Artikel lesen - Dr. Marion Ebel
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MAIN-ECHO VOM SAMStAg / SONNtAg, 13. / 14. MÄRZ 2010 Wochenendmagazin Reise Abu Dhabi ist auf gutem Weg das bessere Dubai zu werden S. 4 Kinder-echo Paula Print besucht die Karate-Kinder der DJK Aschaffenburg S. 8 Literatur Romane über Algerien, Afghanistan und den Libanon S. 6 Sehnsüchtige Blicke: Eigentlich könnte das Miteinander so einfach sein – aber die Timberwölfin Bonny (links) ist eine kleine Diva und der Europäische Wolf Roy lässt gar zu gerne die Muskeln spielen. Im Augen-Blick der Paarung ist das alles jedoch vergessen. Fotos: Peter Rogowsky Die Liebe ist ein seltsames Spiel Ein Jahr mit Bonny: Es beginnt die Zeit der Paarung, und die Timberwölfin Bonny und der Wolfsrüde Roy finden im Wildpark Klein-Auheim zueinander Von Stefan Reis Während des Frühjahrs und Sommers lebt er einzeln, zu zweien, zu dreien, im Herbste in Familien, im Winter in mehr oder minder zahlreichen Meuten, je nachdem die Gegend ein Zusammenscharen größerer Rudel begünstigt oder nicht. Trifft man ihn zu zweien an, so hat man es in der Regel, im Frühjahre fast ausnahmslos, mit einem Paare zu thun … Brehms Tierleben, Ausgabe 1953, Band II, Seite 166 P lötzlich ist alles perfekt: Das Sonnenlicht, der Geruch, die Zufriedenheit eines gefüllten Magens, die Stille des Waldes. Bonny lässt Roy an ihrem Hinterteil – endlich! – schnüffeln, dreht sich kokett um die eigene Achse, richtet sich auf und legt dem Rüden beide Vorderpfoten auf die Schulter. Und nachdem der Wolf – über so viel Selbstbewusstsein – nicht erbost nach der Wölfin schnappt, reckt sie ihm erneut das Geschlechtsteil vor die Schnauze und lässt den Rüden kurz auf ihren verlängerten Rücken aufsitzen. Aber damit ist es erst mal gut, das »Hängen« – die eigentliche Paarung – fällt zunächst aus. Man muss es ja nicht übertreiben – zumal bei diesem Anfall wölfischer Lust einige Menschenaugen neugierig aufblitzen. Da traben Bonny und Roy doch lieber nebeneinander, miteinander, gemeinsam ins Unterholz zurück, als habe es diese Frühlingsgefühle nicht – nie! – vor aller Öffentlichkeit gegeben. Doch für Marion Ebel ist dieser Augenblick an diesem Dienstagmittag ein entscheidender für das zukünftige Zusammenleben der zehn Jahre alten Timberwölfin Bonny mit dem fünf Jahre alten Europäischen Wolf Roy im 1,64 Hektar großen Gehege des Wildparks Klein-Auheim bei Hanau. Denn in den Tagen davor hatte sich der erst vor wenigen Wochen eingesetzte Roy als wahrer Tyrann gegenüber der Wölfin erwiesen – wenn es ums Fressen ging. Ansonsten: kein Problem, Männchen und Weibchen gingen in dem zweifach umzäunten Mischwäldchen ihrer Wege, gesellten sich gerne auch mal zusammen, Mit Timberwölfin Bonny durch das Jahr 2010 »Liebe« bedeutet in der Welt der Wölfe das Vereinen der Stärksten im Rudel: Bei nur zweien im Revier (vorne Roy, hinten Bonny) bedeutet »Liebe« aber auch »sich zusammen raufen«. gewöhnten sich nach jeweils einsamen Zeiten an den anderen als akzeptierten Mitbewohner. Jeder für sich … Dass aber ausgerechnet in der Ende Februar/Anfang März beginnenden Ranz – der empfängnisbereiten Zeit der Wölfin und des Paarungstriebs des Rüden – Roy zunächst das Fleisch der Liebe vorzog, war ungewöhnlich. Marion Ebel rechnet das ungewöhnliche Verhalten der anhaltenden Kälte zu, die Bonny vom gewohnten Rhythmus abhielt, heiß zu werden. Und dann gilt es ja auch zu bedenken, dass Bonny Stichwort: Timberwolf Der Timberwolf ist eine ursprünglich in Nordamerika beheimatete Wolfsart. Der deutsche Naturforscher Johann Christian