Falk Gastro-Kolleg Leber und Gallenwege Darm Fragen zu
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Falk Gastro-Kolleg Leber und Gallenwege Darm Fragen zu
Falk Gastro-Kolleg Leber und Gallenwege Darm Impfungen bei chronisch entzündlichen Leber- und Darmerkrankungen 1, 2 PD Dr. N. Teich Internistische Gemeinschaftspraxis für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten Funkenburgstr. Leipzig Niels Teich, 1 Tobias Klugmann, 2, 3 Ingolf Schiefke Internistische Gemeinschaftspraxis für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten, Leipzig 2 Klinikum St. Georg gGmbH, Klinik für Gastroenterologie und Hepatologie, Leipzig 3 Gastroenterologie und Hepatologie am Johannisplatz, Leipzig 1 Zusammenfassung Der Impfstand vieler Patienten mit chronisch entzündlichen Leber- und Darmerkrankungen weicht deutlich von den offiziellen Empfehlungen ab. Es besteht jedoch häufig eine große Bereitschaft, empfohlene Impfungen wahrzunehmen. Daraus folgt die Notwendigkeit einer hohen ärztlichen Wachsamkeit für Impflücken bei immunsuppressiv und antiviral behandelten Patienten. Der wichtigste Vorbehalt gegen eine Impfung ist die Angst vor Nebenwirkungen; daher sollte die Sicherheit der empfohlenen Impfstoffe in den Mittelpunkt des Arzt-Patienten-Gesprächs und auch der öffentlichen Diskussion gestellt werden, um eine höhere Akzeptanz zu erreichen. Schlüsselwörter Immunsuppression | Schutzimpfungen | Morbus Crohn | Colitis ulcerosa | Hepatitis B | Hepatitis C Fragebeantwortung unter www.falkfoundation.de Falk Gastro-Kolleg Titelbild: Zoster bei einem immunsupprimierten Patienten 18 Impfungen bei chronisch entzündlichen Leber- und Darmerkrankungen Einleitung Patienten mit chronisch entzündlichen Erkrankungen sind infolge ihrer Grundkrankheit, aber auch durch die häufig notwendige immunsuppressive Therapie gefährdet, an einer impfpräventablen Infektionskrankheit zu erkranken. Mehrere Erhebungen der Impfstände dieser Patienten ergaben erhebliche Defizite. In dieser Übersichtsarbeit wollen wir auf die aktuellen Impfempfehlungen bei häufigen Erkrankungen in der gastroenterologischen Praxis eingehen. Zugleich wollen wir die Leser zu einer erhöhten Wachsamkeit für Impflücken von immunsuppressiv behandelten Patienten anregen. CED: steigende Inzidenzen – mehr Immunsuppressiva Systematisch erhobene Daten aus verschiedenen Regionen der Erde belegen einen kontinuierlichen Anstieg der Prävalenz chronisch entzündlicher Darmerkrankungen (CED). Der Morbus Crohn (MC) nimmt in vielen Ländern schneller zu als die Colitis ulcerosa (CU) (1). Für die Situation in Deutschland liegen derzeit keine Daten vor, es ist aber wohl von einer ähnlichen epidemiologischen Entwicklung auszugehen. Bezüglich chronisch entzündlicher Lebererkrankungen sind in den letzten Jahren keine Veränderungen der jeweiligen Inzidenzen berichtet worden. Die therapeutischen Konzepte bei CED-Patienten haben sich in den letzten Jahrzehnten stark gewandelt. Viele Patienten erhalten eine frühzeitig initiierte Langzeittherapie mit klassischen Immunsuppressiva oder anti-TNF-α-Antikörpern (TNF-Blocker). TNFBlocker sind auch für eine Vielzahl rheumatologischer und dermatologischer Indikationen zugelassen und stellen aktuell die umsatzstärksten Einzelpräparate in Deutschland dar (2). Aber auch für die „klassischen“ Immunsuppressiva Azathioprin und Methotrexat gab es 2008 Ausgabensteigerungen von 8% bzw. 14% gegenüber 2007 (2). Aus diesen Zahlen lässt sich schließen, dass ein wachsender Anteil der Bevölkerung mit potenten immunsuppressiven Medikamenten behandelt wird. P Ein wachsender Anteil der Bevölkerung wird mit potenten Immunsuppressiva behandelt. Chronische Lebererkrankungen: moderne Therapien – länger leben In den letzten Jahrzehnten wurden die Mortalität und die Morbidität von Patienten mit chronischen Lebererkrankungen durch die Einführung neuer Therapien erheblich gesenkt. Erfolgreiche Beispiele sind die Einführung potenter antiviraler Medikamente bei Hepatitis B und C oder die Implantation eines transjugulären intrahepatischen portosystemischen Shunts (TIPS). In Anbetracht dieser Fortschritte unterscheidet sich die Lebenserwartung vieler Leberpatienten nicht mehr wesentlich von der der übrigen Bevölkerung. P Die Lebenserwartung ist bei vielen chronischen Leber erkrankungen gestiegen. Welche impfpräventablen Erkrankungen treten gehäuft auf? Eine reduzierte Infektionsabwehr ist sowohl eine mögliche Folge chronisch entzündlicher Erkrankungen als auch eine mögliche Nebenwirkung der immunsuppressiven Therapie (3, 4). Sowohl unter „klassischen“ immunsupprimierenden Medikamenten als auch unter TNF-Blockern wurden bei CED-Patienten impfpräventable Infektionskrankheiten mit dem Hepatitis-B-Virus (HBV), dem humanen Papillomavirus, dem VaricellaZoster-Virus oder dem Influenzavirus berichtet (5–7). Bei Pneumokokkeninfektionen scheint der Schweregrad der Infektion bis hin zum lebensbedrohlichen WaterhouseFriderichsen-Syndrom eine Assoziation mit der Intensität der immunsuppressiven Therapie aufzuweisen (8). Das Risiko eines CED-Patienten an einer Infektionskrankheit zu erkranken, ist jedoch auch ohne immunsuppressive Medikation erhöht: In einer aktuellen Untersuchung überstieg das Risiko an einem Herpes zoster zu erkranken, dasjenige der gesunden 19 Bevölkerung um 57%; das absolute Risiko lag in einer Studie mit über 22.000 Patienten bei 89 pro 10.000 Personenjahre (9). Daher wird sowohl in einem Konsensuspapier der European Crohn‘s and Colitis Organisation (ECCO) als auch im neuen Konsensuspapier der Deutschen Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) die Erhebung und ggf. Vervollständigung des Impfstatus gefordert. Auch bei Patienten in fortgeschrittenen Stadien einer Leberzirrhose, bei Hepatitis-B/CInfektionen oder nach Lebertransplantationen muss von einer deutlich erhöhten Anfälligkeit gegenüber impfpräventablen bakteriellen und viralen Infektionen und von einem schwereren Verlauf ausgegangen werden, wenngleich hier noch keine exakten Daten vorliegen (10). P Für die meisten schwer verlaufenden Infektionserkrankungen bei chronisch entzündlichen Darm und Leber erkrankungen existieren effektive Schutzimpfungen. Welche Impfung ist wann indiziert? Welche Kontraindikationen bestehen? Die 16-köpfige Ständige Impfkommission (STIKO) des Robert-Koch-Instituts (RKI) trifft sich zweimal jährlich, um u. a. ihre Empfehlungen für Schutzimpfungen zu aktualisieren. Die Empfehlungen der STIKO dienen den Bundesländern als Vorlage für ihre öffentlichen Impfempfehlungen. Aus diesem föderalistischen Ansatz