Glandula Net 6 - Netzwerk Neuroendokrine Tumoren (NeT)
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Glandula Net 6 - Netzwerk Neuroendokrine Tumoren (NeT)
Netzwerk Neuroendokrine Tumoren Heft 6-2004 www.karzinoid.info www.neuroendokrine-tumoren.de Aus dem Inhalt Medizinisches ● Aktuelle Einteilung, Diagnostik und Therapie neuroendokriner Tumoren ● Multiple endokrine Neoplasie Typ 1 (MEN 1) ● Spielt die Ernährung bei Patienten mit Tumorerkrankungen eine Rolle? ● Mögliche neue Therapieoptionen für Patienten mit metastasiertem neuroendokrinem Tumor und Karzinoid-Syndrom ● Studie mit einem Hemmstoff der Gefäßneubildung (Angiogenese-Inhibitor „PTK“) ● Erfolgreiche Therapie maligner neuroendokriner Tumoren mit 90Yttrium-DOTATOC Veranstaltungen ● Gründungsversammlung der Europäischen Gesellschaft für Neuroendokrine Tumoren (ENETS) ● Kurzbericht über das Patiententreffen in Bad Berka vom 8. bis 10.8.2003 ● Hamburger Symposium über neuroendokrine Tumoren ● 5. Berliner Informationstag für Patienten und Ärzte am 22.11.2003 ● Bericht vom 2. und 3. Neusser Patiententag ● Bericht vom Meeting des European Neuroendocrine Tumor Network (ENET) Erfahrungsberichte ● Meine Erfahrungen mit der Nukleartherapie ● Karzinoidmetastasen am Bauchfell – was tun? ● Wie ich meine Organe behielt – oder: Eine keineswegs „wissenschaftlich belegte“ Geschichte ● Ich hoffe, es bleibt noch lange so ● Ich kam zur Diagnose MEN 1 wie die Jungfrau zum Kind Unterhaltsames ● Die Geschichte von Meta und Stasia Editorial Liebe Leserinnen und Leser, vor Ihnen liegt die neue Ausgabe der Glandula NeT. Die Produktion dieses Heftes hat etwas länger gedauert, dafür ist diese Ausgabe so umfangreich wie nie zuvor. Außerdem haben wir auf Anregung einiger Mitglieder das Layout etwas geändert, um die Lesbarkeit zu verbessern. Die neue Glandula NeT kommt passend zum 10-jährigen Geburtstag des Netzwerks Hypophysen- und Nebennierenerkrankungen und passend zum 5-jährigen Geburtstag des Netzwerks Neuroendokrine Tumoren (NeT). Das Netzwerk wird sein kleines Jubiläum mit einem Festakt am 11. Dezember 2004 in Erlangen begehen und wir hoffen auf zahlreiches Erscheinen aller Mitglieder. Bitte informieren Sie sich auf unserer Homepage über den Beginn und den Ort der Veranstaltung. Das Netzwerk verfügt nun über zwei neue eigene Internetadressen, um unabhängig und schnell über neueste Entwicklungen berichten zu können. Die Adressen sind www.karzinoid.info und www.neuroendokrine-tumoren.de. Diese Seiten sind voller Informationen. Für die Mitglieder des Netzwerks sollen geschützte Seiten eingerichtet werden, damit sie sich mit vollem Namen austauschen können, ohne gleich im „großen Internet” für alle sichtbar zu sein. Die Mitgliederseiten enthalten bevorzugt Informationen für Mitglieder, so wird z.B. die aktuelle Glandula NeT für die ersten Monate nur für Mitglieder des Netzwerks auf den geschützten Seiten lesbar sein. Ich möchte deshalb alle Leser dieser Zeitschrift ermuntern, für 15 e pro Jahr Mitglied der Selbsthilfegruppe Netzwerk Neuroendokrine Tumoren zu werden. Wenn Sie diese Glandula durchlesen bzw. durcharbeiten, werden Sie sehen, dass Fortschritte in der Behandlung von neuroendokrinen Tumoren unverkennbar sind. Wir möchten Ihnen auch mit dieser Ausgabe Hoffnung geben, mit ihrer Erkrankung gut zu leben oder noch besser – sie zu besiegen. Das vorliegende Heft und unser Internetprogramm sollen Ihnen dabei behilflich sein. Mit den besten Wünschen verbleibe ich Ihr Prof. Dr. med. J. Hensen 1 *Glandula Net 6 1 09.08.2004, 22:00 Uhr Publik Online-Adressen des Karzinoid-Netzwerks So erreichen Sie die NetzwerkGeschäftsstelle in Erlangen Homepage: www.karzinoid.info und www.neuroendokrine-tumoren.de Hier finden Sie aktuelle Informationen, das Gästebuch und unsere Diskussionsforen (Netzwerkforum, Forum Akromegalie und Forum neuroendokrine Tumoren). Dort ist auch eine aktualisierte Adressliste der in Deutschland praktizierenden Endokrinologen, geordnet nach Postleitzahlgebieten, verfügbar. Unsere Geschäftsstelle in Erlangen ist von Montag bis Freitag vormittags von 8.30 bis 12.00 Uhr besetzt. In dieser Zeit sind wir telefonisch für Sie da unter der Nummer: 09131 / 81 50 46. E-Mail: [email protected] Das ist die Adresse für Ihre Fragen, z.B. zur Mitgliedschaft, für Leserbriefe und Beiträge für die Glandula, für Berichte und Anregungen aus den Regionalgruppen etc. Webmaster: [email protected] Hier können Sie Fehler und Anregungen zur Internetpräsenz melden. Übrigens: Wussten Sie, dass Sie die Foren abonnieren können? Als Abonnent erhalten Sie eine E-Mail, wenn neue Einträge gemacht wurden. Wie´s geht, ist auf unserer Homepage beschrieben. Wenn Sie außerhalb der Bürozeiten anrufen, können Sie uns gerne eine Nachricht auf dem Anrufbeantworter hinterlassen. Sie können uns aber auch ein Fax oder eine E-Mail senden: Fax: 09131 / 81 50 47 E-Mail: [email protected] Wer gründet eine Patientengruppe? Eines der wichtigsten Ziele des Netzwerks Neuroendokrine Tumoren ist es, den Kontakt und Erfahrungsaustausch unter den Betroffenen zu fördern. Dazu eigenen sich am besten Patientengruppen, die sich regelmäßig treffen und von einem Arzt betreut und unterstützt werden, wie es z. B. in Erlangen und München bereits der Fall ist. Wer wäre bereit, eine solche Patientengruppe zu gründen und sich als Ansprechpartner zur Verfügung zu stellen? Bitte melden Sie sich in unserer Geschäftsstelle in Erlangen – wir unterstützen Sie gerne bei dieser Aufgabe. Ihr NETZWERK-Team Einladung zum 4. Neusser Patiententag Aufgrund des großen Interesses und der zahlreichen Teilnehmer an den bisherigen drei Treffen findet am 13. Oktober 2004 der 4. Neusser Patiententag im Lukaskrankenhaus statt, zu dem alle Patienten und ihre Angehörigen herzlich eingeladen sind. Vorgesehen sind ein Vortrag und eine Diskussionsrunde: Vortrag zum Thema „Familiäre neuroendokrine Tumoren inklusive MEN 1”: Sind Erfahrungen von Familien und Patienten mit sporadisch auftretenden Tumoren aufeinender übertragbar? Patientenerfahrung und Diskussion über Nebenwirkungen der Behandlung (medikamentös, nuk- learmedizinisch, chirurgisch) von neuroendokrinen Tumoren. Weitere Informationen erhalten Sie im Sekretariat von Prof. Goretzki: Tel.: 02131/ 8 88 30 01 (Frau Wolfgarten) E-Mail: [email protected] sowie bei der Geschäftsstelle des Netzwerks in Erlangen (Tel. 09131 / 81 50 46). 2 *Glandula Net 6 2 09.08.2004, 22:01 Uhr Publik Die Regionalgruppe Erlangen informiert Termine für die nächsten Patiententreffen in Erlangen Bericht vom Patiententreffen am 18.03.2004 in Erlangen Wir laden Sie herzlich zu folgenden Veranstaltungen ein: Am Donnerstag, den 07. Oktober 2004, treffen wir uns um 17.00 Uhr in Nürnberg im Klinikum Nord. Herr Dr. S. Birkenhake wird uns einen Vortrag über Hyperthermie (Überhitzung des Körpers) und deren Bedeutung bei der Therapie von Tumorerkrankungen halten. Anschließend können noch Fragen der Patienten beantwortet werden. Ferner ist eine Besichtigung der Behandlungseinrichtungen vorgesehen. Frau Dr. Pavel hat ihre Teilnahme ebenfalls zugesagt. Anschrift: Klinikum Nord Prof.-Ernst-Nathan-Straße 1 Haus 18/1 90419 Nürnberg Bitte den Vortragsraum bei der Information erfragen. Nähere Hinweise zur Anreise mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder mit dem PKW finden Sie auch im Internet: http//www.Klinikum-nuernberg.de/7_00_anfahrt.html Bitte melden Sie sich für diese Veranstaltung bis spätestens 30. September bei der Geschäftsstelle des Netzwerks Neuroendokrine Tumoren in Erlangen an (Tel.: 09131/ 81 50 46, Montag bis Freitag 8.30 bis 12.00 Uhr). Weitere Termine für Patiententreffen: Donnerstag, 17. März 2005, in Erlangen Donnerstag, 23. Juni 2005, in Erlangen Donnerstag, 26. Oktober 2005, in Erlangen Beginn jeweils 18.00 Uhr. Ort: Nichtoperatives Zentrum der Universitätsklinik Erlangen, Ulmenweg 18. Den jeweiligen Sitzungssaal bitte bei der Information erfragen. Da Terminänderungen nicht ausgeschlossen sind, bitten wir Sie, etwa eine Woche vorher bei Herrn Allmendinger, Telefon 09195 / 86 48, nachzufragen. Außerdem ist geplant, im nächsten Frühjahr ein ganztägiges Patientenseminar zum Thema neuroendokrine Tumoren in Herzogenaurach durchzuführen. Dabei werden Ärzte verschiedener Kliniken über den neuesten Stand der Diagnose und über moderne Therapieverfahren referieren. Für weitere Informationen wenden Sie sich bitte an die Netzwerk-Geschäftsstelle. H.-D. Allmendinger, Hemmhofen Hans-Dieter Allmendinger, Vorsitzender des Netzwerks Neuroendokrine Tumoren Nach der Begrüßung gab Frau Dr. Pavel bekannt, dass seit 4 Wochen in der Erlanger Universitätsklinik (Strahlentherapeutische Klinik) auch eine Hyperthermie-Therapie durchgeführt wird. Sie wird als Zusatztherapie, abhängig von der Art der Tumoren, empfohlen. Es wird vorgesehen, zum nächsten Patiententreffen einen Referenten einzuladen, von dem wir Näheres zu dieser Therapie erfahren können. Anschließend referierte Frau Dr. Pavel über eine neue, noch in Entwicklung befindliche Therapie zur Bekämpfung von Krebszellen, die sich gegen die Neubildung von Tumorgefäßen richtet. Diese Therapie wird im Rahmen einer klinischen Studie in Erlangen und in anderen Zentren durchgeführt (siehe Seite 25f. in dieser Ausgabe). Dabei werden auch Patienten mit neuroendokrinen Tumoren behandelt, die auf die etablierten Therapie nicht mehr ansprechen. Interessierte Patienten können sich direkt an Frau Dr. Pavel wenden (Tel. 09131 / 8 53 50 65). H.-D. Allmendinger, Hemmhofen 3 *Glandula Net 6 3 09.08.2004, 22:01 Uhr Publik Neu von der Stiftung Gesundheit: Das Medizinrechts-Beratungsnetz Sie haben ein Problem mit Ihrer Kranken- oder Pflegeversicherung oder befinden sich mit einem Arzt in Konflikt? Bislang war guter Rat teuer – doch damit ist jetzt Schluss, denn seit Ende 2003 gibt es bundesweit eine kostenlose juristische Erstberatung in Medizinrechtsfragen von der Stiftung Gesundheit für jedermann. Und so einfach können Sie sich kompetenten Rat einholen: Sie wenden sich an die kostenlose Service-Nummer 0800/0732483 (montags bis freitags von 9.00 bis 17.00 Uhr) und fordern einen Beratungsschein an, mit dem Sie die Leistungen in Anspruch nehmen können. Auf dem Beratungsschein sind alle wichtigen Angaben zum weiteren Vorgehen zusammengefasst. Außerdem enthält er die Adresse des nächstliegenden Vertrauensanwalts mit dem benötigten Spezialgebiet. Bei dem genannten Vertrauensanwalt vereinbaren Sie – unter Hinweis auf den Beratungsschein – einen Termin für die Erstberatung. Im orientierenden Gespräch gibt Ihnen der Vertrauensanwalt eine qualifizierte Einschätzung, ob der Fall eine hinreichende juristische Dimension hat, welche weiteren Prüfungen möglich bzw. nötig sind, welche Möglichkeiten einer sog. niederschwelligen bzw. außergerichtlichen Einigung bestehen, welches Kostenrisiko eine Klage mit sich brächte, ob und wie Prozesskostenhilfe erreichbar ist, welche Laufzeiten eine Klage mit sich brächte, welche Erfolgsaussichten die einzelnen Wege haben. So informiert, können Sie dann Ihre Entscheidung zum weiteren Vorgehen selbst treffen. Weitere Informationen und die Vertrauensanwälte in Ihrer Nähe finden Sie im Internet unter www. medizinrechts-beratungsnetz.de sowie auf einem Infoblatt, das Sie anfordern können bei: Stiftung Gesundheit Hindenburgufer 87 24105 Kiel Tel.: 0431 / 88 10 15-0 Fax: 0431 / 88 10 15-5 Bericht vom Treffen am 26.6.03 in Erlangen Auch zu diesem Treffen waren wieder viele Patienten angereist. Wie immer zu Beginn wurden kurz einige organisatorische Fragen geklärt und an die nächsten Termine erinnert: Gründungsversammlung einer lokalen Selbsthilfegruppe am 9.7.2003 im Klinikum Großhadern in München. Anmeldung und Zimmerreservierung zum Patiententreffen in Bad Berka vom 8. bis 10.8.2003 Teilnahme an unserer Mitgliederversammlung des Netzwerkes Hypophysen- und Nebennierenerkrankungen e. V. mit Wahl des Vorstandes am 29.8.2003 in Berlin. Danach ergab sich schnell eine angeregte Diskussion der Patienten untereinander und wie immer kompetente Antworten von Frau Dr. Pavel und anderen Betroffenen zu den medizinischen Fragen. Die interessantesten Fragen und Antworten hat Frau Oehme für die Leser der Glandula NeT mitgeschrieben. Dr. med. Marianne Pavel, Medizinische Klinik I mit Poliklinik der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen H.-D. Allmendinger, Hemmhofen 4 *Glandula Net 6 4 09.08.2004, 22:01 Uhr Karzinoid-Patienten fragen ... 1. Gibt es nach der 90Yttrium-DOTATOC-Therapie Nebenwirkungen? Eine Patientin hatte keine Beschwerden, eine andere aber 3 Wochen lang starke Schmerzen. 2. Wo sollte die 90Yttrium-DOTATOC-Therapie am besten stattfinden? In Bad Berka (verfeinerte Diagnostik – PET), Basel oder in Rotterdam? Eine Empfehlung dazu kann nicht gegeben werden, alle genannten Zentren verfügen über große Erfahrung. 3. Werden die Kosten der 90Yttrium-DOTATOC-Behandlung von den Krankenkassen übernommen? Von den privaten Krankenkassen schon, von den gesetzlichen Krankenkassen dagegen nicht. Diese Therapie ist aus formalen Gründen in Deutschland noch nicht zugelassen. Daran interessierte Patienten sollten sich vorher beim Netzwerk in Erlangen informieren. Von einigen Krankenkassen gibt es positive Einzelfallentscheidungen. 4. Soll die 90Yttrium-DOTATOC-Therapie gleich zu Beginn der Behandlung angewandt werden? Vorher sollten erst Sandostatin und Interferon-alfa zur Anwendung kommen. Damit sollen die Symptome wie Flush und Durchfälle, die etwa bei 60–90 % der Patienten auftreten, gelindert und das Tumorwachstum vermindert werden. Zudem gibt es Hinweise auf eine Wachstumshemmung des Tumors bei etwa 30 % der so behandelten Patienten. Ein Betroffener berichtete, dass die Therapie mit Sandostatin und PegIntron bei ihm seit 4 Jahren zum Stillstand des Wachstums des Primärtumors und der Metastasen geführt hat und Flush-Anfälle nur noch selten auftreten. 7. Was bewirkt die Strahlung bei der 90Yttrium-DOTATOC-Therapie? Die Strahlung führt zum Absterben der Tumorzellen. Das abgestorbene Gewebe wird langsam abgebaut. Danach kann die Leber wieder kleiner werden, sofern die Therapie angeschlagen hat. Derzeit werden neue Studien mit Lutetium geplant. Diese Therapie ist ähnlich der 90Yttrium-DOTATOC-Behandlung. 8. Sind weitere Studien zum Thema „neuroendokrine Tumoren“ geplant? Derzeit wird eine plazebokontrollierte Studie durchgeführt, bei der die Wirkung von Sandostatin mit der von Plazebo (einem Scheinmedikament) verglichen wird. Die Auswertung erfolgt bei Professor Arnold in Marburg. Ein Zwischenergebnis ist noch nicht bekannt. Es ist geplant, etwa 120 Patienten in die Studie einzuschließen. 9. In welcher Form wird Interferon verabreicht? Entweder wird das Medikament Interferon 3 x in der Woche gespritzt (zugelassen) oder als Depot-Präparat „PegIntron“ (= pegyliertes Interferon) 1 x pro Woche gespritzt (nicht zugelassen bei neuroendokrinen Tumoren). 10. Soll der Primärtumor auch dann entfernt werden, wenn er keine Beschwerden verursacht? Zur Festlegung der entsprechenden Therapie sollte der Primärtumor gefunden werden. Auch sollte er operativ entfernt werden, wenn dies möglich ist. Tumoren, die Serotonin produzieren, sitzen in der Regel im Darm. Tumoren an der Bauchspeicheldrüse, die nicht operiert werden können und wachsen, werden mit Chemotherapie behandelt. 5. Wird Sandostatin nur bei neuroendokrinen Tumoren zur Therapie eingesetzt? Nein, auch bei Diabetes-bedingten Augenhintergrundveränderungen, akuten Blutungen, Fisteln der Bauchspeicheldrüse, Brust- und Lungenkrebs usw., außerdem und insbesondere bei der Akromegalie (Überproduktion von Wachstumshormon). 11. Gibt es derzeit außer der 90Yttrium-DOTATOCTherapie noch andere Verfahren? Ja, aber diese werden derzeit eher selten angewandt, so zum Beispiel die Alkoholinjektion in die Metastase oder die Lasertherapie. Die Hochfrequenztherapie wird in einigen Zentren als zusätzliche Therapiemaßnahme genutzt, beispielsweise wenn hormonsezernierende Tumoren nicht zufriedenstellend auf die medikamentöse Therapie ansprechen. 6. Kann die 90Yttrium-DOTATOC-Therapie auch bei Knochenmetastasen angewandt werden? Nicht bei stärkerer Ausdehnung der Knochenmetastasen. 12. Gibt es Verhaltensweisen, die die Lebenserwartung und -qualität der Patienten verbessern? Ja, insbesondere ausreichend Bewegung, Aufenthalt an der frischen Luft und ausgewogene Ernährung. 5 *Glandula Net 6 5 09.08.2004, 22:01 Uhr Publik Informationen der Bundesorganisation Selbsthilfe NeuroEndokrine Tumoren e. V. (BS-NET e. V.) Gesamtmitgliederversammlung anlässlich des 5. Berliner Informationstags für Ärzte und Patienten am 22.11.2003 in Berlin Einmal im Jahr findet im Universitätsklinikum Charité, Campus Virchow-Klinikum, der Berliner Informationstag für Ärzte und Patienten statt. Er gibt uns Betroffenen, den Angehörigen und Interessierten sowie Ärzten aus der gesamten Bundesrepublik einen Einblick in neueste Erkenntnisse in der Forschung, Diagnose und Therapie neuroendokriner Tumoren. Einen Bericht dazu finden Sie auf Seite 37. Diesen Tag, an dem viele Patienten aus dem gesamten Bundesgebiet anreisen, nutzen wir zu einer an die Vorträge anschließenden Gesamtmitgliederversammlung der NETSHG e. V. In diesem Jahr fand nach dem Rechenschaftsbericht des Vorstandes, gehalten von Frau Petra König, der Vorsitzenden der NET-SHG, eine Neuwahl des Vorstandes statt. Der neue Vorstand setzt sich wie folgt zusammen: ! Geschäftsführend: 1. Vorsitzender: Peter Ries / Saarland (Tel.: 06821 / 36 10 13) 2. Vorsitzende: Petra König / Berlin (Tel.: 030/ 4 02 13 23) Schatzmeisterin: Erika Gerhardt / Berlin (Tel.: 030 / 8 81 59 92) Erweitert: 1. Beisitzer: Thomas Gabisch (Tel.: 030 / 49 87 69 56) 2. Beisitzerin: Jaqueline Milde (Tel.: 030 / 74 07 63 20) Info-Stand der BS-NET e. V. auf dem 5. Berliner Informationstag im Klinikum Virchow. Lange vorbereitet, der bundesweiten Entwicklung der NET-SHG e.V. entsprechend, wurde einstimmig beschlossen, dass die Selbsthilfegruppe den neuen Status einer Bundesorganisation annimmt. Unser Name lautet seit November 2003: Bundesorganisation Selbsthilfe NeuroEndokrine Tumoren e. V. (BS-NET e. V.). Die Umwandlung von einer Selbsthilfegruppe in eine Bundesorganisation bringt natürlich auch eine qualitative Wandlung mit sich. Das Entscheidende ist, dass wir mehr Mitglieder in die aktive Arbeit mit einbeziehen. So haben sich zum Beispiel in jedem Bundesland ein oder mehrere Mitglieder bereit erklärt, als Ansprechpartner zu wirken und als solche Gesprächsgruppen aufzubauen. Dadurch wird der Zusammenhalt der Gruppen gefördert und die Möglichkeit des Erfahrungsaustausches untereinander stärker entwickelt. Aktivitäten 2004 Auch in diesem Jahr sind weitere Arzt-Patienten-Seminare geplant, stärker als bisher ausgedehnt auf die Bundesgebiete, so zum Beispiel: Vom 9.–13.09.04 treffen sich die Mitglieder der BS-NET e.V. (weitere Interessenten sind willkommen) zu Vorträgen, zum Erfahrungsaustausch und zu Erholungsphasen in Kehl. Herr Priv.-Doz. Dr. med. Breidert des Kreiskrankenhauses Kehl referiert für uns und diskutiert mit uns am 11. September zum 6 *Glandula Net 6 6 09.08.2004, 22:01 Uhr Der 1. Vorsitzende der Bundesorganisation Selbsthilfe NeuroEndokrine Tumoren e. V. stellt sich vor: Publik Thema „Diagnostik und Therapie neuroendokriner Tumoren“ und stellt uns auch für die gesamte Zeit einen Raum für Treffen zur Verfügung. Wir freuen uns über sein Entgegenkommen und seine Unterstützung und senden einen herzlichen Dank nach Kehl. Am 10.09.04 sind wir in der Bio Med.-Klinik Badbergzabern eingeladen. Neben einer Besichtigung der Klinik ist ein Vortrag über Hyperthermie und Tumorimmunologie vorgesehen. Oktober 2004: Seminar über traditionelle Chinesische Medizin. November 2004: 6. Berliner Informationstag für Patienten und Ärzte, wissenschaftliche Leitung: Prof. Dr. B. Wiedenmann. Im Anschluss an die Vorträge: Mitgliederversammlung der BS-NET e. V. Auf vielfachen Wunsch unserer Mitglieder konnten wir Herrn Prof. Dr. med. Arnold gewinnen, für uns ein Arzt-Patienten-Seminar in der Adventszeit einzuplanen. Zum Jahresabschluss Weihnachtsfeier in Berlin Petra König, Berlin, 2. Vorsitzende der BS-NET e.V. Verehrte Leserinnen und Leser der Glandula NeT, Ich bin Peter Ries, 48 Jahre alt, verheiratet mit Monika Jung-Ries. Gemeinsam wohnen wir im schönen Saarland. Das Glück, Eltern zu werden, ist uns leider verwehrt geblieben. Erkrankt bin ich an einem Karzinoid des Dünndarms, Peter Ries und dies nun schon wissentlich seit 10 Jahren. Aber ich möchte hier nicht über meinen Krankheitsverlauf berichten, trage mich jedoch mit dem Gedanken, in einer der nächsten Ausgaben der Glandula NeT einiges davon zu erzählen. Ich bin Handelsfachwirt und zurzeit in einem Unternehmen des privaten Bildungsbereiches als Dozent tätig. Am 22.11.2003 wurde ich in der Mitgliederversammlung der NeuroEndokrinen Tumoren Selbsthilfegruppe e. V. in Berlin zum 1. Vorsitzenden gewählt. In derselben Versammlung wurde durch Beschluss der Mitglieder aus der Selbsthilfegruppe eine Bundesorganisation. Aber wie kam es zu meinem Engagement in der Gruppe und zu dieser Wahl? Dafür gibt es einen Grund und einen Namen: Petra König. Ich hatte die Freude und die Gelegenheit, ihr auf einem Patientenseminar in Bad Berka begegnen zu dürfen. Ich war fasziniert von ihrer Kraft und ihrem Engagement und ebenso von der Dynamik der Gruppe um Petra König. Nach Ablauf dieses Patientenseminars stand mein Entschluss fest, einen Teil meiner Freizeit der Gruppe zur Verfügung zu stellen. Es folgten viele Gespräche, Annäherungen von Vorstellungen, Ziele für die Zukunft und am Ende dieses Prozesses meine Einwilligung, zur Wahl des ersten Vorsitzenden zu kandidieren. Ich wünsche uns allen ein erfolgreiches Jahr 2004 und das richtige Gespür zur rechten Zeit, um Entscheidungen zu treffen. Der Bundesorganisation wünsche ich die Dynamik und das Gefühl, in einer großen Familie zu sein, zu behalten, zum Wohle und zur Verbreitung von Informationen für und an unserer Mitglieder. Peter Ries, Neunkirchen, 1. Vorsitzender der BS-NET e. V. Achtung, neu ! Das Studiensekretariat von Prof. Dr. B. Wiedenmann an der Universitätsklinik Charité richtet eine telefonische Sprechstunde ein. Jeden 1. Dienstag im Monat in der Zeit von 11.00– 12.00 Uhr werden krankheitsbezogene Fragen beantwortet. Tel.: 030 / 450 55 30 32 Adresse: Campus Virchow-Klinikum, Medizinische Klinik mit Schwerpunkt Hepatologie, Gastroenterologie, Endokrinologie und Stoffwechsel, Augustenburger Platz 1, 13353 Berlin. Bitte bedenken Sie: Diese Möglichkeit der Kontaktaufnahme kann keinen Arztbesuch ersetzen! 7 *Glandula Net 6 7 09.08.2004, 22:01 Uhr Unterhaltsames Die Geschichte von Meta und Stasia Meta und Stasia waren Geschwister. Sie lebten von ganz klein an in einem großen, braunen, weichen und warmen Gebilde, von dem sie sich auch ernährten. Regelmäßig tranken Meta und Stasia von dem Lebenssaft ihres heimatlichen Gebildes und fühlten sich wohl. Ganz leise unterhielten sie sich. „Weißt du noch“, fragte Meta, „weißt du noch, wie wir uns von unserem Vater lösten?