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FINANZGERICHT HAMBURG
Az.: 3 K 17/13
Urteil des Einzelrichters vom 15.05.2013
Dokumententyp: Urteil - Einzelrichter
Rechtskraft: rechtskräftig
Normen: ErbStG § 13 Abs. 1 Nr. 4c, ErbStG § 37, ErbStRG Art. 3, ErbStRG Art. 6, GG
Art. 3, GG Art. 19, GG Art. 20, GG Art. 103
Leitsatz: Bei der Antragsfrist für die rückwirkende Anwendung des ErbStG 2009 auf
Altfälle aus 2007-2008 gemäß Art. 3 i. V. m. Art. 6 ErbStRG - hier zwecks
Steuerbefreiung für Familienheim - handelt es sich um eine materiell-rechtliche
Ausschlussfrist ohne Möglichkeit der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.
Überschrift: Erbschaftsteuer: Optionsfrist für rückwirkende Anwendung des ErbStG
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt für die von ihrer Mutter am ... 2007 geerbten Familienheim-Anteile
die Befreiung von der Erbschaftsteuer gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG 2009 aufgrund
eines erst am 24. Juli 2009 gestellten Antrags auf rückwirkende Anwendung des ErbStG
2009 gemäß § Art. 3 Abs. 1 Erbschaftsteuerreformgesetz (ErbStRG, BGBl I 2009, 3018,
BStBl I 2009, 67).
I.
1. Die Mutter der Klägerin lebte in dem Einfamilienhaus, dessen Wohnfläche weniger als
200 qm umfasste. Der Anteil der Erblasserin an dem Einfamilienhaus-Grundstück neben ihrem Ehemann - betrug 75 % (ErbSt-A Bl. 2, 7, 8, (R, 13, 15 f., 21).
2. Mit dem Tod der Mutter am ... 2007 wurde die Klägerin laut Erbschein vom ... 2007
Alleinerbin (ErbSt-A Bl. 3).
3. Sie zog in das Einfamilienhaus (ErbSt-A Bl. 2, 9, 15 ff., 21).
II.
1. Die Erbschaftsteuererklärung ging am 30. Mai 2008 beim beklagten Finanzamt (FA)
ein (ErbSt-A Bl. 8 ff., 13).
2. Nach Anforderung der Erbschaftsteuerstelle vom 17. Juni 2008 an die
Bewertungsstelle des FA bewertete letztere mit Bescheid vom 26. August 2008 das
Einfamilienhaus-Grundstück auf 476.000 Euro und den davon auf die Klägerin
übergegangenen 3/4-Anteil auf 357.000 Euro (ErbSt-A Bl. 15, 16).
3. Dem Erbschaftsteuerbescheid vom 09. Juli 2009 legte das FA diesen Wert - neben
berücksichtigten Kontoguthaben und Schulden - bei der Berechnung des Erwerbs von
Todes zugrunde (ErbSt-A Bl. 18 ff. i. V. m. 8R, 10 ff., 14, 16).
4. Mit Einspruch vom 23., eingegangen 24. Juli 2009 nebst weiterer Begründung vom
31. August, eingegangen 01. September 2009 beantragte die Klägerin rückwirkend
Anwendung des neuen Erbschaftsteuerrechts mit Steuerfreistellung des jetzt von ihr
(der Klägerin) bewohnten Familienheims verbunden mit Wiedereinsetzung nach § 110
AO. Sie (die Klägerin) habe den bis 30. Juni 2009 befristeten Wahlantrag nicht mehr
rechtzeitig stellen können, nachdem sie den Erbschaftsteuerbescheid erst im Juli
erhalten habe. Sie habe in dem Erbschaftsteuer-Erklärungsformular auch keinen
Hinweis auf die Möglichkeit eines solchen Antrags gefunden. Amtspflichtwidrig habe das
FA nicht auf das Wahlrecht hingewiesen, während sie noch keinen Steuerberater gehabt
habe. Der zeitliche Ablauf sei geeignet, das Vertrauen der Steuerbürger in die
Finanzverwaltung zu erschüttern (ErbSt-A Bl. 21, 32 f.).