ergeben sich im Einzelfall Diskrepanzen (z. B. wenn der Patient in Bundesland A versichert ist, aber in Bundesland B wohnt), die zu Schwierigkeiten in der zulasten der Krankenkasse verordnungsfähigen Umsetzung führen. In Tabelle 1 werden die aktuellen Impfempfehlungen für CED-Patienten in Adaptation an die STIKO-Empfehlungen dargestellt. Tab. 1 Empfohlene Impfungen für CED-Patienten* (modifiziert nach [24]) Impfung Tetanus-Diphtherie Booster alle 10 Jahre, evtl. Nachholimpfung(en)1 Poliomyelitis evtl. Nachholimpfung(en)2 Pertussis nächst fällige Td-Impfung einmalig als Tdap- bzw. Tdap-IPV-Kombinationsimpfung3 Hepatitis A keine Impfempfehlung4 Hepatitis B keine Impfempfehlung4 Influenza jährlich Pneumokokken einmalige Impfung mit 23-valentem Polysaccharid-Impfstoff5 Masern keine Impfempfehlung Mumps keine Impfempfehlung Röteln seronegative Frauen mit Kinderwunsch: einmalige Impfung mit nachfolgender Kontrolle des Röteln-Impferfolgs6, 7 Varizellen seronegative Patienten vor geplanter immunsuppressiver Therapie: 2 Impfungen im Abstand von mindestens 6 Wochen6 Herpes zoster (noch?) keine Impfempfehlung Bei pharmakologischer Immunsuppression zusätzlich Meningokokken eine Impfung mit konjugiertem MenC-Impfstoff, gefolgt von einer Impfung mit 4-valentem PS-Impfstoff im Abstand von 6 Monaten8, 9 Haemophilus influenzae Typ b (Hib) einmalige Impfung8, 10 * Nicht berücksichtigt sind Impfungen aufgrund beruflicher Indikationen, Reiseimpfungen oder Impfungen, die unabhängig von der CED medizinisch indiziert sein können. 1 Nachholimpfung(en) bei fehlender bzw. unvollständiger Grundimmunisierung; 2 Nachholimpfung(en) bei fehlender bzw. unvollständiger Grundimmunisierung oder fehlender einmaliger Auffrischungsimpfung nach vollständiger Grundimmunisierung; 3 ein einzelner Keuchhustenimpfstoff steht nicht zur Verfügung; 4 CED gilt nicht als medizinische Indikation; 5 Wiederholungsimpfung nach 5 Jahren in Erwägung ziehen: bei angeborenen oder erworbenen Immundefekten mit T- und/oder B-zellulärer Restfunktion bzw. chronischen Nierenkrankheiten/ nephrotischem Syndrom; 6 Lebendimpfstoff: kontraindiziert bei funktionell relevanter Immunsuppression, Mindestabstand von 14 Tagen vor Beginn einer immunsuppressiven Therapie bzw. von 3 Monaten nach Abschluss einer immunsuppressiven Therapie (1 Monat nach Beendigung einer Hochdosis-Kortisontherapie); 7 vorzugsweise MMR-Impfstoff verwenden; 8 in Analogie zur Pneumokokkenimpfung indiziert; 9 alternativ 4-valenten konjugierten Impfstoff verwenden (EU-Zulassung am 18.03.2010, Herstellerangaben beachten); 10 siehe „Hinweise für Patienten mit Immundefizienz“, Epidemiologisches Bulletin des Robert-Koch-Instituts, 10. November 2005. 20 Ebenso herrscht oftmals Unsicherheit, welche Impfungen Patienten mit chronischen Lebererkrankungen erhalten sollten (11–12). Daher wollen wir in der Folge auf die einzelnen Impfungen bei chronischen Lebererkrankungen näher eingehen. Hepatitis A Die Hepatitis-A-Impfung ist auch bei chronischen Lebererkrankungen eine sehr effektive Impfung. Im Allgemeinen erfolgt die Impfung in 2 Impfdosen im Abstand von 6 Monaten. Bereits nach der ersten Impfung erreichen mehr als 80%, nach der zweiten Impfung nahezu 100% der geimpften Personen einen adäquaten Impfschutz (13). Patienten mit einer