Zusammenstellung 27.08.2016
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Zusammenstellung 27.08.2016
Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) Landesverband Niedersachsen/Bremen e.V. – Pressesprecher: Eckehard Niemann, Varendorfer Str. 24, 29553 Bienenbüttel 0151-11201634 – [email protected] Newsletter „Agrar-Hinweise“ – 27.08.2016 vorherige Ausgaben auf der Internetseite http://www.abl-niedersachsen.de/ So gesagt “Willst du Kuh und Schwein verlieren - lass die CDU regieren.” (Spruch unter Bäuerinnen und Bauern in Nordwest-Niedersachsen) Siehe dazu den Chrismon-Artikel unten… Unsere Meinung: Es gäbe genug Anlass, kritische Reime auch zu anderen Parteien zu erdichten… Aus einem eher landhandels-geneigten Kommentar von AgrarZeitungs-Redakteur Horst Hermannsen in AgrarZeitung vom 26.8.2016: „Verzerrtes Bild“ „Was um alles in der Welt gibt die Landwirtschaft in diesen Tagen für ein traurig verzerrtes Bild in der Öffentlichkeit ab. Es wirkt wie Heulen und Zähneklappern. Ein Wirtschaftszweig, der überwiegend von öffentlichen Subsidien lebt, wird als Ansammlung von Jammerexistenzen wahrgenommen. Dafür sorgen agrarpolitische Marionetten und realitätsferne Sprecher der Bauernverbände.“ Nach einer Kritik an der Forderung des Bayerischen Bauernverbands, der Landhandel möge die Trocknungskosten für feuchtes Getreide senken: „Wenn es den Getreidebauern im Freistaat tatsächlich so schlecht geht, sollte sich die Verbandsführung dazu durchringen, einige Zeit auf den BBVMitgliedsbeitrag zu verzichten. Ergänzend könnten Funktionäre einen Teil ihrer Bezüge in eine Art Notfonds einzahlen“... Unsere Meinung: Es muss statt der perspektivlosen BauernverbandsAlibi-Forderungen z.B. nach Liquiditätshilfen endlich eine klare und selbstbewusste bäuerliche Strategie der Mengenbegrenzung und der Erzeugerpreis-Sicherung durchgesetzt werden – auch damit Kommentare mit ihrer berechtigten Kritik an der Bauernverbandsspitze nicht mehr auf die Bauern abfärben. European Milk Board: Frankreich: Scheitern der Verhandlungen Lactalis/Milcherzeuger - Blockade wird fortgeführt Nach fast 11stündiger Diskussion scheiterten heute Nacht die Gespräche zwischen Milcherzeugern des französischen Bauernverbandes und Lactalis über eine Einigung zum Milchpreis. Die französischen Milcherzeuger wollen die Blockade von Lactalis mindestens bis Montag fortführen. Aktuelle Informationen auf unserer Facebook-Seite Link: www.europeanmilkboard.org Ackerbau-Training für den „Ernstfall“ Aus der aktuellen Ausgabe der DLG-Mitteilungen: „Üben Sie den Ernstfall – Bis Ende 2017 werden Sie Glyphosat wahrscheinlich noch einsetzen können. Was danach geschieht, ist völlig unklar. Probieren Sie auf kleinen Flächen schon mal, ohne den Wirkstoff auszukommen…“ 10 x Agrar-Pink oder Pink-Agrar: Pinke Rundballen "Mein Pferd heißt 'Lotta' und ich füttere das gerne und finde es toll, wenn das Futter aus rosa Strohballen kommt" – so die siebenjährige Hanna zu den in rosa Folien gewickelten Rundballen, die der Lohnunternehmer Severin Grote im Emsland wickelt. Die sind laut NDR derzeit der Hit auf allen Reiterhöfen: "Dann hat ein Kunde aus Wymer, der einen landwirtschaftlicher Betrieb hat, gefragt: Was habt ihr denn bei meinem Nachbarn für Ballen gemacht? Meine Tochter spricht von nichts anderem mehr. Seitdem heißen sie bei uns nur noch Mädchenballen." Pro Rolle Folie werden drei Euro gespendet. Das Geld geht an die gemeinnützige Organisation „Pink Ribbon“ („Rosa Schleife“): Sie setzt sich für Aufklärung und Vorsorge bei Brustkrebs ein. Mit einer Rolle Folie kann Grote rund 20 Ballen pressen. 2.000 pinke Ballen gibt es bereits. Pferdehalter Agnesmeier hofft, „dass diese schöne Folie die Krähen abschreckt, die es auf das Heu abgesehen haben. Dann brauchen wir die Ballen nicht sofort vom Acker fahren." Noch mehr pinke Rundballen Auch in der Region Malente werden pinke Rundballen für „pink ribbon“ gewickelt – und zwar 500 von 2.000 Heulage-Ballen des Lohnunternehmers Hannes Wandhoff. Die Folie sei für ihn im Einkauf teurer als die übliche grüngraue, er gebe diesen Aufpreis aber nicht an seine Kunden weiter. Den Aufschlag zahle er aus eigener Tasche, das sei seine Spende für die Aktion (Lübecker Nachrichten). Nachrichten zu pinken Rundballen für „pink ribbon“ gibt es auch vom Nüdlinger Landwirt Edgar Thomas (aus der Main-Region), vom Hersteller Trioplast aus Hilden, von den Landwirten Hermann aus Berching (Mittelbayern), von den hessischen Landwirten Schmidt/Lappe aus Dörnberg, vom Maschinenring Aibling-Miesbach-München, aus der Eifel, von Spital am Semmering und aus dem Schweizer Bätershausen - und aus Neuseeland, wo die gute Idee entstanden ist. https://www.pinkribbon-deutschland.de/news/detail/eine-grossartigeaktion-geht-weiter.html Rückblick: „Pink Cat“-Trecker Einen rosaroten Traktor namens „Pink Cat“ hat der finnische Hersteller Valtra vor zwei Jahren vorgestellt: „ Das Valtra Unlimited Studio hat dieses besondere Traktor-Design für die “Jungen Landwirte Finnlands”, eine Organisation des finnischen Zentralverbands der Agrarproduzenten und Waldbesitzer (MTK), entworfen. Deren diesjähriges Motto ist “Leidenschaft” und dieses Thema spiegelt sich beim Pink Cat sowohl außen als auch innen wieder. Der „Agriaffaires Blog“ dazu: „Gestaltet wurde ein Traktor des Modells N163 Direct mit 4-Zylinder-Motor, 171 PS, stufenlosem Getriebe und Load-Sensing-Hydraulik mit einer maximalen Förderleistung von 160 l/min. Soweit so gut… Doch neben dem rosa Anstrich ist vor allem die Innenausstattung die Besonderheit des pinken Traktors. Das Innere der Kabine ist mit roten Ledersitzen ausgestattet und verfügt über einen Edelstahl-Spiegel und LED-Beleuchtung an der Kabinendecke. Ein Ipad, eine hochwertige Stereo-Anlage sowie ein DVD-Player sorgen für beste Unterhaltung im Pink Cat. Und falls jemand in dieser Atmosphäre Lust auf ein Bier bekommt, dann wird ihn ein integriertes Atemalkohol-Messgerät mit Wegfahrsperre davon abhalten, danach noch weiter zu fahren…“ „Think pink“ Dieses Motto verfolgt die AGRAVIS Raiffeisen AG, allerdings nur eingegrenzt auf eine „Schweinetag Westfalen“ am 1.3.2013 – mit Vorträgen zur Optimierung der Schweinehaltung… „Pink-Panther“-Spargelstecher Über einen „Pink Panther“ auf dem Spargelacker berichtete die FAZ: Dieser Prototyp eines halbautomatischen Geräts sticht die jewiels reifen Spargelstangen selektiv auf Knopfdruck und zieht sie dann pneumatisch aus der Erde. Der Spargelpanther arbeitet dreireihig und in drei TagesSchichten, vor allem auf großen, langen Spargelfeldern, und ersetzt sechs bis sieben Menschen. Anders arbeitet der Spargelvollernter Wisent, der den gesamten Spargelbalken (Erddamm) räumt, alle Sprossen abkappt und sammelt und dann den Damm wieder herrichtet. Künftig soll der Panther über Digitalkameras selber den Spargel lokalisieren – die Serienversion sollte etwa 200.000 Euro kosten. Für das Auf- und Abdecken der Folie über dem Spargeldamm gibt es Geräte wie den „Spargelfuchs“, die „Spargelspinne“ oder den „Tunnelmax“… Allerdings wohl nicht in pink… Pink-Floyd-Pink-Pig Ein fliegender Ballon in Form eines riesengroßen pinkfarbenen Schweins ließ die Band „Pink Floyd“ einst über London fliegen. Das bezog sich auf den Song „Pigs on the wing“ des Albums „Animals“. Das Schwein flog in die Flugschneise des Airports Heathrow und landete auf dem Feld eines Farmers. http://www.cbsnews.com/news/pig-flies-over-london-in-pink-floyd-albumtribute/ „Pink Lady“ Markengeschützte Design-Äpfel mit Namen wie „Pink Lady“ oder „Jazz“, die ausschließlich in Plantagen lizenzierter Erzeuger unter klimatisch günstigen Bedingungen wachsen dürfen, machen den heimischen Obstbauern und Apfelsorten Konkurrenz. Laut „Die Welt“ werden sie im Supermarkt für teils deutlich höhere Preise verkauft als die klassischen Sorten wie Jonagold oder Elstar. Zudem lassen sich höhere Erträge je Hektar ernten. Inländische Apfelbauern haben davon nichts, denn Pink Lady wird durchweg aus Südeuropa importiert. „Pink fir Apple“ - so lautet der englische Name für die rosa-schalige Kartoffelsorte „Rosa Tannenzapfen“. Die „Kartoffel des Jahres 2013“ hat gelbes Fleisch, ist hörnchenförmig, reift mittelspät, schmeckt würzig und ist gut geeignet als Salat- und Pellkartoffel. „Perfectly Pink“? „Perfectly Pink“ – die neue Trendfarbe im Kühlregal innocent hat eine neue Smoothie-Sorte mit Roter Rübe gemixt. Inspiriert von der Farbe trägt sie den Namen „Perfectly Pink“ und ist damit die zweite innocent Smoothie-Sorte mit Gemüse. „Perfectly Pink“ enthält eine köstliche Kombination aus pürierten Äpfeln, Birnen, Roten Rüben, etwas Banane, einem Schuss erfrischendem Orangen- und einem Spritzer Zitronensaft. Werbung der Innocent alps Gmbh, Salzburg Pinktractor Unter dem Motto “Farm strong. Woman smart.” Werden hier Maschinen und Geräte angeboten: http://www.pinktractor.com/ 12.000 Bio-Legehennen in 4 Herden in 2 Gebäuden: Bio-Massentierhaltung oder „immerhin besser als konventionell“? Laut HAZ vom 26.8.2016 will der Landwirt Jobst Lütgheharm statt der vorherigen Pläne für bis zu 20.000 Putenmastplätze nun den „größten Legehennenhof in Biohaltung in der Region Hannover“ mit 12.000 Plätzen bauen. Von zwei Gebäuden mit jeweils 6.000 Hennen war bei einer Wahlkampf-Veranstaltung der Grünen in Pattensen die Rede – aber die konkrete Größe der Ställe stehe noch nicht fest. Die Idee zu diesen Ställen hätten ihm, Lütgeharm, die Grünen und speziell die Grünen-Landtagsabgeordnete Regina Asendorf, nahegebracht. Die Pattenser Grünen hatten zu der Veranstaltung, an der auch eine Vertreterin des Bioverbands „Naturland“ teilnahm, unter dem Motto geworben: „In Betrieb geht neue Wege – modern und ökologisch!