5. Nach Schreiben des FA vom 05. und 26. August sowie 08. September 2009
einschließlich Ankündigung der Verböserung wegen zu hoch berücksichtigter Schulden
wies das FA den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 27. Dezember 2012 (per
einfacher Post) als unbegründet zurück und erhöhte die Erbschaftsteuer, indem es die
Schulden nur noch in Höhe des - unstreitig - allein zu 75 % auf die Klägerin entfallenden
Anteils berücksichtigte. Der Antrag auf Anwendung des ErbStG n. F. nach Art. 3 Abs. 1
ErbStRG sei nicht innerhalb der Frist des Art. 6 Abs. 3 ErbStRG bis Ende Juni 2009
gestellt worden. Es handele sich um eine gesetzliche Ausschlussfrist, durch die der
Gesetzgeber das Antragsrecht nur in engen zeitlichen Grenzen eingeräumt habe
(Hinweis auf Ländererlass vom 23.02.2009, BStBl I 2009, 446). Bei deren Versäumung
sei die Vorschrift des § 110 AO über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht
anwendbar. Im Übrigen sei ein Irrtum über das materielle Recht nicht entschuldigt,
sondern sei dem Steuerpflichtigen zuzumuten, von seinen Rechten Gebrauch zu
machen und sich darüber nach Gesetzesverkündung zu informieren. Davon abgesehen
habe das FA vor hinreichender Bearbeitung der Veranlagung - wie hier - oder ohne
einen sich dabei ihm unweigerlich aufdrängenden Fehler eines Steuerpflichtigen im
steuerlichen Massenverfahren keinen Hinweis zu erwägen (ErbSt-A Bl. 25, 29 ff., 38, 42
ff., 49).
III.
Zur Begründung der Klage vom 26., eingegangen am 29. Januar 2013 trägt die Klägerin
im Wesentlichen vor (FG-A Bl. 1, 5, 14 ff., 18 ff.):
Über die Frage der Wiedereinsetzung bei Versäumung der Frist für den Antrag nach Art.
3 Abs. 1 ErbStRG habe der BFH bisher nicht entschieden (Hinweis auf Beschluss vom
21. November 2012 II B 78/12).
Die Frist sei eine Handlungsfrist ähnlich wie bei einer Rechtsbehelfsfrist. Im Übrigen
würde auch eine Bezeichnung als Ausschlussfrist einer Wiedereinsetzung nicht
entgegenstehen. Art. 3 Abs. 1 ErbStRG sei als materiell-rechtliche Verfahrensvorschrift
wie andere Verfahrensvorschriften zu handhaben und im Übrigen als Steuergesetz im
Hinblick auf Art. 19 Abs. 4, Art. 103 GG verfassungskonform auszulegen. Im
Unterschied zum beklagten FA bejahe die Finanzverwaltung die Notwendigkeit einer
Wiedereinsetzung (Hinweis auf Piltz-Hönig, Zerb 2011, 9 betr. Entscheidung des Bay.
FM vom 01.07.2010 Az. 34-S 3700-E-23 211/10).
Wiedereinsetzung sei bereits wegen Verletzung der Hinweispflicht des FA zu gewähren
gewesen. Das FA sei gemäß § 89 AO verpflichtet gewesen, sie (die Klägerin), während
sie seinerzeit nicht steuerlich beraten gewesen sei, auf die Steuervergünstigung des
Familienwohnheims hinzuweisen. Die Vorschrift § 89 AO regele die allgemeine
Betreuungs- und Fürsorgepflicht der Finanzbehörde, sei Ausfluss des Rechts- und
Sozialstaatsprinzips und diene der Verwirklichung eines fairen Besteuerungsverfahrens.
Wegen der Anschriftenidentität von der Erblasserin und ihr (der Klägerin) hätte sich dem
FA aufdrängen müssen, dass die Steuervergünstigung zu gewähren sei. Bei Verletzung
der Auskunftspflicht sei Wiedereinsetzung nach § 110 AO zu gewähren (Hinweis auf
Urteile FG Brandenburg vom 01.06.1999 3 K 312/97 I; FG Köln vom 21.04.1992 3 K
6630/91; Schmitz in Schwarz, AO, § 89 Rz. 32 ff.).