“ „Ach ja“, schwärmte Stasia. „Wir schwammen in dem süßen roten Saft, den wir täglich trinken, bis hierher. Weich wie ein Schwamm war es hier, als wir hier ankamen“. Sie Und Karzio war bereits stark. Er war so stark, dass er es sich leisten konnte, seine Töchter Meta und Stasia in die Welt zu schicken. Sein eigen Fleisch und Blut konnte er sich ausreißen, ohne Schaden zu nehmen. Im Gegenteil – die Stoffe aus der Leitung, auf der er lebte, ließen ihn wachsen und gedeihen. Und bald vergaß er, dass er Töchter in die Welt gesetzt hatte. Und gerade diese Töchter sollten seine Anwesenheit verraten und die weißen Männer schließlich dazu bringen, ihm den Garaus zu machen. Meta und Stasia lebten wie die Maden im Speck. Sie tranken regelmäßig und ausgiebig von dem Lebenssaft und sie veränderten sich: Wie einst ihr Vater begannen sie, Botenstoffe auszusenden. Dabei ging es ihnen so gut, dass sie keinen Gedanken an die Folgen verschwendeten. Und es kam noch schlimmer. Meta machte den Anfang. Sie bekam eine eigene Haut und damit eine Figur. Von Tag zu Tag wurde ihre Haut deutlicher und ihre Gestalt runder. schwiegen träumerisch und nahmen noch einen tiefen Schluck. Der Vater von Meta und Stasia war Karzio. Er wohnte gleich nebenan. Dort hatte er eine Rohrleitung angezapft und versorgte sich von den vorbeifließenden Stoffen. Er verschmähte nichts, obwohl ihm nicht alles schmeckte. Aber seine Devise war: „Was mir nicht schadet, macht mich stark!“ Stasia blieb in ihrer Entwicklung ein wenig zurück. Deshalb war sie etwas kleiner als Meta, was sie sehr ärgerte. Aus diesem Grund bemühte sie sich, Meta nachzueifern und sie bei jeder Gelegenheit zu übertreffen. So kam es, dass Stasia, obwohl etwas kleiner als Meta, mehr Botenstoffe aussende- Winfried Müller te und aktiver wurde als ihre Schwester. Es dauerte trotzdem noch eine ganze Zeit, bis man auf sie aufmerksam wurde. Eines Tages machten fleißige, kluge, junge und blonde Frauen in Weiß Analysen in einem Labor und untersuchten Proben von dem Gebilde, in dem Meta und Stasia lebten. Außerdem analysierten sie den süßen roten Lebenssaft. Sie entdeckten die Botenstoffe von Meta und Stasia und Hautpartikelchen von Meta, die inzwischen eine respektable Größe und eine beinahe kugelrunde Form angenommen hatte. Die jungen Frauen in Weiß erkannten sofort, wen sie vor sich hatten, und teilten das ihren Kollegen in Weiß mit. Von diesem Augenblick an begann ein gnadenloser Kampf der Männer 8 *Glandula Net 6 8 09.08.2004, 22:01 Uhr Unterhaltsames und Frauen in Weiß gegen die um ihr Leben ringenden Schwestern Meta und Stasia. Der Angriff kam überraschend und komplex. Er erfolgte sofort mit chemischen und biologischen Waffen. Zunächst merkten Meta und Stasia nichts von dem Ganzen. Sie tranken regelmäßig und ausgiebig ihren Saft und erkannten erst nach einer Weile, dass er nicht mehr so gesund und nahrhaft für sie war. „Mir ist in letzter Zeit immer so übel“, flüsterte Stasia. „Bestimmt kommt das vom vielen Essen“, meinte Meta und stieß einen dicken Schwall Botenstoffe aus. „Ich habe auch immer so starke Blähungen. Manchmal ist mir sogar schwindlig“. „Ich habe den Eindruck, dass wir vergiftet werden. Wir sollten uns wehren“, sagte Stasia und eröffnete einen Angriff auf ihr Wirtsgebilde, dass es sich von braun nach violett färbte und nun gar nicht mehr so weich wie ein Schwamm war. Währenddessen suchten Sonden, Strahlen und Echolote nach dem Erzeuger von Meta und Stasia. Der räkelte sich in seiner Kraft und Größe an seinem angestammten Platz auf der Rohrleitung und lächelte still vor sich hin. „So dick, wie ich es brauche, könnt ihr gar nicht“, spottete er über die chemischen und biologischen Angriffe der Menschen in Weiß, die Meta und Stasia solche Beschwerden verursachten. Doch der Spott verging Karzio ziemlich schnell. Der Strom von Nährstoffen in der Rohrleitung versiegte. Bevor Karzio richtig begriff, wurde es plötzlich taghell um ihn herum. Mit scharfen, schnellen Schnitten wurde die Rohrleitung um ihn herum abgetrennt. Eine stählerne Zange ergriff ihn. Er schwebte durch die Luft, nahm nur kurz viele in komischem Grün gekleidete Leute war und landete mit einem klatschenden Geräusch in einer Metallschale. Deckel drauf, Klappe zu – aus. Die Rohrleitung wurde wieder repariert und einige Zeit später floß der Strom von Stoffen wieder ungehindert. Niemand schmarotzte mehr und langsam, aber sicher verschwand auch jede Spur von Karzio. Anders erging es seinen Töchtern. So einfach rausschneiden ging nicht. Dazu war das braune, weiche, große Gebilde, das sich Meta und Stasia als Heim ausgesucht hatten, zu empfindlich. Die Menschen in Weiß verstärkten ihre Angriffe. Immer mehr wurden die Geschwister chemischen und biologischen Kampfstoffen ausgesetzt. Immer stärker wurde die Gegenwehr von Meta und Stasia, ob- wohl sie schon nicht mehr in der Lage waren, ihre Umgebung zu schädigen. Schließlich wurde zum entscheidenden Schlag ausgeholt: ein Angriff mit Nuklearwaffen! Wie eine zweite Haut legte sich die Substanz um Meta und ihre Schwester. Die radioaktive Strahlung war so stark, dass zuerst die kleinere Stasia ihre Aktivitäten einstellen musste. Sie konnte nichts mehr zu sich nehmen und bekam immer weniger Luft. Bis ins Mark getroffen, hörte sie auf zu leben, schrumpfte und verschrumpelte. Bei Meta setzte der Prozess etwas später ein. Das Ergebnis war allerdings dasselbe. Nach einiger Zeit stieß das große, weiche, braune und warme Gebilde die mumifizierten Überreste von Meta und Stasia ab. Ebenso wie Karzio gerieten auch Meta und Stasia langsam, aber sicher in Vergessenheit. Mögen alle ähnlichen Schicksale so enden! Winfried Müller, Unter den Eichen 32, 06184 Dieskau 9 *Glandula Net 6 9 09.08.2004, 22:01 Uhr Wissenswertes Aktuelle Einteilung, Diagnostik und Therapie neuroendokriner Tumoren Definition und Einteilung Die Bezeichnung (neuro-)endokriner Tumor (NET) hat weltweite Geltung. Nur noch in wenigen Einrichtungen werden die alten Bezeichnungen wie Karzinoid, APUDom usw. benutzt. Die Bezeichnung „neuroendokrin“ beruht auf gemeinsamen tumorbiologischen Eigenschaften endokriner Zellen wie auch Nervenzellen (Neuronen). Gemeinsamkeiten beider Zelltypen beinhalten z. B. einen sehr ähnlich aufgebauten Apparat im Zellinneren (sog. Sekretionsapparat). Dieser zelluläre Apparat erlaubt es beiden Zellen, gleichermaßen Hormone und Nervenbotenstoffe freizusetzen. Ein weiteres wesentliches Merkmal neuroendokriner Tumorzellen ist die Tatsache, dass diese sich in der Regel nur sehr langsam vermehren. Dies liegt darin begründet, dass diese Zellen häufig molekulare „Webfehler“ enthalten, die weiterhin einen anspruchsvollen Stoffwechsel, verbunden mit einer geringen Teilungsrate erlauben. Neuroendokrine Tumorzellen können zunächst alleine oder in einem kleinen Tumorzellverband an ihrem Entstehungsort z. T. über Jahre unbemerkt existieren. Wahrscheinlich gibt es sogar häufiger „Schlafzustände“ des anfänglichen Tumorverbandes, bis dieser sich vermehrt ausbreitet. Zu einem bestimmten Zeitpunkt überschreitet dann der sich vergrößernde Tumor die Organgrenzen und dringt in die Nachbarschaft ein. Zusätzlich können sich vereinzelt Tumorzellen aus die- sem ursprünglichen Tumorzellverband lösen und auf dem Blut- und Lymphweg in andere Organe wandern und sich dort festsetzen. Wesentlich bei dieser Tumorzellausbreitung ist die Tatsache, dass sich die Tumorzellen in Abhängigkeit vom Ausgangsort unterscheiden. Man spricht dann von unterschiedlichen Ausbreitungsmustern. So scheinen in der Regel z. B. Tumoren, die in der Bauchspeicheldrüse entstehen, etwas schneller zu wachsen. Dementsprechend breiten sich diese mehr in andere Organe aus als Tumoren, die z. B. in den unteren Dünndarmanteilen (Jejunum und Ileum) entstehen. Dementsprechend teilt man in Abhängigkeit vom ursprünglichen Entstehungsort des Tumors, verbunden mit unterschiedlichen klinischen Verläufen und Behandlungsmöglichkeiten, neuroendokrine Tumoren des gastroenteropankreatischen Systems in drei Untergruppen ein: 1. Tumoren aus dem Vorderdarm 2. Tumoren aus dem Mitteldarm 3. Tumoren aus dem Enddarm Zu 1.: Neuroendokrine Vorderdarmtumoren nehmen ihren Ausgang aus Organen wie der Bauchspeicheldrüse, dem Zwölffingerdarm, Magen, Bries (Thymus) und Lunge. Am häufigsten beobachtet man in dieser Gruppe neuroendokrine Tumoren der Bauchspeicheldrüse und der Lunge. Zu 2.: Neuroendokrine Mitteldarmtumoren finden sich vor allem im Krummdarm (Jejunum) und Prof. Dr. Bertram Wiedenmann, Medizinische Klinik mit Schwerpunkt Hepatologie und Gastroenterologie, Charité – Universitätsmedizin, Campus Virchow-Klinikum, Berlin im letzten Drittel des Dünndarms sowie im Blinddarm (Wurmfortsatz) und in den Anfangsteilen des Dickdarms. Die häufigsten in dieser Gruppe sind im letzten Drittel des Dünndarms lokalisiert. Zu 3.: Neuroendokrine Enddarmtumoren finden sich vor allem im Bereich des absteigenden Dickdarmschenkels, des sog. Sigmas, und des Rektums. Letztgenannte sind am häufigsten in dieser Gruppe. Aus bisher unbekannten Gründen haben etwa 50 % aller neuroendokrinen Tumoren keine Hormonaktivität oder Funktionalität. Zwischen hormonaktiven/funktionellen und hormoninaktiven/nonfunktionellen Tumoren findet sich hierbei unter dem Mikroskop (morphologisch/mikroskopisch) kein Unterschied. Während diese Aussage für ca. 90 % aller NET gilt, gibt es eine kleinere Untergruppe, die sich dadurch auszeichnet, dass sie relativ primitiv und wenig entwickelte Tumorzellen enthält. Diese kleine Tumorgruppe ist durch ein schnelles Tumorwachstum gekennzeichnet. Zudem weisen diese Tumoren meist keine Hormonaktivität 10 *Glandula Net 6 10 09.08.2004, 22:01 Uhr Wissenswertes auf. Häufig enthalten diese Tumoren keine Empfängermoleküle für Somatostatin und Interferon mehr. Dementsprechend ist eine Biotherapie mit Interferon und Somatostatin bei diesen primitiv entwickelten, sog. entdifferenzierten oder anaplastischen NET auch nicht sinnvoll. Diagnostik neuroendokriner Tumoren Neuroendokrine Tumoren des GEP-Systems werden häufig initial nicht erkannt. Daher können mehrere Jahre vergehen, bis die endgültige Diagnose gestellt wird. Ohne großen technischen Aufwand lässt sich häufig schon die Verdachtsdiagnose NET stellen, wenn die Krankengeschichte (Anamnese) umfassend erhoben und die körperliche Untersuchung des Patienten sorgfältig durchgeführt wurde. Entscheidend für die Diagnose ist die Kenntnis einzelner Krankheitsbilder. Wesentliche Merkmale der Krankengeschichte sind hierbei z. B.: häufigere Durchfälle, die auch nachts nicht aufhören und über Wochen vorhanden sein können, Rötungen in der oberen Körperhälfte, vor allem des Gesichts, die besonders nach Alkoholeinnahme noch verstärkt werden (Flush). Die Kombination von ausgeprägten Durchfällen und Flush wird als Karzinoid-Syndrom bezeichnet. In diesen Fällen ist der Entstehungsort der NET vor allem im Bereich des Dünndarms und der Lunge, jedoch nicht in der Bauspeicheldrüse oder im Enddarm zu suchen. Bewusstseinseinschränkungen können Ausdruck einer übermäßigen Freisetzung von Insulin und einer damit verbundenen Unterzuckerung sein. Entstehungsort dieser NET ist praktisch immer die Bauchspeicheldrüse. Auch ausgeprägte Magenbeschwerden sind bei Patienten mit NET der Bauchspeicheldrüse häufig. Ursache hierfür ist das im Übermaß ins Blut freigesetzte Hormon Gastrin (sog. Gastrinom). Dieses Hormon wiederum stimuliert eine übermäßige Freisetzung von Salzsäure im Magen, die dann zu ausgedehnten Schleimhautgeschwüren im Bereich des Magens, Zwölffingerdarms und der Speiseröhre führt. Bei der körperlichen Untersuchung zeigt sich häufiger, insbesondere bei bereits vorliegenden Tumorabsiedlungen in der Leber, eine Vergrößerung dieses Organs. Seltener kann der Arzt auch einen größeren Darmtumor tasten. Bei Tumoren im Kopfbereich der Bauchspeicheldrüse kann der Arzt wie auch der Patient selbst im fortgeschrittenen Tumorstadium eine Gelbsucht beobachten. Bei Patienten mit ausgeprägtem Karzinoid-Syndrom lassen sich in bis zu einem Drittel aller Fälle auch krankhafte Geräusche im Bereich der Herzklappen feststellen. Technische Möglichkeiten im Rahmen der Diagnostik umfassen einmal eine mikroskopische Untersuchung des Tumorgewebes durch den Pathologen, der hierzu gezielt einzelne Tumormarker bestimmen muss (z. B. Synaptophysin, Chromogranin A und Ki67/MIB-1). Neben der Bestimmung o. g. Tumormarker im Tumorgewebe werden verschiedene Tumormarker auch in Körperflüssigkeiten untersucht. So ist beispielsweise in Abhängigkeit vom Tumorursprung eine Bestim- mung von 5-Hydroxyindolessigsäure im Urin (nur bei Mitteldarmtumoren und NET des Bronchialsystems) sinnvoll. Bei allen NET, bei denen Unsicherheit über die Tumorausdehnung besteht, sollte die Bestimmung von Chromogranin A im Blut erfolgen. Bei der Bildgebung stehen an erster Stelle die Ultraschalluntersuchung sowie der gezielte Einsatz der Magen- und Darmspiegelung. Die Somatostatin-Rezeptor-Szintigraphie (Octreoscan) sollte gezielt nach der Erhebung der Diagnose durch die mikroskopische Untersuchung und dem Ultraschall zum Einsatz kommen. Darüber hinaus sollte gezielt in Abhängigkeit von der Erfahrung einzelner Zentren mit unterschiedlichen bildgebenden Verfahren, z. B. Computertomographie und Kernspintomographie, eines von beiden Verfahren zum Einsatz kommen. Behandlungsmöglichkeiten bei neuroendokrinen Tumoren Somatostatin-Analoga und Interferon-α Die Freisetzung von Hormonen und Nervenübertragungsstoffen aus neuroendokrinen Tumorzellen erfolgt durch bestimmte Signale (z. B. Kalzium und Alkohol), die aus der Umgebung des Tumors (z. B. auf dem Blutweg) zu den einzelnen Tumorzellen gelangen. Umgekehrt kann durch Hemmung dieser Freisetzungssignale die Sekretion verhindert werden. Für die Behandlung neuroendokriner Tumoren eignen sich beiden körpereigenen Hormone Somatostatin und Interferon-α. Empfängermoleküle, so genannte Rezeptoren, existieren für 11 *Glandula Net 6 11 09.08.2004, 22:01 Uhr Wissenswertes Somatostatin und Interferon-α in einem Großteil neuroendokriner Tumoren und Tumorzellen. Die Behandlung mit diesen Hormonen verfolgt zwei Ziele: 1. Die Unterdrückung der übermäßigen Freisetzung von Hormonaktiven Substanzen 2. Das Verhindern des Tumorwachstums bzw. die Einschmelzung des Tumors. Während die Unterdrückung der „Hormonaktivität“ häufig erfolgreich ist, sind die Ergebnisse bezüglich einer Verringerung der Tumorgröße mit Somatostatin und Interferon-α eher gering. Lediglich bei etwa einem Drittel aller Fälle lässt sich ein Wachstumsstopp beobachten. Derzeit kommerziell erhältliche, künstlich hergestellte Somatostatin-Analoga und Interferon sind heute durchweg auch als Depotpräparate verfügbar. Diese Depotpräparate werden entweder subkutan oder in den Muskel verabreicht und üben dann über mehrere Tage bis Wochen ihre Wirkung aus. So gibt es z.B. für Octreotid die Depotform Sandostatin LAR®, die in 28-tägigem Rhythmus verabreicht wird. Für Interferon-α existiert eine Depotform, die in 7-tägigen Abständen appliziert wird (z.B. PegIntron®). In Ergänzung zu den im Handel erhältlichen Somatostatin-Analoga Octreotid und Lanreotid befinden sich neue Somatostatine in der klinischen Erprobung, die einzelne Untereinheiten, sog. Rezeptor-Subtypen, aus der Familie der Somatostatin-Rezeptoren gezielt binden können. Neben diesem sehr gezielten Ansatz wird auch versucht, mit dem Einsatz eines neuen, künstlich hergestellten Somatostatins, das alle SomatostatinRezeptoren bindet (sog. Pan12 *Glandula Net 6 Ligand), eine verbesserte Somatostatin-Wirkung zu erreichen. Letztgenannter Pan-Ligand befindet sich derzeit in der Erprobung (SOM230, vgl. Beitrag auf Seite 22ff.) und wird aktuell bezüglich seiner Wirksamkeit bei Patienten mit ausgeprägtem Karzinoidsyndrom weltweit erprobt. Ziel ist, mit dieser Substanz sowohl die Hormonaktivität wie auch das Tumorwachstum besser als mit herkömmlichen Substanzen zu kontrollieren. Alternative Behandlungsmethoden Nur chirurgische Behandlungsverfahren ermöglichen eine komplette Heilung dieser Tumorerkrankung. Nichtchirurgische Verfahren wie die medikamentöse, radiotherapeutische oder sogar die sog. lokalablative Behandlung bewirken bestenfalls eine Verringerung der Tumorgröße. Eine Chemotherapie sollte nur bei den relativ seltenen primitiven sog. anaplastischen neuroendokrinen Tumoren und neuroendokrinen Tumoren der Bauchspeicheldrüse und der Lunge zum Einsatz kommen. Neue Behandlungsansätze Weitere potenzielle Behandlungsmöglichkeiten zeichnen sich durch den Einsatz von Substanzen ab, die gezielt die Zellkernaktivität neuroendokriner Tumoren einschränken. In diesem Zusammenhang könnte mittelfristig der Einsatz von sog. COX-2-Inhibitoren (z. B. Vioxx und Celebrex) in Kombination mit anderen Präparaten interessant sein. Darüber hinaus könnte auch der Einsatz von – bereits bei anderen Tumoren erfolgreich eingesetzten – Wirkstoffen erfolgversprechend sein, die Einfluss auf die Neuausbildung von Tumorgefäßen haben, die so genannten Angiogenese-Inhibitoren. Bekanntlich zeichnen sich gerade neuroendokrine Tumoren durch eine übermäßige Ausstattung von Tumorgefäßen aus, die für die Aufrechterhaltung des ausgeprägt vorhandenen Stoffwechsels neuroendokriner Tumoren unabdinglich sind. Durch eine Einschränkung der Energiezufuhr und den Abbau der Tumorgefäße ist eine Einschränkung des Tumorwachstums bzw. eine Verkleinerung von einzelnen Tumoren denkbar. Im nächsten halben Jahr soll im Rahmen einer in Berlin und Leicester, Großbritannien, durchgeführten klinischen Studie dieses Konzept auf seine Wirkung hin untersucht werden (vgl. hierzu auch den Beitrag auf Seite 25ff.). Eine weitere Behandlungsmöglichkeit zeichnet sich durch den Einsatz radioaktiv-markierter Somatostatin-Analoga ab (90Yttrium-DOTATOC, vgl. Seite 27ff.). Erste Ergebnisse, die bisher von einander getrennt in einzelnen Zentren gewonnen wurden, sind teilweise veröffentlicht. Sie weisen darauf hin, dass man mit diesem Verfahren eine Tumorgrößeneinschränkung herbeiführen und in einem größeren Prozentsatz auch die Funktionalität/Hormonaktivität dieser Tumoren einschränken kann. Vielversprechend ist hierbei aus Sicht der Arbeitsgruppen in Rotterdam wie auch Basel der Ersatz des Radionuklids 90Yttrium durch 177Lutetium. Diese Radionuklide sind über eine so genannte chemische Brücke mit dem Somatostatin-Analogon Octreotid verbunden. Neben diesen medikamentösen Behandlungsansätzen sind heute ! 12 09.08.2004, 22:01 Uhr Wissenswertes auch gerade bei Tumorabsiedlungen, die sich auf die Leber beschränken und nicht mehr chirurgisch behandelbar sind, lokal-ablative Verfahren in der Erprobung. Hierbei stehen Verfahren wie die Chemoembolisation in Konkur- renz zu Verfahren, in denen einzelne Tumoren durch Einbringung von Sonden und nachfolgender Wärme- oder Kältebeschickung zerstört werden. Bisher existieren hierzu jedoch keine vergleichenden Untersuchungen, die eine endgülti- ge Aussage zur Wertigkeit dieser Verfahren zu erlauben. Prof. Dr. Bertram Wiedenmann, Medizinische Klinik Charité – Universitätsmedizin, Campus Virchow-Klinikum, Berlin Multiple endokrine Neoplasie Typ 1 (MEN 1) Die multiple endokrine Neoplasie ist eine seltene, hereditäre Erkrankung mit Überfunktion mehrerer endokriner Organe. Die Krankheitsbezeichnung spiegelt diese Tatsache gut wider: Multipel = mehrfach, viele Endokrin = Hormone oder Botenstoffe ausschüttende Zellen betreffend Neoplasie = Neubildung bzw. Tumor Typ 1 = wird eingesetzt zur Differenzierung gegenüber ähnlichen Erkrankungen, z. B. MEN Typ 2a und MEN Typ 2b. Die von der multiplen endokrinen Neoplasie (MEN Typ 1) betroffenen Organe sind die Nebenschilddrüse, die Bauchspeicheldrüse und die Hirnanhangdrüse. Nebenschilddrüse Es kommt zu einer Überfunktion oder zur Entwicklung eines Tumors der Nebenschilddrüse mit vermehrter Bildung von Nebenschilddrüsenhormon (Parathormon). Parathormon ist für die Regulation des Kalzium- und Phosphatstoffwechsels erforderlich. Wird zuviel Parathormon produziert, so führt dies zu einer Entkalkung des Kno- chens, zu Nierensteinen und Magengeschwüren, kurz: „Bein-SteinMagenpein“. In der Regel liegen mindestens vier Nebenschilddrüsen vor. Die Therapie einer Nebenschilddrüsenüberfunktion besteht in der operativen Entfernung der vergrößerten (hyperplastischen) Nebenschilddrüsen bzw. der Entfernung von Nebenschilddrüsentumoren (Adenomen). Zur Verhinderung eines postoperativen Mangels an Parathormon wird in der Regel ein kleiner Rest einer Nebenschilddrüse belassen. Endokrine Neoplasien der Bauchspeicheldrüse 50 % der auftretenden Tumoren sind Gastrinome. Sie bilden Gastrin. Dies führt zu Geschwüren im oberen Gastrointestinaltrakt. Die im Rahmen eines MEN 1 auftretenden Gastrinome können bösartig (60 %) oder gutartig (40 %) sein. 25 % der bei MEN 1 vorkommenden Bauchspeicheldrüsentumoren sind Insulinome, d.h. Insulin produzierende Tumoren der Langerhansschen Zellen der Bauchspeicheldrüse. Diese Tumoren schütten vermehrt und ungeregelt Insulin aus. In der Folge kommt es zu Un- Priv.-Doz. Dr. Ursula Plöckinger, Interdisziplinäres StoffwechselCentrum, Charité – Universitätsmedizin Berlin terzuckerungen mit den Symptomen Hungergefühl, Schweißausbruch, Zittern bis hin zur Bewusstlosigkeit oder Krampfanfällen. Insulinome sind selten bösartig. Die übrigen Tumoren der Bauchspeicheldrüse sind sog. nicht funktionelle Tumoren (25 %). Diese sind in der Regel gutartig. Etwa 5 % können eine bösartige Entwicklung aufweisen. Die primäre Therapie dieser Tumoren der Bauchspeicheldrüse ist die Operation, wobei für Gastrinome und Insulinome die Lokalisation der häufig sehr kleinen (unter 1 cm durchmessenden) Tumoren schwierig sein kann und eine aufwändige Diagnostik erforderlich macht. Adenome der Hirnanhangdrüse Adenome der Hirnanhangdrüse (Hypophyse) können im Rahmen der multiplen endokrinen Neoplasie auftreten. Sie sind meist funktionell. Am häufigsten kommen Prolaktinome vor. Diese führen zu vermehrtem Milchfluss aus der Brust, Verlust der Libido und zu Sterilität. 