“ Asendorf sah in den Plänen laut HAZ einen Kompromiss, Tiere und Technik zusammenzubringen und wirtschaftlichen Aspekten Genüge zu tun. Teilnehmer der Veranstaltung berichten über fehlende Angaben über die Futterflächengrundlage der Tierhaltung und über die Produktion des Biofutters – es sei wohl ein Austausch von Futter und Mist mit einem anderen Biobetrieb der Region geplant. Ob diese fehlende FutterflächenGrundlage die Ursache für die Nichtförderung der Ställe sei, sei offen geblieben. Der bisherige Betrieb, der wohl 50 Hektar Eigen- und Pachtland habe, solle wahrscheinlich geteilt werden, so dass der Vater Lütgeharm konventionell weiterarbeiten könnte. Erst nach nach der Umstellung bis zum Frühjahr oder Sommer 2017 wolle sich Lütgeharm jr., derzeit noch Geflügelfachberater Puten bei Wesjohann/Wiesenhof, dem Naturland-Verband anschließen. Viele der anwesenden Landwirte hätten die Pläne des Pattenser „Ökopioniers“ gelobt. Anwohner des geplanten Stalls äußerten sich besorgt. In der 2010 gegründeten Bürgerinitiative gegen die Putenmastställe gebe es neben der Ablehnung auch dieses „Agrarindustrie-Bio“ auch Meinungen „Bio-Massentierhaltung sei doch immer noch besser als konventionelle“. BI-Sprecher Wighard Dreesmann kritisierte, eine Zahl von 12.000 Tieren auf engem Raum bleibe immer noch Massentierhaltung. Besucher der Veranstaltung verwiesen auf einen taz-Artikel (s.u.), wonach Agrarminister Meyer gegen das Unterbringen von jeweils zwei 3.000erHerden in einem Gebäude vorgehen will. Die taz berichtet über agrarindustrielle „Bio“-Eier Unter dem Titel „Bio-Ei für die Massen“ berichtet die Samstagsausgabe der taz ausführlich über agrarindustrielle Bio-Eier-Erzeugung am Beispiel des „Erzeugerzusammenschlusses Fürstenhof“ und dessen Geschäftsführer Friedrich Behrens. Der frühere Mit-Eigner des „Heidegold“-Konzerns (mit konventionellen Käfigeiern) beliefert jetzt laut taz aus den 14 Bio-Farmen mit zusammen mehr als 300.000 Legehennen „die Eigenmarken von Rewe, Edeka, Alnatura und denn´s und anderen Supermarktketten“ und damit rund 10% der 80 Millionen der jährlich verkauften deutschen Bio-Eier (das sind 11,5% aller Eier). Taz-Autor Jost Maurin berichtet, dass eine EU-Bio-Vorschrift bei „Fürstenhof“-Farmen (und auch bei anderen „Bio“-Großfarmen) nicht eingehalten wird, wonach „Freigelände für Geflügel überwiegend aus einer Vegetationsdecke bestehen“ muss – damit Kot-Ausscheidungen und Nitrat nicht ins Grundwasser gelangen und die Hühner Beschäftigungsmöglichkeiten haben. Behrens´ Behauptung, die „Baumkronen“ würden auch als Vegetationsdecke gelten, wird vom zuständigen Landesamt für Landwirtschaft in Rostock dementiert. Mitverantwortlich für diese Missstände ist die Tatsache, dass die EUÖko-Verordnung zwar maximal 3.000 Hennen pro Stall erlaubt, dass aber viele Bio-Agrarindustrielle die fehlende Definition von „Stall“ so auslegen, dass sie in einem Stall-Gebäude mehrere „Ställe“ a 3000 Tiere unterbringen dürften – getrennt nur durch eine Sichtblende. Obwohl sich laut taz „die Aufsichtsbehörden sämtlicher Bundesländer bei einer Konferenz im Jahr 2001 auf die Auslegung `Jeder Stall ist ein eigenes Gebäude´ einigten“, ging der frühere niedersächsische Agrarminister Ehlen darüber hinweg. Die taz enthüllt erstmals einen entsprechenden Erlass Ehlens aus dem Jahre 2003, den Niedersachsen 2007 dann sogar für ganz Deutschland durchsetzte. Auch MecklenburgVorpommerns Agrarminister Backhaus unterstützt diese Interpretation, die auch die EU in ihrer Novellierung der Öko-Verordnung nur eventuell revidieren wird. Unter dieser „Agrarindustrie-Bio“ leiden nicht nur die „Bio“-Hennen, sondern auch die richtige Biobauern, die ihre Legehennen wirklich ökomäßig halten – gemäß den strengeren Richtlinien von Öko- Verbänden wie Demeter oder Bioland. Die taz zitiert eine Eier-Expertin: „Ich kaufe meine Eier auf dem Wochenmarkt. Da kommen sie wirklich noch von kleinen Betrieben.“ LINK: http://www.abl-niedersachsen.de/fileadmin/Dokumente/AbLNiedersachsen/Themen/Agrarindustrielle_und_Bio.pdf Die 20. Internationale Bioland-Geflügeltagung hatte zum Thema: „Tierschutz ist Allgemein-gut“ Der Stall muss mit: Wenn Freilandhühner umziehen Die Haltungsbedingungen sind entscheidend für die Tiergesundheit. Das gilt auch für Hühner. Die 20. Internationale Bioland-Geflügeltagung hatte zum Thema: „Tierschutz ist Allgemein-gut“ (aid) – Die Haltungsbedingungen sind entscheidend für die Tiergesundheit. Das gilt auch für Hühner. Die 20. Internationale BiolandGeflügeltagung Anfang März 2016 in Rehburg-Loccum hatte zum Thema „Tierschutz ist Allgemein-gut“. Dabei ging es vor allem um die Umwelt von Hühnern unter den Gesichtspunkten Auslaufmanagement, Stallbau und Einstreu. „Wir müssen selbstkritisch herangehen: Wo haben wir eigentlich Tierschutzprobleme?“, fragte Dr. Ulrich Schuhmacher, Ressortleiter Tierhaltung bei Bioland in einer Podiumsdiskussion: „Bei jeder Tierart gibt es etwas, dass man bisher vergessen hat.“ 15.000 Pickbewegungen pro Tag: Nahrungssuche ist ein wichtiger Bestandteil des natürlichen Verhaltens. Ein Huhn, das täglich Futter bekommt, muss sein Pickbedürfnis dennoch ausleben. Die Einstreu und Stallgestaltung beeinflussen, ob und wie ein Huhn sein natürliches Verhalten einsetzt. Freilandhühner haben dafür noch den Auslauf zur Verfügung. Doch die Freilaufflächen leiden vor allem im Winter. Hühner bleiben in Stallnähe und laufen nur selten in die Bereiche weiter entfernt vom Stall. Während der Vegetationsruhe wächst nichts nach. Die Folge: In der Nähe des Stalls wird die Grasnarbe zerstört und außerdem durch den Kot der Tiere übermäßig viel Stickstoff eingetragen. In anderen Bereichen wird die Vegetation dagegen im Sommer nicht genügend genutzt. Vier Quadratmeter soll der Auslauf pro Huhn groß sein, mindestens die Hälfte davon mit geschlossener Vegetation. Aber reicht das bei so ungleichmäßiger Nutzung aus und wie bekommt man die Hühner in die Fläche? In Arbeitsgruppen suchten die 180 Geflügel-Praktiker nach Lösungsmöglichkeiten. Einige bewähren sich bereits in der Praxis. Entweder müssen die Tiere zum Laufen gebracht oder der Stall mitgenommen werden – oder beides. Praxisbeispiele von der Gut Wulksfelde GmbH und von der Hessischen Staatsdomäne Frankenhausen zeigten, wie Mobilställe funktionieren und zum Teil selbst gebaut werden können. Wird der Stall in regelmäßigen Abständen versetzt, können stark genutzte Weidebereiche regenerieren. Überdachungen direkt am Stall ermöglichen den Tieren, sich etwas weiter in die Fläche hinaus zu wagen. Die Weidegestaltung trägt ebenfalls dazu bei, die Hühner weiter vom Stall fort zu locken. Große offene Flächen sind unvorteilhaft, denn Hühner sind keine Weidetiere. Sie brauchen Schutz vor Greifvögeln und bevorzugen, rasch Deckung aufsuchen zu können. Je strukturierter durch Büsche oder andere Pflanzen eine Weide ist, umso mehr nutzen die Tiere das gesamte Gelände. Regina Bartel, www.aid.de Stand: 16.03.2016 Landesamt: Öko-Verstöße bei Großbeständen Die Ostsee-Zeitung berichtet am 24.8.2016 über mehrere überwiegend „kahle“ Bio-Hühnerhöfe ohne Grasnarben-„Ökogrün“ – diese Verstöße gegen die EU-Öko-Verordnung habe das Rostocker Landesamt für Landwirtschaft dem Bio-Eiervermarkter „Fürstenhof“ vorgeworfen. Der Erzeugerverbund Fürstenhof ist demnach einer der größten BioEieranbieter Deutschlands. In 14 Farmen werden rund 300 000 Legehennen gehalten. Die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) krisiert regelmäßig dass bei zu großen Herdenstrukturen die meisten Hühner den Auslauf gar nicht nutzen können und im Stall bleiben – und dass solches „Agrarindustrie“-„Bio“ das „Echt-Bio“ in bäuerlichen Strukturen vom Markt verdränge. Im bundesweiten Netzwerk „Bauernhöfe statt Agrarfabriken“ haben Bürgerinitiativen mehrfach solche „Bio“-Legehennen-Ställe verhindert. Hinweis-Link zu einer Veranstaltung der Bundes-Grünen in Berlin: https://www.gruene-bundestag.de/termin/aussenklimastelle-in-dergenehmigungsfalle-scheitert-der-umbau-der-tierhaltung-am-immissionsschutz.html Vergabe des Niedersächsischen Nachhaltigkeitspreises Landwirtschaft 2016 Der diesjährige Niedersächsische Nachhaltigkeitspreis Landwirtschaft geht an die Bauernfamilie Inken und Hendrik Stolze aus Schwüblingsen, Gemeinde Uetze. Mit