Im Übrigen treffe sie (die Klägerin) kein Verschulden an der Fristversäumnis, sondern
habe sie ihrer Sorgfaltspflicht genügt; und zwar durch aufmerksame Lektüre der
allgemein zugänglichen Wirtschaftsnachrichten über die Erbschaftsteuerreform. In
diesen sei nicht von einer Ausschlussfrist für die rückwirkende Anwendung die Rede
gewesen. Das FA trage für ihr (der Klägerin) Verschulden die Darlegungs- und
Beweislast.
Davon abgesehen hätte sie (die Klägerin) bei rechtzeitiger Veranlagung durch das FA
nach der Steuererklärung vom 30. Mai 2008 - statt nach mehr als 13 Monaten - noch vor
Ablauf der Antragsfrist Einspruch durch ihre jetzigen Bevollmächtigten eingelegt, um die
durch die Anschriftenidentität ohne weiteres erkennbare Steuerbefreiung für das
Familienwohnheim zu erlangen.
Nachdem das FA den Fall nach Ablauf der Antragsfrist binnen weniger Tage beschieden
habe, bestehe insgesamt der begründete Verdacht, dass das FA den Fall bereits früher
bearbeitet und bewusst habe liegen lassen, um die Verfristung eintreten zu lassen. Sie
(die Klägerin) behalte sich vor, dafür den Sachbearbeiter des FA als Zeugen zu
benennen.
Schließlich könne ihr (der Klägerin) die Wiedereinsetzung auch deshalb nicht verwehrt
werden, weil über die Frage der Verfassungsmäßigkeit des ErbStG 2009 nach
zwischenzeitlicher Vorlage des BFH das BVerfG zu entscheiden habe.
Hilfsweise werde Teilerlass der Erbschaftsteuer aus sachlichen Gründen in Höhe der
auf die Steuerbefreiung für das Familienwohnheim entfallenden Steuerschuld beantragt.
Die Klägerin beantragt (FG-A Bl. 1, 16, 20),
den Erbschaftsteuerbescheid vom 09. Juli 2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung
vom 27. Dezember 2012 dahin zu ändern, dass die Erbschaftsteuer herabgesetzt wird
unter Berücksichtigung der Option für das neue Erbschaftsteuerrecht von 2009 mit der
Steuerbefreiung für das Familienwohnheim gemäß § 13 ErbStG i. d. F. 2009.
Das FA beantragt (FG-A Bl. 6, 20),
die Klage abzuweisen.
Das FA trägt in Ergänzung der Einspruchsentscheidung im Wesentlichen vor (FG-A Bl.
6, 18 ff.):
Die Klägerin habe den Antrag auf Anwendung des ErbStG 2009 verspätet gestellt.
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei nicht zu gewähren.
Das FA habe auch keine Beratungs- oder Hinweispflicht verletzt. Nach Tod der Mutter
der Klägerin am ... 2007 habe das FA am 31. März 2008 den ErbschaftsteuerErklärungsvordruck an die Klägerin gesandt. Zu diesem Zeitpunkt und bei Einreichung
der ausgefüllten Erklärung am 30. Mai 2008 habe das ErbStRG noch gar nicht existiert.
Dieses sei erst am 24. Dezember 2008 verkündet worden, so dass die im März 2008
versandten Vordrucke selbstverständlich noch keine Hinweise hätten enthalten können.
In dem Zeitraum von der Gesetzesverkündung bis zum Fristablauf in 2009 hätte die
Klägerin ein halbes Jahr lang Gelegenheit gehabt, sich über die Änderungen des neuen
ErbStG zu informieren. Der Gesetzgeber gehe davon aus, dass sich die Bürger über
den Inhalt der Änderungsgesetze informieren. Gerade über die zum Jahreswechsel
eintretenden Änderungen - wie nach dem ErbStRG - werde immer wieder in Presse,
Rundfunk und Fernsehen ausführlich berichtet.
