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BAND 26 Moving Libraries Mobile Bibliothekskonzepte als Antwort auf die Herausforderungen der Informationsgesellschaft Verlag Dinges & Frick GmbH, Wiesbaden ISBN 978-3-934997-29-5 ISSN 1615-1577 € 24,50 BAND 26 • Moving Libraries – Mobile Bibliothekskonzepte INNOVATIV INNOVATIONSPREIS 2010 Hölscher / Sepke B.I.T.online – Innovativ Band 26 B.I.T.online – Innovativ Herausgegeben von Rolf Fuhlrott Ute Krauß-Leichert Christoph-Hubert Schütte Band 26 Innovationspreis 2010 Moving Libraries Mobile Bibliothekskonzepte als Antwort auf die Herausforderungen der modernen Informationsgesellschaft 2010 Verlag: Dinges & Frick GmbH, Wiesbaden Innovationspreis 2010 Moving Libraries Mobile Bibliothekskonzepte als Antwort auf die Herausforderungen der modernen Informationsgesellschaft von MIRIAM HÖLSCHER & CORINNA SEPKE 2010 Verlag: Dinges & Frick GmbH, Wiesbaden B.I.T.online – Innovativ Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar. ISBN 978-3-934997-29-5 ISBN 978-3-934997-29-5 ISSN 1615-1577 © Dinges & Frick GmbH, 2010 Wiesbaden Alle Rechte vorbehalten, insbesondere die des Nachdrucks und der Übersetzung. Ohne Genehmigung des Verlages ist es nicht gestattet, dieses Werk oder Texte in einem photomechanischen oder sonstigen Reproduktionsverfahren oder unter Verwendung elektronischer Systeme zu verarbeiten, zu vervielfältigen und zu verbreiten. Satz und Druck: Dinges & Frick GmbH, Wiesbaden Printed in Germany Vorwort B.I.T.online-Innovationspreis 2010 Pocket-Libraries, Moving Libraries und Wissensbilanzierung Eine Vielzahl allesamt hochwertiger Abschlussarbeiten eingesandt aufgrund des Call for Papers für den B.I.T.online-Innovationspreis 2010 machte der Kommission für Ausbildung und Berufsbilder die Auswahlentscheidung nicht leicht. Die schlussendlich prämierten drei Arbeiten kommen in diesem Jahr aus dem Kreise der Stuttgarter und Berliner Absolventen bibliotheks- und informationsbezogener Studiengänge. Vorgestellt werden die Essentials der Abschlussarbeiten im Rahmen des Innovationsforums auf dem Leipziger Bibliothekskongress, zeitgleich als Sonderhefte von B.I.T.online publiziert.* Ausgewählt wurden in alphabetischer Reihenfolge ohne Wertung: y Hölscher, Miriam und Sepke, Corinna: Moving Libraries: Mobile Bibliothekskonzepte als Antwort auf die Herausforderungen der modernen Informationsgesellschaft (Hochschule der Medien Stuttgart, Studiengang Bibliotheks- und Informationsmanagement, Masterarbeit). y Klug, Anna Kathrin: Wissensbilanzierung in Bibliotheken: Chancen und Probleme bei der Anwendung des Modells Wissensbilanz – Made in Germany (Hochschule der Medien Stuttgart, Bachelorarbeit), y Pfeifenberger, Regina: Bibliotheksdienste für Mobiltelefone (Humboldt-Universität Berlin, Institut für Bibliotheks- und Informationswissenschaft, Masterarbeit), Ungeachtet der verschiedenen Themenstellungen der Preisträgerinnen ist den prämierten Arbeiten gemeinsam, dass sie ausgehend von den gesellschaftlichen Veränderungen, neuen differenzierten Lebensstilmodellen und technologischen Entwicklungen die Bibliotheken in einer komplexen und dynamischen Umbruchsituation sehen, in der das Weiterbestehen der Einrichtungen davon abhängen wird, dass sich Veränderungen sowohl gegenüber den (potentiellen) Kunden einstellen als auch die oftmals bereits jetzt geringe gesellschaftliche Wertschätzung und Leistungsanerkennung mindestens erhalten bleibt. Gleich zwei prämierte Arbeiten richten ihr Augenmerk darauf, wie Bibliotheken ihr Dienstleistungsangebot aktiver zum Kunden bringen können: Sei es durch Angebote für mobile Telefone, die von Literaturbestellungen, Vormerkungen, SMS-Benachrichtigungen über zur Abholung bereitliegende Medien über den mobilen Zugang zu elektronischen Datenbanken, Online- Katalogen für mobile Nutzung, Informationen über Öffnungszeiten, aktuelle Veranstaltungen etc. reichen: kurz gesagt, mobile Technologien mit Zugang zum Internet und damit zu Bibliotheksangeboten just – in – time, just-for-me, just-here. Und wenn der potentielle Kunde z.B. durch Verknüpfung mit google.maps den Weg in die nächste Bibliothekseinrichtung gefunden hat, könnte ihn das Handy unter Ausnutzung von RFIDTechnologie sogar bis zum Standort des gesuchten Mediums im Regal führen. * Der Verlag veröffentlicht die drei Arbeiten in seiner Reihe B.I.T.online INNOVATIV 2010 als Bd. 25 (Klug), Bd. 26 (Hölscher/Sepke) und Bd. 27 (Pfeifenberger). Für die sich im Focus der Betrachtung befindliche zunehmend unter Zeitdruck stehende (jüngere) Zielgruppe ist digitale Technik und Internetzugang unabdingbar geworden, räumlich und zeitlich durch Mobiltelefone auch weitgehend uneingeschränkt nutzbar – eine Herausforderung, auf die Bibliotheken reagieren müssen. Bibliotheken sollten dabei ihre Nutzer aber nicht nur virtuell im mobilen Web dort abholen, wo sie sich gerade befinden, sondern ihnen auch, wie in der Stuttgarter Masterarbeit dargestellt, durch die physische Bereitstellung (gedruckter) Medien vorzugsweise an stark frequentierten Orten wie Bahnhöfen, U-Bahnstationen oder Einkaufszentren entgegenkommen, ergänzt durch Abholund Lieferservices. Ohne eher traditionelle „Moving Libraires“ zur Literatur- und Informationsversorgung der Bevölkerung, die nicht oder nur sehr schlecht durch stationäre Bibliotheken erreicht werden kann oder mobile Bestandsergänzungen zu aktuellen politischen und kulturellen Ereignissen zu vergessen, selbstredend auch digitale Angebote eingeschlossen, sollen neue „Wissens-Tankstellen“ inmitten großstädtischer Lebensräume hinzukommen. Beispielhaft für ein mobiles Bibliothekskonzept wird die Idee einer Bahnhofsbibliothek mit einem deutschlandweiten einheitlichen Ausleih-und Verbuchungssystem bestehend aus stationären Bibliothekseinheiten an ICE-Bahnhöfen mit ausgedehnten Öffnungszeiten und Fachpersonal sowie auf der Schiene mit angehängten Bibliothekswaggons vorgestellt – frei nach dem Motto „Information to go“ bestückt mit Büchern, Downloadstationen für Hörbücher, e-books, Filmen und aktuelle Wirtschaftsdaten. Zunächst etwas mehr nach innen gerichtet, aber im Ergebnis geeignet, die (immateriellen) Werte von Bibliotheken offensiv zu vermarkten, ist die Arbeit von Anna Kathrin Klug über die Anwendung der noch jungen Disziplin der Wissensbilanzierung im Bibliotheksbereich. Das Modell „Wissensbilanz – Made in Germany“, entstanden 2003 im Rahmen der Initiative „Fit für den Wissenswettbewerb“ des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit, hat als deutsches Projekt in der Riege zahlreicher Bewertungsmethoden zwischenzeitlich vor allem im Rahmen neuer Steuerungsmodelle auch Eingang in den öffentlichen Sektor gefunden. Vorreiter im Bibliotheksbereich wird ein Pilotprojekt an der Stadtbibliothek Mannheim sein. Kernelement jeder Wissensbilanzierung ist die auf qualitativer Basis beruhende Messung und anschließende Bewertung des sogenannten Intellektuellen Kapitals, der weichen Unternehmenswerte, als da wären Human Kapital, das Wissen und die Erfahrungen der Beschäftigten, Personalentwicklungsmaßnahmen oder Mitarbeitermotivation, Strukturkapital (z.B. Arbeitsbedingungen, Informationstechnologien) sowie das Beziehungskapital, in Bibliotheken vorrangig wichtig in Bezug auf Kundenbeziehungen, Kooperationen mit externen Partnern, Beziehungen zu Trägerorganisationen. Haupthinderungsgrund für die praktische Umsetzung, für deren Anstoß die Autorin einen Wissensbilanzleitfaden entwickelte, sind oft die zeitlichen (auch finanziellen und personellen) Herausforderungen des Durchführungsprozesses, der durchaus ein Zeitfenster von bis zu 12 Wochen in Anspruch nehmen kann. Bedauerlich, weil Wissensbilanzen hervorragend zur Profilschärfung beitragen und überaus geeignet sind, Bibliotheken wertvolle Impulse für ihre zukünftige Entwicklung insgesamt, die Erzielung hoher Kundenzufriedenheit, ein starkes Image in der Region oder eine zufriedenstellende Marktdurchdringung zu geben. Karin Holste-Flinspach Innovationspreis 2010 Moving Libraries Mobile Bibliothekskonzepte als Antwort auf die Herausforderungen der modernen Informationsgesellschaft Abbildung 1: Moving Libraries Logo – eigene Darstellung Masterarbeit angefertigt im Studiengang Bibliotheks- und Informationsmanagement, Hochschule der Medien (HdM), Stuttgart MIRIAM HÖLSCHER & CORINNA SEPKE Erstprüfer: Zweitprüfer: Bearbeitungszeitraum: Prof. Dr. Richard Stang, Prof. Dr. Martin Götz März bis August 2009 „Utopie ist die Wahrheit von morgen“ Victor Hugo 9 Kurzfassung Im heutigen gesellschaftlichen Leben spielt die Mobilität eine wichtige Rolle. Durch technische Neuerungen sowie standortungebundene Arbeitsformen nimmt das Verhältnis von Zeit und Raum völlig neue Dimensionen an. Aus der Möglichkeit, orts- und zeitunabhängig Wissen rezipieren zu können, müssen sich neue Angebotsformen ergeben. Dieser Trend beeinflusst bereits heute das Dienstleistungsspektrum von (mobilen) Bibliotheken. Die vorliegende Masterarbeit behandelt neben einer detaillierten Betrachtung der gesellschaftlichen Entwicklungen unter dem Aspekt der Mobilität unterschiedliche Typologien mobiler Bibliotheken und mobiler Bibliotheksdienstleistungen weltweit. Weiterhin werden Anforderungen entwickelt, die zukünftige Bibliotheken erfüllen müssen, um die Mobilität der Gesellschaft angemessen zu unterstützen. Unter dem besonderen Blickwinkel der modernen Informationsgesellschaft in Deutschland wird ein Bibliotheks-Konzept entwickelt, dass einen Ausblick auf eine mögliche mobile Bibliothek der Zukunft gibt. Schlagwörter: Bibliotheken, bibliothekarische Dienstleistungen, Fahrbibliotheken, gesellschaftlicher Wandel, Mobilität, Schiffsbibliotheken, Zukunft Abstract Mobility plays a major role in today’s public life. Technical innovations and commuting are causing changes in the space-time relationship. By gaining and using information at every possible location that provides internet access, new forms of services emerge. These innovative technologies and the social change will influence library services as well. The libraries themselves or their services have to be mobile to meet the requirements of the modern information society. This master thesis provides in-depth information about current changes in modern society and the impact that these changes will have on the development of (mobile) libraries. It cites examples of mobile libraries from around the world and states needs for mobile libraries of the future. These requirements result in a futuristic concept of a “Moving Library”, submitted by the writers. Keywords: Boat libraries, future, libraries, library services, mobile libraries, mobility, social change 10 Inhaltsverzeichnis Kurzfassung Abstract Einleitung 1 Gesellschaftliche Entwicklungen 1.1 Gesellschaftlicher Wandel 1.1.1 Personenbezogener Wandel 1.1.1.1 Soziologische Ansätze 1.1.1.2 Verhaltensbezogene Ansätze 1.1.2 Aufgabenbezogener Wandel 1.1.2.1 Arbeitsleben 1.1.2.2 Fortbildung und Lebenslanges Lernen 1.1.3 Medienbezogener Wandel 1.1.3.1 Mediennutzungsverhalten 1.1.3.2 Netzwerke und mobile Endgeräte 1.2 Mobilität 1.2.1 Nicht-Personale Mobilität 1.2.2 Personale Mobilität 1.3 Diskussion von Gesellschaftsformen 2 Forschungsmethodik 2.1 Experteninterviews 2.2 Kurzinterviews 2.3 Online-Befragung 3 Moving Libraries 3.1 Begriffsklärung: Moving Library 3.1.1 Moving = Bewegung/Mobilität 3.1.2 Library = Bibliothek 3.1.3 Moving Libraries = Mobile Bibliotheken/Bibliotheksdienstleistungen 3.2 Typologisierung 3.2.1 Mobile Bibliotheken 3.2.1.1 Fahrbibliotheken 3.2.1.2 Schiffsbibliotheken 3.2.1.3 „Lebende“ mobile Bibliotheken 3.2.2 Mobile Bibliotheksdienstleistungen 3.2.2.1 Stationäre Bibliotheken an stark frequentierten Plätzen 3.2.2.2 Liefer- und Abholservices 3.2.3 Virtuelle/Digitale Angebote 3.2.3.1 Onleihe 3.2.3.2 Europeana 3.2.3.3 National Library of Australia 3.2.3.4 E-Books 4 Anforderungen an die Moving Library von morgen 4.1 Allgemeine Anforderungen an zukünftige Bibliotheken 4.1.1 Zeitersparnis 9 9 12 16 17 17 18 25 27 28 30 32 32 33 37 41 41 43 48 49 50 51 55 55 55 55 57 58 58 59 71 80 86 86 97 100 101 102 104 105 107 107 107 INHALT 4.1.1.1 Liefer- bzw. Abholdienste/Rückgabeboxen 4.1.1.2 Smart-Shelf-Technologie 4.1.1.3 „Roving Librarian“ 4.1.2 Bestandsanforderungen 4.1.2.1 Von Profilbildung zu „mobilen Beständen” 4.1.2.2 „Floating Collections” 4.1.3 Aufenthaltsqualität 4.1.3.1 Raumgestaltung 4.1.3.2 Design 4.1.3.3 Öffnungszeiten 4.2 Anforderungen an zukünftige mobile Bibliotheken 4.2.1 Verstärkte Kundenorientierung durch Kooperationen 4.2.2 Technische Anforderungen an mobile Bibliotheken 5 Konzeptvorschlag 5.1 Vorüberlegungen 5.1.1 Zielgruppe 5.1.2 Ideenfindung 5.1.2.1 Bibliotheken an ungewöhnlichen Orten 5.1.2.2 Ungewöhnliche Bibliotheken 5.1.2.3 „DBib” 5.2 Konzeption 5.2.1 Eingesetzte Technik 5.2.1.1 Smart-Shelf-Technologie 5.2.1.2 Downloadstationen 5.2.2 Designgrundsätze 5.2.3 Bestandskonzept 6 Fazit und Ausblick 7 Literaturverzeichnis Abbildungsverzeichnis Abkürzungsverzeichnis 11 108 109 111 113 113 116 118 118 122 126 130 131 133 135 135 135 136 137 137 137 139 143 143 145 146 148 150 153 168 170 12 Einleitung „Stell Dir vor, Bibliotheken sind als ‚Wissens-Tankstellen‘ und Informationsdienstleister fest in der modernen Informationsgesellschaft verankert, aber niemand geht hin“ 1. Stattdessen kämen die Bibliotheken als Moving Libraries mit ihren Dienstleistungen dorthin, wo ihre 2 Nutzer sind. Unter Moving Libraries werden mobile Bibliotheken und mobile Bibliotheksdienstleistungen verstanden, mit denen Bibliotheken aktiv auf ihre Nutzer zugehen. Bereits heute gibt es mobile Bibliotheken und mobile Bibliotheksdienstleistungen, die per Bücherbus, Kamelbibliothek oder als Filiale in U-Bahn-Stationen dorthin gehen, wo ihre Nutzer sind. Diese mobilen „Wissens-Tankstellen“ erleichtern der modernen Informationsgesellschaft den Zugriff auf Informationen und sollten daher fest in der Infrastruktur moderner (Groß-)Städte verankert werden. Angesichts sich verstärkender Konkurrenz auf dem Informations-, Wissens- und Unterhaltungsmarkt steigt für Bibliotheken die Notwendigkeit, die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf sich zu ziehen. Sie müssen ihre Bedeutung für die Gesellschaft herausstellen und somit die eigene Existenz in finanzieller und ideeller Weise absichern. Durch gesellschaftliche Entwicklungen kommen darüber hinaus veränderte Anforderungen der Nutzer auf die Bibliotheken zu. SEEFELDT und SYRÉ stellen fest, dass die Bibliotheksnutzer schon heute besser ausgebildet, wohlhabender, mobiler und mündiger als noch vor 20 Jahren sind und daher auch bewusst entscheiden wollen, wie sie ihre knappe Freizeit optimal 3 ausnutzen. Bibliotheken müssen als kundenorientierte Dienstleistungseinrichtungen die Wünsche ihrer Kunden ernst nehmen und durch entsprechende Angebote befriedigen. So konstatiert BRUIJNZEELS: „Die Zeit, da öffentliche Bibliotheken ruhig in ihrem eigenen Haus auf die Nutzer 4 warten [können], ist vorbei.“ Die vorliegende Arbeit nimmt einige Aspekte der gesellschaftlichen Veränderungen (wie beispielsweise die zunehmende Mobilität und Individualisierung) in den Blick und bietet einen Vorschlag für ein mobiles Bibliothekskonzept an. Dieses soll eine Antwort auf die Herausforderungen für Bibliotheken im Hinblick auf die Tendenz zu steigender Mobilität darstellen. Besonders im beruflichen Bereich spielt Mobilität, beispielsweise durch die bereitwillige Akzeptanz langer Wege zwischen Wohnung und Arbeitsplatz, eine zunehmende Rolle. Dabei nimmt das Verhältnis von Zeit und Raum völlig neue Dimensionen an. Hinzu kommt eine hochgradige Individualisierung sowohl des Alltagsablaufs als auch des sozialen Umgangs miteinander. Soziale Vereinzelung und veränderte Zusammensetzung familiärer Strukturen sowie der zunehmende Druck, fachlich sehr gut ausgebildet, gleichzeitig jedoch 1 2 3 4 Frei nach Sandburg, Carl: „Sometime they’ll give a war and nobody will come.“ In der vorliegenden Arbeit wird zur sprachlichen Vereinfachung stets die männliche Sprachform für Personen verwendet. Es ist stets auch weibliche Sprachform gemeint. Vgl.: Seefeldt, Jürgen/Syré, Ludger (2007): Portale zu Vergangenheit und Zukunft. Bibliotheken in Deutschland. Hildesheim, Olms, S. 101; auch: Seefeld, Jürgen (2005): Zukunftsvisionen. Die Bibliothek von morgen. In: B.I.T. online 8, H. 1, S. 11 Bruijnzeels, Rob (2003): Die Bibliothek ist kein Gebäude. In: Bruijnzeels, Rob/Tiggelen, Nicoline van: Bibliotheken 2040. Die Zukunft neu entwerfen. Bad Honnef, Bock und Herchen, S. 79 EINLEITUNG 13 flexibel reagieren zu können, verändern die Erwartungshaltung der Gesellschaft gegenüber der Verfügbarkeit und des Konsums von Informationen nachhaltig. Das ist eine Tendenz, auf die Bibliotheken reagieren müssen. Bereits auf dem Bibliothekartag 2008 in Mannheim war dies ein Thema. Dazu schreibt HÄTSCHER: „Die Alltagserfahrungen der Kunden müssen die Bibliotheken aufgreifen. Das bedeutet, alle bisherigen Dienste radikal in Frage zu stellen. […] Virtuelle Welten […] und spielerischer Zugang der Google-Generation, der heute jugendlichen Internetnutzer, werden in zehn Jahren die Erwartungen an Bibliotheken erheblich verän5 dern.“ An dieser von HÄTSCHER prognostizierten veränderten Erwartung an Bibliotheken ist vor allem deren Richtung im Hinblick darauf interessant, welche Anforderungen zukünftige Bibliotheksnutzer der modernen Informationsgesellschaft an Moving Libraries stellen könnten. Dies ist zugleich eine der beiden zentralen Fragen, die mit der vorliegenden Arbeit beantwortet werden sollen. Die zweite Frage lautet: Wie könnte eine Moving Library der Zukunft unter Berücksichtigung der gesellschaftlichen Entwicklungen und der daraus abgeleiteten Anforderungen aussehen? Ausgehend von der Beschreibung der aktuellen Entwicklung der Gesellschaft, besonders im Hinblick auf die beobachtbaren Trends der zunehmenden Mobilität und Individualisierung (Kapitel 1), werden konkrete Anforderungen an Moving Libraries der Zukunft (Kapitel 4) abgeleitet. Im zweiten Kapitel wird ein kurzer Überblick über die Forschungsmethodik gegeben, auf der die Erkenntnisse dieser Masterarbeit fußen. In Kapitel 3 wird zum einen definiert, was die Verfasserinnen konkret unter Moving Libraries verstehen. Andererseits wird ein Überblick über die verschiedenen Typologien mobiler Bibliotheken mit ihren jeweiligen Nutzungs- und Existenzgründen gegeben. Aufbauend auf den ersten vier Kapiteln, werden in Kapitel 5 die Grundlagen für ein innovatives mobiles Bibliothekskonzept entwickelt, das vor allem die Anforderungen der modernen Informationsgesellschaft berücksichtigt. Die für das Konzept nötigen Ideen und Anregungen lieferten u.a. mündliche und schriftliche Kurzinterviews mit Kommilitonen, Professoren der Hochschule der Medien, Stuttgart (HdM) und Berufstätigen in Leitungspositionen. Die Methode der strukturierten Kurzbefragung wurde bewusst gewählt, um ein Spektrum unterschiedlichster Antworten zu erhalten. Hier wurde besonderer Wert darauf gelegt, sowohl Personen zu befragen, die Einblick in die bibliothekarische Ausbildung haben und mit dem gegenwärtigen Stand der Forschung und der Trendbildung vertraut sind, als auch Kollegen aus der Praxis, die Aspekte aus dem Berufsalltag einbringen konnten. Im Fokus dieser Masterarbeit steht dabei die Frage, was Öffentliche Bibliotheken (ÖBs) tun 6 können, um aus der von BRUIJNZEELS konstatierten „Warteposition“ hervorzutreten und aktiv auf ihre Nutzer zuzugehen. Bibliotheken unterstützen den Prozess des lebenslangen Lernens und fördern die Informations- und Medienkompetenz ihrer Nutzer. Hierzu ist es notwendig, die Bevölkerung mög5 6 Hätscher, Petra (2009): Wer bewegt das Wissen: Wo stehen wir in zehn Jahren? Eine Zusammenfassung. In: Hohoff, Ulrich [Hrsg.]: Wissen bewegen - Bibliotheken in der Informationsgesellschaft. 97. Deutscher Bibliothekartag in Mannheim 2008. Frankfurt am Main, Klostermann, S. 71 f. Vgl.: Bruijnzeels, R. (2003): Die Bibliothek ist kein Gebäude, S. 79 14 MIRIAM HÖLSCHER & CORINNA SEPKE lichst flächendeckend zu erreichen und auch solche Gesellschaftsgruppen zu aktivieren, die bisher wenig oder keinen Kontakt mit der Bibliothek haben. Dazu müssen die Infrastruktur 7 und die technische Ausstattung der Bibliotheken verbessert werden. Da dem freien Informationszugang eine bedeutende Rolle zukommt, wenn es um die Weiterbildung und künftige Entwicklung der Gesellschaft geht, müssen sich Bibliotheken der rasanten Entwicklung der Informations- und Kommunikationstechnologien (IKTs) stellen. Das heißt, sie müssen ihr Dienstleistungsangebot anpassen, wenn sie ihren Platz in der Wissens- und Informationsgesellschaft behaupten wollen. Dies machen ERŠOVA und HOHLOV deutlich: „Access to, and the effective use of information and knowledge, technologies, and various services are essential tools for sustainable economic and social development 8 at the individual, community, national and international levels.” Diesen Informationsanforderungen der modernen, europäischen Gesellschaft kann unter anderem durch mobile Bibliothekskonzepte begegnet werden. Auch wenn die Idee an sich nicht neu ist, so bietet sie im aktuellen gesellschaftlichen Kontext eine Möglichkeit, sich den zukünftigen Herausforderungen im Bibliothekswesen zu stellen. Die ersten Fahrbüchereien sind seit Anfang des 20. Jahrhunderts fester Bestandteil der Bibliothekswelt. So gab es beispielsweise bereits 1905 in den USA für Farmer in Washington 9 County, Maryland einen Büchereidienst auf einem Pferdewagen. Auf einer Fotografie aus dem Jahr 1914 (siehe Abbildung 2) ist die motorisierte Nachfolgebibliothek der ersten Fahrbücherei in Washington County, Maryland, USA zu sehen. 10 Abbildung 2: Eine der ersten Fahrbüchereien, Washington County, Maryland, USA 7 8 9 10 Vgl.: Seefeld, J. (2005): Zukunftsvisionen, S. 12 Eršova, Tatiana V./Hohlov, Yuri E. (2002): Migrating from the library of today to the library of tomorrow: Re- or E-volution? In: Eršova, Tatiana V. [Hrsg.]: Libraries in the information society. München, Saur, S. 74 Vgl.: Kluth, Rolf (1965): Die Fahrbücherei. In: Langfeld, Johannes [Hrsg.]: Handbuch des Büchereiwesens. II. Halbband. Wiesbaden, Harrassowitz, S. 560 Kluth, R. (1965): Die Fahrbücherei, S. 547 EINLEITUNG 15 Dass mobile Bibliotheken auch heute interessante Lösungsmöglichkeiten für die Anforderungen der modernen Gesellschaft bieten können, zeigen beispielhaft die Ergebnisse des Ideenwettbewerbs „Bibliothekseinrichtung der Zukunft“, den die ekz.bibliotheksservice 11 GmbH (ekz) im Oktober 2008 ausgeschrieben hatte : Einer der ausgezeichneten Entwürfe ist eine „Reise Bibliothek“ (siehe Abbildung 3). Diese besteht aus recycelten Seecontainern, 12 die jederzeit transportiert werden können, um feste Bibliotheken zu ergänzen. 13 Abbildung 3: Reise Bibliothek Da die vorliegende Arbeit ein stark zukunftsorientiertes Thema behandelt, konnte nur ein Teil der wissenschaftlichen Bearbeitung durch die Auswertung gedruckter und virtueller Quellen gewährleistet werden. Ergänzt werden diese Erkenntnisse deshalb durch Aussagen aus Interviews mit Experten, die den Verfasserinnen ihr Wissen zur künftigen Entwicklung in den jeweiligen Fachgebieten zur Verfügung gestellt haben. Dies gilt insbesondere zur Untermauerung der sich abzeichnenden zukünftigen Entwicklung der Gesellschaft (Kapitel 1) und der Bibliothekswelt (Kapitel 3) sowie für die Begründung der Vorschläge, die für die Neukonzeption gemacht werden. Abschließend geben die Verfasserinnen einen Ausblick auf die „Bibliothek der Zukunft“, bei der sich zwei Richtungen abzeichnen. Die erste Entwicklung zeichnet sich dahingehend ab, dass die „Bibliothek als sozialer Ort“ zunehmend an Bedeutung gewinnen wird. Als zweite Tendenz ist eine Entwicklung hin zur „Moving Library“ im Sinne von mobilen Informationsund Wissenstankstellen erkennbar. 11 12 13 Vgl.: ekz.bibliotheksservice GmbH (2008): ekz-Ideenwettbewerb „Bibliothekseinrichtung der Zukunft“. Ausschreibungsinformationen. URL: http://www.ekz.de/fileadmin/ekz/redaktion/_PDFs/Moebel/ Auschreibungsinformationen.pdf (Zugriff: 22.08.2009) Vgl.: ekz.bibliotheksservice GmbH (2009): ekz-Ideenwettbewerb „Bibliothekseinrichtung der Zukunft“. ekz zeichnet innovative Bibliotheksplaner aus. URL: http://www.ekz.de/index.php?id=2686 (Zugriff: 22.08.2009) Geis, Manuel (2009): Reise Bibliothek. ekz-Ideen-Wettbewerb „Bibliothekseinrichtung der Zukunft“. Anhang zu E-Mail vom 07.06.2009 16 1 Gesellschaftliche Entwicklungen Es ist ein aktuelles Thema in den Medien: Allerorts wird vom „gesellschaftlichen Wandel“ gesprochen. Was verbirgt sich jedoch hinter diesem Schlagwort? Und welche Rolle spielen Bibliotheken hier? Bei genauerem Hinsehen erkennt man viele sich wandelnde Aspekte dieser derzeitigen Gesellschaft, die im Folgenden genauer betrachtet werden sollen. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt scheint sich in der Öffentlichkeit kein einheitlicher Begriff zu etablieren, der den derzeitigen Zustand der Gesellschaft beschreibt. Auch wie sie sich zukünftig entwickeln wird, kann kaum vorausgesehen werden. So stellen MINX, PREISSLER und JÄHRISCH fest: „Prognosen sind schwierig, insbesondere wenn sie die Zukunft betreffen. […] In welcher Gesellschaft leben wir eigentlich? Beim Versuch einer Antwort kommen wir 14 ins Straucheln.“ Stattdessen tauchen im Alltagsgebrauch viele Begriffe auf, mit denen der jeweilige Urheber den gegenwärtigen Stand der Gesellschaft aus seiner Perspektive definiert und beschreibt. Sie könnten unterschiedlicher nicht sein und werfen Fragen auf. KÜBLER greift allein fünf Gesellschaftsbezeichnungen auf: Neben der Dienstleistungsgesellschaft wird bei ihm die nachindustrielle Gesellschaft diskutiert, alternativ verwendet er die Begriffe der Medien15 und/oder Kommunikationsgesellschaft, Risikogesellschaft oder Erlebnisgesellschaft. Allein diese recht kurz gehaltene Aufzählung zeigt: Die heutige Gesellschaft kann viele Fa16 cetten annehmen. Allen gemeinsam ist das Verständnis von „Gesellschaft“ im alltäglichen Sinn: Die gemeinschaftliche Verbundenheit eines bestimmten Personenkreises, der kulturell 17 und/oder geographisch auf eine räumliche Fläche beschränkt ist. Die Ordnungen und Formen dieser Personengruppen sind einem ständigen Wandel unterworfen. Gerade die technischen Entwicklungen der Zukunft werden die gesellschaftlichen Strukturen in einem nicht zu unterschätzenden Umfang prägen. So stellte bereits 1996 die ENQUETE-KOMMISSION „Zukunft der Medien in Wirtschaft und Gesellschaft Deutschlands Weg in die Informationsgesellschaft Deutscher Bundestag“ fest, dass die Gesellschaft des 21. Jahrhunderts eine enge Verknüpfung mit der Technik im Bereich der neu18 en Medien akzeptieren muss. Die zunehmende Verknüpfung der Gesellschaft mit der Technik wird neben der technischen Entwicklung in hohem Maße das soziale und kulturelle 19 Alltagsleben beeinflussen. 14 15 16 17 18 19 Minx, Eckard/Preissler, Harald/Järisch, Burkhard (2002): Wie sieht ein Elefant aus? In: Bertelsmann-Stiftung [Hrsg.]: Was kommt nach der Informationsgesellschaft?. Gütersloh, Verl. Bertelsmann-Stiftung, S. 21 Vgl.: Kübler, Hans-Dieter (2005): Mythos Wissensgesellschaft. Gesellschaftlicher Wandel zwischen Information, Medien und Wissen. Wiesbaden, VS Verl. für Sozialwissenschaften, S. 21 ff. Nähere Erläuterungen zu den Gesellschaftsbegriffen siehe Kapitel 1.3 Vgl.: Brockhaus [Hrsg.] (2008): Brockhaus multimedial 2008. Gütersloh, F.A. Brockhaus, CD-ROM (Zugriff: 22.08.2009) Vgl.: Enquête-Kommission Zukunft der Medien in Wirtschaft und Gesellschaft Deutschlands Weg in die Informationsgesellschaft Deutscher Bundestag [Hrsg.] (1998): Deutschlands Weg in die Informationsgesellschaft. Bonn, Zeitungs-Verl. S. 199 Vgl. ebd. S. 203 1 GESELLSCHAFTLICHE ENTWICKLUNGEN 17 Jedoch sind es nicht nur die Medien, die den Alltag der Personen im 21. Jahrhundert verändern werden. Auch die demographischen Strukturen befinden sich im Wandel. Es existieren zahlreiche Ansätze, die die gegenwärtige und zukünftige gesellschaftliche Entwicklung darstellen. Im folgenden Kapitel werden einige Entwicklungsansätze vorgestellt. Ausgewählt wurden vor allem Modelle, die Elemente enthalten, aus denen Bibliotheken Anknüpfungspunkte für ihre Arbeit gewinnen können. Im Vordergrund stehen verschiedene Betrachtungsweisen und Forschungsansätze, die auf den demographischen Wandel sowie veränderte Aufgabenanforderungen im Berufsalltag eingehen. Einen weiteren Aspekt bildet die veränderte Nutzung und Informationsbeschaffung durch elektronische Medien. Einen besonderen Schwerpunkt bildet dabei die Betrachtung der zunehmenden Mobilität im Rahmen der lokalen und globalen Netzwerke. Zusätzlich werden verschiedene Definitionsansätze für derzeitige Gesellschaftsformen vorgestellt und im Hinblick auf ihre Anwendbarkeit in Bibliotheken diskutiert. 1.1 Gesellschaftlicher Wandel 1.1.1 Personenbezogener Wandel Durch die sinkenden Bevölkerungszahlen in den Industrieländern wird sich die Gesellschaft nachhaltig verändern. Laut des STATISTISCHEN BUNDESAMTES nimmt die Zahl der Lebendgeburten beständig ab und bewirkt zusätzlich zur gestiegenen Alterserwartung eine Ver20 schiebung der Größenverhältnisse in Bezug auf die einzelnen Altersgruppen. Zusätzlich lösen sich die bisherigen traditionellen Familienstrukturen auf. Statt einer vierköpfigen Familie, bestehend aus Eltern mit zwei Kindern, sind vermehrt Alleinerziehende, Einpersonenhaushalte und Patch-Work-Familien in den Statistiken zu finden. Der demographische Wandel bewirkt eine Veränderung der Bevölkerungspyramide. Während diese zunehmend auf dem Kopf steht, wie OPASCHOWSKI es formuliert, wird seiner Meinung nach langfristig die geistige Innovationskraft junger Menschen verloren gehen. Dies ist selbst durch Zuwanderung nicht zu kompensieren. Zusätzlich geht die Schere zwi21 schen Arm und Reich bei der Einkommensverteilung weiter auseinander. Dies hat beispielsweise Auswirkungen auf die finanzielle Kaufkraft der Bevölkerung, was durch Änderungen im Konsumverhalten sichtbar wird. Auch auf das soziale Verhalten können die Einkünfte Auswirkungen haben. Dies lässt sich anhand der Anzahl an sozialen Kontakten beobachten. OPASCHOWSKI prognostiziert eine zunehmende soziale Vereinsamung der Individuen, die in den Industrieländern durch einen Rückgang der Bevölkerungszahlen verstärkt 22 wird. Dieses Phänomen wird durch die zunehmende Verstädterung noch verschärft. 20 21 22 Vgl.: Statistisches Bundesamt [Hrsg.] (2007): Demographischer Wandel in Deutschland – Heft 1 – Bevölkerungs- und Haushaltsentwicklung 2007. Wiesbaden, Statistisches Bundesamt. URL: https://wwwec.destatis.de/csp/shop/sfg/bpm.html.cms.cBroker.cls?cmspath= struktur,vollanzeige.csp&ID=1021430 (Zugriff: 22.08.2009) Vgl.: Opaschowski, Horst W. (2005): Besser leben, schöner wohnen? Leben in der Stadt der Zukunft. Darmstadt, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, S. 11 ff. Vgl. ebd. S. 1 ff. 18 MIRIAM HÖLSCHER & CORINNA SEPKE Auch GÖSCHEL kommt zu ähnlichen Schlussfolgerungen bezüglich der Wandlungsvorgänge 23 und Überlagerungen. Neben den Megatrends in deutschen Städten, ausgelöst durch den demographischen Wandel, sieht er zusätzlich den ökonomischen Wandel hin zur Dienstleistungsökonomie. Damit einher gehen der Trend zur Globalisierung sowie die rasanten Entwicklungen auf dem Gebiet der neuen Medien. Diese Unterschiede und die sozialen Zustände als Folge von individuellen Lebensweisen, Kulturhintergründen und finanziellen Rahmenbedingungen werden das neue Stadtbild prägen. Anders als OPASCHOWSKI geht er jedoch von einem gestärkten Zusammengehörigkeitsgefühl der Individuen innerhalb der städtischen Verbünde aus, das durch die engen Sozialbeziehungen gestärkt wird. Vor dem Hintergrund der zunehmenden Vermischung verschiedener Kulturkreise durch Migration macht GÖSCHEL einen Wertewandel aus, der durch ein gemeinschaftliches Pflichtgefühl eine Nachbarschaftsbindung durch Nähe, Verlässlichkeit und soziale Beziehungen entstehen lässt. Die oben aufgeführten Ansichten von OPASCHOWSKI und GÖSCHEL zeigen, dass höchst unterschiedliche Faktoren die gesellschaftliche Entwicklung beeinflussen können. Anhand der Auswertung durch statistische Daten ist offensichtlich, dass vor allem die ökonomischen und kulturellen Aspekte hierauf einwirken. Aus diesem Grund ist der soziologische Ansatz der Lebensstil-Forschung verbreitet. Der folgende Abschnitt gibt einen kurzen Überblick über die Entwicklung sowie verschiedene Ausprägungen dieser Modelle. 1.1.1.1 Soziologische Ansätze 1.1.1.1.1 Schichtenmodell In der Literatur wurde bis in die 1960er Jahre meist von einer klassischen soziologischen 24 Verteilung der Schichten innerhalb der Bevölkerung ausgegangen. Hierzu existierten meh25 rere Darstellungsmöglichkeiten. Im Modell der „Gesellschaftszwiebel“ (siehe Abbildung 4) war es unmöglich, ein Individuum in einer einzelnen Schicht auszumachen oder sie mehreren Schichten zuzuordnen. Das Modell ging von der Grundannahme aus, dass sich alle Angehörigen einer Gruppe gleich verhalten. 23 24 25 Vgl.: Göschel, Albert (2009): Bibliotheken im urbanen und sozialen Wandel. Megatrends, Zukunftsunsicherheit, Nachhaltigkeit: Zur Zukunft der „Europäischen Stadt“. In: BuB 61, H. 6, S. 432 ff. Vgl.: Klein, Armin (2001): Kulturmarketing. Das Marketingkonzept für Kulturbetriebe. München, dtv, S. 136 ff. Vgl.: Geißler, Rainer (2006): Die Sozialstruktur Deutschlands. Zur gesellschaftlichen Entwicklung mit einer Bilanz zur Vereinigung. 4. Aufl. Wiesbaden, VS Verl. für Sozialwissenschaften, S. 93 ff. 1 GESELLSCHAFTLICHE ENTWICKLUNGEN 19 26 Abbildung 4: "Gesellschaftszwiebel" nach Klein Aufgestellt wurden die Schichten des Modells nach Statusgruppen und bezogen sich vornehmlich auf ökonomische Annahmen wie das Einkommen und den damit verbundenen Bildungsgang und Beruf, jedoch keinesfalls auf psychologische oder individuelle Ansichten des Individuums. Ausgehend von der Veränderung der Parteienlandschaft in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde dieses Modell aufgrund der ansteigenden Zahl von Wechselwählern als überholt angesehen. Durch die Wahlforschung wurde zunehmend auch bei der Vermarktung von Gütern auf die Erforschung der individuellen Werteauffassungen gesetzt. So sind seit den 1980er Jahren Fragen nach dem Verhältnis des Einzelnen zu sich und seinen Mitmenschen, zur Gesellschaft oder zu Natur und Universum sowie der Erforschung von Grundhaltungen oder Subkulturen durchaus üblich. Entgegen dem starren Begriff der Schichten wurde nun der Begriff der „Sozio-Kultur“ geprägt, der neben so27 zialen und kulturellen auch politische Interessen der einzelnen Personen mit einschließt. 1.1.1.1.2 Lebensstil-Modell Aus dieser Strömung entwickelten sich die bis heute praktizierten Einordnungen von Individuen in Lebensstile oder Milieus. In der Forschungsliteratur existieren dazu zahlreiche An28 sätze. 29 Das Marktforschungsunternehmen TNS-INFRATEST setzt im Zusammenhang mit der Erfor30 schung von den Bedürfnissen einzelner Personen auf das Modell der „Semiometrie“. Hier wird eine Person anhand der Zuordnung zu einzelnen Eigenschaften oder Assoziationen in 26 27 28 29 30 Klein, A. (2001): Kulturmarketing, S. 137 Vgl.: Kotler, Philip/Keller, Kevin Lane/Bliemel, Friedhelm (2007): Marketing-Maßnahmen. München, Pearson, S. 237 ff. Vgl.: Geißler, R. (2006): Die Sozialstruktur Deutschlands, S. 106 ff. TNS = Taylor Nelson Sofres Vgl.: TNS-Infratest (o.J.): FutureView + Semiometrie. URL: http://www.tnsinfratest.com/marketing_tools/Semiometrie_FutureView.asp (Zugriff: 22.08.2008) 20 MIRIAM HÖLSCHER & CORINNA SEPKE einen Wertesteckbrief eingeordnet. Dieser ist in verschiedene Lebensstile untergliedert (u.a. familiär, sozial, dominant, verträumt). Aus den Lebensstilen können entsprechende Marktbedürfnisse für die individuellen Kunden abgeleitet werden. Den Begriff des „Lebensstils“ hat der Wahlforscher GLUCHOWSKI im Vorfeld der Bundes31 tagswahl 1987 geprägt , indem er von neun verschiedenen Gruppeneinstellungen beim Wählerverhalten ausging (siehe Abbildung 5). 32 Abbildung 5: Lebensstile nach Gluchowski Alle neun dargestellten Gruppen wurden unabhängig von ihrer politischen Gesinnung aufgestellt und beziehen sich prozentual auf die Gesamtheit der deutschen Wahlberechtigten. Es drehte sich bei diesem Modell nicht in erster Linie um die Politikauffassungen, sondern um die Grundeinstellung zu gesellschaftlichen Trends und die Verankerung des einzelnen Mitbürgers im sozialen Netz. GLUCHOWSKI schlug hier erstmals vor, neben den materiellen Werten auch psychologische Einstellungen in die Unterscheidung der Gesellschaftsschichten mit einzubeziehen. 31 32 Vgl.: Gluchowski, Peter (1987): Lebensstile und Wandel der Wählerschaft in der Bundesrepublik Deutschland. In: Aus Politik und Zeitgeschichte H. 37, S. 18 ff. Klein, A. (2001): Kulturmarketing, S. 143 1 GESELLSCHAFTLICHE ENTWICKLUNGEN 21 1.1.1.1.3 Sinus-Milieus Das bekannteste Beispiel für Lebensstil-Modelle ist das Modell der Sinus-Milieus, das vor al33 lem im Marketing-Bereich für die Segmentanalyse eingesetzt wird. Es wurde vom SINUSINSTITUT in Heidelberg entwickelt, um die Ziel- und Kundengruppen eines Unternehmens konkret definieren zu können. Hierbei werden Personen bestimmten Gruppen zugeordnet, deren Größe und Lage sich jährlich im sozialen Gefüge verschiebt. 34 Abbildung 6: Sinus-Milieus in Deutschland Die auch als „Kartoffelgrafiken“ (siehe Abbildung 6) bezeichneten Verteilungen der einzelnen Bevölkerungsgruppen werden auf den Achsen der sozialen Lage und der psychologischen Grundeinstellung dargestellt. Bei diesem Modell stehen laut SINUS SOCIOVISION die 35 Grundorientierungen der einzelnen Personen im Vordergrund. So werden Einstellungen zu Lebenszielen, Arbeits- und Leistungseinstellungen, Gesellschaftsbild, Familie und Partnerschaft, Freizeitverhalten sowie Vorstellungen von Wünschen und Leitbildern untersucht. 33 34 35 Vgl.: Sinus Sociovision (o.J.): Sinus-Milieus. URL: http://www.sociovision.de/loesungen/sinus-milieus.html (Zugriff: 22.08.2009) Sinus Sociovision (o.J.): Sinus-Milieus Vgl. ebd. 22 MIRIAM HÖLSCHER & CORINNA SEPKE Erhebungen zur sozialen Lage werden eher zweitrangig behandelt, da eine zusätzliche Schichten-Einteilung den Stilbildungen untergeordnet ist. Entscheidend an dieser Darstellung ist, dass Personen nicht durch die Zuordnung zu einzelnen Gruppen von anderen Milieus ausgeschlossen sind, wie es bei dem Schichtenmodell der Fall ist. Vielmehr finden sich diese Personen in den Schnittmengen der einzelnen Milieus wieder. Die Bezeichnungen der einzelnen Gruppen ergeben sich aus ihrem vornehmlichen Alltagsverhalten. Als traditionelle Milieus gelten die „Konservativen“ sowie die „Traditionsverwurzelten“. Teilweise finden sich hier auch die „DDR-Nostalgischen“ wieder, die jedoch auch dem modern eingestellten Milieu zuzuordnen sind. Hierzu zählen ebenfalls die „Etablierten“, die „Postmateriellen“, die „Bürgerliche Mitte“ und die „Konsum-Materialisten“. Überschneidungen mit dem Milieu der „Neuorientierten“ finden sich bei den „Hedonisten“ und den „Modernen Performern“. Als besonders aufgeschlossen gegenüber neuen Trends gelten die „Experimentalisten“. Das Institut entwirft mit Hilfe der gleichen Typologie ein Szenario für die Milieu-Landschaft 36 Deutschlands im Jahr 2020. Hier werden die zukünftigen Milieus entsprechend des demographischen Wandels errechnet und den gegenwärtigen Anteilen in einem Vergleich gegenüber gestellt (siehe Abbildung 7). Abbildung 7: Prognosen von Sinus Sociovision für das Jahr 2020 37 38 Der Gruppe der „Traditionsverwurzelten“ wird ein leichter Rückgang prognostiziert. Fühlen diese sich schon heute teilweise von der neuen Welt überfordert, so ist dies 2020 noch stärker der Fall. Als Konsequenz zieht sich diese Gruppe zunehmend aus dem gesellschaftli39 chen Leben zurück. Auch die Anzahl der „Konservativen“ wird kleiner. Obwohl sie sich heute wie in der Zukunft selbst als unzeitgemäß fühlen, versuchen sie doch, sich zunehmend mit den veränderten Strukturen zu arrangieren und gleichzeitig ihre ursprünglichen 36 37 38 39 Vgl.: Spiegel Online (2006): Zeitsprung. Wir werden Deutschland. Beitrag in Spiegel Online vom 26.06.2006. URL: http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/0,1518,423043,00.html (Zugriff: 22.08.2009) Ebd. Vgl.: Spiegel Online (2006): Traditionsverwurzelte. URL: http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/0,1518,423261,00.html (Zugriff: 22.08.2009) Vgl.: Spiegel Online (2006): Konservative. URL: http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/0,1518,423264,00.html (Zugriff: 22.08.2009) 1 GESELLSCHAFTLICHE ENTWICKLUNGEN 23 Werte zu bewahren. Die Gruppe der „DDR-Nostalgischen“ wird sich im Jahr 2020 vollstän40 dig aufgelöst haben. Relativ stabil wird sich die Gruppe der „Etablierten“ halten, die sich selbst in der heutigen 41 Zeit als die geistige Elite betrachten. Diese Einstellung wird in der Zukunft nach wie vor gelten, jedoch werden sie es als notwendig ansehen, sich mit entsprechenden Statussymbo42 len von „Aufsteigern“ abzugrenzen. Ähnlich steht es mit der „Bürgerlichen Mitte“. Diese verstehen sich als zentrale Stütze der Gesellschaft, die auch in der Zukunft bereit ist, soziale Veränderungen mitzutragen. Die Zahl der „Konsum-Materialisten“ verändert sich ebenfalls 43 kaum, jedoch wird diese Gruppe mit fortschreitender Zeit unzufriedener werden. In der heutigen Zeit hält sich ihr Ärger über die ungleiche Verteilung von Gütern oder die mangelnde Aufmerksamkeit der Politik noch in Grenzen. Ab 2020 werden die „KonsumMaterialisten“ sich jedoch zunehmend ausgeschlossen fühlen, da sie aufgrund persönlich einsetzender Gleichgültigkeit nicht über die Bildung und Mittel verfügen werden, sich an den neuen Trends der Gesellschaft zu beteiligen. 44 Zuwachs erfahren hingegen die „Postmateriellen“. Fühlen sie sich heute als die von allen Seiten belächelten „Gutmenschen mit Umweltbewusstsein“, so werden sie im Jahr 2020 als fest anerkannte und respektierte Gesellschaftsgruppe ein Vorbild für andere darstellen und entsprechend handeln. Die ebenfalls wachsende Gruppe der „Modernen Performer“ wird versuchen, obwohl aus der gleichen materiellen Schicht, sich aufgrund des demonstrativen 45 Positivismus von den „Postmateriellen“ abzugrenzen. Zusätzlich werden sie auf Individualität sowie gezielte öffentliche Selbstdarstellung achten. Jedoch wird ihnen die erwartete ge46 sellschaftliche Anerkennung fehlen. Ebenso nimmt die Anzahl der „Hedonisten“ zu. Ist ihnen heute noch ihre grundsätzliche Opposition gegen Spießertum eigen, so werden sie im Jahr 2020 jedem ihr Bild vom alternativen Lebensstil als glückbringende Weisheit mit auf den Weg geben wollen und sich weniger um die Meinung anderer kümmern. Den größten 47 Zulauf verzeichnet die Gruppe der „Experimentalisten“. Es werden sich in der Zukunft viele diesem Lebensstil anschließen, da die „Experimentalisten“ als Trendsetter gelten und dies als erstrebenswert betrachtet wird. Doch sobald dies geschieht, werden sie erkennen müssen, dass ihre Gruppe in die Mitte der Gesellschaft abdriftet und keine innovativen Handlungen mehr vornehmen kann. Als neues Milieu wird im Jahr 2020 die Gruppe der „Hyper40 41 42 43 44 45 46 47 Vgl.: Spiegel Online (2006): DDR-Nostalgische. URL: http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/0,1518,423730,00.html (Zugriff: 22.08.2009) Vgl.: Spiegel Online (2006): Etablierte. URL: http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/0,1518,423250,00.html (Zugriff: 22.08.2009) Vgl.: Spiegel Online (2006): Bürgerliche Mitte. URL: http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/0,1518,423260,00.html (Zugriff: 22.08.2009) Vgl.: Spiegel Online (2006): Konsum-Materialisten. URL: http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/0,1518,423263,00.html (Zugriff: 22.08.2009) Vgl.: Spiegel Online (2006): Post-Materielle. URL: http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/0,1518,423252,00.html (Zugriff: 22.08.2009) Vgl.: Spiegel Online (2006): Moderne Performer. URL: http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/0,1518,423255,00.html (Zugriff: 22.08.2009) Vgl.: Spiegel Online (2006): Hedonisten. URL: http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/0,1518,423262,00.html (Zugriff: 22.08.2009) Vgl.: Spiegel Online (2006): Experimentalisten. URL: http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/0,1518,423256,00.html (Zugriff: 22.08.2009) 24 MIRIAM HÖLSCHER & CORINNA SEPKE 48 Experimentalisten“ entstehen. Sie werden die Nachfolger der heutigen „Experimentalisten“ sein und die Tradition der dynamischen, modernen Entwickler fortführen, die sich vielfältig engagieren und bestehenden Werten nicht viel Beachtung schenken. 1.1.1.1.4 Ansätze der Lebensstilforschung in Bibliotheken Die Methoden der Lebensstilforschung finden teilweise bereits Eingang in die Arbeit von Bibliotheken. Vor allem im Rahmen der Zielgruppenanalyse wird beispielsweise auf die Sinus-Milieus zurückgegriffen, um die Hintergründe von Kunden in die Bibliotheksarbeit mit 49 einzubeziehen. Da es sich bei diesem Modell jedoch um einen von einem Wirtschaftsunternehmen bereitgestellten und vermarkteten Ansatz handelt, sind Bibliotheken oftmals nicht in der Lage, zusätzlichen Etat für eine Lebensstil-Analyse aufzubringen. In der Stadtbücherei Stuttgart wurden deshalb die Nutzer mit Hilfe des Modells des Lebens50 stilforschers OTTE untersucht. Die Basis seines Modells bilden über 30 empirisch erforschte Lebensstil-Ansätze. Aus diesen können die in Abbildung 8 dargestellten Typologisierungen der Gesellschaft abgeleitet werden. Abbildung 8: Lebensstile nach Otte 51 Ähnlich den Sinus-Milieus werden in OTTES Modell verschiedene Gruppen identifiziert, deren Lebensstile auf zwei Achsen abgebildet werden. Die eine stellt das materielle Einkommen dar, die andere die psychologische Grundeinstellung. Begründet werden die Typologisierungen durch zehn Lebensstilindikatoren, die mit Hilfe eines Fragebogens erho52 ben werden. SZLATKI stellt für die Nutzer der Stadtbücherei Stuttgart die These auf, dass 48 49 50 51 52 Vgl.: Spiegel Online (2006): Hyper-Experimentalisten. URL: http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/0,1518,423247,00.html (Zugriff: 22.08.2009) Vgl.: Motzko, Meinhard (2009): Experteninterview, Erfurt, am 02.06.2009 Vgl.: Szlatki, Martin (2008): Lebensstil und Bibliotheksnutzung. Präsentation auf der BIB-Fortbildung „Abschied von der Bibliothek für alle?“ am 25.11.2008. URL: http://www.bib-info.de/fileadmin/media/ Dokumente/Landesgruppen/Baden-Wuerttemberg/bawue/Lebensstil_Bibliotheksnutzung_Szlatki.pdf (Zugriff: 22.08.2009), Folie 16 ff; sowie: Otte, Gunnar (2004): Sozialstrukturanalysen mit Lebensstilen. Eine Studie zur theoretischen und methodischen Neuorientierung der Lebensstilforschung. Wiesbaden, VS Verl. für Sozialwissenschaften, S. 57 ff. Szlatki, M. (2008): Lebensstil und Bibliotheksnutzung, Folie 13 Vgl. ebd. Folie 11 ff.; sowie: Otte, G. (2004): Sozialstrukturanalysen mit Lebensstilen, S. 131 ff. 1 GESELLSCHAFTLICHE ENTWICKLUNGEN 25 die von OTTE formulierten Lebensstile das Verhalten der Nutzer in der Bibliothek beeinflus53 sen. Anhand einer Befragung zeigt SZLATKI, dass die Lebensstile unterschiedlich stark in der Bibliothek vertreten sind. Daraus zieht er die Schlussfolgerung, dass Bibliotheken sich nicht auf ein mögliches Nutzerverhalten beschränken dürfen, sondern auf mehrere Lebensstile eingehen müssen, auch wenn sich diese ähneln. Lebensstil-Modelle bilden demnach eine Grundlage, die Bibliotheken bei der Zielgruppenorientierung berücksichtigen können. Jedoch merkt SzLATKI an, dürfen sie sich bei der kundenorientierten Ausrichtung nicht nur auf die personen- und einstellungsbezogenen As54 pekte konzentrieren, die die Lebensstile in erster Linie darstellen. Vielmehr müssen auch die Verhaltensweisen von Personen berücksichtigt werden, die durch den jeweiligen Lebensstil nur ansatzweise erklärt werden. Die mit Verhaltensweisen verbundenen Handlungen werden im folgenden Teil durch eine andere Erklärungsmethode nochmals in den Blick genommen. 