dem Nachhaltigkeitspreis Landwirtschaft zeichnet das Land Niedersachsen Betriebe aus, deren nachhaltige Wirtschaftsweise und Verpflichtung für mehr Tierwohl in besonderem Maße Vorbild- und Modellcharakter besitzen. Ziel einer nachhaltigen Landwirtschaft ist es, umwelt-schonend zu wirtschaften und dabei gleichzeitig ökonomischen und sozialen Anforderungen gerecht zu werden. Die Bewerber wurden mit dem Nachhaltigkeitssystem RISE (Response-Inducing Sustainability Evaluation) bewertet. Schwerpunkt der diesjährigen Verleihung war ein vorbildlicher innovativer Tierschutz. Die Preisverleihung durch Minister Meyer findet direkt auf dem Hof in der Region Hannover statt. Links: http://www.bauerstolze.de/ http://www.oekolandbau.nrw.de/fachinfo/tierhaltung/gefluegel/jvl_bericht_ mobiler-stall_03-2012.php Trump und die US-Farmer Laut top agrar online (27.6.2016) sind gibt es bei den US-Farmern zwei Meinungen zu Republikaner-Präsidentschafts-Kandidat Trump: Manche erhoffen von ihm eine Befreiung von Steuern und Umweltauflagen. Andere befürchten durch seine Ausweisungspläne gegen Mexikaner das Fehlen von Mitarbeitern. Allein in Kalifornien beschäftigen die 77.000 Farmen rund 330.000 Mitarbeiter – darunter wohl ein Viertel ohne legalen Aufenthaltsstatus. Topagrar.com: http://www.topagrar.com/news/Home-top-News-USFarmer-uneins-ueber-Trump-4349543.html „Die Invasion der rechten Siedler“ - aus einem Bericht der Allgemeinen Zeitung Uelzen (27.8.16) über eine Lesung des taz-Journalisten Andreas Speit in Bienenbüttel: „Rechtsextreme Gewalt ist in Deutschland alltäglich – so alltäglich, dass es gar nicht mehr auffällt“, sagt der studierte Soziologe. Sein Vorwurf: Immer noch sei der Staat auf dem rechten Auge blind, versäume es, bei Verbrechen in die entsprechende Richtung zu ermitteln, kritisiert Speit, der den Prozess um den sogenannten Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) verfolgt hat. Viel zu spät seien die Ermittler dem Trio auf die Spur gekommen. Und noch vor Gericht werde die Rolle eines Netzwerks von Unterstützern auf dem rechtsextremen Milieu unterschätzt, das Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt mit Papieren und Waffen versorgte. Der Prozess gegen die überlebende Beate Zschäpe zeige auch, dass die Rolle der Frauen im rechtsextremen Milieu unterschätzt werde. Zschäpe habe den beiden Tätern den Rücken freigehalten, habe sie versorgt und den Nachbarn das Bild höflicher junger Leute vermittelt. Frauen spielen auch eine große Rolle bei einem unheimlichen Phänomen, auf das Speit nicht nur in Mecklenburg-Vorpommern stieß: rechte Siedler, die sich in Gegenden mit günstigen Immobilienpreisen ansiedeln, als Selbstversorger, Biobauern und Handwerker eher unauffällig leben und ihre Kinder im rechtsextremen, zum Teil völkischen Weltbild aufziehen. Viele der Siedler stammen bereits selbst aus rechtsextremen Familien, wurden in zum Teil inzwischen verbotenen Jugendorganisationen wie der Wikingjugend und dem Sturmvogel sozialisiert. „Sie verschwinden vielleicht aus dem Polizeiradar, aber sie ändern nicht ihre Gesinnung“, betont Speit. „Selbst bei einem NPDVerbot bleiben diese Strukturen bestehen.“ Links zum Buch „Mädelsache“ und zu einer Broschüre über völkische Siedler: http://www.christoph-links-verlag.de/index.cfm?view=3&titel_nr=615 https://www.amadeu-antoniostiftung.de/w/files/pdfs/voelkische_siedler_web.pdf Rassismus unter dem Deckmantel des Tierschutzes Aus einer rassistischen Mail, die in extrem rechten Tierschutzkreisen zirkulierte: Abgebildet war eine Bache (Wildsau) mit Frischlingen, die in einem Ort über den Zebrastreifen und auf dem Bürgersteig lief: „Immer wieder schön, - eine friedliche Herde Wildschweine... Irgendwo in Europa; am Sonntagmorgen ein Ausflug der ganze Familie. Es ist schön zu sehen wie die Alten ihre Jungen beschützen. Was mir auffällt ? sie benützen den Fussgängerstreifen um über der Strasse zu gehen ! sie benützen das Trottoir ! sie tragen keine Kopftücher! sie benützen kein geklaute Fahrräder/Roller oder BMWs! sie halten Disziplin! sie tragen keine Messer! sie gehen nicht in fremden Häuser! sie spucken nicht auf den Boden! und sie machen keine fremden Frauen an!!! aber das schlimmste ist… auf die darf geschossen werden!!!“ LINK: https://tierschutzpartei-leaks.info/2014/06/05/harald-von-fehr/ Neue SÜDWIND-Studie: Migration und Flucht in Zeiten der Globalisierung Migrant_innen und Flüchtlinge, die auf der Suche nach Schutz und einem besseren Leben in den Globalen Norden kommen, tun dies nicht leichtfertig. Der Entscheidung, die Heimat zu verlassen, gehen meist Erfahrungen von Gewalt, Entbehrung und Armut voraus. Aber woher konkret rühren die Gründe für den Aufbruch? Kann Migration eingedämmt werden? Die Studie befasst sich unter anderem mit diesen und weiteren Fragen zu den Themen Flucht, Migration und Entwicklungszusammenarbeit. Die Studie kann über www.suedwind-institut.de/publikationen/2016/ bestellt werden und steht auch dort zum Download bereit. Aus: VEN-Nachrichten 4-2016 Von der Internetseite „Informationsdienst Gentechnik“: Greenpeace zu Nobelpreisträgern: „Golden Rice ist ein PR-Instrument“ 04.07.2016 Greenpeace sieht in gentechnisch verändertem Reis keine Lösung für Ernährungsprobleme. Daran ändert auch der Vorwurf von über 100 Nobelpreisträgern nichts, die Umweltschutzorganisation blockiere mit ihrem Engagement gegen den „Golden Rice“ den Kampf gegen VitaminA-Mangel. Greenpeace verweist darauf, dass der transgene Reis laut seinen Entwicklern noch gar nicht einsatzbereit ist. Statt viel Geld in High-Tech-Labore zu stecken, müssten Armut und einseitige Ernährung angegangen werden. Viele Fragen seien offen, schreibt der GreenpeaceLandwirtschaftsexperte Dirk Zimmermann in einer Antwort auf den Brief der Nobelpreisträger: kann das per Gentechnik in den Reis eingebaute Beta-Carotin vom Körper in ausreichend Vitamin A umgewandelt werden? Wie würden sich Umweltbedingungen auf die Zusammensetzung der Reisinhaltsstoffe auswirken? „Sicher ist: Der gentechnisch veränderte Reis würde traditionelle Reissorten und wilden Reis verunreinigen“, so Zimmermann. „Damit stünde die Sicherheit eines Grundnahrungsmittels für mehr als die Hälfte der Erdbevölkerung auf dem Spiel.“ Der Golden Rice lässt seit Jahren auf sich warten. Auf der Webseite des International Rice Research Institute (IRRI), das die Arbeit daran seit 2006 koordiniert (geforscht wird aber schon seit den 1990er Jahren), heißt es seit Langem unverändert: „Golden Rice befindet sich derzeit noch in der Entwicklung und Bewertung.“ Die Unterzeichner des Nobelpreisträger-Briefs machen dafür Greenpeace und andere NGOs nicht etwa die Schwierigkeiten der Gentech-Forschung - verantwortlich. An ihrer Pressekonferenz durfte vergangene Woche dennoch kein Greenpeace-Vertreter teilnehmen: dem US-Mitarbeiter Charlie Cray wurde nach eigenen Angaben von einem ehemaligen Manager des Gentechnik-Konzerns Monsanto der Zutritt verweigert. Zimmermann: „Besagter Reis ist weiterhin nur ein Forschungsprojekt mit gut geölter PR-Maschinerie.“ … Links: Greenpeace Blog: Warum der Goldene Reis und Agro-Gentechnik keine Lösungen sind (01.07.16) Support Precision Agriculture: Laureates Letter Supporting Precision Agriculture (GMOs) [offener Brief, Pressekonferenz fand am 30.06.statt] International Rice Research Institute, Philippines (IRRI): IRRI: When will Golden Rice be available to farmers and consumers? Golden Rice: Ethikverstöße: Studie zu Gentech-Reis zurückgezogen (03.08.15) Preisausgleichszahlungen statt Flächenprämie: Kasseler Institut plädiert für eine aktive Agrarstrukturpolitik Angesichts der aktuellen Krise in der Landwirtschaft ist die Diskussion um die künftige Ausgestaltung der Agrarpolitik wieder in vollem Gange. Das Kasseler Institut für ländliche Entwicklung schlägt vor, die derzeitigen Flächenprämien durch aktive Marktpolitik und ein Instrument für Preis-Ausgleichszahlungen zu ersetzen. Die Wissenschaftler des Instituts gehen davon aus, dass es einerseits einen breiten Konsens für eine bäuerliche Landwirtschaft in der Gesellschaft sowie erhebliche Kritik an den flächenbezogenen Direktzahlungen der sogenannten ersten Säule gibt. Andererseits sehen sie Defizite bei den Konzepten, die die Sicherung bäuerlicher Landwirtschaft allein durch die Honorierung besonderer ökologischer Leistungen und die Ausrichtung auf Qualitätsprodukte erreichen wollen: „Das sind zwar wichtige Bausteine, aber sie allein können die notwendigen Strukturen für eine nachhaltige Landwirtschaft nicht garantieren,“ so Frieder Thomas, Geschäftsführer des Instituts. Im Zentrum des Modells steht die Berechnung von Erzeugungskosten für landwirtschaftliche Produkte für bestimmte Betriebstypen in konkreten Regionen. Diese Kosten werden ins Verhältnis gesetzt zu den erzielbaren Erzeugerpreisen. Wenn sich die Preis-Kosten-Schere in einzelnen Sektoren öffnet und das Verhältnis von Erzeugungskosten zu Erzeugerpreisen eine bestimmte – und in der politischen Diskussion noch zu bestimmende – Größenordnung unterschreitet, werden Preisausgleichszahlungen fällig. Thomas benennt einige Vorteile dieses Konzepts: „Zunächst plädieren wir ja dafür, dass ein funktionierender Markt und politische Maßnahmen für ein Marktgleichgewicht mit angemessenen Preisen sorgen. Das ist notwendig, denn sonst wird unser Modell kostspielig. Der Markt alleine wird es jedoch nicht richten. Um eine bäuerlich-mittelständische Landwirtschaft zu erhalten, brauchen wir zusätzlich ein agrarstrukturelles Förderprogramm. Mit unserem Modell wenden wir uns ab von der ungezielten Flächenförderung nach dem Gießkannenprinzip, schaffen Raum für das Wirken marktwirtschaftlicher Mechanismen, entschärfen aber gleichzeitig auch den auf landwirtschaftlichen Betrieben lastenden Wachstumsdruck, der ein wesentlicher Grund ist für eine fortwährende Konzentration bei den Betrieben und für erhebliche Kollateralschäden bei Umwelt, Klima, Biodiversität oder Tierschutz.