kompensierten chronischen Lebererkrankung oder mit einer Hepatitis-B-Infektion haben im Vergleich zur Kontrollgruppe eine etwa gleich hohe Serokonversionsrate, jedoch einen geringeren Impftiter (14). Im Falle einer dekompensierten Erkrankung oder der Transplantation ist die Immunogenität reduziert; die Serokonversionsrate ist auf etwa 60% reduziert (15–16). Hepatitis B Seit 1990 stehen für die aktive Immunisierung rekombinante Impfstoffe zur Verfügung. Eine Grundimmunisierung wird zum Zeitpunkt 0, nach 1 und 6 Monaten intramuskulär durchgeführt. Dialysepatienten, Patienten mit eingeschränkter Immunfunktion (u. a. HIV-Infektion) und Personen mit chronischem Alkoholmissbrauch profitieren von einer doppelten Impfdosis (17). Bei diesen Personen sollte der Impferfolg serologisch kontrolliert werden: Personen, die 4–8 Wochen nach der Grundimmunisierung keinen ausreichenden Impftiter aufbauen (anti-HBs < 10 U/l, Nonresponder), sollten erneut dreimal geimpft werden. Eine Fettleber reduziert nicht die Immunantwort. Diese ist jedoch bei schweren Lebererkrankungen, chronischem Alkoholkonsum oder bei Patienten nach Lebertransplantation eingeschränkt. P Eine Impfung gegen Hepatitis B ist bei allen anderen chronischen Lebererkrankungen wie auch bei CED mit indiziert. Influenza Bei Patienten mit Leberzirrhose können durch die Bildung von proinflammatorischen Zytokinen im Rahmen einer Influenzainfektion hepatische Dekompensationen auftreten (18). Zwischen dem Influenzavirus und dem Hepatitis-C-Virus (HCV) ist eine T-ZellKreuzreaktivität nachgewiesen worden, welche in Einzelfällen zu einem besonders schweren Verlauf einer akuten Hepatitis C geführt hat (19). Es ist jedoch zu berücksichtigen, dass die humorale und die zelluläre Immunantwort auf Influenzaimpfungen bei Patienten mit fortgeschrittener Lebererkrankung reduziert sind. Nach Lebertransplantation ist die Antikörperentwicklung sehr variabel. P Eine jährliche Impfung gegen die saisonale Grippe wird empfohlen und hat kein spezifisches Risiko. Pneumokokken Die Pneumokokkenimpfung wird für Patienten über 65 Jahre empfohlen. Sie wird weiterhin bei Patienten mit schweren chronischen Erkrankungen angeraten, da bei diesen Patienten eine erhöhte Inzidenz an Pneumokokkeninfektionen festgestellt wurde. Darunter fallen auch fortgeschrittene Lebererkrankungen (20). Besonders gefährdet sind Alkoholiker, bei denen ein schlechter Ernährungszustand, eine defekte Antikörperbildung und eine Funktionseinschränkung der Leukozyten zu einer erhöhten Infektionsrate führen können. Der in Deutschland verfügbare 23-valente Impfstoff ist nur in kleinen Studien an Patienten mit Lebererkrankungen geprüft worden. Die Impfungen erreichten gleiche Antikörpertiter wie bei gesunden Probanden (21). In Abwägung der möglichen Risiken einer Pneumokokkeninfektion wird die Impfung trotz unsicherer Kosten-Nutzen-Relation empfohlen. P Eine Impfung gegen Pneumokokken sollte allen Patienten mit/vor medika mentöser Immunsuppression und insbesondere alkoholkranken Patienten empfohlen werden. 