1.1.1.2 Verhaltensbezogene Ansätze Der Zukunftsforscher OPASCHOWSKI sieht für das Deutschland der Zukunft ähnliche gesellschaftliche Entwicklungen, wie sie von SOCIOVISION mit Hilfe der Lebensstile formuliert werden. Anders als die Sinus-Milieus gliedert er den Wandel jedoch nach den Handlungen der Gesellschaft auf und zeichnet Bilder der zukünftigen Lebensinhalte. So ist beim Konsumverhalten gerade bei den kommenden Generationen zu beobachten, dass diese gewisse Handlungen schneller („Instant-Konsum“), öfter („Erdnuss-Effekt“) und 55 wechselnd („Hopping-Manie“) vornehmen. Durch die Angst, zu kurz zu kommen, kann sich jedoch auch nach einiger Zeit das Gegenteil einstellen – die Inhalte sind austauschbar („Zapping-Phänomen“). Zusätzlich wird seiner Ansicht nach das Konsumverhalten polarisieren. Während die eine Hälfte der Gesellschaft aufgrund weniger finanzieller Mittel stärker sparen muss, braucht sich der andere, wohlhabende Gesellschaftsteil mit diesem Problem 56 nicht zu befassen. In Bezug auf die Medienwelt wird deutlich sichtbar, dass hier nicht nur die junge Generati57 on von den Veränderungen des Konsumverhaltens betroffen sein wird. Besonders beim Lesen von Büchern werden Verhaltensweisen beobachtet, die als das schnelle Überfliegen („Fast-Food-Lesen“), das Lesen einzelner Absätze („Häppchen“) und selektives, oberflächliches Lesen oder gleichzeitiges Rezipieren von mehreren Inhalten („Parallel-Lesen“) bezeich58 net werden. 53 54 55 56 57 58 Vgl.: Szlatki, M. (2008): Lebensstil und Bibliotheksnutzung, Folie 4 Vgl. Szlatki, M. (2008): Lebensstil und Bibliotheksnutzung, Folie 27 Vgl. Opaschowski, Horst W. (2004): Deutschland 2020. Wie wir morgen leben – Prognosen der Wissenschaft. Wiesbaden, VS Verl. für Sozialwissenschaften, S.148 ff. Vgl.: Opaschowski, Horst W. (2008a): Deutschland 2030. Wie wir in Zukunft leben. Wiesbaden, VS Verl. für Sozialwissenschaften, S.157 Vgl.: Opaschowski, H.W. (2004): Deutschland 2020, S.175 ff. Vgl.: Opaschowski, Horst W. (2008b): Einführung in die Freizeitwissenschaft. 5. Aufl. Wiesbaden, VS Verl. für Sozialwissenschaften, S. 44 26 MIRIAM HÖLSCHER & CORINNA SEPKE Gemessen am gesamten Mediennutzungsverhalten wird der generelle Anteil des Lesens 59 von Büchern konstant bleiben. Dagegen steigt die Zahl der Internetnutzer nach der ARDZDF ONLINE STUDIE rasant an, weil dies den bereits beschriebenen Ansprüchen nach Schnel60 ligkeit und Austauschbarkeit gerecht wird. 61 Kulturelle Veranstaltungen und Aktivitäten sind heute öffentlich zugänglich. Hierzu tragen auch Bibliotheken einen wichtigen Teil bei. War die Rezeption von kulturellen Inhalten früher noch wenigen Personen vorbehalten, so können heute fast alle daran teilnehmen. Auch von Unternehmen wird das Vorhandensein von Kultureinrichtungen, wie beispielsweise Bibliotheken, als weicher Standortfaktor angesehen. Mit zunehmender Mobilität und hohem persönlichem Interesse werden weitere Wege, etwa zu Ausstellungen und Lesungen, 62 in Kauf genommen. Durch die Tatsache, dass jeder mit Hilfe moderner Medien Kultur produzieren kann, bekommt das Schlagwort „Kultur für alle“ aus den 1980er Jahren eine völlig neue Dimension, da es sich von der Rezeption auf die Produktion erweitert. Nach einer Studie von OPASCHOWSKI fallen diese Kulturaktivitäten zusammen mit der Mediennutzung, Gesprächen und Geselligkeit sowie Spiel, Sport und Musik unter den Begriff der 63 Freizeitgestaltung. Dabei dient „Freizeit“ entgegen dem früheren Begriff weniger der arbeitsfreien Erholung, sondern der tatsächlich freien Zeit, in der etwas unternommen werden kann. Ebenso wie die genannten Aktivitäten wandelt sich auch das Freizeitverhalten. Familien mit geringem Einkommen stehen vor der Entscheidung, ob der Freizeitkonsum oder das Kind 64 den Vorrang haben soll. Senioren können ihre Freizeit hingegen auf unterschiedliche Weise gestalten. Durch den verlängerten dritten Lebensabschnitt stellen die „jüngeren Alten“, die nicht mehr im Arbeitsleben stehen, aber dennoch geistig und gesundheitlich fit sind, 65 andere Ansprüche als die ältere Seniorengeneration. Singles und Alleinlebende haben dagegen einen anderen Schwerpunkt: Bei ihnen stellt sich die Frage, ob der Alltag berufs- oder freizeitorientiert gesteuert wird. Als Alleinstehende, die alles selbst erledigen (müssen), geraten sie manchmal in den Konsumstress und mangels 66 Ansprechpartner im Haus unter Kontaktzwang. Dieses Bild, das von Vereinsamung und Stress geprägt ist, stellen STEINMÜLLER und STEINMÜLLER in einem Dialog dar: „Stein: Ja, das ist schon ein merkwürdiges Selbstbild, das die Lebensstilforscher da zeichnen: genusssüchtige Egoisten der Fun-Gesellschaft […] Und wenig plausibel, 59 60 61 62 63 64 65 66 Vgl.: Börsenverein des Deutschen Buchhandels (2009): Das Buch im Medienportfolio. Mediennutzungstypen unter Berücksichtigung des Buches in Deutschland, Österreich und der Schweiz. URL: http://www.boersenverein.de/sixcms/media.php/976/Das_Buch_im_Medienportfolio_Zusammenfassung_ Presse.pdf (Zugriff: 22.08.2009), S. 2 Vgl.: Projektgruppe ARD/ZDF-Multimedia (2007): Internet zwischen Hype, Ernüchterung und Aufbruch. 10 Jahre ARD-ZDF-Onlinestudie. URL: http://www.ard-zdf-onlinestudie.de/fileadmin/Fachtagung/ ARD_ZDF_Onlinebrosch_re_040507.pdf (Zugriff: 22.08.2009), S. 2 ff Vgl.: Opaschowski, H.W. (2004): Deutschland 2020, S. 263 ff. Vgl.: Klein, A. (2001): Kulturmarketing, S.123; sowie S. 149 Vgl.: Opaschowski, H.W. (2008b): Einführung in die Freizeitwissenschaft, S. 36 Vgl. ebd. S. 61 ff. Vgl. ebd. S. 164 ff. Vgl. ebd. S. 130 ff. 1 GESELLSCHAFTLICHE ENTWICKLUNGEN 27 dass die Gesellschaft in lauter Nomadenwesen zerfällt. Der Mensch ist und bleibt nämlich ein Herdentier. Oder genauer: ein notorischer Stammesangehöriger, selbst noch als High-Tech-Nomade. Siehe Fußball, Love Parade, Hacker-Treffen, Corporate Identity und gemeinsames Rafting für Unternehmensangehörige – und selbst die Mini-Herde‚ ‘Familie‘ ist als Leitvorstellung nicht außer Mode gekommen. Müller: Du widersprichst dir ja selbst: Die Kultur, wie du sie schilderst, ist das eigentlich konservative Element. Alles schon da gewesen: Machtkämpfe und Herrschaftsgehabe, ob nun unterm Kaiser oder unterm Kanzler, Ausgrenzung des Fremden, Old-Boys und neuerdings auch Old-Girls-Netzwerke, die Milieus in Vorstädten, die Cliquen in den Vorstandsetagen – extrem konservative Elemente, wohin man schaut. Stein: Und dennoch ist etwas ins Rutschen gekommen, auch bei deinen extrem konservativen Elementen. Die Anzahl der Sozialkontakte nimmt zu – wie ja an der überbordenden Kommunikation abzulesen. Jenseits allen Individualismus wird Identität wichtig, eben wegen der häufigen Kontakte. Die Gesellschaft der Handy-Träger 67 ist auch eine der Visitenkarten-Austeiler […].“ Wie aufgezeigt wurde, existiert eine Vielzahl an Lebensstilen, die das Verhalten der Gesellschaft prägen und somit eine nicht zu unterschätzende Auswirkung auf Bibliotheken haben. Besonders das Verhalten in Bezug auf die Freizeitgestaltung sowie die zunehmende Verknüpfung von Arbeits- und Privatleben müssen von Bibliotheken bei der Wahl der Zielgruppenansprache und beim Bestandsaufbau berücksichtigt werden. Eben hier kann die 68 Bibliothek als Ort ansetzen. Sie gibt diesen verschiedenen Gruppen einen Raum und Treffpunkt und reagiert so auf den verhaltensbezogenen Wandel. Dem Druck der Leistungsgesellschaft, der im folgenden Kapitel näher beleuchtet wird, kann die Bibliothek ent69 gegenkommen, indem sie ihren Zielgruppen Zeit und Wege erspart. 1.1.2 Aufgabenbezogener Wandel Der demographische Wandel sowie der verhaltensbezogene Wandel wirken sich auf die bestehenden Arbeitsstrukturen aus. Die veränderten Arbeitsverhältnisse bringen eine zunehmende Aufweichung starrer, hierarchischer Arbeitsstrukturen mit sich. Zwei Richtungen sind bei der Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt zu beobachten. Zum einen bedeutet es für die Beschäftigten, sich gegenüber etwaigen Konkurrenten zu spezialisieren und zu profilie70 ren. Andererseits muss dem Fachkräftemangel durch hohe Flexibilität begegnet werden. Um diesen verschiedenen unterschiedlichen Arbeitsanforderungen gerecht zu werden, bedarf es detaillierten Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen. Hierbei werden unterschiedliche 67 68 69 70 Steinmüller, Angela/Steinmüller, Karlheinz (2002): Auf dem Weg in die Traumzeit. In: BertelsmannStiftung [Hrsg.]: Was kommt nach der Informationsgesellschaft? Gütersloh, Verl. Bertelsmann-Stiftung, S 261 f. Siehe Kapitel 4.1.3 Siehe Kapitel 3.2.2.2 sowie 4.1.1 Vgl.: Seidel, Gerhard (2000): Weiterbildung als Wegbereiter von Innovationen. In: Haarbeck, Siegfried [Hrsg.]: Deutschland 2010 – Szenarien der Arbeitswelt von morgen. Köln, Fachverl. Dt. Wirtschaftsdienst, S. 128 ff. 28 MIRIAM HÖLSCHER & CORINNA SEPKE Kompetenzen erworben, die die Beschäftigten aufgrund neuer Arbeitsanforderungen aufweisen müssen. 1.1.2.1 Arbeitsleben Im Bericht der ENQUETE-KOMMISSION wurde bereits 1996 beschrieben, dass Arbeitsverhält71 nisse grundlegend neu gestalten werden. So sehen die Mitglieder der Kommission eine Veränderung des Zugehörigkeitsstatus zum Betrieb durch Teilzeit, Telearbeit, Leiharbeit 72 sowie durch projektgebundene Arbeit. 73 HAARBECK befragt in Kurzinterviews Arbeitnehmer zur zukünftigen Arbeitsstruktur. Frank, 40 Jahre aus Hamburg, antwortet: „Die Betriebszugehörigkeit wird kürzer … Ich schätze, dass der Trend sich fortsetzt, dass man in seinem Berufsleben öfter mal den Job wechselt.“ Können Sie sich vorstellen, mit Ihren Kollegen nur noch per Internet zu kommunizieren? „Das geht, aber für eine intensive Zusammenarbeit braucht es einfach mehr, braucht es auch einen persönlichen Kontakt. … Insofern würde ich sagen, beides ist spannend, da ist 74 nicht eins höherwertig oder das andere minderwertig.“ Ähnlich formuliert SOMMERMEYER das Bild der Arbeitskarrieren im 21. Jahrhundert. Diese 75 werden „kaum mehr linear und nur nach oben verlaufen, sondern patchworkartig.“ Auch er macht eine zunehmende Auflösung von standardisierten Abläufen und Flexibilisierungen aus, die sich vor allem in den Bereichen der Arbeitszeit und des Arbeitsortes auswirken. Bibliotheken können auf diesen Trend reagieren, in dem sie entsprechende Bestandsschwerpunkte wie Wirtschaftsliteratur oder Bewerbungsratgeber bereitstellen. Im Zusammenhang mit der Flexibilisierung von Arbeitszeit und –ort kommt vermehrt Telearbeit zum Einsatz. BÖRNECKE sieht diese vor allem als eine mögliche Arbeitsform, die es 76 Frauen und Müttern ermöglicht, Familie und Karriere zu vereinbaren. Wie GÖSCHEL ausführt, liegt ein Teil der veränderten Arbeitsmarktentwicklungen im zunehmenden ökonomischen Wandel begründet, der eine Internationalisierung der Waren77 märkte mit sich bringt. Im Zuge dieser Globalisierung wird ein stärkeres Konkurrenzdenken auftreten, dass die nationalen Grenzen verschwimmen lässt. Dies stärkt die Kommunen, die gegenüber einem schwächeren Staat mehr Aufgaben profilierter wahrnehmen müssen als bisher. Teilweise werden im aktuellen Tagesgeschehen diese Aufgaben hinfällig, da in 71 72 73 74 75 76 77 Vgl.: Enquête-Kommission [Hrsg.] (1998): Deutschlands Weg in die Informationsgesellschaft. S. 111 ff. Vgl. ebd. S. 129 Vgl.: Haarbeck, Siegfried [Hrsg.] (2000): Deutschland 2010 – Szenarien der Arbeitswelt von morgen. Köln, Fachverl. Dt. Wirtschaftsdienst, S. 13 ff. Frank (2000): Die Betriebszugehörigkeitsdauer wird kürzer. In: Haarbeck, Siegfried [Hrsg.]: Deutschland 2010 – Szenarien der Arbeitswelt von morgen. Köln, Fachverl. Dt. Wirtschaftsdienst, S. 13 f. Sommermeyer, Wolfgang (2000): Szenarien der Arbeitswelt im 21. Jahrhundert. In: Haarbeck, Siegfried [Hrsg.]: Deutschland 2010 – Szenarien der Arbeitswelt von morgen. Köln, Fachverl. Dt. Wirtschaftsdienst, S. 18 Vgl.: Börnecke, Dirk (2000): Teleworking – das Arbeitsmodell der Zukunft? In: Haarbeck, Siegfried [Hrsg.]: Deutschland 2010 – Szenarien der Arbeitswelt von morgen. Köln, Fachverl. Dt. Wirtschaftsdienst, S. 62 Vgl.: Göschel, A. (2009): Bibliotheken im urbanen und sozialen Wandel, S. 432 ff. 1 GESELLSCHAFTLICHE ENTWICKLUNGEN 29 der Wirtschaftskrise der Staat durch zentral gesteuertes Durchgreifen versucht, Stabilität in das Wirtschaftsgefüge zu bringen. Dennoch werden in Zukunft die Kommunen einen größeren Aufgabenbereich wahrnehmen, der sie zwingt, sich in Konkurrenz zu anderen Städten zu setzen und sich mit einer Corporate Identity zu etablieren. Bibliotheken können hieraus Schlussfolgerungen ziehen, indem sie Angebote entwickeln, die den Bürger auf dem Lernweg zur Informationsmündigkeit unterstützen. Auch FELDER greift diesen, bereits seit 2001 offensichtlichten Trend, auf: „Die Informationsgesellschaft kennt keine nationalen Grenzen mehr. […] Der Arbeitsplatz alten Zuschnittes wird zunehmend abgelöst von neuen arbeitsteiligen Organisationsformen: Mit Hilfe der Telearbeit wird der Mensch nicht mehr zu seiner Tätigkeit transportiert, sondern die Arbeit zum Menschen. Die alte Rollenverteilung zwischen Arbeitgeber und -nehmer verändert sich: Künftig wird es nicht ungewöhnlich sein, für mehrere Arbeitgeber gleichzeitig oder kurz nacheinander tätig zu sein, oder den Arbeitsplatz zu teilen. Die informationsbezogenen betrieblichen Arbeiten werden zunehmend dezentral in ‚virtuellen Unternehmen’ organisiert, die in elektronischen Informationsnetzwerken nicht mehr standortgebunden miteinander 78 vernetzt sind und so kommunizieren.“ Für den Arbeitsmarkt zieht er die Bilanz, dass sich keine exakte Trennung zwischen Produktion und Dienstleistung mehr ausmachen lässt. Im internationalen Vergleich sieht er zu den USA den Unterschied, dass man „in Deutschland für die Zukunft eher von einer 79 „informatisierten Industriegesellschaft“ ausgehen [kann].“ 80 SEIDEL sieht die zukünftige Arbeitsstruktur vor allem in der selbstständigen Arbeit. Dabei ist es seiner Meinung nach nicht relevant, ob diese Arbeit an unterschiedlichen Orten, allein oder im Team erledigt wird. Ebenso unabhängig ist der Umfang oder der Inhalt der Arbeit. Aufgrund der schnellen Veränderungen durch die globale Vernetzung und umfassendere Möglichkeiten, sich Informationen zu beschaffen, werden sich auch die Arbeitsinhalte verändern. Die Strukturen werden sich so verschieben, dass die kreative Denkleistung durch eine kleinere Zahl von Personen erledigt werden kann und die damit verbundenen oder daraus entstehenden Dienstleistungen von einem anderen, größeren Teil der Gruppe der Arbeitnehmer ausgeübt werden. Diese Arbeitsweise wird häufig aufgabenbezogen sein, um einen hohen Grad der Flexibilisierung zu gewährleisten. Die Anstellungen werden häufig nicht von Dauer sein. Diese Aussage wird durch ein Statement der ENQUETE-KOMMISSION bestätigt, die die künftigen Arbeitsaufgaben vor allem im Dienstleistungssektor sieht, der durch die neuen Infor81 mations- und Kommunikationsmittel unterstützt wird. Weiterhin definiert die Kommission neue Formen der Arbeitsorganisation. Unternehmen werden sich zunehmend auf die eigenen Kernaufgaben konzentrieren und Aufgaben auslagern, die nicht zum Kernbereich gehören. Hieraus ergeben sich Netzwerke, die eine hohe Flexibilität mit flachen Hierarchien 78 79 80 81 Felder, Markus (2001): Der Bibliothekar als Freiberufler. In: B.I.T. online [Hrsg.]: Innovationsforum 2001. Wiesbaden, Dinges & Frick, S. 90 f. Ebd. S. 91 Vgl.: Seidel, Gerhard (2000): Weiterbildung als Wegbereitung von Innovationen, S.123 ff Vgl.: Enquête-Kommission [Hrsg.] (1998): Deutschlands Weg in die Informationsgesellschaft, S. 115 30 MIRIAM HÖLSCHER & CORINNA SEPKE und Teamarbeit begünstigen. Auch hier wird die Telearbeit als Chance gesehen, das Privatleben mit dem Arbeitsleben zu verknüpfen. Sie spart einerseits Kosten, da Bürounterhaltungen nicht bezahlt werden müssen und reduziert den Verkehr, da weniger Personen einen Arbeitsplatz aufsuchen müssen. Andererseits ist sie förderlich für die Produktivität, da die Telearbeiter eine hohe Zufriedenheit durch organisatorische und zeitliche Flexibilität aufweisen. In den Augen der Kommission muss der wachsende Dienstleistungssektor künftig 82 die Selbstbedienung des Kunden unterstützen. Damit der Kunde die Aufgaben selbst erledigen kann, welche vorher von Dienstleistungskräften erfüllt wurden, sind zunehmend Arbeitskräfte im Bereich der Ausbildung, Beratung und Information notwendig. GÜNTHER weist auf die Überalterung der Gesellschaft hin und stellt die Frage, wer diesen 83 neuen, innovativen Sektor stellen soll. Da die junge Generation die Aufgaben der älteren übernehmen muss, hat sie einen erhöhten Förderbedarf, um zusätzliche kreative Leistungen für die Herausforderungen der Zukunft zu erbringen. Auch hier wird wieder die Bereitschaft zur Flexibilität in den Fokus genommen, die heute Anforderung für zahlreiche Berufe ist. Doch eine solche Flexibilität setzt das vorherige Erlernen derselben voraus. SOMMERMEYER kommt hierbei zu folgendem Schluss: „Konkret wird das bedeuten, dass eindeutige und selbstverständliche Qualifikationen, Berufe, Karrieren, Lebenswege, soziale Statusverhältnisse und Milieus der Vergangenheit angehören. […] Wenn es nicht mehr möglich ist, ‚für das Leben zu lernen’, wie es das deutsche Schulsystem vorsieht, ist ganz sicher lebenslanges Lernen angesagt. D.h. die Kultur der Erfinder, Denker und Einzelkämpfer wird verändert in eine Kultur, die geprägt ist von Partnerschaftlichkeit, Offenheit, Kommunikationsfähigkeit, Synergie und – in einem gut ver84 standenen Sinn – Elite.“ 1.1.2.2 Fortbildung und Lebenslanges Lernen Ganz im Sinne von SOMMERMEYER geht mit den veränderten Arbeitsmarktstrukturen auch ein verändertes Weiter- und Fortbildungsbedürfnis einher. So führt SEIDEL an: „Die klassischen Kompetenzbereiche (methodische, fachliche und soziale) werden 85 durch Medien- und Selbstlernkompetenz eine Erweiterung finden.“ Doch um im Rahmen dieser Kompetenzen Anforderungen im beruflichen und privaten Leben fachlich beurteilen zu können, bedarf es der Bildung – aus diesem Grund prägen 86 WIESNER und WOLTER den Begriff der „lernenden Gesellschaft“. „Lebenslanges Lernen“ heißt in diesem Zusammenhang nicht nur, sich sowohl selbstständig als auch gemeinsam weiterzubilden, sondern auch, dass diejenigen, die keinen Zugang zu Bildung haben, bei diesem Verlauf nicht benachteiligt werden. OPASCHOWSKI merkt hierzu an, dass ergriffene 82 83 84 85 86 Vgl.: Enquête-Kommission [Hrsg.] (1998): Deutschlands Weg in die Informationsgesellschaft, S. 113 f. Vgl.: Günther, Johann (2002): Die neue Mobilität der Gesellschaft. Innsbruck, Studien-Verl. S. 127 Sommermeyer, W. (2000): Szenarien der Arbeitswelt im 21. Jahrhundert, S. 19 Seidel, G. (2000): Weiterbildung als Wegbereitung von Innovationen, S. 134 Vgl.: Wiesener, Gisela/Wolter, Andrä [Hrsg] (2005): Die lernende Gesellschaft. Lernkulturen und Kompetenzentwicklung in der Wissensgesellschaft. Weinheim, Juventa, S. 9 ff. 1 GESELLSCHAFTLICHE ENTWICKLUNGEN 31 Weiterbildungsmaßnahmen Zuwanderern und Migranten die Möglichkeiten bieten, dem 87 sozialen Abstieg und damit der Arbeitslosigkeit entgegenzutreten. Bibliotheken können 88 sich hier durch Angebote im Bildungsbereich, beispielsweise als „Teaching Library“ profilieren. Innovative Lernformen sind nach GÜNTHER bereits durch mediale neue Technologien fester Bestandteil des Lernens. „[Sie] bringen Content zum Studierenden. Das reine „Campus-Lernen“ oder der Face-to-Face-Unterricht wird durch Online-Lehre ergänzt. Vor einigen Jahren hätte man noch gesagt ‚ersetzt’, heute weiß man, dass Fernlehre nur eine Ergänzung des 89 Präsenzunterrichts ist. Ältere Menschen muss man animieren, weiter zu lernen.“ Laut der ENQUETE-KOMMISSION muss sich die „Bildung 21“ an alle Wandlungen der Gesell90 schaft anpassen . Dies bedeutet die Loslösung von Zeit und Raum und eine verstärkte Mobilität, die auch von Bibliotheken beispielsweise mit E-Learning Konzepten berücksichtigt werden müssen. Kompetente Lehrer und Lernende, die mit multimedialen Lernformen umzugehen wissen, sind in der Lage, auch interkulturellen Veränderungen durch Medienkompetenz zu begegnen. Zusätzlich müssen sie Kompetenzen im Bereich Wissensmanagement 91 und selbstständiger Entscheidungsfindung aufweisen. Dies muss nach Ansicht der Kommission bereits in der Ausbildung unter dem Stichwort „Orientierungswissen“ vermittelt 92 werden. Aus diesem Grund ist die Stärkung von Schlüsselqualifikationen nötig. BURMEISTER, NEEF und SCHULZ-MONTAG zählen hierzu „Methodenwissen zur Informationsgewinnung und -verarbeitung, Urteils- und Ent93 scheidungsvermögen, Team- und Kommunikationsfähigkeit sowie Kreativität.“ Diese müssen der ENQUETE-KOMMISSION zufolge durch medienpädagogische Maßnahmen 94 unterstützt werden. Das ist ein Aufgabenfeld, welches auch von Bibliotheken erfüllt werden kann. Die erste Aufgabe besteht darin, die Familie verstärkt bei der Medienerziehung zu unterstützen. Zusätzlich müssen Medien hinsichtlich ihrer Rezeption erforscht werden. Mit hierfür bereitgestellten Geldern können Methoden und Konzepte erprobt werden, die Kindern und Jugendlichen ihre Medienverantwortung bewusst machen. Dies muss durch Personen erfolgen, die durch den täglichen Medienumgang für verantwortungsvolles Medienhandeln sensibilisieren und anleiten können. Nach der Beschreibung der ENQUETEKOMMISSION können auch Bibliotheken zu diesen Institutionen gezählt werden, die selbst solche Konzepte entwickeln und erforschen sowie die Familien dazu anleiten, einen be- 87 88 89 90 91 92 93 94 Vgl.: Opaschowski, H.W. (2005): Besser leben, schöner wohnen? S. 78 ff. Teaching Library = Unterrichtende Bibliothek im Sinne von Schulungsangeboten zu Medien- und Informationskompetenz Günther, J. (2002): Die neue Mobilität der Gesellschaft, S. 157 Vgl.: Enquête-Kommission [Hrsg.] (1998): Deutschlands Weg in die Informationsgesellschaft, S. 144 ff. Vgl. ebd. S. 152 Vgl. ebd. S. 157 Burmeister, Klaus/Neef, Andreas/Schulz-Montag, Beate (2002): Crossover society. In: Bertelsmann-Stiftung [Hrsg.]: Was kommt nach der Informationsgesellschaft? Gütersloh, Verl. Bertelsmann-Stiftung, S. 105 Vgl.: Enquête-Kommission [Hrsg.] (1998): Deutschlands Weg in die Informationsgesellschaft, S. 41 f. 32 MIRIAM HÖLSCHER & CORINNA SEPKE wussten Medienumgang zu praktizieren. Dies ist eine Aufgabe, die Bibliotheken bereits zu einem großen Teil erfüllen, auch wenn SEEFELDT und SYRÉ zum Thema der Erwachsenenbildung in Bibliotheken feststellen: „Die Zusammenarbeit zwischen den kommunalen Öffentlichen Bibliotheken und den Einrichtungen der Erwachsenenbildung ist vielerorts noch recht unzureichend ausgeprägt. […] Die räumliche Zusammenlegung ermöglicht die Einrichtung von 95 ,Selbstlernzentren‘[…].“ Somit ist es aus ihrer Sicht notwendig, die Partnerschaften von Bibliotheken mit anderen Bildungseinrichtungen auszubauen. 1.1.3 Medienbezogener Wandel 1.1.3.1 Mediennutzungsverhalten Um das Lebenslange Lernen zu gewährleisten, muss auch der mediale Wandel berücksichtigt werden. GÖSCHEL spricht von neuen Kompetenzen im Bereich der Medien- und Kommunikationstechnologie, bei deren Ausbildung sich die Gegenüberstellung von „Virtuosen 96 vs. Idioten“ abzeichnet. OPASCHOWSKI macht den selbstverständlichen Umgang mit den Medien vor allem als ein Phänomen der jungen Generation aus, die er als UMTS-Generation im Sinne einer „Univer97 sal-Mobile-Telecommunications-Generation“ bezeichnet. BURMEISTER, NEEF und SCHULZMONTAG bezeichnen das Medienverhalten der Zukunft folgendermaßen: „Schneller lesen, quer lesen („browsing“), Informationen parallel aufnehmen („multitasking“), Informationen komprimieren, filtern – oder einfach länger arbei98 ten, weil die Zeit nicht reicht?“ Besonders zu beachten ist hierbei die Rolle des Internets. NAISBITT versucht, eine Erklärung zu finden, warum das Internet neben der schnellen Aktualisierung von Inhalten beliebt ist. „Niemand besitzt das Internet. Niemand leitet es tatsächlich. Und dennoch vertraut mehr als eine halbe Milliarde Menschen darauf, dass es funktioniert – […] eben weil es niemandem gehört und es damit auch niemanden gibt, der dies zentral verhin99 dern könnte.“ Es gibt vielfach Bemühungen, das Mediennutzungsverhalten der Gesellschaft typologisch darzustellen. Eine der bekanntesten ist die ARD-MEDIENNUTZERTYPOLOGIE, die ein detailliertes Bild der Nutzergruppen verschiedener Mediengruppen erstellt. Die Studie kennt im Bereich Web 2.0 nicht weniger als zehn unterschiedliche Nutzergruppen wie etwa „junge Wilde“, 95 96 97 98 99 Seefeldt J./Syré, L. (2007): Portale zu Vergangenheit und Zukunft, S. 29 Vgl.: Göschel, A. (2009): Bibliotheken im urbanen und sozialen Wandel, S. 435 Opaschowski, H.W. (2008b): Einführung in die Freizeitwissenschaft, S. 53 Burmeister, K./Neef, A./Schulz-Montag, B. (2002): Crossover society, S. 104 Naisbitt, John (2002): Das Gesetz der Gesellschaft. In: Bertelsmann-Stiftung [Hrsg.]: Was kommt nach der Informationsgesellschaft? Gütersloh, Verl. Bertelsmann-Stiftung, S. 243 f. 1 GESELLSCHAFTLICHE ENTWICKLUNGEN 33 100 „Unauffällige“ oder „Vielseitig Interessierte“. Solche Darstellungen machen es umso schwieriger, die Gruppe der Nutzer elektronischer Medien einzugrenzen und diese auf Bibliotheksnutzer anzupassen. Einen Ansatz bietet die OCLC Studie zur Nutzung und Akzeptanz von Bibliotheken, die in diesem Zusammenhang vom „Information Consumer“ spricht 101 und das Verhalten in Bezug auf elektronische Bibliotheksmedien beleuchtet. Die Zeitschrift Media-Perspektiven führt im Auftrag der öffentlich-rechtlichen Rundfunksender regelmäßig Untersuchungen zum Mediennutzungsverhalten durch. So sehen VAN EIMEREN und FREES in ihrem Beitrag vom Juli 2008 einen deutlichen Trend hin zum Internet als Unterhaltungsmedium, auch wenn Fernsehen und Radio die am stärksten genutzten All102 103 tagsmedien bleiben. Laut der aktuellen Studie hat das Internet weiter an Bedeutung gewonnen und nimmt durch eine die Gewohnheit der „Alles zu jeder Zeit“-Mentalität zu104 nehmend Einfluss auf das Angebot der Fernseh- und Radiosender. Geht es um rezipierte Inhalte des Internets, so werden vor allem Suchmaschinen, E-MailProgramme und freies Surfen genannt, weitere Punkte sind Homebanking, OnlineCommunities, Spiele oder Musikangebote. Entsprechend wird in der Festschrift zur Onlinestudie angemerkt, dass das Internet sich im Medienalltag etabliert hat: „Es dient mittlerweile als Kommunikations- und Informationsmedium, als Unterhal105 tungsplattform ebenso wie als Shopping-Center.“ 106 Die auch von EIMEREN und FREES aufgestellte These , dass sich Online-Medien verstärkt im Alltag der von OPASCHOWSKI als „UMTS-Generation“ bezeichneten Zielgruppe wieder finden, wird untermauert von der JIM-STUDIE des Jahres 2008. In dieser wurde durch Interviews mit Jugendlichen ermittelt, dass erstmals mehr Jugendliche einen eigenen Computer 107 mit Internetzugang besitzen als einen Fernseher. Auch besteht in dieser Zielgruppe die höchste Bereitschaft, sich über soziale Netzwerke und Online-Plattformen auszutauschen. 1.1.3.2 Netzwerke und mobile Endgeräte Um die Innovationspotentiale, die diese engagierte Kundengruppe mitbringt, aufzufangen, ziehen Unternehmen zunehmend die Möglichkeit in Betracht, Kunden an der Entwicklung von Dienstleistungen zu beteiligen. Auch Bibliotheken können dieses Wissen nutzen. BOLZ beschreibt dieses Potential: 100 101 102 103 104 105 106 107 Vgl.: Oehmichen, Ekkehardt/Schröter, Christian (2008): Medienübergreifende Nutzungsmuster: Strukturund Funktionsverschiebungen. In: Media Perspektiven 39, H. 7, S. 394 ff. Vgl.: OCLC (2005): Perceptions of Libraries and Information Resources. A Report to the OCLC Membership. Dublin, OH, OCLC, VIII ff. Vgl.: Eimeren, Birgit van/Frees, Beate (2008): Internetverbreitung: Größter Zuwachs bei Silver-Surfern. Ergebnisse der ARD/ZDF-Onlinestudie 2008. In: Media Perspektiven 39, H 7, S. 330 ff. Stand August 2009 Vgl.: Eimeren, Birgit van/Frees, Beate (2009): Der Internetnutzer 2009 – multimedial und total vernetzt? Ergebnisse der ARD/ZDF-Onlinestudie 2009. In: Media Perspektiven 40, H 7, S. 347 Projektgruppe ARD/ZDF-Multimedia (2007): Internet zwischen Hype, Ernüchterung und Aufbruch, S. 12 Vgl.: Eimeren, B.v./Frees, B. (2009): Der Internetnutzer 2009 – multimedial und total vernetzt? S. 347 Vgl.: Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest [Hrsg.] (2008): JIM-Studie 2008. Jugend, Information, (Multi-) Media. Stuttgart, Medienpädagogischen Forschungsverbund Südwest, S. 9 ff. 34 MIRIAM HÖLSCHER & CORINNA SEPKE „Nicht umsonst ist von ‚Prosumern’ die Rede, also Konsumenten, die Innovationsanstöße für die Produktion geben. Sie sehen, was technisch läuft und was nicht – und 108 haben dann Ideen, wie man es anders machen könnte.“ Doch nicht nur Bibliotheken haben den Wert gemeinschaftlicher Arbeit erkannt. Unter dem Stichwort „Web 2.0“ wird das Medium Internet zum sozialen Raum erweitert, der den Austausch über soziale Netzwerke wie Facebook oder das gemeinsame Arbeiten an OnlineLexika wie der Wikipedia ermöglicht. MUTIUS definiert Web 2.0 als „Internet zum Mitmachen“: „Jeder kann daran mitwirken. Die Akteure sind zugleich Konsumenten und Produzenten, Empfänger und Mitgestalter von Informationsangeboten, Teilnehmer an und Teilhaber von ökonomischen und gesellschaftlichen Prozessen. Sie nutzen in den virtuellen Communit[ie]s ein neues partizipatives Modell, das mehr und mehr auch in die realen Gemeinschaften Einzug hält und das – die Grenzen werden fließend – gleichzeitig ein Kommunikationsmodell, ein Geschäftsmodell und ein gesellschaftliches Modell ist: Sie arbeiten daran, ihr materielles ebenso wie ihr immaterielles Vermögen zu mehren. Und das immaterielle Vermögen (bestehend aus Informationen, Wissen, Ideen, Reputation, Vertrauensbeziehungen etc.) vermehrt sich in der Regel auf eigenartige und ganz andere Weise als das materielle. Man darf es nicht für sich behalten. Vielmehr sollte man es weggeben, in Beziehungen mit anderen verausgaben und mit anderen teilen; nur dann wächst es. […] Wir haben in der Regel sogar mehr davon, wenn wir unser Wissen in der Kommunikation mit anderen 109 teilen, denn wir lernen dazu.“ Aufgrund von Netzwerken, bei denen die Kunden an personalisierte Webseiten gewöhnt sind, beginnt auch die Medienindustrie durch entsprechende Angebote zu entwickeln, wie BURMEISTER, NEEF und SCHULZ-MONTAG zeigen: „Im Gegenzug setzt die Medienindustrie auf Individualisierung und Personalisierung. Da die zappenden und surfenden Ziel- und Kundengruppen bis auf die Größe einzelner Individuen zusammenschrumpfen und damit für das klassische Marketing kaum noch erreichbar sind, müssen intelligente Technologien den Mediennutzer in seinem Innersten packen, seinen Interessen, Gefühlen, Gewohnheiten und 110 Vorlieben.“ Solchen Vorlieben der technikverwöhnten Kunden kann heute auf vielfältige Weise entsprochen werden. Durch die Verbreitung von mobilen Endgeräten wie MultifunktionsHandys, die auch als digitale Assistenten den Alltag erleichtern, wird die Qualität und Struk111 tur des Medienangebotes verändert. Die ENQUETE-KOMMISSION bemerkt hierzu: „Ein wesentliches Merkmal der neuen Medien ist die Interaktivität, wobei die Einbeziehung der Nutzer von gering über mittel bis intensiv reichen und in einem drei108 109 110 111 Bolz, Norbert (2002): Blindflug ins 21.Jahrhundert. In: Bertelsmann-Stiftung [Hrsg.]: Was kommt nach der Informationsgesellschaft? Gütersloh, Verl. Bertelsmann-Stiftung, S. 217 Mutius, Bernhard von (2007): Kopf oder Zahl. Gewinnen oder verspielen wir unsere Zukunft? Stuttgart, Klett-Cotta, S. 117 f. Burmeister, K./Neef, A./Schulz-Montag, B. (2002): Crossover society, S. 100 Vgl.: Enquête-Kommission [Hrsg.] (1998): Deutschlands Weg in die Informationsgesellschaft, S. 19 1 GESELLSCHAFTLICHE ENTWICKLUNGEN 35 stufigen Modell mit den Begriffen der „Reaktion“, der „Beeinflussung“ und der „Ge112 staltung“ umschrieben werden kann.“ Vor allem die mobilen Endgeräte und Dienste (siehe Abbildung 9) werden verstärkt nachgefragt. KÖLMEL führt verschiedene Mehrwerte auf, die elektronische mobile Angebote ge113 genüber stationären Dienstleistungen haben. Sie reduzieren zum einen die zeitlichen und räumlichen Gebundenheiten. Trotzdem sind Multimedialität, Interaktions- und Personalisierungsmöglichkeiten gegeben. Abbildung 9: mobile Dienste 114 Nach OPASCHOWSKI ist die heutige „Freizeitwirklichkeit“ durch die Akzeptanz und Nutzung elektronischer Medien besonders in den Bereichen Aktivität, Mobilität und Betriebsamkeit 115 geprägt. Auch Bibliotheken sehen einen Einsatzbereich auf dem Gebiet der mobilen 112 113 114 115 Ebd. S. 19 Vgl.: Kölmel, Bernhard (2007): Perspektiven des Mobile Business. In: Baacke, Eugen/Scherer, Irene/Schröter, Welf: Electronic Mobility in der Wissensgesellschaft. Wege in die Virtualität. MössingenTalheim, Talheimer Verl., S. 65 Ebd. S. 51 Vgl.: Opaschowski, H.W. (2008b): Einführung in die Freizeitwissenschaft, S. 19 36 MIRIAM HÖLSCHER & CORINNA SEPKE Endgeräte: In Kanada fand im Juni 2009 die zweite Konferenz der Vereinigung „Mobile Libraries – Information on-the-move” statt: “This conference aims to explore and share work carried out in libraries around the world to deliver services and resources to users 'on the move,' via a growing plethora of mobile and hand-held devices. The conference will bring together researchers, technical developers, managers and library practitioners to exchange experi116 ence and expertise and generate ideas for future developments.” Zusätzlich zu den sozialen Netzwerken sind auch Kooperationsbildungen zwischen Unternehmen im digitalen Medienbereich notwendig. Bereits die ENQUETE-KOMMISSION beschreibt, dass sich die Technik der Zukunft vor allem auf folgende Aspekte stützen muss: 117 „Digitalisierung, Vernetzung und Konvergenz.“ Weiterhin heißt es: „Die technischen Innovationszyklen werden immer kürzer. Wer im internationalen Wettbewerb mithalten will, muss deshalb gewohnte Strukturen und Erfahrungen zur Disposition stellen und den Modernisierungsschub, der mit den neuen Technologien verbunden ist, zum Motor der eigenen Entwicklung machen. Zudem lassen sich die neuen Technologien nach herkömmlichen Gesichtspunkten nicht trennen. Trotz verschiedener Entwicklungslinien wirken sie letztlich alle zusammen. D.h. wer mit der einen Schlüsseltechnologie in den Markt will oder als Kooperationspartner auf internationaler Ebene interessant sein will, muss auch die übrigen mindestens 118 beherrschen.“ Auch MUTIUS sieht diese Entwicklung, jedoch sieht er eine noch tiefgreifendere Verbindung zwischen technischen und sozialen Entwicklungen: „Wann immer in jüngster Zeit über technologische Spitzenforschung gesprochen wurde, fielen Begriffe, die mit der Materie über die geforscht wurde, auf den ersten Blick wenig zu tun haben. Sie lauten: Kooperation, Verbund oder Vernetzung. […] Wir gehen offenbar durch eine Phase der gesellschaftlichen Entwicklung, in der technische Neuerungen mit sozialen Erneuerungen in besonderer Weise verschränkt sind. Das eine ist ohne das andere nicht zu haben. Wer technische Innova119 tionen entwickeln will, muss soziale Innovationen wollen.“ Bibliotheken können auf all diese Ressourcen zurückgreifen, um die Verbindung von technischen und sozialen Innovationen zu gewährleisten. Sie haben das geistige Potential, derartige Innovationen zu konzipieren und zu entwickeln. Welche besondere Rolle die Mobilität hierbei spielen kann, wird im Folgenden beschrieben. 116 117 118 119 M-Libraries (2009): The second international m-Libraries Conference. URL: http://m-libraries2009.ubc.ca/ (Zugriff: 22.08.2009) Enquête-Kommission [Hrsg.] (1998), S. 66 Ebd. S. 71 Mutius, B. (2007): Kopf oder Zahl, S. 130 f. 1 GESELLSCHAFTLICHE ENTWICKLUNGEN 37 1.2 Mobilität Durch die Möglichkeit, mit Hilfe verschiedener mobiler Medien Information zu rezipieren, sind Menschen zunehmend in der Lage, unabhängig von Zeit und Raum zu arbeiten. Nicht nur die lokale Mobilität im Sinne des Berufspendelns, sondern auch der globale Zusammenschluss von Arbeits- und Sozialnetzwerken sind Ausdruck dieser Erscheinungsweise. Das Pendeln zum Arbeitsplatz erweitert in diesem Zusammenhang die Anzahl der gesellschaftlichen Strukturen, in denen sich einzelne Personen bewegen können. Zweitwohnsitze in anderen Städten oder gar anderen Ländern üben unterschiedliche Einflüsse auf die gesellschaftlichen Eindrücke und somit auch auf das Verhalten der betreffenden Personen aus. Durch eine wachsende Zahl an Rentnern müssen die verbliebenen Arbeitskräfte vermehrten Anforderungen standhalten. So wird an die jüngere Generation mit einem zahlenmäßig geringeren Anteil an Fachkräften ein hoher Anspruch an Fachwissen und Verfügbarkeit gestellt. Um diesem gerecht zu werden, müssen sie eine hohe Mobilität aufweisen, die sich nicht nur räumlich abspielt. Auch das geistige Weiterdenken und die Offenheit für Innovation können nach GÜNTHER als Mobilität bezeichnet werden, die durch technische Entwick120 lungen erst möglich gemacht wurden. KÖHLER und WILLE schreiben hierzu: „Mobilität steht […] für eine moderne, fortschrittliche und lebensbejahende Gesell121 schaft.“ Durch die wirtschaftliche Arbeitsteilung, ausgeweitete Aktionsradien und den Transport von Gütern, Menschen und Information ist eine Beschleunigung erforderlich geworden, die sich auf einem nie da gewesenen Niveau befindet. In diesen engen Verschränkungen von 122 beruflichem und privatem Leben drohen die Grenzen zu verschwimmen. Auch CANZLER, KAUFMANN und KESSELRING stellen fest, dass die Mobilität sich zunehmend auf das Sozialwesen auswirken wird: „The modern society is more than ever a ‚society on the move’.” 123 124 TULLY zeichnet ein genaues Bild der derzeit herrschenden Mobilitätsmentalität. So spricht er von einem tiefgreifenden Wandel in der Mobilitätsentwicklung, die durch die zunehmende Netzwerkbildung und die technischen Möglichkeiten das Alltagsleben sowie dessen Inhalte und Ausprägungen verändern. Diese Möglichkeiten tragen dazu bei, dass Bewegungsräume mehr an Bedeutung gewinnen, gleichzeitig aber zusammenrücken. 120 121 122 123 124 Vgl.: Günther, J. (2002): Die neue Mobilität der Gesellschaft, S. 17; sowie: Zibell, Barbara (2007): Infrastruktur in einer mobilen Gesellschaft – was, wofür und für wen? In: Köhler, Stefan [Hrsg.]: Infrastruktur in einer mobilen Gesellschaft. Hannover, Verl. der Akademie für Raumforschung und Landesplanung, S. 93 Köhler, Stefan/Wille, Volker (2007): Infrastruktur in einer mobilen Gesellschaft – Einführung in das Thema. In: Köhler, Stefan [Hrsg.]: Infrastruktur in einer mobilen Gesellschaft. Hannover, Verl. der Akademie für Raumforschung und Landesplanung, S. 1 Vgl. Günther, J. (2002): Die neue Mobilität der Gesellschaft, S. 19; sowie: Zibell, B. (2007): Infrastruktur in einer mobilen Gesellschaft – was, wofür und für wen? S. 92 Canzler, Weert/Kaufmann, Vincent/Kesselring, Sven: Tracing Mobilities (2008): Towards a cosmopolitan perspective. Aldershot, Ashgate, S.1 Vgl.: Tully, Claus J. (2007): Leben in mobilen Welten. In: Aus Politik und Zeitgeschichte, H. 29-30, S. 33 ff. URL: http://www.bpb.de/publikationen/XRQDZV,0,Leben_in_mobilen_Welten.html (Zugriff: 22.08.2009) 38 MIRIAM HÖLSCHER & CORINNA SEPKE Das BUNDESMINISTERIUM FÜR VERKEHR, BAU UND STADTENTWICKLUNG führt unter dem Namen KONTIV regelmäßig Umfragen zur Mobilität der Deutschen durch. Die neuesten Ergebnisse stammen aus dem Jahr 2002. Derzeit läuft eine weitere Umfrage für die Jahre 2008 und 125 126 2009. Hierzu ist momentan der dritte Zwischenbericht einsehbar . Der Erhebung 2002 zufolge legte ein erwachsener Bundesbürger am Tag durchschnittlich eine Entfernung von 40 Kilometern zurück bzw. war 74 Minuten lang unterwegs. Für das Jahr 2009 wird in diesem Bereich ein leichter Anstieg prognostiziert. TULLY vergleicht diese Zahlen mit den Werten aus den 1970er Jahren. Besonders signifikant ist, dass sich der Anteil an Fußwegen halbiert hat, während sich die insgesamt zurückgelegte Entfernung verdoppelt hat. Zusätzlich zeigt er Unterschiede zwischen den soziokulturellen Gruppen auf. Je höher sein Einkommen ist, desto mobiler ist der Untersuchung zufolge der Mensch. Auch innerhalb der Altersklassen sind Unterschiede erkennbar. Am häufigsten sind Jugendliche unterwegs, während mit zunehmendem Alter die Mobilität abnimmt. Unter der Woche wird vornehmlich der Weg zur Arbeit bewältigt, am Wochenende werden jedoch mehr Freizeitwege beschritten. Allerdings sind kaum zeitliche Unterschiede zwischen den Werktagen und dem Wochenende auszumachen. Die Prognose für 2009 sieht für das Wochenende sogar einen leichten Anstieg vor. In Bezug auf den historischen Wandel sieht TULLY heute vor allem Mobilitätsstrukturen innerhalb der sozialen Gruppen, die verschiede Mobilitätsstile praktizieren sowie sich innerhalb verschiedener sozio-kultureller Gruppen bewegen (siehe Abbildung 10). Dies bedeutet eine zusätzliche Dimension der gesellschaftlichen Mobilität, die sich zwischen einzelnen Lebensstilgruppen abspielt. Zur Erforschung der Mobilität innerhalb sozialer Gefüge existieren 127 zahlreiche Ansätze . Diese werden in der vorliegenden Masterarbeit jedoch aufgrund mangelnder Relevanz nicht behandelt. 125 126 127 Stand Juli 2009 Vgl.: Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung [Hrsg.] (2008): Infas Dritter Zwischenbericht Mobilität in Deutschland (Dezember 2008). URL: http://www.mobilitaet-in-deutschland.de/ 02_MiD2008/publikationen.htm (Zugriff: 22.08.2009) Vgl.: Geißler, R. (2006): Die Sozialstruktur Deutschlands, S. 255 ff. 1 GESELLSCHAFTLICHE ENTWICKLUNGEN 39 128 Abbildung 10: Mobilitätsentwicklung von der Vor-Mobilitätsgesellschaft bis heute In der Vor-Mobilitätsgesellschaft, vornehmlich während des 18. Jahrhunderts, galt das Reisen noch als gefährlich. In der Industriegesellschaft der 1960er Jahre dagegen wandelte sich die Mobilität zum Inbegriff von Freiheit und Selbstbestimmung. Damit wuchs bis zur heutigen Zeit der Anspruch, zunächst die Arbeitswege und später auch Urlaubs- und Freizeitfahrten verkehrstechnisch zu bewältigen. Seither wird zunehmend vom eigenen Auto Gebrauch gemacht. Dies ist vor allem darauf zurückzuführen, dass ein eigenes Auto flexibler eingesetzt werden kann, feste Arbeitszeiten seltener werden, weite Anfahrtswege teilweise als selbstverständlich angesehen werden und das Auto auch für die Urlaubsfahrt gebraucht wird. Diese Argumente sprechen für die eigene Mobilität, um dem persönlichen Rhythmus folgen zu können. Wie in der Tabelle (siehe Abbildung 10) ersichtlich, sind die räumlichen Grenzen heute nahezu aufgehoben. So kommt TULLY zu dem Schluss: „Alles wird flexibilisiert: Bildung, Arbeit und Nichtarbeit, Partnerschaft, Familie werden zu multilokalen Erscheinungen. […] Mobilsein ist zum Imperativ, ja zum wahrnehmbaren Wirtschaftsfaktor geworden, da ‚Flexibelsein’ unabdingbar geworden ist. Alle müssen sich zur Arbeit bewegen, der Arbeit nachwandern. Paradoxerweise werden gerade in Zeiten von Telearbeit und E-Banking viele Wege länger. Der zeitgemäße Imperativ ‚Sei mobil!’ spiegelt stumm und hintergründig den allseits prä129 senten ‚Zwang zur Mobilität’.“ Darauf aufbauend stellt TULLY mehrere Folgen der Mobilität heraus. Durch die Tatsache, dass Menschen sich mehreren Gesellschaftswelten zugehörig fühlen, wird eine Flexibilität geschaffen, die kaum Abgrenzungen bietet. Diesem Mangel an klaren Verhältnissen muss 128 129 Tully, Claus J. (2007): Leben in mobilen Welten. URL: http://www.bpb.de/publikationen/ XRQDZV,2,0,Leben_in_mobilen_Welten.html#art2 (Zugriff: 22.08.2009), S. 34 Ebd. S. 33 ff. 40 MIRIAM HÖLSCHER & CORINNA SEPKE durch eine zunehmende Individualisierung begegnet werden, in der der einzelne Mensch fähig ist, entsprechende Entscheidungen zu treffen und Grenzen im Gespräch und bei Vereinbarungen mit anderen zu ziehen. Laut TULLY wird langfristig alles mobil werden: der Konsum, die Arbeit, die Musik, die Daten und die Menschen, die diese transportieren. Mittels technischer Geräte wie dem iPod, Notebook oder E-Book-Reader kann ortsunabhängig rezipiert werden. Das mobile Internet ermöglicht es, von jedem Platz aus zu arbeiten. So wird das Notebook zum mobilen Büro. Telefonzellen verschwinden dank Handy und Smartphone. Auch die Zeit, in der die Menschen unterwegs sind, wird genutzt. Dies zeigt sich bei den öffentlichen Nahverkehrsmitteln mit der entsprechenden technischen Ausrüstung – beispielsweise anhand der Internet-Hotspots am Bahnhof oder im Zug – ebenso wie beim obligatorischen „coffee-to-go“. Dies hebt das lang hergebrachte Verständnis von stationärer Arbeit, Information oder Konsum auf. Die Akzeptanz dazu findet in den Köpfen der Menschen statt. So ist es TULLYS Meinung nach nicht verwunderlich, dass vor allem die junge Generation eher bereit ist, den derzeitigen Wohnsitz aufzugeben, um ihre Karriere voranzubringen, da ihrem Verständnis nach Zeit und Raum wandelbare Größen sind. Auch längere Pendelwege werden akzeptiert, wenn dadurch der bisherige Wohnort erhalten 130 bleibt. Mobilität gilt als "Gegenbegriff zu Starre und Leblosigkeit" . Es existieren mehrere Versuche in der Fachliteratur, Mobilitätsformen zu typologisieren. URRY macht im Alltagsleben fünf verschiedene Mobilitätsformen aus: zum einen das eigentliche menschliche Reisen, das verschiedenen Zwecken dienen kann (bspw.: Arbeit, Urlaub, Freizeit oder Vergnügen) und verschiedene Zeitspannen umfasst, weiterhin gibt es die Mo131 bilität der Güter, die zu Konsumenten und Händlern unterwegs sind. Als Mobilität bezeichnet er auch mediale Orts- und Zeitreisen sowie die Mobilität, die sich im virtuellen Raum über Ortsbeschränkungen und soziale Grenzen hinwegsetzt. Schließlich zählen ebenfalls sämtliche mobilen Kommunikationswege (bspw.: E-Mail, Briefe, Telefon, Messenger 132 etc.) für ihn dazu, die das Leben der Menschen erheblich beeinflussen. KÜBLER sieht die Mobilität zudem als einen wichtigen Bestandteil des modernen Wirtschaftssystems und der gegenwärtigen Informationsgesellschaft an. Hierunter versteht er die weltweite Bildung von Allianzen im Bereich der Politik und Wirtschaft, welche erst durch die 133 digitale Vernetzung und Mobilität gewährleistet werden können. Dabei können zwei Mobilitätskonzepte ausgemacht werden, die ineinander übergehen und 134 sich ergänzen. 130 131 132 133 134 Tully, C.J. (2007): Leben in mobilen Welten, S. 33 ff. Vgl.: Urry, J. (2008): Moving on the mobility turn. In: Kaufmann, Vincent/Kesselring, Sven: Tracing Mobilities. Towards a cosmopolitan perspective. Aldershot, Ashgate, S. 14 Vgl. ebd. S. 22 Vgl.: Kübler, H.-D. (2005): Mythos Wissensgesellschaft, S. 160 Vgl. Köhler, S./Wille, V. (2007): Infrastruktur in einer mobilen Gesellschaft – Einführung in das Thema, S. 1 1 GESELLSCHAFTLICHE ENTWICKLUNGEN 41 1.2.1 Nicht-Personale Mobilität Zum einen wird von der nicht-personalen Mobilität gesprochen, in der ausschließlich die 135 Arbeitsinhalte mobil sind und unabhängig vom Bearbeiter behandelt werden . Dies ist vor allem in virtuellen Lern- und Arbeitswelten unter Zuhilfenahme von technischen Hilfsmitteln der Fall, in denen die Zeit eine wichtigere Rolle einnimmt, als der Ort, der unabhängig ge136 worden ist. Weitere Schlagworte aus diesem Bereich sind Digitalisierung und Soziale 137 Netzwerke sowie Heim- und Telearbeit. 