13 *Glandula Net 6 13 09.08.2004, 22:01 Uhr Wissenswertes Derartige Tumoren können gut medikamentös behandelt werden. Wachstumshormon ausschüttende Tumoren bedingen das klinische Bild der Akromegalie. Die Therapie besteht hier in einer Operation des Tumors der Hirnanhangdrüse und ggf. in einer medikamentösen Behandlung mit Somatostatin-Analoga. Nicht funktionelle Tumoren der Hirnanhangdrüse sind meist groß und führen von daher zu Einschränkungen des Gesichtsfeldes durch Druck auf den Sehnerv und zum Verlust der hypophysären Funktionen. Dies ist deswegen von Bedeutung, weil die Hirnanhangdrüse das Steuerungsorgan der wesentlichen hormonellen Regelkreise des Körpers ist und eine Störung dieser Hormonfunktion in bestimmten Situationen lebensbedrohlich sein kann. Krankheitsverlauf Die genannten Störungen treten meist in einer festen zeitlichen Abfolge auf. Zunächst wird die Überfunktion der Nebenschilddrüsen manifest. Dann zeigen sich Tumoren der Bauchspeicheldrüse und/ oder der Hirnanhangdrüse. Patienten mit einer multiplen endokrinen Neoplasie Typ 1 haben zu 97 % eine Nebenschilddrüsenüberfunktion, bis zu 80 % weisen einen Bauchspeicheldrüsentumor und etwa 50 % einen Tumor der Hirnanhangdrüse auf. Alle genannten Tumoren können multipel auftreten. Epidemiologie Die Erkrankung ist selten. Es wird von einer Häufigkeit zwischen 2 und 20 Patienten pro 1 Million Einwohner ausgegangen. Dies bedeu- Zugrunde liegender Gendefekt Jeder Mensch verfügt über einen Chromosomensatz von 22 doppelt angelegten Chromosomen, wobei je ein Chromosom vom Vater oder der Mutter stammt. Zusätzlich kommt ein weiteres Chromosomenpaar mit einem X- und einem Y-Chromosom hinzu, das für die Geschlechtsbestimmung entscheidend ist. Bei der multiplen endokrinen Neoplasie Typ 1 ist die Störung auf dem Chromosom 11 lokalisiert. Chromosomen sind die Träger von Genen. Gene wiederum sind die Träger der Erbinformation. Diese Erbinformation ist mit Nukleinsäuren in der Desoxyribonukleinsäure (DNS) kodiert. Diese einzelnen Nukleinsäuren bilden die Buchstaben des genetischen Codes. Kommt es zu einem Fehler in dieser genetischen Schrift, so wird die Schrift falsch abgelesen und in der Folge ein fehlerhafter Eiweißstoff gebildet. Bei der multiplen endokrinen Neoplasie liegt der Fehler im sog. MENGen, dessen Genprodukt ein Eiweißstoff namens Menin darstellt. Menin greift in die Zellteilung der einzelnen Zellen ein und verhindert ungeregeltes Wachstum. Mit anderen Worten: Das MEN-Gen ist ein sog. Tumorsuppressor-Gen, dessen Genprodukt Menin das Tumorwachstum verhindert. Durch Veränderungen einer Nukleinsäure auf dem MEN-Gen wird ein falsches Genprodukt gebildet. Die- ses fehlerhafte Menin kann seiner Aufgabe, der Verhinderung von Tumorwachstum, nicht mehr nachkommen. In der Folge kommt es zur Entstehung von Tumoren. Da der „Fehler“ genetisch bedingt ist, also auf dem Gen der erkrankten Menschen liegt, kann der betroffene Patient diesen Fehler an seine Nachkommen weitergeben. Aufgrund der genetisch bedingten Ursache ist MEN 1 nicht heilbar. Das Auftreten bedrohlicher Krankheitsformen kann jedoch im Frühstadium erfasst und behandelt werden. Wichtig ist die rechtzeitige Diagnose der einzelnen Störungen, so dass regelmäßige jährliche Untersuchungen, sog. Screening/Staging-Untersuchungen, notwendig sind. Die zur Verfügung stehenden Untersuchungsmöglichkeiten erlauben es, Familienangehörige zu identifizieren, die Träger eines krankhaften MEN-Gens sind. Nur so kann rechtzeitig die Diagnose der multiplen endokrinen Neoplasie gestellt werden. Gleichzeitig lässt sich feststellen, wer nicht Träger des Gens ist und keine routinemäßigen Untersuchungen braucht. Wird bei einem Patienten die Diagnose einer multiplen endokrinen Neoplasie gestellt, sollten unbedingt auch seine blutsverwandten Familienangehörigen untersucht werden. Die Untersuchung auf ein krankhaftes Gen sollte bereits im Kindesalter durchgeführt werden, bevor es zum Ausbruch der Erkrankung kommt. Doppelbestimmungen und eine genetische Beratung werden empfohlen. Priv.-Doz. Dr. Ursula Plöckinger, Interdisziplinäres Stoffwechsel-Centrum, Charité – Universitätsmedizin Berlin ! 14 *Glandula Net 6 tet, dass z.B. in Berlin 7–70 Patienten (3,5 Mio. Einwohner) an dieser Krankheit leiden. Das Besondere an einer multiplen endokrinen Neoplasie ist, dass es sich hierbei um eine hereditäre Tumorerkrankung handelt, das heißt, die Störung ist erblich. 14 09.08.2004, 22:01 Uhr Wissenswertes Gründungsversammlung der Europäischen Gesellschaft für Neuroendokrine Tumoren (ENETS, European Neuroendocrine Tumor Society) Am 11. März 2004 fand in Frankfurt/Main die Gründungsversammlung von ENETS, der Europäischen Gesellschaft für Neuroendokrine Tumoren, statt. Die Gründung von ENETS war eine logische Konsequenz der früheren Aktivitäten von ENET. ENET wurde 1995 von Experten aus Deutschland, Frankfurt, Schweden und Italien mit dem Ziel gegründet, synergistische Effekte zwischen den teilnehmenden Zentren zu nutzen. Insbesondere soll sich dies auf die klinische und theoretische Forschung beziehen, aber auch auf Fort- und Weiterbildung sowie die Entwicklung von Leitlinien für die Diagnose und Behandlung von seltenen neuroendokrinen Tumoren. In den letzten Jahren hat ENET auch erheblich dazu beigetragen, die Kooperation zwischen verschiedenen Zentren und der Industrie zu fördern. Die Mitglieder von ENET haben bei zahlreichen internationalen klinischen Studien kooperiert und auch die Grundlagen für die europäische Datensammlung GP NET gelegt. Darüber hinaus hat ENET Leitlinien für bildgebende Verfahren bei Patienten mit NET veröffentlicht und Forschungskonferenzen zu diesen Themen organisiert. Gerade auch im Hinblick auf die Erweiterung der Europäischen Gemeinschaft nach Osten hat ENET nun beschlossen, seine existierende Struktur zu erweitern und eine neue Gesellschaft zu gründen, eben ENETS. ENETS soll folgende Hauptziele haben: 1. Verbesserung der Diagnose und Therapie von Patienten mit neuroendokrinen Tumoren in einem internationalen, interdisziplinären und wissenschaftlichen Kontext. 2. Darbietung einer europäischen Plattform für Kliniker und Forscher zur Verbesserung der Zusammenarbeit sowie Entwicklung von klinisch relevanten Strategien für diese Tumoren. 3. Abhaltung von regelmäßigen wissenschaftlichen und Fortbildungskongressen in Europa. 4. Entwicklung von Leitlinien für die Diagnose und Behandlung von neuroendokrinen Tumoren, die der Öffentlichkeit bekannt gemacht werden sollen durch eine Reihe von Aktivitäten, Treffen, Seminaren und auch Internetaktivitäten. 5. Ansprechpartner sein für Fragen der Fortbildung und Information. 6. Ansprechpartner sein für die Integration eines Netzwerks von europäischen „centers of excellence“ und Identifikation und Zertifikation von europäischen „centers of excellence”. Die Vorteile für Mitglieder sollen neben einer jährlichen Konferenz auch der reduzierte Bezug einer offiziellen ENETS-Zeitschrift sein. Als Chairman des Exekutivkomitees (G. Rindi, Parma/Italien, W. de Herder, Rotterdam/Niederlande, M. Caplin, London/Großbritannien, U. Plöckinger, Berlin/Deutschland, B. Eriksson, Uppsala/Schweden, Ph. Ruszniewski, Paris/Frankreich) von ENETS wurde Prof. Dr. Bertram Wiedenmann aus Berlin gewählt. Die Kontaktadresse für Mitgliedschaft (für Ärzte und Wissenschaftler ist [email protected]. Die Selbsthilfe-Organisation Netzwerk Neuroendokrine Tumoren (NeT) wünscht der europäischen neuroendokrinen Tumorgesellschaft für ihren Start alles Gute. J. H. 15 *Glandula Net 6 15 09.08.2004, 22:01 Uhr Wissenswertes Stellenwert der Ernährung bei Patienten mit Tumorerkrankungen Um das Wichtigste gleich am Anfang zu sagen: Die Ernährung hat bei Tumorerkrankungen immer einen Stellenwert, allerdings gibt es keine kurative Tumor-Diät. Bei neuroendokrinen Tumoren kann je nach Lokalisation und Funktionalität eine spezifische, symptomatische Ernährungsanpassung die Behandlung unterstützen. Tumorerkrankungen beeinflussen häufig den Ernährungszustand durch ihren Verlauf und Symptome wie Appetitlosigkeit oder gestörtes Geschmacksempfinden erheblich. Zudem greifen notwendige Behandlungsmethoden als Nebenwirkung nicht nur Tumorgewebe an. Gute Ernährung unterstützt die Zellneubildung und das Immunsystem. Wichtigstes Ernährungsziel ist die Erhaltung der Körpermasse und/oder die Vermeidung von Fehlund Mangelversorgung. Damit rückt die Ernährung bei Tumorerkrankungen in eine wichtige Position. Im Folgenden werden verschiedene Ernährungsformen betrachtet, die im Verlauf von Tumorerkrankungen zum Einsatz kommen können. Präventivmedizinische Ernährung Ernährung per se erfüllt eine präventive Aufgabe. Sie soll vor Mangelerscheinungen schützen und Folgeerkrankungen durch Fehlernährung verhindern. Wichtig für den Organismus ist die regelmäßige, zeit- und mengengerechte Versorgung mit Energie, Nähr-, Ergän- Abbildung 1: Ernährungskreis: Die Grundnahrungsmittel sind in 7 Gruppen eingeteilt: 1. Getreide und Getreideprodukte, Kartoffeln 2. Gemüse und Hülsenfrüchte 3. Obst 4. Getränke 5. Milch und Milchprodukte 6. Fisch, Fleisch, Eier 7. Fette und Öle zungsstoffen sowie Flüssigkeit zum Erhalt seiner Funktionen. Eine Lücke in der Energiezufuhr wird partiell aus den „Körperspeichern“ geschlossen. In einer inneren Hierarchie stehen dafür zunächst Glykogen, dann Eiweiß und mit deutlicher Verzögerung Fett zur Verfügung. Unterernährung ist eine Folge von Mangelernährung. Sie führt immer zum Verlust eiweißhaltiger Körpermasse, der eigentlichen „Lebensmasse“ (Muskeln, Organe, Blut, Enzyme, Hormone…). Einen Eiweißspeicher im Sinne eines Notvorrates besitzt der Organismus leider nicht. Als Energiere- verve steht nur eine kleine Menge Kohlenhydrat (Glykogen) und mehr oder weniger Fett zur Verfügung. Wissenschaftlich begründete Ernährungsempfehlungen wurden von den nationalen und internationalen Fachgesellschaften für Ernährung und Gesundheit formuliert (DGE, DGEM, FAO, WHO). Die Empfehlungen betreffen verschiedene Bedarfsgruppen, Kinder, Erwachsene, Schwangere, alte Menschen und Risikogruppen, z.B. Raucher. Im Ernährungskreis (Abb. 1) sind die Grundnahrungsmittel in 7 Gruppen eingeordnet: 16 *Glandula Net 6 16 09.08.2004, 22:01 Uhr Wissenswertes 1. Brot, Kartoffeln, Reis, Nudeln, Haferflocken und andere Getreideerzeugnisse 2. Gemüse und Hülsenfrüchte 3. Obst und Nüsse 4. Getränke 5. Milch und Milchprodukte 6. Fleisch, Wurst, Innereien, Fisch, Eier 7. Fette Jede Lebensmittelgruppe liefert lebensnotwendige Nährstoffe (= Eiweiß, Fett, Kohlenhydrate, Vitamine, Mineralstoffe, Spurenelemente, Ballaststoffe und Wasser) in unterschiedlicher Menge. So enthalten z.B. Milch und Käse mehr Eiweiß, Kalzium und Vitamin A als Getreide, während Getreide, insbesondere Vollkornerzeugnisse, hauptsächlich zur Versorgung mit Kohlenhydraten, Ballaststoffen und B-Vitaminen beitragen. Jeder Nährstoff hat bestimmte, wichtige Funktionen im Körper und entscheidet mit über die Gesundheit und die geistige und körperliche Leistungsfähigkeit. Eine ausreichende Versorgung mit Nährstoffen ist dann gewährleistet, wenn möglichst täglich aus allen 7 Gruppen Lebensmittel verzehrt und innerhalb der Gruppen die Lebensmittel gewechselt werden. Die Größe der Kreissegmente verweist auf die Relation der Lebensmittelmengen untereinander. Damit kann der Organismus bedarfsgerecht mit Eiweiß, Fett, Kohlenhydraten, Vitaminen, Mineralstoffen, Ballaststoffen, sekundären Pflanzenstoffen und anderen Wirkstoffen versorgt werden. Eine untere Grenze der Energiezufuhr von 1800 kcal für Erwachsene sollte dabei nicht unterschritten werden. Geringere Energiemengen stellen ein Risiko für die ausreichende Zufuhr der Nähr- und Wirkstoffe mit den Grundlebensmitteln dar. Entgegen wissenschaftlich nicht belegter Behauptungen sind Grundlebensmittel nach wie vor prinzipiell geeignet zur bedarfsgerechten Ernährung. Eine Nahrungsergänzung (s.u.) ist normalerweise für gesunde Erwachsene nicht nötig, sie wird jedoch für bestimmte Risikogruppen unter bestimmten Voraussetzungen empfohlen, z. B. für Kinder, Schwangere, Hochbetagte und geriatrische Patienten, Raucher sowie für Menschen, die freiwillig oder erzwungen bzw. krankheitsbedingt über längere Zeit kalorisch unterernährt sind. Die individuell erreichte Ernährungsqualität hängt von der Ernährungsweise ab. Im Gegensatz zu früheren Zeiten wird Essen heute vielfach unter dem Gesichtspunkt Genuss und weniger unter dem Aspekt Gesundheit oder Bedarf des Körpers gesehen. Dies betrifft nicht nur die Lebensmittel- und Getränkeauswahl, sondern auch die Mahlzeitenverteilung und -gestaltung. Nahrung wird heute zunehmend außer Haus als „Fast Food“ oder in Form von Fertiggerichten eingenommen, in vielen Fällen ist dadurch eine Fehlernährung vorprogrammiert. troffen. Die daraus resultierenden Störungen im Stoffwechsel führen zu weiterer Appetitlosigkeit mit den bekannten Folgen. Katabolie und Kachexie schwächen auch die Immunabwehr. Der Patient spürt die abnehmende Lebensqualität und Leistungsfähigkeit. Bei einer Gewichtsabnahme über 10 % in 6 Monaten besteht immer eine Mangelernährung. Je größer das Ausmaß der Mangelernährung, desto größer wird das Risiko für den Patienten. Daher muss frühzeitig und mit geeigneten Maßnahmen für eine ausreichende Ernährung gesorgt werden. Die wichtigsten Bezugsgrößen für die bedarfsgerechte Ernährung sind Körpergröße, Gewicht, Geschlecht, Alter und körperliche Tätigkeit. In der Praxis hat sich folgendes Vorgehen bewährt: Bedarfsgerechte Ernährung bei Tumorerkrankungen Tumorerkrankungen gehen häufig mit Störungen des Appetits, mit Übelkeit und Erbrechen einher. Die Folgen sind zum Teil schwere Mangelerscheinungen und massive Gewichtsabnahme. Vor allem eiweißhaltige Körpermasse, Muskulatur-, Organgewebe, Blut- sowie Hormon- und Enzymsysteme sind be- Eine differenzierte Ernährungsanamnese ermittelt die derzeitige Ernährungsqualität, die Lebensmittelauswahl, dabei verzehrte Mengen einschließlich der anteiligen Nährstoff- und Energiegehalte. Der Gewichtsverlauf innerhalb der letzten Wochen und Monate wird erfasst und in Relation zum tatsächlichen Nährstoffund Energiebedarf gesetzt. Nun wird mit dem Patienten besprochen, was und wieviel er essen sollte, anhand der Nährwertkalkulation kann wiederum die Differenz zum Soll festgestellt und definiert werden. Falls der Patient nicht ausreichend essen kann, wird ärztlicherseits in Absprache mit dem Patienten für eine geeignete Nahrungsergänzung gesorgt. 17 *Glandula Net 6 17 09.08.2004, 22:01 Uhr Wissenswertes Ermittlung des Sollgewichts Das individuelle Sollgewicht wird anhand des Body-Mass-Index (BMI) errechnet: Körpergewicht (kg) BMI = Körpergröße2 (m2) Für Erwachsene gilt ein BMI von 20–24 als normal (Tab. 1). Tabelle 1: Klassifikation des Normal- und Übergewichts anhand des Body-MassIndex (BMI). Gewichtsklasse BMI (kg/m2) Normalgewicht 18,5 – 24,9 Übergewicht 25,0 – 29,9 Adipositas > 30 Berechnung des individuellen Energiebedarfs Für die tägliche Kalorienzufuhr gibt es in Abhängigkeit von Alter, Geschlecht und Schwere der ausgeübten Tätigkeit Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE), die in Tabelle 2 zusammen gefasst sind. Diese Anhaltswerte sind für die Beurteilung des Energiebedarfs von Tumorpatienten aber zu ungenau. Der individuelle Energiebedarf wird daher rechnerisch aus dem Grundund Leistungsumsatz ermittelt. Die (vereinfachte) Formel sowie Rechenbeispiele sind in Tabelle 3 aufgeführt. Wichtig in diesem Zusammenhang ist, dass sich der Energiebedarf normalerweise nicht nach dem Sollgewicht, sondern nach dem tatsächlichen Gewicht richtet. Hierzu ein Beispiel: Ein Mensch mit einer Körpergröße von 1,70 m und einem Gewicht von 100 kg Gewicht hat einen BMI von 100/1,72 = 34,6 Tabelle 2: Empfehlungen der DGE für die Energieaufnahme bei leichter körperlicher Arbeit (z.B. im Büro, als Laborant, am Fließband, als Taxifahrer). Alter in Jahren kcal Frauen kcal Männer 15 bis 19 2400 3000 19 bis 25 2200 2600 25 bis 51 2000 2400 51 bis 65 1800 2200 über 65 1700 1900 Je nach Schweregrad der Arbeit sind folgende Zuschläge erforderlich: Mittelschwere Arbeit (z.B. Haushalt, Briefträger, Verkauf): + 600 kcal Schwerarbeit (z.B. Leistungssport, Masseur, Landwirtschaft): + 1200 kcal Schwerstarbeit: + 1600 kcal kg/m2. Bei leichter körperlicher Tätigkeit läge sein Energiebedarf bei 2500–3000 kcal täglich. Legt man das Sollgewicht von 63–70 kg zugrunde (BMI 22–24), ergäbe sich ein Energiebedarf von 1800–2200 Kalorien – der Patient wäre damit aber unterversorgt. Das Energiedefizit von 700–1200 kcal kann in 3 Monaten einen Gewichtsverlust von 10–17 kg verursachen. rungszufuhr nicht möglich ist, muss der Arzt die künstliche Ernährung verordnen. Leider fehlen für die Herstellung aller dieser Lebensmittelgruppen spezifische und verbindliche lebensmittelrechtliche Vorgaben. Aufgrund der mangelhaften Standardisierung lassen sich die verschiedenen Produkte nicht ohne weiteres austauschen. Funktionelle Lebensmittel Unterstützende Maßnahmen und Hilfsmittel zur Behandlung von Fehl- und Mangelernährung Die Pharma- und Lebensmittelindustrie bietet 4 Produktgruppen zur Prophylaxe und Behandlung der Fehl- und Mangelernährung an: Funktionelle Lebensmittel Nahrungsergänzungsmittel Bilanzierte Diäten Parenterale Ernährung Ihre Verwendung sollte zielgerichtet erfolgen und stets mit dem Arzt und/oder ernährungsmedizinisch qualifiziertem Fachpersonal angepasst werden. In schweren Fällen, wenn eine ausreichende orale Nah- Funktionelle Lebensmittel enthalten Zusätze, die gesundheitsfördernde Funktionen erfüllen, so z. B. Lebensmittel, die einen positiven Einfluss auf die Darmflora haben sollen. Je nach Zusatz unterscheidet man pro- und präbiotische Lebensmittel. Probiotika sind Lebensmittel, die lebende Mikroorganismen enthalten, im Wesentlichen sind das Milchsäure- und Bifidobakterien. Bei regelmäßigem Verzehr sollen sich die Bakterien in der Darmflora anlagern und deren Eigenschaften verbessern. Probiotische Lebensmittel fördern angeblich die Verdauung und 18 *Glandula Net 6 18 09.08.2004, 22:01 Uhr Wissenswertes Tabelle 3: Rechnerische Ermittlung des Energiebedarfs (nach DGE). Der Energiebedarf (EB) setzt sich aus dem Grund- (GU) und Leistungsumsatz (LU) zusammen und berechnet sich nach der Formel: EB = GU + LU GU = 1,0 kcal / kg Körpernormalgewicht / Stunde LU Bettruhe: 1/10 GU LU leichte Arbeit: 1/3 GU LU mittelschwere Arbeit: 2/3 GU LU schwere Arbeit: 1 GU Anpassung der Energieaufnahme: Entspricht die Größe nicht den durchschnittlichen Werten, muss die Energieaufnahme angepasst werden. Beispiel: Briefträgerin (d.h. mittelschwere Arbeit), 1,85 m (überdurchschnittliche Größe für eine Frau), 75 kg (d.h. BMI = 22 oder Normalgewicht) Abschätzung Tagesenergiebedarf = 75 x 24 kcal + 2/3 x 75 x 24 kcal = 3000 kcal. Dies ist nur eine grobe Abschätzung, da die Briefträgerin nicht 24 Stunden am Tag arbeitet. Der eigentliche Energiebedarf liegt etwas niedriger! Liegt Übergewicht vor, so ist die Energieaufnahme zu reduzieren. Der Energiebedarf kann abhängig vom Grad des Übergewichts um 500– 1000 kcal/Tag vermindert werden. Er sollte jedoch zur Vermeidung von Mangelerscheinungen nicht unter 1200 kcal/Tag betragen. Die zu erwartende Gewichtsreduktion lässt sich nach folgender Formel abschätzen: Energiebedarf – 100 kcal / Tag entspricht 100 g Gewichtsverlust / Woche Beispiel: Bürokraft (d.h. leichte Arbeit), männlich, 1,65 m, 73 kg (d.h. BMI = 27 oder Übergewicht) Abschätzung Tagesenergiebedarf = 65 x 24 kcal + 1/3 x 65 x 24 kcal = 2080 kcal. Als Gewicht wurde das Zielgewicht von 65 kg eingesetzt. Werden nun pro Tag ca. 1500 kcal aufgenommen, kann eine Gewichtsreduktion von ca. 500 g pro Woche prognostiziert werden. Achtung! Eine Energieeinschränkung ohne gleichzeitige Intensivierung der körperlichen Aktivität führt zu einer Verringerung der Muskelmasse anstatt der Fettmasse! Bei Untergewicht muss die Energieaufnahme forciert werden, auch wenn kein Hungergefühl vorhanden ist. Der Energiebedarf wird wie bei mittelschwerer Arbeit berechnet: Beispiel: Bürokraft (d.h. leichte Arbeit), 30 Jahre, weiblich, 1,65 m, 48 kg, (d.h. BMI = 18 oder Untergewicht) Abschätzung Tagesenergiebedarf = 60 x 24 kcal + 2/3 x 60 x 24 kcal = 2400 kcal. Als Gewicht wurde auch hier das Zielgewicht von 60 kg eingesetzt. sollen helfen, bestimmte Nahrungsbestandteile besser aufzunehmen. Sie sollen Vitamine bilden können, sollen die Abwehrkräfte des Immunsystems in der Darmwand stärken und sogar Darmkrebs verhüten können. Die Wissenschaft konnte bislang jedoch nur einen Teil der gesundheitlichen Wirkungen nachweisen. Voraussetzung für eine ausreichende Wirkung ist zudem, dass Probiotika lebend, in ausreichender Zahl und regelmäßig in den Darm gelangen. Nach Expertenmeinung müssen 100 bis 1000 Millionen Bakterien pro Tag aufgenommen werden, um die Darmflora zu beeinflussen. Die Organismen können sich nur für wenige Tage bis Wochen im Darm ansiedeln. Aus diesem Grund ist es wichtig, regelmäßig probiotische Lebensmittel zu verzehren. Grundsätzlich lassen sich allerdings auch mit Sauermilchprodukten, die normale, rechtsdrehende Milchsäurebakterien enthalten, ebenfalls gesundheitlich positive Effekte erzielen. Präbiotika sind Oligosaccharide, also Kohlenhydrate, die von den menschlichen Verdauungssäften nicht aufgeschlossen werden können. Hierzu gehören pflanzliche Fasern (Ballaststoffe), aber auch Inulin und Oligofruktose, die in Nahrungsmitteln als Fett- oder Zuckersatz dienen. Präbiotika gelangen unverdaut in den Darm. Dort sind sie „Futter“ vor allem für die erwünschten Milchsäure- und Bifidusbakterien, die Inulin und Oligofruktose aufschließen können. Dadurch haben diese Mikroorganismen einen Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen Bakterien. Im Gegensatz zu Inulin und Oligofruktose dienen Ballaststoffe, die ebenfalls unverdaut in den Dick19 *Glandula Net 6 19 09.08.2004, 22:01 Uhr Wissenswertes darm gelangen, auch anderen Mikroorganismen als Nahrung. Sie haben also keinen selektiven Nutzen für die erwünschten Darmbakterien. An dieser Stelle muss jedoch der Hinweis gegeben werden, dass dem Körper pro Tag nur eine begrenzte Menge an Oligosacchariden zugeführt werden darf. Wer sich hauptsächlich von Produkten ernährt, die mit Inulin als Fett- oder Zuckerersatz hergestellt wurden, wird einen großen Teil des Tages mit Durchfall auf der Toilette verbringen! Weitere Beispiele für funktionelle Lebensmittel sind Fette, die mit Phytosterinen angereichert sind und daher einen erhöhten Cholesterinspiegel senken helfen, oder die Omega-3-Fettsäuren, die nicht nur Fetten, sondern auch Brot und anderen Lebensmitteln zugesetzt werden. Diese Zusätze sind nicht immer sinnvoll, zumal Veränderungen durch die Zubereitung deren Qualität verändern kann. Gesunde Menschen nehmen die benötigte Menge der spezifischen Zusätze in der Regel günstiger mit natürlichen Lebensmitteln auf. Für Kranke ist dies oft nur eingeschränkt möglich. Jedoch sind viele funktionelle Lebensmittel für die Krankenernährung meist nicht sinnvoll. Wenn eine Mangelsituation festgestellt wurde, sollte sie gezielt behandelt werden. Nahrungsergänzungsmittel Nahrungsergänzungsmittel sind Lebensmittel, die einen oder mehrere Nährstoffe in konzentrierter Form enthalten (z. B. Vitamine, Mi- neralstoffe und Spurenelemente), aber kaum Energie liefern. Sie werden in lebensmitteluntypischer Form, z. B. als Tabletten, Kapseln oder Dragees, angeboten und sollen der Ergänzung der Ernährung dienen. Nahrungsergänzungsmittel sind keine Arzneimittel. Sie unterliegen daher keiner Registrierungsoder Zulassungspflicht. Grundsätzlich sind Nahrungsergänzungsmittel für gesunde Personen, die sich normal ernähren, überflüssig. Bei ausgewogener Ernährung bekommt der Körper alle Nährstoffe, die er braucht – eine zusätzliche Zufuhr einzelner Nährstoffe ist deshalb normalerweise nicht erforderlich. Eine einseitige, unausgewogene Ernährungsweise kann nicht durch Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln ausgeglichen werden. In bestimmten krankheitsbedingten Situationen kann eine gezielte Ergänzung der Nahrung mit einzelnen Nährstoffen sinnvoll sein. Im Idealfall stellt der Arzt den Mangel beim Patienten fest, so dass Art und Menge gezielt ergänzt und der Erfolg überwacht werden kann. Die Verordnungsfähigkeit ist gesetzlich geregelt, Nahrungsergänzungsstoffe sind nicht erstattungsfähig. geeignet. Es wird unterschieden in Standard-, Ergänzungs- und Spezialnahrung. Standardnahrung entspricht der Nährstoffzusammensetzung für gesunde Ernährung laut DGE. Bilanziert, d.h. mit ausreichendenden Vitamin-, Mineral- und Ballaststoffanteilen, ist sie erst ab einer Verzehrmenge von 1500 ml am Tag. Der Patient profitiert nur, wenn der beabsichtigte Zweck exakt definiert ist und die Nahrung bedarfsgerecht und regelmäßig zugeführt werden kann. Unzureichende Produktkenntnis führt oft zu überhöhter Erwartung an diese Produkte. Am häufigsten betrifft die Fehleinschätzung die zugeführte Energie- und Nährstoffmenge. Beispielsweise enthalten 200 ml einer Nahrung maximal 200–300 kcal. Bilanziert heißt, dass alle Nährstoffe im guten Verhältnis zur Energiemenge stehen. Für eine bedarfsdeckende Ernährung müsste die 7–10fache Menge verzehrt werden. Die Verordnungsfähigkeit ist gesetzlich geregelt. Bilanzierte Diäten sind zur Vermeidung von Unterernährung zur Behandlung bei onkologischen Erkrankungen zugelassen. Die Krankenkassen übernehmen die Kosten. Bilanzierte Diäten (künstliche Ernährung, Sondenkost, Astronautenkost u.