinspassiva mit einer 2jährigen Laufzeit verlängert
wurden und sie somit mit der Fälligkeit der Festzinsdarlehen bis auf 11 Monate
übereinstimmen. Die Annahme, bis zu welchem Datum Fälligkeiten verlängert werden, ist somit äußerst sensitiv für das Ergebnis.
Darüber hinaus reagiert die Performance in diesem Beispiel auch im Zeitablauf
sensitiv. Dies erklärt sich aufgrund der unterstellten Zinsprognosen.
Tabelle V.16 Cash-flow (Beispiel 2b)
Datum
31. 01. 1998
31. 12. 1998
31. 01. 1999
31. 12. 1999
31. 12. 2000
31. 12. 2001
Cash-flow in Mio. DM
29,50
– 2,25
329,5
– 502,75
13,75
263,75
308
Wertorientierte Steuerung des Zinsänderungsrisikos
Das Beispiel 2.b) soll nur noch hinsichtlich ergänzender Erkenntnisse erläutert
werden, den entsprechenden Cash-flow zeigt Tab. V.16. Die Auswirkungen des wechselnden Aktiv-/Passivüberhanges spiegeln sich in den wechselnden Vorzeichen des
Cash-flow wider.
Die Ergebnisse des Falles b) im Performancekonzept sind in den Tabellen V.17 und
V. 18 aufgeführt:
Tabelle V.17 Vermögensentwicklung zum Planungshorizont
Beispiel 2b – Ergebnisse
Kalkulationsdatum
1. 1. 1998
Planungshorizont 31. 12. 1998
Zinsszenario/
Cash-flow
Barwert/
Zinsvermögen
Barwert/
Zinsvermögen
2a
rsprünglich
111 711 660,84 115 674 616,79
3 962 955,95
3,51 115 952 362,84
2a
Maßnahme
111 711 660,84 110 873 426,37
– 838 234,47
– 0,74 111 056 647,35
2 b Senkung
ursprünglich 111 711 660,84 117 125 903,44
5 414 242,60
4,79 117 431 408,69
5 719 747,85
5,06
2 b Senkung
Maßnahme
111 711 660,84 115 626 108,31
3 914 447,47
3,47 115 886 855,63
4 175 194,79
3,73 22 697 711,04
2 c Steigung
ursprünglich 111 711 660,84 114 338 314,16
2 626 653,32
2,33 114 487 559,55
2 775 898,71
2,46
2 c Steigung
Maßnahme
Anlageprämisse 1
(rollierende Anlage in Tagesgeld)
Performance
in DM
Anlageprämisse 2
(Anlage zum Planungshorizont)
Reale
Barwert/
Rendite Zinsvermögen
111 711 660,84 93 236 841,10 – 8 474 819,74 – 16,37
Performance
in DM
4 240 702,00
VaR
JP Morgan
Reale
99 %,
Rendite HD: 250 Tage
3,71
5 089 436,75
– 655 013,49 – 0,54 22 697 711,04
5 089 436,75
5 089 436,75
93 342 569,69 – 18 369 091,15 – 16,24 22 697 711,04
Hier wurde wiederum davon ausgegangen, daß alle abgedruckten Fälligkeiten jeweils
einmal als Forward-Maßnahme wieder angelegt werden. Im Vergleich zum Beispiel 2a
zeigt sich das deutlich geringere Zinsänderungsrisiko der Ausgangssituation im Fall b.
Es werden je nach Zinsszenario mit deutlich weniger Risiken deutlich weniger Erträge
erzielt. Einzelheiten sind den o. a. Tabellen zu entnehmen.
Zu beachten ist jedoch auch in diesem Fall der erhebliche Verzehr von stillen Reserven im Zinsüberschuß. Hier werden auf Kosten der Substanz Erträge ausgewiesen, die
nicht in der jeweiligen Periode erzielt werden. Bei diesem (extremen) Beispiel werden
über 50 % der Substanz (111,7 – 50 = 61,7 Mio. DM) in vier Jahren als laufende Erträge ausgewiesen und könnten damit theoretisch ausgeschüttet werden.