1.2.2 Personale Mobilität Mit personaler Mobilität ist gemeint, dass ein mobiler Mensch unterwegs arbeitet. Auch diese Form der Mobilität kann in mehrfacher Hinsicht differenziert werden, wie GÜNTHER 138 darlegt: Für ihn ist personale Mobilität unter anderem die Möglichkeit, einzelne Mitarbeiter, die sich etwa im Außendienst befinden, durch mobile Kommunikation jederzeit kontaktieren zu können. Schließlich sind auch solche „Arbeitsnomaden“, die kein festes Büro haben und ohne zentralen Platz arbeiten, personell mobil. KESSELRING sieht zunehmende Verbindung zwischen sozialer und geographischer Mobili139 tät. Obwohl die Möglichkeit zur ortsunabhängigen Kommunikation gegeben ist, kann diese die Arbeitsabläufe nicht komplett virtuell werden lassen, da nach wie vor Aufgaben auch bei realen Treffen diskutiert werden müssen. Diese Verbindungen führen seiner Meinung nach zur Stärkung sozialer Interaktion. „People realize projects and complex joint undertakings over distances and cultural differences without being corporeally on the move. New forms of transnational social integration and relations arise which are not based on physical contact and copresence. They rely on communication networks and telepresence and they are 140 new phenomena of global connectivity, sociality and immediacy.” Vor allem in internationalen Zusammenhängen wird sich nach SCHNEIDER und LIMMER das Potential der Mobilität voll entfalten können. Sie sprechen von räumlichen Unterschieden, die sich zum einen in wiederkehrender oder nicht wiederkehrender Mobilität widerspiegeln 141 können. „The increasing economic and political interconnectivity of regions, states and continents, which today is commonly entitled globalisation, leads to the mobilisation of an increasingly large number of individuals. […] First, mobilisation means the in135 136 137 138 139 140 141 Vgl.: Schröter, Welf (2007): Electronic Mobility – Wenn die Arbeit losgelöst vom Menschen mobil wird. Auf dem Weg zum „New Blended Working“. In: Baacke, Eugen/Scherer, Irene/Schröter, Welf: Electronic Mobility in der Wissensgesellschaft. Wege in die Virtualität. Mössingen-Talheim, Talheimer Verl. S. 23 Vgl.: Günther, J. (2002): Die neue Mobilität der Gesellschaft, S. 126 Vgl. ebd. S. 31 Vgl. ebd. S. 58 Vgl.: Kesselring, S. (2008): The mobile risk society, S. 83 Ebd. S. 83 Vgl.: Schneider, Norbert F./Limmer, Ruth (2008): Job mobility and living arrangements. In: Kaufmann, Vincent/Kesselring, Sven: Tracing Mobilities. Towards a cosmopolitan perspective. Aldershot, Ashgate, S. 119 42 MIRIAM HÖLSCHER & CORINNA SEPKE creasing spatial mobility of the population. Spatial mobility can be non-recurring (in the cases of moving or migration) or recurring, for example in the case of daily long-distance commuters. […] While mobility continues to valued more highly, immobility increasingly bears negative connotations, such as inflexibly, a non142 modern attitude and disengagement in one’s career.” Die Arbeitsmarktveränderungen wirken sich SCHNEIDER und LIMMER zufolge nicht nur auf die wirtschaftlichen, sondern ebenso auf die sich wandelnden Familienstrukturen aus. Da sich soziale und wirtschaftliche Beziehungen an beliebigen Orten und zu beliebigen Zeiten entwickeln können, verfügen sie auch immer seltener über einen festen Familienreferenz143 punkt. Zu diesem Zweck haben SCHNEIDER und LIMMER eine Untersuchung durchgeführt, die nachweist, dass Arbeitsmobilität einen direkten Einfluss auf sämtliche Bereiche des Alltags144 lebens hat. Hierzu wurden Personen und ihre Lebenspartner befragt, die mobil sind, um ihre Arbeitsaufgaben zu erfüllen. Dabei wurden folgende Kategorien ausgemacht: die „Movers“, die (regelmäßig) für einen besseren Arbeitsplatz umziehen und dabei die gesamte Familie mitnehmen, die Tages- und die Wochen-Pendler, die jeweils am Abend oder am Wochenende zur Familie oder dem Partner zurückkehren, die „Vario-Mobiles“, die an wechselnden Orten arbeiten und deren Aufenthaltszeit an den jeweiligen Arbeitsorten sowie dem Wohnort stets unterschiedlich ist sowie Menschen, die in Fernbeziehungen leben. Jedoch untersuchten SCHNEIDER und LIMMER auch die Gruppe der „Nicht-Mobilen“. Diese setzen sich aus den „Stayers“, die bisher noch keinen Mobilitätsansprüchen gerecht werden mussten sowie den „Rejectors“ zusammen, die die Mobilität abgelehnt haben, um die Familienstruktur nicht durch eine der oben genannten Formen zu belasten. Weiterhin führt die Studie aus, dass die Mobilität eines Partners sehr belastende Auswirkun145 gen auf das Familienleben hat. So wird die Mobilität als negativ erachtet, wenn es um die gemeinsam verbrachte Zeit mit dem Partner, den Kindern und dem Bekannten- und Freundeskreis ging. Dies lässt sich darauf zurückführen, dass durch die erhöhte Notwendigkeit zur Mobilität diese gemeinsame Zeit erheblich reduziert wird. Kaum Änderungen bringt die Mobilität im Bereich des Einkommens mit sich. Nur unter dem Aspekt der Karriere wird die Mobilität als positiv angesehen. Auch zukünftig wird die Mobilität eine entscheidende Rolle in der Gesellschaft spielen. So stellt das BUNDESMINISTERIUM FÜR VERKEHR, BAU UND STADTENTWICKLUNG 2002 in dem Positionspapier „Mobilitätsoffensive: Handlungsempfehlungen für die Mobilität der Zukunft“ fest, dass „die Gewährleistung der Mobilität zu einem immer entscheidenderen Faktor für die Stärke des Wirtschaftsstandorts Deutschlands“ werden und sich auf sämtliche Bereiche 146 der Menschen auswirken wird. Zusammen mit Projektpartnern wie der Lufthansa und der 142 143 144 145 146 Vgl.: Schneider, N.F./Limmer, R. (2008): Job mobility and living arrangements, S. 119 Vgl. ebd. S. 120 Vgl. ebd. S. 121 ff. Vgl. ebd. S. 131 Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung [Hrsg.] (o.J.): Mobilitätsoffensive. Handlungsempfehlungen für die Mobilität der Zukunft. URL: http://www.bmvbs.de/Anlage/original_915470/ Handlungs-empfehlungen-fuer-Mobilitaet-der-Zukunft.pdf (Zugriff: 22.08.2009), S. 2 1 GESELLSCHAFTLICHE ENTWICKLUNGEN 43 Deutschen Bahn wurde unter dem Namen „Zukunft der Mobilität: Szenarien für das Jahr 147 2020“ eine Studie zur möglichen Entwicklung der Mobilität durchgeführt. Die Mobilität ist in aller Munde: zahlreiche Diskussionen und Fortbildungen finden zur Zu148 149 kunft der Mobilität statt, wie etwa beim DEUTSCHLANDFUNK , der KÖRBER-STIFTUNG und 150 der Sommeruniversität des BAYERISCH-FRANZÖSISCHEN HOCHSCHULZENTRUMS . Die DEUTSCHE 151 INDUSTRIE- UND HANDELSKAMMER hat das Jahr 2009 zum „Jahr der Mobilität“ erklärt, da geeignete Lösungen gefunden werden müssen, um der Mobilität in Zukunft angemessen begegnen zu können. Bibliotheken haben diesen Trend längst erkannt und kommen ihren Kunden mit Angeboten wie Fahrbüchereien, Bibliotheksfilialen in U-Bahnstationen und Lieferservices entge152 gen. 1.3 Diskussion von Gesellschaftsformen Dennoch stellt sich im Hinblick auf die Mobilität nach wie vor die Frage, mit welchem Begriff diese veränderte Gesellschaftsform auf angemessene Weise bezeichnet werden kann. Nachdem, wie dargelegt, Landesgrenzen und abgeschlossene Räume nicht mehr als Ausschlusskriterium dienen können, lässt sich die Frage nach der Gesellschaftsform mit geographischen Namen kaum noch beantworten. BOLZ stellt zusätzlich fest, dass die Gesellschaft durch die Kommunikation immer weniger auf die verkehrstechnische Infrastruktur 153 angewiesen ist. Die Eingangsfrage des Kapitels 1 „In was für einer Gesellschaft leben wir eigentlich?“, bei der MINX, PREISSLER und JÄHRISCH ins Straucheln gerieten, versucht PONGS mittels eines Interviewbandes mit namhaften Soziologen zu beantworten. Er selbst kommt zu dem Schluss: 147 148 149 150 151 152 153 Vgl.: Hell, Walter (2003): Zukunft der Mobilität: Szenarien für das Jahr 2020. URL: http://www.ifmo.de/basif/pdf/publikationen/2002/Zukunft_der_Mobilitaet_Szenarien_2020.pdf (Zugriff: 22.08.2009) Vgl.: Deutschlandfunk [Hrsg.] (2008): Zukunft der Mobilität – Mobilität der Zukunft. Sendung vom 08.11.2008. URL: http://www.dradio.de/dlf/sendungen/studiozeit-ks/870746/ (Zugriff: 22.08.2009) Vgl.: Körber-Stiftung [Hrsg.] (2009): Leben 2034. Die Zukunft der Mobilität. Podiumsdiskussion vom 27.05.2009. URL: http://www.koerber-stiftung.de/nc/koerberforum/programm/reihen/termine/ termine-details/termin/leben-2034-die-zukunft-der-mobilitaet.html (Zugriff: 22.08.2009) Vgl.: Bayerisch-Französisches Hochschulzentrum (BFHZ) (2009): Sommeruniversität für Nachwuchswissenschaftler "Zukunft der Mobilität". URL: http://www.kooperation-international.de/countries/themes/info/ detail/data/39404/?PHPSESSID=c33269fafb89cb7622d0c5cb8c6a7&cHash=8543231250 (Zugriff: 03.07.2009) Vgl.: Deutscher Industrie- und Handelskammertag e.V. [Hrsg.] (2009): IHK-Jahresthema. 2009: Mobilität ist Zukunft. URL: http://www.dihk.de/inhalt/informationen/news/schwerpunkte/mobilitaet/index.main.html (Zugriff: 22.08.2009) Siehe Kapitel 3 Vgl.: Bolz, N. (2002): Blindflug ins 21.Jahrhundert, S. 202 44 MIRIAM HÖLSCHER & CORINNA SEPKE „Wir leben in einer Gesellschaft, die ihre nationale Verankerung löst und sich in eine strukturell und organisatorisch ungewisse Zukunft begibt. […] Wir leben in einer 154 Gesellschaft ohne geschlossene Räume.“ Die Motivation, diesen Band herauszugeben, ist aus seiner Sicht das: „… inflationäre Aufkommen von Gesellschaftsbeschreibungen. […] Vorweg sei schon einmal betont: Auf die Ausgangsfrage gibt es keine eindeutige Antwort. Ein einheitlicher Blick ist nicht möglich, da sich unzählige Argusaugen auf die Gesell155 schaft richten.“ Die Fülle an Definitionen ist seiner Meinung nach dem Umstand zu verdanken, dass derzeit in der Gesellschaft eine so große Zahl an Umbrüchen stattfinden: „Die Gesellschaft ist in Bewegung. Wir sind Zeugen eines tief greifenden Strukturwandels. […] Die Neuerungen in der Informations- und Kommunikationstechnologie, die Verbreitung verschiedenster Massenmedien, die Zunahme der Mobilität, die Liberalisierung und Beschleunigung des globalen Austauschs von Waren, Dienstleis156 tungen und Kapital haben nachhaltige Transformationen in Gang gesetzt […]“. Nicht nur PONGS, auch KÜBLER macht eine Vielzahl von Gesellschaftsbegriffen aus. So spricht er unter anderem von den Formen der Dienstleistungsgesellschaft, Wissensgesellschaft, 157 Mediengesellschaft und Servicegesellschaft. SCHULZE definiert den Begriff der Erlebnisgesellschaft als „eine Gesellschaft, die (im historischen und interkulturellen Vergleich) relativ stark durch innenorientierte Lebensauffassun158 gen geprägt ist.“ CASTELLS erachtet den Begriff der „Mobile Network Society“ für den treffenden, da das Kommunikationsverhalten der Gesellschaft, vor allem von der jungen Gene159 ration, zunehmend von mobiler Technologie bestimmt wird. BECK sieht aus der Industriegesellschaft eine „Risikogesellschaft“ hervorgehen, deren Mitglieder die Nachwirkungen weltweiter durch Industrie und Politik hervorgerufener Probleme gemeinsam tragen müs160 sen. GROSS spricht von einer „Multioptionsgesellschaft“, in der jede Person aufgrund des großen Angebotes an Waren und Dienstleistungen täglich mit vielen Auswahlmöglichkei161 ten konfrontiert wird und zwangsläufig auswählen muss. 154 155 156 157 158 159 160 161 Pongs, Armin (2004): In was für einer Gesellschaft leben wir eigentlich? Individuum und Gesellschaft in Zeiten der Globalisierung. Bd. 1. 2. Aufl. München, Dilemma-Verl. S. 380 Pongs, A. (2004): In was für einer Gesellschaft leben wir eigentlich? S. 26 Ebd. S. 25 Vgl.: Kübler, Hans-Dieter (2005): Mythos Wissensgesellschaft, S. 21 ff. Schulze, Gerhard (2000): Die Erlebnisgesellschaft. Kultursoziologie der Gegenwart. 8. Aufl. Frankfurt am Main, Campus, S. 54 Vgl.: Castells, Manuel [et al.] (2007): Mobile Communication and Society. A Global Perspective. Cambridge, MA, MIT Press, S. 246 ff. Vgl.: Beck, Ulrich (1986): Risikogesellschaft. Auf dem Weg in eine andere Moderne. Frankfurt am Main, Suhrkamp, S. 26; sowie: Beck, Ulrich (2004): Die Risikogesellschaft. In: Pongs, Armin: In was für einer Gesellschaft leben wir eigentlich? Individuum und Gesellschaft in Zeiten der Globalisierung. Bd. 1. 2. Aufl. München, Dilemma-Verl. S. 44 ff. Vgl.: Gross, Peter (2004): Die Multioptionsgesellschaft. In: Pongs, Armin: In was für einer Gesellschaft leben wir eigentlich? Individuum und Gesellschaft in Zeiten der Globalisierung. Bd. 1. 2. Aufl. München, Dilemma-Verl. S. 152 ff. 1 GESELLSCHAFTLICHE ENTWICKLUNGEN 45 Alle diese Begrifflichkeiten zeigen, dass selbst Sozialwissenschaftler in der Fachdebatte zu keinem geeigneten Konsens kommen. Zu viele Aspekte sind derzeit nach MINX, PREISSLER und JÄHRISCH bei einer Wortschöpfung zu beachten, welche die derzeitige Gesellschaftsform 162 treffend beschreiben soll. Ihrer Meinung nach müssen aus der technischen Sicht sämtliche Informations- und Kommunikationstechnologien und Entwicklungen neuer Medien berücksichtigt werden. Weiterhin müssen sich aus der sozialen Perspektive die entsprechenden Rahmenbedingungen der Nutzung dieser Technologien in diesem Begriff widerspiegeln. Zusätzlich muss der Gesellschaftsbegriff der Alltagsgestaltung gerecht werden. Aus diesem Grund plädieren sie dafür, den Begriff offen zu lassen. RUST hält dagegen, dass der künftige Terminus „Ideengesellschaft“ lauten muss, da zuneh163 mend kreative Ideen als Arbeitsleistung oder Ware angesehen werden. Dies ist in der aktuellen „informationstechnologiebasierte[n] Wissensdienstleistergesellschaft mit industriel164 lem Kern“ nicht der Fall. SCHMIEDE zeigt auf, dass der häufig verbreitete Begriff der „Informationsgesellschaft“ zunehmend von dem Begriff der „Wissensgesellschaft“ abgelöst 165 wird . STEHR vertritt die Auffassung, dass das Wissen bereits in der Vergangenheit eine wichtige Rolle bei der gesellschaftlichen Entwicklung gespielt hat, aber erst heute seine vol166 le Wirkung entfaltet. „Wenn Wissen in steigendem Maße nicht nur als konstitutives Merkmal für die moderne Ökonomie und deren Produktionsprozesse und -beziehungen, sondern insgesamt zum Organisationsprinzip und zur Problemquelle der modernen Gesellschaft wird, ist es angebracht, diese Lebensform als Wissensgesellschaft zu bezeich167 nen.“ Den Begriff des „Wissens“ greift auch KÜBLER auf. Meist werden in den von ihm geprüften Quellen gesellschaftliche Formen mit den Begriffen „Informations-“ und/oder „Wissensgesellschaft“ bezeichnet, sofern sie im nationalen Kontext angewendet werden. Im internationalen Zusammenhang wird dagegen das Stichwort „Globalisierung“ benutzt. Seiner Meinung nach sind diese Begriffe jedoch nicht ausreichend geprüft, sondern werden als bereits 168 abgesichert hingenommen. Er selbst kommt zu dem Schluss, dass mit diesen Begriffen die zunehmende Auflösung geografischer Grenzen, verstärkter Mobilität und einer weltwei169 ten Vernetzung gemeint ist. BURMEISTER, NEEF und SCHULZ-MONTAG sehen die „Informationsgesellschaft“ als eine „hochtechnisierte und reibungslos funktionierende Welt, in der mobile, gebildete und wohlsituierte Menschen dank intelligenter Vernetzung entspannt das Ange162 163 164 165 166 167 168 169 Vgl.: Minx, E./Preissler, H./Järisch, B. (2002): Wie sieht ein Elefant aus? S. 22 ff. Vgl.: Rust, Holger (2002): Am ehesten Ideengesellschaft. In: Bertelsmann-Stiftung [Hrsg.]: Was kommt nach der Informationsgesellschaft? Gütersloh, Verl. Bertelsmann-Stiftung, S. 63 ff. Ebd. S. 66 Vgl.: Schmiede, Rudi (2004): Information, Wissen und Gesellschaft. In: Gamm, Gerhard/Hetzel, Andreas/Lilienthal, Markus [Hrsg.]: Die Gesellschaft im 21.Jahrhundert. Perspektiven auf Arbeit, Leben, Politik. Frankfurt am Main, Campus, S. 38 Vgl.: Stehr, Nico (2001): Moderne Wissensgesellschaften. In: Aus Politik und Zeitgeschichte H. 36, S. 11 Stehr, Nico (2001): Moderne Wissensgesellschaften, S. 10 Vgl.: Kübler, H.-D. (2005): Mythos Wissensgesellschaft, S. 7 Vgl. ebd. S. 160 46 MIRIAM HÖLSCHER & CORINNA SEPKE nehme mit dem Nützlichen verbinden können. Diese Informationsgesellschaft 170 macht wirklich Spaß: „information at your fingertips“ in der „always-on world“. Doch genau in dieser Definition sieht BOLZ das Problem, dass der Begriff der „Informations171 gesellschaft“ nicht die negative Seite der überall zugänglichen Information aufnimmt. Es mangelt den Menschen seiner Meinung nach an Urteils- und Orientierungsvermögen, um mit den überall zugänglichen Informationen kompetent umzugehen. Aus diesem Grund ist für ihn der Begriff der „Wissensgesellschaft“ treffender, da Information und Wissen nicht 172 gleichbedeutend sind, sondern aufeinander aufbauen. Um Informationen dem Kontext entsprechend auswerten und nutzen zu können, müssen das Wissen um die Kultur und entsprechende Bildung vorhanden sein. Somit ergibt sich das Wissen aus der Fähigkeit, Informationen durch eigenes Denken selbstständig zu verarbeiten. Daraus schließt BOLZ, dass Wissen menschengebunden ist, Informationen jedoch nicht, da sie in verschiedenen Formen auftreten können. Diese Erkenntnis birgt Anknüpfungspunkte für Bibliotheken. Sie verstehen sich als „Informationsmanager“ und geben „Hilfestellung in der Informationsflut“, wie im Strategiepapier 173 „Bibliothek 2007“ nachzulesen ist. TALBOTT berichtet dagegen von einer Situation, bei der sich eher das Gegenteil zeigt: „Als ich einmal vor mehreren hundert Bibliothekarinnen sprach, fragte ich, ob mir jemand sagen könne, was Information sei. Niemand hob die Hand. Auch spätere Nachfragen bei anderen Gruppen von Bibliothekarinnen zeigten kein Resultat. Das ist seltsam: Bibliothekarinnen sind „Informationsspezialistinnen“ und wir leben in einer Zeit, die Information als Essenz des Fortschritts, als Vermittlerin persönlicher und 174 gesellschaftlicher Erlösung vergöttert.“ Weiter führt TALBOTT aus, dass seiner Meinung nach Information „ein Kompromiss zwischen Information [im Sinne von technischen Abläufen, Anm. der Verfasserinnen] und Bedeutung [ist] – kein Wunder, dass alle Bibliothekarinnen mit dem Begriff nichts rechtes anzufangen wussten! Allerdings vermute ich, dass sie das Problem wesentlich besser im Griff haben als unsere Kultur im Allgemeinen. Schließlich müssen Bibliothekarinnen ständig die Wünsche von Kunden erfüllen, denen nicht an den technischen Vorzügen von Information gelegen ist, sondern an 175 sinnvollen Erkenntnissen.“ TALBOTT beschreibt hiermit genau die Aufgaben, die SCHMIEDE in der wachsenden Bedeutung von Wissenserschließung und Wissensvermittlung für die heutige Gesellschaft er- 170 171 172 173 174 175 Burmeister, K./Neef, A./Schulz-Montag, B. (2002): Crossover society, S. 96 Vgl.: Bolz, N. (2002): Blindflug ins 21.Jahrhundert, S. 198 Vgl. ebd. S. 206 Vgl.: Bertelsmann-Stiftung/Bundesvereinigung Deutscher Bibliotheksverbände e.V. [Hrsg.] (2004): Bibliothek 2007. Strategiekonzept. Gütersloh, Verl. Bertelsmann-Stiftung, S. 7 f. Talbott, Steve (2002): Information oder Bedeutung? In: Bertelsmann-Stiftung [Hrsg.]: Was kommt nach der Informationsgesellschaft? Gütersloh, Verl. Bertelsmann-Stiftung, S. 275 Talbott, S. (2002): Information oder Bedeutung? S. 279 1 GESELLSCHAFTLICHE ENTWICKLUNGEN 47 kennt: die Aufgabe der Bibliothek ist es, Zugang zu Informationen zu schaffen und den 176 Nutzern zu helfen, aus diesen Informationen selbstständig Wissen zu generieren. Obwohl sich der Begriff der Wissensgesellschaft in der fachlichen Diskussion zunehmend durchsetzt, sind die Verfasserinnen der Auffassung, dass im bibliothekarischen Kontext der Begriff der „Informationsgesellschaft“ zutrifft. Unter diesem Begriff wird von den Verfasserinnen eine Gesellschaft verstanden, die sich in einem ständigen Lernprozess befindet. Diese Lernprozesse werden durch moderne Kommunikationsmittel und -wege unterstützt. Kompetenzen werden durch kritische Reflexion der Inhalte und Austausch über soziale Netzwerke erworben, die auch in die virtuelle Welt hineinreichen können. Bibliotheken sind in der Lage, hierbei Hilfestellung zu geben, wie TALBOTT sowie das Strategiepapier „Bibliothek 2007“ treffend darlegen. Da das Wissen an den Menschen und sein intellektuelles Denkvermögen gebunden ist, kann die Bibliothek dem Menschen die Wissenserzeugung nicht abnehmen. Vielmehr leistet sie Hilfe zur Selbsthilfe, um wissensbezogene Zusammenhänge zu erkennen. Somit gibt die Bibliothek zu denken – ob physisch, virtuell oder mobil. Gerade für die moderne Informationsgesellschaft sind Bibliotheksangebote wichtig, welche Informationen zeitnah und mobil zur Verfügung stellen. In Kapitel 3 wird beschrieben, welche Typen mobiler Bibliotheken bereits existieren und welche Ziele sie verfolgen. Zunächst erfolgen jedoch eine Erläuterung und die Begründung der Auswahl der im Kontext dieser Arbeit verwendeten Forschungsmethoden. 176 Vgl.: Schmiede, R. (2004): Information, Wissen und Gesellschaft, S. 42 48 2 Forschungsmethodik Aufgrund der Komplexität des Themas wird auf mehrere Forschungsmethoden zurückgegriffen, die nachfolgend beschrieben werden. Während der gesellschaftliche Wandel und die Darstellung der Erscheinungsformen von Moving Libraries vornehmlich auf der Auswertung von Fachliteratur und Internetquellen beruhen, kann diese Methode bei der Entwicklung eines Zukunfts-Konzepts nur bedingt berücksichtigt werden. Da einer der Schwerpunkte der Arbeit darin liegt, Anforderungen an künftige Bibliotheken zu formulieren und aus diesen einen Konzeptvorschlag zu erstellen, werden zusätzliche Daten benötigt. Um diese zu erheben, kommen mehrere Techniken 177 178 infrage. So schlagen SCHNELL, HILL und ESSER sowie KROMREY Befragungen und Beobachtungen als mögliche Methoden zur Datenerhebung vor. Um Ideen für die Konzeption zu ermitteln und mögliche Anforderungen an künftige Moving Libraries zu sammeln, erscheint den Verfasserinnen eine Befragung von Personen aus Bildung, Forschung und Praxis am geeignetsten. Die Methode der strukturierten Befragung ist zudem besonders gut verwendbar, um Zukunftstrends zu ermitteln. Die Forschungsmethode „Befragung“ wird laut SCHNELL, HILL und ESSER angewendet, um „Fakten, Wissen, Meinungen, Einstellungen oder Bewertungen im sozialwissenschaftlichen 179 Anwendungsbereich festzustellen.“ Zusätzlich ist sie nach DIEKMANN dafür geeignet, 180 Überzeugungen, Verhalten und Merkmale von Sachverhalten zu erheben , weshalb sie die 181 am häufigsten verwendete wissenschaftliche Methode ist. Anhand der zahlreichen Abhandlungen des Themas in der Fachliteratur ist ersichtlich, dass 182 eine Befragung auf unterschiedliche Weise ausgeführt werden kann. SCHNELL, HILL und ESSER sowie ATTESLANDER formulieren zur Standardisierung von Befragungen die drei Möglichkeiten der wenig standardisierten, der teilstandardisierten oder der vollstandardisierten 183 Befragung. In der wenig standardisierten Befragung ist vorher kaum eine Struktur vorgegeben, um ein möglichst breites Spektrum an Antworten zu erhalten. Mit zunehmender Standardisierung werden vorstrukturierte Antwortmöglichkeiten eingeführt, die eine Vergleichbarkeit gewährleisten. Befragungen können schriftlich oder mündlich erfolgen. Als Besonderheit der mündlichen Form gilt das Telefoninterview, als schriftliche Sonderform gilt die Online-Umfrage. 177 178 179 180 181 182 183 Vgl.: Schnell, Rainer/Hill, Paul B./Esser, Elke (2005): Methoden der empirischen Sozialforschung. 7. Aufl. München, Oldenbourg, S. 319 Vgl: Kromrey, Helmut (2006): Empirische Sozialforschung. 11. Aufl. Stuttgart, Uni-Taschenbücher (UTB), S. 317 Schnell, R./Hill, P.B./Esser, E. (2005): Methoden der empirischen Sozialforschung, S. 321 Vgl.: Diekmann, Andreas (1995): Empirische Sozialforschung. Grundlagen, Methoden, Anwendungen. Reinbek bei Hamburg, Rowohlt, S. 435 Vgl. ebd. S. 471 Vgl.: Schnell, R./Hill, P.B./Esser, E. (2005): Methoden der empirischen Sozialforschung, S. 319; sowie Kromrey, H. (2006): Empirische Sozialforschung, S. 388 Vgl.: Schnell, R./Hill, P.B./Esser, E. (2005): Methoden der empirischen Sozialforschung, S. 322 f.; sowie Atteslander, Peter (2008): Methoden der empirischen Sozialforschung. 12. Aufl. Berlin, Schmidt, S. 123 2 FORSCHUNGSMETHODIK 49 Da im Rahmen dieser Arbeit mehrere Zielgruppen zu unterschiedlichen Fragen Stellung nehmen sollten, wurden mehrere Formen der Befragung vorbereitet und durchgeführt. Verwendet wurden die Formen des Experteninterviews, des strukturierten Kurzinterviews und der standardisierten Online-Befragung. 2.1 Experteninterviews Der Begriff Experteninterview wird von BORTZ und DÖRING als „Sammelbegriff für offene und teilstandardisierte Befragungen von Experten zu einem vorgegebenen Bereich oder 184 Thema“ definiert. SCHNELL, HILL UND ESSER ergänzen diese Erklärung noch um die Begriffe der Exploration und Hypothesenentwicklung, die ebenfalls durch Experteninterviews möglich sind. Sie sind somit geeignet, neue Themengebiete zu erforschen, zu denen bisher wenig wissenschaftliche Daten vorliegen. Zu diesem Zweck werden während des Interviews einige Schlüssel-Fragen gestellt, die je nach Gesprächsverlauf durch weitere optionale Fra185 gen ergänzt werden können. Als Nachteile können ein höherer Zeitaufwand bei der Aus186 wertung und eine geringe Vergleichbarkeit angeführt werden. Da im vorliegenden Fall Experten unterschiedlicher Fachgebiete befragt wurden, war keine Standardisierung der Antworten erforderlich. HOPF stellt die Interviews als einen Beitrag zur Ermittlung unter187 schiedlicher Gebiete des Expertenwissens dar. Als Experte wird hier entsprechend der Definition von GLÄSER und LAUDEL eine Person bezeichnet, „die aufgrund ihrer beruflichen Stel188 lung über besonderes Wissen verfügt.“ Im vorliegenden Fall wurde in den Interviews eine Mischung aus wenig und teilweise standardisierten Fragen verwendet. Einerseits sollte vermieden werden, von der Thematik abzuschweifen, andererseits sollte dennoch Raum für neue Ideen bleiben. Die befragten Experten werden im Folgenden namentlich aufgeführt. Felba, Branka Felba arbeitet für die Versandbuchhandlung Missing Link mit Sitz in Bremen. Ihr Unternehmen hat für eine Reederei mehrere Schiffsbibliotheken eingerichtet. Geis, Manuel Geis ist Architekt in Aachen. Im Sommer 2009 hat er gemeinsam mit einer Kollegin für den Entwurf einer Reisebibliothek den zweiten Preis beim ekz-Ideenwettbewerb „Bibliothekseinrichtung der Zukunft“ gewonnen. 184 185 186 187 188 Bortz, Jürgen/ Döring, Nicola (2006): Forschungsmethoden und Evaluation für Human- und Sozialwissenschaftler. 4.Aufl. Heidelberg, Springer, S. 315 Vgl. Schnell, R./Hill, P.B./Esser, E. (2005): Methoden der empirischen Sozialforschung, S. 387 Vgl. ebd. S. 388 Vgl.: Hopf, Christel (2004): Qualitative Interviews. Ein Überblick. In: Flick, Uwe/Kardorff, Ernst von/Steinke, Ines [Hrsg.]: Qualitative Forschung. Ein Handbuch. Reinbek bei Hamburg, Rowohlt, S. 350 Gläser, Jochen/Laudel, Grit (2006): Experteninterviews und qualitative Inhaltsanalyse. 2. Aufl. Wiesbaden, VS Verl. für Sozialwissenschaften, S. 11 50 MIRIAM HÖLSCHER & CORINNA SEPKE Götz, Prof. Dr. Martin Prof. Götz lehrt Bibliotheksbau und Bibliothekskonzepte sowie Kulturmarketing im Studiengang Bibliotheks- und Informationsmanagement an der Hochschule der Medien in Stuttgart. Mittrowann, Andreas Seit 2007 ist Mittrowann Bibliothekarischer Direktor der ekz.bibliotheksservice GmbH (ekz) in Reutlingen. Zudem ist er Mitglied in verschiedenen Hochschulbeiräten und ekz-internen Gremien, die unter anderem Trends im Bibliothekswesen beobachten. Motzko, Meinhard Motzko ist als Sozialwissenschaftler mit dem Praxisinstitut für Organisations- und Personalentwicklung bundesweit tätig. Aufgrund der häufigen Zusammenarbeit mit Bibliotheken ist er mit dem gesellschaftlichen Wandel in Bezug auf Bibliotheken vertraut. Ratzek, Prof. Dr. Wolfgang Die Lehrgebiete von Prof. Ratzek an der HdM Stuttgart sind Betriebswirtschaftslehre und Marketing. Dienstreisen führten ihn unter anderem zu Bibliotheken in Asien und Skandinavien. Schmitz, Prof. Dr. Roland Prof. Schmitz ist der Studiendekan des Bachelorstudienganges Mobile Medien, der ab dem Wintersemester 2009/10 an der HdM Stuttgart angeboten wird. Den Schwerpunkt dieses Studienganges bilden die Inhalte, Betriebsformen und technischen Aspekte künftiger mobiler Medien. Steinhauer, Dr. Eric Steinhauer ist Leiter des Dezernates Medienbearbeitung an der Universitätsbibliothek Hagen. Seine Bibliothek setzt sich mit besonderen mobilen Kunden auseinander, den „NichtAnwesenden“. 2.2 Kurzinterviews Zusätzlich zu den Experteninterviews wurde eine Reihe von Kurzinterviews durchgeführt, mit denen Assoziationen zum Thema der mobilen Bibliotheken sowie weitere Ideen für die Entwicklung einer Konzeption gesammelt werden sollten. Zu diesem Zweck wurden den Teilnehmern in Einzelinterviews mündlich oder per Mail zwei offene Fragen gestellt, um auch hier den explorativen Charakter der Befragung zu gewährleisten. 1.) Was assoziieren Sie / assoziierst Du mit mobilen Bibliotheken und haben Sie / hast Du selbst schon eine benutzt? 2.) Sie haben / Du hast drei Wünsche frei: Wie würde Ihre / Deine mobile Bibliothek der Zukunft aussehen? Befragt wurden 31 Personen, die mit dem Bibliothekswesen in Verbindung stehen. Diese setzten sich aus 16 Bachelor- und Masterstudenten und vier Dozenten bzw. wissenschaftlichen Mitarbeitern aus dem Bibliotheks- und Informationsbereich zusammen. Weitere zehn 2 FORSCHUNGSMETHODIK 51 Personen arbeiten in Leitungspositionen deutscher Bibliotheken. Ebenso wurden die Fragen aus den Kurzinterviews in die acht Experteninterviews integriert. Zwei verspätet eingegangene Antworten konnten nicht mehr berücksichtigt werden. Die Antworten gestalteten sich höchst unterschiedlich. Aufgrund der offenen Fragestellung und oftmals unterschiedlich formulierter Mehrfachnennungen mussten Kategorien für die Auswertung gebildet werden. Eine statistische Darstellung in Diagramm-Form war aufgrund der Varietät der Antworten nicht möglich. Im ersten Teil der Frage 1 wurden als Assoziationen überwiegend mögliche Formen und Gestaltungen mobiler Bibliotheken genannt. Einige wenige Angaben bezogen sich auf detailliertere Raum- und Bestandskonzepte, die meist jedoch nur auf Vermutungen basierten. Vereinzelt wurden mögliche Angebote im Hinblick auf Nachfrage und Nutzung der Bibliotheken genannt. Im zweiten Teil der Frage 1 gaben 18 Personen an, noch nie eine mobile Bibliothek genutzt zu haben, während neun Personen dies bereits getan hatten. Die zweite Frage nach den drei Wünschen eröffnete eine große Bandbreite an Möglichkeiten, wie eine mobile Bibliothek aussehen könnte. Besonders häufig wurden mögliche Dienstleistungen genannt, die die mobile Bibliothek anbieten soll. An zweiter Stelle wurden Wünsche zu Zugangsformen sowie technischer Erreichbarkeit und Ausstattung genannt. Als dritter Bereich wurden explizite Orte benannt, an denen sich die Bibliothek befinden und welche architektonischen Eigenschaften sie aufweisen soll. 2.3 Online-Befragung In der Arbeit sollen wissenschaftlich fundierte Befragungs-Ergebnisse zu zwei bereits bestehenden Formen der Moving Libraries in Deutschland ausgewertet und präsentiert werden. Zum einen betrifft dies die Verbreitung, den Einsatz und die Akzeptanz von Fahrbibliothe189 ken. Hierzu existiert bereits eine detaillierte Umfrage der Arbeitsgruppe Fahrbibliotheken, 190 deren Ergebnisse den Verfasserinnen zur Verfügung gestellt wurden. Zum anderen wurde eine eigene Online-Umfrage unter deutschen Reedereien entwickelt und durchgeführt, um die Situation der Schiffsbibliotheken in Erfahrung zu bringen. Zu den angeschriebenen Unternehmen gehörten fünf Großreedereien sowie zwei kleinere Familienunternehmen, drei Organisationen, die Kreuzfahrten auf Flüssen anbieten und eine Forschungsinstitution, die ein Schiff mit Bibliothek unterhält. Hierzu erhielten die Ansprechpartner der Marketingabteilungen oder Personen mit ähnlicher Funktion die Einladung, an der Umfrage teilzunehmen. Mit Hilfe der Umfrage sollte ein detaillierter Überblick über den Status quo von Bibliotheken auf Schiffen gewonnen werden. Die zentrale Thematik der Befragung setzte sich aus zwei Fragebereichen zusammen: 189 190 Siehe Kapitel 3.2.1.1 Vgl.: Freymann, Johannes von (2008): Auswertung Fragebogen „Fahrbibliotheken 2008“. URL: www.fahrbibliothek.de/downloads/auswertung_umfrage.pdf (Zugriff: 22.08.2009) 52 MIRIAM HÖLSCHER & CORINNA SEPKE 1.) Welche Bibliothekstypologie ist auf Schiffen vertreten? 2.) Wie werden diese genutzt? Erstellt wurde die aus drei Abschnitten bestehende Befragung auf Basis der Fachliteratur 191 zur Formulierung von Fragen. In allen Fragen wurden, sofern nicht anders angeben, standardisierte Antworten vorgeben, um die Vergleichbarkeit der Antworten zu gewährleisten. Dabei wurde vorwiegend mit Einfach- bzw. Mehrfachantworten gearbeitet. Teilweise wurde die Antwort-Option „Sonstiges“ eingefügt, die mit einem Freitextfeld für individuelle Angaben versehen war. Einige Fragen mussten mit Hilfe einer Skala beantwortet werden. Hier sollte auf fünf Stufen den vorgegebenen Aussagen zugestimmt werden. Die Mittelkategorie wurde bewusst indifferent formuliert, so dass sie nicht als Ausweg bei keiner Übereinstimmung mit den anderen Kategorien benutzt werden konnte. Stattdessen musste hierfür die Antwortmöglichkeit „keine Angabe“ genutzt werden. Als benutzerfreundliche Elemente wurden zusätzlich ein Willkommensbildschirm (siehe Abbildung 11) sowie ein Dank an die Teilnehmer am Schluss eingebaut. Mit Hilfe eines Balkens am oberen Bildschirmrand konnten die Teilnehmer ihren Fortschritt innerhalb der Online-Befragung nachverfolgen. Der Übersichtlichkeit und Klarheit wegen wurden sämtliche Instruktionen bei der entsprechenden Frage angegeben und auf Auswahlmöglichkeiten durch Drop-Down-Menüs verzichtet. 191 Vgl.: Dillman, Don/Smyth, Jolene D./Christian, Leah Melanie (2009): Internet, Mail, and mixed-mode Surveys. The Tailored Design Method. 3rd ed. Hoboken, NJ, Wiley, S. 15 ff.; sowie: Kirchhoff, Sabine [et.al.] (2003) : Der Fragebogen. Datenbasis, Konstruktion und Auswertung. 3. Aufl. Opladen, Leske + Budrich, S. 19 ff.; auch: Porst, Rolf (2008): Fragebogen. Ein Arbeitsbuch. Wiesbaden, VS Verl. für Sozialwissenschaften, S. 17 ff.; sowie Mummendey, Hans-Dieter (2003): Die Fragebogen-Methode. Grundlagen und Anwendungen in Persönlichkeits-, Einstellungs- und Selbstkonzeptforschung. 4. Aufl. Göttingen, Hogrefe, S. 53 ff. 2 FORSCHUNGSMETHODIK 53 Abbildung 11: Willkommensbildschirm der Online-Befragung Der erste Abschnitt der Online-Befragung beschäftigte sich unter der Überschrift „Administration“ mit der verwaltungstechnischen Eingliederung der Schiffbibliothek innerhalb des Unternehmens. Frage 1 „Ist auf Schiffen Ihrer Reederei eine oder mehrere Bibliothek(en) eingerichtet oder geplant?“ diente als Eisbrecherfrage, die durch die Antwortmöglichkeiten „ja“ bzw. „nein“ von allen Teilnehmern zu beantworten war. Mittels eines Filters wurden die Teilnehmer, die mit „nein“ antworteten, automatisch in den dritten Abschnitt „Zukunft“ weitergeleitet. Durch die Frage 2 „Auf welchem Schiffstyp befindet sich die Bibliothek?“ sollte in Erfahrung gebracht, auf welchen Schiffstyp die nachfolgenden Antworten bezogen werden müssen. Die Antworten zu den Fragen 3 „Wer ist innerhalb der Reederei für die Bibliothek zuständig?“ und 4 „Welche Ausbildung hat/haben der/die Bibliotheksbeschäftigte(n)?“ sollten ein Bild des Stellenwerts der Bibliothek innerhalb des Unternehmens liefern. Im zweiten Abschnitt der Befragung („Bibliothek“) wurde der Aufbau der Bibliothek auf dem Schiff näher beleuchtet. Die 5. Frage: „Welche Arten von Medien befinden sich in der Bibliothek?“ beschäftigte sich mit der medialen Verteilung des Bibliotheksbestandes, während Frage 6 „Nachfolgend bitten wir um Angaben zu inhaltlichen Schwerpunkten der Bibliothek.“ inhaltliche Zielgruppen- oder Profilbildung abfragte. Mit Hilfe der Fragen 7 „Nachfolgend möchten wir Sie um Informationen zur Zugänglichkeit der Bibliothek bitten.“ und 8 „Hier möchten wir die Zusammensetzung Ihrer Kundenstruktur erfahren.“ sollten Infor- 54 MIRIAM HÖLSCHER & CORINNA SEPKE mationen zur Nutzungsweise und Öffnungszeiten sowie der anvisierten Zielgruppe gewonnen werden. Das Ausleihwesen an Bord eines Schiffes sollte mit Frage 9 „Wie wird in Ihrer Schiffsbibliothek die Nutzung gehandhabt?“ in Erfahrung gebracht werden. Bibliotheksdienstleistungen, die über die Ausleihe hinausgehen, wurden in Frage 10 „Bietet die Bibliothek Veranstaltungen oder andere Dienstleistungen an?“ geklärt. Auch Kooperationen mit außenstehenden Institutionen wurden in Frage 11 „Arbeitet die Bibliothek mit anderen Bibliotheken oder außenstehenden Dienstleistern (z.B. Buchhandlungen) zusammen?“ ermittelt. Bei einer positiven Antwort wurde der Teilnehmer in einem Freitextfeld bei Frage 12 „Bitte beschreiben sie uns kurz diese Form(en) der Zusammenarbeit (in 2-3 Sätzen).“ um eine kurze Erläuterung gebeten. Der dritte und letzte Abschnitt „Zukunft“ beleuchtete die möglichen Erwartungen und näheren Planungen im Bereich der Schiffsbibliotheken. Die Unternehmen konnten mit Beantwortung der Frage 13 „Was für Zukunftsaussichten sehen Sie bei Schiffsbibliotheken (generell oder in der eigenen Reederei)?“ ihre diesbezüglichen Ansichten mitteilen. Den Abschluss der Befragung bildete ein Freitextfeld für Fragen und Anmerkungen. Trotz einer verschickten Erinnerungs-E-Mail war die Rücklaufquote sehr gering. Lediglich ein Unternehmen füllte den Fragebogen komplett aus. Somit kann das Ergebnis der OnlineBefragung nicht als repräsentativ angesehen werden. Aufgrund der Informationen, die dem Experteninterview mit FELBA zu Schiffsbibliotheken entstammen, wurde im Nachhinein vermutet, dass Reedereien Daten solcher Art nur sehr zögerlich oder kaum herausgeben. Daher wurde auf eine weitere Stichprobe und zweite Befragungsrunde mit neuen Reedereien aufgrund der Erwartung einer ähnlichen Antwortquote verzichtet. 55 3 Moving Libraries Wie bereits in der Einleitung erwähnt wurde, gibt es eine Vielzahl unterschiedlicher mobiler 192 Bibliothekskonzepte und -typen, die nachfolgend unter dem Begriff „Moving Libraries“ subsumiert werden. Mit diesem Terminus wird hier ein Bibliotheksbegriff zugrunde gelegt, der nicht nur sich fortbewegende Bibliotheken meint, sondern auch bibliothekarische 193 Dienstleistungen umfasst, die der zunehmenden Mobilität der Gesellschaft entgegenkommen und diese in besonderer Weise unterstützen und begleiten. 3.1 Begriffsklärung: Moving Library An den Anfang des Kapitels wird die Definition des Terminus „Moving Library“ gestellt, wie er von den Verfasserinnen verstanden wird. Da es sich um eine Wortneuschöpfung aus zwei Begriffen handelt, werden beide Bestandteile zuerst getrennt betrachtet. 3.1.1 Moving = Bewegung/Mobilität Im Kapitel 1.2 wurden bereits Auswirkungen der zunehmenden Mobilität der Gesellschaft auf die Informationsbeschaffung und -verarbeitung beleuchtet. Die Möglichkeit, mit Hilfe technischer Errungenschaften unabhängig von Zeit und Raum auf Informationen zugreifen und diese verarbeiten zu können, bietet auch Bibliotheksnutzern neue Freiheiten im Hinblick auf ihr Informationsverhalten. So können in virtuellen Lern- und Arbeitswelten unter Zuhilfenahme technischer Hilfsmittel, unabhängig von räumlichen und zeitlichen Gegebenheiten, an jedem Platz, der über eine entsprechende Ausstattung verfügt, Aufgaben 194 bearbeitet und Informationen beschafft werden. Darüber hinaus entwickelt sich jedoch auch die personale Mobilität der Gesellschaft immer weiter. Dies betrifft nicht nur das Reisen an sich (Dienstreisen, Urlaub, etc.) oder Menschen, die kein festes Büro haben und daher mobil arbeiten müssen (z.B. Mitarbeiter im Außendienst), sondern beispielsweise auch Menschen, die berufsbedingt zur Arbeit oder zum je195 weiligen Wohnsitz pendeln. 3.1.2 Library = Bibliothek Im Allgemeinen werden unter Bibliotheken geordnete Büchersammlungen verstanden, die 196 Bibliotheksnutzern zur Verfügung gestellt werden. Neben Büchern und anderen Print- 192 193 194 195 196 Wörtliche Übersetzung aus dem Engl.: „bewegliche/bewegende Bibliothek“ Siehe Kapitel 1.2 Ausführliche Informationen zur nicht-personalen Mobilität siehe Kapitel 1.2.1 Siehe Kapitel 1.2.2 Vgl.: Hacker, Rupert (2000): Bibliothekarisches Grundwissen. 7. Aufl. München, Saur, S. 11 56 MIRIAM HÖLSCHER & CORINNA SEPKE medien werden in Bibliotheken jedoch auch weitere Medienformen, wie beispielsweise au197 diovisuelle oder elektronische Medien gesammelt und nutzbar gemacht. Um dem verstärkten Konkurrenzdruck im Freizeit-, Bildungs- und Kultursektor entgegenzutreten, sollen Bibliotheken laut VOGT darüber hinaus vermehrt Dienstleistungen anbieten, 198 die den Kunden einen bibliotheksspezifischen Mehrwert verschaffen. Ein Beispiel für eine solche bibliothekarische Dienstleistung ist der Rechercheservice „Recherche à la carte“, den 199 die Stadtbücherei Stuttgart anbietet. Auch GANTERT und HACKER merken an, dass sich Bibliotheken: „[a]ngesichts des in unserer Zeit gewaltig gestiegenen Informationsbedarfs […] mehr denn je als Service-Einrichtungen [verstehen], die ihre Aufgaben in der Litera200 tur- und Informationsvermittlung im Dienst ihrer Benutzer erfüllen.“ Im Zentrum der vorliegenden Arbeit setzen sich die Verfasserinnen hauptsächlich mit Öffentlichen Bibliotheken auseinander, die sich in kommunaler Trägerschaft befinden. SEEFELD und SYRÉ stellen die Aufgaben und den Wert Öffentlicher Bibliotheken folgendermaßen dar: „Sie eröffnen […] dem Bürger einen Weg zur Teilnahme am kulturellen und sozialen Leben […]. Mit ihren Dienstleistungen und Medienangeboten erfüllt die Öffentliche Bibliothek einen zentralen Auftrag im Bildungswesen. Zugleich trägt sie wesentlich zur Verwirklichung der Chancengleichheit des Einzelnen bei. Neben der Information und Allgemeinbildung dienen die Öffentlichen Bibliotheken der beruflichen Aus-, Fort- und Weiterbildung sowie der sinnvollen Gestaltung der Freizeit und im ganz besonderen Maße der Leseförderung. In der Informationsgesellschaft immer wichtiger wird die Vermittlung von Medien- und Informationskompetenz. Darüber hinaus ist die Öffentliche Bibliothek zu einem Ort der Kommunikation geworden, zu einem Treffpunkt, der sich mehr und mehr auch zum kulturellen Zent201 rum für Veranstaltungen aller Art entwickelt hat.“ Die oben genannte allgemeine Definition kann also folgendermaßen erweitert werden: Bibliotheken sind Serviceeinrichtungen, in deren Mittelpunkt die Befriedigung des Literaturund Informationsbedarfs des Benutzers steht, wobei unerheblich ist, in welcher Form (gedruckt, digital, audiovisuell, etc.) die gewünschte Literatur und Information zur Verfügung gestellt wird. Darüber hinaus bietet die Bibliothek Dienstleistungen an, die ihren Benutzern einen bibliotheksspezifischen Mehrwert im Hinblick auf deren Informationsversorgung und/oder die Erhöhung ihrer Informations- und Medienkompetenz verschafft. Zugleich 197 198 199 200 201 Vgl.: Gantert, Klaus/Hacker, Rupert (2008): Bibliothekarisches Grundwissen. 8. Aufl. München, Saur, S. 13; auch: Plassmann, Engelbert (2006): Bibliotheken und Informationsgesellschaft in Deutschland. Eine Einführung. Wiesbaden, Harrassowitz, S. 9 Vgl.: Vogt, Hannelore (2004): Kundenzufriedenheit und Kundenbindung. Erfolgreiche Managementkonzepte für öffentliche Bibliotheken. Gütersloh, Bertelsmann-Stiftung. URL: http://www.bertelsmannstiftung.de/cps/rde/xbcr/SID-0A000F0A-DA4CBCD4/bst/Kundenzufriedenheit_040210.pdf (Zugriff: 22.08.2009), S. 14 Vgl.: Stadtbücherei Stuttgart (o.J.): Website der Stadtbücherei > Service > Rechercheservice. URL: http://www.stuttgart.de/stadtbuecherei/ (Zugriff: 22.08.2009) Gantert, K./Hacker, R. (2008): Bibliothekarisches Grundwissen, S. 14 f. Seefeldt, J./Syré, L. (2007): Portale zu Vergangenheit und Zukunft, S. 53 3 MOVING LIBRARIES 57 sind Bibliotheken soziale und kulturelle Orte, die der Kommunikation und der Interaktion ihrer Nutzer dienen. Abgesehen von der eigentlichen Begriffsdefinition muss angemerkt werden, dass es für den Begriff „Bibliothek“ eine Reihe von Synonymen bzw. Begriffen gibt, die gleichbedeutend verwendet werden. Dazu zählen beispielhaft folgende Termini: • Bücherei • Bücherhalle • Fachinformationszentrum (beispielsweise in Firmenbibliotheken) • Informations-, Kommunikations- und Medienzentrum • Mediothek/Mediathek Dieses Phänomen betrifft nicht nur den deutschen Sprachgebrauch, sondern ist auch im angloamerikanischen Bibliothekswesen zu finden. So stellt MCDONALD fest: “Although the word ‘library’ is used, and this continues to be a strong brand in society, institutions have chosen a number of different names for their new buildings. There are new learning centres, learning resource centres, learning streets, learning hubs, learning malls, learning grids, research villages, idea stores, book bars, cultural 202 centres and so on.” 3.1.3 Moving Libraries = Mobile Bibliotheken/Bibliotheksdienstleistungen Das Konzept der „Moving Library” vereint die Begriffe „Bibliothek” mit „Mobilität”. Besonders die bereits erwähnte Bereitschaft, beispielsweise weite Wege zum Arbeitsplatz auf sich zu nehmen, eröffnet neue Zeitpotenziale. Diese könnten die Bibliotheken im Sinne der Moving Library nutzen, um mit ihren Nutzern zu interagieren. Unter Moving Libraries sind daher sowohl mobile Bibliotheken zu verstehen, die selbst fortbewegt werden können (bspw. Fahr- oder Eselsbibliotheken) als auch bibliothekarische Dienstleistungen, mit denen die Bibliotheken auf ihre Nutzer zugehen (z.B. Lieferservices oder Bibliotheksautomaten an Bahnhöfen). Die Idee, den Austausch zwischen den Bibliotheken (mittels Leihverkehr) zu fördern bzw. überhaupt erst zu ermöglichen, führte zur Einführung des Gesamtkatalogs. Das ursprüngliche Ziel war es, Wissenschaftlern und anderen Bibliotheksnutzern Forschung und Studium 203 zu erleichtern. Diese Idee soll im Sinne der Moving Libraries weitergedacht werden. HÄTSCHER stellt dazu fest: „Aktive Forschungsunterstützung wird Routine sein, die Bibliothekarinnen und Bib204 liothekare gehen zu den Kunden, real und virtuell.“ 202 203 204 McDonald, Andrew (2007): The top ten qualities of good library space. In: Latimer, Karen/Niegaard, Hellen [Hrsg.]: IFLA Library Building Guidelines. Developments & Reflections. München, Saur, S. 13 Vgl.: Plassmann, E. (2006): Bibliotheken und Informationsgesellschaft in Deutschland, S. 39 Hätscher, P. (2009): Wer bewegt das Wissen, S. 70 58 MIRIAM HÖLSCHER & CORINNA SEPKE Im Fokus der Moving Libraries steht insbesondere die Auseinandersetzung mit der wachsenden Mobilität der Gesellschaft. Moving Libraries gehen aktiv auf ihre Nutzer zu – entweder mit ihren Beständen oder mit ihren Dienstleistungen. Dies kann physisch oder virtuell erfolgen. 3.2 Typologisierung Prinzipiell können Moving Libraries nach mehreren Kriterien unterschieden werden. Dazu würden sich beispielsweise die Art der Trägerschaft, die Zielgruppen, die angesprochen werden sollen, die Art der Fortbewegung oder die Aufgaben und Ziele, die durch die Moving Libraries wahrgenommen und erreicht werden sollen, anbieten. In der vorliegenden Arbeit wird als Ordnungskriterium die Art der Fortbewegung, bzw. die Art der mobilen bibliothekarischen Dienstleistung verwendet, um die verschiedenen Typen der Moving Libraries zu unterscheiden. Zu diesem Ordnungskriterium lassen sich grundsätzlich drei Bereiche voneinander abgrenzen: zum einen Moving Libraries, die mobil sind und selbst fortbewegt werden können, zweitens mobile Bibliotheksdienstleistungen, mit denen Bibliotheken die Mobilität der Gesellschaft unterstützen und begleiten können. Den dritten Bereich bilden schließlich virtuelle oder digitale Angebote, die im eigentlichen Sinne keine sich fortbewegende Bibliothek oder Bibliotheksdienstleistung sind, jedoch den Zugriff auf Informationen von jedem (internetfähigen) Computer der Welt aus ermöglichen können. Nachfolgend werden zu diesen drei Bereichen der Moving Libraries Merkmale beschrieben, Einsatzmöglichkeiten aufgezeigt und Beispiele genannt. 3.2.1 Mobile Bibliotheken Auch bei den Bibliotheken, die selbst mobil sind, lassen sich drei Bereiche ausmachen, nach denen sie unterschieden werden können. Einerseits können die Fahrbibliotheken danach 205 206 unterschieden werden, ob sie zu Lande oder auf dem Wasser unterwegs sind. Andererseits gibt es Bibliotheken, die sich nicht motorisiert fortbewegen, sondern auf dem Rücken 207 von Tieren oder durch menschliche Kraft ihre Leser versorgen. Nicht berücksichtigt werden Bibliotheken, die per Flugzeug transportiert werden, da sie sich in Funktionalität und Existenzgrundlage nicht wesentlich von Fahrbibliotheken unterscheiden. Der Vollständigkeit halber sei an dieser Stelle jedoch beispielsweise auf die „Alas208 ka’s Flying Library“ hingewiesen. 205 206 207 208 Siehe Kapitel 3.2.1.1 Siehe Kapitel 3.2.1.2 Siehe Kapitel 3.2.1.3 Vgl.: Juneau Public Library (2005): Alaska’s Flying Library. URL: http://www.juneau.org/library/mailserv/flying-library.php (Zugriff 22.08.2009) 3 MOVING LIBRARIES 59 3.2.1.1 Fahrbibliotheken 3.2.1.1.1 Bücherbusse Die bekannteste Erscheinungsform mobiler Bibliotheken ist der Bücherbus. Dies zeigt sich 209 beispielsweise anhand der Antworten der strukturierten Kurzbefragung. So assoziierten 82 Prozent der Befragten (siehe Abbildung 12) „mobile Bibliotheken“ mit dem Begriff „Bücherbusse“. 50 Prozent nannten den allgemeineren Begriff „Fahrbibliothek“. Auch die Quellenlage ist zu diesem Bereich der mobilen Bibliotheken deutlich besser als zu allen anderen Typen der Moving Libraries, weshalb im Folgenden besonders ausführlich auf die Bücherbusse eingegangen wird. 210 Abbildung 12: Auswertung der strukturierten Kurzbefragung (Ausschnitt) Bücherbusse (siehe z.B. Abbildung 13) sind laut KLUTH in der Regel auch dann gemeint, wenn von Fahrbibliotheken gesprochen wird, die auf Lastkraftwagen (LKWs) mit entspre211 chenden Anhängern oder Aufladern transportiert werden können. 209 Siehe Kapitel 2.2 Eigene Darstellung 211 Vgl.: Kluth, R. (1965): Die Fahrbücherei, S. 549 210 60 MIRIAM HÖLSCHER & CORINNA SEPKE Bereits Mitte der 1960er Jahre stellte KLUTH hierzu fest: „Die Vorherrschaft dieser Form [der Bücherbusse] der Fahrbücherei ist so eindeutig, 212 dass sie die Fahrbücherei schlechthin repräsentiert.“ Aus Gründen der Vereinfachung wird daher im weiteren Text von Bücherbussen gesprochen. Dies schließt stets auch die Bibliothek-LKWs mit ein. 213 Abbildung 13: MedienBus Karlsruhe Abzugrenzen sind die Fahrbüchereien von Büchertransportfahrzeugen, die lediglich dem Umzug einer Bibliothek oder dem Austausch zirkulierender Bestände von verschiedenen Standorten einer Bibliothek dienen. In den Bücherbussen werden die Bücher nicht nur transportiert, sondern auch Büchereiarbeit im, am oder in enger Verbindung zum Fahrzeug 214 geleistet. Auch im IFLA MOBILE PROJECT wurden Fahr-büchereien spezifiziert als: “A full-service mobile library unit [which] could have many applications depending 215 on community profiles and needs.” Geschichte Die ersten mobilen Fahrbüchereien kamen 1905 in den USA zum Einsatz. KLUTH beschreibt die erste nachgewiesene, damals noch von Pferden gezogene, Fahrbücherei der USA folgendermaßen: „Der beinahe schon legendäre Ursprung der Fahrbücherei liegt in der Washington County, Maryland, USA, wo im Jahre 1905 eine tatkräftige Bibliothekarin, Miss M. L. 212 213 214 215 Kluth, R. (1965): Die Fahrbücherei, S. 540 Thiele, Susanne (2005): Fahrbibliotheksportraits Baden-Württemberg. Karlsruhe, Staatliche Fachstelle für das öffentliche Bibliothekswesen Karlsruhe. URL: http://www.fahrbibliothek.de/downloads/portrBW_acrobat.pdf (Zugriff: 22.08.2009), S. 4 Vgl.: Kluth, R. (1965): Die Fahrbücherei, S. 540 Carpenter, Julie/Trohopoulos, Ioannis (1998): Mobile Libraries and New Information Services in Public Libraries. Issues Arising from the MOBILE project. In: IFLA Journal 24; H. 2, S. 97 3 MOVING LIBRARIES 61 Titcomb, mit einem pferdebespannten Bücherwagen über Land fuhr und Bücherei216 dienst für Farmer leistete; die Ausleihe fand vom Fahrzeug aus statt.