ä.) Parenterale Ernährung Dabei handelt es sich um speziell zur Krankenernährung hergestellte Flüssignahrung, die getrunken oder mit Hilfe von Sonden („künstlich“) durch Mund oder Nase in Magen oder Dünndarm geleitet wird. Die Produktpalette ist beträchtlich, die Nährstoffformel nicht in jedem Fall Bei der parenteralen Ernährung erfolgt die gesamte Nährstoff- und Energiezufuhr unter Umgehung des Verdauungstraktes über die Blutbahn, d.h. als intravenöse Infusion. Sie ist immer dann angezeigt, wenn eine orale bzw. enterale (über Sonden) Ernährung nicht oder nur unzureichend möglich ist. Dies ist z.B. bei Resorptionsstörungen des Magen-Darm-Traktes, akuter Bauch- 20 *Glandula Net 6 20 09.08.2004, 22:01 Uhr Wissenswertes speicheldrüsenentzündung oder Darmlähmung der Fall. Die parenteral verabreichten Infusionslösungen werden eigens und nur für diesen Zweck hergestellt und bei Bedarf ausschließlich auf ärztliche Verordnung hin eingesetzt. Die parenterale Ernährung ist bilanziert und kann auf spezifische medizinische Ernährungsbedürfnisse ausgerichtet werden. Die Verordnungsfähigkeit ist gesetzlich geregelt, die Behandlungskosten werden durch die Krankenkassen übernommen. Zusammenfassung Patienten mit neuroendokrine Tumoren können je nach betroffenem Organ unter Nahrungsunverträglichkeiten und spezifischen Ernäh- rungsproblemen leiden. Mit einer Ernährungsumstellung oder -anpassung lässt sich in vielen Fällen Erleichterung schaffen. Auch Schmerzen und Bekömmlichkeitsstörungen können oft allein durch eine Veränderung der Lebensmittelauswahl gelindert werden. Häufig sind Ernährungsanpassungen nur für eine begrenzte Zeit nötig. Im Sinne der Erhaltung der Lebensqualität wird empfohlen, mögliche Einschränkungen immer wieder auf ihre Notwendigkeit zu prüfen. Kleine unterstützende Hilfen können sein: Wenn das Essen keine rechte Freude macht, die Mahlzeiten nicht alleine einnehmen, weniger und dafür öfter essen, sich an alte Lieblingsgerichte erinnern, eine angenehme Atmosphäre beim Essen schaffen. Außerdem: Finden Sie sich nicht einfach mit Ihrem Leiden ab. Sprechen Sie in allen Fällen mit Ihrem Arzt. Die Ernährungsberatung bei professionell ernährungsmedizinisch geschulten Fachkräften (staatl. gepr. Diätassistenten) kann ebenfalls weiter helfen. Fazit: Essen ist zwar nicht alles, aber ohne Essen (ausreichende Ernährung) ist alles nichts (zumindest nicht ausreichend). Zusammenfassung des Vortrags von Frau M. Döring, Ernährungsmedizin und Diätberatung der Charité Berlin, auf dem 5. Berliner Informationstag für Patienten und Ärzte 21 *Glandula Net 6 21 09.08.2004, 22:01 Uhr Therapeutische Möglichkeiten Prof. Dr. Bertram Wiedenmann Mögliche neue Therapieoptionen für Patienten mit metastasiertem neuroendokrinem Tumor und Karzinoid-Syndrom Patienten mit neuroendokrinen Tumoren des Gastrointestinaltraktes, und hier vor allem Tumoren des Ileums, leiden neben der Tumorerkrankung selbst nicht selten an einem so genannten Karzinoid-Syndrom. Ein Karzinoid-Syndrom tritt immer dann auf, wenn Tumorabsiedelungen in der Leber vermehrt biogene Amine sezernieren. Patienten mit dieser Störung leiden unter häufigen Durchfallepisoden sowie anfallsweisem Flush (einer Rötung der Haut, häufig verbunden mit Wärmegefühl, Blutdruckabfall oder Blutdruckanstieg). Somatostatin-Analoga und das Schlüssel-Schloss-Prinzip Metastasierende neuroendokrine Tumoren des Ileums mit KarzinoidSyndrom werden bisher mit einem Somatostatin-Analogon behandelt (z. B. Octreotid = Sandostatin LAR, Lanreotid = Somatuline). Somatostatin ist ein vom Körper gebildetes Hormon, das fast alle Körperdrüsen in ihrer Funktion hemmt. Es bindet an Somatostatin-Rezeptoren an der Zelloberfläche und löst dadurch spezielle biochemische Reaktionen aus. Auch Karzinoide sowie deren Metastasen haben auf ihrer Zelloberfläche Somatostatin-Rezeptoren. Insgesamt kennt man heute 5 dieser „Schlösser“ (= Rezeptor-Subtypen), in die das Somatostatin wie ein Schlüssel passt und die je nach Typ verschiedene Funktionen haben: Subtyp 1, 2, 4 und 5 vermitteln eine Verlangsamung des Zellwachstums und der sekretorischen Aktivität, Subtyp 3 kann nach bisherigen experimentellen Befunden auch den Untergang der Zelle induzieren. Aus diesen Gründen könnten Tumorpatienten von einer Behandlung mit Somatostatin profitieren. Allerdings lässt sich das natürliche Somatostatin aufgrund seines schnellen Abbaus im Blut nicht therapeutisch verwenden, so dass stabilere Analoga wie das Octreotid und Lanreotid entwickelt wurden. Diese Substanzen passen jedoch nicht in alle „Somatostatin-Schlösser“ und aktivieren ausschließlich zwei der bisher bekannten Somatostatin-Rezeptoren, nämlich Subtyp 2 und 5. Da auf Somatostatin-Rezeptor-positiven Tumorzellen die RezeptorSubtypen sowohl hinsichtlich ihrer Art als auch ihrer Konzentration ganz unterschiedlich verteilt sind, kann es sein, dass überwiegend andere Rezeptoren als Subtyp 2 und 5 vorliegen und die Somatostatin-Analoga Octreotid und Lanreotid daher nicht ausreichend wirksam sind. SOM230 – ein universaler Somatostatin-Rezeptor-Agonist Mit SOM230 steht nun ein „universales“ Somatostatin-Analogon zur Priv.-Doz. Dr. Ursula Plöckinger Verfügung, das an die Subtypen 1, 2, 3 und 5 bindet. Patienten, bei denen sich eine Therapie mit Octreotid und Lanreotid als unwirksam erwiesen hat, sprechen möglicherweise auf die Behandlung mit SOM230 an, das mehr Rezeptoren erfasst, als es mit Octreotid bzw. Lanreotid möglich ist. SOM230 ist derzeit noch nicht routinemäßig erhältlich, sondern wird ausschließlich in Rahmen von Studien eingesetzt. Multinationale klinische Studie mit SOM230 In einer multinationalen klinischen Phase-II-Studie sollen die Wirksamkeit sowie die optimale Dosierung der zweimal täglichen subkutanen Anwendung von SOM230 bei Patienten mit metastasierten, funktionellen neuroendokrinen Karzinomen untersucht werden, die unter der Therapie mit einem langwirkenden Somatostatin-Analogon (Sandostatin LAR) keine befriedigende Symptomkontrolle erreichen. 22 *Glandula Net 6 22 09.08.2004, 22:01 Uhr Allgemeine Informationen zu klinischen Studien Was ist eine klinische Studie? Unermüdliche Forschungsaktivitäten erweitern stetig die medizinischen Erkenntnisse, eröffnen neue therapeutische Möglichkeiten und erhöhen Behandlungserfolge sowie Heilungschancen von schweren Krankheiten. Für diesen Fortschritt sind klinische Studien unverzichtbar. In ihnen werden z. B. neue Medikamente oder andere neue therapeutische Maßnahmen, aber auch altbewährte Behandlungen z. B. in veränderter Anwendung unter streng kontrollierten Bedingungen und unter Wahrung einer höchstmöglichen Sicherheit für die Studienteilnehmer geprüft. Durch klinische Studien wird grundsätzlich eine Verbesserung der medizinischen Versorgung angestrebt, was sich von einer Optimierung bestehender Behandlungsmethoden und Entwicklungen neuer Arzneimittel über die Evaluierung und Fortentwicklung bestehender und neuer diagnostischer Verfahren bis hin zur Erforschung von Krankheitsmechanismen und Ermittlung von Risikofaktoren erstreckt. Welche Arten von klinischen Studien gibt es? Den größten Umfang im Bereich der klinischen Forschung nimmt die Überprüfung bewährter und neuer medikamentöser Therapien ein. Hierbei werden grundsätzlich zwei verschiedene Studienformen unterschieden: Die so genannten Therapieoptimierungsstudien untersuchen bereits zugelassene Behandlungsformen in veränderter Darreichungsform (z. B. andere Dosis, andere Begleittherapie) mit dem Ziel, die Wirksamkeit, Verträglichkeit der Therapiestrategien zu verbessern. Neu entwickelte Arzneimittel müssen in großen, zumeist internationalen klinischen Studien ihre Wirksamkeit, Verträglichkeit und Sicherheit nachweisen, um von den Behörden als verkäufliches Medikament zugelassen zu werden. Diese Zulassungsstudien werden üblicherweise von dem pharmazeutischen Unternehmen durchgeführt, das die Substanz entwickelt hat. Je nach Stadium der Substanzentwicklung unterteilt man klinische Studien in die Phasen I–IV. Üblicherweise wird in Zulassungsstudien das neue Medikament direkt mit der derzeit für die jeweilige Erkrankung etablierten Therapie verglichen. Wenn allerdings bisher keine wirksame Therapie bekannt ist, wird das Medikament gegen ein Scheinmedikament, das sog. Plazebo, getestet. Um äußere Einflussmöglichkeiten auf die Studienergebnisse möglichst gering zu halten, werden die Patienten in der Regel zufällig, also durch Randomisation, den jeweiligen Therapiegruppen zugeteilt, und häufig sind die Studien so konzipiert, dass weder der behandelnde Arzt noch der Patient wissen, welcher Therapiegruppe der Patient zugeteilt worden ist. Diese Studien nennt man „doppelblind“. Welche Institutionen sind an klinischen Studien beteiligt? Klinische Studien müssen grundsätzlich durch verschiedene fachliche, rechtliche und ethische Behörden und Kommissionen geprüft, genehmigt und im weiteren Verlauf kontrolliert werden. Auf diese Weise soll eine höchstmögliche Sicherheit für die Studienteilnehmer gewährleistet werden. Zudem werden Patientenversicherungen für studienspezifische Belange abgeschlossen. Hinweise für Patienten Jede Teilnahme an einer klinischen Studie ist grundsätzlich freiwillig und kann jederzeit ohne Angabe von Gründen beendet werden. Vor Studienbeginn erfolgt eine ausführliche Aufklärung durch den Studienarzt, bei der Nutzen und Risiko verständlich erklärt werden. Während des Studienverlaufes werden Patienten in der Regel engmaschig und intensiv betreut und der Studienarzt steht jederzeit als Ansprechpartner zur Verfügung. Vorteile für die Patienten Im Rahmen von klinischen Studien erhalten Patienten die derzeit beste Therapie. Die neue Behandlung verspricht darüber hinaus einen zusätzlichen Nutzen. Die medizinische und ethische Unbedenklichkeit ist durch unabhängige Gremien gesichert und der zu erwartende Nutzen der Studientherapie ist höher als das potenzielle Risiko. Zudem erfahren Patienten im Rahmen einer Studienteilnahme eine ganz besonders intensive medizinische Betreuung. Der Patient erhält außerdem die Möglichkeit, von neuen Therapieformen zu profitieren, die außerhalb von klinischen Studien gar nicht verfügbar sind. Patienten, die an klinischen Studien teilnehmen, leisten also nicht nur einen entscheidenden Beitrag am medizinischen Fortschritt zum Wohle aller, sondern sie haben auch ganz individuell die Chance, von einer neuen und verbesserten Behandlungsform zu profitieren. Roswitha Bussar-Maatz, Viola Andresen, Koordinierungszentrum für Klinische Studien, KKS-Charité, Berlin *Glandula Net 6 23 Ein nicht ausreichendes Ansprechen auf die Behandlung mit Sandostatin LAR liegt immer dann vor, wenn trotz regelmäßiger Medikation mehr als 4 Durchfallstörungen pro Tag oder mindestens 2 FlushEpisoden pro Tag auftreten. Für die Studie in Frage kommen auch Patienten, die unter einer Medikation mit Sandostatin LAR nur dann befriedigend eingestellt sind, wenn Durchfälle und Flush nur durch zusätzliche Gaben von Sandostatin subkutan zu beherrschen sind. Die Ein- und Ausschlusskriterien, die die Patienten als Voraussetzung für die Teilnahme an der Studie erfüllen müssen, sind in Tabelle 1 auf Seite 24 aufgeführt. Die Untersuchung soll über einen Zeitraum von 6 Monaten durchgeführt werden. Die Wirksamkeit der Therapie wird anhand von Patientenprotokollen überprüft. Weiterhin sollen die Sicherheit und Verträglichkeit der Anwendung von SOM230 untersucht sowie Daten zum Ansprechen des Tumors, des Einflusses der Therapie auf die Lebensqualität und zur Pharmakokinetik erhoben werden. Zusätzlich werden in der wissenschaftlichen Studie pharmakogenetische Untersuchungen und Bestimmungen von Biomarkern durchgeführt. Patienten, die in die Studie eingeschlossen wurden und von der SOM230-Therapie profitiert haben, können auch über die Dauer der Studie hinaus kostenlos mit dem Medikament behandelt werden, aber nur bis zu dem Zeitpunkt, an dem das Medikament allgemein zur Verfügung steht. Patienten, die an einer Teilnahme an der Untersuchung interessiert sind, können sich direkt mit dem Studienzentrum in Verbindung set23 09.08.2004, 22:01 Uhr Therapeutische Möglichkeiten Tabelle 1: Patienten, die an der Studie mit SOM230 teilnehmen möchten, müssen die aufgeführten Ein- und Ausschlusskriterien erfüllen. Einschlusskriterien Alter ≥ 18 Jahre Histologische Diagnose eines metastasierten neuroendokrinen Karzinoms Erhöhte Spiegel für Chromogranin A im Serum und 5-HydroxyindolEssigsäure (5-HIES) im 24h-Sammelurin In CT oder MRT zweidimensional messbare Tumorläsion Inadäquate Kontrolle des Karzinoid-Syndroms unter einer Therapie mit Sandostatin LAR Karnofsky-Index > 60 Schriftliches Einverständnis zen. Studienleiter für Deutschland ist Herr Prof. Dr. B. Wiedenmann (Charité – Universitätsmedizin Berlin), Ansprechpartner Herr Dr. Tilling (siehe Info-Kasten). Prof. Dr. Bertram Wiedenmann und Priv.-Doz. Dr. Ursula Plöckinger, Med. Klinik mit Schwerpunkt Hepatologie und Gastroenterologie, Charité – Universitätsmedizin Berlin Ausschlusskriterien Erfolgreiche Kontrolle des Karzinoid-Syndroms unter einer Therapie mit Sandostatin LAR Radioaktiv markierte Somatostatin-Analoga innerhalb der letzten 6 Monate Operationen innerhalb der letzten 4 Wochen Lokale Metastasentherapie innerhalb der letzten 3 Monate Chemotherapie oder Interferontherapie innerhalb der letzten 2 Monate Leberembolisation innerhalb der letzten 6 Monate, Kryoablation von Lebermetastasen innerhalb der letzten 2 Monate. Unkontrolliertes Malabsorptions- oder Kurzdarmsyndrom und chologene Diarrhö Unkontrollierter Diabetes mellitus Nebenwirkungen einer innerhalb der letzten 4 Wochen durchgeführten Radiotherapie Schwere kardiale Erkrankungen Schwere Leber- oder Nierenfunktionsstörungen Andere medizinische Zustände, die nach Meinung des Untersuchers nicht mit der Studie in Einklang stehen Schwangere und stillende Frauen, nicht ausreichende Kontrazeption bei Frauen im gebärfähigen Alter Immuninkompetente Patienten Alkohol- oder Drogenabusus innerhalb der letzten 6 Monate Blutspende >400 ml innerhalb der letzten 2 Monate Teilnahme an einer anderen klinischen Studie innerhalb des letzten Monats Zweitmalignom in der Vorgeschichte (außer Basaliom oder Carcinoma in situ der Cervix) Akute oder chronische unkontrollierte Infektion Patienten mit bekannter Non-Compliance für medikamentöse Behandlungen Ansprechpartner für interessierte Patienten: Studienzentrale Studiensekretariat von Prof. B. Wiedenmann Frau Lischewsky Tel.: 030 / 450 553 032 Fax.: 030 / 450 553 970 E-Mail: [email protected] Herr Dr. Tiling Tel.: 030/ 450 553 142 Postanschrift: Med. Klinik m.S. Hepatologie und Gastroenterologie Charité – Universitätsmedizin Berlin Campus Virchow-Klinikum Augustenburger Platz 1 13353 Berlin 24 *Glandula Net 6 24 09.08.2004, 22:01 Uhr Therapeutische Möglichkeiten Studie mit einem Hemmstoff der Gefäßneubildung (Angiogenese-Inhibitor „PTK“) Die Medizinische Klinik I in Erlangen bietet Patienten mit neuroendokrinen Tumoren seit Februar 2004 die Teilnahme an einer Studie mit einem Hemmstoff der Gefäßneubildung von Tumoren und Metastasen an. Bei dem Angiogenese-Inhibitor PTK handelt es sich um eine neue Substanz, die auf dem freien Markt noch nicht verfügbar ist. Sie wurde bereits bei Patienten mit Dickdarmkrebs, Nierenkrebs und anderen Tumoren eingesetzt. Gefäßneubildung ist die Voraussetzung für das Tumorwachstum Der Körper besitzt Substanzen, die die Neubildung von Gefäßen fördern, aber gleichzeitig auch Substanzen, die die Neubildung von Gefäßen hemmen. Normale Gefäßzellen stehen unter enger Kontrolle dieser Substanzen. Es besteht ein physiologisches Gleichgewicht zwischen diesen Faktoren, so dass in den meisten Organen und Geweben keine Gefäßneubildung stattfindet. Eine Ausnahme bildet die Gebärmutterschleimhaut der Frau, die etwa alle 4 Wochen aufgebaut wird. Ebenso kann die Gefäßneubildung kurze Zeit im Rahmen einer Wundheilung nach Verletzungen aktiviert sein. Es gilt heute als erwiesen, dass sowohl das Wachstum als auch die Streuung von bösartigen Tumoren von der Blutgefäßneubildung abhängig sind. Der Tumor erhält Sauerstoff und Nährstoffe über zufüh- rende Gefäße, die sozusagen mit dem Tumor bzw. dem Tumor voraus wachsen. Erreicht der Tumor eine kritische Größe, so ist eine weitere Größenzunahme erst möglich, nachdem der Tumor die Gefäßneubildung angekurbelt hat. Der Tumor kann dazu Stimulatoren der Gefäßneubildung freisetzen oder andererseits die Bildung von Hemmstoffen der Gefäßneubildung vermindern. Dadurch wird das normale Gleichgewicht verschoben, es überwiegt nun die Stimulation von Gefäßzellteilung und Gefäßwachstum. Durch die lokale Stimulation der Gefäßneubildung erhöht sich verglichen mit normalem Gewebe im Tumor die Dichte an Blutgefäßen. Die Ausbildung der Gefäßdichte korreliert bei verschiedenen Tumoren mit Dr. med. Marianne Pavel, Medizinische Klinik I mit Poliklinik der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen der Prognose der Erkrankung. In zahlreichen Tumoren konnte eine vermehrte Bildung von Stimulatoren der Gefäßneubildung nachgewiesen werden, so auch bei neuroendokrinen Tumoren. Zu diesen Stimulatoren gehört ein Faktor, der VEGF („vascular endothelial growth factor“) genannt wird. Diese Substanz dockt an die Gefäßzelle an und vermittelt an dieser Zellteilung, Ausbreitung von Gefäßzellen und Bildung von neuen Kapillaren (Abb. 1). Abbildung 1: VEGF („vascular endothelial growth factor“) stimuliert die Gefäßneubildung. Dieser Faktor dockt an die Gefäßzelle an und vermittelt an dieser Zellteilung, Ausbreitung von Gefäßzellen und Bildung von neuen Kapillaren. 25 *Glandula Net 6 25 09.08.2004, 22:01 Uhr Therapeutische Möglichkeiten PTK – ein Hemmstoff der Gefäßneubildung Aufgrund der beschriebenen Abhängigkeit des Tumorwachstums von der Gefäßneubildung wurde bereits vor 28 Jahren an die Möglichkeit gedacht, Tumoren durch Hemmstoffe der Gefäßneubildung zu behandeln. Mittlerweile sind zahlreiche Hemmstoffe der Gefäßneubildung in klinischer Erprobung. Bei der Substanz, die hier abgekürzt PTK genannt wird, handelt es sich um einen Hemmstoff, der die Wirkung von VEGF in der Gefäßzelle unterbindet. Damit können die Mechanismen, die Gefäßwachstum vermitteln, nicht mehr erfolgreich umgesetzt werden. Die Gefäßneubildung wird eingeschränkt und es kommt zum Untergang von Tumorgewebe (Abb. 2). Da neuroendokrine Tumoren sehr gefäßreich sind und in ihnen eine vermehrte Bildung von VEGF nachgewiesen werden konnte, stellt diese Therapie einen überzeugenden Ansatz für die Behandlung von neuroendokrinen Tumoren dar. Abbildung 2: Wirkprinzip des Angiogenese-Inhibitors PTK. Zielsetzung und Einschlusskriterien der Studie Vorgesehen ist der Einsatz des Angiogenese-Inhibitors PTK bei Patienten, die auf die verfügbaren etablierten Therapien nicht mehr ansprechen. Es können Patienten eingeschlossen werden, die mindestens 18 Jahre alt sind, einen histologisch gesicherten neuroendokrinen Tumor aufweisen, bei denen eine Therapie mit Somatostatin-Analoga und oder Interferon-alfa primär oder im Ver- lauf nicht erfolgreich war, sowie Patienten, die für eine Radionuklidtherapie oder systemische Chemotherapie nicht geeignet sind oder auf diese Therapie nicht ansprechen. Die genannten Therapien müssen mindestens 4 Wochen zurückliegen, bevor mit der Therapie im Rahmen der klinischen Studie begonnen werden kann. Eine Strahlentherapie muss mindestens 2 Wochen zurückliegen. Bestimmte Grenzwerte für das Blutbild, Nierenfunktionswerte und Leberwerte sind einzuhalten. Es dürfen keine Durchfälle vorliegen, damit die Aufnahme der neuen Substanz gewährleistet ist. Daher kann Patienten mit einem Karzinoid-Syndrom, die Durchfälle aufweisen, diese Therapie leider nicht angeboten werden. Patienten mit einem schlecht eingestellten Bluthochdruck, unkontrollierten Herzrhythmusstö- rungen, bestehender Angina pectoris, Diabetes mellitus, infektiöser Gelbsucht oder Leberzirrhose können leider nicht berücksichtigt werden. Dr. med. Marianne Pavel, Medizinische Klinik I mit Poliklinik, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen Ansprechpartner für Patienten: Interessierte Patienten können sich direkt an Frau Dr. Marianne Pavel wenden: Tel.: 09131/ 8 53 50 65 oder 09131/ 8 53 50 00 (Pforte) Fax: 09131/ 8 53 51 48. E-Mail: marianne.pavel@ med1.imed.uni-erlangen.de 26 *Glandula Net 6 26 09.08.2004, 22:01 Uhr Therapeutische Möglichkeiten Erfolgreiche Therapie maligner neuroendokriner Tumoren mit 90 Yttrium-DOTATOC Zusammenfassung des Vortrags von Prof. Dr. J. Müller aus Basel, gehalten am 26.9.03 in Erlangen Von den Teilnehmern an einem Patiententreffen des Netzwerks in Erlangen wurde schon vor längerer Zeit der Wunsch geäußert, Näheres über die Tumorbehandlung mit Radionukliden zu erfahren. Da die Kosten für diese Therapie in Deutschland von den gesetzlichen Krankenkassen nicht übernommen werden und sich daher die Erfahrung deutscher Kliniken und ihrer Ärzte auf wenige Behandlungen, meistens im Rahmen von Studien, beschränkt, wurde als Wunsch-Referent Herr Prof. Dr. J. Müller aus Basel vorgeschlagen. Herr Prof. Dr. Müller ist Leiter des Instituts für Nuklearmedizin am Universitätsspital in Basel und hatte damals schon mehr als 400 Patienten mit neuroendokrinen Tumoren behandelt. Frau Dr. Pavel hat unseren Wunsch tatkräftig unterstützt und konnte Herrn Prof. Dr. Müller für einen Vortrag gewinnen, den er dann am 26.9.03 im Nichtoperativen Zentrum der Universitätsklinik in Erlangen gehalten