21 Andere impfpräventable Erkrankungen Impfempfehlungen für Masern, Mumps, Röteln, Diphtherie, Tetanus, Pertussis, Herpes zoster und andere Erkrankungen (auch Reiseimpfungen) unterscheiden sich nicht von den Empfehlungen bei anderen chronischen Erkrankungen. Ausnahmen sind im folgenden Kapitel „spezielle Situationen“ angegeben. Spezielle Situationen Splenektomie Ist bei Patienten mit einer fortgeschrittenen Lebererkrankung oder auch anderen Krankheiten (z. B. idiopathische Thrombozytopenie) eine Splenektomie erforderlich, sollten vorher Impfungen gegen Meningokokken, Pneumokokken und Haemophilus influenzae erfolgen (22). Patienten unter Therapie mit Interferon, Nukleos(t)idanaloga, Proteaseinhibitoren und Ribavirin Impfungen bei Interferontherapie (inklusive Kombinationstherapie Interferon/ Ribavirin) Interferon hat vielfältige immunmodulierende Effekte. Zum einen wirkt Interferon direkt antiviral, induziert z. B. die Reifung von dendritischen Zellen und verändert die Funktion von B-Zellen. Im Gegensatz dazu steht die antiproliferative Wirkung, die auch die Proliferation von B-Zellen und Plasmazellen hemmt. Die Indikationsstellung für Impfungen während einer Interferontherapie sollte berücksichtigen, dass Interferon-α prinzipiell antiviral wirkt und somit z. B. das Risiko für eine symptomatische Influenzainfektion geringer sein sollte. Die Immunogenität der Hepatitis-B-Vakzine ist bei Patienten mit Hepatitis C unter der Therapie mit pegyliertem Interferon und Ribavirin reduziert (23). Valide Daten zur Impfreaktion verschiedener Impfungen unter laufender Interferontherapie liegen jedoch nicht vor. Impfungen bei Protease- oder Nukleos(t)idtherapie Nach dem derzeitigen Stand der Wissenschaft gibt es keine Hinderungsgründe für eine Impfung mit Tot- oder Lebendimpfstoffen unter antiviraler Protease- oder Nukleos(t)idtherapie. Patienten nach Lebertransplantation Nach einer Lebertransplantation können sämtliche von der STIKO empfohlenen Impfungen mit Totimpfstoffen inklusive Meningokokken und Pneumokokken ab dem 6. Monat nach Lebertransplantation durchgeführt werden. Impfungen mit Lebendimpfstoffen sind hingegen kontraindiziert. Notwendige Impfungen mit Lebendimpfstoffen (z. B. Masern, Mumps, Röteln) sollten daher vor der Transplantation durchgeführt werden. Unter Berücksichtigung der Immunsuppression und der individuellen Situation des Patienten kann 1 Jahr nach Lebertransplantation die Lebendimpfung gegen Masern, Mumps und Röteln (MMR) und auch eine Varizellenimpfung vorgenommen werden. Gegebenenfalls müssen nach der Impfung Impftiter kontrolliert und eventuell zusätzliche Auffrischungsimpfungen durchgeführt werden. 22 Impfstand in Deutschland – die Realität Wir baten in einem regionalen Versorgungsforschungsprojekt 203 CED-Patienten alle vorhandenen Impfnachweise mitzubringen. Dabei zeigte sich, dass nur 83% der Patienten einen Impfausweis hatten. Weiterhin stellten wir fest, dass in den letzten 10 Jahren nur zwei Drittel der Patienten gegen Tetanus und nur ein Fünftel gegen Pertussis geimpft wurden, nur 28% die jährliche Grippeschutzimpfung wahrnahmen und nur 9% jemals gegen Pneumokokken geimpft wurden. Auch für andere Erkrankungen, die bei Patienten mit CED schwer verlaufen können und für die eine Schutzimpfung verfügbar ist (Varicella Zoster, Hepatitis B und humanes Papillomavirus), bestand bei mindestens zwei Drittel der Patienten kein Impfschutz. Nachfolgend baten wir darum, Argumente gegen Schutzimpfungen zu nennen: 22% aller Patienten gaben an, Schutzimpfungen zu vermeiden, weil sie Nebenwirkungen befürchteten, 15% weil das Immunsystem „nicht intakt“ sei und 9% befürchteten eine Verschlimmerung der CED durch eine Impfung (24). P Der wichtigste Vorbehalt gegen die Durchführung einer Schutzimpfung ist die Angst vor Nebenwirkungen. Die Frage „Wären Sie bereit, alle offiziell empfohlenen Schutzimpfungen durchführen zu lassen?