Daniel von Schreber (1739 bis 1810) klassifizierte die Art mit dem wissenschaftlichen Namen Canis lupus lycaon. Der Timberwolf gehört zu den größeren Unterarten des Wolfes. Die Art besitzt eine variable Fellfarbe von weiß bis schwarz, wobei Bonny im Wildpark Klein-Auheim unabhängig von ihrem Alter zu den helleren Fellträgern zählt. Timberwolfrudel zeichnen sich durch eine komplizierte soziale Struktur aus, die Tiere gelten als sehr sensibel. (str) zeitlebens nie die Rolle des AlphaWeibchens hatte, kein Wolfsmann sie bislang begehrte. Roy wiederum war in den vergangenen zwei Jahren alleine in einem Gehege, mit Bonny ist er erst seit fünf Wochen zusammen. Schicksale, »da hast du ja auch als Mensch einen Schlag weg«, sagt Marion Ebel. Doch bei allem Verständnis: Auf Dauer ist ein Leben im Gehege nur möglich, wenn sich Bonny und Roy zumindest tolerieren – wonach es während der Fütterzeiten Anfang März nicht ausgesehen hatte. Alternativ dachte Marion Ebel bereits an Kastration des ohnehin sterilisierten Roy, um die Gemüter zu beruhigen: Dem ist der Wolf entronnen, ist die Biologin nach der plötzlich aufkeimenden Zuneigung zu Bonny sicher. Denn es hatte sich den ganzen Vormittag angedeutet, dass die Klein-Auheimer Wolfswelt in Harmonie münden könnte. Abendliche Besucher des Wildparks berichteten Marion Ebel, dass sich das Paar nicht nur zur Nachtruhe bettete, sondern durchaus Fellkontakt suchte. Am Dienstagmorgen schließlich räkelt sich Bonny immer wieder lasziv auf sonnengewärmten Wiesenflecken, sobald der Wolfsrüde auftaucht – der sich wiederum trotz des weiblichen Geruchs betont desinteressiert gibt Übers ganze Jahr 2010 wird die Main-EchoRedaktion die Timberwölfin Bonny begleiten und Einblick in ein Wolfsschicksal geben, das im Wildpark Klein-Auheim bei Hanau nach Möglichkeit von Normalität geprägt sein soll und doch für uns Menschen ein Faszinosum ist. Denn freilebende Wölfe sind in Westdeutschland nicht mehr zu erleben: Im Spessart beispielsweise starb der letzte Wolf 1842 – erschossen von dem Revierjäger Johann Wolfgang Josef Mantel in einem Waldstück bei Altenbuch (Kreis Miltenberg). Einst gejagt, heute gehegt: Längst sind die Klischees vom aus Lust den Menschen anfallenden Wolf wissenschaftlich widerlegt, gegenüber solch Verführungskünsten. Was allerdings nicht einmal die Spechte in den Bäumen hoch oben glauben: Wie Hohngelächter klingt ihr Trommeln durch den Wald, als Roy dann doch eifrig der über so viel Dummheit sich enttäuscht davon trollenden Bonny und ihrer Duftmarke hinter her hechelt. … und plötzlich ein Paar Die Liebe ist eben ein seltsames Spiel – und wer behauptet, im Tierleben gebe es so etwas wie die uns Menschen bekannte »Liebe« nicht, der hat Roys und Bonnys Blicke nicht gesehen. Natürlich: In ihrem Verhalten folgen die beiden Tiere ihren Instinkten, so wie i hre Ahnen die über Jahrtausen- dennoch halten sich – so zeigt die Berichterstattung über die Zuwanderung von Wölfen in Ostdeutschland – Vorurteile. Auch dazu soll die ein Mal pro Monat erscheinende Serie unserer Tageszeitung dienen: Verständnis wecken für Leben, das nicht an menschlichen Verhaltensweisen und Maßstäben gemessen werden darf. (str) b Bisher erschienen auf der Seite RheinMain & Franken des Main-Echo: 21. Dezember 2009 »Ein Jahr mit Bonny«; 15. Januar 2010 »Warten auf den Rüden Roy«; 4. Februar »Gemeinsam frei, nie mehr allein« de zum Erhalt der Art perfektioniert haben.Und doch bleibt dieser Moment an diesem Dienstagmittag, an dem Roy die ihm aufsitzende Bonny hätte wegbeißen können, an dem Bonny den nach den