hat. sowohl für die Diagnostik als auch zur Therapie von neuroendokrinen Tumoren verwenden. Diagnostik: Bei der Szintigraphie wird das Octreotid mit dem Gammastrahler 111Indium markiert und intravenös verabreicht. An Tumorzellen dockt das markierte Octreotid an, der Rest wird wieder ausgeschieden. Danach wird der Körper mit einem strahlungsempfindlichen Detektor (Gammakamera) abgetastet. Mit Hilfe eines Computers entsteht dabei ein Abbild des Körpers, in dem die Tumoren deutlich lokalisiert werden können. Professor Müller beschrieb die neuroendokrinen Tumoren als eine sehr seltene Krankheit. Wegen ihres unauffälligen Verlaufes bleibt diese oft lange Zeit unentdeckt und es haben sich in den meisten Fällen zum Zeitpunkt ihrer Diagnose bereits Metastasen in der Leber gebildet. In vielen Fällen wird auch der Primärtumor gefunden. Dieser kann, im Gegensatz zu den Metastasen in der Leber, oft operativ entfernt werden. Bedeutung des SomatostatinAnalogons Octreotid in Diagnostik und Therapie Die Zellen der neuroendokrinen Tumoren tragen an ihrer Zelloberfläche Rezeptoren, an die das körpereigene Somatostatin andockt. Die Pharmaindustrie hat eine dem Somatostatin ähnliche Substanz ent- Herr Allmendinger, der Vorsitzende des Netzwerks Neuroendokrine Tumoren, und Frau Dr. Pavel begrüßten das Auditorium im Nichtoperativen Zentrum der Universitätsklinik in Erlangen. wickelt, ein Somatostatin-Analogon mit der Bezeichnung Octreotid. Diese Substanz hat wie das Somatostatin, die Eigenschaft, an den Tumorzellen anzudocken. Seit es möglich ist, an das Octreotid verschiedene strahlende Substanzen anzukoppeln, kann man es Therapie: Bei der 90Yttrium-DOTATOC-Behandlung wird dem Octreotid ein therapeutischer (Beta-) Strahler beigepackt. Dazu wird Yttrium, ein dem Aluminium ähnliches Metall, verwendet, das vorher durch Bestrahlung zu einem 90Yttrium-Isotop wird. Isotope sind insta27 *Glandula Net 6 27 09.08.2004, 22:02 Uhr Therapeutische Möglichkeiten bil und geben beim Übergang zum stabilen Element die vorher aufgenommene Strahlung wieder ab. Die Strahlungsweite von 90Yttrium beträgt etwa 10 mm und die Wirkungsdauer wenige Tage. Diese Eigenschaft wird zur Therapie ausgenützt. Intravenös gespritzt, dockt das mit dem Isotop bepackte Octreotid in wenigen Minuten an den Tumorzellen an und zerstört diese durch Bestrahlung direkt vor Ort. Mögliche Nebenwirkungen 90 Yttrium-DOTATOC wird über die Nieren ausgeschieden und reichert sich dort an. Um die Nieren vor Schäden zu schützen, werden diese mit einer ungefährlichen Aminosäurelösung so gesättigt, dass sie für das DOTATOC blockiert sind. Trotzdem bleibt das Risiko einer Nierenschädigung. Bei der Injektion von DOTATOC kann kurzzeitig Übelkeit auftreten (während 5 Minuten, bei etwa 5 % der Patienten). Während der Therapie kommt es bei etwa 30 % der Patienten zu einem leichten Absinken der weißen Blutzellen, die sich in der Regel jedoch innerhalb weniger Wochen wieder regenerieren. Voruntersuchungen und Behandlungsdauer Vor der Behandlung ist eine eingehende Untersuchung des Patienten notwendig. Diese kann entweder in Basel erfolgen oder auch in dem Krankenhaus, in dem der Patient bisher behandelt wurde. Allerdings sollte der behandelnde Arzt die erforderlichen Untersuchungen kennen oder sich vorher mit dem Institut für Nuklearmedizin in Basel ab- Prof. Dr. med. Jan Müller, Leiter des Instituts für Nuklearmedizin am Universitätsspital in Basel, erläuterte anschaulich die Vorgehensweise und die Erfolge der 90YttriumDOTATOC-Behandlung. Symptomatik festgestellt werden. Alle Patienten mit morphinbedürftigen Schmerzen konnten zu nichtsteroidalen Antiphlogistika wechseln oder ganz auf eine Schmerzmedikation verzichten. Als Nebenwirkungen zeigten sich kurzfristige Lymphopenien Grad I–II (NCIGC) in 23 % der Fälle. Nierenschädigungen Grad I–IV wurden nicht beobachtet. In bestimmten Fällen wird neuerdings anstelle von Yttrium auch Lutetium verwendet. Die Strahlungsweite von Lutetium ist etwas kleiner. Damit können auch kleinere Metastasen besser erfasst werden. Abhängig vom Krankheitsbild wird in der Regel mit Yttrium begonnen und, wenn erforderlich, Statistische Heilerfolge: Komplette Rückbildung der Tumoren: Rückbildungen um mehr als 50 % des Volumens: 22 % Rückbildung des Tumors zwischen 49 und 25 %: 12 % Stabiles Tumorverhalten: 49 % Tumorvergrößerung: 15 % stimmen. Unter anderem muss sicher sein, dass Octreotid an die Tumorzellen des Patienten andockt und gefährdete Organe nicht schon geschädigt sind. Die Behandlung dauert normalerweise 3 Tage und wird von den meisten Patienten gut vertragen. Abhängig von Anzahl und Größe der Metastasen können mehrere Sitzungen erforderlich sein. Heilerfahrungen Bei allen Patienten mit „malignem Karzinoid-Syndrom“ konnte eine deutliche subjektive Besserung der bei den folgenden Sitzungen mit Lutetium weiterbehandelt. Am Ende des Vortrages spendeten die mehr als 50 anwesenden Patienten Herrn Prof. Dr. Müller viel Beifall. Frau Dr. Pavel bedankte sich für die interessanten und informativen Ausführungen. In der folgenden Pause zur Erholung der Patienten hat uns die Firma Novartis mit einem Imbiss und einigen Getränken überrascht und damit viel zur körperlichen Regeneration beigetragen, herzlichen Dank dafür! Rosemarie Oehme, Auerswalde 28 *Glandula Net 6 28 2% 09.08.2004, 22:02 Uhr Therapeutische Möglichkeiten Fragen und Antworten im Anschluss an den Vortrag von Herrn Professor Müller 1. Wenn nach der Behandlung mit 90Yttrium-DOTATOC bei 80– 85 % der Patienten ein Erfolg zu verzeichnen ist, treten bei den übrigen Behandelten Todesfälle auf? Tritt nach der Behandlung kein Erfolg ein, wird noch ein Versuch mit Chemotherapie unternommen. Bei Fortschreitung der Erkrankung kann der Tod eintreten. Unsere 7jährige Erfahrung zeigt, dass 80– 85 % der Patienten 1–6 Jahre frei von einem Fortschreiten der Erkrankung sind. Die Behandlung erfolgt während eines Klinikaufenthalts von Montag bis Mittwoch. 2. Dauert bei der Behandlung mit Lutetium der Klinikaufenthalt auch von Montag bis Mittwoch? Nein. Am Dienstag wird Lutetium produziert. Von Donnerstag bis Samstag erfolgt dann die Behandlung. 3. Wie ist derzeit die Situation bei den Krankenkassen bezüglich der Kostenübernahme der Behandlung? Bestimmte Kassen zahlen die Behandlung grundsätzlich nicht. Oft kommt es auf den jeweiligen Sachbearbeiter an, ob er Verständnis für die Krankheit hat. Entscheidend ist aber, dass die Patienten aktiv werden und bei den Kassen Argumente vorbringen, so zum Beispiel: Bei der Therapie mit Sandostatin belaufen sich die Kosten pro Tag auf 120 l. Bereits nach 2 Monaten sind die Kosten der 90Yttrium-DOTATOC-Behandlung gedeckt. Rund 50 Zuhörer verfolgten mit großem Interesse den Vortrag von Professor Müller. Patienten müssen die Kassen darauf hinweisen, dass gemäß Arzneimittelgesetz § 3 und Sozialversicherungsgesetz § 137c die Kosten für Heilpräparate, auch im Rahmen der Erprobung, zu übernehmen sind. Vorschlag aus dem Auditorium: Von Patienten Angaben sammeln, welche Kassen die Behandlung bezahlen und warum. 4. Wenn sich in der Leber bereits viele Metastasen gebildet haben, lohnt sich dann die Behandlung nicht mehr? Die Entscheidung ist abhängig von der Menge der Rezeptoren und nicht vom Gesundheitszustand des zu behandelnden Patienten. Es konnten schon Patienten behandelt werden, die nicht mehr gehen konnten oder im Rollstuhl saßen. 5. Nach der 1. Sitzung bei Ihnen geht es mir sehr gut – trotzdem nehme ich noch Sandostatin und Interferon, ist das erforderlich? Zur 2. Sitzung, die einfacher ist und in der Regel besser vertragen wird, entscheiden wir dann, ob Sandostatin und Interferon abgesetzt werden können. 6. Wird bei Metastasen in der Leber nach der Therapie die Leber kleiner? Die großen Metastasen verflüssigen sich und die kleinen verschwinden. Die Leber wird entsprechend kleiner. 7. Gehen bei der Therapie die Strahlen in alle Richtungen? Die Strahlen gehen in mehrere Richtungen, daher werden auch gesunde Zellen davon erreicht. 29 *Glandula Net 6 29 09.08.2004, 22:02 Uhr Therapeutische Möglichkeiten 8. Wie ist die Wirkung bei Knochenmetastasen? Die Strahlungsweite beträgt 2 mm. Bei guter Bindung ist das Knochenmark nicht gefährdet. 9. Bleiben Knochenmarkschädigungen für immer? Nein. Im Knochenmark befinden sich Stammzellen, die sich langsam erneuern. 10. Was sollte man tun, wenn nach erfolgter Therapie Metastasen ein wenig gewachsen sind? Nach erfolgter Therapie 1/2–1 Jahr warten, dann nochmals eine Therapie vornehmen lassen. Als Nachbehandlung sind bis zu zwei Zyklen zu empfehlen. Es gibt aber auch Ausnahmen: Ein Patient hatte seit 1997 acht Therapien. Basierend auf den Ergebnissen der Bildgebung erfolgt in der 1. Stufe die Biotherapie, in der 2. Stufe die Radionuklidtherapie und als letztes die Chemotherapie. Nach dieser Folge wird auch in Erlangen und Marburg behandelt. 11. Können sich Rezeptoren verändern? Ja, sie können sich verändern. 13. Werden die Therapien mit Wärme und Alkohol noch durchgeführt? Davon ist man abgekommen, ebenfalls von Lebertransplantationen. Die großen Zentren führen keine Lebertransplantationen mehr durch. 12. Was ist der beste Zeitpunkt für die Behandlung? Jeder, der schmerzstillende Mittel nimmt, sollte behandelt werden. Was ist eine Somatostatin-Szintigraphie? Bei der Somatostatin-Szintigraphie wird dem Patienten ein radioaktiv markiertes Somatostatin-Analogon (z.B. 111Indium OctreoScan®) in die Armvene injiziert. Das Radiopharmakon bindet an Rezeptoren auf der Oberfläche von Tumorzellen und sendet Gammastrahlen (Photonen) aus. Diese können von speziellen Detektoren (Gammakamera oder PET-Scanner) registriert werden. Die von der Gammakamera aufgezeichneten Signale werden mithilfe aufwändiger Computertechnik in zwei- oder dreidimendsionale Darstellungen umgesetzt. Diese zeigen die Verteilung des jeweils verwendeten Radiopharmakons im untersuchten Organ. Das gesamte Verfahren wird Szintigraphie genannt, das erstellte Bild Szintigramm. Mit diesem Verfahren ist auch eine Ganzkörperuntersuchung möglich, da das einmal in den Blutkreislauf injizierte Radiopharmakon sein Zielorgan oder die Zellen, an die es spezifisch bindet, im gesamten Körper aufspüren kann. Ist die Fragestellung beispielsweise, ob ein Tumor bereits Tochtergeschwülste gebildet hat, wird sich das für den Primärtumor spezifische Radiopharmakon überall im Körper in den Tumorzellen anreichern (Primärtumor und Metastasen haben ja exakt den gleichen Zelltyp). Tastet man mit der Gammaoder der PET-Kamera den ganzen Körper ab, kann man die Tochtergeschwülste unabhängig von ihrer Lage aufspüren. Was ist eine PET? PET (Positronen-Emissions-Tomographie) ist ein modernes bildgebendes Verfahren zur Darstellung von verschiedenen Stoffwechselvorgängen des Körpers. Dazu wird eine kleine Menge eines Positronenstrahlers in eine Armvene injiziert. DoppelkopfGammakamera Positronen-EmmissionsTomograph Über den Blutkreislauf gelangt das Radiopharmakon zu den verschiedenen Organen und Zellen, von denen es aufgenommen wird. Die Besonderheit der PET gegenüber anderen nuklearmedizinischen bildgebenden Verfahren liegt darin, dass die verwendeten Radiopharmaka „natürliche” Verbindungen sind, die der Organismus nicht von solchen unterscheidet, die er mit der Nahrung zuführt oder selbst synthetisiert. Dies erlaubt eine genaue Beurteilung des Stoffwechsels im Organismus, z.B. bei der Fragestellung, ob nach Chemo- und Strahlentherapie eine mittels CT oder MR nachgewiesene Raumforderung noch lebende Tumorzellen enthält oder nur mehr als Narbe zu interpretieren ist. Nach einer bestimmten Speicherzeit (30–45 Minuten) wird die ausgesendete Strahlung von einem PET-Scanner aufgenommen. Die Bildinformation kommt dabei direkt aus den Zellen, die an den entsprechenden Stoffwechselvorgängen teilnehmen. Der Detektor ist ringförmig (röhrenförmig) um den Patienten positioniert, so dass eine räumliche Darstellung der Aktivitätsverteilung im Körper möglich ist. Dabei können auch sehr kleine Läsionen dargestellt werden. B. S. 30 *Glandula Net 6 30 09.08.2004, 22:02 Uhr Emmissions- Veranstaltungen Kurzbericht über das Patiententreffen in Bad Berka vom 8. bis 10.8.2003 Zu dieser Veranstaltung haben die Selbsthilfegruppe e.V. Berlin und das Netzwerk Erlangen gemeinsam eingeladen. Bad Berka liegt wenige Kilometer südlich von Weimar und ist mit Bahn und Bus gut zu erreichen. Die Zentralklinik befindet sich auf einer Anhöhe etwas außerhalb des Städtchens. Von vielen Patientenzimmern hat man einen herrlichen Blick über das Tal der Ilm. Modernste Technik, gepaart mit einem angenehmen Ambiente Nach der Anreise und Begrüßung am Freitag erfolgte eine Führung durch die Klinik. In der Einführung wurde die Geschichte der Anlage kurz erklärt und der Werdegang von einer Lungenklinik über ein Herzzentrum bis zur heutigen Zentralklinik erläutert. Unter den vielen medizinischen Spezialabteilungen war für uns insbesondere die Klinik für Nuklearmedizin mit den modernsten bildgebenden Geräten (PET) zur Diagnostik interessant. Genauere Angaben dazu können Sie in der Glandula NeT, Ausgabe 5, Seite 3 nachlesen. Nahezu alle Patientenzimmer im Bettenhaus haben den gleichen Grundriss. Zwei Doppelzimmer gruppieren sich um einen gemeinsam genutzten geräumigen Aufenthaltsraum. Zu jedem Doppelzimmer gehört ein für zwei Personen eingerichtetes Bad. Schon beim Betreten der Eingangshalle fragt man sich, ob man wirklich auch in einer Klinik ist. Der große, durch eine Glaskuppel überdachte und mit vielen gepflegten Pflanzen geschmückte Raum, würde jedem Kurhotel gut anstehen. Übertroffen wird die Eingangshalle noch durch das Atrium im Bettenhaus. Ein mit viel Fantasie gestalteter, großer überdachter Park mit vielen Pflanzen und gepflegten Wegen ermöglicht es den Patienten, zu jeder Jahreszeit einen kleinen Spaziergang im Grünen zu unternehmen. Auch das Verhalten des Pflegepersonals passte zu der Umgebung. Bei kurzen Gesprächen hatte man den Eindruck, dass sie sich freuten, helfen zu können. Wissenschaftlicher Vortrag zur nuklearmedizinischen Behandlung Am Samstag sprach Herr Prof. Dr. Baum über die „nuklearmedizinische Behandlung neuroendokriner Tumoren“. Die wesentlichen fachlichen Aspekte seines Vortrages hat er in der Glandula NeT, Ausgabe 5, Seite 7, unter dem Titel „Tumorbe- Prof. Dr. med. Richard P. Baum, Klinik für Nuklearmedizin und PET-Zentrum der Zentralklinik Bad Berka handlung mit Radionukliden“ veröffentlicht. Während des lebendigen, auch für Patienten gut verständlichen Vortrages lernten die Zuhörer auch die biologischen und physikalischen Zusammenhänge bei der modernen Diagnostik und Therapie neuroendokriner Tumore kennen. Anschließend beschrieb Professor Baum ausführlich den Ablauf einer 90 Yttrium-DOTATOC-Behandlung in der Zentralklinik in Bad Berka und gab einen kurzen Überblick über neue Forschungen sowie über Möglichkeiten zur Kostenreduzierung bei der Therapie. Nach den Erlebnissen, den Eindrücken und Erfahrungen während dieser beiden Tage ist Bad Berka eine empfehlenswerte Alternative zu den übrigen europäischen Zentren, wenn sich ein Patient einer Radionuklidtherapie unterziehen muss. Im Anschluss an den Vortrag wurde wieder über viele Probleme und offene Fragen miteinander gesprochen, und wie üblich half uns Frau Dr. Pavel weiter, wenn wir uns in medizinischen Zusammenhängen nicht einig wurden oder sich unsere Wunschvorstellungen allzu weit von der Realität entfernten. Die wichtigsten Fragen und Antworten haben wir im Folgenden für Sie zusammengefasst. 31 *Glandula Net 6 31 09.08.2004, 22:02 Uhr Veranstaltungen Karzinoid-Patienten fragen... 1. Was geschieht, wenn sich Tumorzellen in der Leber bilden? Tumorzellen nisten sich in der Leber ein, wachsen und vermehren sich und verdrängen dabei die gesunden Zellen. Daher hat der Betroffene lange Zeit noch normale Leberwerte. 2. Worin liegt der Unterschied im Verhalten von gesunden Zellen zu dem von Tumorzellen? Beispiel: Nach einer Schnittverletzung im Finger werden die Zellen in der Umgebung zum Wachstum nach in gesunden Zellen vorgegebenen Informationen so lange angeregt, bis der ursprüngliche Zustand wieder erreicht ist. Die Wunde ist verheilt. Danach wird das Wachstum eingestellt. Tumorzellen haben diese Informationen verloren. Sie vermehren sich abhängig von den vorhandenen Bedingungen mehr oder weniger schnell und unbegrenzt. 3. Es wird auch eine Hochtemperatur-Behandlung angeboten, oft als Zusatz-Behandlung. Was bewirkt sie? Welchen Stellenwert diese Behandlung bei neuroendokrinen Tumoren hat, ist nicht bekannt. Entsprechende Studien fehlen. Es wurde vorgeschlagen, einen Referenten für einen Vortrag über Hyperthermie (Überhitzung des Körpers) und deren Bedeutung bei der Therapie von Tumorerkrankungen zu gewinnen (siehe dazu Einladung zum Vortrag im Klinikum Nord in Nürnberg auf Seite 2). 4. Wann wird in Deutschland die Yttrium-DOTATOC-Behandlung zugelassen und von den gesetzlichen Krankenkassen bezahlt? Zur Yttrium-DOTATOC-Therapie liegen zwar einige internationale und auch nationale Studien vor. Trotzdem wird es noch mindestens 2 Jahre dauern, bis diese Behandlung in Deutschland zugelassen und von den gesetzlichen Krankenkassen bezahlt wird. 5. Was muss bei zu hohen Blutwerten unternommen werden, um festzustellen, ob noch Metastasen vorhanden sind? Überwachung durch die innere Medizin in Zusammenarbeit mit der Nuklearmedizin, vor allem durch bildgebende Verfahren wie CT, MRT und Szintigraphie. 6. Kann bei Tumorerkrankungen prophylaktisch etwas unternommen werden? Zuerst muss geklärt werden, um welche Art Tumor es sich handelt und ob er schnell oder langsam wächst. Aggressive und schnell wachsende Tumoren müssen sofort nach der Diagnose behandelt werden. Bei neuroendokrinen Tumoren, die Hormone ausschütten und dadurch Flush und Durchfall verursachen können, ist das Tumorwachstum in der Regel nicht so schnell. Trotzdem wird man möglichst rasch versuchen, mit Leitstelle für Funktionsdiagnostik (links) und Felsengarten (rechts) der Zentralklinik Bad Berka Medikamenten die Symptome zu lindern und das Tumorwachstum einzuschränken. Wird dadurch ein Wachstumsstillstand erreicht, bedeutet dies einen großen Erfolg. 7. Was ist Flush? Als Flush bezeichnet man eine anfallsartige Gesichtsrötung, ausgelöst durch eine Gefäßerweiterung. Dabei kann auch ein Wärmegefühl auftreten. 8. Wie findet man einen Arzt, der einem Patienten mit einem neuroendokrinen Tumor helfen kann? In absehbarer Zeit wird eine Internetseite veröffentlicht mit den Namen der Einrichtungen und Ärzte, die Patienten mit neuroendokrinen Tumoren behandeln. Rosemarie Oehme, Auerswalde Hans-Dieter Allmendinger, Hemmhofen 32 *Glandula Net 6 32 09.08.2004, 22:02 Uhr Veranstaltungen Ein Besuch in Bad Berka Uns Mitgliedern der NeT-Selbsthilfegruppe wird einiges geboten: Vom 8. bis 10. August 2003 stand wieder einmal eine größere Reise ins Haus. Wir wollten diesmal eine Klinik besuchen, in der eine spezielle Strahlenbehandlung stattfindet, die sonst nur in Universitätskliniken in wenigen europäischen Hauptstädten durchgeführt wird. Sie hat den langen Namen „Radio-Rezeptor-Therapie mit Yttrium-90-Somatostatin-Analoga“. Der Weltatlas, der uns die große Welt nahe bringt, kann uns über Bad Berka nichts zeigen. Im ADAC-Atlas werden wir fündig. Ein eher kleines Städtchen in der Nähe Weimars ist das Ziel des Interesses. Die Autobahn ist für schnelle Sauser möglich, aber spart wegen des weiteren Weges keine Fahrtzeit. Wer es beschaulich möchte, den führt ein Weg über die verträumten Dörfer zum Ziel. Wir wollen heute die schöne Landschaft Thüringens erfahren. Die letzten 200 Kilometer erfordern unsere volle Konzentration. Der Fahrer muss einigen einheimischen Verkehrsteilnehmern geschickt ausweichen, die mit auffallender Geschwindigkeit ihre Hausrennstrecken meistern. Meine Frau ist sehr geübt mit dem Kartenlesen, sie hat trotzdem Mühe, den Weg zu finden, da auch auf den letzten Kilometern kein Schild, kein Hinweis auf Bad Berka zu finden ist. Aber wir sind voller Hoffnung. Endlich ist es geschafft, das Städtchen liegt vor uns. Der Bahnhof mit dem Bahnhofshotel ist schnell gefunden und wir freuen uns, dass die Fahrt bei dem heißen Wetter ein Ende gefunden hat. Der Hotelier schickt uns gleich in das städtische Freibad, wo die gesamte Vereinsführung bereits im kühlen Nass Frau Ganß, die Assistentin von Herrn Prof. Baum, begrüßte ihre Bahnen die Teilnehmer in der großzügig angelegten Eingangshalle der zieht. Ein großes Klinik und nahm sie mit auf einen Rundgang. Hallo hebt an, als wir im Menschengewimmel unsere Leute tref- schen Möglichkeiten und den Erfolfen. gen, die hier erreicht wurden und Abends im Hotelgarten beim küh- werden. Nach dem Vortrag haben len Alsterwasser treffen immer wir die Möglichkeit, unsere Fragen mehr Mitglieder ein, endlich lernen zu stellen. Professor Baum nimmt wir uns persönlich kennen, da wir sich viel Zeit, so dass auch ich meiunsere Namen meist nur von den ne Fragen beantwortet bekomme. Mitgliederlisten kennen. Wir haben Ich bin beeindruckt, das hätte ich viel zu erzählen. nicht erwartet. Am nächsten Morgen wird ausgiebig gefrühstückt und geredet. In der Klinik erwartet man uns zu einem Rundgang und zu einem Vortrag des Nuklearmediziners Professor Baum. Wir sind überrascht von der schönen Lage der Klinik. Auf einem Hügel, eingebettet zwischen Feldern und Wäldern. Beeindruckend ist auch die riesige, üppig begrünte Halle – ein Vergleich mit einem Mehrsterne-Großstadthotel liegt nahe. Wir werden von der Klinikleitung begrüßt und schauen uns die verschiedenen Abteilungen der Klinik an. Es ist schon ein bisschen schwierig, die Namen der vielen diagnostischen Verfahren und Geräte zu verstehen. Der Höhepunkt der Veranstaltung besteht aus dem Vortrag von Professor Baum. Wir hören von der einzigartigen Technik, den medizini- Am Nachmittag steht ein Stadtrundgang durch Weimar auf dem Programm. Hier finden wir die Spuren von Schiller, Goethe, Cranach, List und Herder, es würde Tage füllen, allen Spuren nachzugehen. Das Wetter ist immer noch brütend heiß und irgendwie zieht es uns in den schattigen Hotelgarten. Abends essen wir alle zusammen und setzen uns nach draußen, um zu plaudern und Kontakte zu knüpfen. Ich habe Glück und lerne Leidensgenossen kennen, die wie ich die gleiche Diagnose haben. Es ist toll, sich auszutauschen. Es wird spät und wir haben viel zu erzählen. Beim spätabendlichen Rundgang am Dorfweiher sehen wir ein großes Tier, es ähnelt einem Biber oder einer Riesenratte. Es sitzt possierlich am Ufer und wird von den Passanten gefüttert. Man erklärt 33 *Glandula Net 6 33 09.08.2004, 22:02 Uhr Veranstaltungen Erwartungsvoll versammeln sich die Mitglieder der Selbsthilfegruppen im Konferenzsaal der Klinik zum Vortrag von Herrn Professor Baum. Im historischen Stadtkern Weimars trifft man auf die Spuren vieler Berühmtheiten. uns, dies sei ein Nutria. Früher gab es hier eine Pelztierfarm. Seit der Aufgabe der Tierzucht haben sich einige Tiere sesshaft gemacht, sie seien