“ bejahten hingegen 163 Patienten (80%). Dieses Ergebnis war für uns aufgrund des schlechten Impfstandes überraschend. Der Hausarzt wurde in der Frage der Kontrolle des Impfstandes von der Mehrheit der Patienten unserer Studie als wichtigster Ansprechpartner genannt. Wenngleich die Patienten hier nur in weniger als 10% ihren Gastroenterologen zur Überprüfung des Impfstandes zu Rate zogen, kommt aus unserer Sicht dem Erstverordner einer immunsuppressiven Therapie auch eine Verantwortung für das Aufspüren fehlender Indikationsimpfungen zu (24). Daten zu impfpräventablen Erkrankungen (insbesondere Hepatitis A und B, Influenza, Pneumokokken) bei Patienten mit chronischen Lebererkrankungen sind limitiert auf Patienten mit chronischer Hepatitis B und C, alkoholischer Lebererkrankung, Leberzirrhose und Patienten nach Lebertransplantation. Das Auftreten einer impfpräventablen Erkrankung kann, z. B. infolge einer Superinfektion mit Hepatitis A bei HBsAgTrägern, ein akutes Leberversagen verursachen (14). Im Gegensatz zu CED-Patienten liegen bei Patienten mit Fettleber, nicht-alkoholischer Fettleberhepatitis, Autoimmunerkrankungen der Leber, hereditären Lebererkrankungen (Hämochromatose, α1-Antitrypsinmangel, Wilson-Krankheit) oder granulomatösen Lebererkrankungen nur sehr limitierte Ergebnisse zum Impfstatus, zur Verträglichkeit der Impfstoffe oder zum Impferfolg vor. Auch für Patienten mit Leberbeteiligung bei Systemerkrankungen (Zöliakie, zystischer Fibrose, Amyloidose usw.) liegen kaum belastbare Ergebnisse vor. Verändert die immunsuppressive Therapie das Ansprechen auf Schutzimpfungen? Diese Frage ist insbesondere bei der Pneumokokkenimpfung gut untersucht worden. Hier findet sich eine deutlich geringere Antikörperbildung unter kombinierter immunsuppressiver Therapie (25). Daher sollten unsere Patienten möglichst schon vor Therapiebeginn geimpft werden. Bezüglich anderer Impfungen ist die Studienlage weniger klar; zur Grippeschutzimpfung unter TNF-Blockern und/oder klassischen Immunsuppressiva wie Azathioprin oder Methotrexat fanden sich teils gegenteilige Aussagen. Aus Vorsichtsgründen – nicht aber aufgrund belastbarer Daten – wird empfohlen, auf Lebendimpfungen unter immunsuppressiver Therapie zu verzichten. Es finden sich zunehmend Hinweise darauf, dass auch unter kombinierter immunsuppressiver Therapie Lebendimpfungen sicher und effektiv wirken (26). P Lebendimpfungen sind bei Patienten mit pharmakologischer Immun suppression formal kontraindiziert. 