“ Bücherbusse in Deutschland In Deutschland wurden laut REIM die ersten fahrenden Büchereien gegen Ende der 1920er 217 Jahre eingesetzt. KLUTH präzisiert den Zeitpunkt auf 1927. In diesem Jahr ging die erste Fahrbücherei Deutschlands im Saarland auf Tour, jedoch waren Auskunft und Ausleihe 218 noch stationär an das jeweilige Rathaus gebunden. Der erste Bücherbus im Sinne der am Anfang des Kapitels genannten Definition (mit Aus219 kunft und Ausleihe im Bus), wurde 1929 der Stadt Dresden übergeben. Danach wurden die Fahrbibliotheken sukzessive bis in die 1960er Jahre hinein über ganz Deutschland hinweg ausgebaut. Wichtig war dies vor allem nach dem zweiten Weltkrieg, um die zerstörte Infrastruktur wieder herzustellen. Ab den 1990er Jahren wurden die Unterhaltungskosten der Bücherbusse als zu hoch ange220 sehen. Dem war bereits die Auflösung der Kommission „Fahrbibliotheken“ des Deutschen Bibliotheksinstituts (DBI) vorausgegangen, was einen Sturm der Entrüstung und eine hefti221 ge Debatte in der Zeitschrift Buch und Bibliothek (BUB) ausgelöst hatte. Erst in den letzten Jahren ist, wie THIELE beschreibt, eine Trendwende zu beobachten, mit der die Fahrbib222 liotheken zunehmend auch politisch wieder geschätzt werden. Dies belegen zahlreiche Jubiläen von Bücherbussen und geschichtliche Aufarbeitungen, über die regelmäßig in der 223 Fachpresse zu lesen ist. Insgesamt gab es 2008 in Deutschland 90 Fahrbibliotheken, die mit 105 Fahrzeugen ihre Bestände zu den Lesern bringen. Zur besseren Einordnung dieser Zahlen führen SEEFELDT und SYRÉ auf, dass sich diese 90 Fahrbibliotheken auf nur 3 Prozent 224 der Großstädte verteilen. Merkmale Fahrbüchereien können flexibler als stationäre Bibliotheken auf Veränderungen beispiels225 weise innerhalb ihrer Benutzerstrukturen oder der Bedürfnisse ihrer Nutzer reagieren. Dies formuliert auch THIELE: 216 217 218 219 220 221 222 223 224 225 Kluth, R. (1965): Die Fahrbücherei, S. 560 Vgl.: Reim, Birgit (o.J.): Bücherbusse in Deutschland. Zur Geschichte der Fahrbibliotheken in Deutschland. URL: http://www.goethe.de/ins/jp/lp/prj/bus/bbd/deindex.htm (Zugriff: 20.07.2009) Vgl.: Kluth, R. (1965): Die Fahrbücherei, S. 565 Vgl.: Reim, B. (o.J.): Bücherbusse in Deutschland Vgl.: BIT-Wiki (2009): Fahrbibliothek. URL: http://www.b-i-t-wiki.de/index.php/Fahrbibliothek (Zugriff: 22.08.2009) Vgl.: Diverse Leserbriefe (1987). In: BuB 39, H. 3, S. 203; auch H. 5, S. 428; sowie H. 6, S. 542 Vgl.: Thiele, Susanne (2001): Fahrbibliotheken haben Zukunft. In: Öffentliche Bibliotheken in BadenWürttemberg. Berichte, Informationen, neue Bibliotheken. 16. Ausg. S. 19 Vgl.: Laufer, Carolin/Werner, Kathrin/Zacharias, Susanne (2009): Von der Büchertram zum modernen Medienbus. In: BuB 61, H. 1, S. 7; sowie Weyh, Matthias (2008): Auf dem Land und in städtischen Randgebieten gefragt. In: BuB 60, H. 10, S. 704; auch Fischer, Eike/Simons, Oke (2008): Ein dickes Lob vom Ministerpräsidenten. In: BuB 60, H. 2, S. 114 Vgl.: Seefeldt, J./Syré, L. (2007): Portale zu Vergangenheit und Zukunft, S. 54 Vgl.: Kluth, R. (1965): Die Fahrbücherei, S. 545 62 MIRIAM HÖLSCHER & CORINNA SEPKE „Eine herausragende Eigenschaft [von Bücherbussen] ist die Flexibilität. Veränderungen in der Orts- und Bevölkerungsstruktur, bei den Bedürfnissen und Interessen der Bürger fallen im Bücherbus meist schon frühzeitig auf. Gleichzeitig kann mit der Fahrbibliothek schnell und günstig auf veränderte Gegebenheiten reagiert werden, indem zum Beispiel neue Wohngebiete angefahren, Haltezeiten verkürzt oder ver226 längert werden.“ Die Anforderungen, welche an Bücherbusse gestellt werden, sind nach KLUTH: • • • • • • die Versorgung eines großen Teils der Bevölkerung, der nicht durch stationäre Bibliotheken mit Literatur und Informationen versorgt werden kann angemessene Öffnungszeiten vor Ort, damit die Bibliotheksnutzer in Ruhe die Bücher auswählen, anlesen und ausleihen können ein bibliothekarischer Auskunftsdienst die sorgfältige Auswahl des Medienbestandes mindestens 3.000 Medieneinheiten pro Bücherbus, um wirtschaftlich arbeiten zu können 227 optimale Ausnutzung der geringen Raumfläche für Präsentation und Aufenthalt Vertreten werden die Interessen der Fahrbibliotheken durch die Facharbeitsgruppe „Fahr228 bibliotheken“. Sie führt regelmäßig Befragungen durch, um die Situation und den Wandel der Fahrbibliotheken in Deutschland zu erfassen und zu dokumentieren. Die aktuellen 229 Daten der Umfrage von 2008 können auf dem Fachstellenserver abgerufen werden. Einige dieser Ergebnisse werden nachfolgend aufgegriffen und vorgestellt. Die meisten Bücherbusse (78 Prozent) befinden sich in kommunaler Trägerschaft (siehe Abbildung 14). Das dichteste Netz mobiler Fahrbibliotheken befindet sich in NordrheinWestfalen (NRW) mit 14 Bücherbussen, dicht gefolgt von Schleswig-Holstein mit 13 Fahrbibliotheken, die auf 14 Fahrzeuge zurückgreifen können. Baden-Württemberg (BW) nimmt mit elf Fahrbibliotheken in insgesamt zwölf Bücherbussen den dritten Platz ein. 226 227 228 229 Thiele, S. (2001): Fahrbibliotheken haben Zukunft, S.19 Vgl.: Kluth, R. (1965): Die Fahrbücherei, S. 542 ff. Fachkonferenz der Bibliotheksfachstellen in Deutschland (o.J.): AG Fahrbibliotheken. URL: http://www.fachstellen.de/Facharbeitsgruppen/AG-Fahrbibliotheken/index_18.html (Zugriff: 22.08.2009) Vgl.: Freymann, J.v. (2009): Auswertung Fragebogen „Fahrbibliotheken 2008“ 3 MOVING LIBRA ARIES 63 Träggerschaft der Fahrrbibliotheken 8% 4% 10% Stadt/Gem meinde Landkreis Verein 22% 5 56% Mischform m keine Angaabe Abbildung g 14: Trägerschaft deer Fahrbibliotheken 230 0 orten der 92 ausgeweerteten Fragebögen eergaben, dass in 64 Fahrbibliotheken F der Die Antwo Anteil derr Kinder und Jugendlichen an der Benutzzerstruktur zwischen 51 und 80 Prozent liegt (siehe Abbildung 15). In elf e Fahrbüchereien lieegt der Anteil dieser Benutzergruppe bei P lediglich 14 der d befragten Büchereien gaben an, dasss weniger als 50 Proüber 80 Prozent, zent ihrer Nutzer Kinder und Ju ugendliche seien. Nutzun ng durch Kinder und Jugendliche 30 25 20 15 10 5 0 231 Abbildung A 15: Nutzun ng der Bücherbusse d durch Kinder und Jug gendliche Da, wie bereits erwähnt, Kindeer und Jugendliche in fast allen Fahrbüch hereien den größten bt es dort in der Regeel spezielle Angebote für diese Zielgruppe Anteil der Benutzer bilden, gib bildung 16). Besonders häufig werden K Klasseneinführungen, die direkte Medien(siehe Abb ausleihe an a Schulen oder die Bereitstellung von K Klassensätzen durch die d Fahrbibliotheken angeboten n. 230 231 Freymann, J.v. (2008): Auswertung Fragebogen „Fahrbibliotheken 2008“ (eigene Darstellung) D Ebd. (eiigene Darstellung, Angab ben in Prozent) 64 MIRIAM HÖLSCHER & CORINNA SEPKE Angebote spezieller Dienstleistungen für Kinder und Jugendliche 100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0 Abbildung 16: Angebote spezieller Dienstleistungen für Kinder und Jugendliche 232 Ein wichtiger Aspekt der Ausrichtung auf die Kinder und Jugendlichen als große Zielgruppe der Fahrbüchereien ist die Leseförderung. So wurde beispielsweise für die Fahrbücherei der Stadtbibliothek Esslingen ein detailliertes Konzept entwickelt, welches die Vermittlung von 233 Lese- und Informationskompetenz für Schüler zum Inhalt hat. SEEFELDT und SYRÉ schreiben dazu: „Ebenso wie in den standortfesten Bibliotheken werden auch Fahrbibliotheken zur Leseförderung aktiv genutzt, indem in ihnen Bibliothekseinführungen, unterrichtsbegleitende Lesestunden und themenbezogene Projekte für Kindergartengruppen und Schulklassen angeboten werden. Im Bus, der zum vereinbarten Termin vor der Schule oder dem Kindergarten hält, wird gelernt, vor allem aber vorgelesen und gespielt, erzählt und gemalt, um die Kinder und Jugendlichen für Literatur und Lesen, für Beschaffung von Information und die Nutzung von Bibliotheken zu begeis234 tern.“ Auch durch Kooperationen mit Kindergärten und Schulen werden die Bedürfnisse der Kinder und Jugendlichen in den Blick genommen. Besonders aus Dänemark und Finnland sind 232 233 234 Freymann, J.v. (2008): Auswertung Fragebogen „Fahrbibliotheken 2008“ (eigene Darstellung) Vgl.: Engelfried, Monika (2001): Medien mobil. Ein neues Konzept der Fahrbücherei Esslingen zur Förderung von Medienkompetenz in Schulen und Stadtteilen. Diplomarbeit im Studiengang Öffentliche Bibliotheken der Fachhochschule Stuttgart, Hochschule der Medien, S. 33 ff. Seefeldt, J./Syré, L. (2007): Portale zu Vergangenheit und Zukunft, S. 56 3 MOVING LIBRARIES 65 zahlreiche Beispiele bekannt, bei denen sich der Fahrplan der Bücherbusse nach den Be235 dürfnissen der jugendlichen Kunden richtet. In Guatemala werden Bücherbusse verstärkt für die Leseförderung von Kindern und Ju236 gendlichen genutzt, da das Land eine sehr hohe Analphabetenrate aufweist. Das Projekt „Bibliotheken Guatemalas“ richtet Bibliotheken ein, um diesem Problem entgegenzuwirken. Unter den zahlreichen Bibliotheken finden sich auch zwei Bücherbusse und sieben „Busitos“. Letztere sind Miniatur-Bücherbusse aus Holz, welche die Funktion von Medienboxen übernehmen (siehe Abbildung 17). Sie haben ein Fassungsvermögen von etwa 300 Büchern und können von den zum Teil weit abgelegenen Schulen für mehrere Wochen ausgeliehen werden. Abbildung 17: Empfang eines "Busitos" von Schulkindern in Solola 237 Einsatzmöglichkeiten Bücherbusse werden in der Regel vor allem dann eingesetzt, wenn sich die Einrichtung einer stationären, also baulich fest eingerichteten Bibliothek wirtschaftlich nicht lohnt oder 238 sich die feste Bibliothek noch im Aufbau befindet, also noch nicht nutzbar ist. So verfügen die skandinavischen Länder mittlerweile über die am besten ausgebauten BücherbusNetze Europas, da mit diesen auch die Bewohner weit verstreuter Ansiedlungen mit Litera239 tur und Informationen versorgt werden können. 235 236 237 238 239 Vgl.: Møller Christensen, Esben/Bach Sørensen, Lisbeth (2001): „Oh, to be a child once more“. In: Scandinavian Public Libraries Quarterly 34, H. 3, S. 7 Vgl.: Mau, Tabea (2008): La camioneta de los libros y la Cooperación Española. Mit dem Bücherbus und auf Büchersuche in Guatemala. Reisebericht für B&I- International. URL: http://www.bi-international.de/ download/file/2008_Guatemala_Tabea%20Mau.pdf (Zugriff: 22.08.2009) Mau, T. (2008): La camioneta de los libros y la Cooperación Española, S. 3 Vgl.: Kluth,R. (1965): Die Fahrbücherei, S. 541 f. Vgl.: Kiviniemi, Eija (2001): Library service in the far north. In: Scandinavian Public Libraries Quarterly 34, H. 1, S. 20 66 MIRIAM HÖLSCHER & CORINNA SEPKE 240 Vor allem, wenn es darum geht, das Lebenslange Lernen auch in abgelegenen Regionen zu fördern, erweisen sich Fahrbüchereien als äußerst nützlich. So wurde in der finnischen Stadt Tampere im Auftrag der (ortsfesten) Stadtbücherei ein „fahrendes Internet-Café“ mit dem Namen „Netti-Nysse“ eingerichtet. Jeder Bibliotheksnutzer hat dort die Gelegenheit, 241 sich mit Hilfe der zahlreichen Internet-Stationen weiterzubilden. In Afghanistan sollen Bücherbusse des „Zivilen Friedensdienstes“ des Deutschen Entwicklungsdienstes die Versöhnung der verschiedenen Provinzen vorantreiben. Dazu gehört 242 auch, dass Bücher wieder ein fester Bestandteil der afghanischen Kultur werden. Der Weg zur Akzeptanz führt hier vor allem über die Schulen: Rund 400 Schüler haben einen Leihausweis für Medien, die vor allem arabische Eigenübersetzungen von Kinderklassikern wie „Die kleine Hexe“ oder „Das Sams“ beinhalten. In Afrika stellt sich die Situation für die Einrichtung und den Einsatz von Fahrbibliotheken problematisch dar. Dort werden Bücherbusse in der Regel nur dann eingesetzt, wenn die entsprechenden Länder über ein eigenes zentrales Bibliothekssystem verfügen. Dies ist vor allem in Ländern der ehemals britischen Besatzungskolonien der Fall, die ein relativ stabiles 243 und demokratisches Regierungssystem haben. Bücherbusse werden jedoch nicht nur in Regionen eingesetzt, in denen der Betrieb einer stationären Bibliothek nicht lohnend oder sogar unmöglich wäre. Sie bieten darüber hinaus auch älteren Personen eine Anlaufstation an, die selbst nicht mehr in die örtliche Bibliothek kommen können. Erwähnt werden muss in diesem Zusammenhang das Beispiel einer Fahr244 bücherei aus Dänemark. Dort fielen die Ausleihzahlen der örtlichen stationären Zweigstellen, während die des Bücherbusses anstiegen. Nach technischer Aufrüstung wurde dort das Angebot neu aufgestellt. Halbtags werden Kindertagesstätten angefahren, an anderen Tagen werden ältere Personen persönlich mit bereits zusammengestellten Medienpaketen aufgesucht. Auch die Auslieferung von bestellten Büchern über die nationale Fernleihe erfolgt mit dem Bücherbus. Die Regale sind samt ihrem Bestand jederzeit auswechselbar. Ein Indiz für die bereits weiter oben genannte positive Entwicklungstendenz, die für Fahrbibliotheken festgestellt werden kann, ergibt sich auch aus der Auswertung der Frage nach den Zukunftsplänen bei der Umfrage „Fahrbibliotheken 2008“: 21 der befragten Bibliotheken gaben an, dass ein neuer Bücherbus angeschafft werden soll, wohingegen erfreulicherweise mit nur drei Schließungen gerechnet wurde. In acht Bücherbussen sollen technische Neuerungen bei Verbuchung und Erfassung eingeführt oder die bestehende Technik 245 verbessert werden. 240 241 242 243 244 245 Siehe Kapitel 1.1.2.2 Vgl.: Harju, Elina (2004): Internet bus Netti-Nysse. The heaviest and most yellow mobile service in the world? In: Scandinavian Public Libraries Quarterly 37, H. 3, S. 24 Vgl.: Weigand, Florian (2005): Einfallsreiche Medienarbeit am Hindukusch. In: Zeitschrift des deutschen Entwicklungsdienstes 42, H. 4, S.16 f. Vgl.: Ward, Dane M. (1996): The Changing Role of Mobile Libraries in Africa. In: International Information & Library Review 28, S. 121 ff. Vgl.: Trolle, Mette (2001): Mini bookmobile in the fast Lane! In: Scandinavian Public Libraries Quarterly 34, H. 3, S. 10 Vgl.: Freymann, J.v. (2008): Auswertung Fragebogen „Fahrbibliotheken 2008“ 3 MOVING LIBRARIES 67 246 Ganz konkret wird beispielsweise in Stuttgart innerhalb dieses Jahres ein neuer Bücherbus angeschafft, der eines der beiden momentan im Einsatz befindlichen Fahrzeuge der Fahr247 bücherei Stuttgart (siehe Abbildung 18) ablösen wird. Das neue Fahrzeug wird dem technisch neuesten Standard entsprechen und zum Beispiel über einen fest eingebauten Beamer mit Leinwand und einer Photovoltaikanlage auf dem Busdach verfügen, die den 248 Strom für die eingesetzte Technik erzeugt. Abbildung 18: Bücherbus Stuttgart 249 Insgesamt kann der Befragung „Fahrbibliotheken 2008“ der Facharbeitsgruppe „Fahrbibliotheken“ entnommen werden, dass mittlerweile 72 Prozent aller Fahrbüchereien über ein Online-Ausleihsystem mit Funk-Datenübertragung verfügen. 30 Prozent der Fahrbüchereien nutzen dazu das General-Packet-Radio-Service-System (GPRS); 42 Prozent nutzen UMTS 250 (Universal Mobile Telecommunications System). Im Vergleich dazu gaben in der Befragung des Jahres 2006 nur 35 Prozent der Fahrbüchereien an, dass sie bereits über ein Online-Verbuchungssystem verfügen würden. Einschränkungen Der große Vorteil von Fahrbüchereien liegt, wie am Anfang dieses Kapitels erwähnt, in ihrer Flexibilität hinsichtlich der Anforderungen durch ihre Nutzer sowie die angefahrenen Routen. Jedoch ergeben sich aus den beengten räumlichen Gegebenheiten in Bücherbussen (siehe Abbildung 19) auch Schwierigkeiten bzw. Unannehmlichkeiten für die Nutzer. So ist 246 247 248 249 250 Stand 2009 Vgl.: Stadtbücherei Stuttgart (o.J.): Fahrbücherei. URL: http://www5.stuttgart.de/stadtbuecherei/ fahrbuecherei/fahrbuecherei.php (Zugriff: 22.08.2009) Vgl.: Gablenberger-Klaus-Blog (2008): Neues von den Bücherbussen in Stuttgart Ost. Blog-Beitrag vom 18.12.2008, Autor: Steffen. URL: http://klaus.fotogalerie-stuttgart.de/2008/12/18/ neues-von-den-buecherbussen-in-stuttgart-ost/ (Zugriff: 22.08.2009) Gablenberger-Klaus-Blog (2008): Neues von den Bücherbussen in Stuttgart Ost. Eigene Fotomontage aus: URL 1.Bild: http://klaus.fotogalerie-stuttgart.de/wp-content/uploads/2008/12/bucherb-p1030285-013.jpg; URL 2. Bild: http://klaus.fotogalerie-stuttgart.de/wp-content/uploads/2008/12/bucherb-p1030274-002.jpg (Zugriff: 22.08.2009) Vgl.: Freymann, J.v. (2008): Auswertung Fragebogen „Fahrbibliotheken 2008“ 68 MIRIAM HÖLSCHER & CORINNA SEPKE beispielsweise der Medienbestand, den die Fahrbücherei transportieren kann, begrenzt, was die freie Buchauswahl der Bibliotheksnutzer ebenso behindert wie die bibliothekarische Auskunfts- und Beratungstätigkeit. Darüber hinaus sind die Haltezeiten und somit die Öff251 nungszeiten der Bücherbusse an die jeweiligen Fahrpläne gebunden. Diese können wie 252 im Fall der Stuttgarter Fahrbücherei zwar übers Internet abgerufen werden, verlangen jedoch eine starke zeitliche Bindung des Kunden. Abbildung 19: Innenansicht des Lesemobils Baden-Baden 253 3.2.1.1.2 Bibliothekszüge Eine ähnliche Funktion wie die Bücherbusse können auch Bibliothekszüge erfüllen. Durch die Bindung an das vorhandene Schienennetz verlieren sie etwas von der Flexibilität der Bücherbusse. Dennoch kann auch mit Bibliothekszügen die Literatur- und Informationsversorgung in Regionen, die schlecht mit stationären Bibliotheken ausgestattet sind, sichergestellt werden. Zum Zeitpunkt des Verfassens dieser Masterarbeit ist den Autorinnen jedoch leider kein aktuelles Beispiel einer echten Fahrbücherei auf Schienen bekannt. Auf die Frage, was mit mobilen Bibliotheken assoziiert werde, wurde in der strukturierten Kurzbefra254 gung von einem der Befragten angegeben, dass es zu Zeiten der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken (UdSSR) Bibliothekszüge gegeben habe, die hauptsächlich zur Le251 252 253 254 Vgl.: Kluth, R. (1965): Die Fahrbücherei, S. 543 Vgl.: Stadtbücherei Stuttgart (o.J.): Fahrbücherei Thiele, S. (2005): Fahrbibliotheksportraits Baden-Württemberg, S. 2 Siehe Kapitel 2.2 3 MOVING LIBRARIES 69 seförderung und zur Alphabetisierung der ländlichen Regionen in der UdSSR eingesetzt wurden. Quellen in deutscher oder englischer Sprache konnten leider zu dieser Thematik nicht lokalisiert werden. Nach dem zweiten Weltkrieg scheint es in Europa einige Bibliothekszüge bzw. Bibliotheksstraßenbahnen gegeben zu haben. KLUTH erwähnt den Einsatz von Straßenbahnbüchereien 255 nach 1945 in Budapest sowie eine Zugbibliothek in Frankreich: 256 „Als Besonderheit ist der Bibliotrain der S.N.C.F. zu nennen, der in Südfrankreich als eine Art Werksbücherei für Eisenbahner mit 7.000 Bänden an 26 Haltestellen Bü257 cher ausleiht.“ Im Dezember 2008 wurde die Geschichte der Straßenbahnbüchereien in Budapest mit ei258 ner Aktion des Goethe-Instituts Ungarn kurzzeitig wiederbelebt. Allerdings handelte es sich bei der Aktion „Literatur in Bewegung“ nicht um echte mobile Bibliotheksarbeit, sondern es wurde eine Anthologie mit ins Ungarische übertragenen Auszügen deutschsprachiger Gegenwartsliteratur verteilt, um möglichst viele Leser von der „Vielfalt und Qualität 259 der literarischen Produktion im deutschen Sprachraum zu überzeugen“ . 260 Abbildung 20: Appenzeller Bibliobahn Zwischen März 1988 und Dezember 2008 gab es in der Schweiz die „Appenzeller Bibliobahn“ (siehe Abbildung 20), die an den Bahnhöfen Gais, Waldstatt und Bühler Schul- 255 256 257 258 259 260 Vgl.: Kluth, R. (1965): Die Fahrbücherei, S. 564 S.N.C.F. = Société Nationale des Chemins de fer France, die staatliche französische Eisenbahngesellschaft Kluth, R. (1965): Die Fahrbücherei, S. 563 Vgl.: Goethe-Institut Ungarn (2009): Deutsche Literatur unterwegs. URL: http://www.goethe.de/ins/hu/bud/kue/lit/de4464874.htm (Zugriff: 22.08.2009); auch: Ungarndeutsches Kultur- und Informationszentrum (2008): Literatur in Bewegung. URL: http://www.zentrum.hu/de/ news_data.php?wpm=rid=1983392894523791228258808 (Zugriff: 22.08.2009) Goethe-Institut Ungarn (2009): Deutsche Literatur unterwegs Appenzeller Bibliobahn (2008): Appenzeller Bibliobahn. URL: http://www.bibliobahn.ch/index.html (Zugriff: 22.08.2009) 70 MIRIAM HÖLSCHER & CORINNA SEPKE 261 kinder und deren Eltern mit Literatur versorgte. Leider musste der Betrieb aufgrund der Altersschwäche des Wagens eingestellt werden. Der mit ca. 3.500 Büchern bestückte Wag262 gon ist nur noch stationär in Gais im Einsatz. In Deutschland existiert aktuell kein Beispiel einer echten Fahrbücherei auf Schienen. Als Einzelaktion gab es im Jahr 2007 ein Kooperationsprojekt zwischen der Stadtbibliothek Mönchengladbach und der Deutschen Bahn AG. Dabei konnten Zugreisende auf einer bestimmten Zugstrecke zwischen Mönchengladbach und Münster nach dem Prinzip des „Bookcrossings“ kostenlos Bücher der Stadtbibliothek Mönchengladbach mitnehmen und 263 später an andere Leser weitergeben. Beim Bookcrossing werden Bücher mit einer eigenen „BookCrossingIDnumber“ (BCID) versehen und dann in Zügen, Hotels, Bars etc. „freigelassen“. Die „freigelassenen“ Bücher können von Lesern mitgenommen und nach dem Lesen an anderer Stelle wiederum „freigelassen“ werden. Über die BCID kann im Internet nachverfolgt werden, wo sich das Buch gerade befindet. Voraussetzung dafür ist, dass die Leser die Bookcrossing-Bücher anhand der BCID auf der Bookcrossing-Website 264 (www.bookcrossing.com) registriert haben. Bei dieser Aktion der Stadtbibliothek Mönchengladbach ging es nicht in erster Linie um die Literaturversorgung der Bevölkerung in schlecht angebundenen Regionen. Stattdessen sollte auf die Stadtbibliothek aufmerksam gemacht werden und eine Möglichkeit gefunden werden, mit Buchgeschenken an die Stadtbibliothek sinnvoll umzugehen. Bibliotheksleiter WEYER kommentierte die Aktion folgendermaßen: „Wir bekommen täglich etwa drei Kisten Bücher geschenkt. Gebrauchte, aber äs265 thetisch einwandfreie Bücher geben wir unter anderem auf diese Weise weiter.“ Da jedoch keine bibliothekarische Arbeit im Sinne von Auskunftsdienst und Ausleihe der Bücher stattfand, kann nicht von einer echten Fahrbücherei gesprochen werden. Der Vollständigkeit halber soll nachfolgend ein weiteres Beispiel für einen Bibliothekszug erwähnt werden, der jedoch ebenfalls keine Fahrbücherei im Sinne der eingangs vorgestellten Definition darstellt, da er nicht mobil, sondern an einen festen Standort gebunden ist. 261 262 263 264 265 Vgl. ebd. Vgl.: Appenzeller Bibliobahn (2008): Die Bibliobahn am Scheideweg. URL: http://www.bibliobahn.ch/machbarkeitsstudie.htm (Zugriff: 22.08.2009) Vgl.: BuB-Redaktion (2008): Nachrichten. Bücher im Zug. In: BuB 60, H. 2, S. 118 Vgl.: Ferrari, Rudi (o.J.): Bookcrossing.com. German support site. URL: http://www.bookcrossers.de/bcd/home/kurz (Zugriff: 22.08.2009) BuB-Redaktion (2008): Nachrichten. Bücher im Zug, S. 118 3 MOVING LIBRARIES Abbildung 21: Bibliothekszug Hong Samud Rotfai Yoawachon 71 266 267 Im Jahre 1999 wurde in Bangkok unter dem Namen „Hong Samud Rotfai Yoawachon“ 268 ein Bibliotheksprojekt für Straßenkinder ins Leben gerufen (siehe Abbildung 21). Ziel des Projektes ist es, Straßenkindern Zugang zu Bildung zu ermöglichen, um ihnen Wege aufzuzeigen, in der Gesellschaft zu überleben. Dies soll sie davor bewahren, kriminell zu werden und ihnen stattdessen eine Art „Heimat“ geben. Dazu wurden zwei ausgediente Zugabteile als Bibliothek und Schulraum umgestaltet. Jeden Tag wird auf freiwilliger Basis ein dreistündiger Unterricht für die sechs bis achtzehnjährigen Kinder angeboten. Danach haben sie die Möglichkeit, die Bibliothek zum Lesen, Computerspielen oder zum Fernsehen zu nutzen. Der Bibliothekszug ist nicht nur Anlaufstelle für Straßenkinder, sondern wird auch durch die Bahnhofspolizei und die umliegenden Anwohner des Bezirks genutzt und nimmt so einen wichtigen Platz als Begegnungs269 und Bildungsstätte in Bangkok ein. 3.2.1.2 Schiffsbibliotheken Um auf gesicherte Daten für die Beschreibung der unterschiedlichen Schiffsbibliotheken zurückgreifen zu können, führten die Verfasserinnen eine standardisierte Online-Befragung 270 unter Reedereien durch, deren Schiffe über Bibliotheken verfügen. Leider war die Reso- 266 267 268 269 270 Ruurs, Margriet (2005): My librarian is a camel. How books are brought to children around the world. Honesdale, PA, Boyds Mills Press, S. 29 Wörtliche Übersetzung aus dem Thai: „Bibliothekszug für Kinder“ Vgl.: Cheunwattana, Aree/Meksawat, Pimol (2001): Small is Beautiful. The library train for homeless children. URL: http://www.eric.ed.gov/ERICDocs/data/ericdocs2sql/content_storage_01/0000019b/ 80/19/92/21.pdf (Zugriff: 22.08.2009), S. 2 Vgl.: Cheunwattana, A./Meksawat, P. (2001): Small is Beautiful, S. 4 Siehe Kapitel 3.2 72 MIRIAM HÖLSCHER & CORINNA SEPKE nanz auf die Befragung mit nur einer Antwort nicht ausreichend, um daraus repräsentative Rückschlüsse zu Schiffsbibliotheken ziehen zu können. Stattdessen konnten die Verfasserinnen jedoch in einem Experteninterview mit FELBA von der Versandbuchhandlung Missing Link einige Fragen bezüglich der Funktionalität und Einrichtung von Kreuzfahrtschiffen klären. Missing Link hat zwischen 2004 und 2005 unter anderem die Bibliothek der „Pride of America“ (siehe Abbildung 22) der Reederei 271 Norwegian Cruise Line (NCL) ausgestattet. Grundsätzlich lassen sich die Schiffsbibliotheken nach der Art der Zielgruppe, für die sie gedacht sind, sowie hinsichtlich des Schiffstyps, auf dem sie sich befinden, unterscheiden. Abbildung 22: Bibliothek der „Pride of America" 272 So gibt es auf Passagierschiffen (zum Beispiel Kreuzfahrtschiffen) sowohl Bibliotheken, die hauptsächlich für die Passagiere vorgesehen sind, als auch eigene Bibliotheken für die 273 Crew. Weiterhin gibt es Bibliotheken, die für die Bedürfnisse von Wissenschaftlern auf Forschungsschiffen eingerichtet werden. Dazu gehört beispielsweise die Bibliothek des Forschungsschiffes „Polarstern“ des Alfred-Wegener-Instituts für Polar- und Meeresforschung in Bremerhaven (AWI). 271 272 273 Vgl.: Felba, Branka (2009): Telefonisches Experteninterview am 27.06.2009 Pride of America (o.J.): Bibliothek. URL: http://www.charitycruise.com/lines/norwegian%20cruise%20line/pride%20of%20america/photos/pride% 20of%20america%20ss%20america%20library%202.jpg (Zugriff: 22.08.2009) Vgl.: Felba, B. (2009): [Experteninterview] 3 MOVING LIBRARIES 73 Auch auf Flugzeugträgern des Militärs existieren Bibliotheken, die den Besatzungen zur Verfügung gestellt werden. Da die Bibliotheken (siehe Abbildung 23) jedoch in der Regel nur als Bestandteil des Flugzeugträgers genannt, nicht jedoch beschrieben werden, werden sie im Rahmen der vorliegenden Arbeit nicht näher betrachtet. 274 Abbildung 23: Flugzeugträger mit Bibliothek Eine ähnliche Funktion wie die Bücherbusse zu Lande, nämlich die Sicherstellung der Literaturversorgung in schlecht angeschlossenen Regionen, übernehmen öffentliche Bücherei275 276 schiffe zum Beispiel in Skandinavien oder in Bangladesch . 3.2.1.2.1 Kreuzfahrtschiffe Als Kreuzfahrtschiffe werden nachfolgend Passagierschiffe bezeichnet, die Urlauber zu Vergnügungs- und Erholungsreisen auf Binnenwasserstraßen, Küstengewässern oder über See transportieren. Dazu zählen unter anderem die bereits genannte „Pride of America“ oder 277 Postschiffe, wie sie beispielsweise auf den Hurtigruten verkehren. 274 275 276 277 Steinmetz, Marc (o.J.): Flugzeugträger Stennis. Eigene Fotomontage aus: URL 1. Bild: http://www.visumimages.de/image/tid/151/?page=; URL 2. Bild: http://www.visum-images.de/image/tid/151/?page=20 (Zugriff: 22.08.2009) Vgl.: Johansson, Mikaela (2007): Joint Operation Strategy. A new tool for cooperation between Aboland libraries. In: Scandinavian Public Libraries Quaterly 40, H. 2, S. 9 Vgl.: BuB-Redaktion (2006): Auszeichnung. Boat People „Access to Learning Award“ der Gates Foundation geht nach Bangladesch. In: BuB 58, H. 2, S. 107 Vgl.: Hurtigruten GmbH (o.J.): Hurtigruten. Faszination Seefahrt seit 1893. URL: http://www.hurtigruten.de/ (Zugriff: 22.08.2009) 74 MIRIAM HÖLSCHER & CORINNA SEPKE Abbildung 25: Bibliothek der 279 Queen Mary 2 Abbildung 24: Bibliothek der 278 Queen Victoria Abbildung 26: Kreuzfahrtschiff280 bibliothek 281 Im Experteninterview mit FELBA konnten einige Fragen bezüglich der Ausstattung und des Bestandes von Bibliotheken auf Kreuzfahrtschiffen angesprochen und geklärt werden. Abhängig von der Größe des Schiffes stellt die Bibliothek nur ein Angebot unter vielen dar. So gibt es auf den beiden Schiffen, für die Missing Link die Bibliotheksbestände geliefert hat, neben der Bibliothek auch noch eine Videothek und eine Mediathek an Bord. Laut FELBA sind die Bibliotheken auf Kreuzfahrtschiffen sehr konservativ und „gediegen“ eingerichtet. Dies wird auch auf Fotos deutlich, die die Reedereien im Internet zur Verfügung stellen (siehe Abbildung 24, 25 und 26). 278 279 280 281 Cunard Line (2006): Queen Victoria. Bibliothek. URL: http://www.cunard.de/fleet/QV/AB/aktivitaeten.php (Zugriff: 22.08.2009) Kreuzfahrtberater (o.J.): RMS Queen Mary 2. Bibliothek. URL: http://www.kreuzfahrtberater.de/ schiff.php?schiff=Queen+Mary+2&sch_bild=60#rlogo (Zugriff: 22.08.2009) An Bord. Magazin für Erlebnisreisen auf dem Schiff (2006): Ohne Krimi geht die Mimi nie ins Bett Vgl.: Felba, B. (2009): [Experteninterview] 3 MOVING LIBRARIES 75 Der Bestand an Büchern richtet sich nach dem Einsatzgebiet des Schiffes, sowie nach der voraussichtlichen Zusammensetzung der Passagiere. So waren Missing Link konkrete Quoten durch die Reederei vorgegeben worden, was den Anteil an englischsprachiger Literatur anbelangte, da das Haupteinsatzgebiet der beiden auszustattenden Schiffe auf der Route zwischen Hawaii und Australien liegt. Darüber hinaus wurde auch chinesische und japanische Literatur angeschafft. An Bord anderer Schiffe der NCL werden auch französische, 282 spanische, deutsche und italienische Bücher zur Verfügung gestellt. Es wird bei der Bestandsauswahl davon ausgegangen, dass die Bibliotheksnutzer aufgrund ihrer guten finanziellen Stellung einen hohen Bildungsgrad mitbringen. Die Bibliothek wird für Passagiere jeden Alters eingerichtet. Es werden daher auch Kinderbücher und Bücher in Großdruck oder sogar Blindenschrift an Bord vorgehalten. Einen inhaltlichen Schwerpunkt gibt es bei der Bestandsauswahl jedoch laut FELBA nicht. So wurden nicht nur Bücher „[…] aus dem Bereich Belletristik [angeschafft], sondern auch [aus den Bereichen] Sachbuch, Ratgeber, Reiseführer. Im Bereich Ratgeber gab es alles, von Turnen bis Gesundheit bis zu Schiffsunglücken. Alles Mögliche war dabei, mit einem Hang zu den amerikanischen Passagieren. […] Aber immer mit dem Fokus ‚saubere‘ Literatur 283 auszuwählen.“ „Saubere“ Literatur bezieht sich hier vor allem auf Schrifttum, das aus religiöser und erotischer Sicht unbedenklich ist. Je nach Größe des Schiffes und der Bibliothek werden zwischen 2.000 (Schiffsbibliothek der „Alexander von Humboldt“) und 8.000 (Schiffsbibliothek 284 der „Queen Mary 2“) Bücher für die Bibliothek gekauft. Missing Link hatte neben der Bestandsauswahl auch die Aufgabe, sich um ein Leitsystem zu kümmern, das auch Nicht-Bibliothekaren die Verwaltung der Bibliothek ermöglichen sollte. So wurde ein Leitsystem basierend auf verschiedenen Farbcodierungen entwickelt, mit dem die Bücher zusätzlich mit dem ersten Buchstaben des Nachnamens des Autors markiert wurden. Dieses Farbsystem wurde auf Kupfertafeln gedruckt und in der Bibliothek aufge285 hängt. Aus der Aussage von FELBA lässt sich schließen, dass Missing Link auch dafür verantwortlich war, eine Bibliotheksverwaltungssoftware auszusuchen und mitzuliefern, mit der die Bücher erfasst und ein Leihverkehr innerhalb des Schiffes ermöglicht werden sollte. 282 283 284 285 Vgl.: An Bord. Magazin für Erlebnisreisen auf dem Schiff (2006): Ohne Krimi geht die Mimi nie ins Bett. URL: http://anbord.image-advertising.de/index2.php?cat=18&article_id=145 (Zugriff: 22.08.2009) Felba, B. (2009): [Experteninterview] Vgl.: An Bord. Magazin für Erlebnisreisen auf dem Schiff (2006): Ohne Krimi geht die Mimi nie ins Bett Vgl.: Felba, B. (2009): [Experteninterview] 76 MIRIAM HÖLSCHER & CORINNA SEPKE Abbildung 27: Schiffsbibliothek des MS „Stadt Thun" 286 Ebenfalls einen Service für Reisende bietet die Schiffsbibliothek der Stadtbibliothek Thun 287 Gästen des MS „Stadt Thun“ auf der Strecke zwischen Thun und Interlaken an. Die kleine Schiffsbibliothek (siehe Abbildung 27) soll „entspannende Lektüre“ mit „atemberaubender Aussicht“ verbinden. Dafür bietet sie einen kleinen Buchbestand an: „[R]und 100 Bücher, ausgewählt von der Stadtbibliothek Thun. Hauptthema ist alles rund ums Gewässer, dazu kommt Hintergründiges und Touristisches aus der Region. Auch Literatur hat ihren Platz: eine Schifffahrt eignet sich vor allem für Kurzge288 schichten.“ Auch die einzige Antwort auf die Online-Befragung der Verfasserinnen lässt sich als Postschiff dem Bereich der Kreuzfahrtschiffe zuordnen und soll nachfolgend kurz vorgestellt werden. Die Bibliothek des Postschiffes wird nicht durch bibliothekarisches Fachpersonal betreut. Sie stellt Bücher und Spiele zur Verfügung und dient hauptsächlich der Unterhaltung der Passagiere. Darüber hinaus werden Informationen zu den angelaufenen Reisezielen sowie zur Reederei, zur Schiffstechnik und zu Seereisen und deren Geschichte bereitgehalten. Innerhalb des Schiffes dürfen die Medien von den Bibliotheksnutzern ausgeliehen werden. Sollte ein bestimmtes Buch oder Spiel nicht in der Bibliothek vorhanden sein, können die Gäste ihre diesbezüglichen Wünsche mit Hilfe einer Wunschbox mitteilen. Zur Frage nach der Zuständigkeit für die Schiffsbibliothek wurde keine Angabe gemacht. Auch zu den Öffnungszeiten können leider keine Rückschlüsse aus der Auswertung der Befragung gezogen werden. Zusammenfassend lässt sich aus der geringen Rücklaufquote der Online-Befragung für Bibliotheken auf Kreuzfahrtschiffen der Schluss ziehen, dass die Reedereien ihnen anscheinend keinen hohen Stellenwert beimessen. Kreuzfahrtschiffsbibliotheken werden den Gästen 286 287 288 Schifffahrt Berner Oberland (2007): Schiffsbibliothek MS „Stadt Thun“. URL: http://www.bls.ch/d/schifffahrt/events-bibliothek.php (Zugriff: 22.08.2009) MS = „Motorschiff“ Stadt Thun (o.J.): Schiffsbibliothek MS Stadt Thun. URL: http://www.thun.ch/stadtverwaltung/ stadtbibliothek/angebote-und-dienstleistungen/schiffsbibliothek-ms-stadt-thun.html (Zugriff: 22.08.2009) 3 MOVING LIBRARIES 77 „nur“ als ein Serviceangebot unter vielen angeboten und dienen ausschließlich der Unterhaltung an Bord. Da nicht mit anspruchsvollen Fragen seitens der Bibliotheksnutzer gerechnet wird und die Bibliothek innerhalb des Schiffes keine hohe Priorität besitzt, wird auf die Betreuung der Bibliothek durch qualifiziertes Fachpersonal verzichtet. Die Betreuung findet durch angelernte Assistenten statt, die jeweils für einige Monate auf den Schiffen mitfahren. 3.2.1.2.2 Öffentliche Büchereischiffe Eine völlig andere Aufgabe für eine vollkommen andere Zielgruppe nehmen Öffentliche Büchereischiffe wahr. Ihre Aufgaben sind vergleichbar mit denen der Bücherbusse. Sie übernehmen oder ergänzen in Regionen, die schlecht mit stationären Bibliotheken ausgestattet sind, die Literatur- und Informationsversorgung der Bevölkerung – und zwar auf dem Wasserweg. Da die Aufgabenbereiche, Existenzzwecke und Einsatzmöglichkeiten von Bücherbussen bereits ausführlich in Kapitel 3.2.1.1 beschrieben wurden, werden nachfolgend vertretungsweise lediglich zwei Beispiele für Öffentliche Büchereischiffe vorgestellt. Asien In Bangladesch werden durch die Organisation SHIDHULAI SWANIRVAR SANGSTHA Schiffsbibliotheken betrieben, die Bücher, Bildung und Technologie in abgeschiedene, durch Über289 schwemmungen heimgesuchte Regionen des Landes bringen. Für dieses Projekt wurde die Organisation 2005 mit dem „Access to Learning Award” (ATLA) der Bill & Melinda Ga290 tes Foundation ausgezeichnet. Dieser Preis wird jährlich für Bibliotheksprojekte vergeben, die sich außerhalb der USA für die Informationsversorgung der Bevölkerung sowie für freien Zugang zu Computern und Internet, vor allem in schwer zugänglichen Regionen, ein291 setzen. Bangladesch ist mit einer Bevölkerungsdichte von 1.000 Menschen pro Quadratkilometer der am dichtesten besiedelte Flächenstaat der Welt. Mehr als 70 Prozent der Bevölkerung 292 leben auf dem Land. Ein großes Problem stellt die große Armut der Bevölkerung dar, die 293 vor allem mit schlechter Bildung und einer hohen Analphabetenrate einhergeht. Ziel von SHIDHULAI SWANIRVAR SANGSTHA ist es daher auf dem Wasserweg mit technisch gut ausgerüsteten Bootsbibliotheken die Landbevölkerung mit Informationen zu versorgen. Es geht beispielsweise darum, durch Erklärung neuer Landwirtschaftstechnologien, das Leben der Bevölkerung zu verbessern. 289 290 291 292 293 Vgl.: BuB-Redaktion (2006): Auszeichnung. Boat People „Access to Learning Award“ der Gates Foundation geht nach Bangladesch, S. 107 Vgl.: Bill & Melinda Gates Foundation (2005): 2005 Access to Learning Award. Shidhulai Swanirvar Sangstha. URL: http://www.gatesfoundation.org/atla/Pages/2005-shidhulai-swanirvar-sangsthabangladesh.aspx (Zugriff: 22.08.2009) Vgl.: Bill & Melinda Gates Foundation (o.J.): Programs & Partnerships. Access to Learning Award. URL: http://www.gatesfoundation.org/atla/Pages/access-to-learning-award-overview.aspx (Zugriff: 22.08.2009) Vgl.: Wikipedia (o.J.): Bangladesch. URL: http://de.wikipedia.org/wiki/Bangladesch (Zugriff: 22.08.2009) Vgl.: BuB-Redaktion (2006): Auszeichnung. Boat People „Access to Learning Award“ der Gates Foundation geht nach Bangladesch, S. 107 f. 78 MIRIAM HÖLSCHER & CORINNA SEPKE „If the students cannot come to the school because of poor communication then 294 the school should come to them” Die Bootsbibliotheken decken einen Radius von ca. 240 km im nördlichen Bangladesch ab. Zu den Bootsbibliotheken gehören auch Schul- und Computerboote, die mit Internetzugängen, Computern, mobilen Telefonen etc. ausgestattet sind. Besonders für Mädchen und Frauen bringt das Projekt einen positiven Nebeneffekt mit sich. Die sehr konservativ eingestellte Bevölkerung weigert sich oftmals, Mädchen Zugang zu Bildung zu verschaffen, um sie „beaufsichtigen“ zu können. Die Bootsbibliotheken bieten jedoch auch den Mädchen die Möglichkeit, am Bildungsprogramm teilzunehmen, da ihre Eltern dort „ein Auge auf sie haben können“. Mittlerweile sind ca. 70 Prozent der Besucher der Bootsbibliotheken 295 Frauen (siehe Abbildung 28). Abbildung 28: Bootsbibliotheken in Bangladesch 296 Skandinavien In Finnland werden Büchereischiffe eingesetzt, um die Schärenregion Åboland mit Literatur 297 zu versorgen. In dieser Region können viele Bibliotheken nur per Autofähre oder Schiff erreicht werden. In Åboland wurde eine Kooperation zwischen acht kommunalen Bibliotheken ins Leben gerufen, um ressourcenschonend einen guten Bibliotheksservice für die Bevölkerung anbieten zu können. Diese Kooperation wird als „Blanka-Netzwerk“ bezeich298 net. Die Bibliotheksnutzer können die Bestände aus allen angeschlossenen Bibliotheken nutzen. Die angeforderten Medien werden einmal pro Woche mittels internen Leihverkehrs zwischen den Blanka-Bibliotheken ausgetauscht. Das Ziel des BLANKA-NETZWERKES lautet: „With its base in the archipelago, its openness to the world and accumulated competence, Blanka wants to support development in the region and work for an at- 294 295 296 297 298 BuB-Redaktion (2006): Auszeichnung. Boat People „Access to Learning Award“ der Gates Foundation geht nach Bangladesch, S. 108; auch: Bill & Melinda Gates Foundation (2005): 2005 Access to Learning Award Vgl. Ebd. Vgl.: Bill & Melinda Gates Foundation (o.J.): Rivers of Technology. How Boats Are Bringing Libraries to Rural Bangladesh. Eigene Fotomontage aus: URL 1. Bild: http://www.gatesfoundation.org/atla/Pages/rurallibraries-on-boats-in-bangladesh.aspx/children-walking-into-boat-atla-2005; URL 2. Bild: http://www.gatesfoundation.org/atla/Pages/rural-libraries-on-boats-in-bangladesh.aspx/women-usingcomputers-in-library-atla-2005 (Zugriff: 22.08.2009) Vgl.: Johansson, M. (2007): Joint operating strategy, S. 9 ff. Vgl. ebd. S. 9 3 MOVING LIBRARIES 79 tractive and viable Åboland. […] Within Blanka, the user is the focal point. With kind treatment, flexible service and a diverse selection, Blanka wants to provide service to 299 everyone.“ 3.2.1.2.3 Forschungsschiffe Auch aus dem Bereich der Bibliotheken auf Forschungsschiffen wird nachfolgend ein Beispiel vorgestellt. Da der Rücklauf der Online-Befragung jedoch keine Rückschlüsse auf Forschungsschiffsbibliotheken zulässt, können keine allgemeingültigen Angaben zu Bestandsaufbau und bibliothekarischer Arbeit an Bord gemacht werden. 300 Abbildung 29: Bibliothek auf dem Forschungsschiff „Polarstern" Auf dem Forschungsschiff „Polarstern“ des Alfred-Wegener-Instituts für Polar- und Meeresforschung (AWI) befindet sich eine Bordbibliothek (siehe Abbildung 29), die vom Hauptstandort des AWIs in Bremerhaven aus betreut wird. Während der Expeditionen ist 301 der jeweilige Fahrtleiter für die Bordbibliothek verantwortlich. Nutzer der Bibliothek sind Wissenschaftler und Forscher, die an Expeditionen der „Polarstern“ teilnehmen. Sie können die Bibliothek ganztägig nutzen. 299 300 301 Johansson, M. (2007): Joint operating strategy, S. 10 Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung (AWI) (o.J.): Die Bibliothek an Bord des Forschungsschiffes „Polarstern”. URL: http://www.awi.de/de/infrastruktur/bibliothek/aussenstellen/ polarstern_bordbibliothek/ (Zugriff: 22.08.2009) Vgl.: Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung (AWI) (o.J.): Die Bibliothek an Bord des Forschungsschiffes „Polarstern” 80 MIRIAM HÖLSCHER & CORINNA SEPKE Der Bestandsaufbau der Bibliothek richtet sich stark nach dem Bedarf, der von den Forschern geäußert wird. So soll die Bordbibliothek in erster Linie Überblicksliteratur zu Fach302 richtungen enthalten, die im AWI erforscht werden. Dies sind vor allem: Biologie, Chemie, Geologie, Geophysik, Glaziologie, Meteorologie und Ozeanographie mit dem Schwerpunkt 303 304 Polarforschung. Die Bibliothek an Bord enthält zurzeit ca. 1.000 Bände, zu denen pro Jahr zwischen acht und 50 Bücher hinzukommen. Grundsätzlich werden die Bücher nur auf ausdrückliche Bedarfsäußerungen der Wissenschaftler angeschafft, da jedes Buch 305 zusätzliche Transportkosten währen der Fahrt des Schiffes verursacht. 3.2.1.3 „Lebende“ mobile Bibliotheken Neben den motorisiert betriebenen Fahrbibliotheken gibt es auch Moving Libraries, die auf Tieren oder sogar durch menschliche Kraft transportiert werden und insofern „lebende“ mobile Bibliotheken sind. Unterschieden werden die „lebenden“ mobilen Bibliotheken daher nachfolgend nach Art des „Transportmittels“ in mobile Bibliotheken, die auf dem Rücken von Tieren (beispielsweise Eseln oder Kamelen) oder mobile Bibliotheken, die durch menschliche Kraft (z.B. Fahrradbibliotheken) fortbewegt werden. 3.2.1.3.1 Moving Libraries auf dem Rücken von Tieren Dieser Typus der Moving Libraries ist hauptsächlich in schwer zugänglichen Gebieten in Afrika, Asien oder Südamerika anzutreffen. Dort ist die Hauptaufgabe der mobilen Bibliotheken, Bücher und somit Informationen zu den Menschen zu bringen und auf diese Weise Leseförderung zu betreiben. Nicht selten kommt es vor, dass die Betreiber der „lebenden“ Moving Libraries idealistische Einzelpersonen sind. Sie übernehmen nicht nur privat die Literaturversorgung der Landbevölkerung, sondern unterrichten diese auch im Lesen und 306 Schreiben, sofern dies zeitlich und organisatorisch möglich ist. Eselsbibliotheken in Südamerika und Afrika So versorgt beispielsweise der Lehrer Luis Soriano jedes Wochenende mit seinen „Biblioburros“ (siehe Abbildung 30) die Farmarbeiter und Dorfbewohner in Kolumbien mit 307 Büchern. „Der Lehrer will die Welt zu seinen Lesern bringen. Ins kriegsmüde Hinterland von 308 Kolumbien.“ 302 303 304 305 306 307 308 Vgl.: Leiding, Karin (2009): Re: Fragen zur Bibliothek der Polarstern. E-Mail vom 24.08.2009 Vgl. Ebd. Stand August 2009 Vgl.: Leiding, K. (2009): Re: Fragen zur Bibliothek der Polarstern [elektronische Quelle] Vgl.: NDR Fernsehen (2009): Kolumbien – Literatur auf Eseln. Sendung Weltbilder vom 07.04.2009. URL: http://www3.ndr.de/sendungen/weltbilder/videos/weltb1098.html (Zugriff: 22.08.2009) Vgl.: NDR Fernsehen (2009): Kolumbien – Literatur auf Eseln; auch: Lachmann, Katharina (2009): Die etwas andere Fahrbibliothek II. Blog-Beitrag vom 09.04.2009. URL: http://bibliothekarisch.de/blog/tag/biblioburro/ (Zugriff: 22.08.2009) NDR Fernsehen (2009): Kolumbien – Literatur auf Eseln, Min. 0:20 3 MOVING LIBRARIES 81 Er erhält keinerlei staatliche Unterstützung, sondern muss sogar mit Drohungen der Guerilla rechnen, denen seinen Bemühungen ein Dorn im Auge sind. Abbildung 30: Biblioburro in Kolumbien 309 In Kolumbien herrscht sowohl große Armut als auch ein Mangel an Bildung, da es zum Teil nicht einmal Schulen in den Dörfern gibt und Soriano somit den einzigen Anknüpfungspunkt zur Außenwelt und somit auch zu Bildung darstellt. Gerade der Mangel an Bildung 310 und die große Armut sind es, die den Konflikt in Kolumbien weiter schüren. Dagegen kämpft die mobile Bibliothek an. So sagt SORIANO: „Ein Buch kann die Welt verändern.“ 311 „[…] wenn Schulen keine Bücher haben, dann können Kinder keinen Frieden ler312 nen!“ Auch in Kenia, wo der größte Teil der Bevölkerung in schwer zugänglichen Gebieten wohnt, werden Bücher und Informationen mit Hilfe von Eselsbibliotheken zu den Men313 schen transportiert. Die Esel sind die Tiere, welche am häufigsten von der Bevölkerung zu Transportzwecken oder zur Arbeit eingesetzt werden. Deshalb hat sich das Kenya-NationalLibrary-Services-Netzwerk dazu entschieden, die Esel auch für den Transport von Bibliothekswagen einzusetzen. Auf diese Weise versorgen die Eselsbibliotheken ungefähr 30 Dörfer in der Region Nyilima. Die Bibliothekare kennen die Bedürfnisse jedes einzelnen Dorfes und versuchen mit ihren Angeboten, die bestmögliche Literaturversorgung sicherzustel314 len. Die Eselsbibliotheken ermöglichen besonders den Schulkindern, den „Blick über den 309 310 311 312 313 314 Elitempo.com (o.J.): URL: http://www.eltiempo.com/IMAGEN/IMAGEN-4498304-1.jpg (Zugriff: 22.08.2009) Vgl.: NDR Fernsehen (2009): Kolumbien – Literatur auf Eseln, Min. 2:40 Ebd. Min. 2:56 Ebd. Min. 5:45 Vgl.: Francescutti, Paul (o.J.): Remote Access. Distant libraries of the World. DVD, 3. Teil, Min. 0:32 ff. Vgl. ebd. 3. Teil, Min. 1:37 ff. 82 MIRIAM HÖLSCHER & CORINNA SEPKE Tellerrand“ zu richten, indem sie ihnen den Zugang zu Informationen auch über andere 315 Regionen Kenias oder der Welt verschaffen. Eselsbibliotheken werden ebenfalls in Äthiopien eingesetzt, um vor allem Bücher in der 316 Landessprache Amharisch an Schulkinder zu verteilen. Auch dort ist der Hauptgrund für den Einsatz der mobilen Bibliotheken die unzugängliche Lage der Region, die selbst über keine Bibliotheken verfügt. Kamelbibliotheken in Afrika 317 Abbildung 31: Kamelbibliothek in Kenia In den unzugänglichen Wüsten-Gebieten im Nordosten von Kenia, werden Bücher auf dem Rücken von Kamelen (siehe Abbildung 31) zu Schülern transportiert. In der Region Garissa gibt es überdurchschnittlich viele Menschen, die weder lesen noch schreiben können. 85 Prozent der Bevölkerung in dieser Region sind Analphabeten, der Landesdurchschnitt liegt 318 bei 31 Prozent. An fünf Tagen pro Woche sind die mobilen Bibliotheken mit einem Kamelführer, einem Bibliothekar und ihrer Fracht unterwegs. Am Ziel angekommen, schlagen sie eine Zeltbibliothek auf. Die Bücher können für zwei Wochen ausgeliehen werden, danach kehrt die 319 Moving Library zurück, um die Titel auszuwechseln. Auf diese Weise werden ungefähr 3.000 Nomaden in zwölf Dörfern erreicht. 