Das FA habe auch in diesem Zeitraum keine Hinweispflicht verletzt. Eine solche
Hinweispflicht würde schon rein faktisch im Massenverfahren des Steuerrechts
scheitern. Denn dann hätten wegen der Optionsrechte aus dem ErbStRG während des
ersten Halbjahrs 2009 sowohl alle bereits veranlagten als auch alle noch nicht
veranlagten Steuerpflichtigen mit einem Erwerb von Todes wegen aus 2007-2008
angeschrieben werden müssen. Dieses Verhalten verlange § 89 AO nicht; sondern nur
im Einzelfall solle ein Steuerpflichtiger auf fehlende Anträge hingewiesen werden, wenn
diese offensichtlich zu Unrecht und aus Unwissenheit unterblieben seien.
Zum Zeitpunkt der Veranlagung am 09. Juli 2009 sei Art. 3 ErbStRG bereits nicht mehr
in Kraft gewesen und wäre ein Hinweis auf das Wahlrecht leer gelaufen, da es sich bei
der Frist für den Antrag nach Art. 3 ErbStRG um eine echte Ausschlussfrist gehandelt
habe, wie der BFH inzwischen entschieden habe (Hinweis auf Beschluss vom
21.11.2012 II B 78/12).
IV.
1. Der Senat hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 25. Februar 2012 auf den
Einzelrichter übertragen (FG-A Bl. 7).
2. Ergänzend nimmt das Gericht Bezug auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung
vom 15. Mai 2013 (FG-A Bl. 18 ff.) sowie auf die oben angeführten Vorgänge und die
damit zusammenhängenden Unterlagen aus der Gerichtsakte (FG-A) nebst
Anlagenband (Anlbd) und aus der
Erbschaftsteuer-Akte (ErbSt-A).
Entscheidungsgründe:
I.
Die Anfechtungsklage ist zulässig, aber unbegründet.
Zu Recht hat das FA den Antrag nach Art. 3 Abs. 1 ErbStRG auf Anwendung des
ErbStG 2009 mit Steuerbefreiung des Familienheims aus § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG i. d.
F. ab 2009 unberücksichtigt gelassen, weil der Antrag erst nach Ablauf der Optionsfrist
gestellt wurde.
1. Während für die Ausübung des Wahlrechts aus Art. 3 ErbStRG für Erwerbe von
Todes wegen 2007-2008 bei Veranlagungen vor 2009 sich der Fristablauf in sechs
Monaten nach Inkrafttreten vom 01. Januar 2009 aus Art. 3 Abs. 2 i. V. m. Art. 6 Abs. 1
ErbStRG ergibt, folgt bei den - wie hier - offenen Veranlagungen nach 2008 der
Fristablauf für den Antrag aus Art. 3 Abs. 1 ErbStRG aus dem Außerkrafttreten des Art.
3 ErbStRG am 01. Juli 2009 gemäß der speziellen Regelung des Art. 6 Abs. 3 ErbStRG.
Während der Gesetzgeber also für die bei Inkrafttreten zurückliegenden Veranlagungen
vor 2009 eine erst mit dem Jahr 2009 beginnende zusätzliche sechsmonatige Frist
vorsah, gewährte er keine auf eine Veranlagung in 2009 jeweils folgende
sechsmonatige Frist; sondern die Frist lief bei nach 2008 durchgeführten Veranlagungen
ohne Rücksicht auf den Zeitpunkt letzterer mit dem Außerkrafttreten des ErbStRG am
01. Juli 2009 ab. Mit anderen Worten verringerte sich die Frist bei den im ersten
Halbjahr 2009 durchgeführten und noch nicht bestandskräftigen Veranlagungen von
sechs Monaten bei Jahresbeginn bis auf null in der Jahresmitte und bestand nach
späteren Veranlagungen - wie hier am 09. Juli 2009 - keine zusätzliche Optionsfrist
mehr.
Gleichwohl behandelte der Gesetzgeber gerade auf diese Weise die vor und die ab
Inkrafttreten des ErbStRG veranlagten Steuerpflichtigen mit Erwerben von Todes wegen
aus 2007-2008 gleich (Art. 3 GG), indem alle nach Verkündung vom 24. Dezember 2008
und Inkrafttreten am 01. Januar 2008 sechs Monate lang die Optionsmöglichkeit hatten.