von Marion Ebel hingeworfenen Fleischhappen gierenden Roy hätte gewähren lassen und sich abwenden können. Nein, sie haben diesen Augen-Blick – den wir Menschen in der Rückschau so gerne als »magisch« bezeichnen – zueinander aufgenommen. Und sind jetzt nicht länger zwei unabhängige Wölfe in der Wildbahn, sondern ein Paar, das den Beginn eines Rudels markieren kann. Lesen Sie weiter auf Seite 2 2 | WOCHENENDMAGAZIN SAMSTAG/SONNTAG, 13./14. MÄRZ 2010 Was sich liebt, das ziert sich. Wölfin Bonny ist nicht abgeneigt und zeigt sich von der grazilen Seite – Rüde Roy ist typisch Mann: Er hofft auf den ersten Schritt des Weibchens. Fotos: Peter Rogowsky Hintergrund: Der Paarungsakt der Wölfe Denn ein Rudel soll es wieder beherbergen, das Wolfsgehege im Wildpark Klein-Auheim – wobei Marion Ebel die Reinrassigkeit gewahrt wissen will. Die ist aber bei einer Timberwölfin und einem Europäischen Wolf nicht gegeben. Sowieso ließ die Biologin Roy vor dessen Ankunft sterilisieren, weil Bonny für eine erste Schwangerschaft zu alt ist. Mit der Ankunft Roys in KleinAuheim am 2. Februar war deshalb klar, dass bei einer Paarbildung irgendwann im Frühsommer Timberwelpen als Adoptivkinder zu Bonny und Roy kommen sollen. Die Kleinen bilden dann den eigentlichen Beginn einer neuen Ahnenreihe im Wildpark. Dieses Projekt ist nun wahrscheinlicher geworden. Der Rüde und die Wölfin wissen um solche menschlichen Planspiele nichts, sie folgen dem Lauf der Natur – weshalb das von ihnen gezeigte Spiel der Liebe deshalb letztlich auch gar kein so seltsames ist: Obwohl nur zu zweit, verhalten sich Bonny und Roy in der nun aufkeimenden Paarungsstimmung wie in freier Wildbahn – wobei beide automatisch in die Rollen der Alpha-, also der Leit-Tiere eines (nicht vorhandenen) Rudels schlüpfen. So geschieht es ebenfalls an diesem Dienstag der Liebe, dass Bonny einen durchdringenden Heulgesang anstimmt, als die durch einen Sichtschutz getrennten Polarwölfe Ayla, Scott und Khan im Nachbargehege sich dem Zaun nähern. Ayla ist bereits in Paarungsstimmung, ihr Geruch für Wolfsnasen also äußerst intensiv – stimulierend zwar für Rüden, Aggressi- onen auslösend dagegen bei anderen Weibchen. Bonnys Heulen ist also Warnung an Ayla und zugleich eine durchaus offen geäußerte Einladung an Scott und Khan: Ein bisschen soll Roy schon eifersüchtig werden und um – nicht wie bislang: gegen – die Wölfin kämpfen. Was Bonny auch durchaus erwarten kann: Nach menschlichen Maßstäben ist die an die 50 Kilogramm schwere Fähe mit dem für einen Timberwolf vergleichsweise hellen Fell eine Schönheit ihrer Art. »Eine Powerfrau«, » Ich habe noch nie einen Wolf erlebt, der so viel läuft. « Marion Ebel, über Wölfin Bonny sagt Marion Ebel: »Ich habe noch nie einen Wolf erlebt, der so viel läuft.« Eine, auch das sagt Marion Ebel, »Diva« und »Majestät«, die in den vergangenen Monaten lediglich Pech hatte: Ende September vergangenen Jahres aus dem Tierpark Rheinböllen nach KleinAuheim gekommen, sollte Bonny eigentlich eine Beziehung mit Timberwolf Mafioso eingehen. Der 16 Jahre alte Rüde starb allerdings kurz nach Bonnys Ankunft – und aus der Gemein- wurde urplötzlich Einsamkeit. So ist denn auch erklärlich, dass Bonny sich schon wenige Stunden nach Roys Eintritt in den Wildpark nach dem ersten Beschnuppern aufreizend grazil Das Wolfsgebiss besteht aus 42 Zähnen, dabei oben und unten mit jeweils zwei Fangzähnen. Die eigentliche Paarung von Bonny und Roy erleben die Besucher des Wildparks Klein-Auheim nicht – und auch Biologin Marion Ebel nicht: Denn für diesen Akt ziehen sich in