315 316 317 318 319 Vgl. ebd. 3. Teil, Min. 2:36 ff. Vgl.: Blunt, Elizabeth (2009): Donkeys boost Ethiopian literacy. Beitrag in BBC News vom 08.01.2009. URL: http://news.bbc.co.uk/2/hi/africa/7777560.stm (Zugriff: 22.08.2009) Ruurs, M. (2005): My librarian is a camel, S. 18 Vgl.: Francescutti, P. (o.J.): Remote Access, 3. Teil, Min. 3:29 ff. Vgl.: Ruurs, M. (2005): My librarian is a camel, S. 19 3 MOVING LIBRARIES 83 Elefantenbibliotheken in Asien 320 Abbildung 32: Elefantenbibliothek in Thailand In der Region Omkoi im nördlichen Thailand gibt es weder Schulen noch Bibliotheken, so dass die Bevölkerung oftmals weder lesen noch schreiben kann. Die thailändische Regierung erhofft sich, durch Programme zur Leseförderung dieses Problem lösen zu können. Da einige Dörfer in Omkoi vor allem in der Regenzeit sehr schwer erreichbar sind, werden zu 321 diesem Zweck Elefanten-Bibliotheken eingesetzt (siehe Abbildung 32). Elefanten werden traditionell in Thailand zur Bearbeitung der Felder und zum Transport schwerer Waren eingesetzt, so dass es für die Regierung naheliegend erschien, die Elefanten auch für den Transport von Büchern einzusetzen um diese für Menschen in entlegenen Regionen zugänglich zu machen. Es werden über 20 Elefanten als Transportmittel für die mobilen Bibliotheken in Omkoi eingesetzt. Jedes Team verbringt zwei bis drei Tage in den Dörfern, bevor die Bibliotheken weiterziehen. 2005 wurden 37 Dörfer mit insgesamt fast 2.000 Menschen auf diese Weise mit Informationen und Literatur zum Lesen- und 322 Schreibenlernen versorgt. 3.2.1.3.2 „Menschliche“ Moving Libraries Neben den vorgestellten Bibliotheken, die auf dem Rücken von Tieren transportiert werden, gibt es auch Regionen, die zu Fuß (z.B. die Andenregion Cajamarca) oder per dem Fahrrad (beispielsweise in Indonesien) mit Büchern versorgt werden. Den augenzwinkernden Abschluss dieses Kapitels bildet eine „menschliche“ Moving Library in England, bei der Besucher einer Strandbibliothek per Schubkarre bedient werden. 320 321 322 Ruurs, M. (2005): My librarian is a camel, S. 28 Vgl. ebd. S. 28 Vgl.: Ruurs, M. (2005): My librarian is a camel, S. 29 84 MIRIAM HÖLSCHER & CORINNA SEPKE Bibliotheksarbeit zu Fuß in Südamerika In Cajamarca, einer Region in den Anden Perus, gab es bis in die 1970er Jahre hinein keinen oder kaum Zugang zu Büchern für die dortigen Farmarbeiter (die sogenannten Campesinos). Daher konnten nur wenige Menschen in den ländlichen Gebieten lesen. 1970 wurde die „Association of Rural Libraries of Cajamarca“ gegründet, um der Bevölkerung auch in 323 schlecht zugänglichen Gebieten den Zugang zu Literatur zu verschaffen. Seit Gründung der Association sind mehr als 700 Bibliotheken entstanden, die weit über 60.500 Menschen mit Büchern versorgen. Dabei wird ein Gebiet von ca. 15.000 Quadratkilometern abgedeckt. Das System der Literaturversorgung funktioniert folgendermaßen: Insgesamt zwölf „regional directors“ holen drei bis vier Mal pro Jahr Bücher in der Zentralbibliothek in Cajamarca City ab. Da kaum Fahrzeuge zur Verfügung stehen, werden die Bücher in Satteltaschen per Bus oder sogar zu Fuß nach Hause transportiert. Bibliotheksgebäude gibt es in den ländlichen Regionen nicht. Die Bücher werden daher bei den jeweiligen „library families“ aufbewahrt und von dort aus an die Bevölkerung ausgeliehen. Sergio Diaz Estela, einer der „regional directors“ begibt sich von der Bibliothek in seinem Haus aus zu Fuß in die umliegenden Dörfer, was zum Teil einen Fußmarsch von mehreren 324 Stunden bedeutet. Estela übernimmt jedoch nicht nur den Transport der Bücher, sondern organisiert auch monatliche Lesezirkel, die zum Lesenlernen, Vorlesen, gemeinsamen 325 Lernen und als sozialer Treffpunkt genutzt werden. Die Campesinos erleben den Zugang zu Literatur und damit zu Bildung als besonderen Triumph, da sie viele Jahre lang darauf verzichten mussten: „In Peru they say: The farmers don’t know how to read. The farmers use tools. So why give the farmers books? The significance is when the books came, we learned 326 how to read.” Sichtbarer Erfolg der Bibliotheksarbeit in Cajamarca ist die Enzyklopädie „Biblioteca Campesina“, die von den Campesinos herausgegeben wird. Mittlerweile sind über 100 Bücher entstanden, die sich mit der lokalen Geschichte und Kultur sowie den Legenden der 327 Campesinos beschäftigen. Die Bücher bedeuten für die Campesinos Bildung und Kultur. Sie nutzen die Lesezirkel als soziale Treffpunkte, um gemeinsam Geschichten zu hören, zu erzählen und miteinander zu lernen. 323 324 325 326 327 Vgl.: Francescutti, P. (o.J.): Remote Access, 2. Teil, Min. 0:32 ff. Vgl. ebd. 2. Teil, Min. 4:16 ff. Vgl. ebd. 2. Teil, Min. 2:23 ff. Francescutti, P. (o.J.): Remote Access, 2. Teil, Min. 5:46 ff. Ebd. 2. Teil, Min. 3:35 ff. 3 MOVING LIBRARIES 85 Fahrradbibliotheken in Asien In Surabaya in Indonesien, werden aus Kostengründen Fahrradbibliotheken (siehe Abbildung 33) eingesetzt, um die Bevölkerung mit 329 Informationen zu versorgen. Vor allem ist es für die Fahrradbibliotheken wesentlich einfacher, durch die verwinkelten Straßen der Stadt zu fahren, als es für motorisierte Fahrbüchereien wäre. 328329 Abbildung 33: Fahrradbibliothek in Asien Strandbibliothek in England Die Blackpool Strand-Bibliothek (siehe Abbildung 34) bringt ihre Fracht per Schubkarre zu den Lesern direkt an den Strand. Die Leser müssen nicht bei der Bibliothek als Nutzer registriert sein, die Rückgabe der Bücher erfolgt einfach nach dem Lesen zurück in die Schubkarre. Das Ziel der Bibliothek ist es, Spaß am Lesen zu vermitteln und den Lesern klar zu 330 machen, dass „Bibliotheken keine Gebäude sind, sondern Serviceleistungen“. In Anbetracht der vielen ähnlichen 332 Ideen , die den Verfasserinnen in ihrer strukturierten Kurzbefragung übermittelt wurden, lässt sich schließen, dass ein solcher Service nicht nur in England, sondern auch an deutschen Stränden und Strandbädern auf Begeisterung stoßen würde! 331 Abbildung 34: Schubkarrenbibliothek 328 329 330 331 332 Ruurs, M. (2005): My librarian is a camel, S. 17 Vgl. ebd. S. 17 Ebd. S. 12 Ruurs, M. (2005): My librarian is a camel, S. 12 Siehe Kapitel 2.2; sowie Kapitel 5.1.2 86 MIRIAM HÖLSCHER & CORINNA SEPKE 3.2.2 Mobile Bibliotheksdienstleistungen 333 Wie eingangs des Kapitels definiert , werden unter Moving Libraries in dieser Arbeit nicht nur Bibliotheken verstanden, die selbst transportabel und somit mobil sind. Als Moving Libraries werden auch stationäre Bibliotheken oder Bibliotheksfilialen bezeichnet, die an Orten und Plätzen stationiert sind, an denen die mobile Bevölkerung täglich vorbeikommt. Auch mit stationären Bibliotheken an stark frequentierten Standorten gehen Bibliotheken aktiv auf ihre Nutzer zu, um deren Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, Leseförderung zu betreiben und neue Nutzer zu gewinnen. Damit unterstützen und begleiten Bibliotheken die Mobilität der Bevölkerung und leisten einen aktiven Beitrag zur Literatur- und Informationsversorgung der modernen Informationsgesellschaft. Zu diesen mobilen Bibliotheksdienstleistungen zählen nach Ansicht der Verfasserinnen einerseits Bibliotheksstandorte oder -automaten an stark frequentierten urbanen Plätzen, wie zum Beispiel in U-Bahn-Stationen, als auch Liefer- oder Abholservices, beispielsweise in Kooperation mit der Post, bei denen die Bibliothek ihren Nutzern ebenfalls entgegenkommt. Primäre Aufgabe dieser Form der Moving Libraries ist im Gegensatz zu den in Kapitel 3.3.1 vorgestellten mobilen Bibliotheken nicht die Versorgung der Bevölkerung in schlecht angebundenen Regionen. Ziel ist es vielmehr, aktiv auf die mobile Bevölkerung zuzugehen, um die Zeitpotenziale zu nutzen, die sich beispielsweise für Berufspendler durch die Fahrt in öffentlichen Verkehrsmitteln zur Arbeitsstelle ergeben. 3.2.2.1 Stationäre Bibliotheken an stark frequentierten Plätzen 3.2.2.1.1 Bibliotheken in Metro- und U-Bahn-Stationen In Madrid bieten die öffentlichen Bibliotheken in Kooperation mit der Stadtverwaltung ihren Lesern einen besonderen Service an: In insgesamt elf Metrostationen wurden Biblio334 theksfilialen, die so genannten „Bibliometros“, eingerichtet. Dort wird den Bibliotheksnutzern jeweils ein Buchbestand von ca. 500 Bänden zur Ausleihe angeboten. Die Ausleihe ist für alle Leser, die einen Ausweis der Öffentlichen Bibliotheken haben, kostenlos. Für Leser, die noch keinen Ausweis haben, besteht die Möglichkeit, sich diesen direkt vor Ort in den Bibliometros ausstellen zu lassen. Das Ziel des Projekts war in erster Linie, die Lust am Lesen bei der Bevölkerung zu wecken. Als die Bibliometros 2005 ins Leben gerufen wurden, lag die Quote der Nicht-Leser in Spa335 nien bei 47 Prozent. Um dies zu ändern, zog die Bibliothek dorthin, wo die Menschen sind – in die U-Bahn-Stationen, die von ca. zweieinhalb Millionen Menschen täglich fre336 Die Nutzer der quentiert werden, beispielsweise um zum Arbeitsplatz zu fahren. Bibliometros können die Zeit, die sie in der Metro verbringen, mit Lektüre verbinden. Im Be- 333 334 335 336 Siehe Kapitel 3.1 Vgl.: Lesenetzwerk.at (o.J.): Lesen im Untergrund. Bibliometro: Madrid will mit U-Bahn-Bibliotheken Lust am Lesen steigern. URL: http://www.lesenetzwerk.at/index.php?id=246 (Zugriff: 22.08.2009) Vgl.: Deutschlandradio Kultur (2005): Bibliometro. Eine Initiative zur Leseförderung in Madrid. Beitrag vom 26.08.2005, Autor: Ziolkowski, Gregor. URL: http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/fazit/411664/ (Zugriff: 22.08.2009) Vgl.: Lesenetzwerk.at (o.J.): Lesen im Untergrund 3 MOVING LIBRARIES 87 stand befinden sich aktuelle Bestseller, Poesie und Horror, Science-Fiction und Biografien, 337 Kinderbücher und Klassiker der Weltliteratur. Das Design der Bibliometros ist futuristisch und auffallend gestaltet (siehe Abbildung 35), um die Aufmerksamkeit der Metrobenutzer auf sich zu ziehen. Die einzelnen Module sind 16 Quadratmeter groß und strahlend hell erleuchtet. In die Längsfassaden ist jeweils ein Schalterfenster mit Computerbildschirm eingearbeitet. Dort können sich die Bibliometro338 Besucher registrieren lassen und Auskünfte einholen. 339 Abbildung 35: Bibliometro (Madrid) Diese Strategie scheint aufzugehen: pro Bibliometro-Modul werden täglich über 40 Bücher 340 ausgeliehen. Eine Rückgabe der entliehenen Medien ist auch außerhalb der Öffnungszeiten und an jedem beliebigen Bibliometro-Modul möglich: über den Strichcode des Buches 341 kann eine Rückgabe-Klappe geöffnet werden. Ein ähnliches Konzept, wie das der Bibliometros in Madrid, gibt es auch in Santiago de Chi342 le. Dort können Fahrgäste an insgesamt elf Metrostationen der U-Bahn gegen eine gerin343 ge Jahresgebühr Bücher entleihen. Auch in Kolumbien und in Valencia gibt es Biblio344 theksstandorte in den U-Bahnen. 337 338 339 340 341 342 343 344 Vgl.: Deutschlandradio Kultur (2005): Bibliometro Vgl. ebd. Paredes Pedrosa Arquitectos (2009): Bibliometro de Madrid. Eigene Fotomontage. URL: http://directorioarco.blogspot.com/2009/01/paredes-pedrosa-arquitectosbibliometro.html (Zugriff: 22.08.2009) Vgl.: Lesenetzwerk.at (o.J.): Lesen im Untergrund Vgl.: Deutschlandradio Kultur (2005): Bibliometro Vgl.: Guía de Servicios del Estado (2008): Inscripción de socios en Bibliometro. Beitrag vom 03.11.2008. URL: http://www.chileclic.gob.cl/1481/article-46525.html (Zugriff: 22.08.2009) Vgl.: Schultheis, Alexander H.T. (2005): In der Metropole spielt die Musik. Das Bibliothekswesen in Chile. Eine kurze Analyse. In: BuB 57, H. 9, S. 573 Vgl.: Wikipedia (o.J.): Bibliometro. URL: http://es.wikipedia.org/wiki/Bibliometro (Zugriff: 22.08.2009) 88 MIRIAM HÖLSCHER & CORINNA SEPKE Jedoch nicht nur in der spanisch-sprachigen Welt, auch in Stockholm wurde im Februar 2009 die erste Bibliotheksfiliale in einer U-Bahnstation eröffnet. Die Station wird täglich von ca. 3.000 Pendlern frequentiert, was einen enormen Zustrom an potenziellen Kunden für 345 die Bibliotheksfiliale bedeutet. Erweitert wird dort das Angebot durch eine Lounge, in der die Leser bereits morgens ab 7.00 Uhr Kaffee trinken, Zeitungen und Zeitschriften lesen und Musik für den MP3-Player herunterladen können. Zwei weitere U-Bahn-Bibliotheken 346 werden im Laufe des Jahres 2009 folgen. Die Kulturbürgermeisterin SJÖSTEDT beschreibt den Mehrwert, den diese U-BahnBibliotheksfilialen den Nutzern bringen werden folgendermaßen: „Eine Bibliothek an einem Platz zu haben, an dem viele zur Arbeit und zurück vorbeigehen, ist toll. Besonders die Lounge, die früh morgens öffnet, für den, der Zeitung lesen will, Bücher zurückgeben, studieren oder einen Kaffee trinken will auf 347 dem Weg zur Arbeit. Das ist eine Verbesserung für Högdalen.“ Mit den U-Bahn-Bibliotheken sollen in Stockholm vor allem Teenager und Berufstätige an348 gezogen und auf diese Weise als neue Kunden für die Bibliotheken gewonnen werden. 3.2.2.1.2 Bibliotheken in Einkaufszentren Auch große Einkaufszentren sind in der Regel urbane Orte, die starken Zulauf aus der Bevölkerung haben. Es erscheint daher naheliegend, mit Bibliotheksfilialen in Einkaufszentren sowohl Bibliotheksnutzern die Möglichkeit zu geben, den Besuch der Bibliothek mit der Erledigung der notwendigen Einkäufe zu kombinieren, als auch Besucher der Einkaufszentren durch Bibliotheksangebote, die „auf dem Weg liegen“, als neue Nutzer für die Bibliotheken zu gewinnen. Ein Beispiel dafür sind Einkaufszentren an den Rändern großer Städte wie Santiago, La Serena oder Concepción in Chile. Dort werden Bibliotheksfilialen unter dem Namen 349 „Biblioteca Viva“ eingerichtet, um die Literaturversorgung der Bevölkerung zu sichern. In Chile sind Bücher mit einer Luxussteuer belegt und daher sehr teuer. Hinzu kommt, dass aufgrund der Größe des Landes weite Transportwege in Kauf genommen werden müssen. Ein weiterer Grund, warum die Bibliotheken in den Einkaufszentren für die Literaturversorgung in Chile eine wichtige Rolle spielen, ist, dass die Chilenen sich dort am Wochenende ohnehin nicht nur zum Einkaufen, sondern auch für die Freizeitgestaltung, wie beispielsweise für Kinobesuche oder zum Bowling aufhalten und der Weg in die Bibliothek somit 350 keinen Umweg darstellt. 345 346 347 348 349 350 Vgl.: Mittrowann, Andreas (2009): Stadtbibliothek Stockholm eröffnet U-Bahn-Filiale. Blog-Beitrag vom 21.02.2009. URL: http://globolibro.wordpress.com/?s=stockholm (Zugriff: 22.08.2009) Vgl.: Gyllenberg, Eva-Karin (2009): Premiär for T-bibblan. In: Dagens Nyheter. Beitrag vom 19.02.2009, Übersetzung durch: Stehling, Stefanie. URL: http://www.dn.se/sthlm/premiar-for-t-bibblan-1.803127 (Zugriff: 22.08.2009) Ebd. Vgl. Ebd. Fundación La Fuente (2009): Biblioteca viva. URL: http://www.bibliotecaviva.cl/ (Zugriff: 22.08.2009) Vgl.: Schultheis, A.H.T. (2005): In der Metropole spielt die Musik, S. 573 3 MOVING LIBRARIES 89 Bibliotheken in Einkaufszentren stellen längst keine neue Errungenschaft mehr dar. So gibt es weltweit Beispiele für dieses Konzept, die allesamt sehr erfolgreich sind und von der Bevölkerung gern angenommen werden. Beispielsweise gab es in Singapur mit der Library@orchard (siehe Abbildung 36) zwischen 1999 und 2007 eine style-Bibliothek“ auf dem ShoppingBoulevard Orchard Road, einer luxuriö352 sen Mall. Die Bibliothek war speziell auf eine Zielgruppe von 18- bis 35jährigen Berufstätigen ausgerichtet. 351 Abbildung 36: library@orchard Vor Ort konnte RATZEK sich ein Bild von der Ausstattung und den Beständen der Bibliothek machen: „Der Zielgruppe entsprechend stehen Medien rund um den Urlaub, Bestseller, eine umfassende Comic-Abteilung (comics@orchard) und Business-Literatur im Mittelpunkt der Erwerbungspolitik, aber auch speziell eingerichtete Musik-Stationen animieren zum Abhören neuer (inter-)nationaler Musiktitel. Ein weiteres Alleinstellungsmerkmal sind die Bestseller, die zeitgleich mit der Verfügbarkeit im Handel auch in der Bibliothek zur Ausleihe zur Verfügung stehen. Ein Café gehört natürlich 353 auch zur Ausstattung.“ 2007 musste die Library@orchard vorübergehend geschlossen werden, da die Mieten in 354 355 der Orchard Road zu hoch wurden. 2013 wird sie dort wiedereröffnet werden , allerdings mit einem etwas geänderten Zielgruppenkonzept. Die neue Library@orchard wird 356 laut Ratzek ein „Youth Community Space“ werden. In Singapur gibt es weitere Bibliotheken, die in Einkaufszentren oder Malls untergebracht sind. Insgesamt hat das National Library Board (NLB) Singapore zehn entsprechende Filia- 351 352 353 354 355 356 National Library Board Singapore (o.J.): Lifestyle Library. URL: http://www.nlb.gov.sg/annualreport/fy99/images/arrivals/pic4.jpg (Zugriff: 22.08.2009) Vgl.: Ratzek, Wolfgang (2006): Singapur. Eine „Schatzinsel“ in der Welt der Bibliotheken. In: B.I.T. online 9, H. 3, S. 241 Ratzek, W. (2006): Singapur, S. 241 Vgl.: Wikipedia (o.J.): library@orchard. URL: http://en.wikipedia.org/wiki/Library@orchard (Zugriff: 22.08.2009) Vgl.: National Library Board Singapore (2009): Moving On. library@orchard in transit. Blog-Beitrag vom 29.05.2009. URL: http://blogs.nlb.gov.sg/orchard/ (Zugriff: 22.08.2009) Vgl.: Ratzek, Wolfgang (2009): Experteninterview, Stuttgart, am 02.07.2009 90 MIRIAM HÖLSCHER & CORINNA SEPKE 357 358 len eingerichtet. Dazu gehört die Library@esplanade in einer Mall an der Marina Bay, deren Bestand auf die „darstellenden Künste“ (Musik, Tanz, Theater und Film) ausgerichtet 359 ist. Ein weiteres Beispiel ist die Sengkang Community Library. Diese ist eine voll-automatisierte Bibliothek, die ohne bibliothekarisches Fachpersonal auskommt. Nutzeranfragen wer360 den über einen telefonischen „cybrarian service“ abgewickelt. Auch in Deutschland gibt es Beispiele für Bibliotheksfilialen, die in Einkaufszentren stationiert sind und somit mit ihren Angeboten dorthin gehen, wo sie von vielen Menschen wahrgenommen werden können. So berichtet die Märkische Oderzeitung über die Ge361 meindebibliothek Hönow, die seit Juli 2009 ins örtliche Einkaufszentrum umgezogen ist. Auch in Berlin gibt es bereits mehrere Bibliotheken in Einkaufszentren, beispielsweise die 362 Ingeborg-Drewitz-Bibliothek im Einkaufscenter „Das Schloss“ oder die Anna-Seghers363 Bibliothek im „Linden-Center“ . Die Idee, Bibliotheksfilialen in Einkaufszentren einzurichten, ließe sich sicherlich im Sinne der Moving Libraries noch weiterentwickeln. Auffallend ist beispielsweise in Einkaufsstraßen großer deutscher Städte, dass immer wieder so genannte „Ein-Euro-Läden“ oder „Schnäppchenmärkte“ eröffnet werden. Denkbar wäre, dass Bibliotheken mit kleinen mobilen „Reisebibliotheken“ für eine gewisse Zeit leerstehende Läden als Bibliotheksfilialen umfunktionieren und in zentraler Stadtlage der Öffentlichkeit interessante bibliothekarische Angebote unterbreiten. MITTROWANN beschreibt diese Idee: „Ich stelle mir vor, dass man zwei Meter hohe Regale hat, die man aufklappen kann, die in einen Container passen und […] verladen werden [können]. Dann sucht man sich einen Store, der im Moment günstig zu mieten ist und richtet den für sechs Monate als Bibliothek ein. Dann hat man den Vorteil, dass man die Infrastruktur mit Strom und Sanitäranlagen [vor Ort] hat und die ganzen Läden drum herum. Und nach sechs Monaten bekommt man [einen Shop] an einem anderen Ort günstiger 364 und zieht dort hin.“ Gerade in ärmeren Städten, in denen viele Läden in zentraler Stadtlage leer stehen, könnte ein solches Konzept interessant sein. Dies würde einerseits das Stadtbild positiv beleben und andererseits neue Kunden in die Bibliotheken ziehen. 357 358 359 360 361 362 363 364 Vgl.: National Library Board Singapore (2002): Sengkang Community Library. Blog-Beitrag vom 19.11.2002. URL: http://infopedia.nl.sg/articles/SIP_671_2005-01-24.html (Zugriff: 22.08.2009) Esplanade (2008): Library@esplanade. URL: http://www.esplanade.com/about_the_centre/ library/index.jsp (Zugriff: 22.08.2009) Vgl.: Ratzek, W. (2006): Singapur, S. 241 f. Vgl.: National Library Board Singapore (2002): Sengkang Community Library; auch: Ratzek, W. (2009): [Experteninterview] Vgl.: Vogt, Irina (2009): „Provisorium besser als Original”. Beitrag in Märkische Oderzeitung vom 14.07.2009. URL: http://www.moz.de/index.php/Moz/Article/category/Strausberg/ id/287601 (Zugriff: 22.08.2009) Vgl.: Stadtbibliothek Steglitz-Zehlendorf (o.J.): Ingeborg-Drewitz-Bibliothek. URL: http://www.stadtbibliothek-steglitz-zehlendorf.de/ingeborgdrewitz.html (Zugriff 22.08.2009) Vgl.: Stadtbibliothek Berlin-Lichtenberg (2005): Anna-Seghers-Bibliothek im Linden-Center. URL: http://www.stadtbibliothek-berlin-lichtenberg.de/seghers.htm (Zugriff: 22.08.2009) Mittrowann, Andreas (2009): Experteninterview, Reutlingen, am 16.07.2009 3 MOVING LIBRARIES 91 3.2.2.1.3 Bibliotheksautomaten Eine weitere Möglichkeit für Bibliotheken, mit ihren Dienstleistungen an stark frequentierten Plätzen präsent zu sein, stellen Bibliotheks- oder Buchautomaten dar, wie sie beispielsweise unter dem Namen „Biblio24“ (siehe Abbildung 37) in Deutschland durch die ekz angebo365 ten werden. Die Bibliotheksautomaten können an jedem beliebigen Platz, der über einen Stromanschluss verfügt, aufgestellt werden. Als Standorte wären Flughäfen, Bahnhöfe, Einkaufszentren, Krankenhäuser, Hotels oder auch Foyers großer Firmen denkbar. Bibliotheksautomaten gibt es in verschiedenen Größen. Biblio24 kann beispielsweise mit 200, 367 400 oder 600 Medien bestückt werden. 366 Abbildung 37: Biblio24 In Schweden werden die so genannten „Bokomaten“ eingesetzt, die jeweils bis zu 500 Me368 dien enthalten können. Die Bücher, DVDs, Hörbücher etc. werden im Automaten in einer Leihkassette aufbewahrt, durch die die Medien geschützt sind. Für die Rückgabe der Medien gibt es je nach Entscheidung der Bibliothek entweder die Möglichkeit, nur Medien, die im Automaten ausgeliehen wurden, dort auch zurückzugeben – oder auch Medien, die in einer der angeschlossenen Bibliotheksfilialen ausgeliehen wurden. Mittels RFID-Technik werden die Bücher erkannt, zurückgebucht und stehen sofort 369 den nächsten Lesern zur Verfügung. 365 366 367 368 369 ekz.bibliotheksservice GmbH (2008): Bibliothekstechnik. Biblio 24. URL: http://www.ekz.de/uploads/media/Biblio24_02.pdf (Zugriff: 22.08.2009) Vgl. ebd. Vgl. ebd. Vgl.: YouTube (2007): Bokomaten 4 WLS. Video-Beitrag vom 11.04.2007. URL: http://www.youtube.com/watch?v=g8pl6Nkrvhc&feature=related (Zugriff: 22.08.2009) Vgl.: ekz.bibliotheksservice GmbH (2008): Bibliothekstechnik; auch: YouTube (2007): Bokomaten 4 WLS 92 MIRIAM HÖLSCHER & CORINNA SEPKE Die Auswahl der Medien erfolgt über einen Touchscreen (siehe Abbildung 38), die Identifikation der Leser über ihren Bibliotheksausweis und die Eingabe einer PIN (Personal 371 Identification Number). Abbildung 38: Bibliotheksautomaten in Shenzhen 370 371 372 373 Eingesetzt werden Bibliotheksautomaten bereits in Schweden , in Kalifornien , in Slowe374 nien, in Portugal, in Italien, in den Niederlanden oder in China, wo allein in der Stadt 375 Shenzhen ca. 50 Buchautomaten aufgestellt wurden. In Deutschland werden im Moment noch keine Bibliotheksautomaten eingesetzt. Allerdings gibt es Beispiele für „Literatur aus Automaten“, so dass die Verfasserinnen der Ansicht sind, dass es nur noch eine Frage der Zeit ist, bis die Bibliotheksautomaten auch deutschen Bibliotheksnutzern zur Verfügung gestellt werden. Der Vollständigkeit halber werden zwei Beispiele für den Einsatz von Buchautomaten in Deutschland genannt. Zum einen stellte der Reclam-Verlag 1912 erstmals Buchautomaten für den Verkauf her, die in Bahnhöfen, Krankenhäusern, Kasernen und auf Schiffen aufgestellt wurden. Da die Reparatur- und Wartungskosten für die Automaten jedoch zu hoch wurden, wurde das Experiment 1930 376 trotz guter Verkaufszahlen wieder eingestellt. 370 371 372 373 374 375 376 China View (2008): Automated library machine debuts in Shenzhen. Beitrag vom 08.04.2008. URL: http://news.xinhuanet.com/english/2008-04/08/content_7942201.htm (Zugriff: 22.08.2009) Vgl.: YouTube (2007): Bokomaten 4 WLS Vgl.: Ratzek, W. (2009): Experteninterview; auch: Wikipedia (o.J.): Bokomat. Übersetzung durch: Stehling, Stefanie. URL: http://sv.wikipedia.org/wiki/Bokomat (Zugriff: 15.08.2009) Vgl.: Mittrowann, Andreas (2009): Ausleihmaschinen in Kalifornien. Blog-Beitrag vom 13.07.2009. URL: http://globolibro.wordpress.com/2009/07/13/ausleihmaschinen-in-kalifornien/ (Zugriff: 22.08.2009) Vgl.: Mittrowann, A. (2009): Experteninterview Vgl.: China View (2008): Automated library machine debuts in Shenzhen Vgl.: Wikipedia (o.J.): Buchautomat. URL: http://de.wikipedia.org/wiki/Buchautomat (Zugriff: 22.08.2009) 3 MOVING LIBRARIES 93 Ein aktuelles Beispiel für „Literatur aus Automaten“ stellen Süßigkeitenautomaten dar, die neben Essbarem auch Büchlein der Reihe „Schöner Lesen“ des Berliner Sukultur-Verlags enthalten 378 (siehe Abbildung 39). Zu finden sind die Automaten mit den „Schöner-Lesen“-Heften hauptsächlich in Berlin, Leipzig und auf Sylt. Abbildung 39: Süßigkeitenautomat mit 377 Literatur 3.2.2.1.4 Information-Gas-Station (IGS) in Finnland In Helsinki gibt es seit 2001 Bibliotheks-Auskunfts-Stationen, die je nach Bedarf innerhalb der Stadt mobil sind und so als Bibliotheksfilialen bei Festivals, in Parks, in Seniorenresiden379 zen und anderswo fungieren. Vom Aussehen her inspiriert von alten Tankstellen (siehe 380 Abbildung 40) heißt der innovative Service „Information-Gas-Station“ (iGS). Die Helsinki City Library hat als eine der ersten Öffentlichen Bibliotheken weltweit öffentliche Internetzugänge für die Bevölkerung angeboten. Dafür hat sie im Jahr 2000 den Access to Learning Award (ATLA) der Bill & Melinda Gates Stiftung erhalten und unter anderem 381 von dem Preisgeld die iGS aufgebaut. Die iGS besteht aus zwei Komponenten – einem Auskunftsplatz und einer „InformationsPumpe“. Kunden, die sich an den Auskunftsplatz wenden, bekommen eine individuelle Antwort von einem Bibliothekar. Kunden, die selbst nach Informationen suchen möchten, können dies an der „Informations-Pumpe“ tun, wo ihnen ein Internetplatz zur Verfügung steht. Die Anfragen der Kunden können auf Wunsch auch per SMS (Short Message Service) 382 auf das Handy der Kunden beantwortet werden. 377 378 379 380 381 382 Sukultur (2009): satt.org/sukultur/Automatenseite. Schöner Lesen. URL: http://www.satt.org/sukultur/automaten/index.html (Zugriff: 22.08.2009) Vgl.: ebd. Vgl.: Bill & Melinda Gates Foundation (2000): 2000 Access to Learning Award. Helsinki City Library. URL: http://www.gatesfoundation.org/atla/Pages/2000-helsinki-city-library-information-gas-station.aspx (Zugriff: 22.7.2009) Wörtliche Übersetzung aus dem Engl.: „Informations-Tankstelle“ Vgl.: Bill & Melinda Gates Foundation (2000): 2000 Access to Learning Award Vgl. ebd. 94 MIRIAM HÖLSCHER & CORINNA SEPKE 383 Abbildung 40: Information-Gas-Station (iGS) in Helsinki Vorrangiges Ziel der iGS ist es, verlässliche Informationen zur Verfügung zu stellen. Trotz der fortschreitenden privaten Nutzung des Internets geht die Helsinki City Library nicht davon aus, dass alle Bibliothekskunden wirklich über ausreichend gute Medien- und Informationskompetenzen verfügen, um schnell und zielsicher auf die gewünschten Informationen zugreifen zu können, so dass die iGS hier eine Hilfestellung bietet. Andererseits haben die Bibliotheksnutzer oft zu wenig Zeit, um selbst nach Informationen zu suchen und nutzen 384 sehr gern den Service, der durch die iGS angeboten wird. Mittlerweile gibt es zusätzlich 385 zu den mobilen Stationen einen virtuellen Auskunftsdienst und eine wöchentliche Radio386 sendung . 3.2.2.1.5 Bibliotheken in Hotels Auch in der modernen Informationsgesellschaft werden Bibliotheken nicht nur in Anspruch genommen, um sich zu informieren, sondern auch um Bücher, Musik oder Spiele zu Unterhaltungszwecken auszuleihen und sich mit diesen Medien in der Freizeit zu entspannen. Oftmals ist dieser Freizeit-Lese-Genuss jedoch auf den Urlaub beschränkt. So scheint es eine naheliegende Idee zu sein, an der Urlaubsstätte, beispielsweise in Hotels, Bibliotheken einzurichten. Mit einem solchen Angebot treten Bibliotheken auch aktiv an ihre Nutzer heran, machen auf sich aufmerksam und erleichtern die Nutzung ihrer Bestände. Neu ist die Idee nicht. Bereits 1996 hat SWARTE in einem Siebdruck ein Bibliothekshotel – das so genannte „Hotel Alphabet“ (siehe Abbildung 41) – dargestellt. 383 384 385 386 Helsinki City Library (2005): Ask anything. Service on the net. Eigene Fotomontage aus: URL 1. & 2. Bild: http://igs.kirjastot.fi/MoreAboutUs/; sowie: Bill & Melinda Gates Foundation (o.J.): Photo Gallery. Access to Learning Award Winners. URL 3. Bild: http://www.gatesfoundation.org/atla/Pages/access-to-learningaward-winners.aspx/2000-helsinki-city-library; auch: Helsinki city Library (o.J.): iGS. URL 4. Bild: http://www.lib.hel.fi/File/83b169e5-5ad1-42ff-9609-8cf28ce9677b/igsi.jpg (Zugriff: 22.08.2009) Vgl.: Helsinki City Library (2005): Ask anything. Service on the net Vgl.: Helsinki City Library (2005): Ask anything. iGS. URL: http://igs.kirjastot.fi/en-GB/iGS/ (Zugriff: 22.08.2009) Vgl.: Helsinki City Library (2005): Kysy mitä vain. iGS. URL: http://igs.kirjastot.fi/Page/182b8f81-56d8-4ebcb4e4-28d2f0c65af9.aspx (Zugriff: 22.08.2009) 3 MOVING LIBRARIES 95 387 Abbildung 41: Hotel Alphabet Die Idee des „Hotel Alphabet“ wurde in dem niederländischen Zukunftsbibliotheksprojekt „Bibliotheken 2040“ aufgegriffen und für vier Wochen als reale Hotelbibliothek umgesetzt. In den Niederlanden war dies die erste niederländische Bibliothek, die 24 Stunden pro Tag, 388 sieben Tage die Woche geöffnet war. SCHWEIGERT untersuchte im Jahr 2004, ob es in deutschen Hotels Bibliotheksangebote gibt. Sie ermittelte, dass ca. 15 Prozent aller Hotels in Deutschland ihren Gästen Bücher und/oder Zeitungen und Zeitschriften zur Verfügung stellen. In aller Regel handelt es sich dabei jedoch eher um „Leseecken“ mit einem Bestand zwischen 30 und 1.000 Büchern als um ech389 te Bibliotheken. Mittlerweile gibt es jedoch ein Bibliothekshotel in Deutschland. Seit 2006 stellt das „Literaturhotel Franzosenhohl“ in Iserlohn seinen Gästen ca. 2.700 aktuelle Bestseller und rund 387 388 389 Swarte, Joost (2003): Hotel Alphabet. In: Bruijnzeels, Rob/Tiggelen, Nicoline van: Bibliotheken 2040. Die Zukunft neu entwerfen. Bad Honnef, Bock und Herchen, S. 36 Vgl. ebd. S. 39 ff. Vgl.: Schweigert, Ellen (2004): Hotel Alphabet. Bibliotheksangebote in Kurorten, Hotels und auf Schiffen. Diplomarbeit im Studiengang Bibliotheks- und Medienmanagement der Fachhochschule Stuttgart, Hochschule der Medien. URL: http://opus.bsz-bw.de/hdms/volltexte/2006/587/pdf/Diplom.pdf (Zugriff: 15.08.2009), S. 27 ff. 96 MIRIAM HÖLSCHER & CORINNA SEPKE 390 40.000 Hörbücher für die Dauer ihres Aufenthalts zur Verfügung. Bereits vor Anreise der Gäste wird deren Literaturgeschmack erfragt, um eine entsprechende Vorauswahl an Büchern im jeweiligen Zimmer bereitzustellen. Zusätzlich werden Veranstaltungen wie Autoren-Lesungen oder Schreibworkshops angeboten, die das Programm des Hotels abrun391 den. Eine weitere echte Verbindung von Hotels mit Bibliotheken wurde in Österreich unter dem 392 Markennamen „Bibliotels“ entwickelt. Die Idee, die den Bibliotels zugrunde liegt, ist eine Symbiose aus zwei Dingen, die dem Vergnügen dienen, nämlich dem Lesen und dem Reisen. METTLER, der Initiator des Projekts, begründet die Entwicklung folgendermaßen: „Nur 27 Prozent der ÖsterreicherInnnen haben in den letzten 12 Monaten kein Buch gelesen. Demnach lesen 73 Prozent oder zirka sechs Millionen ÖsterreicherIn393 nen mindestens ein Buch pro Jahr (IMAS ). […] Diese Zahlen zeigen, dass viele Menschen gerne lesen. Wenn viele Menschen gerne lesen, muss Lesen ein Bedürfnis sein. Bedürfnisse begründen einen Markt. Die Innovationswerkstatt Mettler entwickelte das Produkt „Bibliotels“. Bibliotels erfüllen die Bedürfnisse der LeserInnen in 394 besonderer Art und Weise.“ Die Ziele, die durch die Bibliotels erreicht werden sollen, sind die Schaffung einer besonde395 ren Urlaubsatmosphäre und eine Erhöhung der „aktiven Leserzahlen“. Mit den Bibliotels wird zwar eine Symbiose aus Bibliothek und Hotel geschaffen (siehe Abbildung 42), jedoch werden die Bibliotheken von den Hotels selbst bestückt und nicht von den Stadtbibliotheken gestellt. Aus Sicht der Verfasserinnen wäre eine entsprechende Kooperation von Hotels mit Öffentlichen Bibliotheken wünschenswert. 396 Abbildung 42: Bibliotel "Im Weissen Rössl am Wolfgangsee" 390 391 392 393 394 395 396 Vgl.: Literaturhotel Franzosenhohl GmbH & CoKG (o.J.): Autoren treffen und Urlaub machen in Iserlohn und Umgebung. URL: http://www.literaturhotel-franzosenhohl.de/ (Zugriff: 22.08.2009) Gabel, Tim (2009): Ferien im Literaturhotel. Zuflucht für Bücherwürmer. Beitrag in Spiegel Online vom 21.08.2009. URL: http://www.spiegel.de/reise/deutschland/0,1518,641110,00.html (Zugriff: 22.08.2009) Vgl.: Innovationswerkstatt Mettler (2009): Bibliotels. Das Konzept. Anhang zur E-Mail vom 27.04.2009 IMAS = Gesellschaft für Internationale Marktanalysen mbH Innovationswerkstatt Mettler (2009): Bibliotels, S. 4 Vgl. ebd. S. 21 Im Weissen Rössl und Spa im See (o.J.): Bibliotels in Österreich. Buchgeflüster im Bibliotel, Wolfgangsee. URL: http://www.weissesroessl.at/de-september-bibliotels-wolfgangsee.htm (Zugriff: 22.08.2009) 3 MOVING LIBRARIES 97 3.2.2.2 Liefer- und Abholservices Neben den Bibliotheksfilialen, die an stark frequentierten Plätzen präsent sein sollen, gehören nach Ansicht der Verfasserinnen auch verschiedenste Liefer- und Abholservices der Bibliotheken zu den mobilen Bibliotheksdienstleistungen und damit zu den Moving Libraries. Eine „Basisvariante“ dieser Lieferservices stellt im Prinzip auch schon die Zusammenstellung von Medienkisten oder Themenboxen für Bildungseinrichtungen, Kindergärten usw. dar, die oftmals ebenfalls von den Bibliotheken an die Partnerinstitutionen ausgeliefert werden. Diese Medienboxen werden jedoch von fast allen Öffentlichen Bibliotheken angeboten und variieren in ihrem Umfang, in den Lieferbedingungen, in der Art der Zusammenstellung etc. so stark, dass sie für die vorliegende Arbeit nicht berücksichtigt werden. Im Folgenden werden einige ausgewählte Beispiele von Lieferservices vorgestellt, die der Definition von Moving Libraries entsprechen, wie sie am Anfang des Kapitels aufgestellt wurde. 3.2.2.2.1 Lieferservices in Kooperation mit der Post Die Stadtbibliothek Graz bietet ihren Kunden einen kostenlosen Zustellservice in die nächstgelegene Postfiliale an. Möglich wird dies durch eine Kooperation der Stadtbibliothek Graz mit der Österreichischen Post AG, an der sämtliche Postfilialen im Stadtgebiet 397 Graz beteiligt sind. Die gewünschten Medien können online über den Katalog der Bibliothek ausgewählt und, sofern sie verfügbar sind, auf die „Postliste“ gesetzt werden. Dies ist 398 eine Art „Warenkorb“, in den die ausgewählten Medien gelegt werden. Möglich ist auch, sich die gewünschten Medien an die Heimatadresse schicken zu lassen. Für den Heimservice wird von der Bibliothek lediglich ein Portoersatz berechnet. Für Bibliothekskunden mit 399 „nachgewiesener Mobilitätsbehinderung“ ist dieser Service kostenfrei. Die Lieferzeit für die bestellten Medien beträgt drei bis vier Werktage. Gibt der Besteller zusätzlich zur gewünschten Postfiliale auch seine E-Mail-Adresse an, schickt ihm die Bibliothek eine E-Mail, wenn die Medien abgeholt werden können. Die Medien der Stadtbücherei Graz können jedoch nicht nur in den Postfilialen abgeholt, sondern auch dort zurückgegeben werden. Die Bibliotheksnutzer können so völlig frei und flexibel entscheiden, auf welche Weise sie ihre Medien ausleihen. Sie können die Filialen der Stadtbibliothek nutzen, die Haltepunkte der Bücherbusse, die Postfilialen in der ganzen Stadt oder sogar gegen den Portoersatz den Weg ganz einsparen und sich die Medien an die Heimatadresse liefern lassen. Auf diese Weise kommt die Bibliothek ihren Nutzern im Sinne der Moving Libraries stark entgegen. Über ein weiteres Beispiel für eine erfolgreiche Bibliothekskooperation mit der Post berichtet auch MITTROWANN, der sich bei einem Auslandsaufenthalt in Singapur über einen entspre- 397 398 399 Vgl.: Stadt Graz Bibliothek (o.J.): Schauen, hören, lesen. Die Post bringt allen was. Broschüre der Stadtbibliothek Graz Vgl.: Stadtbibliothek Graz (2009): Postliste – Bestellung leicht gemacht. URL: http://www.stadtbibliothek.graz.at/?ref-type=postliste (Zugriff: 22.08.2009) Vgl.: Stadt Graz Bibliothek (o.J.): Schauen, hören, lesen 98 MIRIAM HÖLSCHER & CORINNA SEPKE chenden Lieferservice der Bibliotheken in die „Paketstationen“ an den U-Bahn-Stationen der 400 Stadt informieren konnte. 3.2.2.2.2 Heimservice der Stadtbibliothek Helsinki Ebenso wie die Grazer Bibliothek bietet auch die Stadtbibliothek Helsinki einen Lieferservice für Bibliotheksnutzer an, die aufgrund einer Behinderung, wegen schwerer Krankheit oder 401 wegen ihres hohen Alters nicht mehr selbst in die Stadtbibliothek kommen können. Im Unterschied zu den oben genannten Kooperationen mit der Post, hat die Stadtbibliothek Helsinki diesen Service jedoch selbst aufgebaut und zeigt damit in einem weiteren Bei402 spiel ihre starke Orientierung an den Kundenbedürfnissen, die dort im Fokus der bibliothekarischen Bemühungen stehen. Jeder Bibliotheksnutzer, der an dem Programm teilnimmt, wird einmal innerhalb von fünf Wochen von einem Heimservice-Team besucht. Für jeden Heimservice-Kunden sind 20 Minuten eingeplant, die nicht nur zum Austausch und zur Neubestellung der Bücher, sondern auch zur Pflege sozialer Kontakte genutzt werden. Auch Auskunftsfragen können über ein Wunschformular gestellt werden. Durch das Angebot können Nutzer, die sonst von den bibliothekarischen Serviceleistungen der Stadtbibliothek abgeschnitten wären, weiterhin mit Literatur und mit Informationen versorgt werden, was für sie eine enorme Steigerung 403 der Lebensqualität bedeutet. „Alle Klienten loben den Heimservice. Sie entschuldigen sich beinahe und wähnen sich privilegiert, obwohl sie doch meist an einer schweren Krankheit leiden. […] 404 Letztendlich geht es um Chancengleichheit [… und] um Menschenwürde.“ Die Nachteile eines solchen Angebots sind nach Ansicht der Verfasserinnen die hohen Kosten und der große Zeitaufwand, die von der Bibliothek für den Fahrservice aufgewendet werden müssen. Einen Heimservice für die Menschen anzubieten, die die Bibliothek nicht mehr selbst aufsuchen können, erscheint jedoch unter dem Gedanken, mobile kundenorientierte Dienstleistungen anzubieten, fast zwingend. Möglicherweise käme hier für Bibliotheken, die keine Partnerschaft mit der Post anstreben wollen, eine Kooperation mit Pflegediensten oder Seniorenheimen in Betracht, die eigene Fahrdienste unterhalten und dankbar für eine Unterstützung ihrer Tätigkeiten wären. 3.2.2.2.3 Bibliotheek Rotterdam voor de Zeevaart Ebenfalls unter die Rubrik Lieferservices lässt sich ein Service der Abteilung Seefahrt der Gemeente Bibliotheek Rotterdam einordnen. Diese bietet einen besonderen Service für Per- 400 401 402 403 404 Vgl.: Mittrowann, A. (2009): [Experteninterview] Vgl.: Roth-Bernstein-Wiesner, Armi (2000): Helsinki. Service und Menschenwürde. In: BuB 52, H. 10/11, S. 628 Siehe auch Kapitel 3.2.2.1.3.1 Information-Gas-Station (iGS) in Finnland Vgl.: Roth-Bernstein-Wiesner (2000): Helsinki. Service und Menschenwürde, S. 628 Ebd. S. 628 3 MOVING LIBRARIES 99 405 sonen an, die beruflich zur See fahren. Die Bibliothek stellt für Seefahrer Bücherkisten aus Romanen und Sachbüchern, auf Wunsch auch individuell, zusammen, die an insgesamt sieben Stationen in Holland und zwölf weiteren Stationen weltweit ausgetauscht werden können. Auch der Austausch von Kisten zwischen verschiedenen Schiffen ist möglich. In einem solchen Fall muss die Bibliothek lediglich über den Tausch informiert werden. Gegen eine Jahresgebühr von € 76,- pro Kiste kann dieser Service in Anspruch genommen werden. Die Plastikkisten enthalten jeweils 40 Bücher und/oder Zeitschriften. Auch Sprachkurse werden angeboten. Die Hauptsprache der enthaltenen Titel ist Niederländisch. Es können jedoch auch englische, spanische, portugiesische, indonesische oder polnische Titel angefordert werden. Auch das Studieren an Bord wird unterstützt: für die Fachgebiete Naturwissenschaft, Kunst und Geschichte kann Studienliteratur angefordert werden. Es gibt im Prinzip keine Leihfristbeschränkungen, allerdings sollten die Medienkisten nicht länger als 406 ein Jahr auf einem Schiff verbleiben. Dieses Angebot der Gemeente Bibliotheek Rotterdam zeigt sehr deutlich, auf welche Weise Bibliotheken die Mobilität der Gesellschaft unterstützen können. Die Seefahrer könnten unter normalen Umständen die Angebote der Bibliothek nicht nutzen, da sie in der Regel länger als vier Wochen von ihrem Heimathafen entfernt sind und somit grundsätzlich die normalen Leihfristen überschreiten würden. Hinzu kommt, dass die Bibliothek den Austausch auch zwischen verschiedenen Schiffen ermöglicht, was eine große Flexibilität der Bestände ermöglicht. Die Seefahrer haben die Möglichkeit, inhaltliche Wünsche anzugeben und müssen sich nicht selbst um die Bestandsauswahl kümmern. Auch erspart der Service der Bibliothek, den Reedereien eigene Bibliotheken anzuschaffen und zu pflegen. 3.2.2.2.4 Jurten-Bibliothek in der Mongolei GRIMM berichtet über ein Netzwerk mobiler Jurten-Bibliotheken in der Mongolei, das von 407 einer privaten Organisation von Ulan Bator aus ins Leben gerufen wurde. Mit Hilfe der mobilen Jurten (siehe Abbildung 43) wird dort die Literaturversorgung der ländlichen Bevölkerung sichergestellt, da diese sonst zum Teil durch die Folgen der wirtschaftlichen und politischen Umbrüche nicht an aktuelle Informationen gelangen können. Zusätzlich wird ein Lieferservice mit mobilen Bücherkisten angeboten, die von Verwaltungsbeamten trans408 portiert und entsprechend einer Empfänger-Liste weitergegeben werden. 405 406 407 408 Vgl.: Gemeente Bibliotheek Rotterdam (o.J.): Bibliotheek Rotterdam voor de Zeevaart. Übersetzung durch: Hoffmann, Henrike. URL: http://www.bibliotheek.rotterdam.nl/NL/Informatie/ Dienstverlening/Pages/BibliotheekRotterdamvoorde.aspx (Zugriff: 22.08.2009) Vgl.: Gemeente Bibliotheek Rotterdam (o.J.): Bibliotheek Rotterdam voor de Zeevaart Vgl.: Grimm, Kerstin (2005): Literatur in der Jurte. In: Zeitschrift des deutschen Entwicklungsdienstes 42, H. 3, S.22 f. Vgl.: Grimm, K. (2005): Literatur in der Jurte, S. 23 100 MIRIAM HÖLSCHER & CORINNA SEPKE Abbildung 43: mobile Jurtenbibliothek in der Mongolei 409 Die Familien, die an dem Lieferprogramm teilnehmen, haben durch einen FeedbackBogen die Möglichkeit, für den nächsten Durchlauf Anmerkungen zu machen oder Wünsche für die inhaltliche Auswahl der Bestände zu formulieren. Für viele Hirtenfamilien in abgelegenen Regionen des Landes sind die mobilen Jurten-Bibliotheken und der Lieferdienst der Bücherkisten, die einzige Möglichkeit an Literatur und damit an Bildung heranzukommen. 3.2.3 Virtuelle/Digitale Angebote Zu Beginn der Typologisierung der Moving Libraries wurde bereits darauf hingewiesen, dass bei der Unterscheidung nach der Art der „Fortbewegung“ insgesamt drei verschiedene Typen der Moving Libraries unterschieden werden können. Dabei lässt sich neben den Moving Libraries, die selbst mobil sind und fortbewegt werden können sowie den mobilen Bibliotheksdienstleistungen, mit denen die Mobilität der Gesellschaft unterstützt und begleitet werden kann, noch ein dritter Bereich abgrenzen. Hierbei geht es um virtuelle oder digitale Angebote von Bibliotheken. Diese stellen im eigentlichen Sinne dieser Arbeit keine Moving Libraries dar. Da sie jedoch meistens von jedem internetfähigen Platz der Welt aus genutzt werden können, und somit im weiteren Sinne ebenfalls die Mobilität der Gesellschaft berücksichtigen und unterstützen, sollen der Vollständigkeit halber einige ausgewählte Beispiele virtueller bzw. digitaler Moving Libraries vorgestellt werden. Laut AGNOLI werden virtuelle Angebote der Bibliotheken heutzutage als Selbstverständlich410 keit innerhalb des Spektrums der bibliothekarischen Dienstleistungen angesehen. Auch SEEFELDT sieht durch die technischen Entwicklungen und eine stärkere Nutzung sozialer 409 410 Ruurs, M. (2005): My librarian is a camel, S. 20 Vgl.: Agnoli, Antonella (2004). Leitbild „benutzerfreundliche Bibliothek”. Welche berufliche Aus- und Weiterbildung ist für Bibliothekare notwendig? In: Berger, Franz: Lernort Bibliothek. Berlin, BibSpider, S. 13 3 MOVING LIBRARIES 101 Netzwerke über das Internet eine stärkere Nachfrage nach virtuellen Bibliotheksräumen voraus: „[Der Bedeutungswandel des Ortsbegriffs] ist von der Tatsache bestimmt, dass Menschen sich sowohl in realen als auch virtuellen Räumen aufhalten können und dort Möglichkeit zu Begegnung, Einkauf, Arbeit, Lernen und Wissenserwerb sowohl 411 in realer Form als auch virtuell haben.“ 3.2.3.1 Onleihe 412 Seit 2007 gibt es in Deutschland für Bibliotheken die Möglichkeit, über die DiViBib GmbH die so genannte „Onleihe“ in ihr Serviceangebot zu integrieren. Mit der Onleihe können Bibliotheken eine virtuelle Bibliotheksfiliale eröffnen, über die ihre Nutzer nach entspre413 chender Authentifizierung digitale Medien aller Art zeitlich befristet ausleihen können. Die DiViBib bietet also ein Geschäftskonzept an, bei dem die Bibliotheken sich nicht selbst 414 um Lizenzierungen und die Verwaltung der digitalen Rechte (DRM) kümmern müssen. Die DiViBib erwirbt die Medien bzw. Lizenzen bei den Informationsanbietern und stellt diese dann den Öffentlichen Bibliotheken so aufbereitet zur Verfügung, dass deren Nutzer auf 415 die digitalen Inhalte zugreifen können. Dabei wird über das DRM sichergestellt, dass nicht mehr Zugriffe erfolgen können, als Lizenzen vorhanden sind. Über das Portal der DiViBib können die E-Books, E-Audios, E-Videos, E-Music und E-Paper per Download auf den heimischen PC, PDA oder USB-Stick geladen werden. Nach der vereinbarten Leihfrist wird das ausgeliehene Medium automatisch zurückgegeben und steht danach sofort einem 416 neuen Nutzer zur Verfügung. Auch Vormerkungen können von interessierten Bibliotheksnutzern getätigt werden, die informiert werden, sobald der gewünschte Titel heruntergeladen werden kann. TIEDTKE zeigt sich zufrieden mit den Reaktionen der Kunden der Hamburger Bücherhallen, die die Onleihe seit Mai 2007 nutzen können: „Die Erfahrungen haben gezeigt, dass eine solche virtuelle Bibliothek den Erwartungen unserer Kunden entspricht und, wie erhofft, neue Kunden auf die Website 417 zieht.“ 411 412 413 414 415 416 417 Seefeld, J. (2005): Zukunftsvisionen, S. 15 DiViBib = Digitale Virtuelle Bibliotheken Vgl.: DiViBib (o.J.): Mit der DiViBib eine „Onleihe“ eröffnen. URL: http://www.divibib.com/ (Zugriff: 22.08.2009) DRM = Digital Rights Management. Dieser Begriff hat sich auch in Deutschland für die Verwaltung digitaler Lizenzrechte durchgesetzt. Mälzer, Max (2008): Besondere Bibliotheken – Stichwort Virtuelle Bibliotheken. Geschäftsmodell einer virtuellen Bibliothek. Beitrag in BRaIn (Potsdamer Beiträge und Reportagen aus den Informationswissenschaften) vom 19.12.2008. URL: http://brain.fh-potsdam.de/ausgabe_002/2008_02_09_divibib.html (Zugriff: 22.08.2009) Vgl.: Tiedtke, Wolfgang (2008): Per Mausklick durch die Bücherhalle. Hamburger Pläne und Visionen zu EMedien, Online-Lernen und der Filiale in Second Life. In: BuB 60, H. 1, S. 58 Tiedtke, W. (2008): Per Mausklick durch die Bücherhalle, S. 58 102 MIRIAM HÖLSCHER & CORINNA SEPKE Auch die Bibliotheksnutzer der Berliner Öffentlichen Bibliotheken, die ebenfalls seit Mai 2007 über die gemeinsame Website des Verbunds Öffentlicher Bibliotheken Berlin (VÖBB) online Medien ausleihen können, sind offensichtlich mit dem Angebot zufrieden. Dies zeigen die Ausleihzahlen von 100.000 Downloads digitaler Medien innerhalb von 14 Mona418 ten. SCHMOLL, Leiterin des VÖBB-Servicezentrums, äußert sich positiv über den Zulauf, den die Onleihe erfährt, da durch dieses Angebot auch neue Kunden gewonnen wurden, die sonst nicht zu den Bibliotheksnutzern gehören: „Durch die Verfügbarkeit über das Internet und rund um die Uhr sprechen wir vor allem Berufstätige um die Dreißig an, eine Zielgruppe, die ansonsten eher schwer in 419 die Bibliothek zu bekommen ist“ Die Vorteile der Onleihe für die Bibliotheksnutzer liegen vor allem in der Zugänglichkeit und Verfügbarkeit der Medien. Einerseits kann der Service rund um die Uhr in Anspruch genommen werden, andererseits sparen sich die Nutzer die Wege in die Bibliothek, indem sie die Ausleihe vom heimischen Computer aus tätigen können. Auch entfallen gegebenenfalls die Gebühren für überfällige Medien, da diese automatisch zurückgegeben und somit 420 vom Nutzerkonto gelöscht werden. RATZEK sieht bei allen Vorteilen, die virtuelle und digitale Angebote sowohl den Nutzern als auch den Bibliotheken bieten, etwas die Gefahr, dass der Kontakt der Bibliotheken zu ihren Nutzern verloren gehen könnte. Der persönliche Kontakt ist jedoch wichtig, um die Wünsche der Benutzer zu erfahren und vor allem auch um die Bibliothek als Ort zu positionieren. TIEDTKE betont daher, dass die Onleihe nur ein Zusatzangebot zu den realen Bibliotheken ist und die Bibliothek als Ort weiterhin präsent bleiben wird: „Der zukünftige Weg wird auf jeden Fall in die Richtung führen, dass Öffentliche 421 Bibliotheken sich in beiden Welten positionieren – real und virtuell.