“ Ursache für diesen Druck sei unter anderem ein eklatantes Marktversagen in nahezu allen Bereichen der Landwirtschaft. „Solange das der Fall ist“, so der Vorsitzende des Institutsvorstands Onno Poppinga ,,sind staatliche Regulierungen auf den Märkten sowie politische Maßnahmen zur Gestaltung der Agrarstruktur und zur Sicherung landwirtschaftlicher Einkommen zwingend erforderlich.“ Die Wissenschaftler vom Kasseler Institut gehen davon aus, dass der bürokratische Aufwand gering wäre: „Die wesentlichen Daten zu verschiedenen Betriebstypen liegen vor. Sie beziehen sich auf unterschiedliche Produktionsschwerpunkte (Milch, Fleisch, Getreide u.am.), auf Betriebsgrößen und auf verschieden europäische Regionen. Sie sind repräsentativ und werden ohnehin jährlich von den EU-Ländern abgerufen und von der EU verarbeitet. Die EU-Kommission nutzt die Daten bereits jetzt zur Errechnung von Gewinnmargen in einzelnen Sektoren,“ so Karin Jürgens, die derzeit an Modellen zur Kostenermittlung im Milchsektor arbeitet. Das Modell des Kasseler Instituts ist nicht bis ins letzte Detail ausgearbeitet: „Das war nicht unser Ziel,“ sagt Geschäftsführer Frieder Thomas: „Erst wenn wir den Eindruck haben, dass das Grundprinzip politische Unterstützung findet, ist es sinnvoll, Zeit in die Weiterentwicklung zu investieren. Aber genau deshalb gehen wir jetzt an die Öffentlichkeit und hoffen auf eine spannende agrarpolitische Diskussion.“ Download: Arbeitsergebnisse 10/2016 Plädoyer für eine aktive Agrarstrukturpolitik durch PreisAusgleichszahlungen http://www.kasseler-institut.org/31.0.html CHRISMON.DE – Das evangelische Online-Magazin September 2016: Wenn Milchbauern ihren Hof aufgeben müssen Nummer 144 kalbt nie mehr Nils Hulsmann Weil sie nichts mehr an der Milch ihrer Kühe verdienen, geben die Gepperts in Ostfriesland den Hof auf. Bald wird der Stall ganz leer sein. Die Geschichte einer Entscheidung Kühen muss man sich vorsichtig nähern, sie sind schreckhaft. Also berührt Gabi Geppert kurz den linken Hinterlauf von Nummer 144, damit das Tier weiß, was jetzt kommt. Sie melkt an, bis die erste Milch spritzt, und säubert die Zitzen mit einem Papiertuch. Dann stülpt sie das Melkgeschirr über das Euter. Doch die Milch läuft nicht in den großen Tank, sondern in eine durchsichtige Kanne. Kuh 144 hat erst vor wenigen Tagen gekalbt, sie gibt noch Biestmilch, die besonders fettreich ist. Die ersten zehn Gemelke nach der Geburt dürfen nicht in die Molkerei, die bekommen die Kälber mit der Flasche im Nuckeleimer. Gabi Geppert, 51 Jahre alt und Milchbäuerin seit fast 20 Jahren, hält kurz inne und betrachtet das Plastikband am Hinterlauf des Tieres. Ehe sie zum nächsten weitergeht, sagt die Bäuerin: „Nummer 144 hat Sonntag zum letzten Mal gekalbt.“ Im Herzen der Bauer... Aber vielleicht haben wir bald gar keine mehr! Landwirte sind aufs Business getrimmt, sagen Clemens Dirscherl und Jan Grossarth. Eine Begegnung zum Thema "Agrarbusiness" Die Gepperts leben in Ostfriesland auf einem Hof, auf dem nun alles Mögliche zum letzten Mal passiert, bis die Ställe leer sein werden. In eineinhalb Jahren wird Schluss sein, vielleicht ein bisschen früher, vielleicht später. Kühe geben nur Milch, wenn sie gekalbt haben. Dafür müssen sie immer wieder trächtig werden, etwa 100 Tage nach der letzten Geburt. Aber Kuh 144 darf nicht mehr zu „Monster“, dem Bullen im Nachbarstall. Und die anderen Kühe auch nicht. Ihre Milch wird versiegen, weil die Gepperts davon nicht mehr leben können. Die letzte Abrechnung der Molkerei wies einen Milchpreis von 21 Cent pro Kilogramm aus. 40 Cent bräuchten sie, um alle Kosten zu decken und Rücklagen für neue Investitionen zu bilden. Jetzt hofft Reinhold Geppert, 61 Jahre alt und schon sein Leben lang Milchbauer, auf die Rente mit 63. Reinhold Geppert ist ein schlanker, drahtiger Mann mit Bart und Brille, ein Typ wie Pettersson aus „Pettersson und Findus“. Früher hat er sich als Landwirt bezeichnet. Bauer, das klang für ihn wie ein Schimpfwort. Aber jetzt fühlt er sich doch als Bauer. „Weil es nach Stolz klingt.“ Sein Vater stand noch mit 78 Jahren im Melkstand; diesen Plan hatte auch Reinhold Geppert für sein eigenes Leben. Vor knapp zwei Jahren hatte er einen Herzinfarkt, da kam er ins Grübeln. Trotzdem wollte er seiner Frau den Hof überschreiben und mit ihr weitermelken, bis Sohn Christian, heute 15 Jahre alt, übernehmen könnte. „Die Entscheidung, ob er das möchte, haben wir ihm abgenommen. Der Hof hat keine Zukunft. Wir schleichen uns raus“, sagt Geppert. Neulich bekam er seine Lebensversicherung ausgezahlt. Jetzt beobachtet er, wie das Geld auf dem Konto immer weniger wird. 40 Hektar Land, die sie bald nicht mehr brauchen Ein heißer Sommertag kündigt sich an in Klostermoor. Das Ehepaar Geppert frühstückt im Garten, ein seltenes Glück im Norden, wo es oft stürmt und regnet. Morgens um sechs Uhr waren sie melken gegangen, wie immer. Das Frühstück ist eine besondere Zeit, da planen sie den Tag und kommen noch mal zur Ruhe. Über Geppert rauscht ein Ahorn in der leichten Brise. Der Bauer weiß noch, dass Strafgefangene aus Meppen vor jedem der Höfe in der Nachbarschaft einen Baum pflanzen mussten, ein Beamter bewachte sie dabei, mit Karabiner im Anschlag. 1957 war das. Nach dem Zweiten Weltkrieg waren die Gepperts aus Schlesien geflohen, dort waren sie Bauern gewesen, sechs Generationen lang. „Mit uns sechs Kindern galten meine Eltern als asoziale Flüchtlinge. Mein Vater fuhr Plumpsklos aus, das war ihm egal. Ihm war nur wichtig, dass er für uns sorgen kann.“ In der Nachkriegszeit beschloss der Landkreis, dem Moor die „Neue Siedlung Klostermoor“ abzutrotzen und sieben Höfe anzulegen, mit je 16 Hektar Land. Für die Neubauern gab es günstige Kredite. Ein einflussreicher Beamter wehrte sich allerdings dagegen, das Land überwiegend an Vertriebene zu geben. Nur zwei geflohene Familien sollten zum Zuge kommen. Umso wichtiger war der Leumund. „Nehmt den Geppert, der läuft nicht davon“, erzählten sich die Menschen damals in der Gegend, als das neue Land zu vergeben war. Reinhold Geppert, ein frommer Mann, der vor jeder Mahlzeit ein Tischgebet spricht, sagt: „Für meine Eltern war der Hof ein Geschenk Gottes.“ Als die Siedlung 50 Jahre alt wurde, haben alle Nachbarn gemeinsam Hefte gemacht mit Erinnerungsfotos. Ein Zeitungsartikel von damals ist auch darin, er schließt mit den Worten: „Das Klostermoor wird den Siedlern eine sichere Existenz bieten können.“ Drei der sieben Höfe sind aufgegeben. Noch eine Tasse Tee. Reinhold Geppert sagt, Landwirtschaft sei eine Lebensweise, weil Bauern sich der Natur unterordnen müssten. Nur das Melken ist eine Konstante, morgens um sechs, abends um fünf Uhr. Was dazwischen und danach passiert, entscheiden Wetter und Jahreszeiten. Gleich muss er raus auf die Weide fahren, die sie seit Jahrzehnten gepachtet haben. Grasschnitt schwadern, damit der Lohnunternehmer Siloballen pressen kann. Kuhfutter für den Winter. Die Sonne brennt, Geppert macht sich Sorgen, das Gras könnte zu Heu werden. Gabi Geppert, eine kleine Frau, die gern lächelt, sieht ihrem Mann hinterher, als er mit hochgeklapptem Schwader und orangefarbenem Blinklicht auf dem Traktor davonfährt. Das Schwadern gehört auch zu den Dingen, die zum letzten Mal passieren. Noch bewirtschaften die Gepperts 40 Hektar Land, aber wenn die Kühe weg sind, braucht es auch kein Futter mehr. „Als Reinhold los ist, um die Pacht zum Jahresende zu kündigen, bin ich noch einmal hinterher und habe ihn gefragt: ‚Willst du das wirklich machen?‘“ Aber ihr Mann kehrte nicht mehr um. „Ich kann meine Arbeit gut machen oder schlecht – es reicht sowieso nicht“ Die Stimme von Gabi Geppert klingt brüchig, wenn sie über Dinge spricht, die sie berühren. Sie hat einen sächsischen Akzent. 1997 heiratete sie auf den Hof ein. „Du und ein Bauer!