freier Wildbahn die beiden Alphatiere zurück, um vollkommen ungestört vom Rudel zu sein. Diese Möglichkeit haben auch Bonny und Roy in ihrem Gehege, das die Fläche von etwas mehr als zwei Fußballfeldern hat und ein blickdichtes Unterholz bietet. Während der Paarung verdickt sich der Penis des Wolfes so sehr, dass sich die Partner für etwa 15 bis 20 Minuten nicht trennen können. Die beiden Tiere hängen in dieser Zeit mit den Hinterteilen zusammen, können bei Gefahr aber dennoch die Flucht ergreifen. Diese Prozedur ist für die Wölfin schmerzhaft – für den Rüden aber hat sie den Vorteil, dass während dieser Zeit kein anderer Wolf sich dem Weibchen nähern kann. Die Spermien des Alphatiers bekommen so genügend Vorsprung, wenn sich das Weibchen nach der Trennung doch noch mit einem anderen Partner paaren sollte. Der Paarungsvorgang der beiden Tiere wiederholt sich mehrmals am Tag, gefressen wird in dieser Zeit nur wenig. Nach der Paarung bleibt der Rüde noch 8 bis 14 Tage bei seinem Weibchen. Im Unterschied zu Hunderüden sind Wolfsrüden nicht das ganze Jahr über zeugungsfähig. Generell ist die Paarungszeit der Wölfe gegen Ende des Winters. In Rudeln in freier Wildbahn herrscht während dieser Zeit große Unruhe, weil die rangniereden Wölfe versuchen, in der Hierarchie aufzusteigen. Deshalb wird kaum gejagt. Die Tragzeit beträgt 62 bis 75 Tage – wobei im Falle Bonny und Roy die Wölfin nicht trächtig werden kann, weil Roy sterilisiert ist. und deutlich sichtbar für den Rüden auf einen Hügel gebettet hatte: zwar keine Liebe auf den ersten Blick, aber zumindest eine Einladung zum besseren Kennenlernen. Dass Roy sich da allerdings etwas sehr schwer tat, sollte In der Paarungszeit geben die Wölfe Hormonsignale ab, mit deren Hilfe sie gegenseitig Witterung aufnehmen. Der Rüde versucht mit Lecken herauszufinden, wie heiß die Wölfin ist. Einsamkeit ist nichts für einen Wolf: Im Tierreich gilt er als soziales Wesen, spätestens in der Paarungszeit wird der Drang zum Miteinander überbordend. Menschen ebenfalls verständlich sein: Der vom Osnabrücker Zoo nach KleinAuheim gebrachte Rüde war in seiner alten Heimat bereits zweimal ausgebüxt und deshalb über zwei Jahre von der übrigen Rotte aus sechs Wolfsrü- den isoliert gehalten worden – und das in einem überschaubar kleinen Gehege, das nicht einmal einen richtigen Sprint zuließ. Die neuen Auslaufmöglichkeiten nutzt der Wolf nun ausgiebig – so sehr, dass sogar die laufstarke Bonny in den vergangenen Wochen lieber ab und an den Faulpelz gab und damit dem einzigen Mann am Platz den Freiraum, Macho spielen zu dürfen: Da wird manch ausgebeinter Brustkorb aus früheren Fütterungen noch einmal umher geschleudert zum Beweis, dass es einen Herrn im Haus gibt – auch wenn die anderen Wölfe im KleinstRudel nur fiktiver Natur sind. So soll es denn auch sein. Der Wildpark ist zwar ein für Tiergehege überdimensional großes Areal – gewährt allerdings keinen Vergleich zur freien Wildbahn. Davon kann der Park seinen Bewohnern nur eine Ahnung geben: Ein gutes Zeichen ist da, wenn seine Bewohner diese Ahnung ausleben – Marion Ebels Befürchtung von Verhaltensstörungen sind also eher relativer Art. Aber am Dienstag dieser Woche sind all diese Überlegungen dieseits des Gehegezauns vergessen, als die beiden Wölfe nach gemeinsamer Liebkosung nicht länger um das Futter streiten und einträchtig ins Unterholz traben. Etwas später tauchen sie auf einer Lichtung wieder auf, Roy übermütig um Bonnys Schwanz schnüffelnd und die Wölfin sich eher spielerisch zur Wehr setzend. Dann legen sich beide ab, Po an Po – ganz unaufgeregt. Und ohne menschliches Verhalten auf Tiere zu übertragen: Dass auch Lebewesen mit Fell, Chitinpanzer, Federkleid und Schuppen Gefühle haben, wird in der Biologie und Verhaltenslehre inzwischen als selbstverständlich anerkannt. Und da dem also so ist, lässt sich beim Anblick von Bonny und Roy zweifelsohne ahnen, dass hier gerade zwei nach getaner Arbeit so richtig zufrieden mit sich selbst und dem anderen sind. »Ein Jahr mit Bonny«: Es wird wohl ein Leben mit Roy. b Wildpark Alte Fasanerie Klein-Auheim (ab der B45/B43a ausgeschildert): Oktober bis März Montag bis Samstag 9 bis 16 Uhr, Sonntag 9 bis 17 Uhr, April bis September täglich 9 bis 18 Uhr: Eintritt 4 Euro Erwachsene (2 Euro Jugendliche);Internet www.erlebnis-wildpark.de Hintergrund: Wolfsnahrung Zur Person: Marion Ebel Das Leit-Tier als Beschützer des Rudels hat das Anrecht auf die besten Happen: Bei der Nahrungsaufnahme gleicht die Hierarchie unter den Wölfen jener vieler Säugetierarten. Während im Klein-Auheimer Wildpark die Wölfin Bonny anfangs die von Marion Ebel zugeworfenen Fleischbrocken selbstverständlich in Anspruch nahm, wandelte sich in den vergangenen Tagen – eine Zeit, in der die Biologin nicht vor Ort war – die Situation: Roy begann zu dominieren und vertrieb die Wölfin von den besten Stücken. Ein Stück weit dokumentierte der Rüde damit auch seinen Besitzanspruch auf die Wölfin: Denn er zeigt sich als der Starke im Gehege, der die Verantwortung zu tragen hat. Tatsächlich müssen sich die beiden Wölfe im Gehege nicht um das Futter streiten – auch wenn Marion Ebel darauf achtet, dass die natürlichen Gegebenheiten eingehalten werden: Fleisch wird so zugeteilt, wie es auch in freier Wildbahn für einen erwachsenen und jagenden Wolf zur Verfügung stünde. Für die Wölfe bedeutet dieses Fleisch das Aas, das in Freiheit aufgenommen wird. Die Wildbiologin achtet sogar darauf, dass regelmäßig ein Hungertag – wie während einer beutelosen Zeit – eingelegt wird. Dass es Roy in seinem Bestreben, die größten und besten Fleischbrocken zu bekommen, nicht zuletzt um Eindruck bei Bonny geht, zeigt auch sein Verhalten abseits der Futterzeiten: Da zupft und äst der Rüde gerne auch mal an Brombeereranken und -blättern – nicht aus der Not heraus, sondern zur Aufnahme von Vitaminen und Spurenelementen. Promoviert hat die 1961 in Gelnhausen geborene Biologin Marion Ebel (Foto: Stefan Gregor) 1993 an der Universität Marburg über die Aktivität und das Lernen von Labormäusen. Nach einem Stipendium der, kurioserweise, Wolff'schen Stiftung und der Hessischen Graduiertenförderung kam sie zu den Wölfen: Im Wildpark Alte Fasanerie am Hanauer Stadtteil Klein-Auheim ist Marion Ebel seit 1993 für die wildbiologische Betreuung zuständig. Die aus dem Stralsunder Zoo stammenden und im Wildpark lebenden drei Polarwölfe Ayla, Scott und Khan zog Marion Ebel ab dem elften Lebenstag, zunächst mit der Flasche, auf und gewöhnte sie so an sich als Mensch – nicht als Mitglied des Rudels. Tatsächlich wird Marion Ebel von den Wölfen wie eine Mutter akzeptiert und wie ein guter Freund behandelt. Bei Rudelstreitigkeiten allerdings hält sich die Biologin zurück, um nicht in einen Machtkampf mit dem Alpha-Weibchen Ayla und dem Rudelführer Scott zu geraten. Die Stellung der beiden Leitwölfe ist insofern unantastbar – deshalb sind Ayla, Scott und Khan von Marion Ebel antiautoritär erzogen: Die Wölfe müssen sich nicht gegen einen vermeintlichen Konkurrenten in der Hierarchie behaupten. Fleisches-Lust: Wer sich den besten Brocken schnappt, ist der wahre Herr des Rudels.