“ 3.2.3.2 Europeana 422 Unter dem Namen „Europeana“ kann seit November 2008 über ein gemeinsames Portal auf Digitalisate von Büchern, Landkarten, Audio-Aufnahmen, Fotografien, Archivdokumenten, Gemälden und Filmen aus Bibliotheken, Archiven, Museen und anderen Kulturinstituten der 27 Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU) zugegriffen werden. Die 423 Europeana ist somit die „multimediale Online-Bibliothek Europas“. Das von der EU geförderte Projekt verfolgt das Ziel, die Kulturschätze aller EU-Mitgliedsstaaten in einer virtuellen Bibliothek verfügbar zu machen.424 Die Zusammenarbeit der teilnehmenden Institutionen erfolgt auf freiwilliger Basis. 418 419 420 421 422 423 424 Vgl.: DiViBib (2009): 100.000 Downloads in vierzehn Monaten. Berliner Bibliothekskunden sind begeisterte „Onleiher“. Beitrag vom 10.08.2009. URL: http://www.divibib.com/249.0.html (Zugriff: 22.08.2009) Ebd. Vgl.: Mälzer, M. (2008): Besondere Bibliotheken – Stichwort Virtuelle Bibliotheken Tiedtke, W. (2008): Per Mausklick durch die Bücherhalle, S. 57 Europeana (o.J.): Homepage. URL: http://www.europeana.eu/portal/ (Zugriff: 22.08.2009) BuB-Redaktion (2009): Nachrichten. Europeana ist online. In: BuB 61, H. 1, S. 22 Münch, Vera (2009): Welchen Wert hat eine Bibliothek? Bericht von der 9th International Bielefeld Conference „Upgrading the eLibrary“. In: B.I.T. online 12, H. 2, S. 194 3 MOVING LIBRARIES 103 „Sie [die Europeana] respektiert die nationalen Unterschiede, bringt aber zugleich über ein einziges Netzwerk der Exzellenz nationale Stärken und die kulturelle Vielfalt 425 Europas zur Geltung.“ 426 Zurzeit sind ca. vier Millionen Dokumente in unterschiedlichen europäischen Sprachen (siehe Abbildung 44) abrufbar, die sich jedoch nicht auf einem zentralen Server der Europeana befinden, sondern auf den Servern der jeweiligen Institutionen verbleiben. Somit stellt die Europeana kein eigenes Repositorium dar, sondern bietet einen aggregierten 427 Zugriff auf die digitalen Sammlungen Europas an. Abbildung 44: Logo der Europeana in verschiedenen europäischen Sprachen 428 BARROSO vergleicht den Charakter der Europeana mit dem der alten Bibliothek von Alexandria, stellt jedoch den besonderen Wert der Europeana für die Gesellschaft heraus: „Während der Inhalt der Bibliothek von Alexandria nur einem sehr exklusiven Kreis von Gelehrten und Wissenschaftlern, welche sich die Reise nach Ägypten leisten konnten, zugänglich war, steht Europeana […] jedem interessierten Bürger offen – und das nicht nur in Europa, sondern dank des globalen Charakters des Internets 429 überall auf der ganzen Welt.“ 430 Die Nutzung der Europeana ist kostenfrei. Für die individualisierten Dienste kann sich jede Person, die über eine eigene E-Mail-Adresse verfügt, registrieren lassen und danach individuelle Einstellungen wie Suchprofile etc. speichern. Noch können nicht alle Funktionalitäten, die für die Nutzung der Europeana vorgesehen sind, in vollem Umfang genutzt werden. So ist beispielsweise die semantische Suche bisher nur als Prototyp und in den Spra431 chen Englisch, Französisch und Niederländisch verfügbar. Auch die Möglichkeit, themati425 426 427 428 429 430 431 Barroso, Manuel José (2008): Mit einem Mausklick zum kulturellen Erbe Europas. Beitrag in FAZ.NET vom 20.11.2008. URL: http://www.faz.net/s/Rub99C3EECA60D84C08AD6B3E60C4EA807F/Doc~ E16EE783237B3491681BDF704B8033C3B~ATpl~Ecommon~Scontent.html (Zugriff: 22.08.2009) Stand August 2009 Maier, Susanne (2009): Zugang zum Wissen: Bibliotheken im Netzwerk. Bericht vom 3. IFLA Presidential Meeting. In: B.I.T. online 12, Nr. 2, S. 199 Europeana (o.J.): Homepage. Barroso, Manuel José (2008): Mit einem Mausklick zum kulturellen Erbe Europas Vgl. ebd. Vgl.: Europeana (o.J.): Search. URL: http://eculture.cs.vu.nl/europeana/session/search (Zugriff: 22.08.2009) 104 MIRIAM HÖLSCHER & CORINNA SEPKE schen „Communities“ beitreten zu können, wird zurzeit nur in einer Demoversion ange432 kündigt. Im Sinne der Moving Libraries stellt die Europeana ein Projekt dar, das digitalisierte Inhalte aus allen Regionen Europas verfügbar macht, ohne dass die Nutzer selbst zu den jeweiligen Institutionen reisen müssen. Somit wird eine grenzübergreifende Informationsversorgung sichergestellt. 3.2.3.3 National Library of Australia Auch die National Library of Australia (NLA) stellt ihren Nutzern ein umfangreiches virtuelles Bibliotheksangebot zur Verfügung, das nachfolgend kurz vorgestellt werden soll. 433 Beispielsweise bietet die NLA den virtuellen Auskunftsdienst „Ask a Librarian“ an. Wochentags können die Bibliotheksnutzer über „Ask a Librarian“ von 10.00 bis 19.00 Uhr eine Chatauskunft nutzen. Darüber hinaus können rund um die Uhr Auskunftsfragen über ein Formular an die Bibliothek gesendet werden. Auch die digitalisierten Inhalte der NLA, die „DigitalCollections“ können durchsucht und aufgerufen werden. Momentan werden ca. 2.300 digitalisierte Bücher, 8.800 Landkarten, 12.000 Noten und 114.000 Bilder zur Verfügung gestellt. In Abb. 45 ist die ungefähre Verteilung der unterschiedlichen Medienarten innerhalb der DigitalCollections dargestellt. Abbildung 45: Verteilung der verschiedenen Medien auf die DigitalCollections 434 Weiterhin wird unter dem Namen „Australian Newspapers“ der Zugriff auf historische australische Zeitungen, die zwischen 1803 und 1954 erschienen sind, angeboten. Dieser Dienst bietet Suchmöglichkeiten nach bestimmten Artikeln, nach Jahrgängen oder nach den Titeln 435 436 der Zeitungen an. Noch handelt es sich bei dem Angebot um eine Testversion, mit ein437 geschränktem Zugriff auf Inhalte und Funktionen. Dieser wird jedoch ständig erweitert. 432 433 434 435 Vgl.: Europeana (o.J.): Communities. URL: http://www.europeana.eu/portal/communities.html?page=list (Zugriff: 22.08.2009) Vgl.: National Library of Australia (o.J.): Ask a Librarian. URL: http://www.nla.gov.au/askalibrarian/#write (Zugriff: 22.08.2009) National Library of Australia (o.J.): Collection digitization overview. Progress so far. URL: http://www.nla.gov.au/digital/index.html (Zugriff: 22.08.2009) Vgl.: National Library of Australia (o.J.): Australian Newspapers. URL: http://newspapers.nla.gov.au/ndp/del/home (Zugriff: 22.08.2009) 3 MOVING LIBRARIES 105 Wie bereits bei der Europeana liegt der Vorteil, den die Nutzer der virtuellen Dienste der NLA haben, darin, dass sie von jedem internetfähigen Gerät Australiens aus darauf zugreifen können. Dies erspart zum Teil lange Wege innerhalb des Landes, ermöglicht aber auch über Länder- und Kontinentgrenzen hinweg und somit weltweit die Nutzung der digitalen Angebote. Über die virtuelle Chatauskunft sind die Bibliothekare der NLA dennoch nah am 438 Kunden, so dass auch die von RATZEK geforderte Nähe zum Kunden erhalten bleibt. 3.2.3.4 E-Books Neben den eigentlichen virtuellen Bibliotheken, wie der Europeana oder den virtuellen Bibliotheksfilialen, die durch die DiviBib angeboten werden, gibt es auch die Möglichkeit mobil von unterwegs aus auf digitale Dokumente zugreifen zu können. Eine entsprechende Methode dies zu tun, wird häufig unter dem Begriff „E-Books“ zusammengefasst. Unter EBooks werden einerseits austauschbare Dateien verstanden, die den Inhalt eines gedruckten Buches digital wiedergeben. Andererseits werden mit dem Begriff die Lesegeräte bezeichnet, mit denen diese digitalen Inhalte wiedergegeben und somit mobil rezipiert werden 439 können. Öffentliche Bibliotheken begannen um das Jahr 2000, Lesegeräte samt elektronischer Inhal440 te zu erwerben und zur Ausleihe anzubieten. Der damalige Grundgedanke bestand darin, den Bibliotheksnutzern unabhängig von Zeit und Ort größere Mengen unterschied441 lichster Information digital zur Verfügung stellen zu können. Dabei wurde in erster Linie an Menschen wie den Reisenden gedacht, der beispielsweise in Rom steht und sowohl seinen Reiseführer als auch die Museums- und Restaurantempfehlungen und sein italienisches Wörterbuch kompakt in einem handlichen Gerät beisammen hat und nicht ein halbes Kilogramm an Büchern mit sich herumtragen muss. Doch bereits kurze Zeit später bezeichneten KUNZE und NEIßER die Ausleihe der E-Books als 442 finanziellen Flop. Tatsächlich hörte man in den folgenden Jahren wenig über das einst so bejubelte neue Medium, dem der Ruf voraus geeilt war, dass es bald das gedruckte Buch völlig vom Markt verdrängen würde. Probleme gab es vor allem bei ungenügenden Auflagenangeboten, nicht praktikablen Lizenzierungsmodellen sowie bei ungeklärten Urheberrechtsfragen. Zusätzlich waren die unhandlichen und schweren Lesegeräte technisch noch nicht ausgereift genug, um mit anderen mobilen Geräten wie Notebooks, Netbooks oder 436 437 438 439 440 441 442 Stand August 2009 Vgl.: National Library of Australia (2009): About The Australian Newspapers Digitisation Program. URL: http://newspapers.nla.gov.au/ndp/del/about (Zugriff: 22.08.2009) Vgl.: Ratzek, W. (2009): [Experteninterview] Vgl.: Rapp, Katharina (2009): E-Books 2008. Von den Anfängen bis zum Durchbruch. Eine verlagswirtschaftliche Studie. Heidelberg, Akademische Verlagsgesellschaft, S.4 ff. Vgl.: Seefeldt, Jürgen (2001): E-Books – das Medium der Zukunft auch für Bibliotheken? In: BuB 53, H. 5, S. 330 Vgl.: Beger, Gabriele (2001): Grünes Licht zur eBook-Ausleihe in Öffentlichen Bibliotheken. Berlin, Dortmund und Köln testen die Ausleihe von eBooks. In: Bibliotheksdienst 35, H. 5, S. 584 Vgl.: Kunze, Gabriele/Neißer, Horst (2001): Nach der Euphorie. E-Books im Alltagsgeschäft der StadtBibliothek Köln. In: BuB 53, H. 7/8, S. 481 106 MIRIAM HÖLSCHER & CORINNA SEPKE hochentwickelten Computern mithalten zu können. Es fehlten einheitliche Formatstandards und Schnittstellen. Seit der Frankfurter Buchmesse im Herbst 2008 scheint jedoch der zweite und endgültige Durchbruch des E-Book gekommen. Die neuen zahlreichen Lesegeräte erfreuen sich großer 443 Beliebtheit und die Verkaufszahlen steigen, wie ROESLER-GRAICHEN aufzeigt. Auch die Verlage ziehen beim Angebot mit und bieten zunehmend unterschiedlich gekoppelte Lizenzie444 rungsmodelle von Online- und Printausgaben an. Die Verbreitung von E-Books, die ohne spezielle Lesegeräte, sondern auch auf Notebooks und Computern rezipiert werden können, macht die E-Books gerade im Bereich der Lehrbücher für Universitäts- und Hochschulbibliotheken interessant. Hier existieren zunehmend 445 446 Leih- und Lizenzierungsmodelle wie die der E-Book-Anbieter CIANDO und SPRINGERLINK . Für eine stärke Verbreitung der E-Books, die auch auf anderen mobilen Endgeräten wie beispielsweise dem iPhone genutzt werden könnten, spricht die voranschreitende technische Entwicklung. Die Verfasserinnen gehen davon aus, dass in den nächsten Jahren weitere Entwicklungen eine komfortablere Nutzung digitaler Inhalte auf mobilen Endgeräten ermöglichen werden. Dazu müssen jedoch noch zwei wichtige Anforderungen umgesetzt werden. So formuliert SCHMITZ: „Es gibt aus meiner Sicht zwei ganz große Anforderungen. Die eine ist die Sicherheit. Wir werden in Zukunft mit diesen Geräten […] unglaublich viel machen. Wir werden unsere Straßenbahnfahrkarten damit bezahlen oder bezahlen beim Bäcker unsere Brötchen damit. Wir werden [auf] alle möglichen Dienste damit zugreifen […]. Es geht immer um das Bezahlen. Man möchte alles möglichst bruchlos haben, alles mit einem Gerät. Das heißt aber auch, dass ich meine ganzen hochsensiblen Daten alle auf einem Gerät habe. Und dem muss man gerecht werden mit entsprechenden Sicherheitskonzepten. […U]nd dafür muss es vernünftig bedienbar sein. Sonst werden sie [die mobilen Endgeräte] nicht akzeptiert. Das ist das eine große Thema und leitet über zum zweiten großen Thema der Usability. […] Man muss jetzt nach neuen Wegen suchen, wie man so etwas benutzbar machen kann. Man sieht es an dem iPhone – es geht schon, aber es ist noch ausbaufähig. Das sind die 447 beiden großen Anforderungen: einmal Sicherheit […] und Nutzbarkeit.“ Die von SCHMITZ formulierten Anforderungen betreffen die zukünftige Gestaltung der technischen Geräte, mit denen Inhalte, die beispielsweise auch durch Bibliotheken bereitgestellt werden, mobil abgerufen werden können. Die Frage, welche Anforderungen an die Bibliotheken der Zukunft und ihre Dienstleistungen gestellt werden müssen, wird im folgenden Kapitel beantwortet. 443 444 445 446 447 Vgl.: Roesler-Graichen, Michael/Schild, Ronald [Hrsg.] (2008): Gutenberg 2.0. Die Zukunft des Buches. Ein aktueller Reader zum E-Book. Frankfurt am Main, MVB, S. 15; auch S. 37 ff. Vgl. ebd., S.47 ff. Vgl.: Ciando ebooks (2009): Bibliotheken. URL: http://www.ciando.com/help/index.cfm/ fuseaction/bibliothek (Zugriff: 22.08.2009) Vgl.: Springer (o.J.): Springer eBook Collection. URL: http://www.springer.com/e-content/ ebooks?SGWID=1-40791-0-0-0 (Zugriff: 22.08.2009) Schmitz, Roland (2009): Experteninterview, Stuttgart, am 29.06.2009 107 4 Anforderungen an die Moving Library von morgen Aufbauend auf den Entwicklungstendenzen der Gesellschaft, die in Kapitel 1 herausgestellt 448 wurden und den Erwartungen, die die befragten Experten in verschiedenen Interviews geäußert haben, werden nachfolgend mögliche Anforderungen an die Moving Libraries von morgen aufgezeigt. Dass die Zukunft jedoch nicht vorhergesagt werden kann, merken bereits MINX, PREISSLER und JÄRISCH an: „Die Zukunft ist also kein von vornherein feststehender Endzustand, der uns von 449 außen aufgezwungen wird. Vielmehr gilt: Zukunft wird gemacht.“ Bei den Anforderungen an Moving Libraries der Zukunft werden zwei Bereiche unterschieden. Zum einen sind das Anforderungen, die grundsätzlich an zukünftige Bibliotheken gestellt werden könnten. Diese werden in Kapitel 4.1 mit dem Hauptaugenmerk auf mobile Bibliotheken genauer betrachtet. Zweitens werden in Kapitel 4.2 Anforderungen aufgezeigt, die speziell an zukünftige Moving Libraries gerichtet werden sollen. 4.1 Allgemeine Anforderungen an zukünftige Bibliotheken 4.1.1 Zeitersparnis In unserer schnelllebigen Zeit mutet das „Vierte Gesetz der Bibliothekswissenschaft“, das bereits 1931 von RANGANATHAN aufgestellt wurde, fast prophetisch an: “In dealing with the new problems of such a situation, [the Fourth Law of Library Science] introduces the element of time and concentrates its attention entirely on the time-aspect of the problem. SAVE THE TIME OF THE READER – that is the 450 Fourth Law of Library Science.” Dieses „Vierte Gesetz der Bibliothekswissenschaft“ hat auch in der heutigen Zeit nichts von seiner Aktualität und Wichtigkeit verloren. Da Bibliotheken als Dienstleistungsinstitutionen vor allem die Interessen ihrer Nutzer im Blick haben müssen, soll die Zeitersparnis an den Anfang der Anforderungen gestellt werden. Hier liegt einer der Vorteile, die Moving Libraries gegenüber stationären Bibliotheken haben. Moving Libraries gehen durch mobile Services auf ihre Nutzer zu und können auf diese Weise die Zeit ihrer Nutzer, die sie ansonsten für Hin- und Rückweg zur Bibliothek aufwenden müssten, einsparen. Nachfolgend werden beispielhaft drei unterschiedliche Maßnahmen vorgestellt, mit denen die Anforderung „Save the time of the reader“ umgesetzt werden kann. 448 449 450 Siehe Kapitel 2.1. Minx, E./Preissler, H./Järisch, B. (2002): Wie sieht ein Elefant aus? S. 35 Ranganathan, Shiyali Ramamrita (1931): The five laws of library science. London, Edward Goldston, S. 336 f. 108 MIRIAM HÖLSCHER & CORINNA SEPKE 4.1.1.1 Liefer- bzw. Abholdienste/Rückgabeboxen Unter dem Aspekt der Zeiteinsparung ist es naheliegend, mit mobilen Bibliotheken Literatur 451 und Informationen zu den Bibliotheksnutzern zu bringen. Darüber hinaus ergibt sich auch die Notwendigkeit, durch Dienstleistungen wie beispielsweise Liefer- und Abholser452 vices oder Bestellmöglichkeiten in die nächstgelegene Packstation den Bibliotheksnutzern den sogenannten „zweiten Weg“ in die Bibliothek zu ersparen. Damit ist gemeint, dass die Bibliotheksnutzer höchstens einmal den Weg in die Bibliothek zurücklegen müssen, um entweder ihre Medien auszuleihen oder um sie zurückzugeben. Dass Bibliotheken, wie beispielsweise die Stadtbibliothek Graz, mit ihren Zustellservices in die nächste Postfiliale diesen Trend richtig interpretiert haben und mit ihrem Angebot den „Nerv der Zeit“ treffen, zeigen auch die Antworten aus der strukturierten Kurzbefragung. 453 Abbildung 46: Auswertung der strukturierten Kurzbefragung (Ausschnitt aus Mindmap) Beispielsweise wurden folgende Wünsche (siehe auch Abbildung 46) für die mobile Biblio454 thek der Zukunft genannt : 451 452 453 454 • Lieferdienste (für ältere Personen) • Bücherbus, der individuell bestellt werden kann • Paketdienst der Post • kostenlose Abhol- und Lieferdienste • „Elite-Recherche-à-la-carte“ mit anschließender Auswahl und Lieferung • Kooperation mit Wirtschaftsunternehmen, mit angeschlossenem Bring- und Holservice Siehe Kapitel 3.2 Siehe Kapitel 3.2.2.2.1 Eigene Darstellung Siehe Kapitel 2.3; sowie: Kapitel 5.1.2 4 ANFORDERUNGEN AN DIE MOVING LIBRARY VON MORGEN 109 Auch MOTZKO sieht es als notwendige Anforderung an die Bibliothek von morgen, ihren Kunden den „zweiten Weg“ zu sparen. Dafür sind neben Liefer- und Abholservices der Bibliotheken beispielsweise auch Rückgabekästen an zentralen Orten mit viel Publikumsverkehr 455 denkbar. Um solche Rückgabekästen anzubieten, müssten die Bibliotheken Kooperationen mit strategischen Partnern, wie dem örtlichen Bäcker, Tankstellen oder der Deutschen Bahn schließen. Rückgabekästen an den genannten Orten hätten unter anderem auch den Vorteil, dass die Zugänglichkeit wesentlich flexibler geregelt werden könnte, als das heutzutage in den meisten Öffentlichen Bibliotheken der Fall ist. So wäre zum Beispiel auch eine Rückgabe der Medien verbunden mit dem Brötchenkauf beim Bäcker am Sonntag möglich. Unter Marketingaspekten betrachtet wäre dies ein Modell, von dem nicht nur die Bibliothek, sondern auch die Kooperationspartner profitieren würden. Ebenso könnte die Bibliothek dem jeweiligen Partner als Frequenzbringer dienen und würde selbst ihren Kunden einen Service anbieten, der eine flexible Medienrückgabe in der Nähe des Kunden gewährleistet. Hierbei hätte der Bibliothekskunde neben der Rückgabe der ausgeliehenen Medien sogar noch die Möglichkeit, dies mit einer anderen Erledigung (wie beispielsweise dem genannten Brötchenkauf) zu kombinieren. 4.1.1.2 Smart-Shelf-Technologie Darüber hinaus sollte durch intelligente Auskunfts- und Leitsysteme innerhalb der Bibliotheken gewährleistet werden, dass Bibliotheksnutzer so schnell wie möglich die benötigte Literatur und die gesuchten Informationen auffinden und nutzen können. Den Bedarf an entsprechenden Hilfestellungen sieht auch ULRICH: „Wenn wir die Erwartungen der meisten Bibliotheksnutzer beobachten, dann wird deutlich, dass sie keine Zeit beim Suchen vergeuden wollen. Sie erwarten Antworten 456 auf ihre Fragen dort zu finden, wo sie annehmen, dass man sie finden kann.“ Eine Möglichkeit, Bibliotheksbesucher schnell zu den gesuchten Informationen zu lotsen, 457 sieht GÖTZ beispielsweise in dem Einsatz so genannter „Thinking Carpets“ . Dabei werden im Teppich integrierte verschiedenfarbige Leuchtdioden aktiviert, wenn ein Bibliotheknutzer sich über ein Auskunftssystem zum Beispiel den Weg zu einer bestimmten Sachgruppen 458 anzeigen lassen möchte. Über eine ähnlich interessante Entwicklung eines intelligenten Leitsystems, welches bereits 459 in Singapur unter dem Namen „Smart-Shelf“ eingesetzt wird, berichtet RATZEK: 460 „Das Smart-Shelf ist ein RFID -gestützter OPAC [Online Public Access Catalogue], der Kunden nutzerfreundliche Angebote macht. 20 Regale in der Lee Kong Chian Reference Library sind direkt mit RFID-Antennen ausgestattet. Über das Smart-Shelf 455 456 457 458 459 460 Vgl.: Motzko, M. (2009): [Experteninterview] Ulrich, Paul S. (2006): Die Bibliothek als Öffentlicher Ort. In: Ulrich, Paul S. [Hrsg.]: Die Bibliothek als öffentlicher Ort und öffentlicher Raum. Berlin, BibSpider, S. 88 Wörtliche Übersetzung aus dem Engl.: „Denkender Teppich“ Vgl.: Götz, Martin (2009): Technik in Bibliotheken. Die wichtigsten einzusetzenden und eingesetzten Techniken in Bibliotheken und ihre zum Teil jetzt schon absehbaren Folgen. In: B.I.T. online 12, H. 1, S. 51 Wörtliche Übersetzung aus dem Engl.: „kluges/pfiffiges Bücherregal“ RFID = Radio Frequency Identification 110 MIRIAM HÖLSCHER & CORINNA SEPKE kann der Kunde das Buch über einen Standortplan genau orten, auch wenn es verstellt sein sollte. Aber auch für das Personal bringt das Smart-Shelf Vorteile; im Rahmen einer ‚täglichen‘ Revision können die verstellten Bücher sehr schnell geortet 461 und wieder systematikgerecht eingestellt werden.“ Abbildung 47: Trefferanzeige im OPACplus (Screenshot mit roten Markierungen 462 der Verfasserinnen) 463 RATZEK betont, wie gut dieser innovative Service bei den Bibliotheksnutzern ankommt. Als Weiterentwicklung ist zusätzlich vorstellbar, dass Nutzer, die sich zu einem bestimmten Titel im „Smart-Shelf“ navigieren lassen, ähnliche Titel des gleichen Verfassers oder Titel zum gleichen Thema vorgeschlagen bekommen. Solche „Empfehlungs-Services“ werden bei461 462 463 Ratzek, Wolfgang (2008): Neues aus der Bibliothekswelt in Jakarta und Singapur. In: B.I.T. online 11, H. 4, S. 459 Bayerische Staatsbibliothek (2009): Suchanfrage nach: „Coelho“ im OPACplus. URL: https://opacplus.bsbmuenchen.de/InfoGuideClient/singleHit.do?methodToCall=show Hit&curPos=1&identifier=-1_FT_419069109 (Zugriff: 23.07.2009) Vgl.: Ratzek, W. (2009): [Experteninterview] 4 ANFORDERUNGEN AN DIE MOVING LIBRARY VON MORGEN 111 464 spielsweise im OPACplus der Bayerischen Staatsbibliothek (BSB) eingesetzt. Die BSB arbeitet mit dem Recommender-System BibTip, das durch statistische Rückschlüsse aus dem Benutzerverhalten bei der OPAC-Recherche Empfehlungen und Links auf inhaltlich verwandte Titel erstellt (siehe rote Markierungen in Abbildung 47). Auf diese Weise wird die traditionelle bibliothekarische Sacherschließung durch einen innovativen Service ergänzt. 4.1.1.3 „Roving Librarian“ Eine ähnliche Idee, wenn auch weniger technisch, wird bereits in den USA und in Großbri465 tannien unter dem Begriff „Roving Librarian“ umgesetzt. „Roving Librarian“ bezeichnet eine Form der „aktiven Kundenbetreuung“, bei der der Bibliothekar in der Bibliothek aktiv nach Nutzern sucht, die sich mit einem Problem oder einer Fragestellung konfrontiert se466 hen. Ziel ist es, ihnen dort zu helfen, wo das Problem aufgetreten ist. Dies wurde bei467 spielsweise im „Learning Grid“ der UNIVERSITÄT VON WARWICK umgesetzt: “A positive customer service ethos has been established, which is reflected back in users’ attitudes towards the [Learning Grid] centre. At times of peak demand, the roving support staff proactively seek solutions rather than turning users away, and 468 are trained to know when to refer enquiries to other expert agencies.” MENTORGROUP TRAINING INC. bietet zu diesem Thema nicht nur Workshops und Kurse an, sondern stellt auch ein Video zur Verfügung, das die „Sechs Schritte zum Roving Librarian“ 469 auf amüsante Weise vorstellt (siehe Abbildung 48). Diese sechs Schritte sind: 464 465 466 467 468 469 • „Meet and Greet the Patron“ • “Ask a Quick Question” • “Probe for Clarification” • “Hear the Patron” • “Assist Them” • “Thank or Invite them to Return” Vgl.: Bayerische Staatsbibliothek (2009): OPACplus. URL: https://opacplus.bsb-muenchen.de/ (Zugriff: 22.08.2009) Wörtliche Übersetzung aus dem Engl.: „wandernder/umherziehender Bibliothekar“ Vgl.: netbib weblog (2009): Roving librarians. Blog-Beitrag vom 08.04.2009, Autor: ES. URL: http://log.netbib.de/archives/2009/04/08/roving-librarians/ (Zugriff: 22.08.2009) Vgl.: University of Warwick (2007): Library. The Learning Grid. URL: http://www2.warwick.ac. uk/services/library/grid/newvisitors/what/ (Zugriff: 22.08.2009) JISC (2006): Designing Spaces for Effective Learning. A guide to 21st century learning space design. URL: http://www.jisc.ac.uk/uploaded_documents/JISClearningspaces.pdf (Zugriff: 22.08.2009), S. 26 Vgl.: MentorGroup Training Inc. (o.J.): Library Services. Customized Workshops & Services for Libraries. URL: http://www.mentorgrouptraining.com/libraries/ (Zugriff: 22.08.2009) 112 MIRIAM HÖLSCHER & CORINNA SEPKE 470 Abbildung 48: Roving Librarians ULRICH merkt an, dass ein solcher bedarfs- und zeitgerechter Kundenservice auch unter Marketingaspekten sehr interessant ist. Durch das aktive Zugehen auf die Nutzer werden sie 471 dazu eingeladen, die angebotenen Dienstleistungen zu nutzen. Dies bestätigt auch ein Beitrag im Forum des WEBLOG LIBRARY 2.0. Dort äußert sich eine Bibliothekarin folgendermaßen: “As a librarian who is encouraged to walk around, this is much more effective then I'd previously thought. Once someone hears you answering someone's question, hands start going up, people approach you and you aren't in a hierarchy position anymore. You'd be surprised how intimidating our desk can be. Patrons find us much more approachable and then come to us at the desk after the initial conversa472 tion.” Mit dem Konzept des „Roving Librarian“ wird also der Bibliothekar innerhalb der Bibliothek mobil. Er wartet nicht mehr darauf, dass die Nutzer zu ihm kommen, um ihre Fragen zu stellen, sondern sucht sie auf. 470 471 472 YouTube (2009): Roving Librarians. The M.A.P.H.A.T Song and Video. Video-Beitrag vom 16.03.2009. URL: http://www.youtube.com/watch?v=rFhmSDIACew (Zugriff: 22.08.2009) Vgl.: Ulrich, P.S. (2006): Die Bibliothek als öffentlicher Ort, S. 86 Library 2.0 (2007): Do we still need a reference desk? (or am I missing something?). Foren-Beitrag vom 28.04.2997, Autor: Brandee. URL: http://library20.ning.com/forum/topic/show?id=515108%3ATopic %3A18378 (Zugriff 22.08.2009) 4 ANFORDERUNGEN AN DIE MOVING LIBRARY VON MORGEN 113 Auch in den Niederlanden wird dieses Konzept bereits in einigen Bibliotheken mit Erfolg 473 umgesetzt. So wird beispielsweise sowohl in der Openbaren Bibliotheek Amsterdam als 474 auch in der Gemeente Bibliotheek Rotterdam auf einen aktiven Auskunftsdienst gesetzt. Dort wurden die traditionellen Theken und Auskunftstresen durch mobile Auskunftsbibliothekare abgelöst bzw. ergänzt. 4.1.2 Bestandsanforderungen Als zweiter Bereich der Anforderungen, die künftig an (mobile) Bibliotheken gerichtet werden sollten, werden die Bestandsangebote in den Blick genommen. Die Medienbestände, die den Bibliotheksbesuchern zur Ausleihe oder zur Nutzung vor Ort zur Verfügung gestellt werden, sind eine der zentralen Serviceleistungen, die Bibliotheken ihren Kunden anbieten. Auch für diesen wichtigen Servicebereich können Anforderungen im Hinblick auf die zunehmende Mobilität gestellt werden. Diese vollzieht sich auch in geistiger Hinsicht und müsste daher zu einer größeren Angebots-Flexibilität führen. Im Folgenden werden zwei Möglichkeiten vorgestellt, um durch spezielle Bestandsangebote flexibel auf Kundenanfor475 derungen reagieren zu können: zum einen das Angebot „mobiler Bestände“ , andererseits 476 die Umstellung traditioneller Rückgabemodalitäten hin zu „Floating Collections“ . 4.1.2.1 Von Profilbildung zu „mobilen Beständen” In der heutigen Zeit, in der sich die Informationshalbwertzeit immer weiter verkürzt, was zu 477 einer „beschleunigten Wissensentwertung“ führt, müssen Bibliotheken sich darüber Gedanken machen, wie sie ihren Nutzern weiterhin aktuelle und somit auch attraktive Bestände anbieten können. Eine Möglichkeit wäre, eine zusätzliche Bibliothekseinheit mit „mobilen Beständen“ als Ergänzung zum normalen Angebot einer Stadtbibliothek anzubieten. Damit ist gemeint, dass zu aktuellen politischen, kulturellen oder wissenschaftlichen Ereignissen themenbezogene Bestände bereitgestellt werden, die nach einer befristeten Zeit von wenigen Wochen oder 478 Monaten wieder ausgetauscht werden. Im Prinzip geht es bei den „mobilen Beständen“ um eine Weiterentwicklung der Profilbildung einzelner Stadtteilbibliotheken, wie sie beispielsweise von MOTZKO (z.B. als Zuwanderungsbibliothek) gefordert wird: 473 474 475 476 477 478 Vgl.: Müller-Jerina, Alwin (2008): Be in the library, but feel at home. Eine Reise durch niederländische Bibliotheken. In: ProLibris H. 3, S. 122 Vgl.: Funke, Juliane (2005): Das Wohnzimmer der modernen Kommune. Creating Public Paradise. Der Bau Öffentlicher Bibliotheken im 21. Jahrhundert. In: BuB 57, H. 1, S. 66 Siehe Kapitel 4.1.2.1 Siehe Kapitel 4.1.2.2 Vgl.: Apel, Heino (2000): Die Zukunft des Lernens selbstorganisiert oder institutionell verankert? Die Rolle der Bibliothek. In: Grube, Henner [Red.]: Zukunft der Bibliothek, Nutzung digitaler Ressourcen, Schule und Bibliothek. Reutlingen, ekz.bibliotheksservice GmbH, S. 70 Vgl.: Geis, Manuel (2009): Experteninterview, Erfurt, am 03.06.2009 114 MIRIAM HÖLSCHER & CORINNA SEPKE „Solange ich Zweigstellen habe, müssen die ein Profil ausbilden, was für ihr Quartier passt und nicht einfach nur eine kleine Bibliothek für alle sein wollen. […] Das ist für 479 mich auch eine Art mobile Bibliothek.“ GÖTZ sieht für Bibliotheken unter 10.000 Medieneinheiten nicht die Möglichkeit, alle Wissensgebiete für ihre Nutzer abdecken zu können, so dass eine Profilierung unbedingt not480 wendig ist. Große Bibliotheken in Großstädten und Metropolen können zusätzlich gezielt Themenbibliotheken einrichten. Dies haben beispielsweise die Stadtbibliothek Paderborn 481 mit der Computerbibliothek oder die Städtischen Bibliotheken Dresden mit der Themen482 bibliothek „medien@age“ bereits getan. Zu der grundsätzlichen Forderung nach einer Profilbildung in Stadtteilbüchereien kommt die Frage hinzu, ob eine einmal festgelegte Ausrichtung auf ein bestimmtes inhaltliches Profil für „alle Zeiten“ bestehen bleiben muss. Fraglich ist laut EICHERT, ob nicht beispielsweise eine Stadtteilbibliothek, die ihr Profil auf Kinder und Jugendliche ausgerichtet hat: „[…] nicht besser in einen neuen, jungen und erst entstehenden Stadtteil verlagert wird, weil dort der Bedarf viel größer ist, als dort, wo in der Mehrzahl die Kinder 483 längst aus dem Haus und erwachsen sind.“ Eine mögliche Antwort auf die eben genannte Frage sind „mobile Bestände“. GEIS hat für 484 den ekz-Ideenwettbewerb „Bibliothekseinrichtung der Zukunft“ ein Reise-Bibliotheks485 Konzept entworfen, bei dem nicht nur die Bibliothekseinheit an sich mobil sein kann, sondern bei dem auch vorgesehen ist, „mobile Bestände“ bereitzustellen. Die Reisebibliothek greift die Mobilität nicht nur im Sinne der Transportfähigkeit auf, sondern entwickelt die Idee in Richtung „mobiler Bestände“ weiter. Als Grundlage für das Konzept betrachtet GEIS alte Seecontainer, die ebenfalls schon weit gereist sind und somit ihre Geschichte und eine große Anzahl von Kilometern mitbringen. So erscheint es ihm naheliegend, auch die in der Reisebibliothek enthaltenen Bestände durch laufende Aktualisierungen mobil zu hal486 ten: „[…] Die Grundidee war, dass man sagen kann: es ist nicht nur vom Modul-SystemKonzept modular beweglich – sprich, dass man es auf den LKW laden und damit herumfahren und ausladen kann, [sondern] man [stellt] nur die neuesten Sachen ein, themenbezogen zum Standort. Oder in der Stadt, in der das [Bibliotheksmodul] steht, ist gerade eine Kunstausstellung, zu der dann gewisse Bücher reinkommen 479 Motzko, M. (2009): [Experteninterview] Vgl.: Götz, Martin (2009): Experteninterview, Stuttgart, am 24.06.2009 481 Vgl.: Paderborn Cityportal (o.J.): Angebot der Computerbibliothek (ComBi). URL: http://www.paderborn.de/freizeit/schulklassen/109010100000016255.php (Zugriff: 22.08.2009) 482 Vgl.: medien@age (o.J.): medien@age Dresden. Homepage. URL: http://www.medienetage-dresden.de/ (Zugriff: 22.08.2009) 483 Eichert, Christoph (2000): Politik für Bibliotheken in der Stadt der Zukunft. In: Grube, Henner [Red.]: Zukunft der Bibliothek, Nutzung digitaler Ressourcen, Schule und Bibliothek. Reutlingen, ekz.bibliotheksservice GmbH, S. 16 484 Vgl.: ekz.bibliotheksservice GmbH (2008): ekz-Ideenwettbewerb „Bibliothekseinrichtung der Zukunft“ 485 Siehe auch Abbildung 3 (Einleitung) 486 Vgl.: Geis, M. (2009): Reise Bibliothek [elektronische Quelle]; sowie: Geis, M. (2009): [Experteninterview] 480 4 ANFORDERUNGEN AN DIE MOVING LIBRARY VON MORGEN 115 oder Literaturausstellungen, wo dann nur die Werke von gewissen Schriftstellern 487 reinkommen […]. “ Gemeint ist also eine inhaltliche Mobilität der Medien, die in Bibliotheksmodulen oder Stadtteilbibliotheken bereitgestellt werden. Denkbar wäre hier zum Beispiel ein „BestsellerContainer“ oder ein Bibliotheksmodul mit einem inhaltlichen Schwerpunkt. Dabei soll eine hohe Aktualität gewährleistet sein, mit Bezug zum aktuellen Tagesgeschehen. Beispielsweise könnte die Stadtbücherei Stuttgart zurzeit einen Bibliothekscontainer zum Thema „Biblio488 thek 21“ einrichten, in dem gezielt über das Neubau-Projekt der Bibliothek, aber auch über Bibliotheksbau allgemein, über Trends und Tendenzen für die Einrichtung von Bibliotheken und ähnliche Themen informiert werden könnte. MITTROWANN sieht für das Angebot solcher „mobiler Bestände“ vor allem in reichen Großstädten Potenzial. Dort könnten Bibliotheksmodule, die mit „mobilen Beständen“ bestückt sind, als eine Art „Showroom“ die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit durch eine interessante Architektur, verbunden mit brandaktuellen Beständen, auf sich ziehen und so Werbung 489 für die Stadtbibliothek machen. Dass die Idee mobiler Bestände durchaus Potenzial hat und das Interesse der Benutzer we490 cken könnte, verdeutlicht eine Meldung der STUTTGARTER ZEITUNG vom März 2009. Darin wird ein Buchhandelskonzept des Schriftstellers Hanns-Josef Ortheil angekündigt. Die 491 STUTTGARTER ZEITUNG berichtet hierbei über eine Meldung des BÖRSENBLATTES , die großes Interesse hervorgerufen habe. Die Geschäftsidee Ortheils besteht aus Buchhandlungen, in denen ausschließlich von ihm persönlich ausgewählte Bücher verkauft werden, die bestimmten Kategorien zugeordnet wurden: „Das Sortiment solle etwa 5.000 Titel umfassen, die [Ortheil] persönlich empfehlen könne, in Sektionen wie ‚Was man unbedingt lesen sollte‘, ‚Wodurch man die Gegenwart etwas besser versteht‘, ‚Wodurch man ein guter Leser wird‘, ‚Wodurch man ein guter Schreiber wird‘ oder ‚Wie man auf Reisen gehen könnte‘. Andere Bücher gibt es nicht und dürfen auch nicht bestellt werden, außer, eine Leserempfehlung überzeuge Ortheil so, dass er das Buch ins Sortiment aufnehme. Dieses Sortiment ändere sich, bis auf einen Grundstock, mit den Jahreszeiten und den Themen 492 der aktuellen Diskussion.“ Ein besonderes Raum- und Erlebniskonzept soll die Idee abrunden. Mit diesem Beispiel wollen die Verfasserinnen verdeutlichen, dass es einen Markt und somit auch einen Bedarf für mobile Bestände gibt, die je nach Interessenlage der Gesellschaft zusammengestellt wer487 488 489 490 491 492 Geis, M. (2009): [Experteninterview] Vgl.: Bussmann, Ingrid (o.J.): Bibliothek 21: Konzeption. URL: http://www5.stuttgart.de/ stadtbuecherei/druck/b21/Konzept_B21.html (Zugriff: 22.08.2009) Vgl.: Mittrowann, A. (2009): [Experteninterview] Vgl.: Schröder, Julia (2009): Die Buchhandlung als Salon und Soziale Skulptur. Konzeptkunst? Der Stuttgarter Schriftsteller Hanns-Josef Ortheil erregt Aufsehen mit einer eigenwilligen Geschäftsidee. Beitrag in Stuttgarter Zeitung vom 11.03.2009. URL: http://www.stuttgarter-zeitung.de/stz/page/1969350_0_9223_die-buchhandlung-als-salon-und-soziale-skulptur.html (Zugriff: 22.08.2009) Vgl.: boersenblatt.net (2009): Hanns-Josef Ortheil wird Buchhändler. Beitrag vom 04.03.2009. URL: http://www.boersenblatt.net/309635/ (Zugriff: 22.08.2009) Schröder, J. (2009): Die Buchhandlung als Salon und Soziale Skulptur 116 MIRIAM HÖLSCHER & CORINNA SEPKE den. Demnach kann davon ausgegangen werden, dass Kunden bereit sind, für ein entsprechend attraktives Angebot Geld auszugeben. Dies müsste ein deutliches Signal für Öffentliche Bibliotheken sein, dass sie mit mobilen Beständen den Wünschen ihrer Kunden entgegenkommen könnten. Ein dem Prinzip der „mobilen Bestände“ ähnliches Konzept wird bereits seit 2003 in der Stadtbücherei Bochum angewendet. Dort durchwandern flexible Bestände in einem festen Rhythmus alle sechs Zweigstellen, um einerseits den Kunden eine größere Titelbreite anbieten zu können und dadurch die Mediennutzung zu intensivieren. Andererseits dient diese Maßnahme der Optimierung des Ressourceneinsatzes, da weniger Medien angeschafft 493 werden müssen, um die Bibliotheksnutzer zufriedenzustellen. 4.1.2.2 „Floating Collections” Eine andere Art, mobile Bestände zu schaffen, stellen die so genannten „Floating Collec494 tions“ dar. Floating Collections weichen von dem traditionellen Ansatz ab, dass jedes Buch innerhalb eines Bibliothekssystems seinen Heimatstandort hat, an den es nach der Ausleihe zurückgebracht wird. Nach dem Konzept der Floating Collections verbleiben die Medien an dem Standort, an dem sie durch die Bibliotheksnutzer zurückgegeben wur495 den. Das zurückgegebene Medium wird nach der Ausleihe in den Bestand des Rückgabestandorts integriert, bis es wiederum ausgeliehen oder von einem anderen Standort angefragt wird. SAMPLEY, District’s Collection Management Coordinator der Springfield-Green County Library in Springfield, Missouri, erklärt die Funktionsweise der Floating Collections folgendermaßen: “The idea of floating collections is not new. Floating collections give customers better and quicker access to the books at all the branches. In effect, the communities of patrons that use each library shape – by their pattern of checking out books – their 496 own collection at each particular branch.” In Nordamerika gibt es bereits einige Bibliotheken, die nach dem Konzept der Floating Collections arbeiten. In der Regel sind dies große Bibliothekssysteme mit vielen Standorten 497 und einem großen Einzugsgebiet. QUIGLEY stellte die Umsetzung dieses Konzepts in der Vancouver Public Library (VPL) auf dem Bibliothekartag 2009 in Erfurt vor. Die VPL ist ein Bibliothekssystem, das aus einer Hauptstelle und 21 Zweigstellen besteht. Täglich besuchen ca. 22.600 Bibliotheksnutzer die Bibliotheken der VPL und tätigen ungefähr 10 Millionen 493 Vgl.: Zwick, Judith [Hrsg.] (2004): Bibliotheksfilialen im Blick. Ein Leitfaden für Angebot und Organisation. Gütersloh, Verl. Bertelsmann-Stiftung, S. 186 Wörtliche Übersetzung aus dem Engl.: „fließende Sammlungen“ 495 Vgl.: Quigley, Thomas (2009): Floating Collections. New opportunities and Challenges for You and Your Library Users. URL: http://www.opus-bayern.de/bib-info/volltexte/2009/646/ (Zugriff: 22.08.2009), Folie 4 496 Sampley, Lisa nach: Duffey, Jeanne (o.J.): Springfield-Green County Library. What Floating Collections Mean To You. URL: http://thelibrary.org/publications/libnews/ floatingcollection.cfm (Zugriff: 22.08.2009) 497 Vgl.: Quigley, T. (2009): Floating Collections, Folie 7 494 4 ANFORDERUNGEN AN DIE MOVING LIBRARY VON MORGEN 117 498 Ausleihen pro Jahr. Ein wesentlicher Grund für die Einführung der Floating Collections war der steigende Transportaufwand der Medien in die jeweilige Heimatfiliale. Die VPL hätte einen neuen LKW anschaffen müssen, um den Transport weiterhin bewältigen zu können. Hinzu kam der Wunsch der Bibliothek, die zurückgegebenen Medien schneller wieder den Nutzern zur Verfügung stellen zu können. Die Zeit, die für den Transport aufgewendet wurde, sollte eingespart und somit den Lesern wieder zu Gute kommen. Außerdem stellen Floating Collections durch die rotierenden Bestände eine gute Möglichkeit dar, den Bibliotheksnutzern abwechslungsreichere und interessantere Bestände anzu499 bieten, ohne neue Titel oder Mehrfachexemplare kaufen zu müssen. Weitere positive Effekte der Floating Collections können Zeitersparnisse und eine Kostenreduzierung sein, da 500 die Bücher nicht mehr zurücktransportiert werden müssen. Dabei ist es nicht notwendig, das System der Floating Collections auf alle Bestände anzuwenden. Es können auch nur einzelne Bestandsteile wie Romane oder Kinderbücher herausgegriffen werden. Möglich ist ebenfalls, nur Bestände in einer bestimmten Sprache „fließen“ zu lassen. In der VPL werden zum Beispiel die Zeitschriften, Sachbücher und Materialien zum Englisch-Lernen weiterhin traditionell behandelt. Diese Bestände werden an ih501 ren jeweiligen Heimatstandort transportiert, nachdem sie zurückgegeben wurden. Die Nachteile der Floating Collections liegen vor allem darin, dass die Bestände ungleichmäßig fließen und so einige Zweigstellen irgendwann „leergelesen“ sein könnten oder dass Nutzer, die sich darauf verlassen, „ihr“ Buch auch wieder in „ihrer“ Filiale finden zu können, 502 enttäuscht darüber sind, dass sie es erst bestellen müssen. Nach Ansicht der Verfasserinnen überwiegen jedoch die Vorteile der Floating Collections in Bibliothekssystemen mit mehreren Standorten. Wünschenswert ist ein solches Vorgehen aus Kundensicht vor allem auch dann, wenn mobile Bibliotheken wie Bücherbusse genutzt werden und dann auch dort die Möglichkeit besteht, die ausgeliehenen Medien überall innerhalb des Bibliotheks503 systems oder der mobilen Fahrbüchereien zurückzugeben. 498 499 500 501 502 503 Vgl. ebd. Folie 2 Vgl.: Quigley, T. (2009): Floating Collections, Folie 12 f.; auch: Cress, Ann/Halloran, Kathy/Munch, Kathy (2007): Floating Collections. Is it time for your library to convert?. URL: http://www.cal-webs.org/ handouts07/Floating.ppt (Zugriff: 22.08.2009), Folie 7 Vgl.: LaHatte, Louise (2005): Floating Collections. How to increase issues, save money on couriers and refresh your collections. URL: http://tinyurl.com/nmzv85 (Zugriff: 27.08.2009) Vgl.: Quigley, T. (2009): Floating Collections, Folie 8 f Vgl.: Cress, A./Halloran, K./Munch, K. (2007): Floating Collections. Is it time for your library to convert? Folie 7 Innerhalb der Stuttgarter Fahrbücherei wird beispielsweise von den Kunden verlangt, dass sie die ausgeliehenen Medien aus den Bücherbussen auch nur dort wieder zurückgeben, was den eigentlichen Vorteil der Mobilität aus Sicht der Verfasserinnen etwas ausbremst. siehe Stadtbücherei Stuttgart (o.J.): Fahrbücherei. 118 MIRIAM HÖLSCHER & CORINNA SEPKE 4.1.3 Aufenthaltsqualität Ein weiterer Bereich der Anforderungen, die an die Moving Library von morgen gestellt werden, ist die von den Bibliotheksbesuchern erwartete Aufenthaltsqualität. Laut EICHERT liegt eine große Stärke der Bibliotheken gerade in der Bereitstellung von Lern-, Begeg504 nungs- und Kommunikationsräumen für alle Teile der Gesellschaft. Diese sollten so gestaltet sein, dass sie eine motivierende, inspirierende Atmosphäre ausstrahlen und so den Bibliotheksnutzern ein angenehmes Lernklima ermöglichen. HAYSOM, Chief Executive of the Learning and Skills Council (LSC) in Großbritannien beschreibt den Effekt, den die Atmosphäre eines (Lern-)Raumes auslösen sollte, so: “I believe passionately that when you walk through the door of a place of learning, 505 you should feel proud, uplifted, motivated. … That should be our intent.” Auch für MITTROWANN spielt die Aufenthalts-, Raum- und Erlebnisqualität von Bibliotheken eine wesentliche Rolle bei der Frage, wie neue Bibliotheksnutzer gewonnen und alte gehalten werden können: „Das gilt im Großen wie im Kleinen. Große, spektakuläre Museumsbauten ziehen Menschen an [und] große spektakuläre Bibliotheksbauten ziehen Menschen an, aber auch kleine Räumlichkeiten mit hoher Aufenthaltsqualität wie Starbucks. […] Starbucks ist nicht nur erfolgreich, weil sie interessante Kaffeesorten anbieten, sondern auch, weil sie so eine Art ‚kleine Heimat‘ mitten in der Stadt anbieten, wo man 506 auch noch drahtlos ins Internet kommt.“ Anforderungen für die Aufenthaltsqualität in Bibliotheken können für verschiedene Bereiche definiert werden. Einerseits geht es um die eigentliche Raumgestaltung innerhalb der Bibliotheken. Sowohl Lern- als auch Begegnungs- und Kommunikationsräume müssen verschiedene Funktionen erfüllen und daher unterschiedlich gestaltet sein, was vor allem das Design betrifft. Andererseits geht es um die Frage, wie lange sich die Benutzer in diesen Räumen aufhalten sollen bzw. können. Hierbei geht es vor allem um die Öffnungszeiten, die die Bibliotheken ihren Besuchern anbieten können und sollten. 4.1.3.1 Raumgestaltung „Wie die Diskrepanz zwischen der Zahl aktiver ‚Entleiher‘ und der weitaus höheren Anzahl der ermittelten ‚Besucher‘ belegt, existiert [in Bibliotheken] offensichtlich ein 507 erheblicher Bedarf an öffentlich zugänglichen, sozialen Kommunikationsräumen.“ Dies konstatieren SEEFELD und SYRÉ und schließen die Forderungen nach „angenehm möblierten Räumen, in denen sich die Besucher zwanglos zum Gespräch, zum Surfen im Inter508 net, zum Kaffeetrinken oder zu entspanntem Lesen aufhalten können […]“ an. Auch GÖTZ erwartet, dass sich Bibliotheken, sofern sie es nicht ohnehin bereits sind, zu Treffpunkten, Versammlungsorten, öffentlichen Orten, Lernorten, Kommunikationsorten und sozialen 504 505 506 507 508 Vgl.: Eichert, C. (2000): Politik für Bibliotheken in der Stadt der Zukunft, S. 14 f. Mark Haysom nach JISC (2006): Designing Spaces for Effective Learning, S. 9 Mittrowann, A. (2009): [Experteninterview] Seefeldt, J./Syré, L. (2005): Portale zu Vergangenheit und Zukunft, S. 105 Ebd., S. 105 4 ANFORDERUNGEN AN DIE MOVING LIBRARY VON MORGEN 119 509 Orten entwickeln werden. So werden Bibliotheken immer mehr zu „transitorischen Räumen“ – zu Räumen, die einen Übergang oder Zwischenbereich zwischen Öffentlichem und Privatem, zwischen „der Arbeitswelt, die durch Massentransportmittel verlängert wird und 510 privater Häuslichkeit“ – bilden. CEYNOWA erklärt das Phänomen der transitorischen Räume folgendermaßen: „Der transitorische Raum bildet hier einen Zwischenbereich, in dem sich einerseits das private Leben in die Zone der Öffentlichkeit hinein fortsetzen kann, der aber andererseits auch dem Öffentlichen [einen] Zugang zur Sphäre des Privaten eröff511 net.“ Ihren Besuchern ermöglicht die Bibliothek als transitorischer Raum, den Übergang von der privaten zur öffentlichen Lebenssphäre bruchlos und somit entspannt zu vollziehen. Damit leisten die Bibliotheken einen Beitrag zur Ausbalancierung der öffentlichen „durch das Geflecht sozialer Beziehungen innerhalb der Arbeitsumgebung konstituierten Identität“ einer512 seits und der privaten Lebenssphäre auf der anderen Seite. In der Gemeente Bibliotheek Rotterdam wurde beispielsweise der Slogan kreiert: „Be in the 513 library, but feel at home.” 514 Im angloamerikanischen Raum wurde der Begriff des „Third Place“ geprägt, um das Phä515 nomen des transitorischen Raums, des „home away from home“ zu beschreiben. Dieser Begriff hat sich im deutschen Sprachgebrauch noch nicht wirklich durchsetzen können, obwohl er sehr anschaulich beschreibt, was unter transitorischen Räumen zu verstehen ist. OLDENBURG bezeichnet den Platz, wo man lebt und wohnt als „First Place“, den Platz, wo man arbeitet als „Second Place“ und als „Third Place“ jenen öffentlichen Treffpunkt, an dem Menschen, ohne die Grenzen und Beschränkungen der ersten beiden Räume beach516 ten zu müssen, zusammentreffen können. Somit stellen Bibliotheken als transitorische 517 Räume oder eben als „Third Places“ neutrale Orte dar , die als Treffpunkte für Menschen 518 verschiedenen Alters, verschiedener Lebensstile und/oder verschiedener Nationalitäten dienen, die alle „im toleranten Umgang miteinander“ die Angebote der Bibliotheken nut519 zen können. Das heißt, bei der Gestaltung der Bibliotheksräume sollte darauf geachtet werden, dass vor allem die Wünsche und Bedürfnisse der Bibliotheksnutzer im Vordergrund 509 510 511 512 513 514 515 516 517 518 519 Vgl.: Götz, M. (2009): [Experteninterview] Prost, Antoine (1993): Übergänge und Überschneidungen. In: Ariès, Philippe: Geschichte des privaten Lebens. 