Fazit
309
Tabelle V.18 Zeitliche Entwicklung des Vermögens und der realen Rendite
Beispiel 2b
Kalkulationsdatum
1. 1. 1998
Zeitablauf
30. 6. 1998
30. 12. 1998
30. 6. 1999
30. 12. 1999
Zinsszenario/
Cash-flow
Barwert/
Barwert/
Zinsvermögen Zinsvermögen
2a
ursprünglich
111 711 660,84 113 800 433,09
3,77 115 669 685,44
3,51 117 063 128,94
3,14 120 140 457,24
3,66
2a
Maßnahme
111 711 660,84 110 825 089,36 – 1,58 110 870 040,66
– 0,75 113 295 575,36
0,93 116 868 070,81
2,26
2b
ursprünglich
111 711 660,84 114 631 390,61
5,30 117 114 760,70
4,80 119 440 451,04
4,52 121 964 564,27
4,44
2b
Maßnahme
111 711 660,84 106 684 720,25 – 8,80 115 575 540,47
3,43 130 262 574,39
10,68 135 185 080,19
9,89
2c
ursprünglich
111 711 660,84 112 971 107,71
2,33 114 906 743,83
1,88 118 572 632,22
2,99
2c
Maßnahme
111 711 660,84 95 552 620,85 – 26,84 93 247 716,20 – 16,40
3
Barwert/
Barwert/
Reale Barwert/
Reale
Reale
Reale
Rendite Zinsvermögen Rendite Zinsvermögen Rendite Zinsvermögen Rendite
2,27 114 331 587,26
88 806 701,75 –14,06
93 699 598,59 – 8,33
Fazit
Es zeigt sich an diesen Beispielen die Vorteilhaftigkeit des Performancekonzeptes:
1. Das Ergebnis aus Beispiel 1 macht deutlich, daß neben den in der Machbarkeitsstudie empfohlenen Anlageprämissen 1 und 2 lediglich die Wiederanlage in der Interpretation als Forward-Geschäft eine vernünftige Anlageprämisse darstellt. Eine
Anlage mit dem zukünftig geltenden Zinsniveau verhindert eine Änderung des
Vermögenswertes bis zur Fälligkeit. Eine Entscheidung hierüber am 1.1.1998 wäre
folgenlos, da diese am 30. 6.1998 in jedem Fall überprüft und ggf. revidiert würde;
eine Simulation am 1.1.1998 ist folglich überflüssig. Ein unreflektiertes Festhalten
an einer früheren (Maßnahmen-)Entscheidung könnte zudem Fehlsteuerungen
verursachen. Aufgrund der liquiden Märkte kann bei Fälligkeit noch rechtzeitig
entschieden werden, wie die Disposition der fälligen Cash-flow erfolgen soll.
2. Eine Verlängerung der Fälligkeiten bis zum Planungshorizont je nach Art der Fälligkeit als Forward-Maßnahme ist möglich; allerdings bedeutet dies, daß letztlich
die Art der fälligen Kundengeschäfte die getätigte Fristentransformation beeinflußt. Dies ist in aller Regel nicht die optimale Maßnahme. Daher kann die Maßnahmenplanung effektiver ohne die Berücksichtigung einer von Zufälligkeiten geprägten Anlageprämisse erfolgen.
3. Sofern Fälligkeiten nach dem Planungshorizont noch mit einer Anlageprämisse
versehen werden sollen, ist es völlig willkürlich, bis zu welchem Zeitpunkt diese
Fälligkeiten verlängert werden. Eine »ewige« Verlängerung der Cash-flow führt die
Zinsänderungsrisikoanalyse ad absurdum.
310
Wertorientierte Steuerung des Zinsänderungsrisikos
4. Zielführend ist letztlich nur die in dem vorliegenden Abschlußbericht beschriebene Vorgehensweise, da alle Maßnahmen einschließlich der hier mit Anlageprämisse 3 simulierten Maßnahmen zu untersuchen sind hinsichtlich ihrer Wirkung auf
Ertrag und Risiko für die Sparkasse.
Neben den wesentlich umfangreicheren, vollständigen und damit genaueren Informationen der Analyse im Performancekonzept können in diesem Konzept weitere wesentliche Analysen erfolgen. So wurde in der Vermögensentwicklung zum Planungshorizont jeweils in der letzten Spalte ein Value at Risk nach der JP-Morgan-Methode
angedruckt, das das Risiko auf statistischer Basis ermittelt. Dieses Verfahren kann
derzeit als ein Standardverfahren angesehen werden. In der ersten Spalte der Vermögensentwicklung zum Planungshorizont wurde jeweils der aktuelle Barwert des Zahlungsstroms bzw. der Ausgangssituation berechnet. Auch diese Berechnung ist in der
GuV-Steuerung nicht möglich. Die Relevanz dieser Berechnung zeigt sich in den unterschiedlichen Barwerten der Fälle 1, 2 a und 2 b, die jeweils ein bilanzielles Eigenkapital von 50 Mio. DM aufweisen. Die Unterschiede im Zinsvermögen reichen von 77,8
Mio. DM im Beispiel 2 a bis zu 111,7 Mio. DM im Beispiel 2 b.
Insgesamt zeigt sich, daß sich das Zinsänderungsrisiko im Performancekonzept
vollständig und transparent darstellen läßt, während das Zinsänderungsrisiko in der
GuV-Steuerung nur teilweise erfaßt wird und wesentliche Informationen nicht ermittelbar sind. Zudem liefert nur die Performancebetrachtung die notwendigen Steuerimpulse.