Ein Antrag auf eine weitergehende Übergangsfrist wurde im Gesetzgebungsverfahren
ausdrücklich abgelehnt. Durch die kurze zeitliche Befristung des Antrags sollte aus
Gründen der Rechtssicherheit zeitnah nach Inkrafttreten des ErbStRG feststehen,
welche Rechtsvorschriften auf einen Erwerb von Todes wegen aus 2007-2008
anzuwenden sind. Die Verfassungsmäßigkeit dieser Regelung als solcher wird - auch
von den Beteiligten - nicht bezweifelt (vgl. BFH-Beschluss vom 21.11.2012 II B 78/12,
BFHE 238, 546, BStBl II 2013, 172, HFR 2013, 141, Vorinstanz FG Müchen, Urteil vom
16.04.2012 4 K 3893/09, Juris, Datev, jeweils m. w. N.).
2. Diese Regelung hat zur Folge, dass auch bei einer nach Fristablauf noch nicht
bestandskräftigen Veranlagung das Wahlrecht nicht mehr nachgeholt werden kann, weil
es bereits erloschen ist (vgl. Meßbacher-Hönsch, HFR 2013, 142). Auf diese enge
zeitliche Begrenzung hat auch die Finanzverwaltung - zusätzlich zum Gesetz - bereits
rechtzeitig durch veröffentlichte Ländererlasse hingewiesen (vom 23.02.2009 Abs. 7,
BStBl I Nr. 7 vom 23.03.2009, 446; DB Heft 10 vom 06.03.2009, 484; DStR Heft
10/2009, 485; Sted 2009, 95; ZSteu 2009, 95; ZEV Heft 3 vom 14.03.2009, 152 mit
Anm. Eisele).
3. Übereinstimmend mit dem Erlöschen des Wahlrechts scheidet nach Ablauf der
Optionsfrist auch eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 110 AO aus (FG
München, Urteil vom 16.04.2012 4 K 3893/09, Datev, Juris, rechtskräftig durch BFHBeschluss vom 21.11.2012 II B 78/12, BFHE 238, 546, BStBl II 2013, 172, HFR 2013,
141; Pahlke in Fischer/Jüptner/Pahlke/Wachter, ErbStG, 3. A., § 37 Anhang Rz. 12;
Pahlke, BFH/PR 2013, 99, 1200; entgegen Jülicher in Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG § 37
Rz. 39).
a) Dabei kommt es für die gerichtliche Überprüfung nicht darauf an, ob das Bayerische
Staatsministerium der Finanzen im - hier nicht gegebenen - Sonderfall nach dem 01.
Januar 2009 übersandter alter Formulare einem Steuerpflichtigen Wiedereinsetzung
gewährt hat (vgl. Pilz-Hönig, ZErb 2011, 9 unter Hinweis auf Entscheidung des Bay. FM
vom 01.07.2010 Az. 34-S 3700-E-23 211/10).
b) Ansonsten besteht grundsätzlich Übereinstimmung, dass eine Wiedereinsetzung bei
der Optionsfrist nicht in Betracht kommt, weil es sich um eine materiell rechtliche
Ausschlussfrist handelt (Kien-Hümbert in Moench, ErbStG, § 37 Rz. 5; Geck in
Kapp/Ebeling, ErbStG, § 37 Rd. 9).
c) Vergleichbar handelt es sich um eine solche auch bei der steuerlichen
Festsetzungsfrist bzw. -verjährung, wo nach ständiger Rechtsprechung gleichfalls eine
Wiedereinsetzung - verfassungsrechtlich nach Art. 3, 19, 20, 103 GG unbedenklich ausscheidet (vgl. z. B. BFH-Urteile vom 12.05.2009 VII R 5/08, BFH/NV 2009, 1602,
HFR 2010, 4; vom 19.12.2000 VII R 39/00, BFH/NV 2001, 820, HFR 2001, 611; im
Unterschied zur Veranlagungs-Antragsfrist gemäß § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG a. F., vgl. z.