friedliche, possierliche, nette Tiere, trotz ihrer bis zu zehn Kilo Gewicht. Dieser Ort verblüfft uns immer mehr. Am nächsten Morgen sind wir alle rechtzeitig am Frühstückstisch, einige machen sich früh auf den weiten Heimweg. Trotz der beträchtlichen Kosten (Benzin, Hotel usw.) und der mühevollen Reise bei heißem Wetter, bin ich der Meinung, dass dieses Treffen nicht nur das Gruppengefühl gestärkt hat, sondern auch Mut gemacht hat, seinen Heilungsprozess neu zu überdenken. Die Kulturstadt Weimar hat uns sehr gefallen, wie auch die reizvolle Landschaft Thüringens. Die Reise war ein voller Erfolg. Ich freue mich schon auf die nächste Veranstaltung. Stadtrundgang durch Weimar. Reger Erfahrungsaustausch an einem schattigen Plätzchen. Rolf Behrmann, Bremen BS-NET e.V. 34 *Glandula Net 6 34 09.08.2004, 22:02 Uhr Veranstaltungen Bericht vom 2. Neusser Patiententag Großen Zuspruch und Interesse fand der 2. Neusser Patiententag am 08. November 2003. Mittlerweile typisch für diesen Patiententag war die lebhafte Frage- und Diskussionsrunde, die einen großen Teil der Zeit einnahm. Dies zeigt, wie wertvoll diese Veranstaltungen gerade für den Austausch von Information und Erfahrungen zwischen Patienten untereinander und mit den Experten sind. Thematisch standen insbesondere die Therapiemöglichkeiten der Le- bermetastasen bei neuroendokrinen Tumoren im Vordergrund. Dazu gehören Veranstaltungen wie der Neusser-Patiententag bieten neben neben der chirur- den Fachvorträgen auch die Möglichkeit zum Erfahrungsaustausch untereinander und zu Gesprächen mit Experten. gischen Resektion und der Reduktion der Tumormasse auch Gelegenheit, sich über die aktuellen lokale Verfahren wie z.B. die Che- Therapien der Tumoren auszutaumoembolisation oder die hyper- schen und Informationen zu samtherme Leberperfusion. meln. Auch während des anschließenden Dr. Thomas Kolpatzik, Imbisses hatten die Teilnehmer Novartis Pharma, Nürnberg Zahlreiche Besucher beim Hamburger Symposium über neuroendokrine GEP-Tumoren Organisiert von Prof. Frank Ulrich Beil, PD Dr. Andreas de Weerth und Dr. Michael Bläker aus dem Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, fand am 12. November im Park Hyatt Hotel in Hamburg das Symposium „Neue Perspektiven in der Diagnostik und Therapie gastroenteropankreatischer neuroendokriner Tumoren" (GEP-NET) statt. Das durch Unterstützung der Fa. Novartis ermöglichte Symposium richtete sich gleichermaßen an niedergelassene und in der Klinik tätige Ärzte sowie an interessierte Patienten und deren Angehörige. Immunhistochemie und Labortests sichern die Diagnose Unter dem Vorsitz von Prof. Frank Ulrich Beil (Endokrinologie, Medizinische Klinik I, UK-Eppendorf) und Prof. Jochen Kussmann (Chirurgische Klinik, AK Wandsbek, Hamburg) ging es im ersten Teil der Veranstaltung um die Diagnostik. Zunächst berichtete Prof. Sören Schröder (Pathologe, Labor Prof. Arndt & Partner, Hamburg) über die seit 2000 gültige WHO-Klassifizierung der neuroendokrinen Tumoren. Diese trägt zu einer Standardisierung der feingeweblichen Beurteilung dieser seltenen Tumoren bei und erleichtert damit die Einschätzung der Prognose, aber auch die Erstellung von Therapieplänen für die betroffenen Patienten. Wie Prof. Schröder hervorhob, spielen für die Diagnosestellung und Prognoseabschätzung immunhistochemische Untersuchungen von Gewebeproben eine große Rolle. Im Anschluss gab Prof. Tammo von Schrenck (Abteilung für Innere Medizin, Bethesda AK Bergedorf, Hamburg) einen Überblick über die Diagnostik bei GEP-NET. Unter den Laborwerten hat der Spiegel von Chromogranin A im Blut herausragende Bedeutung. Aber auch die Bestimmung von Hormonen wie Gastrin, VIP oder Glukagon im Blut oder die Messung der 5-HydroxyIndol-Essigsäure im 24-StundenUrin ist bei entsprechenden Beschwerden und Verdacht auf eine Hormonproduktion durch den Tumor sinnvoll. Zur Diagnosesicherung kommen spezielle Labortests zum Einsatz: der Sekretintest bei Gastrinom und der Hungerversuch beim Insulinom. In der bildlichen Darstellung der Tumoren haben Ultraschall, Endosonographie, Computertomographie, Kernspintomographie und vor allem die Somatostatin-Rezeptor-Szintigraphie einen wichtigen Stellenwert. Prof. von Schrenck betonte, dass neben all 35 *Glandula Net 6 35 09.08.2004, 22:02 Uhr Veranstaltungen den technischen Neuerungen die ausführliche Erhebung der Krankengeschichte unter Einschluss der Familienanamnese sowie die sorgfältige körperliche Untersuchung auf keinen Fall vernachlässigt werden sollten. Hierdurch können sich wichtige Hinweise z. B. auf eine familiäre multiple endokrine Neoplasie (MEN) ergeben. Erläuterung des diagnostischen Vorgehens anhand von Krankengeschichten Dr. Andrea Pace (Gastroenterologie, Medizinische Klinik I, UK-Eppendorf) und Dr. Siobhan Loeper (Endokrinologie, Medizinische Klinik I, UK-Eppendorf) stellten anhand der Krankengeschichte und Befunde einzelner Patienten die konkrete diagnostische Vorgehensweise beispielhaft dar. Die Vernetzung von Laboruntersuchungen, Ultraschall, Röntgentechniken und nuklearmedizinischer Diagnostik in der Diagnosestellung wurde dabei eindrucksvoll veranschaulicht. Danach berichtete eine Patientin mit einem in die Leber metastasierten Karzinoid über ihre Krankengeschichte, die verschiedenen Untersuchungen und Operationen, die bei ihr durchgeführt wurden, und wie sie dies erlebt hat. Sie betonte, dass trotz seit Jahren fortgeschrittener Metastasierung ihre Lebensqualität gut sei, insbesondere seitdem die Symptome des KarzinoidSyndroms, also Flush und Diarrhö, durch Octreotid gut kontrolliert werden. Die Patientin erlebte diesbezüglich die Einführung der monatlichen Depot-Spritze als erheblichen Fortschritt, da gegenüber der dreimal täglichen Gabe ein deutlich höheres Maß an Ungebundenheit und Flexibilität besteht. Operative Strategie richtet sich nach den individuellen Bedürfnissen Im zweiten Teil der Veranstaltung wurden unter dem Vorsitz von PD Dr. Andreas de Weerth (Gastroenterologie, Medizinischen Klinik I, UK-Eppendorf) und Prof. Jakob R. Izbicki (Klinik für Allgemeinchirurgie, UK-Eppendorf) therapeutische Konzepte erörtert. PD Dr. Sigrid Kastl (Klinik für Allgemeinchirurgie, UK-Eppendorf) berichtete über operative Strategien. Betont wurde, dass chirurgische Konzepte den individuellen Bedürfnissen der Patienten angepasst sein sollten. Vor dem Hintergrund relativ guter Lebensqualität und Prognose auch bei fortgeschrittener Erkrankung wurden radikale, komplikationsträchtige Operationstechniken kritisch bewertet und sollten nur in ausgewählten Fällen zum Einsatz kommen. Bei entsprechend kritischer Indikationsstellung können jedoch durch radikale Operationen gute Ergebnisse mit langjähriger Tumorfreiheit erzielt werden. Als entscheidend für den Erfolg operativer Ansätze wurde auch die Erfahrung des jeweiligen Zentrums angesehen. Medikamente zur Kontrolle von Hormonsekretion und Tumorwachstum Über die Prinzipien der medikamentösen Therapie sprach Dr. Michael Bläker (Gastroenterologie, Medizinischen Klinik I, UK-Eppendorf). Unterschieden wird die symptomatische Therapie, die eine Kontrolle der Hormonsekretion aus dem Tumor anstrebt, von der antiproliferativen Therapie, die auf eine Wachstumshemmung der Tumoren abzielt. Zahlreiche Studien belegen, dass Somatostatin-Analoga, wie z.B. Sandostatin® LAR, eine herausragende Bedeutung in der Kontrolle der Hormonsekretion zukommt. Auch zur Hemmung des Wachstums hoch differenzierter, langsam wachsender GEP-NET werden Somatostatin-Analoga ebenso wie das Interferon-alfa unter dem Schlagwort „Biotherapie" eingesetzt. Wie effektiv die Wachstumshemmung durch diese Therapie wirklich ist, muss durch klinische Studien (z.B. durch die zurzeit laufende PROMID-Studie) untermauert werden. Bei niedrig differenzierten oder rasch wachsenden GEP-NET kommen verschiedene ChemotherapieProtokolle zum Einsatz, beispielsweise mit Streptozotozin-haltigen oder Cisplatin-haltigen Kombinationen. Besonders hingewiesen wurde auf die Notwendigkeit, an klinischen Studien teilzunehmen, um eindeutige Empfehlungen für medikamentöse Therapiekonzepte entwickeln zu können. Fortschritte in der Radioligandentherapie Schließlich gab Prof. Thomas M. Behr (Abteilung für Nuklearmedizin, Philipps-Universität Marburg) eine Überblick über die Möglichkeiten der Nuklearmedizin in der Diagnostik und Therapie. Neue Radioliganden, zum Beispiel für den Gastrin-Rezeptor, werden möglicherweise in Zukunft für die szintigraphische Lokalisation von Somatostatinrezeptor-negativen Tumoren zur Verfügung stehen. Durch die Weiterentwicklung und Modifizierung von SomatostatinRezeptorliganden hat es Fortschritte in der Radioligandentherapie ge- 36 *Glandula Net 6 36 09.08.2004, 22:02 Uhr Veranstaltungen geben. Diese zeigt in Fallberichten sowohl in der symptomatischen Kontrolle als auch in der Wachstumshemmung gute Effekte bei geringen Nebenwirkungen. Im Vergleich zur operativen oder medikamentösen Therapie ist die Radioligandentherapie allerdings deutlich weniger etabliert und ihr Stellenwert somit als niedriger einzustufen. Mit zunehmenden Erfah- rungen könnte sich dieses jedoch in Zukunft ändern. Großer Informationsbedarf bei den Patienten Die hohe Teilnehmerzahl bei dem Symposium sowie die ausgesprochen rege Diskussion während und nach der Veranstaltung bestätigten den Eindruck, dass bei der Betreu- ung von Patienten mit GEP-NET nach wie vor ein großer Bedarf an Information und Erfahrungsaustausch besteht. Die durchweg positive Resonanz zeigte, dass das Hamburger Symposium diesen Bedarf zumindest zum großen Teil decken konnte. Dr. Michael Bläker, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf 5. Berliner Informationstag für Patienten und Ärzte am 22.11.2003 Auf Einladung der Bundesorganisation Selbsthilfe NeuroEndokrine Tumoren e. V. (BS-NET e. V.) hatten sich viele Interessierte in Berlin eingefunden, um mehr über die neuroendokrinen Tumoren zu erfahren. Im ersten Vortrag erläuterte Prof. Dr. A. Arnold aus Marburg, wie sich diese Tumoren von anderen bösartigen Erkrankungen unterscheiden. Einer Operation steht er eher zurückhaltend gegenüber, da seiner Ansicht nach bei langsam wachsenden Tumoren auch eine rein symptomatische Therapie unter gleichzeitiger aufmerksamer Beobachtung des Tumorwachstums gerechtfertigt ist. Prof. Dr. B. Wiedenmann aus Berlin sprach anschließend über die Diagnostik und Therapie neuroendokriner Tumoren. Er hat uns für die Glandula NeT freundlicherweise sein Manuskript zur Verfügung gestellt, so dass Sie den Inhalt seines Vortrags auf Seite 10ff. in diesem Heft nachlesen können. Die multiple endokrine Neoplasie Typ 1 (MEN 1) hatte sich Frau Priv.Doz. Dr. U. Plöckinger zum Thema gemacht. Sie stellte die Besonderheit dieses Krankheitsbildes heraus, sprach über seine Vererbbarkeit und erläuterte, welches Gen dafür verantwortlich ist. Auch von diesem Vortrag haben wir eine Kurzfassung auf Seite 13f. abgedruckt; ein herzliches Dankeschön an dieser Stelle an Frau Dr. Plöckinger! Über die Echokardiographie des Herzens informierte uns Herr Priv.Doz. Dr. H. Lehmkuhl vom Deutschen Herzzentrum Berlin. Vor allem bei NET-Befall des Endstücks des Dünndarms kommt es zu einer Beteiligung des rechten Herzens. Welche Möglichkeiten der Diagnostik und Behandlung es für die betroffenen Patienten gibt, stellte Herr Dr. Lehmkuhl genauer dar. Der nächste Vortrag beschäftigte sich mit klinischen Studien. Frau P. Streich beantworte folgende Fragen: Was ist eine klinische Studie, welche Arten von Studien gibt es, welche Institutionen sind daran beteiligt und was kommt auf die beteiligten Patienten dabei zu? Die Antworten finden Sie auf Seite 23, denn das Koordinierungszentrum für Klinische Studien der Charité hat uns den Beitrag freundlicherweise zur Publikation überlassen. Auch vom letzten Vortrag dieser Veranstaltung, in dem Frau M. Döring den Stellenwert verschiedener Ernährungsformen bei Patienten mit Tumorerkrankungen darlegte, haben wir dankenswerterweise Unterlagen von der Referentin erhalten. Sie finden die Zusammenfassung des Vortrags in der Rubrik Wissenswertes auf Seite 16ff. Wieder einmal bestätigte das große Interesse der zahlreichen Teilnehmer am 5. Berliner Informationstag die Notwendigkeit derartiger Veranstaltungen. Der BS-NET e. V., dem wissenschaftlichen Leiter Herrn Prof. Dr. B. Wiedenmann sowie allen Referenten sei an dieser Stelle recht herzlich für ihr Engagement gedankt! Anett Spieler, Schöneiche, Vorstandsmitglied des Netzwerks Hypophysen- und Nebennierenerkrankungen e. V. 37 *Glandula Net 6 37 09.08.2004, 22:02 Uhr Bericht vom 3. Neusser Patiententag Am Samstag, den 27. März 2004, fand der 3. Neusser Patiententag statt. Auch diese Veranstaltung fand wieder großen Zuspruch bei den Patienten. Professor Goretzki, gerade zurückgekehrt von einem internationalen Expertentreffen, berichtete über die aktuellen Therapiestrategien bei den neuroendokrinen Tumoren des GEP-Systems. Von internistischer Seite stand wie geAuch zum 3. Neusser Patiententag hatten sich wieder viele wohnt Prof. interessierte Zuhörer eingefunden. Starke Rede und Antwort. Während der Veran- hilfegruppen aus Erlangen und Berstaltung war genügend Zeit für Ge- lin, die den weiten Anreiseweg nicht spräche von Patient zu Patient. In- gescheut haben. formationen und aktuelle Literatur Dr. Thomas Kolpatzik, gab es an den Tischen der SelbstNovartis Pharma, Nürnberg Bericht vom Meeting des European Neuroendocrine Tumor Network (ENET) Vom 25. bis zum 27. März 2004 fand in Budapest das wissenschaftliche Meeting des europäischen neuroendokrinen Tumornetzwerks (ENET) statt. Etwa 400 Ärzte und Wissenschaftler nahmen an diesem hochrangig besetzten wissenschaftlichen Symposium teil. Ausgerichtet wurde dieses Symposium von den Professoren H. Ahlmann, M. Caplin, G. Delle Fave, W. W. de Herder, E. Krenning, K. Öberg, G. Rindi, Ph. Ruszniewski und B. Wiedenmann. Es handelte sich bei dieser Veranstaltung um die erste große Fortbildungskonferenz zum Thema „Stand der aktuellen Diagnose und Therapie von angeborenen und sporadischen neuroendokrinen Tumoren des gastroenteropankreatischen Systems“. Vom Organisationskomitee wurde die Hoffnung ausgedrückt, damit den Grundstein für regelmäßige jährliche Konferenzen in Europa zu legen. Zahlreiche exzellente Vorträge wurden präsen- tiert, aus denen wir die wichtigsten Informationen für interessierte Betroffene zusammengefasst haben. Ausflug in die Epidemiologie Frau Professor B. G. Taal, Amsterdam, ging in ihrem Vortrag auf die Häufigkeit (Epidemiologie) von neuroendokrinen Tumoren (NET) ein. Sie machen nur etwa 0,49 % aller bösartigen Erkrankungen aus. NET können prinzipiell überall auftreten, sie können verschiedene Peptide und Hormone produzieren und auch zu einer Vielzahl von komplexen klinischen Bildern führen. Die Neuerkrankungsziffer beträgt etwa 2 pro 100.000 Einwohner pro Jahr, wobei Frauen etwas häufiger betroffen sind, insbesondere aufgrund der Tatsache, dass häufiger junge Frauen an einem Blinddarmkarzinoid erkranken. Die Häufigkeit der Karzinoide ist in Tabelle 1 dargestellt. NET finden sich am häufigsten im Magen-Darm-Trakt (62–67 %) und in der Lunge (22–27 %). Der Ausgangspunkt der Erkrankung bleibt bei 10 % der Patienten unklar. Etwa 12–22 % der Betroffenen haben bereits zum Zeitpunkt der Erstentdeckung Metastasen. Die meisten NET treten sporadisch auf, aber es gibt auch eine familiäre Häufung im Rahmen des MEN-1Syndroms. Die 5-Jahres-Überlebensrate hängt vom Stadium der Erkrankung ab. Bei lokalisierter Erkrankung ist sie mit 93 % sehr hoch, bei Erkrankungen mit regionaler Begrenzung liegt sie bei etwa 74 %. Beim Auftreten von Metastasen ist sie deutlich niedriger, insbesondere wenn die früheren Daten vor Einführung der Therapie mit Octreotid zugrunde gelegt werden. Seit der Einführung von Octreotid im Jahre 1992 ist bei NET die 3-Jahres-Überlebensrate auch bei Patienten mit Fernmetastasen angestiegen. 38 *Glandula Net 6 38 09.08.2004, 22:02 Uhr Neuroendokrine Tumoren Inzidenz (pro Jahr) Karzinoid Insulinom 1 pro 1.000.000 Gastrinom 1 pro 2.000.000 VIPom 1 pro 10.000.000 Glukagonom 1 pro 20.000.000 Somatostatinom 1 pro 40.000.000 GRFom 1 pro 80.000.000 1 pro 400.000 Tabelle 1: NET-Neuerkrankungsrate pro Jahr (nach Krejs, ENET, 2004). Klassifikation und Nachweis anhand von Tumormarkern Professor G. Klöppel aus Kiel bezeichnet die neuroendokrinen Tumoren als „Familie von Individualisten“. Die Klassifikation aufgrund der mikroskopischen und immunhistochemischen Untersuchung unterteilt die Tumoren heute im Prinzip 3 Gruppen: 1. gut differenzierte neuroendokrine Tumoren (NET) 2. gut differenzierte neuroendokrine Karzinome (NEC) 3. schlecht differenzierte neuroendokrine Karzinome Wichtige Tumormarker sind Chromogranin A und Synaptophysin. Wenn Chromogranin A positiv ist, muss auch Synaptophysin positiv sein. Der Nachweis von Chromogranin A und Synaptophysin im Tumor belegt das Vorhandensein eines neuroendokrinen Tumors. Die Färbung mit NSE wird heute als weniger aussagekräftig angesehen. Gut differenzierte Tumoren finden sich nie im Kolon und Ösophagus, schlecht differenzierte Tumoren finden sich nie im Appendix (Blinddarm) und Ileum und selten im Rektum, aber häufig im Kolon. Der Proliferationsmarker Ki 67 erlaubt eine gute Aussage über die Wachstumsgeschwindigkeit des Tumors. Professor Klöppel führte aus, dass Tumoren des Appendix bis zu einer Größe von 2,5 cm praktisch nie streuen oder Kompli- kationen bewirken. Sie produzieren auch keine Hormone. Symptome und Diagnose des Insulinoms Zum Thema Insulinom sprach Professor de Herder aus Rotterdam. Mehr als 90 % der Insulinome sind gutartige kleine solitäre Tumoren. Etwa 7–8 % der Insulinome liegt ein MEN-1-Syndrom zugrunde, auf der anderen Seite treten bei etwa 21 % der MEN-1-Patienten (s. u.) Insulinome auf. Bösartige Insulinome zeigen eine lokale Invasion in das umgebende Gewebe oder Metastasen. Die Patienten mit Insulinomen fallen wegen der Symptome einer Unterzuckerung auf. Diese reichen von Schwitzen, Schwindel, Hunger, Zittern, Übelkeit, Angst und Herzklopfen sowie Doppelbildern, einer eingeschränkten Sehfähigkeit bis hin zu Verwirrung, Krampfanfällen und Koma. Da die Patienten die Unterzuckerung verhindern wollen, essen sie mehr und nehmen erheblich an Gewicht zu. Die Diagnose des Insulinoms bzw. der Hyperinsulinämie wird anhand folgender 4 Kriterien gestellt: 1. Blutzucker unter 40 mg/dl (weniger als 2,2 mmol/l) während des Auftretens von Symptomen 2. Insulinspiegel >6 U/ml (≥43 pmol/l) 3. C-Peptid-Spiegel >0,2 pmol/l 4. Fehlen von Sulfonylharnstoffmetaboliten im Plasma oder Urin. Der empfindlichste und aussagekräftigste Test ist der 72h-Hungerversuch. Viele Insulinome können intraoperativ allein durch Abtasten durch den erfahrenen Chirurgen in Kombination mit einer intraoperativen Ultraschalluntersuchung entdeckt werden. Neben der Endosonographie können auch weitere Untersuchungen wie die portal-venöse Sammlung von Blut (entweder mit oder ohne Infusion von Kalzium oder Sekretin) sowie das Octreoscan durchgeführt werden. Das Octreoscan ist aber nur bei etwa der Hälfte der Insulinome positiv, da nicht alle Insulinome die Somatostatinrezeptor-Subtypen exprimieren, die das radioaktive OctreotidAnalogon auch binden können. Multiple endokrine Neoplasie Typ 1 Professor Calender berichtete über die multiple endokrine Neoplasie Typ 1 (MEN 1). Dabei handelt es sich um eine autosomal dominant vererbbare Erkrankung, welche Nebenschilddrüse, Bauchspeicheldrüse und Hypophysenvorderlappen sowie seltener Nebennierenrinde, Thymus sowie Bronchien befallen kann. Die Häufigkeit wird mit etwa 1:20.000 angegeben. Etwa 10 % der Patienten haben neue MEN-1Mutationen, ohne dass eine Familienvorgeschichte besteht. Bei allen Betroffenen, bei der mehr als eine Drüse erkrankt ist, sollte man immer an das Auftreten einer MEN 1 denken, insbesondere bei Patienten unter 50 Jahren. Eine MEN 1 erfordert immer eine gründliche Untersuchung der möglicherweise befallenen endokrinen Drüsen und eine Hautuntersuchung. Besonderer Wert wird auf eine endoskopische Ultraschalluntersuchung der Bauchspeicheldrüse gelegt (Endosonographie). Die Octreotid-Rezeptor-Szintigraphie ist ebenfalls sehr aussagekräftig, da sie ein umfassendes Screening aller endokrinen Drüsen erlaubt. Das MEN-1-Gen lässt sich im EDTABlut auf Mutationen untersuchen. J. H. 39 ! *Glandula Net 6 39 09.08.2004, 22:02 Uhr Erfahrungsberichte Meine Erfahrungen mit der Nukleartherapie In der Glandula NeT 5-2003 habe ich noch gefragt: „Wer hat Erfahrungen mit der Nukleartherapie?