“, hatte ihre Mutter gestaunt. Dabei ist sie selbst ein Bauernkind. Ihre Eltern bewirtschafteten einen Hof in Sachsen, der aber in einer LPG aufgehen musste. Mutter und Vater wirkten auf Gabi Geppert wie angestellte Facharbeiter, nicht wie Landwirte. Sie selbst machte eine kaufmännische Ausbildung und arbeitete nach der Wiedervereinigung als Chef- sekretärin. Als sie nach Klostermoor kam, wurde ihr sofort die Maxime ihres neuen Lebens klar: alles für den Hof! Mehr im Netz: BR-Doku "Die dunkle Seite der Milch" Ihr Mann ist zurück vom Feld, es ist Abend geworden. Sohn Christian hat die Kühe von der Weide geholt, Reinhold Geppert treibt immer zwölf von ihnen in den Melkstand. Je sechs Tiere können zwischen Eisenstangen stehen, die schräg wie Fischgräten angeordnet sind. Dazwischen führt eine Eisentreppe hinab zur Melkmaschine. Wasserschläuche baumeln von der Decke, damit wird später saubergemacht. Es kommt vor, dass eine Kuh ihre Fladen fallen lässt und der Mist auf die blaue Arbeitskleidung der Gepperts spritzt. Im Sommer macht die Hitze die Stallluft noch schneidender. Ja, hier stinkt’s. Und doch kam Gabi Geppert gerade hier mit sich und dem Landleben ins Reine. Der Gleichklang aus Ansaugen und Loslassen, die pulsierenden Geräusche der Melkmaschine legten ein regelmäßiges „Pammpamm, Pammpamm, Pammpamm“ über ihre Gedanken. Für vier Stunden am Tag hatte sie ihre Ruhe, obwohl sie mitten bei der Arbeit war. Manchmal war das wie Urlaub, sagt sie. Aber das ist vorbei. „Ich muss ausblenden, was ich hier mache, sonst würde ich darüber verzweifeln. Ich kann die Arbeit schlecht machen, ich kann sie gut machen, es ist egal – es reicht trotzdem nicht.“ Es hapert an Alternativen zur Schließung Natürlich wollen die Gepperts ihre Arbeit gut machen. 70 Melkkühe leben auf dem Hof, eine gibt im Schnitt 8000 Kilogramm Milch im Jahr. Heutzutage ist das Durchschnitt. Das liegt daran, dass Gepperts nicht nur leistungsstarke Tiere behalten. Die älteste Kuh ist 15 Jahre alt, auf anderen Höfen wird früher aussortiert. Und es liegt am Futter. Gepperts Tiere können tagsüber raus auf die Weide, die Stalltür steht offen. Sie bekommen Kraftfutter, aber nur gentechnik-freies. Auch wenn in der Molkerei, die ihre Milch holt, alles zusammengekippt und zu Käse verarbeitet wird – Gentechnik wollen die Gepperts nicht in ihrem Futter haben. Vielleicht wäre es wirtschaftlicher, aber das ist ihnen egal. Ihre Prinzipientreue kostet sie sowieso manchmal Geld: Männliche Kälber verkaufen sie – aber der Händler nimmt sie erst mit, wenn sie mindestens 14 Tage alt sind. Manche Landwirte flunkerten beim Geburtsdatum, weil an jedem Tag, an dem ein Kalb auf dem Hof bleibt, Kosten entstehen. „Wir haben uns vorgenommen, bei der Wahrheit zu bleiben. Und bei der kann man keine Kompromisse machen“, sagt Gabi Geppert. Es ist nicht so, dass die Gepperts sich alles gefallen lassen. Sie können wütend werden, kämpferisch. Sie haben schon viele gute Ratschläge gehört, alle Welt weiß, was Milchbauern wie sie in der Vergangenheit alles hätten besser machen können. Die Gepperts kontern direkt. Warum nicht umstellen auf Bio? Die Moorböden geben ohne Dünger zu wenig her. Vielleicht ginge es mittlerweile, aber dann müssten sie viel investieren. – Warum kein Hofcafé eröffnen oder eine Milchtankstelle für den Direktverkauf? Gabi Geppert hat schon Fortbildungen besucht, auf denen Dozenten dazu rieten. Aber der Vossweg, an dem ihr Hof liegt, ist eine Sackgasse. So was geht nur in der Nähe von Städten mit Kunden oder an touristischen Radwegen. – Warum nicht auf Ackerbau umstellen? Dafür sind die Böden zu schlecht. Hier ist nur Milchwirtschaft möglich. "Ich könnte die Milchpackungen im Supermarkt aus dem Regal reißen" Neulich hat Gabi Geppert einen Futtermittelberater im Fernsehen erkannt. Ganz betroffen habe er geschildert, wie gedrückt die Stimmung unter den Landwirten sei. „Ich habe mal eine Betriebsführung mitgemacht, da war er auch dabei und fragte einen unserer Gastgeber, warum er keinen größeren Stall baut.“ Viele Menschen haben den Bauern geraten, die Milchwirtschaft auszubauen. Auch die Gepperts haben gerechnet. Allein eine Sanierung des Melkstands und des Stalles hätte über 100 000 Euro gekostet, ein Neubau noch viel mehr. Sie kennen Landwirte, die Millionen investiert haben, während der „Goldgräberstimmung“ noch vor wenigen Jahren, als es hieß, Milch werde zum Exportschlager. „Als es die Milchquote noch gab, war der Preis schon manchmal niedrig. Da sagt doch der gesunde Menschenverstand, dass etwas nicht stimmen kann.“ Aber nun ist die viele Milch auf dem Markt und der Preis im Keller. Das verbittert Gabi Geppert, sie fühlt sich in ihrer Arbeit nicht wertgeschätzt. Und auch nicht als Bäuerin. Weihnachten hört sie im Radio immer, wie die Moderatoren sich bei den Menschen bedanken, die Heiligabend arbeiten: bei den Krankenschwestern, den Polizisten, den Soldaten im Auslandseinsatz. „Aber nie bedankt sich jemand bei uns.“ Sie will es sich nicht leichtmachen. Was wisse sie schon über das Leben der anderen Menschen, die sie im Supermarkt beim Einkaufen sehe? Die könnten sicher nicht immerzu über Landwirtschaft nachdenken. Aber dass Bauern von dem, was sie an Lebensmitteln produzieren, auch leben müssen, sei doch wohl klar. „Ich muss manchmal im Supermarkt aufpassen, dass ich die Packungen mit Milchprodukten nicht vor Wut aus dem Regal reiße. Oder Zettel hinten draufklebe: ‚Schämt euch!‘“ Sie fängt an zu weinen. „Wo ist die Moral? Alle gucken zu, wie das hier gegen die Wand fährt.“ Sie besucht schon Kurse, damit sie wieder in ihren alten Beruf wechseln kann, wenn die Kühe erst mal weg sind. Manchmal steigt auch Erleichterung in ihr hoch, weil das permanente Müssen aufhört, die Verpflichtungen den Tieren gegenüber. „Die kleinen Höfe werden keine Nachfolger finden. Wer will denn das, sieben Tage die Woche im Stall stehen?“ Die Gepperts im Mais, aus dem Kuhfutter wird. Dies ist der letzte, den sie hier ernten Trügerische Goldgräberstimmung Wer hat Schuld, dass die Gepperts aufhören müssen? Es ist nicht leicht, das herauszuhören. Der Bauernverband, weil er auf Wachstum gesetzt hat? Sie selbst, weil sie nicht mitwachsen wollten? Der Handel, weil er die Preise drückt? Die Kunden, die sich längst an günstige Lebensmittel gewöhnt haben? Die anderen Bauern, die immer noch mehr melken? Die Molkereien, die den Weltmarkt erobern wollen? Über die Molkereien ärgern sich Gepperts vielleicht am meisten. Dabei sind viele Molkereien Genossenschaften, sie gehören den Bauern, die auf Mitgliederversammlungen über den Kurs der Geschäftsführungen mitbestimmen können. Reinhold Geppert war sogar mal in einem Molkereivorstand, aber er sagt, das Amt sei kaum zu bewältigen. Tagsüber sei ja die ganz normale Arbeit zu tun. Draußen ziehen dunkle Wolken auf, die Gepperts bekommen Gäste. Drei Bauernpaare aus der Gegend sind eingeladen, es gibt Tee, Kaffee und Kuchen. Reinhold Geppert erzählt von der Genossenschaftlerversammlung einer großen Molkerei. Er hatte einen Ordner neben sich auf den Stuhl gelegt, um die Geschäftsführung mit Fakten kritisieren zu können. Da kam ein Aufsichtsrat zu ihm. „Ach, Herr Geppert, wir wünschen uns doch alle eine ruhige, schnelle Versammlung.“ Reinhold Geppert sagt, hinterher gebe es immer ein großes Büfett. „Das ist doch Absicht, dass es nach Essen riecht, dann sind alle genervt, wenn einer lange Reden hält.“ Die Gäste sitzen um den Wohnzimmertisch der Gepperts herum und lachen über die Anekdote. Aber warum halten die Bauern nicht zusammen, wenn alle unter dem Preisverfall leiden? Ein Mann mit dicken, wuscheligen Haaren, in seinem Stall stehen 50 Milchkühe, grummelt: „Bauern kriegst du nie unter einen Hut.“ Nun reden sie das ganze Gewitter lang, das draußen vorüberzieht, viele Stunden. Ein Stakkato an Erlebnissen und Argumenten. Einer hat mit seiner Frau und den beiden Kindern über zwei Millionen Euro in einen neuen Stall für 250 Kühe und vier Melkroboter investiert. Er sagt, zur Wahrheit gehöre ja auch, dass der Milchpreis im Sommer 2014 mal bei 40 Cent gelegen habe, da sei die Goldgräberstimmung entstanden. Seine Frau nickt: „Wir haben nicht aufgepasst.“ „Die Leute kaufen einen Grill für 800 Euro - und das Fleisch beim Discounter“ Ein anderer, der im Bundesverband Deutscher Milchviehhalter aktiv ist, erzählt, der Lieferstreik 2008 habe die Landwirte frustriert. Er schätzt, dass damals bis zu 70 Prozent der Milchbauern zehn Tage lang ihre Milch wegkippten, auch die Gepperts waren dabei, mit Tränen in den Augen. Der Handel erhöhte die Preise für Trinkmilch um zehn Cent, aber ein Jahr später bekamen die Bauern wieder weniger. „Seitdem denken viele: Es bringt ja nichts, wenn man zusammenhält“, meint der BDMAktivist. Für ihn hat die Krise viel damit zu tun, dass Bauern Einzelkämpfer seien. „Man arbeitet den ganzen Tag für sich allein, man ist es gewohnt, nur auf den eigenen Betrieb zu achten. Man belauert den Nachbarn, weil man nicht wissen kann, was er plant.