5. Band. Frankfurt am Main, Fischer, S. 117 Ceynowa, Klaus (1994): Von der ‚Dreigeteilten’ zur ‚Fraktalen‘ Bibliothek. Benutzerzentrierte Bibliotheksarbeit im Wandel. Würzburg, Königshausen & Neumann, S. 72 Vgl. ebd. S. 73 Müller-Jerina, A. (2008): Be in the library, but feel at home, S. 122 Wörtliche Übersetzung aus dem Engl.: „Dritter Ort“ Vgl.: Oldenburg, Ray (1997): The great good place. Cafés, coffee shops, bookstores, bars, hair salons and other hangouts at the heart of a community. Cambridge, MA, Da Capo Press, S. IX Vgl. Oldenburg, R. (1997): The great good place, S. 16 Vgl. ebd. S. 20 Siehe Kapitel 1.1.1.1.2 bis 1.1.1.1.4 Vgl.: Bott, Helmut (2000): Stadtplanung und die Rolle der Bibliothek als weicher Faktor für das Stadtmarketing. In: Grube, Henner [Red.]: Zukunft der Bibliothek, Nutzung digitaler Ressourcen, Schule und Bibliothek. Reutlingen, ekz.bibliotheksservice GmbH S. 24 120 MIRIAM HÖLSCHER & CORINNA SEPKE stehen und nicht mehr allein nur die Unterbringung der Bestände in funktionaler Hinsicht 520 berücksichtigt wird. Diese Notwendigkeit fasst GÖTZ so zusammen: „Es muss in Bibliotheken […] Räume zum Studieren und zum Kommunizieren [geben]: Orte, wo man seine Freizeit verbringt, ein Buch lesen, ein Musikstück hören, einen Film sehen oder eine Zeitschrift durchblättern kann. Alles in einem nicht521 kommerziellen Ambiente, weit weg vom Großstadtlärm.“ Die STADTBÜCHEREI STUTTGART hat in ihrer Vision für die „Bibliothek 21“ in einer ihrer Thesen diese Anforderungen an den Raumbedarf für die Zukunft beschrieben. Darin heißt es: „Die Bibliothek 21 ist Begegnungsraum zwischen den Generationen und Kulturen. […] Das selbstverständliche Miteinander im Umfeld der Bibliothek wird in Zukunft noch wichtiger werden. Es gibt immer weniger öffentliche Orte, die ohne festes Ziel genutzt werden können, wo man einfach hineingehen kann, sich umsehen, Anregungen suchen, Menschen beobachten, am öffentlichen Leben partizipieren kann. Nicht nur die informelle Begegnung spielt dabei eine Rolle, sondern auch gezielte Angebote der Bibliothek. Offene Angebote für Lerngruppen, Begegnungen mit Experten, Sprachencafés oder Gesprächsrunden werden in den Räumen der Bibliothek 21 ausgebaut werden können, denn wir haben Gruppenräume, die auch Angebote während des Betriebs ermöglichen.“522 523 Auch die Gemeente Bibliotheek Rotterdam setzt ein Raumkonzept um, dass sich stark an den Bedürfnissen ihrer Besucher orientiert. Dort gibt es Räume für Vorträge, schallge524 dämpfte Musikräume zum Klavierspielen, ein Theater und ein Café. Bibliotheken müssen sich vor allem die Frage stellen, welche Räume sie ihren Benutzern und Besuchern zur Verfügung stellen können und wollen. Dabei dürfen die Zielsetzungen der Bibliotheken, die in ihren Leitbildern oder in ihren Visionen festgehalten sind, nicht durch 525 mangelhafte Raumaufteilung gefährdet werden. Das heißt, die Bibliotheken müssen sich überlegen, wo sie sich selbst mit ihrem Raumangebot positionieren möchten. Dafür gibt es vielfältige Möglichkeiten die Bibliothek als Raum zu sehen: • 520 521 522 523 524 525 zur Selbstverwirklichung der Bibliotheksbenutzer • zur Ideenfindung • für Kultur • für Erziehung Vgl.: Niegaard, Hellen (2007): Reinventing the physical library. Libraries in a new context. In: Latimer, Karen/Niegaard, Hellen [Hrsg.]: IFLA Library Building Guidelines. Developments & Reflections. München, Saur, S. 32 Götz, M. (2009): [Experteninterview] Bussmann, Ingrid (2007): Die Bibliothek 21 – Eine Vision für die nächsten Jahre. URL: http://www5.stuttgart.de/stadtbuecherei/druck/b21/visionBibliothek21_heidelberg.pdf (Zugriff: 22.08.2009), S. 5 Vgl.: Gemente Bibliotheek Rotterdam (o.J.): About us. URL: http://www.bibliotheek.rotterdam.nl/ EN/Information/aboutthelibrary/Pages/about.aspx (Zugriff: 22.08.2009) Vgl.: Müller-Jerina, A. (2008): Be in the library, but feel at home, S. 119 Vgl.: Dewe, Michael (2006): Die Öffentliche Bibliothek als Öffentlicher Raum. In: Ulrich, Paul S. [Hrsg.]: Die Bibliothek als öffentlicher Ort und öffentlicher Raum. Berlin, BibSpider, S. 22 4 ANFORDERUNGEN AN DIE MOVING LIBRARY VON MORGEN • 121 als Ort für Leser • als Raum für Kinder • als Treffpunkt • als Erholungsort • als Bildungsstätte • als Kommunikationszentrum etc. 526 Besondere Beachtung sollte hierbei auch dem Einsatz neuer Technologien, die das veränder528 te Lernverhalten unterstützen, zukommen. Dabei geht es vor allem um die vermehrte Nutzung digitaler Inhalte und so genannter Blended-Learning-Angebote, bei denen virtuelle und persönliche Lerneinheiten kombiniert 529 werden. Auch spielen Serious Games verstärkt eine Rolle bei der eigenständigen Erarbeitung von Lerninhalten, so dass Bibliotheken nicht nur die notwendige Technik bereitstellen sollten, die für den Einsatz von Serious Games oder Blended-Learning-Modulen bereitstellen sollten, sondern auch Raumangebote machen müssen, die interaktive virtuelle und persönliche Zusammenarbeit der Bibliotheksnutzer ermöglichen. 527 528 529 Abbildung 49: Iglu-Wand Bei der Einrichtung der Räumlichkeiten sollte laut der Studie „Designing Spaces for Effective Learning” des Joint Information Systems Committee (JISC) vor allem darauf geachtet werden, dass sie durch flexible Möblierung individuell an gewünschte Veränderungen ange- 526 527 528 529 Vgl.: Block, Marylaine (2006): Auf der Suche nach einem besseren Geschäftsmodell. In: Ulrich, Paul S. [Hrsg.]: Die Bibliothek als öffentlicher Ort und öffentlicher Raum. Berlin, Bib-Spider, S. 12 ff JISC (2006): Designing Spaces for Effective Learning, S. 29 Vgl. ebd. S. 2 Bei einem Serious Game (wörtliche Übersetzung aus dem Engl.: „ernsthaftes Spiel“) handelt es sich um ein digitales Spiel, das nicht ausschließlich der Unterhaltung dient, sondern dem Nutzer während des Spielens etwas vermitteln oder über etwas informieren möchte. Serious Games können jedem Genre angehören, jede Spieltechnologie verwenden und sind hinsichtlich ihrer Zielgruppe und ihrer Anwendungsbereiche nicht eingeschränkt. (Definiert nach: Marr, Ann Christine (2009): persönliches Gespräch) 122 MIRIAM HÖLSCHER & CORINNA SEPKE 530 passt werden können . Ein Beispiel dafür ist die so genannte Iglu-Wand (siehe Abbildung 49), ein aufblasbares Gebilde, dass flexibel zur Raumteilung eingesetzt werden kann und so abgeschirmte Bereiche bildet, die beispielsweise für Gruppenarbeiten genutzt werden können. Darüber hinaus muss für gute Beleuchtung, möglichst mit natürlichen Lichtquellen, gesorgt werden: “Learning areas infused with natural light, for example, provide an environment that is easy and pleasurable to work in. Wireless connectivity within a brightly lit atrium, learning café or open-plan social area will encourage engagement in learn531 ing, and instill a desire to continue activities […].” Es müssen also unterschiedliche Räume geschaffen werden, die einerseits zurückgezogenes (Literatur-)Studium, andererseits Kommunikation und Austausch größerer Gruppen ermöglichen. Vorzugsweise sollten die Räume über natürliche Lichtquellen, eine flexible Möblierung und eine gute technische Ausstattung, möglichst mit drahtlosen Internetzugängen verfügen. Diese müssen eine individuelle Arbeits- und Lernatmosphäre zulassen, jedoch auch dazu geeignet sein, Gruppenräume abzutrennen, die gemeinsame Aktivitäten der Bibliotheksbesucher ermöglichen. Laut NIEGAARD müssen die Bibliotheken Räume zur Verfügung stellen, die dem Austausch von Ideen der Benutzer untereinander ebenso dienen können, wie dem Ausprobieren verschiedener (neuer) Medientypen und innovativer Tech532 nologien. 4.1.3.2 Design Dabei kommt dem Eingangsbereich einer Institution eine wesentliche Bedeutung zu – soll533 ten sich hier doch der Sinn und Zweck der Institution und auch ihre Vision widerspiegeln. In Anlehnung an die JISC-Studie sollte demnach darauf geachtet werden, dass beim Betreten einer Bibliothekseinrichtung eine inspirierende Atmosphäre vorgefunden wird, die zum 534 Lernen und zur Aufnahme von Wissen anregt. Für die gesamte Bibliothek wünschen sich SEEFELDT und SYRÉ, dass sie über ihre Funktion als Wissensspeicher hinaus ein „sinnlich erfahrbares Ambiente zur Entspannung und Kommunikation“ bietet, um für die Bibliotheks535 nutzer interessant zu bleiben. Hinzu kommt, dass eine interessante und ansprechende Architektur die Aufmerksamkeit der Bevölkerung auf sich lenkt und so möglicherweise auch Menschen in die Bibliothek gezo536 gen werden, die sie sonst nicht benutzen. GEIS sagt dazu: 530 531 532 533 534 535 536 Vgl.: JISC (2006): Designing Spaces for Effective Learning, S. 3; auch: S. 25 JISC (2006): Designing Spaces for Effective Learning, S. 4 Vgl.: Niegaard, H. (2007): Reinventing the physical library, S. 34 Vgl.: JISC (2006): Designing Spaces for Effective Learning, S. 9 Vgl. ebd., S. 8 Vgl.: Seefeldt, J./Syré, L. (2007): Portale zu Vergangenheit und Zukunft, S. 107 Vgl.: Geis, M. (2009): [Experteninterview] 4 ANFORDERUNGEN AN DIE MOVING LIBRARY VON MORGEN 123 „[…] die Architektur ist einfach eine spannende Sache. […] ich gucke immer in die Richtung, dass es eine spannende Architektur ist. Das ist der erste ‚Hallo-Effekt‘. Inte537 ressant!? Da gehe ich rein!“ 538 MCDONALD stellt in den IFLA Library Building Guidelines zehn Grundsätze vor, die Bibliotheken beim Design ihrer Räumlichkeiten beachten müssen. Bibliotheksräume sollten: funktional, anpassungsfähig, leicht zugänglich, abwechslungsreich, interaktiv, dem Wohlbefinden zuträglich, an die Umweltbedingungen angepasst, sicher, leistungsfähig und mit mo539 derner Technologie ausgestattet sein. Zusätzlich nennt er einen elften Faktor, der beim Design der Räumlichkeiten eine gewisse Rolle spielt, den so genannten „oomph“- oder „Wow“-Faktor. Damit ist gemeint, dass das Design der Räumlichkeiten einerseits die Vision und den „Geist“ der Institution widerspiegeln soll und andererseits die Nutzer inspirieren 540 und ihre Gedanken anregen soll. Eine Bibliothek, die die Anforderungen von MCDONALD berücksichtigt und auch den „Wow“-Faktor mit eingeplant hat, ist das Informations-, Kommunikations- und Medienzentrum (IKMZ) der Brandenburgisch Technischen Universität (BTU) in Cottbus (siehe Abbil541 dung 50). 542 Abbildung 50: IKMZ Cottbus 537 538 539 540 541 542 Geis, M. (2009): [Experteninterview] IFLA = International Federation of Library Associations and Institutions Vgl.: McDonald, A. (2007): The top ten qualities of good library space, S. 15 Vgl. ebd. S. 25 Vgl.: Brandenburgische Technische Universität (BTU) (2009): Informations-, Kommunikations- und Medienzentrum der BTU Cottbus. URL: http://www.tu-cottbus.de/einrichtungen/de/ikmz/ (Zugriff: 22.08.2009) Eigene Fotomontage aus: 1. Bild: Flickr (2007): IKMZ (Library) BTU Cottbus (inside). Foto-Beitrag vom 04.04.2007, Auto: cgommel. URL: http://www.flickr.com/photos/75724432@N00/446485066/; 2. + 3. Bild: Röhrig, Roman (2005): Neue Bibliothek der BTU Cottbus eröffnet. Blog-Beitrag vom 06.02.2005. URL: http://roman-roehrig.de/weblog/2005/02/06/neue-bibliothek-der-btu-cottbus-eroeffnet (Zugriff: 22.08.2009) 124 MIRIAM HÖLSCHER & CORINNA SEPKE Der Neubau des IKMZ wurde im Frühjahr 2005 eröffnet. Geplant wurden das Gebäude und die Inneneinrichtung von dem Architekturbüro Herzog & de Meuron aus Basel. Im Innern der Bibliothek werden durch kräftige Farben und großzügig gestaltete Räume Akzente 543 gesetzt. Dass inspirierendes Design auch in Moving Libraries umgesetzt werden kann, zeigt ein nach Ansicht der Verfasserinnen sehr schönes Beispiel für die Gestaltung einer anregenden Atmosphäre in dem Bücherbus der Stadt Kiruna in Nordschweden. Dort wurde trotz der sehr beengten Platzverhältnisse Raum für Kreativität, Entspannung und Lernen geschaffen, 544 wofür die Auszeichnung „Schwedischer Bibliotheksbus des Jahres 2008“ verliehen wurde. Der Bücherbus (siehe Abbildung 51) wurde von der schwedischen Designergruppe Muungano gestaltet. Ausgestattet ist er neben den Medienbeständen mit einem kleinen Ki545 no, Personalcomputern (PCs) mit Internetzugang und einem Sofa zum Musikhören. 546 Abbildung 51: Bücherbus Kiruna 543 544 545 546 Röhrig, R. (2005): Neue Bibliothek der BTU Cottbus eröffnet Vgl.: Krzykowski, Matylda (2008): Library bus by Muungano. Blog-Beitrag vom 01.11.2008. URL: http://www.dezeen.com/2008/11/01/library-bus-by-muungano/ (Zugriff: 22.08.2009) Vgl.: The Lonely Librarian (2008): Ausgezeichneter Bücherbus in Kiruna. Blog-Beitrag vom 03.12.2008, Autor: lonelylibrarian. URL: http://lonelylibrarian.wordpress.com2008/12/03/ ausgezeichneter-bucherbus-in-kiruna/ (Zugriff: 22.08.2009) Krzykowski, M. (2008): Library bus by Muungano 4 ANFORDERUNGEN AN DIE MOVING LIBRARY VON MORGEN 125 Der Bücherbus soll vor allem in der langen dunklen Jahreszeit zwischen Herbst und Frühjahr wie eine „Laterne“ wirken, der die Besucher anzieht und die Umgebung beleuchtet. THUVANDER, einer der Gestalter des Busses, beschreibt die Wirkung, die der Bus haben soll, folgendermaßen: “Because of the lack of sunlight during most of the year in the north the bus will be like a lantern when dark to attract people and light up the surroundings. […]The function of the new bus is to supply a larger service, where new digital media is presented as well as traditional printed material. Except from distributing media the bus will also function as a place for people to communicate on the web and enable 547 meetings between different groups in the society.” Auch die in Kapitel 3.2.2.1.1 vorgestellten Bibliometro-Module in den Madrider Metro548 Stationen sind Beispiele für gelungenes Design, das die Aufmerksamkeit der Benutzer auf 549 sich zieht und Funktionalität mit attraktivem Erscheinungsbild optimal verbindet. 550 Die neue, ganz in weiß gehaltene Openbare Bibliotheek Amsterdam „ist innenarchitektonisch ein Glanzlicht mit edlen, ebenfalls weißen Ledermöbeln […]. Die Böden sind aus geöltem, nordamerikanischem Nussholz. […] Von ihrem Selbstverständnis her ist sie eine Bibliothek mit Wohlfühlcharakter. Sie will ein Verbleib- und Erlebnisraum sein, nicht in erster Linie eine Ausleihstelle.“ (siehe Abbildung 52) 551 Abbildung 52: Inneneinrichtung der Openbaren Bibliotheek Amsterdam 547 548 549 550 Ebd. Siehe auch Abbildung 35 in Kapitel 3.2.2.1.1 Vlg.: Lesenetzwerk.at (o.J.): Lesen im Untergrund Müller-Jerina, A. (2008): Be in the library, but feel at home, S. 121 f. 126 MIRIAM HÖLSCHER & CORINNA SEPKE Um die Einrichtung der einzelnen Räumen zu erleichtern, sieht MITTROWANN einen Trend für Möbel oder „Funktionsmodule“, die für die gewünschten Zwecke vorgefertigt werden, 552 um individuell und flexibel in Raumkonzepte integriert zu werden. Dass Funktionalität nicht automatisch eine ansprechende Gestaltung ausschließt, zeigen die Beispiele, die in Abbildung 53 dargestellt sind. 553 Abbildung 53: funktionale Möbel mit ansprechendem Design Eine ansprechende Raumgestaltung ist nicht nur für stationäre Bibliotheken wichtig, sondern sollte auch für die Ausstattung der Moving Libraries gelten. Auch diese verfügen in der Regel über Räume, die gestaltet, eingerichtet, beleuchtet und mit Technologien ausgestattet werden müssen. Für Moving Libraries ist es in besonderem Maße notwendig, den in der Regel knapp bemessenen Platz durch eine funktionale Raumplanung so zu gestalten, dass den Wünschen der Benutzer entsprochen wird. Wichtig ist dabei, durch interessante Architektur und Gestaltung die Aufmerksamkeit der Bevölkerung auf die Moving Libraries zu ziehen, damit die Angebote, die durch mobile Bibliotheken oder mit mobilen Bibliotheksdienstleistungen gemacht werden, von Menschen wahrgenommen und genutzt werden und nicht durch Nicht-Beachtung verpuffen. 4.1.3.3 Öffnungszeiten Ein weiterer Bereich, der im Zusammenhang mit den Anforderungen an die Aufenthaltsqualität in Bibliotheken in den Blick genommen werden muss, betrifft die mögliche Dauer des Aufenthalts in der Bibliothek und damit deren Öffnungszeiten. Seit einigen Jahren gibt es heftige Debatten um die Fragen, wie lange Bibliotheken geöffnet haben sollten und ob man wirklich einen Rund-um-die-Uhr-Service braucht. In einigen Wissenschaftlichen Bibliotheken, wie beispielsweise der Universitätsbibliothek (UB) in Karlsruhe 554 gibt es schon seit einigen Jahren die so genannten 24/7 Öffnungszeiten. 24/7 steht für eine Öffnungsdauer von 24 Stunden an sieben Tagen der Woche – also rund um die Uhr. 551 552 553 554 Sauermann, Katrin (2009): Inneneinrichtung der Openbaren Bibliotheek Amsterdam. Anhang zur E-Mail vom 14.08.2009 Vgl.: Mittrowann, A. (2009): [Experteninterview] JISC (2006): Designing Spaces for Effective Learning. Eigene Fotomontage Vgl.: ka-news.de (2006): Wissen nonstop. Blog-Beitrag vom 24.04.2006. URL: http://www.kanews.de/nachrichten/karlsruhe/Karlsruhe-Wissen-nonstop;art86,49341 (Zugriff. 22.08.2009) 4 ANFORDERUNGEN AN DIE MOVING LIBRARY VON MORGEN 127 In Karlsruhe wurde der Service im Frühjahr 2006 eingeführt. Möglich sind die Öffnungszeiten durch konsequente Ausstattung der Bücher mit RFID-Tags, womit die Medien über Selbstverbuchungsanlagen ausgeliehen und zurückgebucht werden können. Auch die UB Konstanz bietet seit 2001 einen 24-Stunden-Betrieb an, der lediglich durch einige Schließ555 stunden in den Nachtstunden der Wochenenden unterbrochen wird. Die Einführung des weltweit ersten Automaten, bei dem auch die Fernleihbestellungen an der UB Karlsruhe 556 rund um die Uhr abgeholt und zurückgegeben werden können , hat im Mai 2009 eine sehr kontrovers geführte Diskussion über Öffnungszeiten in Bibliotheken ausgelöst, die über die Mailingliste InetBib (Internet in Bibliotheken) geführt wurde. Erörtert wurde die Frage, ob tatsächlich 24/7-Öffnungszeiten angeboten werden sollen oder sogar dürfen und inwieweit Bibliotheken den Anforderungen ihrer Kunden, was die Öffnungszeiten betrifft, 557 entgegenkommen müssen. Die ursprüngliche Meldung, dass der „24-Stunden-Bibliothek ein weiterer Baustein erfolg558 reich hinzugefügt wurde“ und den Nutzern somit größere Flexibilität bei der Nutzung der Bibliothek eingeräumt werden konnte, rief zum Teil empörte, zum Teil sehr erfreute Reaktionen aus der Praxis hervor. 559 Nachdem FENN einen Hinweis auf die aktuellen Arbeitslosenzahlen gepostet hatte , reagierte WOLF mit folgender Frage: „Wieso? Wird durch die Einführung der automatisierten Fernleihe jemand an der UB Karlsruhe entlassen? Oder darf die Bibliothek einen automatisierten Service für ihre Kunden nicht anbieten, wenn sie aus Budget-Gründen keine zusätzlichen Stellen schaffen kann? Dann sind wahrscheinlich Geldautomaten auch Schuld an den 560 hohen Arbeitslosenzahlen.“ Hier wird deutlich, wie die Diskussion über die Öffnungszeiten in Deutschland geführt wird. Einerseits werden die Bedürfnisse der Kunden nach größtmöglicher Zugänglichkeit der Bibliotheken durchaus gesehen und auch verstanden, andererseits besteht die Befürchtung, durch automatisierte Serviceangebote Arbeitsplätze zu vernichten. Die Reaktion auf diese beiden Positionen von DIEROLF aus Karlsruhe zeigt, dass man sich dort der Problematik bewusst ist, jedoch die Zufriedenstellung der Nutzerwünsche an erste Stelle der Serviceorientierung der Bibliothek stellt: 555 556 557 558 559 560 Vgl.: Hätscher, Petra (2004): Das Weiterbildungskonzept der Bibliothek der Universität Konstanz. In: Berger, Franz: Lernort Bibliothek. Berlin, BibSpider, S. 32 Vgl.: Universität Karlsruhe (TH) (2009): Fernleihautomat in Betrieb genommen. Blog-Beitrag vom 25.05.2009. URL: http://blog.ubka.uni-karlsruhe.de/aktuelles/?p=487 (Zugriff: 22.08.2009) Vgl.: Mailinglistendiskussion in InetBib (2009): Listenarchiv nach Datum. Beiträge vom 25. und 26.05.2009, Betreff: [InetBib] Fernleihautomat ermöglicht 24/7 Vollservice. URL: http://www.ub.unidortmund.de/listen/inetbib/date1.html (Zugriff: 22.08.2009) Universität Karlsruhe (TH) (2009): Fernleihautomat in Betrieb genommen Vgl.: Fenn, Jürgen (2009): Re: [InetBib] Fernleihautomat ermöglicht 24/7-Vollservice. E-Mail an InetBib vom 25.05.2009. URL: http://www.ub.uni-dortmund.de/listen/inetbib/msg39269.html (Zugriff: 22.08.2009) Wolf, Sebastian (2009a): Re: RE: Re: [InetBib] Fernleihautomat ermöglicht 24/7=9-Vollservice. E-Mail an InetBib vom 25.05.2005. URL: http://www.ub.uni-dortmund.de/listen/ inetbib/msg39272.html (Zugriff: 22.08.2009) 128 MIRIAM HÖLSCHER & CORINNA SEPKE „Man sollte die Einführung neuer Technologien nicht immer so negativ sehen. Wo wären wir denn alle heute sonst? In der Tat wurde hier durch die Einführung des Fernleihautomaten kein Personal entlassen, sondern nur eine Lücke in unserem 24/7-Serviceangebot geschlossen. Der Automat muss schließlich von Menschen befüllt und die überfälligen Bücher abgeräumt werden. […] Für Studierende ist es auf jeden Fall von Vorteil, rund um die Uhr an bestellte Bücher zu kommen und diese auch abgeben zu können. Bei Bibliotheken sollte der Dienstleistungsgedanke im Vordergrund stehen. Die ersten Reaktionen unserer Nutzer bestätigen uns in unse561 rer Vorgehensweise.“ Es folgten etliche Kommentare zum allgemeinen Nutzerverhalten und zu der Frage, wer es wirklich nötig habe, rund um die Uhr auf diverse Serviceangebote zugreifen zu müssen. WOLF brachte daraufhin nochmals den Dienstleistungsaspekt der Bibliotheken auf den Punkt: „Tatsache ist doch, dass wir schon längst in einer 24-Stunden-Gesellschaft leben. Die Wünsche unserer Nutzer haben sich entsprechend, geändert. Und Bibliotheken tun gut daran, auf die Wünsche der Nutzer einzugehen und sie nicht oberlehrerhaft sozialkritisch als ‚Zeitgeist‘ abzutun. Dann können wir auch gleich ganz bürokratisch unsere Öffnungszeiten auf Mo-Fr, 8-16 Uhr reduzieren. Das wär doch mal ein Signal wider den ‚Zeitgeist‘! Vor 20 Jahren gab es übrigens die Debatte, ob Geschäfte in der Woche auch nach 18 Uhr und an Samstagen nach 13 Uhr öffnen dürfen. Heute bin ich froh darüber, dass ich auch mal bis 22 Uhr einkaufen kann und nicht nach Dienstschluss noch schnell zum Supermarkt hetzen muss. Aber 562 manche stehen offenbar gerne vor verschlossener Tür [...].“ Bei der Frage nach den Öffnungszeiten lohnt sich teilweise auch ein Blick in die selbstformulierten Leitbilder oder Visionen der Bibliotheken. So schreibt sich beispielsweise die neue BIBLIOTHEK 21 in Stuttgart folgendes auf die Fahnen: „Die neue Bibliothek ist ein Garant des freien Zugangs zu Information. Sie ist nahezu rund um die Uhr zugänglich und bietet intermedial Zugriff auf alle notwendigen 563 Informationsressourcen.“ Hier wird ganz klar gesagt, dass Bibliotheken entsprechend lange Öffnungszeiten garantieren müssen, wenn sie das Ziel verfolgen, freien Zugang zu Informationen und Literatur zu vermitteln. Auch DAHM fordert für Öffentliche Bibliotheken, dass Öffnungszeiten am Abend und an den Wochenenden zur Selbstverständlichkeit werden müssen. Dies sei die logische Konsequenz daraus, dass Öffentliche Bibliotheken verstärkt auf die Aufenthaltsqualität setzen und Orte schaffen wollen, an denen man sich gern aufhält und zwanglos „der Welt der 561 562 563 Dierolf, Uwe (2009): Re: [InetBib] Fernleihautomat ermöglicht 24/7-Vollservice. E-Mail an InetBib vom 25.05.2009. URL: http://www.ub.uni-dortmund.de/listen/inetbib/msg39278.html (Zugriff: 22.08.2009) Wolf, Sebastian (2009b): Re: [InetBib] Fernleihautomat ermöglicht 24/7=9=2dVollservice. E-Mail an InetBib vom 25.05.2009. URL: http://www.ub.uni-dortmund.de/listen/inetbib/msg39285.html (Zugriff: 22.08.2009) Bussmann, Ingrid (2003): Bibliothek 21 in Stuttgart 21. Konzeption: Die sechzehn Punkte. Drei. URL: http://www5.stuttgart.de/stadtbuecherei/druck/b21/b21_k.htm (Zugriff: 22.08.2009) 4 ANFORDERUNGEN AN DIE MOVING LIBRARY VON MORGEN 129 564 Bücher und Medien begegnet.“ BOTT geht ebenfalls davon aus, dass um die Abendstunden und Wochenenden erweiterte Öffnungszeiten in Öffentlichen Bibliotheken in Zukunft eine wesentliche Rolle bei der Wahrnehmung der Bibliotheken als „öffentliche Räume“ in 565 der Stadt spielen werden. Dies gilt nach Ansicht der Verfasserinnen genauso für Moving Libraries, die im öffentlichen Stadtraum mit ihren Angeboten präsent sind: „Im Unterschied zu ‚Publikumsmagneten‘ des kommerziellen Bereichs (Kaufhäuser, Kinos) können Bibliotheken über den ganzen Tag hinein bis in die Nacht Angebote für unterschiedlichste Nutzer machen und somit auch die umliegenden öffentlichen Räume beleben. Viele neue Bibliotheken beleuchten durch große Foyers in der Dunkelheit Plätze und Straßen und strahlen durch abendliche Kulturveranstaltun566 gen ‚Sicherheit‘ in den öffentlichen Raum aus.“ In den Niederlanden werden die Diskussionen um die Öffnungszeiten Öffentlicher Bibliotheken längst nicht so kontrovers geführt wie in Deutschland. Dort ist es bereits Gang und Gäbe, dass zu der hohen Aufenthaltsqualität, die im Allgemeinen von niederländischen Bibliotheksbesuchern erwartet wird, auch entsprechend lange Öffnungszeiten dazugehö567 ren. Deshalb ist beispielsweise die Openbare Bibliotheek Amsterdam täglich von 10 – 22 568 Uhr geöffnet. MÜLLER-JERINA, der die Bibliothek in Amsterdam 2008 besucht hat, stellt fest: „Dass dieses Konzept aufgeht, belegen die Zahlen. Bei rund 750.000 Einwohnern in Amsterdam konnte die Bibliothek die Zahl der Nutzer von 160.000 auf jetzt 200.000 steigern. Täglich kommen rund 4.000 bis 6.000 Besucher, an Wochenenden auch 569 schon einmal 10.000.“ Wichtig bei der Frage nach den Öffnungszeiten scheint den Verfasserinnen besonders die Berücksichtigung der Kundenbedürfnisse und -wünsche zu sein. Hat sich die Bibliothek in ihrem Leitbild der Zugänglichmachung von Informationen „rund um die Uhr verschrieben“, muss sie auch einen entsprechenden Service anbieten bzw. zumindest virtuelle An570 gebote zur Verfügung stellen, die die Erreichbarkeit der Bibliothek gewährleisten. Möchte die Bibliothek mit ihren Serviceleistungen die Mobilität der Gesellschaft unterstützen, gehören dazu sicherlich Öffnungszeiten, die es auch einem Berufspendler ermöglichen, Angebote der Öffentlichen Bibliotheken auch außerhalb des gesetzlichen Ladenschlusses wahrzunehmen. Eine andere Möglichkeit wäre, Bibliotheksfilialen an stark frequentierten urbanen Plätzen einzurichten, wie sie in Kapitel 3.2.2.1 beispielhaft vorgestellt wurden. Allerdings müssten auch solche Angebote über Öffnungszeiten verfügen, die sie in den „Rush-Hour-Zeiten“ zugänglich machen. Zu welchen Zeiten die Bibliothek ganz konkret geöffnet haben sollte, muss jede Bibliothek durch Beobachtung oder Befragungen ih564 565 566 567 568 569 570 Vgl.: Dahm, Klaus (2005): Die öffentliche Bibliothek von morgen. Vernetzte Lebenswelt im Kultur- und Bildungsverbund. In: Öffentliche Bibliotheken in Bayern 4, H. 1, S. 7 Vgl.: Bott, H. (2000): Stadtplanung und die Rolle der Bibliothek als weicher Faktor für das Stadtmarketing, S. 23 Bott, H. (2000): Stadtplanung und die Rolle der Bibliothek als weicher Faktor für das Stadtmarketing, S. 23 Vgl.: Müller-Jerina, A. (2008): Be in the library, but feel at home, S. 122 Vgl. ebd. S. 121 Ebd. S. 121 Siehe Kapitel 3.2.3. 130 MIRIAM HÖLSCHER & CORINNA SEPKE rer Benutzer selbst herausfinden. Letztlich sollten die Wünsche der Bibliotheksnutzer im Fokus jeglicher Öffnungszeitendebatten stehen, um die Bibliotheken wahrhaftig als kundenorientierte Institutionen zu etablieren. Dies gilt für stationäre Bibliotheken wie für Moving Libraries gleichermaßen. Für die Moving Libraries sollte die Frage der Öffnungszeiten von besonderer Bedeutung sein. Wenn sie mit ihren Angeboten die zunehmende Mobilität der Bevölkerung unterstützen wollen, müssen sie auch zu den Zeiten präsent sein, an denen beispielsweise die Berufspendler die Angebote nutzen wollen, besonders also in den frühen Morgen- und in den späten Abendstunden. 4.2 Anforderungen an zukünftige mobile Bibliotheken Anschließend an die allgemeinen Anforderungen, die an die Bibliotheken von morgen gerichtet werden könnten, werden diese im Folgenden für die Moving Libraries spezifiziert. Wie bereits dargelegt, befindet sich das Mobilitäts- und Lernverhalten der Gesellschaft im Wandel. Der Trend zur „Arbeit unterwegs“ ist allgegenwärtig und der Anspruch, an jedem Ort und zu jeder Zeit mit einem Gerät der eigenen Wahl auf das Internet zuzugreifen und somit Informationen abzurufen, setzt sich durch. Sowohl aus dem Wandel der Gesellschaft in Bezug auf die Mobilität als auch aus den unterschiedlichen Angeboten durch Moving Libraries kann geschlossen werden, dass eine starke Nachfrage für mobile Zugänge zu Informationen besteht. Dieser Forderung nach ubiquitärem Zugang zu Informationen formuliert auch EIGENBRODT: „Bibliotheken sollten sich bemühen, jederzeit an jedem Ort Informationen von 571 höchster Qualität zur Verfügung stellen zu können.“ Eine mobile Bibliothek der Zukunft muss mehreren Anforderungen gerecht werden, die sich von denen der stationären Bibliotheken erheblich unterscheiden können. Beispielsweise müssen mobile Bibliotheken flexibel zu handhaben sowie praktisch und übersichtlich ausgestattet sein, damit der Transport einfach ablaufen kann. Weiterhin ist es unerlässlich, bei der Suche nach Kundenkontakten Kooperationen zu bilden und Synergien zu erzeugen. Schließlich gibt es eine weitere Anforderung, welche die „geistige Mobilität“ betrifft. Sollen mobile Bibliotheken und -dienstleistungen in Deutschland nachhaltig Einzug halten, muss dieses ebenso wie die Mobilität der Medien gefördert werden. Dies gilt vor allem für das Aufgabenverständnis der Bibliothekare. Der Gedanke, die eigene Bibliothek zu verlassen und aktive Informationsvermittlung außerhalb des Hauses durchzuführen, kann als „geistige Mobilität“ bezeichnet werden, die jedoch erst vereinzelt praktiziert wird. MOTZKO sieht dies als essentiellen Punkt, mit dem Bibliotheken den Lernprozess der Gesellschaft unterstützen können: „Bibliothekare müssen mobil sein. […] Und das bedeutet wieder: Raus aus der Bib572 liothek!“ 571 572 Eigenbrodt, Olaf (2006): Living Rooms und Meeting Places – aktuelle Annäherungen an den Raum der Bibliothek. In: Ulrich, Paul S. [Hrsg.]: Die Bibliothek als öffentlicher Ort und öffentlicher Raum. Berlin, BibSpider, S. 60 Motzko, M. (2009): [Experteninterview] 4 ANFORDERUNGEN AN DIE MOVING LIBRARY VON MORGEN 131 4.2.1 Verstärkte Kundenorientierung durch Kooperationen Eine der großen Herausforderungen der mobilen Bibliotheken ist es, aufgrund der durch Raummangel begrenzten Bestandsgröße die Balance zwischen Angebot und Nachfrage zu wahren. Den Moving Libraries muss demnach die Verbindung von lokaler Zugänglichkeit mit den Wissensquellen der Welt gelingen, wie es SYRÉ und SEEFELDT formulieren: „Die Zukunft der Bibliothek steht ganz stark im Kontext des Schlagwortes „Local 573 Access, Global Information“. SYRÉ und SEEFELDT führen weiter aus, dass Bibliotheken sich in Zukunft verstärkt der Konkurrenz auf dem Markt der Informationslieferanten stellen müssen. Um dieser Herausforderung entgegenzutreten und sich im Wettbewerb zu profilieren, können mehrere Maßnahmen ergriffen werden. Gerade eine thematische Profilbildung könnte der Ansatzpunkt für eine verstärkte Kooperationsbereitschaft mit Partnern aus der Wirtschaft sowie mit Kultur- und Bildungsinstitutionen sein. Durch ihre hohe Flexibilität und die Notwendigkeit, sich häufig an unterschiedliche Umgebungen anzupassen, sind mobile Bibliotheken einem noch stärkeren Wandel unterworfen als stationäre Bibliotheken. Da die Ansprüche, die an sie gestellt werden, oftmals nicht allein aus den Ressourcen der Bibliothek bestritten werden können, müssen strategische Partnerschaften geschlossen werden, die helfen können, die Kundenbedürfnisse zu befriedigen. ZwIck sieht hierin einen entscheidenden Vorteil für Themenbibliotheken, der jedoch auch für Moving Libraries gilt: „Durch ihr geschärftes Profil finden Themenbibliotheken viel leichter Kooperationspartner als reguläre Stadtteilbibliotheken. Häufig unterstützen […] Partner die Filiale mit zusätzlichen Services und Angeboten, bereichern auf diese Weise die Produkt574 palette der Bibliothek und fördern den Vertrieb.“ Es gibt zahlreiche erfolgreiche Beispiele für solche fachlich übergreifende Kooperationen. In der Stadt Appeldoorn in den Niederlanden sind beispielsweise die Stadtbücherei sowie das Gemeindearchiv und ein Museum für Moderne Kunst innerhalb eines Hauses untergebracht. Unter dem Namen „Kulturwarenhaus“ sind die ehemals getrennten Bereiche in einem Aufgabengebiet aufgegangen, in dem alle Mitarbeiter für alle drei ehemals getrennten Bereiche zuständig sind. MÜLLER-JERINA berichtet hierzu, dass sich diese zunächst als fachfremd angesehene Arbeit inzwischen durchgesetzt hat: „Auf Befragen erklärten die Mitarbeiter, dass es zwar etwas Zeit gebraucht hätte, um sich zusammenzufinden, dass man es aber jetzt als sehr bereichernd empfinde, 575 mit anderen Berufsgruppen zusammenzuarbeiten.“ Vor allem in den Niederlanden scheinen solche fachübergreifenden Kooperationen recht häufig geschlossen zu werden. MÜLLER-JERINA berichtet weiter über die Stadtbibliothek in Almere: 573 574 575 Seefeldt, J./Syré, L.(2007): Portale zu Vergangenheit und Zukunft, S. 104 Zwick, J. [Hrsg.] (2004): Bibliotheksfilialen im Blick, S. 31 Müller-Jerina, A. (2008): Be in the library, but feel at home, S. 118 132 MIRIAM HÖLSCHER & CORINNA SEPKE „Wie in vielen niederländischen Bibliotheken auch bestehen keine Berührungsängste gegenüber anderen Institutionen. Vielmehr begreift sich die Bibliothek als Dienstleistungsort. So findet etwa einmal wöchentlich eine Beratung für Studenten zum Thema Studiengebühren statt, ebenfalls einmal pro Woche öffnet eine Außen576 stelle des Arbeitsamtes in der Bibliothek ihr Büro.“ Umgekehrt wäre auch der Gang der Bibliothek ins Arbeitsamt und eine Unterstützung bei der Informationssuche möglich, wie RATZEK vorschlägt: „Man könnte auch in die Berufsinformationszentren gehen, wo die Leute ja schon Interesse an Berufen haben und sich orientieren wollen. [Sie] recherchieren etwas und jetzt brauchen sie Zusatzinformationen. Wo bekommen sie die eigentlich her? Der Leiter im Berufsinformationszentrum hat dann nur seine Vordrucke und seine 577 Standardbroschüren.“ Mit einem Angebot wie dem eben beschriebenen würden Bibliotheken ihre Serviceleistungen auch außerhalb der eigenen Räume anbieten und somit mobil auf die Anforderungen der Kunden reagieren. Sie könnten neue Nutzergruppen erschließen und zudem durch die Kooperation mit anderen Institutionen Ressourcen sparen, indem sie auf vorhandene Infrastrukturen zurückgreifen könnten. ZWICK führt mehrere Kooperationsbeispiele im Rahmen des Projekts „Bibliotheksfilialen“ auf, die durch Synergieeffekte eine hohe Außenwirkung erzeugen: „Zusammenarbeit mit Partnern: Unsere Kooperationspartner sind für uns ein wesentlicher ,Vertriebskanal’, da sie den direkten Kontakt mit der Zielgruppe erleichtern. […] Vertreter der wichtigsten Einrichtungen wie beispielsweise Arbeitsamt, IHK, Volkshochschule, Regionalstelle Frau und Beruf und Kreishandwerkschaft diskutierten gemeinsam mit der Bibliotheksleitung und dem Kulturdezernenten über Möglichkeiten und Ziele der neuen Einrichtung. […] Darüber hinaus werben diese Einrichtungen für uns, indem sie unsere Faltblätter auslegen und im Rahmen ihrer Programme gezielt auf uns aufmerksam machen. Im Gegenzug bieten wir ihnen Führungen und Präsentationsmöglichkeiten in der Job-Karriere578 Bibliothek.“ Ein anderer Kooperationspartner ist die Dresdner Flughafen GmbH, welche die Bibliothek 579 mit Medienmitteln unterstützt und in ihre Werbung mit einbezieht. MITTROWANN und MOTZKO nennen die Post und die Sparkassen als mögliche interessante 580 Kooperationspartner für Bibliotheken . Sie verfügen bereits über ein infrastrukturelles Netz, wie beispielsweise den sicheren und dennoch zeitlich unabhängigen Zugang zu einem Vorraum, in dem die Bibliothek eine Rückgabebox installieren könnte. 576 577 578 579 580 Müller-Jerina, A. (2008): Be in the library, but feel at home. S. 119 Ratzek, W. (2009): [Experteninterview] Zwick, J. [Hrsg.] (2004): Bibliotheksfilialen im Blick, S. 53 f. Vgl. ebd. S. 70 Vgl.: Motzko, M. (2009): [Experteninterview]; sowie: Mittrowann, A. (2009): [Experteninterview] 4 ANFORDERUNGEN AN DIE MOVING LIBRARY VON MORGEN 133 Andere strategische Partner könnten der örtliche Einzelhandel oder Unternehmen, die deutschlandweit tätig sind, wie die Deutsche Bahn AG (DB AG) sein. Durch entsprechende Partnerschaften könnten auch bibliotheksferne Nutzergruppen angesprochen werden, was die Bibliothek mehr in den öffentlichen Blickpunkt rücken würde. Wesentlich erscheint den Verfasserinnen jedoch die Herausforderung für die Bibliotheken, mit ihren Dienstleistungen aus der Bibliothek herauszutreten, um stärker wahrgenommen zu werden. Die vorgeschlagenen Kooperationen wären dafür ein geeignetes Mittel. 4.2.2 Technische Anforderungen an mobile Bibliotheken Mobile Bibliotheken stehen gerade in Bezug auf die Ausstattung vor besonderen technischen Herausforderungen, da einerseits die Bestände innerhalb der mobilen Bibliothek vor Transportschäden geschützt werden müssen, andererseits auch die Transportmittel der besonderen „Pflege“ bedürfen. CARPENTER und TROHOPOULOS haben derartige Anforderungen bereits 1998 im Rahmen des 581 MOBILE PROJECTS der IFLA untersucht . Anhand ihrer Untersuchungsergebnisse ist ersichtlich, dass es mehrere Anforderungen für den Transportbereich gibt. Dies betrifft die Konstruktion von technisch ausgereiften Transportmitteln, welche die zu erfüllenden Zwecke optimal befriedigen können. Hierzu zählt die Berücksichtigung der verkehrstechnischen Infrastruktur vor Ort. In ländlichen Gegenden ist das Straßennetz oft weniger gut ausgebaut als in Städten. In gebirgigen Gegenden muss ein besonderes Augenmerk darauf gerichtet werden, dass die Transportmittel wendig sind, um Steigungen und enge Kurven zu bewältigen. Mobile Bibliotheken müssen über eine angemessene Ausstattung verfügen, um die Medien zu präsentieren. Zusätzlich sind entsprechende Sicherheitsstandards zu beachten, die die Medien und technischen Geräte während des Transports vor Beschädigungen schützen. Je nach Häufigkeit des Transports können diese Sicherheitsmaßnahmen unterschiedlich ausfallen. Bei häufigen oder ständigen Bewegungen der mobilen Bibliothek (wie auf Schiffen oder in Bücherbussen) sind beispielsweise verschließbare Schränke eine gute Möglichkeit. Liegen wesentlich längere Zeiträume zwischen den Transporten (wie beispielsweise die Positionierung eines Bibliothekscontainers für drei Monate auf einem öffentlichen Platz), kann über alternative Maßnahmen wie separates Transportieren der Bestände nachgedacht werden. Diese können sich jedoch als zeitintensiv beim Auf- oder Abbau erweisen und müssen entsprechend der vorhandenen Zeit- und Personal-Ressourcen sowie möglicher Kosten geprüft werden. Der zweite wichtige Punkt ist die Gewährleistung der technischen Ausstattung. Die Versorgung mit digitalen Diensten über eine Internetverbindung sowie die Stromversorgung muss je nach Aufgabe während des Transports einer mobilen Bibliothek (beispielsweise mittels einer Photovoltaikanlage) oder an stationären Orten (durch Anbindung an feste Stromzufuhr) gesichert werden. Ebenso muss die mobile Bibliothek für eine Ausstattung mit mobiler Hardware für die Computernutzung oder für die Internetzugänge sorgen. Dies ist be581 Carpenter, J./Trohopoulos, I.(1998): Mobile Libraries and New Information Services in Public Libraries S. 97 ff. 134 MIRIAM HÖLSCHER & CORINNA SEPKE sonders für einen reibungslosen Ablauf der elektronischen Ausleihe wichtig, die beispielsweise über UMTS oder GPRS erfolgen kann. Auch für die Katalogsuche im Bestand, Download- oder Hörstationen, intelligente Regalsysteme, die Versorgung mit Lichtquellen oder der Betrieb einer Klimaanlage müssen entsprechende Strom- und Technikanbindungen vorhanden sein. 135 5 Konzeptvorschlag Im vorangegangenen Kapitel wurden Anforderungen an Moving Libraries der Zukunft formuliert. Ausgehend von diesen Anforderungen wird eine der zentralen Fragestellungen dieser Arbeit mit einem Konzeptvorschlag der Verfasserinnen für eine Moving Library beantwortet. Die Eingangsfrage dieser Arbeit lautete: Wie könnte eine Moving Library der Zukunft im Hinblick auf die gesellschaftlichen Entwicklungen und die konkreten Anforderun582 gen der Kunden aussehen? Die Antwort darauf spiegelt sich in dem Konzept „DBib“ wider. Das Motto, das dieser Arbeit und dem Konzeptvorschlag vorangestellt wird, ist ein Zitat von HUGO. Es lautet: 583 „Utopie ist die Wahrheit von morgen!“ Damit soll gesagt werden, dass das vorgeschlagene Moving-Library-Konzept durchaus als Utopie betrachtet wird und nicht sofort umsetzbar sein muss. Die Verfasserinnen sehen jedoch Umsetzungspotenzial für die Zukunft sowohl in technischer als auch in räumlicher und infrastruktureller Hinsicht und werden mit Interesse entsprechende Entwicklungen beobachten. 5.1 Vorüberlegungen 5.1.1 Zielgruppe Als Zielgruppe für DBib sehen die Verfasserinnen Geschäftsreisende oder Berufspendler als 584 Repräsentanten der modernen Informationsgesellschaft an. Es sollen Personen angesprochen werden, die im Berufsleben stehen, demnach also zwischen 20 und 65 Jahren alt sind. Diese Personen verbringen durch weite Wege zur Arbeit oder zu Geschäftsterminen viel Zeit in öffentlichen Verkehrsmitteln, wie beispielsweise in Zügen der Deutschen Bahn (DB AG). Das Hauptinformationsinteresse der ausgewählten Zielgruppe liegt auf dem aktuellen Tages- und Wirtschaftsgeschehen. Aufgrund langer Arbeitswege und wenig freier Zeit nutzen diese Personen bisher das Angebot Öffentlicher Bibliotheken kaum oder gar nicht. DBib soll durch attraktive Bestands- und Raumangebote aktiv auf die Berufspendler zugehen, auf diese Weise deren Interesse wecken und sie als neue Kunden für die Öffentlichen Bibliotheken gewinnen. DBib soll einerseits grundsätzlich die Bekanntheit und das Image Öffentlicher Bibliotheken steigern, andererseits sollen Bibliotheken verstärkt als „Wissensund Informationstankstellen“ im Zentrum der Gesellschaft wahrgenommen werden. 582 583 584 Genauere Erklärung des Namens folgt im Unterkapitel 5.1.2.3 Hugo, Victor Siehe Kapitel 1.3 136 MIRIAM HÖLSCHER & CORINNA SEPKE 5.1.2 Ideenfindung 585 Ein Ziel der strukturierten Kurzbefragung war es, innovative Ideen für ein Moving-LibraryKonzept zu generieren. Die Befragten sollten ihre persönlichen Wünsche und Bedürfnisse an mobile Bibliotheken der Zukunft äußern, ohne sich durch die Frage der Umsetzbarkeit beschränken zu müssen. Einige der schönsten und innovativsten sowie die am häufigsten genannten Ideen aus der Kurzbefragung (siehe Abbildung 54) werden nachfolgend mit eigenen Ideen der Verfasserinnen kurz vorgestellt. Abbildung 54: Ausschnitt aus Mindmap zur Darstellung der Ideen der Kurzbefragung 585 586 Siehe Kapitel 2.2 Eigene Darstellung 586 5 KONZEPTVORSCHLAG 137 5.1.2.1 Bibliotheken an ungewöhnlichen Orten Sehr häufig wurde der Zugriff auf Bücher, Informationen, E-Books, Hörbücher etc. an ungewöhnlichen Orten bzw. an Orten und Plätzen, die der Entspannung dienen, gewünscht. Dazu gehören beispielsweise Bibliotheken: • • im Flugzeug am Strand oder im Freibad • • im Hotel im Sauna-Ruhebereich • im Wartezimmer beim Arzt • • in der Bahn, am Bahnhof, in U-Bahnstationen an Autobahnraststätten • in Einkaufszentren 5.1.2.2 Ungewöhnliche Bibliotheken Da die Befragten ihrer Fantasie und Kreativität freien Lauf lassen durften und sollten, gab es auch eine Reihe von Vorschlägen für Moving Libraries, die futuristisch oder sogar etwas fantastisch anmuten. Dennoch gefallen sie den Verfasserinnen so gut, dass einige dieser Ideen nachfolgend aufgeführt werden. Möglicherweise können sie in naher oder ferner Zukunft umgesetzt werden: • eine „Zen-Bibliothek“ als Ort der Ruhe in Zeiten hektischer Betriebsamkeit, als „Kraftort“ zum Auftanken, Ruhe Schöpfen und Entspannen • die Bibliothek als „Raumblase“, die auf Knopfdruck an jedem beliebigen Ort erscheinen kann, sei es beim Arzt, im Flugzeug oder am Bahnhof • ein deutschlandweites „Bibliotheksnetzwerk“, bei dem innerhalb Deutschlands mit einem Ausweis bei jeder Filiale (beispielsweise an Bahnhöfen) ausgeliehen und zurückgegeben werden kann • die „Urlaubsbibliothek“, bei der der Bibliothekskunde ein thematisch zusammengestelltes „Urlaubspaket“ an jeden beliebigen Flughafen oder Bahnhof der Welt bestellen kann und seine Literatur nach dem Sicherheitscheck in einer schönen Bibliothekstasche ausgehändigt bekommt eine Bibliothek mit einem „intelligentem Leitsystem“, bei dem sich je nach Nutzerbedarf (zum Beispiel analog des neuronalen Netzes) automatisch sofort der Medienbestand, die Systematik, die Bestandsaufstellung und das Veranstaltungsangebot der Bibliothek anpassen • • Bibliotheken als „Information to go”, „Take away” oder „Drive in“ 5.1.2.3 „DBib” Eine Idee, die immer wieder in verschiedenen Abwandlungen genannt wurde, ist die „Bahnhofsbibliothek“, die an möglichst vielen Bahnhöfen zur Verfügung stehen soll und deutschlandweit über ein einheitliches Ausleih- und Verbuchungssystem genutzt werden 138 MIRIAM HÖLSCHER & CORINNA SEPKE kann. Es scheint demnach den Bedarf zu geben, die Fahrzeit in den Zügen durch die Nutzung von Angeboten Öffentlicher Bibliotheken sinnvoll füllen zu können. Die DB AG wirbt selbst mit dem Slogan „Reisezeit ist Nutzzeit“ für ihr W-LAN-Angebot, das in Kooperation 587 mit T-Mobile bereits in vielen Intercity-Express-Zügen (ICEs) angeboten wird. Die Fahrgastzahlen der DB AG sind im ersten Halbjahr 2009 im Vergleich zum Vorjahr um 588 1,6 Prozent auf 956 Millionen Passagiere angestiegen. Eine deutschlandweite Kooperation von Bibliotheken mit der DB AG könnte daher für beide Partner von Nutzen sein. Einerseits könnte die DB AG ihren Kunden einen noch besseren Service ganz im Sinne ihres eigenen Slogans „Reisezeit ist Nutzzeit“ anbieten. Andererseits könnten die Bibliotheken durch eine verstärkte Präsenz mit innovativen Angeboten an stark frequentierten Plätzen, wie den Bahnhöfen, ihr Image und ihre Bekanntheit bei einer Zielgruppe verbessern, die bisher die Angebote Öffentlicher Bibliotheken kaum oder wenig nutzt. Auf diese Weise könnten beide Partner sicherlich auch neue Kunden gewinnen. Zudem ist dies eine Möglichkeit, auch weitere interessante Partner oder Sponsoren für die Bibliotheken zu gewinnen. Bisher gibt es in Deutschland keine Kooperation zwischen Öffentlichen Bibliotheken mit der DB AG. Das einzige den Verfasserinnen bekannte Beispiel einer „Bibliothek im Bahnhof“ in 589 Deutschland ist die Stadtbibliothek Luckenwalde (siehe Abbildung 55). Allerdings wird der Bahnhof in Luckenwalde, in dem die Stadtbibliothek seit 2008 untergebracht ist, nicht 590 mehr von der DB AG als Bahnhof genutzt. Abbildung 55: Stadtbibliothek Luckenwalde: Bibliothek im Bahnhof 591 Den Verfasserinnen erscheint eine Kooperation mit der DB AG aus den schon genannten Gründen sehr sinnvoll. Daher schlagen sie für eine Moving Library der Zukunft das Konzept „DBib“ vor. Diese Moving Library soll sowohl aus stationären Bibliothekseinheiten an den ICE-Bahnhöfen in Deutschland bestehen, als auch aus Bibliothekswaggons, die an die Speisewagen der ICE-Züge angehängt werden sollen. Der Name DBib steht für das deutsch- 587 588 589 590 591 Vgl.: DB AG (2009): HotSpots – die beste Verbindung von Internet & Mobilität. Rollende Büros mit Datenkommunikation über WLAN. URL: http://www.bahn.de/p/view/service/zug/railnet_ice_bahnhof.shtml (Zugriff: 22.08.2009) Vgl.: RP ONLINE (2009): Deutsche Bahn. Fahrgastzahlen im ersten Halbjahr gestiegen. Beitrag vom 08.08.2009. URL: http://www.rp-online.de/public/kompakt/wirtschaft/742455/ Fahrgastzahlen-im-ersten-Halbjahr-gesteigert.html (Zugriff: 22.08.2009) Vgl.: Stadtbibliothek Luckenwalde (o.J.): Bibliothek im Bahnhof. URL: http://bibliothek.luckenwalde.de/ (Zugriff: 12.08.2009) Vgl.: Stadtbibliothek Luckenwalde (o.J.): Chronik 1990 – 2007. URL: http://bibliothek.luckenwalde.de/ index.php?option=com_content&task=view&id=54&Itemid=75 (Zugriff: 22.08.2009) Stadtbibliothek Luckenwalde (o.J.): Eingangshalle mit Lesecafé. Eigener Screenshot URL: http://bibliothek.luckenwalde.de/images/virtua/virtua2.html (Zugriff: 22.08.2009) 5 KONZEPTVORSCHLAG 139 landweite (D) Bibliotheksnetzwerk, dass geschaffen werden soll. Zudem liefern die beiden ersten Buchstaben (DB) einen Hinweis auf den Kooperationspartner DB AG. Das fettgedruckte B in der Mitte steht gleichzeitig für Bibliothek, Bahn und Bahnhof und ist somit das verbindende Element dieser drei Begriffe. DBib soll an stark frequentierten ICE-Bahnhöfen vor Ort die Aufmerksamkeit potenzieller Nutzer auf sich ziehen und ihnen Bibliotheksangebote unterbreiten, die die moderne Informationsgesellschaft in ihrer Mobilität unterstützt. Andererseits soll DBib selbst innerhalb des deutschen Schienennetzes mobil sein und auf diese Weise die Mobilität der genannten Zielgruppe aktiv begleiten. Im folgenden Unterkapitel „Konzeption“ stellen die Verfasserinnen detaillierte Überlegungen zur Ausgestaltung einer solchen Moving Library an. Zur Illustration der Ideen werden eigene Darstellungen (siehe Abbildungen 56 ff.) der Räumlich592 keiten verwendet, die von den Verfasserinnen mit dem Freeware-Programm SketchUp erstellt wurden. 