23 Was ist zu tun, wenn keine krankheitsspezifische Schutzimpfung existiert? Mehrere bei immunsupprimierten Patienten häufiger vorkommende opportunistische Infektionen (z. B. mit Clostridium difficile, Zytomegalie- und Epstein-Barr-Virus, Tuberkulose, Histoplasmose oder Pneumocystis-jirovecii-Pneumonie) sind derzeit jedoch nicht impfpräventabel. Im Falle einer Mehrfachimmunsuppression sollte eine Prophylaxe mit Trimethoprim + Sulfamethoxazol gegen eine Pneumocystis-Pneumonie erfolgen (27). Bislang galt der Konsens, dass diese Prophylaxe nur für den Zeitraum einer dreifachen Immunsuppression erfolgen sollte; die zukünftige Leitlinie der DGVS zur Colitis ulcerosa sieht jedoch bereits bei doppelter Immunsuppression eine Indikation zu der oben genannten Prophylaxe. Zudem müssen den Patienten auch andere Präventivmaßnahmen, wie z. B. richtiges Händewaschen und eine richtige Nahrungsmittelzubereitung, vermittelt werden. Zu letzterem Punkt bietet eine aktuelle Publikation der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention beim Robert Koch-Institut sehr praktikable Vorschläge (28). Zu empfehlende Literatur Literatur 1 Lehtinen P, Ashorn M, Iltanen S, Jauhola R, Jauhonen P, Kolho KL, Auvinen A. Incidence trends of pediatric inflammatory bowel disease in Finland, 1987–2003, a nationwide study. 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Prophylaxis, diagnosis and therapy of hepatitis B virus (HBV) infection: the German guidelines for the management of HBV infection. Z Gastroenterol. 2007; 45: 1281–1328. 18 Song JY, Cheong HJ, Ha SH, Hwang IS, Kee SY, Jeong HW, Lee CG, Kim WJ. Clinical impact of influenza immunization in patients with liver cirrhosis. J Clin Virol. 2007; 39: 159–163. 19 Urbani S, Amadei B, Fisicaro P, Pilli M, Missale G, Bertoletti A, Ferrari C. Heterologous T cell immunity in severe hepatitis C virus infection. J Exp Med. 2005; 201: 675–680. 20 Burman LA, Norrby R, Trollfors B. Invasive pneumococcal infections: incidence, predisposing factors, and prognosis. Rev Infect Dis. 1985; 7: 133–142. 21 Pirovino M, Lydick E, Grob PJ, Arrenbrecht S, Altorfer J, Schmid M. Pneumococcal vaccination: the response of patients with alcoholic liver cirrhosis. Hepatology. 1984; 4: 946–949. 25 22 Davies JM, Barnes R, Milligan D; British Committee for Standards in Haematology. 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Immunosuppression impairs response to pneumococcal polysaccharide vaccination in patients with inflammatory bowel disease. Am J Gastroenterol. 2010; 105: 148–154. 26 Borte S, Liebert UG, Borte M, Sack U. Efficacy of measles, mumps and rubella revaccination in children with juvenile idiopathic arthritis treated with methotrexate and etanercept. Rheumatology (Oxford). 2009; 48: 144–148. 27 Lu Y, Jacobson D, Bousvaros A. Immunizations in patients with inflammatory bowel disease. Inflamm Bowel Dis. 2009; 15: 1417–1423. 28 Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention beim Robert Koch-Institut (RKI). Anforderungen an die Hygiene bei der medizinischen Versorgung von immunsupprimierten Patienten. Bundesgesundheitsblatt Gesundheitsforschung Gesundheitsschutz. 2010; 53: 357–388. 26 Fragen zu Impfungen bei chronisch entzündlichen Leberund Darmerkrankungen Frage 1: Welche impfpräventablen Erkrankungen treten bei CED-Patienten nachweislich gehäuft auf? 1 2 3 4 Gürtelrose Tetanus Poliomyelitis Pneumokokkenpneumonie EE EE EE EE EE Keine Aussage ist richtig 1 und 2 sind richtig 1 und 4 sind richtig 1, 3 und 4 sind richtig Alle sind richtig Frage 2: Welche Gründe stehen einer Vervollständigung des Impfstatus bei Patienten mit CED am häufigsten entgegen? EE EE EE EE EE Generelle Ablehnung von