“ Gabi Geppert erinnert sich, dass der Milchlaster beim Melkstreik 2008 trotzdem kam und absichtlich rückwärts auf den nachbarlichen Hof fuhr und stehen blieb. Niemand sollte sicher sein, ob der Nächste nicht doch Milch liefere und ein extra gutes Geschäft mache. Dabei gebe es doch Maßnahmen, die die Milchmenge um ein paar Prozent senken, wenn alle mitmachten, zum Beispiel: Die Kälber Vollmilch trinken lassen! Weniger Kraftfutter geben! Je später der Abend, desto hitziger wird die Stimmung. Es gibt noch gut 70 000 Milchbauern in Deutschland, aber nur 150 Molkereien und fünf große Einzelhandelsketten. Erpressbar, ersetzbar und ausgeliefert seien die Bauern. Und der Handel bezahle seine Angestellten schlecht, es gebe einen großen Billiglohnsektor. „Die produzieren sich ihre Kunden, die Geiz geil finden müssen, die ganze Zeit selbst“, sagt der BDM-Bauer. Nicht nur arme Kunden wollen billige Lebensmittel, wendet ein anderer ein: „Es gibt Leute, die kaufen einen Grill für 799 Euro. Und dann liegt ein Stück Hühnerbrust für einen Euro auf dem Rost.“ Aber die Bürger und Verbraucher würden die Verantwortung nicht bei sich sehen, sondern mit dem Finger auf die Bauern zeigen, die mit teuren Traktoren zur Demo fahren. „Heißt ja nicht, dass die Trecker auch alle abbezahlt sind“, sagt Reinhold Geppert. Aber das Bild von den Bauern, die mit den Subventionen der Steuerzahler reich würden, halte sich. Alle am Tisch sind sich einig, dass sie lieber kein EU-Geld bekommen würden, dafür aber einen höheren Milchpreis. Ein glimpfliches Ende, ohne neue Schulden Gegen Ende des Abends haben die Frauen am Tisch eine Idee. Sie wollen demnächst zeitgleich ihre Einkaufswagen im nächstgelegenen „Edeka“ voll mit Milch, Quark und Joghurt laden und an der Kasse den Betrieb aufhalten. „Tut mir leid, ich habe kein Geld, ich bin Milchbäuerin.“ Die Lokalzeitung würde sicher gern darüber berichten. – Als es draußen aufhört zu blitzen, brechen alle auf und bedanken sich bei den Gepperts: Es tue gut, mal zu hören, dass die anderen auch Sorgen hätten, sagen sie. „Viele sehen die Schuld bei sich und denken, die anderen können eben besser mit Geld umgehen“, sagt Gabi Geppert. Wie wird es sein, wenn der Hof aufgegeben ist? Natürlich stürzen dann nicht plötzlich alle Mauern ein. Das Haus bleibt stehen, die Gepperts werden weiter darin leben. Im Bauerngarten werden im Frühjahr die Blumen blühen. Der Ahorn wird neues Laub tragen. Aber die Ställe werden leer sein. Vielleicht vermietet Geppert sie dann quadratmeterweise an Wohnwagenbesitzer, als Winterquartier. Es geht auf Mitternacht zu. Reinhold und Gabi Geppert stehen müde in der Küche. Reinhold Geppert weiß noch nicht, ob viele Tiere auf einmal vom Viehhändler zum Schlachthof gebracht werden. Oder ob sie nach und nach rausmüssen. Die Ruhe in seiner Stimme wirkt für einen Moment nicht mehr entschlossen, sondern unsicher. „Ich darf nicht darüber nachdenken.“ Gabi Geppert sagt, ihr Glaube helfe ihr, das Ende der Milchwirtschaft zu ertragen. „Ich habe keine Angst vor dem, was kommt, ich muss nicht daran verzweifeln. Aber ich hätte nicht gewollt, dass unser Sohn eines Tages im Stall steht und verzweifelt.“ Reinhold Geppert stimmt ihr zu. Alles habe seine Zeit. Für seine Eltern sei es der richtige Zeitpunkt gewesen, das Geschenk anzunehmen und etwas aus dem Hof zu machen. Und für ihn sei es eben an der Zeit, die Geschichte zu einem glimpflichen Ende zu bringen, ohne neue Schulden. Müde guckt der Bauer in seiner Küche umher und sagt: „Dann bin ich eben der Geppert, der wegläuft.“ Und geht zu Bett. Information Milchbauern in der Krise Ende März 2015 lief die Milchquote aus. Sie war 1984 eingeführt worden, um die Milchproduktion in Europa zu begrenzen. Aber die Preise schwankten trotzdem: Im Jahr 2006 bekamen Bauern etwa 27 Cent für das Kilo Milch, 2009 waren es 24 Cent. 2013 und 2014 wurde Milch mit über 37 Cent vergütet. Seit dem Ende der Quote fällt der Preis – auch für die Verbraucher. Sie zahlten 2008 für einen Liter Frischmilch aus konventioneller Herstellung 72 Cent. Und jetzt? Anfang August konnte man einen Liter Milch bei Rewe in Frankfurt am Main für 46 Cent bekommen. 2014 war schon die Hälfte der in deutschen Molkereien verarbeiteten Milch für den Export bestimmt. Bundesregierung und Bauernverband hatten die Landwirte noch bis vor kurzem ermutigt, weiter auf den Export zu setzen: Asien! Russland! Nur erfüllten sich die Prognosen nicht – aber die Milchmenge steigt. Vier Millionen Kühe gaben in Deutschland im vergangenen Jahr 32,6 Millionen Tonnen Milch – vor der Jahrtausendwende waren es noch weniger als 30 Millionen Tonnen. Die rund 150 deutschen Molkereien stehen einer Handvoll Handelskonzernen gegenüber: 85 Prozent der Milchprodukte gibt es bei Edeka, Rewe, Metro, Lidl und Aldi. Und was machen jetzt wir, die Konsumenten? Die Verbraucherzentrale Hamburg rät dazu, Biomilch zu kaufen; der Erzeugerpreis für die Landwirte sei deutlich höher und stabiler. Auch Regionalfenster auf Packungen könnten ein Hinweis darauf sein, dass Bauern faire Preise erhalten. Geschützte Begriffe seien nur „Bio-“ und „Heumilch“ – eine regionale Herkunft kann man aber auch da nicht ableiten. Im Zweifel: fragen! Mit der „RegioApp“ können Verbraucher nach Anbietern von regionalen Lebensmitteln suchen, auch nach fairer Milch. Bisher sind dort viele Anbieter aus Süddeutschland registriert, im Norden klaffen noch Lücken. LINK: http://chrismon.evangelisch.de/ Rechnet die Landwirtschaftskammer Niedersachsen zugunsten von agrarindustriellen Stallbauten? AbL Niedersachsen fordert Vorgaben des niedersächsischen Agrarministeriums für Bau-Genehmigungs-Gutachten der Landwirtschaftskammer Agrarindustrie-nützliche Berechnungsmethoden bei Genehmigungsverfahren verschaffen Agrarindustriellen bisher ein falsches „Landwirts“-Prädikat beim Stallbau Die geplanten Bestandsobergrenzen für Groß-Ställe würden bisherigen Genehmigungs-Tricks ihre Grundlage nehmen Der Landesverband Niedersachsen/Bremen der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) begrüßt die Pläne von Bundesbauministerin Hendricks, den Gemeinden eine Entscheidung über den Bau von sämtlichen (und nicht wie bisher nur flächenarmengewerblichen) Agrarfabriken in ihrem Außenbereich zu übertragen. Es sei richtig, für die Definition dieser Agrarfabriken die Grenzen des Bundes-Immissionsschutz-Gesetzes anzulegen - nämlich 1.500 Schweinemast-, 560 Sauen-, 30.000 Masthühner-, 15.000 Legehennenoder Puten-Tierplätze sowie 600 Rinderplätze (also etwa 300 Milchkühe plus Nachzucht). Die Konzentration von Tierplätzen in einem Stall oberhalb dieser Grenzen bringe auch konzentrierte Auswirkungen von Feinstaub, Keimen, Geruch, Ammoniak und Stickstoffdepositionen für Anwohner und Umwelt mit sich. Die AbL verwies auf eine Metastudie des Bundesinstituts für Risikobewertung, wonach das Vorkommen antibiotika-resistenter MRSAKeime stark überproportional mit der Größe der Stallplätze und mit nicht tiergerechten Haltungsformen anwachse. Die obigen Tierzahlen pro Tierbestand seien ohnehin die strukturelle Obergrenze für eine artgerechte Tierhaltung mit Weidegang der Kühe, von wirklichem Freiland-Auslauf der Hühner oder von Einsatz von Stroh in einer Schweinehaltung mit zumindest begrenztem Auslauf. Insofern würden mittelständisch-bäuerliche Tierhaltungs-Strukturen durch die geplanten Bestandsobergrenzen gegenüber agrarindustriellen GroßTierhaltungsanlagen gestärkt. Die Verhinderung des Baus weiterer Agrarfabriken verringere zudem das weitere Anwachsen der ruinösen Überproduktion und habe deshalb einen positiven Effekt auf die Erzeugerpreise. In den Niederlanden oder Dänemark, so die AbL, gebe es längst analoge Instrumente zur Begrenzung des weiteren Vordringens von „Megaställen“. Eine Studie im Auftrag der niederländischen Regierung habe erneut eine Häufung bestimmter Gesundheitsprobleme bei Anwohnern von Intensiv-Tierhaltungsanlagen festgestellt. In diesem Zusammenhang äußerte die AbL eine deutliche Kritik an der bisherigen Rolle der Landwirtschaftskammer Niedersachsen bei der Genehmigung von Groß-Ställen: Es gehe nicht an, dass KammerVertreter für die Investoren bezahlte Gutachten erstellten und dass Vertreter der gleichen Institution als Körperschaft öffentlichen Rechts dann amtlich-gutachtliche Berechnungen der betrieblichen Futterfläche an die Genehmigungsbehörden lieferten. Dies müsse durch die geplante Neuordnung der Kammeraufgaben dringend abgestellt werden. Zudem seien Futterflächen-Berechnungen der Landwirtschaftskammer in aller Regel nicht konform mit den Vorgaben des Bundesbaugesetzbuchs: Dieses gebe in § 201 für die Privilegierung als baurechtlich „landwirtschaftlicher“ Betrieb vor, dass der Investor in der Lage sein müsse, mindestens 50% des Futters für alle von ihm gehaltenen Tiere auf Eigentums- oder Langzeit-Pacht-Flächen zu erzeugen. Hierbei seien die konkreten Verhältnisse des Investor-Betriebes einschließlich einer Fruchtfolge nach guter fachlicher Praxis einzuhalten. Zwar sei vor etlichen Jahren die Vorgabe gefallen, dass dieses Futter tatsächlich angebaut werden müsste – aber bei der „abstrakten“ Berechnung der Futtermengen