B. BFH-Urteil vom 22.05.2006 VI R 51/04, BStBl II 2006, 833, und im Unterschied zur
rechtsmissbräuchlichen Berufung auf die Kindergeldantrags-Sechsmonatsfrist § 66 Abs.
3 EStG a. F., vgl. BFH-Urteil vom 24.10.2000 VI R 65/99, BFHE 193, 361, BStBl II 2001,
109; vgl. insges. Pahlke in Pahlke/König, AO, 2. A., § 110 Rz. 12 m. w. N.).
d) Eine Möglichkeit der Wiedereinsetzung folgt schließlich auch nicht aus dem von der
Klägerin angeführten zwischenzeitlichen Vorlagebeschluss des BFH an das BVerfG zur
Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des ErbStG 2009 (Beschluss vom 27.09.2012 II R
9/11, BFHE 238, 241, BStBl II 2012, 899, BVerfG Az. 1 BvL 21/12).
4. Ohne Möglichkeit der Wiedereinsetzung gemäß § 110 AO nach Ablauf der materiellrechtlichen Ausschlussfrist kommt es nicht mehr auf die Frage an, ob die
Steuerpflichtige sich damit entschuldigen kann, dass das FA eine Beratungs- oder
Hinweispflicht verletzt habe (Urteile BFH vom 01.07.08 VII R 37/07, BFH/NV 2008,
2062, HFR 2009, 157; FG Düsseldorf vom 19.11.2009 8 K 1384/09 EZ, EFG 2010, 693,
zugleich in Abgrenzung zu den - von der Klägerin eingereichten - Urteilen FG
Brandenburg vom 01.06.1999 3 K 212/97 I, EFG 2000, 99, DStRE 2000, 99, FG-Anlbd.;
FG Köln vom 21.04.1992 3 K 6630/91, EFG 1993, 4, FG-Anlbd.).
Desgleichen kann offenbleiben, ob schon der materielle Rechtsirrtum der
Steuerpflichtigen oder die unzureichende Ausschöpfung der Informationsmöglichkeiten
einer Wiedereinsetzung entgegenstehen (vgl. Urteile FG Hamburg vom 30.05.2007 3 K
256/06, Juris, Datev; FG Rheinland-Pfalz vom 22.05.1998 4 K 1247/98, Juris, Datev).
5. Wenn - insoweit über den Klägervortrag hinaus - Anhaltspunkte für eine schuldhafte
Pflichtverletzung des FA oder Verletzung einer Hinweispflicht aus § 89 AO bestünden,
wäre die Steuerpflichtige nach Fristablauf nicht schutzlos gestellt, sondern könnte sie
einen Amtshaftungsanspruch unter den Voraussetzungen des § 839 BGB nach Art. 34
GG zivilgerichtlich verfolgen (vgl. BFH-Urteile vom 24.05.2012 III R 95/08, BFH/NV
2012, 1658; vom 27.02.2007 III B 158/06, BFH/NV 2007, 1090).
II.
Auch über den nur hilfsweise in der Klagebegründung angeführten Antrag auf
Herabsetzung der Erbschaftsteuer im Billigkeitswege aus sachlichen Billigkeitsgründen
(§§ 163, 227 AO), bei denen allerdings die vorerwähnten Wertungen des Gesetzgebers
gleichermaßen zu berücksichtigen sein dürften, könnte das FG nicht zulässig
entscheiden, solange für einen entsprechenden Verpflichtungsantrag (§ 40 Abs. 1 Alt. 2,
§ 101 FGO) weder ein Verwaltungsverfahren noch ein Vorverfahren durchgeführt wurde
(vgl. §§ ff. 44 FGO).
III.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 135 Abs. 1 FGO.
Weiter folgen die Nichtzulassung der Revision aus § 115 Abs. 2 FGO und die
Zuständigkeit des Einzelrichters (oben A IV 1) aus § 6 FGO (vgl. den vorerwähnten
BFH-Beschluss vom 21.11.2012 II B 78/12, BFHE 238, 546, BStBl II 2013, 172).

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