“ Inzwischen kann ich sagen: Ich! Denn vom 2. bis 12. Dezember 2003 habe ich meine dritte Therapie in der Klinik für Nuklearmedizin der Zentralklinik Bad Berka absolviert. Schon die 1. Behandlung besserte die Symptome Das Wachstum der Lebermetastasen stagnierte Bereits nach der ersten Behandlung Anfang Juni 03 (ca. 3,0 Gbq Y90 DOTATOC), die ich ohne irgendwelche Nebenwirkungen vertragen habe, begann sich eine deutliche Besserung der Symptome (Flush und Stuhlgang) abzuzeichnen. Hatte ich im März und April noch täglich mindestens eine starke Flushreaktion, zeitweise mit Hitzewelle und Atemnot, reduzierte sich das nach der Therapie auf leichte bis mittlere Flushs gänzlich ohne Atemnot und nur noch gelegentlich mit Wärmegefühl. Mein Lebensgefühl machte einen deutlichen Sprung nach oben. Auch der Stuhlgang normalisierte sich entscheidend. Auf Anraten des behandelnden Arztes in Bad Berka habe ich das Spritzen von Sandostatin, das ich zur Behandlung unterbrechen sollte, nicht wieder aufgenommen, so dass ich seit dem 28. Mai 03 – von jetzt auf dann – kein Sandostatin mehr spritze. Auch hier zeigten sich keine nennenswerten Folgen, von einer kurzzeitigen Gallenüberproduktion mal abgesehen. Meine zweite Nukleartherapie erfolgte dann im September 03. Bei den Voruntersuchungen zu dieser Behandlung konnte eine Stagnation des Wachstums der Metastasen auf der Leber festgestellt werden. Sowohl das Ärzteteam in Bad Berka als auch ich waren angenehm überrascht und sehr zufrieden. Ich bekam jetzt eine Dosis von ca. 3,5 Gbq Y-90. Auch diese Erhöhung habe ich sehr gut vertragen. Ohne irgendwelche Beschwerden wurde ich am 25. September 03 entlassen. Die Auswirkungen dieser Behandlung waren augenscheinlich: Im gesamten Oktober 03 hatte ich nur einen sehr schwachen, nur durch Zufall bemerkten Flush. Der Stuhlgang ist wieder völlig normal. Im November 03 waren es vier Flush-Reaktionen, die ebenso kaum erwähnenswert waren wie die im Oktober. Mit dem Ergebnis bin ich überaus zufrieden zwei Therapien. In der Voruntersuchung stellte sich heraus, dass 1. die Größe der Leber zurückgegangen ist, 2. die Anzahl der Metastasen sich verringert hat (vier Strahlungsechos sind verschwunden, die restlichen deutlich schwächer) und 3. die Stoffwechselvorgänge in den Metastasen rapide abgenommen haben. Die erneute Erhöhung der Dosis auf jetzt ca. 5 Gbq Y-90 vertrug ich ebenso problemlos wie die vergangenen Therapien. Im Ergebnis kann ich sagen, dass mir die nuklearmedizinische Behandlung mit Y-90 in Bad Berka sehr geholfen hat und ich diese Therapie jedem Betroffenen empfehlen kann. Unverständlich ist mir jedoch bis heute die Diskussion über die Zulassung bzw. Nichtzulassung dieser Behandlungsmethode in Deutschland. Es muss doch möglich sein, die entsprechenden Stellen oder Behörden zu einer eindeutigen Aussage zu bringen, damit die Mediziner, die dieses Verfahren seit Jahren erfolgreich anwenden, auch die ihnen gebührende Anerkennung erfahren. Meine uneingeschränkte Anerkennung haben sie auf alle Fälle! Meine dritte Behandlung verlief genauso wie die vorangegangenen 40 *Glandula Net 6 40 09.08.2004, 22:03 Uhr Winfried Müller, Dieskau Erfahrungsberichte Karzinoidmetastasen am Bauchfell – was tun? Im Mai 1985, also vor 19 Jahren, hatte ich (Jahrgang 37) zum ersten Mal starke Bauchschmerzen. Zunächst habe ich mir nicht viel Sorgen gemacht. Weil sich jedoch in den nächsten Jahren diese Schmerzanfälle 1- bis 2-mal jährlich wiederholten, habe ich die Daten festgehalten und nun nach 19 Jahren insgesamt 26 Anfälle registriert. Schmerzen und viele Verdachtsdiagnosen Die Schmerzen stellten sich meistens gegen Abend ein, dauerten unterschiedlich lange bis zu 9 Stunden und waren manchmal spontan zu Ende. Ein Krankenhausaufenthalt 1992 mit Röntgen, Ultraschall usw. brachte kein Ergebnis. Mein Hausarzt vermutete eine Einknickung oder Ähnliches im Dünndarm. Die Schmerzanfälle habe ich mit Schmerzzäpfchen gemildert und meistens konnte ich am Folgetag wieder arbeiten und normal essen. Die Anfälle waren jedoch sehr belastend und so habe ich mich Anfang diesen Jahres entschlossen, der Sache auf den Grund zu gehen. In der Viszeral-Chirurgie unseres hiesigen Krankenhauses wurde die Diagnose „Verdacht auf Spiegelsche Hernie“ (eingeklemmter Darm durch Bruchpforte) gestellt und eine Koloskopie (Darmspiegelung), Gastroskopie (Magenspiegelung), eine Ultraschalluntersuchung, sowie ein CT angeordnet. Diese Untersuchungen brachten bis auf einige vergrößerte Lymphknoten kein Ergebnis. Der histologische Befund war ein Schock für mich Bei der anschließenden Laparoskopie wurden Lymphknoten entnommen. Hierbei zeigte sich ein, so wörtlich im OP-Bericht: „Hochsuspekter Befund an der Bauchwand und im kleinen Becken, wie bei einer Peritonealkarzinose“. Eine histopathologische Begutachtung bestätigte: Fettgewebsmetastasen eines Karzinoidtumors! Das heißt, mein Bauchfell und das kleine Becken sind mit Metastasen übersät und der Primärtumor ist nicht gefunden worden. Für mich war das ein Schock, denn ich bin sonst gesund und fit und eigentlich nie im Leben krank gewesen. Überwiesen an die Innere Abteilung des gleichen Krankenhauses, wurde ich nach typischen Symptomen wie Flush, Durchfall usw. befragt. Da das alles nicht zutraf, musste es sich um ein „nichthormonbildendes Karzinoid“ handeln. Es wurden eine 5-HIES-Urinuntersuchung (5-HIES = 5-Hydroxy-Indol-Essigsäure, Anm. der Red.) und eine Octreotid-Szintigraphie durchgeführt. Ergebnis: Ein Karzinoid befindet sich im Dünndarmbe- reich, wo genau, ist nicht bekannt; keine Metastasen in Leber, Lunge und Skelett. Der behandelnde Arzt hat mir geraten, nichts zu unternehmen und abzuwarten, ob sich etwas wesentlich verändert. Er empfiehlt eine Kontrolluntersuchung in 5 Monaten und meint: „Damit können Sie alt werden.“ Was soll ich nun tun? Obwohl ich mich total gesund fühle, geht mir diese Bedrohung natürlich nicht aus dem Sinn und ich habe viele Fragen: Gibt es irgendwo Leidensgenossen mit gleichen Symptomen? Ist den beratenden Ärzten des Netzwerks so ein Fall bekannt und was raten sie mir? Gibt es jemanden, der so etwas doch operieren kann? Ist es ratsam, wenigstens den Primärtumor zu finden und zu operieren? Ist es richtig, dass meine Bauchschmerzanfälle durch einen „Hormonschub“ des Karzinoids ausgelöst werden? – Dann hätte ich das Ding ja schon 19 Jahre lang! Antworten bitte an: [email protected] 41 *Glandula Net 6 41 09.08.2004, 22:03 Uhr Erfahrungsberichte Wie ich meine Organe behielt oder: Eine keineswegs „wissenschaftlich belegte“ Geschichte Vor einem Jahr habe ich bereits mit dem Schreiben angefangen – nun will ich endlich meinen Beitrag für die Glandula NeT fertigstellen, zumal sich einige Mitbetroffene für meine Geschichte sehr interessieren. Hier in der BioMed-Klinik Bad Bergzabern (Südpfalz) habe ich auch wieder etwas Zeit für solche Dinge. Ich fahre immer wieder gern in diese Klinik, da ich nach jedem Aufenthalt den Eindruck habe, bei meinem „recht natürlich gestalteten“ Heilungsprozess ein Stück weiter gekommen zu sein. Allein die Tatsache, dass hier nicht nur das „medizinisch notwendige“ Programm „abgespult“, sondern im Rahmen der Möglichkeiten auf begleitende Probleme des Patienten eingegangen und versucht wird, die Erkrankung ganzheitlich positiv zu beeinflussen, machte mir bisher sehr viel Mut. Wiederkehrende Bauchschmerzen führten mich in die Klinik Es war im Januar 2001, ich war erst 32 Jahre jung, hatte gerade eine Familie gegründet und war als Projektleiter in einer AnlagenbauFirma frisch eingestellt worden – also eigentlich alles super, wären da nicht die immer wiederkehrenden Bauchschmerzen gewesen. Als ich wegen anderer „Wehwehchen“ mal wieder bei meiner Hausärztin vorbeischauen musste, erzählte ich ihr auch davon. Da die letzte Magenspiegelung schon etwa 6 Jahre zurücklag, plädierte sie für eine Wiederholung – rein zur Vorsorge. Der Gastroenterologe überwies mich nach der Untersuchung sofort in die Uni-Klinik. Dort hatte ich das Gefühl, als wollte irgendwer an mir erst seine Doktorarbeit schreiben. Man schickte mich zur HNO-Untersuchung und zum Lungentest. Auf dem Rückweg von der 3. Gastroskopie ließ mich die Neugier in meine Unterlagen sehen und es beunruhigte mich sehr, von einem Verdacht auf ein Magenkarzinom lesen zu müssen. Im medizinischen Wörterbuch fand ich, dass ein Karzinom auch bösartig sein kann. Noch mehr beunruhigt, fragte ich bei der nächsten Visite die Stationsärztin, was an diesem Verdacht denn dran sei. Sie wurde etwas rot im Gesicht und suchte nach Worten, bis sie endlich murmelte: „Ehm, wir müssen erst noch den (3.) histologischen Befund abwarten, bis wir Genaueres sagen können. Aber wir können auch nicht mehr ausschließen, dass es sich bei Ihnen um etwas Bösartiges handelt.“ Obwohl ich eigentlich normalerweise sehr optimistisch bin, waren die nächsten 5 Tage doch ziemlich belastend. Niederschmetternde Diagnose auf nüchternen Magen An dem Tag, als ich entlassen werden sollte, empfahl mir die Stati- Henri Auer, BS-NET e.V., Ansprechpartner Gruppe Sachsen onsschwester, frühmorgens gleich zum Oberarzt zu gehen. Von ihm wurde mir (noch halb verschlafen und auf nüchternen Magen) Folgendes mitgeteilt: „Es gibt zwar da noch einige Widersprüche, aber wir müssen jetzt davon ausgehen, dass es sich bei Ihnen um einen bösartigen Tumor handelt, der von der Bauchspeicheldrüse aus durch die Magenwand hindurch gewachsen ist, weitere Metastasen in Richtung Leber und Milz gebildet sowie 3 Bauchvenen teilthrombosiert hat und damit nach meiner Einschätzung nicht operabel ist. Wenn wir den MRT-Befund haben, werde ich dennoch den Chirurgen konsultieren. Rufen Sie mich in der nächsten Woche am Dienstag wieder an.“ Als wenn das noch nicht genug gewesen wäre, fügte er hinzu: „Ihre Lebenserwartung hat sich damit natürlich stark reduziert, also machen Sie alles fertig.“ Nun war ich hellwach und reagierte völlig aus dem Bauch heraus: „Es gibt doch aber auch Ausnahmen.“ Wahrscheinlich etwas überrascht von meiner Reaktion, konnte der Oberarzt meine Aussage nicht bestreiten. Chemotherapie nach dem Tübinger Protokoll Wenig später schlug man mir als einzigste konventionelle Behandlungsmethode eine Chemotherapie 42 *Glandula Net 6 42 09.08.2004, 22:03 Uhr Erfahrungsberichte nach dem so genannten „Tübinger Protokoll“ vor. Ohne Erfahrung und voller Hoffnung willigte ich in die Vorschläge der Ärzte ein, ließ mir ein Port-System legen, nahm Übelkeit, Erbrechen, Blut- und Schleimhautzerstörungen, Verstopfung und eventuelle Spätfolgen an Nieren, Herz und Nervensystem in Kauf, nur um wieder gesund zu werden. Nach 2 Zyklen à 6 Wochen Chemotherapie wurde ich nochmals per MRT untersucht. Das Resultat: keine Größenveränderung des Tumors. Damit waren wohl die UniÄrzte nicht ganz zufrieden, denn sie schlugen mir vor, das „ältere Schema“ für Magenkrebs-Erkrankungen auszuprobieren, was ja auch schon einigen Patienten geholfen hätte. Zwischenzeitlich hatte ich erste Kontakte zur Gesellschaft für biologische Krebsabwehr (GfbK), die mir einerseits erklärte, was man auf komplementärem (ergänzendem) Weg noch alles im Kampf gegen den Krebs unternehmen könnte, und mir andererseits eine ganzheitliche Behandlung in Bad Aibling (Oberbayern) anbot. Da meine Krankenkasse jedoch nicht bereit war, die Kosten für eine „unkonventionelle“ Behandlung in einer Privatklinik zu übernehmen, vertraute ich zunächst weiterhin dem Können der Universitäts-Ärzte. Kontakte zur Komplementärmedizin In den folgenden Wochen erlebte ich etwas für mich sehr Erstaunliches. Mein Bruder besuchte einen Kongress für komplementäre Medizin in Wilhelmshaven und er erzählte mir von interessanten ergänzenden Diagnostik- und Behandlungsmethoden sowie von einem Arzt, der die Patienten anfasste und danach aus ihrem Leben plauderte. Diesen Arzt rief ich bald darauf an, und als ich von meiner Diagnose berichtete, erwiderte er sogleich: „Da stimmt etwas nicht!“ Bald darauf schickte ich ihm einen Blutstropfen auf einer Serviette und er empfahl mir, ihn einmal in seiner Privatpraxis in Bad Arolsen (Nordhessen) zu besuchen. Da ich zwischenzeitlich erkennen musste, dass die Ärzte der Uni-Klinik „mit ihrem Latein am Ende waren“, bat ich meinen (Haus-)Onkologen, mich in die ganzheitlich behandelnde Veramed-Klinik in Meschede (Sauerland) einzuweisen. Bei meinen Recherchen hatte ich nämlich herausgefunden, dass diese Behandlung von der Krankenkasse getragen wird und ich dort eventuell eine vielversprechende „Krebs-Mehrschritt-Therapie“ nach Prof. Manfred von Ardenne (Kombination Chemotherapie + Hyperthermie + Sauerstofftherapie) bekommen könnte. In der Klinik wollte man sich jedoch diese Behandlungsoption noch aufsparen und schlug mir die Durchführung einer lokoregionalen Chemotherapie in Kombination mit Hyperthermie bei einem Onkochirurgen in Hammelburg (bei Würzburg) vor. Da dieser Arzt jedoch noch im Urlaub war, konnte ich noch angenehmere Behandlungsmethoden wie Wanderungen und Radfahrten im „Land der 1000 Berge“, O2-Therapie, Enzym-, Thymus- und Vitamin-Gaben, Koch-Kurse und Kneipp-Anwendungen kennen lernen. Außerdem besuchte ich diesen „eigenartigen“ Doktor in Bad Arolsen, was von der Klinik nur ca. 60 km entfernt war. Er untersuchte mich rein kinesiologisch, ohne Unan- nehmlichkeiten, Schmerzen oder gar Wunden zu erzeugen, und sagte mir dann, dass ich keinen Magenkrebs, sondern so etwas wie ein „Neurinom“ haben würde. Weiterhin riet er mir von jedem weiteren „schulmedizinischen Experiment“ ab. Am nächsten Tag erzählte ich meine Erlebnisse dem Stationsarzt der Veramed-Klinik und der verließ daraufhin etwas „verdattert“ das Zimmer. Nur wenige Zeit später jedoch kam er wieder, um mir klar zu machen, dass ich mich da irgendwie in etwas verrennen würde – schließlich gäbe es ja einen histologisch gesicherten Befund. Operativ ist nichts mehr zu machen Ich entschied mich daraufhin, eine Gewebeprobe in die Robert-Rössle-Klinik nach Berlin-Buch zu schicken und fuhr eine Woche später hinterher. Dort erbrachte die histologische Untersuchung, dass es sich bei mir um ein hochdifferenziertes neuroendokrines Karzinom handelt, und der Aufnahme-Arzt fügte hinzu: „Es bleibt leider beim bösartigen Tumor“. Es folgte eine erneute Gastroskopie, wobei man beim ersten Versuch, vom Zwölffingerdarm Gewebe zu entnehmen, ein Blutgefäß so verletzte, so dass ich nach ca. einem Liter Blutverlust auf der Intensivstation aufwachte. Als die Diagnose durch den stark erhöhten Chromogranin-Wert sowie die Szintigraphie gesichert war, wollte man den Versuch einer Operation wagen. Erst kurz vor der Narkose teilte man mir mit dass mir, wenn ich wieder aufwachen würde, Magen, Bauchspeicheldrüse, Milz + x fehlen könnten. Da ich endlich 43 *Glandula Net 6 43 09.08.2004, 22:03 Uhr Erfahrungsberichte diesen metastasierten Tumor verlieren wollte, stimmte ich diesem Eingriff zu. Wieder auf der Intensivstation erwacht, erklärten mir die Ärzte, dass man operativ nichts für mich tun könnte. Ratsamer wäre es, mich auf internistischem Weg weiter zu behandeln, womit weiteres Tumorwachstum hoffentlich verhindert bzw. eingegrenzt werden könnte. Chemotherapie brachte das Tumorwachstum zum Stillstand Bereits einige Wochen danach stellte sich heraus, dass der Tumor wieder deutlich gewachsen war. Daraufhin wurde ich mit Sandostatin LAR behandelt. Wenige Wochen später bekam ich einen Aszites (Bauchwassersucht). Als ich mich wie im „10. Monat“ fühlte und mein Onkologe nach der Nadel griff, liefen bereits 5 Liter aus dem Bauch. Die Punktion musste danach bis zu 2x wöchentlich wiederholt werden und der Tumor wuchs dabei munter weiter. Daraufhin empfahl mir mein Onkologe eine erneute Chemotherapie mit Streptozotocin/5-FU. Gleich nach der ersten „Chemo“ hatte ich das Gefühl, wieder „auf dem aufsteigenden Ast“ zu sein. Nach der 3. Woche stoppte der Aszites und nach der 6. Woche bestätigte auch das MRT: Stillstand. Weitere Fortschritte dank ganzheitlicher Therapie Etwa zur gleichen Zeit konnte ich auf einem Kongress der Gesellschaft für biologische Krebsabwehr mit dem Ärztlichen Direktor der BioMed-Klinik in Bad Bergzabern ein paar Worte wechseln. Er empfahl mir, langsam von der Chemotherapie Abstand zu nehmen bzw. sie wenigstens mit Hyperthermie zu kombinieren, um die sich entwickelnde Resistenz des Tumors wieder zu durchbrechen. Voller neuer Hoffnung überzeugte ich meinen Onkologen, dass eine Behandlung in dieser Klinik wohl jetzt der beste Anschluss für mich sei. Und da diese Klinik auch einen Versorgungsvertrag mit allen gesetzlichen Krankenkassen hat, machte ich mich auf den Weg dorthin. Nach anfänglichem „Rätselraten“ entschieden sich die Ärzte dort für eine Behandlung mit 2x tgl. 100 µg Sandostatin + 3x wöchentl. 3 Mio. Einheiten Interferon + regionaler Tiefenhyperthermie auf den Oberbauch als Grundbehandlung. Sie hatten die Erfahrung gemacht, dass die regelmäßige Gabe von Sandostatin zuverlässiger ist. Ich hatte anfänglich etwas mit krampfartigen Bauchschmerzen zu kämpfen, doch auch dafür hatten die Ärzte etwas parat. Andererseits ließen schon allein die Luftveränderung, das angenehme Umfeld in einer wohnlich eingerichteten Klinik, die Gespräche mit anderen Patienten und nach meiner Einschätzung sehr guten Psychologen, das Gläschen Rotwein in gemütlicher abendlicher Runde oder auch die blühenden Obstbäume am Spazierweg die gesundheitlichen Probleme zeitweise vergessen. Man spürt, wie das Personal in solch einer ganzheitlich behandelnden Klinik vor allem darauf Wert legt, dass es dem Patienten gut geht – oder fachlich ausgedrückt, dass die Lebensqualität individuell unterschiedlich maximiert wird, ohne eine kompetente schulmedizinische Behandlung zu vernachlässigen. Da die Bauchschmerzen mehr und mehr nachließen, führte ich die kombinierte Behandlung mit Sandostatin und Interferon auch daheim weiter fort. Die nächste MRTUntersuchung brachte eine überaus erfreuliche Neuigkeit: Der Tumor hatte sich im letzen Vierteljahr um mehr als die Hälfte zurückgebildet! Ende 2002 konnte ich bei meinem früheren Arbeitgeber einen „MiniJob“ verrichten und fühlte mich super, als ich wieder mein Büro betreten konnte. Ich wollte ab sofort zwar mit der Krankheit, aber nicht mehr nur für die Krankheit leben, indem ich mich auch wieder mit Dingen aus meinem vorhergehenden Leben in Gesundheit beschäftige. Im Januar 2003 ging es wieder in die (MRT-)Röhre und ich durfte abermals von Rückbildungen lesen. Man wagte sogar schon davon zu sprechen, dass „kein tumoröses Gewebe mehr nachweisbar“ wäre. Dieser Befund bestätigte sich in den nachfolgenden vierteljährlichen Verlaufskontrollen. Im Herbst 2003 stellte sich jedoch ein Verdacht auf neue Metastasierung an der Milz heraus. Ich telefonierte daraufhin sofort nach Bad Arolsen und mir wurde per Ferndiagnose bestätigt, dass es eine geringe „Information“ gibt, wogegen etwas unternommen werden sollte. Ohne Zeit zu verlieren, fuhr ich mit diesen „Defekten“ und einer Magen-Darm-Infektion zu dem Arzt nach Nordhessen und hatte bereits auf der Rückfahrt das Gefühl, dass mir die Behandlungen dort für all meine gesundheitlichen Probleme enorm geholfen haben. Trotzdem war ich in der anschließenden Wartezeit auf ein Octreoscan sehr beunruhigt und ich arbei- 44 *Glandula Net 6 44 09.08.2004, 22:03 Uhr Erfahrungsberichte tete an mir, die immer wieder gute Ferndiagnose aus Bad Arolsen anzunehmen. Außerdem ließ ich mich von einem Heilpraktiker aus Dresden mit Thymus- und homöopathischen Präparaten behandeln. Anfang Januar 2004, bevor ich wieder zur Behandlung in die BioMed-Klinik nach Bad Bergzabern aufbrechen wollte, bekam ich endlich wieder zwei schulmedizinische Befunde, die besagten, dass es zwar einen dringenden Verdacht auf Somatostatin-Rezeptor-positives Gewebe an meinen bekannten Rest-Tumor-Stellen im Oberbauch gebe, das MRT jedoch wiederum keinen Tumor und keine Metastase erkennen ließe. Jeder muss seinen Weg zu einer erfolgreichen Therapie selbst finden Obwohl ich mir als praxisorientierter Ingenieur die Mechanismen im menschlichen Körper gern immer irgendwie erklären will, haben mir wohl letztendlich nicht unbedingt die wissenschaftlich oder statistisch belegten Erkenntnisse, sondern viel mehr der Glaube an bisher noch teilweise unvorstellbare Vorgänge sowie an die Heilung jeder auch noch so schweren Krankheit über viele Verletzungen hinweggeholfen. Ich bin überzeugt davon, dass es sich bei Tumorerkrankungen um ganzheitliche Störungen der Energie- und Stoffwechselvorgänge handelt, die unter diesem Aspekt näher erforscht sowie ganzheitlich bzw. ursächlich behandelt werden müssten. Aber keiner weiß bisher, wieviel „Schalter angeknipst“ werden müssen, damit die „Maschine“ wieder „rund läuft“. Da ich selbst die Erfahrung machen musste, wie grausam sich die rein schulmedizinische Therapie auf den Körper auswirkt, wünsche ich jedem kranken Menschen, dass er so schnell wie möglich seinen Weg zu einer erfolgreichen Therapie bei hoher Lebensqualität findet. Ich bin bisher gut damit gefahren, zwar alle Vorschläge gut zu überdenken, aber einfach auch einmal etwas oder jemandem zu glauben, ohne zu wissen, warum das so ist. – Denn Glaube kann eben doch manchmal Berge versetzen! Henri Auer, BS-NET e. V., Ansprechpartner Gruppe Sachsen BioMed-Klinik, Bad Bergzabern 45 *Glandula Net 6 45 09.08.2004, 22:03 Uhr Erfahrungsberichte Ich hoffe, es bleibt noch lange so Im November 2000 unterzog ich mich in der Klinik einer RoutineKontroll-Koloskopie. Bis dahin wurde jährlich eine Rektoskopie durchgeführt, da ich 1984 eine Darmfistel-Operation hatte. Alle Untersuchungen waren immer ohne Befund. krankung meines Erachtens sehr intensiv beschäftigt und sich darüber informiert, so dass ich mich in sehr guten Händen fühlte. Auf ihr Anraten wurden regelmäßige Kontrollen durchgeführt und auf eine medikamentöse Behandlung verzichtet, solange die Absiedlungen in Anzahl und Größe stagnierten. Nur eine kleine Geschwulst im Rektum... Bei der Koloskopie wurde eine kleine Geschwulst (Durchmesser ca. 0,5 cm) festgestellt. Sie lag im Rektum, aber an einer Stelle, wo man sie bei der Rektoskopie schwer sehen und nicht mehr ertasten konnte. Ich war fassungslos und suchte einen Proktologen auf, der eine Gewebeprobe entnahm und sie ans Labor zur Untersuchung schickte. Am selben Tag noch erhielt ich den Befund: Karzinoid. Mit dieser Diagnose mussten ich und meine Familie sich nun auseinandersetzen. ...aber bereits Metastasen in der Leber Im Dezember 200 wurden im Krankenhaus München-Bogenhausen die notwendigen Untersuchungen wie Computertomographie, Sonographie, Octreotid-Szintigraphie usw. durchgeführt. Leider wurde dabei – wovon zuvor aufgrund der kleinen Tumorgröße keiner der Ärzte ausging – eine Metastasierung in der Leber festgestellt (3 große und viele kleine Metastasen). Ich wurde am Rektum operiert und der Primärtumor konnte zum Glück abgetragen werden. Die Ärzte haben sich mit dieser seltenen Er- Durch den Kontakt zur Selbsthilfegruppe wuchs mein Optimismus Im Internet wurde ich auf das Netzwerk Neuroendokrine Tumoren aufmerksam. Anfang 2001 fuhr ich zum ersten Mal nach Erlangen zu einem Treffen der Selbsthilfegruppe. Die Gespräche mit Frau Dr. Pavel sowie die Kontakte zu anderen Betroffenen haben mich in meinem Optimismus gestärkt. Vierteljährliche Untersuchungen in München zeigten die Stabilität der Metatstasen. Ich hatte keinerlei Flushs und Durchfälle oder sonstige Beschwerden und fühlte mich sehr fit. Man kontrollierte weiterhin regelmäßig. Rückgang der Tumorgröße durch 90Yttrium-DOTATOC Nach etwa einem Jahr fingen die Absiedelungen ordentlich zu wachsen an, die größte Referenz-Metastase erreichte einen Durchmesser von ca. 7 cm. Daraufhin wurde ich mit Sandostatin und Interferon behandelt. Da mein Allgemeinbefinden zu dieser Zeit etwas beeinträchtigt war und die Therapie keine positive Wirkung auf das Tumorwachstum hatte, wurde mir von den Ärzten in München und Erlangen die 90Yttrium-DOTATOC-Behandlung empfohlen. Frau Dr. Pavel meldete mich dazu im Kantonsspital Basel an. Im Oktober 2002 fand dort dann die erste Behandlung statt. Die Therapie vertrug ich relativ gut. Leider lehnte die Krankenkasse die Kostenübernahme für diese Behandlung ab. Die erste Kontrolluntersuchung (MRT und Sonographie) im Februar 2003 ergab eine Verkleinerung der Referenz-Metastase, im Juni nochmals und im Oktober war der Durchmesser der Metastase auf 5,3 cm zurückgegangen. Über das Ergebnis der Behandlung waren nicht nur ich und meine Familie glücklich und zufrieden; es freuten sich auch alle mich behandelnden Ärzte, bei denen ich mich nochmals herzlich bedanken möchte. Nachdem ich weiterhin keinerlei Flushs und Durchfälle habe, nehme ich bis dato weder Sandostatin noch Interferon. Mein Hausarzt führt die regelmäßigen Blutkontrollen durch; die Werte haben sich zwischenzeitlich ziemlich normalisiert. Mir geht es gut und ich bin voller Energie und Zuversicht. Ich hoffe, dass mein Befinden noch sehr lange anhält. J. S.* * Name und Anschrift sind der Redaktion bekannt. Ihre Zuschriften leiten wir gerne weiter. 