sei dennoch weiter darauf zu achten, dass das angerechnete Futter wirklich für die betreffende Tierart geeignet sei. Von alledem, so AbL-Agrarexperte Eckehard Niemann, wichen KammerGutachten zur Futterfläche „eklatant und agrarindustrie-geneigt“ deutlich ab. So werde in der angenommenen Fruchtfolge ein überhoher Anteil an Silo- oder Körnermais angesetzt – völlig unabhängig davon, ob die vom Investor vorgesehene Tierart solchen Mais überhaupt fresse oder in diesen Mengen verwerten könne. Oft würden zudem Flächen mit angerechnet, die dem Futteranbau überhaupt nicht zur Verfügung stünden – weil sie bereits als Flächengrundlage für eine zu „fütternde“ Biogasanlage dienten oder weil auf einem Teil der Flächen bereits vertragliche Bindungen für eine Nichtfutter-Verwendung bestünden (Zuckerrüben- oder Kartoffel-Verträge mit Fabriken, Biogas-Verkauf an andere Biogas-Betreiber). Durch Nichtbeachtung dieser Flächenbelegungen und durch den Ansatz viel zu hoher Anteile von Mais (der rein rechnerisch hohe Futter-Energie-Zahlen bringe) würden so die Futterflächen-Vorgaben des Baugesetzbuchs missachtet und eine „landwirtschaftliche Privilegierung“ zurechtgerechnet. Solche Regelungen ermöglichten gewerblichen Agrarindustriellen leider viel zu oft und zu Unrecht die Nutzung einer „landwirtschaftlichen Privilegierung“. Dieses Privileg des Bauens im Außenbereich sei aber ein hohes Gut und für die Landwirte elementar - das dürfe nicht weiter durch missbräuchliche Nutzung durch nichtlandwirtschaftliche Investoren gefährdet werden. Als weiteren Mangel der Kammer-Beteiligung bei der Genehmigung von Groß-Tierhaltungsanlagen nannte die AbL die fehlende Kontrolle, ob die genehmigten Tierzahlen oder die angegebenen Futterflächen nach dem Bau wirklich eingehalten würden. Dieses Kontrolldefizit führe zu dem unglaublichen Missstand, dass Investoren sich einen Stall als „landwirtschaftlich privilegiert“ genehmigen ließen, danach diesen Stall an andere Investoren oder an Angehörige weiterverkauften - und mit der so wieder „frei gewordenen“ Futterfläche den nächsten „landwirtschaftlich privilegierten Stall“ beantragten. Dies werde zum Teil sogar mehrfach nacheinander so praktiziert – bei „landwirtschaftlich privilegierten“ Großställen wie auch Biogasanlagen. Alle diese Tricksereien zur Erlangung einer unrechtmäßigen „landwirtschaftlichen Privilegierung“ würden hinfällig, wenn statt der Futterfläche künftig allein die Größe der beantragten Anlagen eine Rolle spielte. Das Problem künstlicher Betriebsteilungen (die ohnehin kostenaufwendig seien) falle dann ebenso weg, ebenfalls die mühsam konstruierten „Betriebsgemeinschaften“ zwischen flächenarmen Investoren mit flächenreichen Ackerbau-Betrieben. Insofern sei auch Bundesagrarminister Schmidt dringend aufgefordert, dem BaurechtsEntwurf von Bauministerin Hendricks zuzustimmen und den Gemeinden bei sämtlichen Großanlagen ein Vetorecht zuzugestehen. Dies würden voraussichtlich auch die kommunalen Spitzenverbände so einfordern. Die AbL forderte die niedersächsische Landesregierung auf, bis zur Verabschiedung der neuen Bundes-Bestandsobergrenzen-Regelung nun auf Landesebene rasch durch einen Erlass eine gesetzeskonforme Futterflächen-Berechnung durch die Landwirtschaftskammer Niedersachsen vorzugeben. Man könne sich dabei ohne Mühe an Berechnungs-Regelungen der Landesregierung NRW bzw. der Landwirtschaftskammer NRW orientieren. Eine solche Richtigstellung bei der Futterflächenberechnung würde den Landkreisen auch bei vielen noch nicht abgeschlossenen Genehmigungsverfahren die Versagung einer Baugenehmigung für Agrarfabriken ermöglichen. 25.08.2016 Weitere Informationen im nachfolgenden Arebeitspapier und unter folgendem Link: http://www.kritischer-agrarbericht.de/fileadmin/DatenKAB/KAB-2016/KAB2016_Kap1_80_85_Niemann.pdf AbL Niedersachsen/Bremen: Arbeitspapier Stand 24.8.2016 Landwirtschaftliche Bauprivilegierung und Futterflächenberechnung Der Außenbereich einer Gemeinde ist auch baurechtlich streng gegen willkürliche Bebauung und Zersiedlung geschützt. Die Bebauung in diesem „Freiraum“ ist deshalb auf wenige „privilegierte“ Bauzwecke beschränkt, von denen eine die landwirtschaftliche Privilegierung von Tierhaltungsanlagen ist – das heißt: eine Tierhaltungsanlage, die eng mit der Landnutzung verbunden ist. Diese landwirtschaftliche Privilegierung nach § 34.1.1. BauGB ist von dieser Logik her eigentlich vor allem jenen Stallanlagen vorbehalten, die von ihrer Nutzung her logisch im Außenbereich umgesetzt werden müssen und von ihrer Nutzung her nicht im Innenbereich praktiziert werden können: also Rinderställen mit Weidegang, Schweine- und Geflügelställen mit Auslauf bzw. Futteraufnahme auf der landwirtschaftlichen Nutzfläche. In der Praxis wurde diese Privilegierung aber zunehmend auch auf solche landwirtschaftlichen Stallanlagen ausgedehnt, bei denen das Futter gar nicht von umliegenden Flächen stammte, sondern deren Futtermittel (Getreide, Soja, Silomais) von weither herantransportiert werden konnten (was eine echte und konkrete betriebliche Flächenbindung der Tierhaltung in Frage stellte). Der § 201 des BBauGB führt zum „Begriff der Landwirtschaft“ aus: „Landwirtschaft im Sinne dieses Gesetzbuchs ist insbesondere der Ackerbau, die Wiesen- und Weidewirtschaft einschließlich Tierhaltung, soweit des Futter überwiegend auf den zum landwirtschaftlichen Betrieb gehörenden, landwirtschaftlich genutzten Flächen erzeugt werden kann, die gartenbauliche Erzeugung, der Erwerbsobstbau, der Weinbau, die berufsmäßige Imkerei und die berufsmäßige Binnenfischerei.“ Nebenbei: Der Tatbestand, dass landwirtschaftliche oder nichtlandwirtschaftliche Anlagen mit Emissionen/Immissionen verbunden sind, berechtigt dagegen nicht zum Bauen im Außenbereich, sondern erfordert entweder Immissionsminderung (Filter) oder den Bau in einem extra ausgewiesenen Gewerbegebiet. Bis vor einigen Jahren konnten auch nichtlandwirtschaftliche (gewerbliche) Tierhaltungs-Anlagen ohne eigene Futterflächengrundlage im Außenbereich genehmigt bzw. gebaut werden, sofern sie die rechtlichen SozialverträglichkeitsNormen (Belastungsgrenzen hinsichtlich der Immissionen auf Natur, Umwelt, Anwohner) nicht überschritten. Diese ursprünglich für gewerbliche Ausnahme- und Einzelfälle gedachte Regelung nach § 34.1.4. BauGB war aber über die Jahre zum Regelfall geworden, so dass immer mehr nichtlandwirtschaftliche (gewerbliche) Tierhaltungsanlagen im Außenbereich genehmigt und gebaut wurden – entgegen dem ursprünglichen Ziel des Baugesetzbuchs und ohne Beachtung einer regulierenden Flächenbindung. Die jeweils immer mehr zunehmenden Tierzahlen in den immer größeren Tierhaltungsanlagen führte zu massiven Problemen in Intensivtierhaltungsregionen (Gülleausbringung, Grundwasserbelastung), sondern wegen der regionalen Massierung von Ställen auch zu weiträumigen Stickstoff-, Geruchs- und Keimbelastungen von Natur, Umwelt und Anwohnern. In der Folge konnten viele Gemeinden kaum noch unbelastete Baugebiete für Wohnzwecke ausweisen. Auch viele Landwirte wurden am Bau von Ställen gehindert, weil die ImmissionsObergrenzen bereits durch bestehende Ställe ausgenutzt waren. Auf Druck von EU, kommunalen Spitzenverbänden, Landräten aus den Intensivtierhaltungsregionen und Bürgerinitiativen beschloss der Bundestag 2013 bei der Novellierung des Baugesetzbuchs parteiübergreifend, die landwirtschaftliche Privilegierung nach § 34.1.1. BauGB aufrechtzuerhalten, die baurechtliche Privilegierung für gewerbliche Tierhaltungs-Großanlagen (die die Vorgabe von 51% Futterfläche nicht erreichen) nach § 34.1.4. BauGB aber zu streichen. In der Baugesetzbuch-Novelle 2013 hat der Bundestag parteiübergreifend festgelegt, dass gewerblich oder industriell betriebene Großanlagen der Tierhaltung nicht mehr privilegiert sind, sofern sie UVP-pflichtig oder –vorprüfungspflichtig sind. Erforderlich für die Annahme einer UVP-Pflicht ist ja die plausible Erwartung, dass ein Bauvorhaben zu erheblichen nachteiligen Umweltauswirkungen führen kann. Insofern geht der Bundestag bei Anlagen folgender Größenordnungen zu Recht von der Annahme aus, dass sie allein schon wegen ihrer Größe zu deutlichen Risiken hinsichtlich einer umweltverträglichen Produktion in Kulturlandschaften (Begründung der Bundesregierung) führen. Kommunalen Gebiets-körperschaften wird deshalb das Recht eingeräumt, die Erstellung eines Bebauungsplans für solche Anlagen zu unterlassen. Dies betrifft gewerbliche Anlagen ab folgenden Tierplatz-Zahlen: 1.500 Mastschweine, 560 Sauen, 4.500 Aufzuchtferkel, 600 Rinder (das entspräche 300 Kühen plus Nachzucht), 30.000 Masthühner oder 15.000 Legehennen oder Puten. Diese dem Immissionsschutzrecht entnommenen Grenzwerte gelten im Hinblick auf die baurechtliche Privilegierung bislang leider noch nicht für Betriebe mit viel Fläche, obwohl es für die Immissionen und deren Auswirkungen natürlich völlig unerheblich ist, ob damit irgendwelche Flächen verbunden sind. Nach dem Ausschluss