Schutzimpfungen Angst vor einer Verschlechterung der CED Allgemeine Angst vor Nebenwirkungen Restriktionen der Krankenkassen Schmerzen an der Einstichstelle Frage 3: Welche Aussage zur Pneumokokkenimpfung bei immunsupprimierten Patienten ist richtig? Falk Gastro-Kolleg Leber und Gallenwege Darm Bitte beachten Sie: Bei der Beantwortung der Fragen ist immer nur 1 Antwort möglich. Die Beantwortung der Fragen und Erlangung des Fortbildungszertifikats ist nur online möglich. Bitte gehen Sie dazu auf unsere Homepage www.falkfoundation.de. Unter dem Menüpunkt Falk Gastro-Kolleg können Sie sich anmelden und die Fragen beantworten. Bitte diesen Fragebogen nicht per Post oder Fax schicken! EE EE EE EE Sie ist verzichtbar, weil die Infektion meist asymptomatisch verläuft Sie ist Bestandteil der jährlich adaptierten Grippeschutzimpfung Sie sollte vor Initiierung einer immunsuppressiven Therapie erfolgen Da es sich um eine Lebendimpfung handelt, dürfen Patienten unter anti-TNF-αTherapie nicht geimpft werden EE Die Impfung darf nur durch Mitarbeiter der Gesundheitsämter durchgeführt werden Frage 4: Welche Infektionen durch die nachfolgend genannten Erreger sind impfpräventabel? EE EE EE EE EE Clostridium difficile Frühsommermeningoenzephalitis Zytomegalievirus EHEC Pneumocystis-jirovecii-Pneumonie Wichtig: Fragebeantwortung unter www.falkfoundation.de Falk Gastro-Kolleg Frage : Welche Impfung ist bei Patienten unter Azathioprintherapie formal kontraindiziert? EE EE EE EE EE Varicella Zoster Pneumokokken Influenza Poliomyelitis Meningokokken 27 Frage 6: Mit welchen Antibiotika soll eine Prophylaxe gegen die Pneumocystis-Pneumonie erfolgen? EE EE EE EE EE Trimethoprim + Sulfamethoxazol V-Penicillin Clindamycin Doxycyclin Ciprofloxacin Falk Gastro-Kolleg Leber und Gallenwege Darm Frage 7: Welche Aussagen sind richtig? Die Hepatitis-A-Impfung 1 2 3 4 5 hat eine hohe Rate an Nonrespondern (> 30%) hat nach 2 Impfungen einen fast 100%-Impferfolg, der oft mehr als 10 Jahre anhält ist in Deutschland bei Risikogruppen und bei Reisen in Endemiegebiete angeraten ist bei schweren Lebererkrankungen kontraindiziert kann ausschließlich in Kombination mit Hepatitis B immunisiert werden EE EE EE EE EE Nur 1 und 2 sind richtig Nur 2 und 3 sind richtig Nur 4 ist richtig Nur 4 und 5 sind richtig Alle sind richtig Frage 8: Welche Antwort ist richtig? Impfungen bei Lebererkrankungen haben 1 2 3 EE EE EE EE EE bei allen Stadien der Lebererkrankungen einen gleich hohen Impferfolg den gleichen Stellenwert zur Verhinderung von impfpräventablen Erkrankungen wie in der Normalpopulation nur beschränkte Einsatzmöglichkeiten: Lebendimpfstoffe sind komplett kontraindiziert Nur 1 und 3 sind richtig Nur 3 ist richtig Nur 2 ist richtig Nur 1 und 2 sind richtig Alle sind richtig Frage 9: Kann ein lebertransplantierter Patient gegen Hepatitis B geimpft werden? EE EE EE EE EE Nein Ja, unter Berücksichtigung der üblichen Risikoabwägung Ja, aber nur bei erneut bestehender schwerer Lebererkrankung Ja, aber nur bei geringer Immunsuppression Nur bei nachgewiesener Reinfektion des Transplantats Frage 10: Welche Impfung wird bei (funktioneller) Splenektomie nicht ausdrücklich empfohlen? EE EE EE EE EE Meningokokken Pneumokokken Haemophilus influenzae Tetanus Humanes Papillomavirus 28