46 *Glandula Net 6 46 09.08.2004, 22:03 Uhr Erfahrungsberichte Ich kam zur Diagnose MEN 1 wie die Jungfrau zum Kind Eigentlich war ich immer von robuster Natur und wenig krank bis zu meinem 31. Lebensjahr. Anfang der 90er Jahre wurde zufällig ein Schilddrüsenknoten entdeckt, der nach wiederholter Beobachtung und Punktion 1993 operiert wurde, weil die Feinnadelpunktion das Ergebnis einer follikulären Neoplasie erbrachte. Da sich Schilddrüsenkrebs nach Angaben der Ärzte mit Sicherheit nur durch eine histologische Beurteilung ausschließen lässt, erfolgte eine Hemityhreoidektomie. Mit dem Ergebnis eines follikulären Adenoms, also ein völlig harmloser Befund. Viele unspezifische Beschwerden reihten sich aneinander Seit 1992 stellten sich ganz diskret unspezifische Beschwerden ein: Tendenz zu leicht erhöhtem Blutdruck, Neigung zu Tachykardie, Abgeschlagenheit und Erschöpfung, Vergesslichkeit (Namen, Telefonnummern). Man findet sehr leicht Erklärungen für diese harmlos erscheinenden allgemeinen Symptome wie Stress, Nervosität usw. 1994 hatte ich plötzlich starke Nierenkoliken. Es wurde ein winziger Nierenstein entdeckt, der sich im Harnleiter befand und der mit einer Schlinge entfernt wurde. Die Kalziumausscheidung im Urin war zu dieser Zeit vollkommen unauffällig. Da es sich um einen sehr heißen Sommer handelte, fand man sehr schnell eine mögliche Erklärung für diese Episode: Vermutlich hatte ich zu wenig getrunken. 1997/98 nahmen die Beschwerden im Nierenbereich wieder etwas zu und ich konsultierte einen Urologen, der einen Nierenkelchstein feststellte. Dieser war wesentlich größer als bei der ersten Episode. Ein Versuch, diesen Stein mit Hilfe einer ESWL-Behandlung zu entfernen, blieb erfolglos. Neben den o.g. unspezifischen Beschwerden hatte ich abends oft leicht erhöhte Temperatur, leichte Gelenkbeschwerden und manchmal ein leichtes Grippegefühl im Kopf. Erhöhte Werte für Parathormon und Kalzium lenkten die Aufmerksamkeit auf die Nebenschilddrüse Mir kam das Ganze irgendwie komisch vor und ich befürchtete eine Systemerkrankung. Deshalb ließ ich mich einige Tag stationär durchchecken bezüglich Sarkoidose. Diese Erkrankung konnte zum Glück ausgeschlossen werden. Alle Laborwerte einschließlich der Schilddrüsenparameter waren unauffällig mit Ausnahme der Alkalischen Phosphatase, die minimal verändert war. Also Gott sei Dank alles in Ordnung. Da ich jedoch keine Ruhe gab, kam mein Urologe auf die Idee, Parathormon und Kalzium zu bestimmen. Und siehe da, 2 Monate nach dem stationären Aufenthalt waren beide Werte bei wiederholten Messungen eindeutig erhöht. Mit Hilfe bildgebender Verfahren konnte jedoch keine Vergrößerung der Nebenschilddrüsen festgestellt werden. Aufgrund der eindeutigen Laborwertkonstellation wurde jedoch eine möglichst baldige Nebenschilddrüsenoperation empfohlen. Ich wendete mich an eine in der Nebenschilddrüsenchirurgie erfahrene Klinik in München. Eine Woche später hatte ich einen Termin für die stationäre Aufnahme und die Parathyreoidektomie. Nach allen Kriterien (makroskopische Beurteilung, Schnellschnitt und intraoperativer Parathormontest) war nur eine Nebenschilddrüse vergrößert, die entfernt wurde. Ich war heilfroh und erleichtert, dass eine konkrete Ursache für all die Beschwerden und Symptome gefunden war und diese endlich beseitigt werden konnten und habe mir keine großen Gedanken mehr gemacht. Aus Interesse besorgte ich mir Fachliteratur zum Thema Hyperparathyreoidismus Da ich medizinisch schon immer sehr interessiert war und selbst in diesem Bereich arbeite, also das „Medizinsystem" ganz gut kenne, wollte ich zum „Abschluss dieser Episode" (primärer Hyperparathyreoidismus) Fachliteratur lesen. Ich besorgte mir Artikel aus führenden englischsprachigen Fachzeitschriften und begann „rund um den Hyperparathyreoidismus" zu lesen und begriff, worum es dabei geht. Dabei wurde am Rande auch immer wieder auf Sondervarianten bei MEN 1 und 2 hingewiesen und diese Ekrankung, von der ich noch 47 *Glandula Net 6 47 09.08.2004, 22:03 Uhr Erfahrungsberichte nie gehört hatte, kurz skizziert. Ich dachte mir dabei immer: „Was es alles gibt, unglaublich!" Ich wäre damals nie auf die Idee gekommen, dass ich selbst diese Erkrankung haben könnte. Für mich war die „Sache" ein für alle Mal erledigt, zumal es mir körperlich wieder recht gut ging. Waren meine Beschwerden rein psychosomatisch bedingt? 2001 bekam ich plötzlich Muskelzuckungen (Faszikulationen) am ganzen Körper und Schmerzen in der Muskulatur. Ich bin sehr erschrocken und war irritiert, als diese Beschwerden auch nach einigen Wochen nicht aufhörten. Beim Arzt wurden Elektrolyte einschließlich Kalzium und Parathormon gemessen – alles unauffällig, also konnte es davon auch nicht kommen. Außer einer leichten Schilddrüsenunterfunktion (operationsbedingt kleiner Rest vorhanden) wurde nichts gefunden. Ich konsultierte einen Neurologen, um Erkrankungen des motorischen Systems, die Jahre, bevor sie richtig ausbrechen, so beginnen können, auszuschließen. Er konnte nichts Auffälliges feststellen. Weil man keine Ursache fand, war eine mögliche Erklärung ärztlicherseits sehr schnell gefunden. Wahrscheinlich handele es sich um eine somatoforme Störung, also im weitesten Sinne „psychosomatisch" bedingte Beschwerden. Da ich mir auch keine andere Erklärung wusste, vermutete ich, dass es wahrscheinlich so sein werde. Tief im Inneren war ich mir jedoch immer ganz sicher, dass es eine somatische Ursache gibt. Die Beschwerden blieben bestehen und ich beschloss, eine psychosomatische Klinik aufzusuchen, um eventuell Besserung zu erfahren. Dort stellte man eine immer noch bestehende Hypothyreose fest und gab mir stärkere Schilddrüsentabletten. Nach Wochen und Monaten besserte sich diese Symptomatik dann endlich ganz langsam. Sechs Wochen nahm ich dort an verschiedenen Therapien teil. Damals wusste ich noch nicht, was ich heute weiß über subklinische Hypothyreose, Endokrinologie, rezidivierenden Hyperparathyreoidismus usw. In dieser Zeit hatte ich manchmal weichen Stuhl, rasches Hungergefühl und Brustspannen. Hat doch jeder mal? Ich dachte mir nichts dabei. Die Frage nach „Kalziumproblemen" in meiner Familie führte mich auf die richtige Spur Die Beschwerden mit der Muskulatur besserten sich zusehends. Bezüglich der Schilddrüse konsultierte ich einige Monate später einen Endokrinologen, eigentlich mehr aus Interesse, weniger weil ich mir Sorgen um meine Gesundheit machte. Als ich meine Beschwerden schilderte, vermutete er, dass wieder etwas mit dem Parathormon nicht stimmen könnte, und fragte mich, ob in meiner Familie Probleme mit den Kalziumwerten bekannt seien. Ich verneinte dies, mir war diesbezüglich nichts bekannt. Die Sache mit der Nebenschilddrüse war zu diesem Zeitpunkt für mich vollkommen abgehakt und erledigt. Das Ergebnis der Untersuchung war nicht dramatisch, aber doch nicht ganz in Ordnung: Das PTH war leicht erhöht bei normalem Kalzium, der Prolaktinspiegel war leicht erhöht, ansonsten lagen alle Werte im Normbereich. Der Endokrinologe empfahl Vitamin D und vermutete einen sekundären Hyperparathyreodismus; eine Kontrolle sollte in 6 Monaten erfolgen. Ich dachte mir immer noch nichts, der Fall war ja klar. Außerdem war ich bei einem namhaften Spezialisten in Behandlung. Ich erinnerte mich jedoch an die Artikel, die ich gelesen hatte, und die Problematik bei wiederkehrendem Hyperparathyreoidismus, die jedoch nach erfolgter Operation sehr selten auftritt. Als ich die Artikel noch einmal durcharbeitete (nach 4 Jahren) und dabei auch wieder über MEN „stolperte", fiel mir ein, dass es in der Familie meines Vaters einige Auffälligkeiten gab, die vielleicht in diese Richtung weisen könnten. 48 *Glandula Net 6 48 09.08.2004, 22:03 Uhr Erfahrungsberichte Die Schwester meines Vaters verstarb 1984 im Alter von 48 Jahren an den Folgen einer unklaren Bauchspeicheldrüsenerkrankung (Lebermetastasen). Da keine Autopsie erfolgte, blieben genauere Umstände der Erkrankung unklar. Mein Vater (13 Zwölffingerdarmgeschwüre, kleiner Nierenstein, Lipomentfernung) ist bis heute mit 73 Jahren relativ gesund. Sein Bruder, der sich wegen schweren Depressionen 1971 im Alter von 41 Jahren das Leben nahm, hatte im jungen Erwachsenenalter Nierensteine. Ein andere Bruder, heute 71 Jahre alt und relativ gesund, hatte als Kind Wachstumshormonmangel. Der Vater meines Vaters ist mit 49 Jahren an den Folgen eines Verkehrsunfalles gestorben, er hatte ab dem 30. Lebensjahr schwere Depressionen. Der Sohn meines Bruders, heute 24 Jahre alt, hat seit etwa 4 Jahren Magenprobleme. Vielleicht ist das alles nur Zufall und es gibt keinen systematischen Zusammenhang... Erst primärer, dann sekundärer Hyperparathyreoidismus? Mit „kriminalistischer Akribie" bin ich vorgegangen und habe versucht, diesen Zusammenhängen genau auf den Grund zu gehen – ich nahm das alles aber immer noch nicht so ernst. Was mich allerdings sehr hellhörig gemacht und einfach interessiert hat, war die Sache mit der Nebenschilddrüse. Primärer HPT und jetzt sekundärer HPT – das fand ich irgendwie seltsam. Ich versuchte, mehr herauszufinden, und erstellte eine Kurve meiner Parathormonwerte vom Zeitpunkt der Operation im Jahr 1998 bis 2002 (zufällig hatte ich noch Kopien der Laborwerte, die seit der Operation in jährlichen Abständen gemessen wurden und bis 2002 unauffällig gewesen waren). Und siehe da, ich war nicht schlecht erstaunt, als ich sah, dass die Kurve eine klare Tendenz zu einem kontinuierlichen langsamen Anstieg zeigte, bis 2002 der Norm- wert überschritten wurde. Keiner hatte auf einen Zusammenhang der einzelnen Werte geachtet, jeder hatte nur den Einzelwert gesehen, der über lange Zeit im Normbereich lag. Der Gentest war negativ Mir war klar, dass das alleine auch nicht beweisend für MEN ist. Im September 2003 wurde mir das ganze Rätselraten zu bunt. Inzwischen hatte ich auch im Internet unter anderem über MEN einiges gelesen. Ich bin es gewöhnt, mich selbst zu informieren, mit Spezialisten zu diskutieren und nicht zu warten, bis irgend ein Arzt etwas unternimmt. Deshalb wandte ich mich an einen MEN-Spezialisten in München, um mehr Klarheit zu bekommen. Er nahm mich und meine „Krankengeschichte" ernst und meinte, wenn ich wollte, könnte ich einen Gentest machen, der relativ aussa- 49 *Glandula Net 6 49 09.08.2004, 22:03 Uhr Erfahrungsberichte gekräftig sei. Das Ergebnis kam überraschend schnell: Der Gentest war negativ, aber leider ist auch dies keine wirkliche Entwarnung. Der Arzt riet mir bzw. der Familie, in guter medizinischer Beobachtung zu bleiben, denn 10–20 % der Mutationen sind bisher nicht bekannt und können folglich noch nicht gefunden werden, obwohl der Defekt da ist. Einerseits war ich im ersten Moment erleichtert darüber, dass nichts Definitives herausgekommen war, andererseits konnte ich mir nicht vorstellen, dass meine bisherige Krankengeschichte und die Familienanamnese nur Zufall und ein Ausdruck harmloser Befindlichkeitsstörungen sind. Und dann doch: Verdacht auf MEN 1 Schleichende schon seit einigen Jahren bestehende und sich seit etwa einem Jahr etwas verstärkende Beschwerden sind weicher Stuhl, manchmal etwas durchfällig und fettig wirkend, oft leichte Bauchschmerzen, oft starkes Hungergefühl, zeitweise starke Geräusche im Bauch. Brustspannen habe ich relativ selten. Ein MRT im Jahr 2003 ergab einen unauffälligen Hypophysenbefund, eine Endosonografie der Bauchspeicheldrüse Anfang 2004 in Marburg war unauffällig, an einer Nebenniere zeigt sich eine winzige mikronoduläre Hyperplasie. Das Parathormon ist unter VitaminD- und Kalziumgabe (Calcimagon) unauffällig, lässt sich bisher also supprimieren. Alle anderen relevanten Blutwerte sind unauffällig. In Marburg äußerte man schließlich einen Verdacht auf MEN 1 (bei sol- chen Erkrankungen, die sich erst nach und nach in ihrem Verlauf entwickeln, sind Verdachtsdiagnosen leider meist richtig) und empfahl mir halbjährliche bis jährliche Kontrollen. Vor einigen Monaten ist mir mit Schrecken aufgefallen, dass ich seit vergangenem Jahr manchmal ganz schwach ausgeprägte Beschwerden habe, die in Richtung Karzinoid-Syndrom gehen könnten: manchmal leichte Rötung an Hals und Brust, Hitzewallungen, ganz leichten Flush, Herzstolpern dabei, leichter Hustenreiz. Im kommenden Herbst werde ich versuchen, mithilfe von bildgebenden Verfahren und Tests weiterzukommen. Denn ich kann mir nicht vorstellen, dass ich mir das alles nur einbilde, nur weil ich so viel von allem gelesen habe. Trotz – oder gerade wegen – meiner Ängste möchte ich der Sache auf den Grund gehen Man wird von unerfahrenen Ärzten und Laien ja sehr schnell in die „Psychoecke" geschoben. Ich höre von sehr vielen endokrinologischen Patienten mit unterschiedlichen Krankheitsbildern, dass sie sehr schnell den Stempel „Psychosomatik" aufgedrückt bekommen, weil viele Symptome oft lange unspezifisch sind und Blutwerte, sofern untersucht, oft lange im Normbereich sind. Und dann ist da ja noch die Familie. In meinem Fall in erster Linie die Eltern und mein Bruder. Sie wollen sich nicht damit auseinandersetzen, dass es in unserer Familie wahrscheinlich MEN 1 gibt, bagatellisieren und tabuisieren. Ich finde das nicht richtig, auch wenn es Angst macht, sich damit näher zu beschäftigen. Aber alles unter einen dicken Teppich zu kehren nach dem Motto „es wird schon nichts Schlimmes sein", ist für mich keine Lösung. Außerdem gibt es ja auch noch Betroffene und das Bedürfnis zu intensivem Erfahrungsaustausch. Da die Erkrankung relativ selten ist, sind der Möglichkeit, ähnlich oder gleich Betroffene zu treffen, natürliche Grenzen gesetzt. Wenn die Zahlen zur Prävalenz ungefähr stimmen (MEN 1 bei 1–10 von 100.000), müsste es in Deutschland etwa (grob geschätzt) 2000 Betroffene und Carrier (Genträger) geben. Kürzlich erfuhr ich, dass gerade 1–3 % der Mitglieder im Netzwerk MEN 1 haben, das ist sehr wenig. Ich überlege, wie man weitere Betroffene ansprechen könnte, und habe auch grundsätzlich Interesse, mich in der MEN-Gruppe zu engagieren. Dabei geht es mir nicht nur um rein medizinische Informationen rund um das Krankheitsgeschehen, sondern auch um weiterführende Implikationen, die diese Ekrankungen mit sich bringen, wie z.B. wie geht man innerhalb der Familie mit dieser Erbkrankheit um, wie reagieren Außenstehende, wie verhält man sich am Arbeitsplatz, wie bewältigt man die „Krebsangst" und wie meistert man sein Leben mit der Erkrankung? Da ich immer offen und interessiert bin an einem lebendigen Austausch, können sich Betroffene und Interessierte jederzeit gerne bei mir melden. Susanne Werkmeister Tel. 09131/ 20 65 17 [email protected]. uni-erlangen.de 50 *Glandula Net 6 50 09.08.2004, 22:03 Uhr Leserbriefe Aus Briefen an das Netzwerk Neuroendokrine Tumoren Waldstraße 34 91054 Erlangen Kostenersatz für 90YttriumDOTATOC-Therapie? Für eine Mandantin führe ich einen Sozialgerichtsprozess in Hamburg, der auf Ersatz der Kosten gerichtet ist, die meiner Mandantin am Kantonsspital in Basel durch eine 90 Yttrium-DOTATOC-Therapie entstanden sind. Die Krankenkasse verweist auf eine abweisende Entscheidung des Sozialgerichts Regensburg vom 31.01.2002. Sind jemandem aus dem Netzwerk andere Entscheidungen bekannt. Gibt es schon Studienergebnisse, die publiziert worden sind? E. G.* Leider haben wir darüber noch keine Informationen. Die veröffentlichte Studienlage ist noch dünn. Die Kassen entscheiden bisher wohl im Einzelfall. J. H. * Name und Anschrift sind der Redaktion bekannt. Ihre Zuschriften leiten wir gerne weiter! Viele Leserbriefe und die Korrespondenz mit dem Karzinoid-Netzwerk enthalten Schilderungen sehr persönlicher Probleme und medizinischer Situationen. Zur Wahrung der Vertraulichkeit wird aus diesen Briefen deshalb grundsätzlich nur anonym zitiert – es sei denn, der Schreiber oder die Schreiberin wünscht die Namensnennung. Im Übrigen gilt in der Glandula-Redaktion wie bei allen Zeitschriften: Anonym zugesandte Briefe werden gar nicht veröffentlicht, Kürzungen und redaktionelle Korrekturen bleiben vorbehalten. Freude stärkt die Abwehrkräfte! Hallo, liebe Leser, bei uns zu Hause ging es heute schon früh los. Um kurz vor Acht klingelte das Telefon. Dran war unsere Hautärztin, die ich seit Wochen aufsuche. Ich habe am Bein einige kleine Hauterscheinungen, die ich gern weg haben möchte. Da ich seit Jahren vom Internisten gefragt werde, ob ich nicht irgendwo die typischen Hauterscheinungen hätte, die in den Lehrbüchern zu den „Glukagonom-Erkrankungszeichen“ gehören, wollte ich das ausschließen. Die Dermatologin erklärte mir, dass die kleinen Hautveränderungen irgend etwas Simples seien und schnell mit Cortison verschwinden würden. Sie verschwanden aber nicht. Deshalb wurde eine kleine Hautprobe entnommen und zur Histologie geschickt. Heute Morgen lag der Befund vor. Die Hautärztin berichtet am Telefon, dass die Probe kein Ekzem ist, sondern irgend etwas anderes. Da dies im Original noch keiner gesehen hat – und eigentlich nur im Lehrbuch nachzulesen sei –, sollte ich mich doch bald in der Hautklinik vorstellen. Also geht es wieder los, ich bin ein interessanter Patient. Es wird bestimmt eine Lösung gefunden, ich habe ein gutes Gefühl. Aber irgendwie bin ich doch ein Fall für den Jahrmarkt. Einerseits freue ich mich, dass sich die Ärzte so viel Mühe geben. Andererseits kann ich auf den Rummel gern verzichten und wäre lieber gesund in der Firma. Aber man kann es sich ja nicht aussuchen und muss das Beste daraus machen. Zum zweiten positiven Ergebnis möchte ich auch etwas berichten: Seit einiger Zeit bekomme ich Sandostatin-Spritzen. Dadurch sank mein Glukagonwert von 2500 auf gut die Hälfte ab. Das ist zwar immer noch das 10-fache des Normalwertes, aber es klappt mit dem Zucker erheblich besser. Eine glückliche Fügung ermöglichte im November 03 eine Behandlung mit Yttrium-90-Dotatoc in Bad Berka. Es hat mächtig gewirkt. Zwar fühlte ich mich eine Weile danach recht mitgenommen und ramponiert. Es wurde aber täglich besser und ich bekam meine alte Form zurück. Der Hit war, dass mich mein Internist eines Morgens anrief und fröhlich berichtete: „Herzlichen Glück51 *Glandula Net 6 51 09.08.2004, 22:03 Uhr Leserbriefe wunsch, die Behandlung hat gut angeschlagen, der Glukagonwert ist jetzt mit 320 fast auf Normal gesunken.“ Solch eine Nachricht freut mich und die Familie. Den Krebs und die Zuckerkrankheit sehe ich schon fast besiegt. Süße alte Träume kehren zurück: Schokolade, süßer Kuchen mit Zuckerguss, Marzipan, gefüllte Ostereier und riesengroße Eisbecher warten auf mich. Das ist leider noch ein Stück entfernt, aber ich habe das Gefühl, es zu schaffen. Die Bauchspeicheldrüse ist ja noch da, die kommt schon wieder in Fahrt. Ich gebe mir alle Mühe. So kann eine kleine Info große Freude machen. Gerade knallt die warme Märzsonne auf meinen Schreibtisch. Diese Freude möchte ich mit allen teilen, darum erzähle ich es hier. So etwas stärkt die Abwehrkräfte, egal wie groß die Metastasen sind! Eine schöne Zeit wünscht Ihnen R. B.* Gesundheitsreform: Wer gilt als Chroniker? Die Gesundheitsreform soll die Versorgung der Bevölkerung für die nächsten Jahrzehnte sichern. Aber ihre Umsetzung findet nicht nur Zustimmung, bei vielen Patienten herrscht zudem Verunsicherung. Eine ganz wichtige Frage, mit der sich viele unserer Leser an uns gewandt haben, ist die Regelung für chronisch Kranke. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat die diese Regelungen überarbeitet. Hier die aktuelle Definition: Als chronisch krank gelten Sie, wenn Sie mindestens einen Arztbesuch pro Quartal wegen derselben Krankheit wenigstens ein Jahr lang nachweisen können. Zusätzlich müssen Sie eines der folgenden Kriterien erfüllen: Bei Ihnen liegt eine Pflegebedürftigkeit der Pflegestufe 2 oder 3 vor. oder Bei Ihnen besteht ein Grad der Behinderung bzw. eine Minderung derErwerbsfähigkeit von mindestens 60 Prozent. oder Sie benötigen eine kontinuierliche medizinische Versorgung, ohne die nach ärztlicher Einschätzung eine lebensbedrohliche Verschlimmerung der Erkrankung, eine Verminderung der Lebenserwartung oder eine dauerhafte Beeinträchtigung der Lebensqualität durch die von der Krankheit verursachte Gesundheitsstörung zu erwarten ist. Medizinische Versorgung meint hier die ärztliche oder psychotherapeutische Behandlung, Arzneimitteltherapie oder die Versorgung mit Heil- und Hilfsmitteln. Ihr Arzt muss Ihnen darüber eine Bescheinigung ausstellen. Wenn Sie diese Kriterien erfüllen, kann Ihre Krankenkasse eine Herabsetzung der Belastungsgrenze (jährliche Zuzahlung) von 2 auf 1 Prozent der jährlichen Bruttoeinnahmen vornehmen. Übrigens: Diese Regelung können Sie im Internet nachlesen unter www.die-gesundheitsreform.de, der „offiziellen“ Web-Seite des Bundesministeriums für Gesundheit und Soziale Sicherung. Hier finden Sie außerdem eine Menge aktueller Informationen und können sich von der virtuellen Assitentin Clara Ihre Fragen beantworten lassen. B. S. * Name und Anschrift sind der Redaktion bekannt. Ihre Zuschriften leiten wir gerne weiter! 52 *Glandula Net 6 52 09.08.2004, 22:03 Uhr Wissenschaftlicher Beirat des Netzwerks Neuroendokrine Tumoren: Unser wissenschaftlicher Beirat besteht aus zahlreichen hervorragenden Experten: Prof. Arnold, Marburg (Internist/Gastroenterologe) Prof. Becker, Göttingen (Nuklearmediziner) Dr. Breidert, Dresden (Internist) Prof. Goretzki, Neuss (Chirurg) Prof. Hensen, Hannover (Internist/Endokrinologe) Prof. Mann, Essen (Internist/Endokrinologe) Frau Dr. Pavel, Erlangen (Internistin) Prof. Ramadori, Göttingen (Internist/Gastroenterologe) Prof. Rothmund, Marburg (Chirurg) PD Dr. Schaaf, München (Internist/Endokrinologe) Prof. Schmolle, Halle (Chirurg) Prof. Wiedenmann, Berlin (Internist/Gastroenterologe) Das Titelbild stammt von der Erlanger Aquarellmalerin Monika Schlenk, die mit ihren Kunstwerken einen Beitrag leisten möchte zur heilenden Wirkung einer harmonischen Umwelt. Liebe Leserinnen und Leser, damit wir Ihren Brief oder Beitrag in der nächsten Glandula NeT abdrucken können, beachten Sie bitte: Redaktionsschluss für Ausgabe 7/2005 ist der 31. Dezember 2004 31. Dezember Impressum: GLANDULA NeT ist die Mitgliederzeitschrift der bundesweiten Selbsthilfe-Organisation „Netzwerk Neuroendokrine Tumoren“, Sitz Erlangen. Die Zeitschrift erscheint zweimal jährlich. Internet-Adresse: http://www.karzinoid.info oder http://www.neuroendokrine-tumoren.de Herausgeber: Prof. Dr. med. Johannes Hensen, Medizinische Klinik, Klinikum Hannover Nordstadt, Hannover, E-Mail: [email protected] Redaktion: Brigitte Söllner, Erlangen Fotos: privat Titelbild: Monika Schlenk, Erlangen Layout und Gestaltung: Klaus Dursch, Fürth Druck: Druckerei Raum, Oberasbach Redaktionsanschrift: Redaktion GLANDULA NeT, Netzwerk Neuroendokrine Tumoren, Waldstraße 34, 91054 Erlangen, Tel. 09131/815046, Fax 09131/815047, E-Mail: [email protected] Diese Zeitschrift und alle in ihr enthaltenen Beiträge sind urheberrechtlich geschützt, Nachdruck nur mit Genehmigung und Quellenangabe. Jede beruflich (gewerblich) genutzte Fotokopie verpflichtet zur Gebührenzahlung an die VG Wort, 80336 München, Goethestraße 49. Keine Haftung für unverlangt eingesandte Manuskripte. Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht in jedem Fall die Meinung von Redaktion und Herausgeber wieder. Wichtiger Hinweis: Medizin und Wissenschaft unterliegen ständigen Entwicklungen. 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