der baurechtlichen Privilegierung von gewerblichen Stallanlagen (ohne ausreichende Futterflächen) versuchen viele an sich gewerbliche Investoren, durch eine eigenwillige „Interpretation“ der Futterflächen-Berechnung dich noch eine baurechtliche landwirtschaftliche Privilegierung zu ergattern. Deshalb kommt der ordnungsgemäßen und rechtssicheren Definition und Berechnung dieser Futtergrundlage, die in Niedersachsen durch die Landwirtschaftskammer geschieht, eine zentrale Bedeutung zu. Für eine landwirtschaftliche Privilegierung nach § 34.1.1 BauGB sind mehrere Tatbestände erforderlich: 1. Konkrete Ermittlung der für die Tierhaltung erforderlichen Futterflächen Eine landwirtschaftliche Tierhaltung liegt gemäß § 201 BauGB nur vor, wenn das Futter für diese Tiere „überwiegend auf den zum landwirtschaftlichen Betriebe gehörenden, landwirtschaftlich genutzten Flächen erzeugt werden kann“. Bis zur Novelle des BauGB 2004 war vorgeschrieben, dass mehr als die Hälfte des Futters auf solchen Betriebsflächen erzeugt wurde (Tatbestand der flächenbezogenen Tierhaltung) und außerdem tatsächlich in der Tierhaltung des Betriebes verfüttert wurde (konkrete Betrachtungsweise). In der Gesetzesbegründung zu § 201 (vergl. Bundestagsdrucksache 15/2250, S. 62) wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass mit der Novelle 2004 lediglich das zweite Kriterium (konkrete Betrachtungsweise: tatsächliche Verfütterung im Betrieb) geändert wurde – nämlich durch die nunmehr gültige abstrakte Betrachtungsweise, wonach die Anforderung der unmittelbaren Verfütterung künftig wegfallen sollte. Diese Maßnahme trug u.a. dem Umstand Rechnung, dass viele Betriebe keine eigenen Mahl- und Mischanlagen für die fütterungstechnische Verarbeitung ihrer Feldfrüchte mehr betrieben und diese Feldfrüchte unverarbeitet verkauften und stattdessen analoge Futtermittel zukauften. Gültig bleibt aber auch nach Ersatz der konkreten durch die abstrakte Betrachtungsweise die Anforderung der flächenbezogenen Tierhaltung und damit das flächenbezogene Kriterium, dass auf den Flächen des Betriebes tatsächlich Tierfutter erzeugt werden muss, das hinsichtlich seiner Eignung und seines Volumens ausreichend ist für den überwiegenden Teil des Futterbedarfs (siehe: Kommentar Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger zu BauGB § 201 Rn. 17; Urteil OVG Münster vom 15.02.2013 – 10 A 1606/11; Urteil VG Neustadt vom 22.02.2016 – 3 K 325/15.NW). Insofern ist die Futterfläche folgendermaßen zu ermitteln: Es versteht sich von selbst, dass Wald oder Stilllegungsflächen (und bei Schweinen und Geflügel auch Grünlandflächen) ebenso wenig als Futtergrundlage zu betrachten sind wie der Anbau von Kulturen, die bereits bestimmungsgemäß oder vertraglich zu anderer Nutzung (Zuckerrüben, Biogasmais, Stärkekartoffeln etc.) vorgesehen sind. Dies ist konkret für den betreffenden Betrieb zu ermitteln und darzustellen. Das in der Futterflächenberechnung angesetzte Futter muss für die beabsichtigte Art und Form der Tierhaltung geeignet sein: In der Geflügelmast z.B. ist von den Anbaufrüchten nur Futterweizen geeignet – nicht aber Backweizen, Gerste, Roggen, Hafer, Körner- oder Silomais, Kartoffeln, Rüben oder andere Feldfrüchte. In der Schweinehaltung können neben Futterweizen auch Roggen, Gerste, Raps oder Körnerleguminosen (ganz oder teilweise) in Ansatz kommen, in der Rinderhaltung auch Mais, Ackergras oder Grünland. Quantitativ sind auf Grundlage langjähriger Durchschnittswerte (nicht Spitzenergebnisse) die Hektar-Erträge festzustellen. Die Landesämter für Statistik weisen in ihren jährlichen Statistischen Berichten die durchschnittlichen Erträge in den Landkreisen aus. Von den so ermittelten z.B. Futterweizen-Mengen des Betriebes sind noch Verluste und Schwund z.B. bei Lagerung abzuziehen. Zu berücksichtigen ist hierbei außerdem, dass Weizen nach landwirtschaftlicher guter fachlicher Praxis im Rahmen einer Fruchtfolge nur alle 3 Jahre (besser: alle 4 Jahre) auf einem Acker anzubauen ist. Der Bezug auf die – auf einer ganz anderen Zielsetzung beruhenden – subventionstechnischen Fruchtfolge-Vorgaben der Direktzahlungsverordnung (mit bis zu 75% Abteil einer Feldfrucht am Anbauverhältnis!) ist hier nicht sachbezogen und unzulässig. Es ist daher wegen der gebotenen Eignung des Futters für die jeweilige Tierart absolut unzulässig und unsachgemäß, die Futterbereitstellung und auch den Futterbedarf pauschal und unkonkret in Form von Energiewerten wie MJ ME oder MJ NEL (Megajoule Metabolisierbare Energie / Verdauliche Energie) zu berechnen und dabei sogar – im Falle von Schweine- oder Geflügelanlagen – das Ausweichen auf energiereichere Mais-Fruchtfolgen zu ermöglichen. Als agrarindustriegeneigt und absolut nicht rechtskonform ist deshalb die Praxis der Landwirtschaftskammer Niedersachsen zu bewerten, unter Missachtung der konkreten Futteranforderungen der jeweiligen Tierart auf dem Futterflächen-Berechnungsbogen eine vollständig unpassende, aber rechnerisch energiereiche Fruchtfolge zu konstruieren, bei der Silo- und Körnermais 75% in Anbauverhältnis bzw. Fruchtfolge ausmachen und pauschal ein Fruchtfolgeglied „Getreide“ (ohne Berücksichtigung der Tieransprüche an eine bestimmte Getreideart) mit 25% anzusetzen. Nicht berücksichtigt wird von der Landwirtschaftskammer Niedersachsen auch die Tatsache, dass bestimmte Feldfrüchte per se nicht der Verfütterung dienen, sondern vertrags- oder bestimmungsgemäß für andere Verwertungen gebunden sind – z.B. Silomais für Biogasanlagen, Rüben- oder Kartoffeln für Rüben- oder Stärkefabriken etc.. Hinzu käme eigentlich noch die die Vorgabe, dass entsprechend dem Eiweißbedarf der Tiere eigentlich auch 51% der jeweils konkreten Eiweißfrüchte (also je nach Tierart Körnerleguminosen, andere Leguminosen oder Raps) auf den Flächen erzeugt werden können - was entsprechend bei den Flächenberechnungen anzusetzen wäre. Eine reelle Futterflächenberechnung der Landwirtskammer müsste beispielsweise folgendermaßen aussehen – am Beispiel einer beantragten Hähnchenmastanlage: Beantragte Tierplätze: 78.000 abzüglich Tierverluste pro Durchgang (1/2 x 3%) 1.170 = zu fütternde Tiere pro Durchgang: 76.830 zu fütternde Tiere pro Jahr (bei 7,5 jährlichen Durchgängen x 76.830): 576.225 Tierzahl x Gewichtszuwachs der Tiere pro Jahr (2,30 kg) = 1.325.317,5 kg = 13.253,2 dt x Futterbedarf für 1 kg Gewichtszuwachs (Futterverwertung:1,67)= 22.132,8 dt Futterbedarf Durchschnittliches Ertragsniveau Winterweizen im Landkreis: 80 dt/ha abzüglich Lager-Verluste und Schwund (5% = 4 dt/ha)= 76 dt/ha Benötigte Gesamtfutterfläche: 22.132,8 dt Futterbedarf geteilt durch 76 Hektarertrag = 291,2 ha (davon 51% „überwiegende Futterfläche“ laut BauGB = 148.5 ha) wegen Einhaltung einer dreijährigen Fruchtfolge: 873,6 ha - davon 51% lt § 201 BauGB: 445.5 Hektar Mit ihren bisherigen Berechnungsmethoden würde die Landwirtschaftskammer für den Investor mehrere hundert Hektar weniger Futterflächenbedarf errechnen und somit fälschlicherweise einem nichtlandwirtschaftlichen (gewerblichen) Investor das Prädikat „Landwirtschaftlich“ verschaffen – und damit eine angeblich „landwirtschaftlich privilegierte“ Baugenehmigung. 2. Dauerhafte Sicherung der Futterfläche für die Dauer der Nutzung der Anlage Gemäß § 201 BauGB erfordert eine landwirtschaftliche Privilegierung einer Tierhaltungsanlage eigentlich, dass die überwiegende Futtergrundlage für die gesamte Dauer der Nutzung dieser Anlage gesichert zur Verfügung stehen muss. Dies ist im strengen Sinne nur bei Eigentumsflächen gegeben (Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 24.08.1979 (IV C 3.77). Die Rechtsprechung macht bei Pachtflächen grundsätzliche Einschränkungen, vor allem bei einer weit überwiegend gepachteten Flächenausstattung. Siehe hierzu: Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts vom 03.11.1972 (IV C 9/70) und vom 03.02.1989 (4 B 14/89) sowie Urteil des VG München vom 05.05.1998 (1 K 5643/96). Ausnahmsweise und unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls kann eine landwirtschaftliche Privilegierung erfolgen, wenn die Pachtverträge langfristig in Form von hohen Pacht-Restlaufzeiten (ab Genehmigungsentscheid!) gesichert scheinen. Die herrschende Rechtsprechung sieht hierfür eine Mindestlaufzeit von 18 Jahren als erforderlich. Siehe hierzu: Urteil des OVG Lüneburg vom 30.08.1988 (1 A 164/86), Urteil des OVG Münster vom 19.06.1970 (X A 104/69), Urteil des OVG Bremen vom 14.01.1986 (1 BA 36/85), Urteil des VG Göttingen vom 28.06.2007 (2 A 161/06). Eine Minderheitsmeinung hält eine Mindestlaufzeit der Pachtverträge von nur 12 Jahren für ggf. im Einzelfall ausreichend: Urteil VG München vom 05.05.1998 (1 K 5643/96), Urteil des VG Minden vom 22.09.2010 (11 K 1160/09) Auch bei diesem Thema ist bei den Ausarbeitungen der Landwirtschaftskammer für die Genehmigungsbehörden viel mehr Konkretion hinsichtlich der Flächen und ihrer Pacht-Restlaufzeiten damit mehr Rechtskonformität einzufordern.