5.2 Konzeption Als Voraussetzung für DBib muss ein deutschlandweites Netzwerk von Bibliotheken geschaffen werden, die mit der DB AG und vor allem auch miteinander kooperieren. Um die gleichberechtigte Versorgung der ausgewählten Zielgruppe innerhalb Deutschlands sicherzustellen, sieht das Konzept DBib vor, in allen deutschen Städten, die über ICE-Bahnhöfe verfügen, Bibliotheksfilialen einzurichten, die über ein einheitliches Zugangs-, Ausleih- und Verbuchungssystem verfügen. Jeder registrierte Nutzer kann so in jeder Stadt und in jedem Zug, in der es eine Filiale von DBib gibt, mit nur einem Nutzerausweis sämtliche Angebote der DBib nutzen. Denkbar wäre beispielsweise die Kombination der Bahncard mit einem Benutzerausweis. Dies wäre vor allem auch unter Marketing- und Kundenbindungsgesichtspunkten für die DB AG interessant, die sozusagen ein Paket „Bahncard-PLUS“ anbieten könnte. Dieses verschafft den Kunden der DB AG einen zusätzlichen Mehrwert zu den Vorteilen der Bahncard. Für diejenigen Kunden, die über keine Bahncard verfügen und diese auch nicht nutzen wollen, muss ein eigener Ausweis direkt in den Bibliotheksfilialen ausgestellt werden können. Wie bereits erwähnt, sind für DBib zwei verschiedene Komponenten geplant. Die erste Komponente besteht aus kleinen stationären Bibliothekseinheiten mit einer jeweiligen Grundfläche von 15 Quadratmetern (siehe Abbildung 56 und 57). Diese sollen an den ICEBahnhöfen der DB AG positioniert werden. Als zweite Komponente des Konzepts sind Bibliothekswaggons (siehe Abbildung 58 und 59) vorgesehen, die von den ICE-Zügen mitgeführt werden sollen. In den Bibliothekswaggons steht eine Nutzfläche von jeweils 61 Quadratmetern zur Verfügung. Die stationären Bibliothekseinheiten sollen über die gleichen Öffnungszeiten verfügen wie die Einzelhandelsgeschäfte an den Bahnhöfen. Während der Öffnungszeiten wird in den stationären Modulen jeweils ein Auskunftsbibliothekar für alle Fragen rund um die Nutzung von DBib zur Verfügung stehen. Dies schafft einerseits die 593 Nähe zum Kunden, die von RATZEK gefordert wird , andererseits verhilft es den Kunden 592 593 Google (2009): Google SketchUp. URL: http://sketchup.google.com/intl/de/ (Zugriff: 22.08.2009) Vgl.: Ratzek, W. (2009): [Experteninterview] 140 MIRIAM HÖLSCHER & CORINNA SEPKE der DBib-Filialen zu schnellen und kompetenten Auskünften, und fördert damit die Wahrnehmung der Bibliotheken als kompetente „Wissens- und Informationstankstellen“. Abbildung 56: DBib: Innenansicht der stationären Bibliotheksfiliale 5 KONZEPTVORSCHLAG Abbildung 57: DBib: Außenansicht der stationären Bibliotheksfiliale Abbildung 58: DBib: Innenansicht des Bibliothekswaggons 141 142 MIRIAM HÖLSCHER & CORINNA SEPKE Abbildung 59: DBib: Außenansicht des Bibliothekswaggons Die Bibliothekare in den stationären DBib-Filialen sollen gleichzeitig auch für Auskunftsfragen zur Verfügung stehen, die in den Bibliothekswaggons auftreten. Mit Hilfe eines VideoTelefonieplatzes innerhalb der Waggons (siehe Abbildung 60), können die Bibliotheksnutzer Auskunftsfragen stellen, die automatisch nach einem rotierenden System vom jeweils zuständigen Bibliothekar beantwortet werden. Darüber hinaus können Auskunftsfragen je594 derzeit per E-Mail und zu den Öffnungszeiten der Bahnhofsfilialen auch per Chat gestellt und beantwortet werden. Auch zu diesem Zweck stehen in den Bibliothekswaggons Internetplätze zur Verfügung (siehe Abbildung 61). Abbildung 60: Platz für Videotelefonie Abbildung 61: Internetplätze Dem stationären Bibliothekscontainer und den Bibliothekswaggons gemeinsam ist der Einsatz fortschrittlicher Technik, die Ausstattung der Räumlichkeiten durch ein modernes Farb594 Siehe beispielsweise auch „Ask a Librarian“ siehe Kapitel 3.2.3.3 5 KONZEPTVORSCHLAG 143 konzept und die Verwendung hochwertiger Materialien sowie die Umsetzung der in Kapitel 595 4 formulierten Anforderungen hinsichtlich „mobiler Bestände“ und des Prinzips der Floa596 ting Collections . 5.2.1 Eingesetzte Technik 5.2.1.1 Smart-Shelf-Technologie Die Nutzung von DBib soll attraktiv, einfach und schnell möglich sein. Daher ist der Einsatz der Smart-Shelf-Technologie vorgesehen, die in Kapitel 4.1.1.2 vorgestellt wurde. Dabei wird jedes Medium, das sich innerhalb der entsprechenden Bibliothekskomponente befindet, automatisch durch RFID-Technologie erkannt und im Raum verortet. Mit Hilfe von mobilen Endgeräten können sich die Nutzer direkt zum gewünschten Medium navigieren lassen. Dabei können über eine Schnittstelle die eigenen Geräte, beispielsweise ein eigenes Smartphone, genutzt oder innerhalb der DBib-Filiale entsprechende Geräte ausgeliehen werden. Die wesentliche Voraussetzung dafür ist ein einheitliches Bibliothekssystem, das ständig online aktualisiert wird und an das sämtliche Bibliotheksfilialen von DBib angeschlossen sind. Das Bibliothekssystem sollte also über die Möglichkeit verfügen, dynamisch die Ortsangaben der Medien anzupassen und automatisch im System zu hinterlegen. DBib soll den Bibliothekskunden den Service anbieten können, jedes Medium, das im gesamten DBib-Systems verfügbar ist, innerhalb von 24 Stunden zum DBib-Standort am Bahnhof ihrer Wahl bestellen zu können. Die Infrastruktur für den internen Lieferdienst ist durch das Schienennetz der DB AG bereits vorhanden. Die bestellten Medien werden in den stationären Bibliotheksfilialen platzsparend in einem Lagerraum bereitgestellt (siehe Abbildung 62) und können durch den Bibliothekar ebenfalls mit Hilfe der Smart-ShelfTechnologie schnell und unkompliziert geortet und an die Kunden ausgegeben werden. 595 596 Siehe Kapitel 4.1.2.1 Siehe Kapitel 4.1.2.2 144 MIRIAM HÖLSCHER & CORINNA SEPKE Abbildung 62: Lagerraum innerhalb des Containers 5 KONZEPTVORSCHLAG 145 5.2.1.2 Downloadstationen Ein weiteres Element, das sowohl in den stationären als auch in den mobilen DBibFilialen für die Kunden zur Verfügung stehen soll, sind Downloadstationen für Hörbücher, E-Books, Filme, aktuelle Wirtschaftsdaten etc. (siehe Abbildung 63). Diese Stationen sollen über Touchscreens bedienbar sein. Die Kunden müssen sich mit ihrem Bibliotheksausweis „einchecken“ und können dann digitale Inhalte auf eigene mobile Endgeräte herunterladen oder beispielsweise ei397 nen E-Book-Reader ausleihen. Abbildung 63: Downloadstation 597 Beim Herunterladen kann der Nutzer selbst entscheiden, für welche Leihfrist er die Medien herunterladen möchte. Dabei wird lediglich die maximale Leihfrist durch die Bibliothek vorgegeben. Über das DRM wird kontrolliert, dass nicht mehr Lizenzen genutzt werden können, als im gesamten DBib-System zur Verfügung stehen. Je nachdem, für wie lange ein Kunde ein bestimmtes Medium ausleihen möchte, werden seinem Nutzer-Konto Leihgebühren belastet, wobei alle Medien während der ersten 24 Stunden kostenlos genutzt werden können. Diese Regelung dürfte dazu führen, dass viele Medien nur kurzfristig ausgeliehen werden, so dass den Nutzern stets ausreichend Download-Lizenzen zur Verfügung stehen. Grundsätzlich ist es möglich, Ausschnitte aus den elektronischen Dokumenten zur Probe anzulesen, anzuhören oder anzuschauen. Dazu verfügt jede Downloadstation neben dem Touchscreen auch über Kopfhörer. Selbstverständlich ist es auch möglich, einen Titel direkt über die Downloadstation zu rezipieren. Dafür werden jeweils sowohl im Waggon als auch in den stationären Bibliotheken Sitzmöglichkeiten angeboten. Allerdings gehen die Verfasserinnen davon aus, dass die stationären Bibliotheksmodule eher dem schnellen Zugriff und der zügigen Ausleihe dienen werden und weniger gut für lange Aufenthalte geeignet sind als die Bibliothekswaggons. Die Downloadstationen verfügen außerdem über eine Schnittstelle zum Katalog des DBibSystems. Der Einstieg in den Katalog erfolgt über verschiedene Suchmodi, wie beispielsweise einer visuellen Cover-Suche nach bestimmten Interessenkreisen. Darüber hinaus gibt es auch die Möglichkeit, den Katalog des Bibliothekssystems auf die „klassische“ Weise nach 597 Nähere Erläuterungen zu E-Books und E-Book-Readern siehe Kapitel 3.2.3.4 146 MIRIAM HÖLSCHER & CORINNA SEPKE bestimmten Titeln oder Autoren zu durchsuchen. Wird ein physisches Medium gefunden, das sich in der jeweiligen Filiale befindet, in der sich der Kunde aufhält, kann automatisch über eigene oder auszuleihende mobile Endgeräte eine Navigation zur entsprechenden Stelle im Regal aktiviert werden. 5.2.2 Designgrundsätze Laut STEINHAUER müssen Bibliotheken als Orte wieder interessanter und attraktiver werden, 598 sie sollten besondere Orte sein, so dass es ein „Erlebnis“ wird, sie zu besuchen. Dies ist ein Grundsatz, der durch die Gestaltung der DBib-Elemente umgesetzt wird. Die DBibStationen sollen die Aufmerksamkeit der avisierten Zielgruppe auf sich ziehen. Es ist daher notwendig, dass sie einerseits von außen einsehbar sind, also zum Teil über Glaswände verfügen. Andererseits soll durch das knallige Farbkonzept (siehe beispielhaft Abbildung 64) 599 der von MCDONALD geforderte „Wow-Effekt“ erzielt werden, um die Aufmerksamkeit der Passanten zu wecken. Abbildung 64: Beispiel für das DBib-Farbkonzept Die Möbel werden vom Design her aufeinander abgestimmt. Die geschwungenen Kopfelemente der Sitzgelegenheiten sind zusätzlich an das Design innerhalb der ICE-Waggons angepasst, um eine gestalterische Verbindung zwischen den DBib-Waggons und den normalen ICE-Waggons zu schaffen. 598 599 Vgl.: Steinhauer, Eric (2009): Experteninterview, Stuttgart, am 19.06.2009 Vgl.: McDonald, A. (2007): The top ten qualities of good library space, S. 25; siehe auch Kapitel 4.1.3.2 5 KONZEPTVORSCHLAG 147 Abbildung 65: DBib-Infotürme links in abgestufter und rechts in nicht-abgestufter Version Ein weiteres besonderes Design-Element stellen die Infotürme (siehe Abbildung 65) dar. Einerseits können sie als Präsentationsmöglichkeit für Bücher, Zeitschriften und Zeitungen genutzt werden. Dazu können Bücher in den abgestuften Türmen in entsprechenden Haltevorrichtungen untergebracht werden, die verhindern, dass sie während der Zugfahrt herausfallen. An den glatten Türmen sind Hängevorrichtungen vorgesehen, in denen die Zeitungen und Zeitschriften präsentiert werden können. Andererseits kann in den Infotürmen die Technik für die Download-Stationen und die Kopfhörer verankert werden. Sind die Stationen nicht in Betrieb, können sie in den Türmen versenkt und gesichert werden. Bei Bedarf können die Touchpanels, Tastaturen etc. auf Knopfdruck ausgefahren werden. Die Informationstürme sind außerdem Teil der Sitzelemente in den DBib-Waggons (siehe Abbildung 66). Sie trennen somit die einzelnen geschwungenen Sitzelemente voneinander ab und schaffen auf diese Weise eine gewisse Privatsphäre für die DBib-Nutzer, die dort die Downloadstationen nutzen, die Tagespresse durchblättern oder Bücher lesen können. 148 MIRIAM HÖLSCHER & CORINNA SEPKE Abbildung 66: DBib-Sitzgelegenheiten mit Infotürmen In jeder Stadt, in der eine DBib-Filiale stationiert ist, soll auf der äußeren Glaswand des Moduls das Stadtwappen und der Name der heimischen Stadtbibliothek abgebildet werden, um eine regionale Verbindung und Identifizierung zu den örtlichen Stadtbibliotheken zu schaffen. Zusätzlich wird überall als verbindendes Element das DBib-Logo abgebildet. Auf diese Weise wird ein einheitliches Corporate Design zwischen allen DBib-Filialen deutschlandweit geschaffen. 5.2.3 Bestandskonzept Die Bestandsschwerpunkte für das DBib-Konzept sind ebenfalls auf die gewünschte Klientel abgestimmt und liegen auf aktuellen Informationen über das Wirtschafts-, Politik- und Tagesgeschehen. Dazu werden vor allem elektronische Informationen bereitgestellt, die über die Downloadstationen abgerufen werden können. Darüber hinaus wird die regionale und überregionale Tagespresse angeboten. Die Verfasserinnen gehen jedoch davon aus, dass die DBib-Filialen auch zur Entspannung nach anstrengenden Geschäftsterminen genutzt werden. Zu diesem Zweck werden aktuelle Bestseller sowohl im Print als auch als E-Books bereitgehalten. Zusätzlich können Hörbücher und Filme über die Downloadstationen heruntergeladen werden. Um die Entspannung nach anstrengenden Geschäftsterminen in besonderem Maße zu fördern und die Attraktivität der DBib-Filialen für die avisierte Zielgruppe zu steigern, können in jedem DBib-Waggon auf einer Playstation Spiele gespielt werden. Damit auch andere Nutzer der DBib-Filialen dabei zum Zug kommen können, ist die jeweilige Spieldauer zeitlich beschränkt. Auch diese Angebote müssen von den Kunden über ihre Nutzerausweise freigeschaltet werden, um beispielsweise die Dauer der Nutzung regeln zu können. 5 KONZEPTVORSCHLAG 149 Möchte ein DBib-Nutzer eines der Medien ausleihen, wird es automatisch beim Verlassen der Filiale über RFID auf sein Konto verbucht und im System als ausgeliehen vermerkt. Jedes ausgeliehene Medium kann in jedem beliebigen DBib-Waggon oder in jeder DBib-Filiale 600 zurückgegeben werden. Hier greift das Prinzip der Floating Collections. Beim Betreten der DBib-Module wird das Buch automatisch vom Ausleihstatus zurückgebucht und mit dem entsprechenden Ortsvermerk im System versehen. Innerhalb der Waggons können die Nutzer die Bücher an jeder beliebigen Stelle ins Regal stellen. Bei den stationären Filialen gibt es zusätzlich die Möglichkeit, außerhalb der Öffnungszeiten Rückgabeboxen zu nutzen, die auch von außen zugänglich sind. 600 Siehe Kapitel 4.1.2.2 150 6 Fazit und Ausblick An den Anfang dieser Arbeit wurde ein abgewandeltes und erweitertes Zitat von SANDBURG gestellt, um etwas provokant zu hinterfragen, ob der Trend zu steigender Mobilität der Gesellschaft auch von den Öffentlichen Bibliotheken aufgenommen und mit entsprechenden Angeboten für die Vertreter der modernen Informationsgesellschaft umgesetzt wird: „Stell Dir vor, Bibliotheken sind als ‚Wissens-Tankstellen‘ und Informationsdienstleister fest in der modernen Informationsgesellschaft verankert, aber niemand geht 601 hin“. Stattdessen kämen die Bibliotheken als Moving Libraries mit ihren Dienstleistungen dorthin, wo ihre Nutzer sind.“ Die Verfasserinnen haben mit zahlreichen Beispielen mobiler Bibliotheken und mobiler Bibliotheksdienstleistungen gezeigt, dass es sehr wohl vorstellbar ist, dass diese Vision zur Realität wird und es ansatzweise bereits ist. Dies wird auch durch die Aussage von MITTROWANN bekräftigt: „Die Bibliothek geht dorthin, wo die Menschen sind – das finde ich 602 unglaublich logisch.“ Die Erkenntnisse aus den Experteninterviews und den intensiven Literaturrecherchen bestätigen die Verfasserinnen in ihrer Ansicht, dass es zwei Entwicklungstendenzen für Bibliotheken geben wird. Zum einen wird sich die Bibliothek verstärkt als so603 zialer Ort profilieren müssen , zum anderen als mobile „Wissenstankstellen“ Informationen zu den Kunden bringen müssen. Die vorliegende Arbeit hat sehr unterschiedliche Moving Libraries – von Bücherbussen über Esels- und Fahrradbibliotheken bis hin zu Bibliotheksaustomaten und stationären Bibliotheken in Einkaufszentren – vorgestellt. Die Verfasserinnen wollten deutlich machen, dass das mobile Bibliothekswesen vor allem eins ist: vielfältig. War der Existenzzweck mobiler Bibliotheken in Europa nach dem zweiten Weltkrieg besonders auf die Literatur- und Informationsversorgung der Bevölkerung in schlecht angebundenen Regionen ausgerichtet, um dort vor allem Leseförderung zu betreiben, ist am Beginn des 21. Jahrhunderts im Bereich der Moving Libraries in Europa und Nordamerika eine Trendwende hin zu Angeboten für die moderne Informationsgesellschaft erkennbar. So wurden auch Moving Libraries vorgestellt, die das wachsende Bedürfnis der Gesellschaft nach Mobilität unterstützen und begleiten. Dazu gehören zum Beispiel die iGS in Finnland oder Bibliothekseinheiten in U-Bahn- oder Metrostationen. Der ursprüngliche Plan der Verfasserinnen, den Fokus der Arbeit auf Schiffsbibliotheken und zwar besonders auf Kreuzfahrtschiffsbibliotheken zu richten, musste leider aufgegeben werden, da die angeschriebenen Reedereien weder Interesse für das Thema noch Zeit für die Beantwortung der Fragen der Verfasserinnen aufbringen konnten. Im Nachhinein stellte sich die Verlagerung des Schwerpunktes der Arbeit jedoch als Glücksgriff heraus, da immer neue und interessante Berichte über mobile Bibliotheken in allen Ecken der Welt entdeckt wurden und die Verfasserinnen durch Kurz-Befragungen den verstärkten Wunsch nach mobilen Bibliotheksangeboten für die moderne, europäische Informationsgesellschaft wahrnehmen und in einem eigenen Konzeptentwurf umsetzen konnten. 601 602 603 Frei nach Sandburg, Carl: „Sometime they’ll give a war and nobody will come.“ Mittrowann, A. (2009): [Experteninterview] Siehe Kapitel 4.1.3.1 6 FAZIT UND AUSBLICK 151 Sehr stark hat die Arbeit von den geführten Experteninterviews profitiert, die sich als wertvolle Quellen für aktuelle Entwicklungen im Bibliothekswesen, Facheinblicke in sonst verschlossene Themen und innovative Ideen erwiesen haben. Das Interesse, das dem Thema von Seiten der Experten entgegengebracht wurde, sowie die voneinander unabhängig eingeholten und dennoch übereinstimmenden fachlichen Einschätzungen bestärken die Verfasserinnen zusätzlich in der Annahme, dass sich das Bibliothekswesen auf die verstärkte Mobilität der Gesellschaft einlassen muss. Ebenfalls als sehr bereichernd ist die Kurzinterviewreihe über das Verständnis und die Erwartungen an mobile Bibliotheken anzusehen, deren Ergebnisse das Konzept DBib nachhaltig beeinflusst haben. Obwohl durch die offene Fragestellung eine große Bandbreite an Antworten gegeben wurde, spiegeln die Ergebnisse einmal mehr die große Varietät des Themas wider. Als nicht auswertbar erwies sich die Online-Umfrage zu Schiffsbibliotheken, deren Rücklaufquote nicht ausreichend war, um eine Repräsentativität zu gewährleisten. Obwohl die Umfrage detailliert vorbereitet und durchdacht war, kann nur vermutet werden, aus welchem Grund sie letztendlich nicht erfolgreich verlief. Möglicherweise lag es am geringen Interesse der Reedereien oder aber an der gewünschten Wahrung von Unternehmensgeheimnissen. Anhand der Erkenntnisse aus den geführten Gesprächen und der Literaturauswertung zeigt die Arbeit die Entwicklungstendenzen der modernen Informationsgesellschaft auf und formuliert daraus Anforderungen für die Moving Libraries der Zukunft. Damit wird die erste Fragestellung beantwortet, die von den Verfasserinnen ins Zentrum dieser Arbeit gestellt wurde: Welche zukünftigen Anforderungen von Bibliotheksnutzern der modernen Informationsgesellschaft können durch Moving Libraries befriedigt werden? Die Bedürfnisse, die von den Verfasserinnen herausgestellt und als Anforderungen in Kapitel 4 formuliert wurden, konzentrieren sich vor allem auf drei Bereiche: Als wesentlich werden „Zeitersparnisse 604 605 für die Bibliotheksnutzer“ , „flexible und mobile Bestandskonzepte“ und eine angenehme „Aufenthaltsqualität in den physischen Bibliotheksräumen, zu der auch ansprechende 606 Öffnungszeiten gehören“ , erachtet. Um aufzuzeigen, wie einige dieser Anforderungen an die Moving Libraries der Zukunft umgesetzt werden könnten, haben die Verfasserinnen den Konzeptvorschlag DBib vorgelegt und beantworten damit gleichzeitig auch die zweite zentrale Fragestellung dieser Arbeit: Wie könnte eine Moving Library der Zukunft im Hinblick auf die gesellschaftlichen Entwicklungen und die konkreten Anforderungen der Kunden aussehen? Ein Aspekt, der immer wieder in den Experteninterviews zur Sprache kam, war der mangelnde Bekanntheitsgrad und das „angestaubte“ Image von Bibliotheken in der Öffentlichkeit. Die Anmerkung von DAHM „Ein großes Problem stellen die ‚Bilder im Kopf’ vieler Bür607 ger wie auch zahlreicher politisch Verantwortlicher dar, wenn es um Bibliotheken geht.“ veranschaulicht die Auffassung, die überwunden werden muss, wenn es um die Etablierung neuer Dienstleistungen geht. Entsprechende Marketingkonzepte und verstärkte Kundenorientierung sind Wege, die „Bilder im Kopf“ zu ändern: 604 605 606 607 Siehe Kapitel 4.1.1 Siehe Kapitel 4.1.2 Siehe Kapitel 4.1.3 Dahm, K. (2005): Die öffentliche Bibliothek von morgen, S. 6 152 MIRIAM HÖLSCHER & CORINNA SEPKE “We spend a lot of time trying to change people. The thing to do is to change the 608 environment and people will change themselves.” Auch andere Aussagen und Forderungen, die das Bibliothekswesen betrafen, wurden in den Experteninterviews angesprochen. So war der Wunsch nach einer zentralen Steuerung des Bibliothekswesens durch eine Neuauflage des Deutschen Bibliotheksinstituts (DBI), beispielsweise in Form einer Agentur, ein Thema. Ebenso kam eine verbindliche Gesetzgebung für Bibliotheken zur Sprache wie auch eine stärkere (finanzielle) Förderung von Innovationen. Auch TIEDTKE fordert eine stärkere Innovationsfreudigkeit im deutschen Bibliothekswesen: „Aber: Wie war das noch mit den Innovationen? Wie kamen sie in den Markt und auch in die Bibliotheken? RFID zum Beispiel war zunächst etwas für Industrie und Großunternehmen. […] Jedoch eins ist sicher: Bibliotheken müssen sich kurzfristig Gedanken machen, wie sie sich denen gegenüber verhalten, die virtuelle Spiele be609 vorzugen und virtuell kommunizieren wollen.“ In diesem Sinne müssen sich Bibliotheken verstärkt auf dem Gebiet der mobilen Angebote mit innovativen Dienstleistungen positionieren und profilieren. Dies ist jedoch nicht mit einmaligen Aktionen getan, sondern bedarf umfassender Konzeptionen und Entwicklungen. Trotz entsprechender Wünsche und Initiativen können nicht sämtliche Neuerungen auf einmal geschehen. MITTROWANN sieht die „Geduld“ als einen wichtigen Faktor bei der Entwicklung von Innovationen an und sagt: „das betrifft ganz gewiss auch die Entwicklun610 gen im Bibliothekssektor.“ Essentiell wird sein, welche praktikablen Anknüpfungspunkte sich zwischen Innovation, Mobilität und Bibliotheken finden lassen, denn: „Die Zukunft ist […] kein von vornherein feststehender Endzustand, der uns von 611 außen aufgezwungen wird. Vielmehr gilt: Zukunft wird gemacht.” 608 609 610 611 Les Watson nach JISC (2006): In: Designing Spaces for Effective Learning, S. 24 Tiedtke, W. (2008): Per Mausklick durch die Bücherhalle, S. 60 Mittrowann, A. (2009): [Experteninterview] Minx, E./Preissler, H./Järisch, B. (2002): Wie sieht ein Elefant aus? S. 35 153 Literaturverzeichnis Gedruckte Quellen: Ariès, Philippe [Hrsg.] (1993): Geschichte des privaten Lebens. 5. Band. Frankfurt am Main, Fischer Atteslander, Peter (2008): Methoden der empirischen Sozialforschung. 12. Aufl. Berlin, Schmidt Baacke, Eugen/Scherer, Irene/Schröter, Welf (2007): Electronic Mobility in der Wissensgesellschaft. Wege in die Virtualität. Mössingen-Talheim, Talheimer Verl. Beck, Ulrich (1986): Risikogesellschaft. Auf dem Weg in eine andere Moderne. Frankfurt am Main, Suhrkamp Berger, Franz (2004): Lernort Bibliothek. Berlin, BibSpider Bertelsmann Stiftung/Bundesvereinigung Deutscher Bibliotheksverbände e.V. [Hrsg.] (2004): Bibliothek 2007. 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URL: http://www.ub.uni-dortmund.de/listen/ inetbib/msg39285.html (Zugriff: 22.08.2009) 168 Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Moving Libraries Logo – eigene Darstellung Abbildung 2: Eine der ersten Fahrbüchereien, Washington County, Maryland, USA Abbildung 3: Reise Bibliothek Abbildung 4: "Gesellschaftszwiebel" nach Klein Abbildung 5: Lebensstile nach Gluchowski Abbildung 6: Sinus-Milieus in Deutschland Abbildung 7: Prognosen von Sinus Sociovision für das Jahr 2020 Abbildung 8: Lebensstile nach Otte Abbildung 9: mobile Dienste Abbildung 10: Mobilitätsentwicklung von der Vor-Mobilitätsgesellschaft bis heute Abbildung 11: Willkommensbildschirm der Online-Befragung Abbildung 12: Auswertung der strukturierten Kurzbefragung (Ausschnitt) Abbildung 13: MedienBus Karlsruhe Abbildung 14: Trägerschaft der Fahrbibliotheken Abbildung 15: Nutzung der Bücherbusse durch Kinder und Jugendliche Abbildung 16: Angebote spezieller Dienstleistungen für Kinder und Jugendliche Abbildung 17: Empfang eines "Busitos" von Schulkindern in Solola Abbildung 18: Bücherbus Stuttgart Abbildung 19: Innenansicht des Lesemobils Baden-Baden Abbildung 20: Appenzeller Bibliobahn Abbildung 21: Bibliothekszug Hong Samud Rotfai Yoawachon Abbildung 22: Bibliothek der „Pride of America" Abbildung 23: Flugzeugträger mit Bibliothek Abbildung 24: Bibliothek der Queen Victoria Abbildung 25: Bibliothek der Queen Mary 2 Abbildung 26: Kreuzfahrtschiffbibliothek Abbildung 27: Schiffsbibliothek des MS „Stadt Thun" Abbildung 28: Bootsbibliotheken in Bangladesch Abbildung 29: Bibliothek auf dem Forschungsschiff „Polarstern" Abbildung 30: Biblioburro in Kolumbien Abbildung 31: Kamelbibliothek in Kenia Abbildung 32: Elefantenbibliothek in Thailand Abbildung 33: Fahrradbibliothek in Asien Abbildung 34: Schubkarrenbibliothek Abbildung 35: Bibliometro (Madrid) Abbildung 36: library@orchard Abbildung 37: Biblio24 Abbildung 38: Bibliotheksautomaten in Shenzhen Abbildung 39: Süßigkeitenautomat mit Literatur Abbildung 40: Information-Gas-Station (iGS) in Helsinki Abbildung 41: Hotel Alphabet Abbildung 42: Bibliotel "Im Weissen Rössl am Wolfgangsee" Abbildung 43: mobile Jurtenbibliothek in der Mongolei Abbildung 44: Logo der Europeana in verschiedenen europäischen Sprachen 7 14 15 19 20 21 22 24 35 39 53 59 60 63 63 64 65 67 68 69 71 72 73 74 74 74 76 78 79 81 82 83 85 85 87 89 91 92 93 94 95 96 100 103 ABBILDUNGSVERZEICHNIS Abbildung 45: Verteilung der verschiedenen Medien auf die DigitalCollections Abbildung 46: Auswertung der strukturierten Kurzbefragung (Ausschnitt aus Mindmap) Abbildung 47: Trefferanzeige im OPACplus (Screenshot mit roten Markierungen der Verfasserinnen) Abbildung 48: Roving Librarians Abbildung 49: Iglu-Wand Abbildung 50: IKMZ Cottbus Abbildung 51: Bücherbus Kiruna Abbildung 52: Inneneinrichtung der Openbaren Bibliotheek Amsterdam Abbildung 53: funktionale Möbel mit ansprechendem Design Abbildung 54: Ausschnitt aus Mindmap zur Darstellung der Ideen der Kurzbefragung Abbildung 55: Stadtbibliothek Luckenwalde: Bibliothek im Bahnhof Abbildung 56: DBib: Innenansicht der stationären Bibliotheksfiliale Abbildung 57: DBib: Außenansicht der stationären Bibliotheksfiliale Abbildung 58: DBib: Innenansicht des Bibliothekswaggons Abbildung 59: DBib: Außenansicht des Bibliothekswaggons Abbildung 60: Platz für Videotelefonie Abbildung 61: Internetplätze Abbildung 62: Lagerraum innerhalb des Containers Abbildung 63: Downloadstation Abbildung 64: Beispiel für das DBib-Farbkonzept Abbildung 65: DBib-Infotürme links in abgestufter und rechts in nicht-abgestufter Version Abbildung 66: DBib-Sitzgelegenheiten mit Infotürmen 169 104 108 110 112 121 123 124 125 126 136 138 140 141 141 142 142 142 144 145 146 147 148 170 Abkürzungsverzeichnis ATLA Access to Learning Award AWI Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung, Bremerhaven BCID BookCrossingIDnumber BFHZ Bayerisch-Französisches Hochschulzentrum BIB Berufsverband Information Bibliothek e.V. BIM Masterstudiengang Bibliotheks- und Informationsmanagement B.I.T. online Zeitschrift für Bibliothek, Information und Technologie BSB Bayerische Staatsbibliothek, München BTU Brandenburgische Technische Universität Cottbus BuB Forum Bibliothek und Information BW Baden-Württemberg CD-ROM Compact Disc Read-Only Memory ComBi Computerbibliothek Paderborn DB AG Deutsche Bahn AG DBI Deutsches Bibliotheksinstitut DiViBib Digitale Virtuelle Bibliotheken DRM Digital Rights Management DVD Digital Versatile Disc ekz ekz.bibliotheksservice GmbH, Reutlingen EU Europäische Union GPRS General Packet Radio Service HdM Hochschule der Medien, Stuttgart ICE Intercity-Express IHK Industrie- und Handelskammer IKMZ Informations-, Kommunikations- und Medienzentrum iGS Information-Gas-Station, Helsinki IKT Informations- und Kommunikationstechnologie IMAS Gesellschaft für Internationale Marktanalysen mbH InetBib Internet in Bibliotheken (E-Mail-Diskussionsliste) Infas Institut für angewandte Sozialwissenschaft GmbH JIM Jugend, Information, (Multi-)Media JISC Joint Information Systems Committee LSC Learning and Skills Council LKW Lastkraftwagen ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS MS Motorschiff NCL Norwegian Cruise Line NDR Norddeutscher Rundfunk NLA National Library of Australia NLB National Library Board Singapore NRW Nordrhein-Westfalen ÖB Öffentliche Bibliothek OCLC Online Computer Library Center OPAC Online Public Access Catalogue PC Personalcomputer PDA Personal Digital Assistant PIN Personal Identification Number RFID Radio Frequency Identification RMS Royal Mail Ship SMS Short Message Service SNCF Société Nationale des Chemins de fer France TNS Taylor Nelson Sofres UB Universitätsbibliothek UdSSR Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken/Sowjetunion UMTS Universal Mobile Telecommunications System URL Uniform Resource Locator UTB Uni-Taschenbuch VÖBB Verbund Öffentlicher Bibliotheken Berlin VPL Vancouver Public Library 171 B.I.T.online – Innovativ Die B.I.T.online Innovativ-Reihe auf einen Blick Band 3: Innovationsforum 2001 – Die neue Seite der Bibliothek ANJA GROSSE: Die neue Seite der Bibliothek – Beispiele und Tipps für Online-Marketing Öffentlicher Bibliotheken · MARKUS FELDER: Der Bibliothekar als Freiberufler · MARGARETE POLOK: Strategien und Konzepte zur Langzeitsicherung digitaler Publikationen in Bibliotheken ISBN 978-3-934997-04-2, 2001, Brosch., 182 Seiten, € 19,50* Band 4: Innovationsforum 2002 – Elektronische Dienste für Bibliotheken ANNETTE BRESSER: Accessibility – Websitegestaltung für Blinde und Sehbehinderte · SANDRA KUHN / HEIKE MATTHEIS: Konzeption eines E-Learning-Portals und seine Realisierung für die Bereiche Information und Neue Medien · ANKE REINHARD: Electronic Commerce – Chancen für Bibliotheken? ISBN 978-3-934997-05-9, 2002, Brosch., 290 Seiten, € 24,50* Band 5: Innovationsforum 2003 – Informationskompetenz MARLENE FRITSCH: Bibliotheksarbeit für Kinder unter drei Jahren und ihre Betreuungspersonen in Öffentlichen Bibliotheken am Beispiel der ersten zertifizierten Öffentlichen Bibliothek in Deutschland · GABRIELE GEBAUER: Qualitätsmanagement in Öffentlichen Bibliotheken · SABINE RAUCHMANN: Die Vermittlung von Informationskompetenz in Online-Tutorials: eine vergleichende Bewertung der US-amerikanischen und deutschen Konzepte ISBN 978-3-934997-06-6, 2003, Brosch., 290 Seiten, € 24,50* * Buchpreis zuzügl. Versandkosten Band 6: Vademecum e-Zeitschriften: Glossar und Bibliographie (Bearbeitet von Bruno Bauer). Das Werk wendet sich an alle Bibliothekare und Informationsfachleute in Praxis und Ausbildung sowie an Wissenschafter und Studenten, die als Nutzer der elektronischen Zeitschrift an der aktuellen Entwicklung dieser Publikationsform interessiert sind ISBN 978-3-934997-07-3, 2003, Brosch., 132 Seiten, € 19,50* Band 7: Innovationsforum 2004 Bibliotheken – Moderne Dienstleister und Unternehmen CLAUDIA LATZE: Entwicklung einer Balanced ScoreCard für die Hamburger Öffentliche Bücherhallen · MARIA UEBEL: Die Neue Dresdner Jugendbibiliothek medien@age – Konzeption und Erfolgsmessung der zielgruppenspezifischen Bibliotheksarbeit · THOMAS ZACHLOD: Auskunft und Informationsdienstleistungen Deutscher Bibliotheken im Internet ISBN: 978-3-934997-08-0, 2004, Brosch., 260 Seiten, € 24,50* Band 8: Zur Ermittlung der Qualität von Bibliotheksdienstleistungen – Konzept und Ergebnisse einer 2003 durchgeführten Benutzerumfrage HOLGER MÜHLENKAMP unter Mitarbeit von MAGDALENA SIMONJI Als Teil des öffentlichen Hochschul- und Wissenschaftssektors sind die meisten wissenschaftlichen Bibliotheken in Deutschland deutlichen Mittelkürzungen ausgesetzt. Diese Entwicklung zwingt die Bibliotheken erstens zur Steigerung ihrer Wirtschaftlichkeit (Effizienz) und zweitens zu einer stärkeren Kunden- bzw. Nutzerorientierung. Der vorliegende Beitrag resultiert aus einer Benutzerbefragung, die von der Universitätsbibliothek Hohenheim in Zusammenarbeit mit dem Lehrstuhl für Ökonomik sozialer Dienstleistungen an der Universität Hohenheim durchgeführt wurde. Er richtet sich vor allem an die Entscheider in wissenschaftlichen Bibliotheken, die zunehmend mit der Forderung konfrontiert sind, die verbleibenden Mittel stärker als bisher zu rechtfertigen ISBN 978-3-934997-09-7, 2005, Brosch., 116 Seiten, € 24,50* * Buchpreis zuzügl. Versandkosten Band 9: Teaching Library in Deutschland Vermittlung von Informations- und Medienkompetenz als Kernaufgabe für Öffentliche und Wissenschaftliche Bibliotheken CLAUDIA LUX / WILFRIED SÜHL-STROHMENGER „Teaching Library“ – dies ist nicht nur der Titel dieses Buches, sondern vor allem auch eine selbstbewusste Behauptung in einem Land, in dem die Politik die Bibliotheken als Partner des Lernens noch nicht entdeckt hat, in dem die kommunalen Gremien in Zeiten des Sparens die Ausgaben für Bibliotheken als angeblich freiwillige Leistungen in dem Feld der Kultur neben Museen und Theatern munter kürzen. Das vorliegende Buch zeigt eindrucksvoll die erstaunliche Vielfalt der Initiativen und den Einfallsreichtum der Bibliothekare, im Hinblick auf eine pointiertere Einbindung der gesamten Bibliotheken in unser Bildungssystem ISBN 978-3-934997-11-0, 2004, Brosch., 252 Seiten, € 29,50* Band 10: Wenn ich nur wüßte, ob meine Botschaft angekommen ist? Beispiele zur Erfolgsbewertung BETTINA FEIFEL / STEFFI WERNER: Wissensmanagement – Trend oder Einbahnstraße · FRIEDERIKE ELFLEIN: Wissensmanagement im Staatsministerium Baden-Württemberg – Von der Idee zur Umsetzung · WALTER GÜRTH: Wer nicht weiß, wo er hin will ... Partizipatives Weiterbildungscontrolling ist mehr als Kostenerfassung · ROLAND MANGOLD: Schlechter Schüler oder schlechter Lehrer? Eine kommunikations-psychologische Betrachtung der Problematik von Lehrevaluationen · CHRISTOPH BRASS: Öffentlich ablesen und an den Rathäusern jeden Orts affichieren zu lassen. Eine kurze Geschichte der staatlichen Öffentlichkeitsarbeit von der Kanzlerrede bis zum Internet · SABINE GRAUMANN / MARTINA KEIL: Neue Methoden zur Messung der PR-Effizienz, dargestellt an einem Fallbeispiel aus der Praxis · SUSANNE ZIEHR: Medienresonanzanalyse für Internet-Publikationen. Untersuchung einer Dienstleistung und ihres Marktes · CHRISTINE FISCH: Erfolgscontrolling von Veranstaltungen im Informationsbereich · RENATE HANISCH / WOLFGANG RATZEK: Nur ein gesundes Team ist ein erfolgreiches Team. Das Motivationsförderprogramm im Hotel Intercontinental Berlin ISBN 978-3-934997-12-7, 2005, Brosch., 160 Seiten, € 24,50* * Buchpreis zuzügl. Versandkosten Band 11: Innovationsforum 2005 GÜNTHER, SABINE: Das Web Contact Center: eine Herausforderung für Bibliotheken SIEWEKE, BEATE: Bibliothecae Quo Vadis? Herausforderungen an die Bibliothek von morgen WIEGEMANN, SVENJA: Implementierung einer benutzungsfreundlichen Oberfläche für mobile Endgeräte am Beispiel eines Bibliotheksinformationssystems ISBN 978-3934997-13-4, 2005, Brosch., 272 Seiten, € 24,50* Band 12: Innovationspreis 2006 Neues für Bibliotheken – Neues in Bibliotheken BLANCK, SANDRA: Wert und Wirkung von Bibliotheken KLINGENBERG, ANDREAS: Unterrichtsmodell zur Entwicklung von Informationskompetenz bei Schülern der gymnasialen Oberstufe ISBN 978-3934997-14-1, 2006, Brosch., 180 Seiten, € 24,50* Band 13: Was für ein Service! – Entwicklung und Sicherung der Auskunftsqualität von Bibliotheken Herausgegeben von TOM BECKER unter Mitarbeit von CARMEN BARZ Von der Suche über das Finden zum Wissen – Routine in wohl jeder Bibliothek. Die zielgerichtete Suche im Auftrag des Kunden, vom Stellenwert der bibliothekarischen Auskunft über Qualitätsmanagement, theoretische Grundlagen und Praxisbeispiele im Auskunftsdienst bilden den roten Faden des Buches, das ausgewählte Beiträge aus Theorie und Praxis beinhaltet. ISBN 978-3-934997-15-8, 2007, Brosch., 212 Seiten, € 29,50* Band 14: Innovationspreis 2007 Was tun? Junge Informationsspezialisten zeigen ihre Fachkompetenz Digitale Buchformen in Bibliotheken und der Einsatz elektronischer Bücher in Bibliotheken – Open Access in der deutschen Bibliotheks-, Informations- und Dokumentationsszene – Nutzung von Wikis im bibliothekarischen Kontext ISBN 978-3-934997-16-5, 2007, Brosch., 404 Seiten, € 29,50* * Buchpreis zuzügl. Versandkosten Band 15: Beate Guba; Unbekannte Portalwelten? Der Wegweiser! Portale erhöhen die Attraktivität einer Einrichtung, wenn die entsprechenden Inhalte und Dienste bereitgestellt werden! Die in zwei Teile gegliederte Publikation beinhaltet die Wesensmerkmale von Portalen und eine Diskussion der unterschiedlichen Bezeichnungen. Es werden Fachinformations-, Bibliotheks- und Universitätsportale aus verschiedenen Ländern präsentiert und diskutiert, wobei auf drei Anwendungen – jene der Universitäten Buffalo, Nottingham und ETH Zürich – im Detail eingegangen wird. So wird der Leser vom eher theoretischen Bereich der Portaltypologie auf anschauliche Weise in die Welt der praktischen Anwendungen hinübergeleitet und es werden die Vorzüge dieser Technologie deutlich gemacht. ISBN 978-3-934997-18-9, 2005, Brosch., 124 Seiten, € 29,50* Band 16: Simone Zahn; RFID in Bibliotheken Wie können Bibliotheken die RFID-Technologie für ihre Bedürfnisse nutzen? Wie kann die RFID-Infrastruktur in Bibliotheken verstärkt genutzt werden, wie kann die Nutzung aussehen und wie kann man sie umsetzen? In diesem Buch werden sowohl Einsatzmöglichkeiten beschrieben, die bereits in der Realität in Betrieb sind, als auch Anwendungsvorschläge offeriert, die in Zukunft bei einer Weiterentwicklung der Technik und Standards denkbar sind. Die Beschreibung der Anwendungen orientiert sich chronologisch an einem bibliothekarischen GeschäftsgangModell. Zu Beginn erfolgt eine umfassende Einführung in die Technologie von RFID, angefangen bei der Funktionsweise und Entstehung über eine allgemeine Erläuterung der Unterscheidungsmerkmale von RFID-Systemen, bis hin zur praktischen Umsetzung im Bibliotheksumfeld ISBN 978-3-934997-19-6, 2005, Brosch., 104 Seiten, € 29,50* Band 17: Jin Tan; Bibliotheken in Second Life Angesichts einer rasanten Entwicklung in der virtuellen Welt versuchen momentan einige Bibliotheken, in Second Life ihre Dienste anzubieten. Das Buch versucht, das Phänomen Second Life zu erklären, wobei zahlreiche Aspekte berücksichtigt und durch konkrete Beispiele verdeutlicht werden. Darüber hinaus werden die Veränderungen des Bibliotheksumfeldes und die Ziele der Bibliothek in diesem Zusammenhang analysiert. Dabei wird Second Life als ein neues Medium verstanden, das die herkömmliche digitale Kommunikation vervollständigt. Bibliotheken als Ort der Kommunikation können und sollten diese dreidimensionale Plattform für einen besseren Service in der digitalen Welt einsetzen. Das Buch entwickelt ein allgemeines Konzept, das von Bibliotheken für ihren Auftritt in Second Life genutzt werden kann. ISBN 978-3-934997-20-2, 2008, Brosch., 96 Seiten, € 24,50* * Buchpreis zuzügl. Versandkosten Band 18: Innovationspreis 2008 Multikulturelle Bibliotheksarbeit Vorschulische Sprach- und Leseförderung von Kindern mit Migrationshintergrund Das Buch beschäftigt sich mit der vorschulischen Sprach- und Leseförderung von Kindern mit Migrationshintergrund und stellt das Konzept eines Sprach- und Leseförderungsprogramms für Kinder ausländischer Herkunft für die Bücherhalle Wilhelmsburg vor. ISBN 978-3-934997-21-9, 2008, Brosch., 104 Seiten, € 24,50* Band 19: Innovationspreis 2008 Moderne Bibliothek – Neue Herausforderung an den Service STASCH, BENJAMIN: Musik-, Film- und Hörbuchdownloads: Eine Perspektive für das Dienstleistungsangebot Öffentlicher Bibliotheken? Hochschule für Medien, Stuttgart (Bachelor) SCHREIBER, CAROLA: Aspekte der Rhetorik und ihre Bedeutung für die bibliothekarische Arbeit in Bezug auf Benutzerschulungen, Mitarbeitergespräche und Verhandlungen mit dem Unterhaltsträger. Hochschule für Medien, Stuttgart (Bachelor) ISBN 978-3-934997-22-6, 2008, Brosch., 152 Seiten, € 29,50* Band 20: Ronald Kaiser; Bibliotheken im Web 2.0 Zeitalter Herausforderungen, Perspektiven und Visionen Die im angloamerikanischen Raum geprägte Idee des Web 2.0 hat schnell in die Welt der Bibliotheken und Informationsinstitutionen unter dem Schlagwort Library 2.0 Einzug gefunden. Hierunter subsummieren sich neue Dienstleistungen und Webapplikationen der Bibliothek wie Blogs, Podcasts, Web-Feeds und Wikis. In Deutschland prägt sich für diese neue Dimension bibliothekarischer Angebote der Begriff Bibliothek 2.0 ein. Die Arbeit präsentiert den technischen Hintergrund, Arbeitsweisen einzelner Anwendungen und zeigt Wege zur Integration dieser in die Arbeit der Bibliotheken. Darüber hinaus werden innovative Entwürfe zur künftigen Gestaltung bibliothekarischer Dienstleistungen mittels Techniken des Web 2.0 vorgestellt. ISBN 978-3-934997-23-3, 2008, Brosch., 132 Seiten, € 24,50* * Buchpreis zuzügl. Versandkosten Band 21: Hermann Rösch; Academic Libraries und Cyberinfrastructure in den USA. Das System wissenschaftlicher Kommunikation zu Beginn des 21. Jahrhunderts. Die Untersuchung befasst sich mit der Rolle der wissenschaftlichen Bibliotheken im Wissenschaftssystem der USA. Unter systemtheoretischer Perspektive geht es dabei zum einen um die Frage, welche Auswirkungen die digitale Revolution auf das gesellschaftliche Funktionssystem Wissenschaft bzw. die wissenschaftliche Kommunikation insgesamt hat. Zum anderen wird die strukturelle Entwicklung des auf bibliothekarische Institutionen und Dienstleistungen gestützten Systems der Informationsversorgung für die Wissenschaften in den USA analysiert. Am Beispiel der US-amerikanischen Verhältnisse wird untersucht, ob und in welchem Umfang ein funktional differenziertes System wissenschaftlicher Bibliotheken dazu in der Lage ist, dem Funktionsbedarf netzbasierter digitaler Kommunikation der Wissenschaften nach dem jetzt erkennbaren Stand der Entwicklung gerecht zu werden. In der aktuellen Debatte spielen die Konzepte „Cyberinfrastructure“ und „Digital Scholarship“ eine herausragende Rolle. Besondere Beachtung verdienen die Spezifika der US-amerikanischen Wissenschafts- und Forschungslandschaft. Zu erwähnen sind in diesem Zusammenhang die extrem föderalistische Landesstruktur, die zu einer Fragmentierung der Kompetenzen führt, und die vergleichsweise starke marktwirtschaftliche Orientierung der Hochschulen, die eine Konkurrenzsituation erzeugt und zumindest eine partielle Fragmentierung der Interessen zur Folge hat. ISBN 978-3-934997-20-0, 2008, Brosch., 128 Seiten, € 24,50* Band 22: Kathleen Schacht; Imageanalyse und Kommunikationsstrategie für die Staats- und Universitätsbibliothek Carl von Ossietzky Hamburg Durch eine Imageanalyse, bei der Kunden, Nicht-Kunden und Mitarbeiter befragt werden, wird das Image der Staats- und Universitätsbibliothek ermittelt. Mit Hilfe eines Semantischen Differentials erfolgt ein Vergleich zwischen Selbst- und Fremdbild. Die Ergebnisse der Imageanalyse, sowie der Wettbewerbsanalyse, der SWOTAnalyse und einer Medienresonanzanalyse bilden die Grundlage für die Kommunikationsstrategie. Sie dient der strategischen Ausrichtung der Kommunikation, insbesondere der Öffentlichkeitsarbeit, der Bibliothek mit dem langfristigen Ziel des Imageaufbaus. ISBN 978-3-934997-25-7, 2009, Brosch., 180 Seiten, € 24,50* * Buchpreis zuzügl. Versandkosten Band 23: Fabienne Kneifel; Mit Web 2.0 zum Online-Katalog der nächsten Generation Das Web 2.0 hat auch bei Bibliotheksnutzern zu veränderten Erwartungshaltungen an bibliothekarische Online-Angebote wie die Kataloge geführt. Diese waren lange Zeit statische Nachweisinstrumente, die heutzutage über das Angebot reiner Bestandsverzeichnisse hinausgehend verschiedene Web 2.0-Funktionalitäten sowie Zusatzinformationen mittels Kataloganreicherung integrierten sollten, um den Erwartungen der Nutzer zu genügen. Die Ergebnisse einer Online-Umfrage unter Nutzern einer Großstadtbibliothek unterstreichen dies: die Nutzer wünschen sich vielfältige Browsingmöglichkeiten, Google-ähnliche Suchmöglichkeiten, zusätzliche Inhalte und ein personalisierbares Angebot. Welche Funktionen und Inhalte sollte ein Bibliothekskatalog im Zeitalter des Web 2.0 bieten? Am Beispiel der Stadtbücherei Frankfurt wird dargestellt wie Prinzipien des Web 2.0 – u.a. Nutzerfreundlichkeit und Kollaboration – auf das Online-Angebot übertragbar sind, ohne dabei den Personalaufwand, die rechtliche Absicherung der Bibliothek und Fragen der technischen Implementierung zu vergessen. ISBN 978-3-934997-26-4, 2009, Brosch., 172 Seiten, € 24,50* Band 24: Simon Brenner; Die Bibliothekswebsite auf Knopfdruck. Konzeption und Entwicklung eines als Dienstleistung angebotenen Web-Content-Management-Systems für Bibliotheken Im Rahmen dieser Arbeit wurde ein Web-Content-ManagementSystem (WCMS) entwickelt, welches Bibliotheken auch mit geringen finanziellen und personellen Mitteln erlaubt, eine attraktive Website zu erstellen, die ohne HTML-Kenntnisse einfach und zeitnah aktualisiert werden kann. Als Komplettlösung, die das Ziel verfolgt, den das System nutzenden Bibliotheken sämtliche administrativen Tätigkeiten abzunehmen, wird das System den Bibliotheken dem SoftwareBereitstellungs-Modell „Software-as-a-Service“ entsprechend, auf einem von einem Dienstleister betriebenen Webserver gegen eine Mietgebühr bereitgestellt und ist auf diese Weise sofort und ohne spezielles IT-Fachwissen nutzbar. ISBN 978-3-934997-27-1, 2009, Brosch., 188 Seiten, € 24,50* * Buchpreis zuzügl. Versandkosten Band 25: Anna Kathrin Klug; Die Wissensbilanzierung in Bibliotheken. Chancen und Probleme bei der Anwendung des Modells „Wissensbilanzierung – Made in Germany“. Traditionelle Finanzbilanzen sind kaum in der Lage, relevante Informationen zum Verständnis der intellektuellen Faktoren abzubilden. Wissensbilanzen können diese Erklärungslücke schließen, weil sie veranschaulichen, wie Intellektuelles Kapital zur Wertschöpfung beiträgt. Bisher fanden Wissensbilanzen überwiegend Anwendung in der Privatwirtschaft, allerdings ist auch ein Einsatz im öffentlichen Bereich, etwa in Bibliotheken, denkbar. Das Buch erläutert zunächst theoretische Grundlagen und gibt einen Überblick über ausgewählte Methoden zur Erfassung, Messung und Steuerung des Intellektuellen Kapitals. Das Hauptaugenmerk des Buches liegt auf der Umsetzung des Modells „Wissensbilanz - Made in Germany“ in Bibliotheken. Hierzu werden Beispiele und Empfehlungen aufgeführt, die Bibliotheken bei der Durchführung einer Wissensbilanzierung unterstützen könnten. Zusammenfassend wird festgestellt, dass Wissensbilanzen in Bibliotheken umsetzbar sind. ISBN 978-3-934997-28-8, 2010, Brosch., 148 Seiten, € 24,50* Band 26: Miriam Hölscher & Corinna Sepke; Moving Libraries. Mobile Bibliothekskonzepte als Antwort auf die Herausforderungen der modernen Informationsgesellschaft. Aus der heutigen Möglichkeit, orts- und zeitunabhängig Wissen rezipieren zu können, müssen sich neue Angebotsformen ergeben. Dieser Trend beeinflusst bereits heute das Dienstleistungsspektrum von (mobilen) Bibliotheken. Neben einer detaillierten Betrachtung der gesellschaftlichen Entwicklungen unter dem Aspekt der Mobilität behandelt das Buch unterschiedliche Typologien mobiler Bibliotheken und mobiler Bibliotheksdienstleistungen weltweit. Weiterhin werden Anforderungen entwickelt, die zukünftige Bibliotheken erfüllen müssen, um die Mobilität der Gesellschaft angemessen zu unterstützen. Unter dem besonderen Blickwinkel der modernen Informationsgesellschaft in Deutschland wird ein Bibliotheks-Konzept entwickelt, das einen Ausblick auf eine mögliche mobile Bibliothek der Zukunft gibt. ISBN 978-3-934997-29-5, 2010, Brosch., 182 Seiten, € 24,50* * Buchpreis zuzügl. Versandkosten Band 27: Regina Pfeifenberger; Pocket Library – Bibliothekarische Dienstleistungen für Smartphones. Die mobile Nutzung des Internets nimmt drastisch zu und stellt auch an Bibliotheken die Herausforderung, ihre Dienstleistungen in virtuelle Umgebungen einzubetten und Inhalte und Dienste mobilen Nutzern anzubieten. Während in Deutschland mobile Dienste in Bibliotheken eine noch unbedeutende Rolle spielen, nutzen US-amerikanische Bibliotheken bereits ein breites Spektrum. Hier erfahren Sie nach einer Einführung in die Thematik, welche der mobilen Dienste bereits von Bibliotheken in den USA und Deutschland angeboten werden. ISBN 978-3-934997-30-1, 2010, Brosch., 112 Seiten, € 24,50* Tagungs- und Kongressband Leipzig 2007 INFORMATION UND ETHIK Dritter Leipziger Kongress für Information und Bibliothek Schirmherrschaft: Bundespräsident Prof. Dr. Horst Köhler Leipzig, 19. bis 22. März 2007 Herausgegeben von Barbara Lison 782 Seiten, 2005, Brosch., ISBN 978-3-934997-17-2 € 79,00 - (€ 69,00 für persönliche Mitglieder der Verbände)* * Buchpreis zuzügl. Versandkosten BAND 26 Moving Libraries Mobile Bibliothekskonzepte als Antwort auf die Herausforderungen der Informationsgesellschaft Verlag Dinges & Frick GmbH, Wiesbaden ISBN 978-3-934997-29-5 ISSN 1615-1577 € 24,50 BAND 26 • Moving Libraries – Mobile Bibliothekskonzepte INNOVATIV INNOVATIONSPREIS 2010 Hölscher / Sepke