Lichtermeer statt Sternenhimmel

Transcrição

Lichtermeer statt Sternenhimmel
2/2015
Leibniz-Journal
Umwelt
Biophotonik
Byzanz
Forscherkarriere
Mut zur
Dunkelheit
Mystisches
Leuchten
Das Magazin der Leibniz-Gemeinschaft
Erhellend
G 49121
Licht strahlt überall
in unserem Leben
Optische
Bakterien-Killer
Chance oder
Ausbeutung?
Freier Wille
braucht
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5woch
en
L E I B N I Z | I N H A LT
40
SPEKTRUM
Wissenschaftszeitverträge in der Diskussion
10
THEMENSCHWERPUNKT: LICHT
Die Sonne ist Taktgeber und Energiequelle allen Lebens. Künstliches Licht
kann diesen Takt stören, ist aber auch vielversprechendes Instrument in
Medizin, Nahrungsmittelproduktion und Chemie.
4
KURZ & FORSCH
9
NUR SO EIN VORSCHLAG…
...von Leibniz-Präsident Matthias Kleiner
10 TITEL: LICHT
10
Astronomie: Das erste Licht im Universum
12Ruhelos:
Lichtermeer statt Sternenhimmel
25
26
28
32
36
AUSSTELLUNGEN
Willkommen im Anthropozän
Sonnenphysik: Unser Stern im Visier
46AUSSTELLUNGEN
Photochemie: Hell statt heiß
48 LEIBNIZ LIFE
Archäologie: Mystik des Lichts
Energie: Förderwürdige Photovoltaik?
Biophotonik: Antibiotisches Licht
39 IMPRESSUM
46
49Leibniz-Liste
50Verlosung
51 LEIBNIZ LEKTÜRE
52 LEIBNIZ LEUTE
40SPEKTRUM
15
Franz Hölker: Die Nacht mitdenken
16
Technik: Doping für Pflanzen
40 Streitgespräch: Forscherkarriere
zwischen Ausbeutung und Chance
22
Porträt: Forscherin mit Tunnelblick auf
Elektronen
44 Wirtschaftswissenschaften: Mit Daten
Geschichten erzählen
2/2015
Fotos: Sven Döring/IPHT (Titel);
EnergieAgentur.NRW; Oliver Lang (2); Daily Overview/Digital Globe
Liebe Leserin, „Fiat lux!“ heißt es gleich zu Beginn der bib­ schaftlerinnen und –wissenschaftlern. Sind
lieber Leser, lischen Schöpfungsgeschichte. Schon vor befristete Verträge Ausbeutung der jungen
2/2015 tausenden Jahren war den Menschen klar,
welche zentrale Rolle das Licht für unser
Leben spielt. In fast allen Religionen und
Kulturen hat das Licht deshalb auch eine
spirituelle Bedeutung. Heute wissen wir,
dass Licht nicht nur die Quelle des biologischen Lebens ist, sondern auch alternative
Energiequelle, zivilisatorische Errungenschaft oder medizinisches Hilfsmittel. Aber
wir erkennen inzwischen auch, dass zu viel
Licht zur falschen Zeit negative Auswirkungen auf Mensch und Umwelt hat. Alle diese
Aspekte beleuchtet das Leibniz-Journal im
Themenschwerpunkt im Internationalen
Jahr des Lichts.
| ab Seite 10
Heiß diskutiert werden zurzeit die Arbeitsbedingungen von Nachwuchswissen-
Forscher oder unverzichtbarer Teil einer
wissenschaftlichen Karriere? Darüber sprechen ein Politiker, ein Institutsdirektor und
Vertreter von Nachwuchswissenschaftlern.
| Seite 40
Dass Wissenschaft ins Licht der Scheinwerfer gehört, um nicht nur sichtbar zu werden, sondern sich auch wirksam in gesellschaftliche Entwicklungen einbringen zu
können, dafür plädiert Leibniz-Präsident
Matthias Kleiner in seiner Kolumne „Nur so
ein Vorschlag…“ | Seite 9
In diesem Sinne eine erhellende Lektüre!
Christoph Herbort-von Loeper
Redakteur
3
Tiger im CT
Das Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (IZW) hat Neuland betreten:
Mit seinem im März erworbenen, weltweit
modernsten Computertomographen (CT)
in der veterinärmedizinischen Forschung
kann das IZW nun bewegte Organe von
Tigern, Pandas und Co. in bisher nicht erreichter Auflösung darstellen. Das CT erzeugt in einer Rotation um den tierischen
Patienten 640 Schichtbilder und erfasst
einen Bereich von 16 cm in nur 35 Millisekunden. Damit können neue wissenschaftliche Untersuchungsgebiete erschlossen
werden. Finanziert wurde das Gerät durch
ein neues Leasingmodell mit der Herstellerfirma Toshiba.
Das Rätsel der Rapa Nui
Was führte zum oft beschriebenen Kollaps der hoch entwickelten Gesellschaft auf der Oster­
insel im Südostpazifik? Forscher
des Leibniz-Zentrums für Marine Tropenökologie in Bremen
haben mit einem neuen mathematischen Modell herausgefunden, dass sich der Niedergang
der Rapa Nui weitaus länger
hinzog, als bisher angenommen.
Damit testeten sie verschiedene
Theorien über den zeitlichen
Verlauf der Abholzung und der
Bevölkerungsentwicklung erstmals anhand objektiver Daten.
So datierten sie etwa die Rück-
stände des verschwundenen
Palmenwaldes mit der Radiokarbonmethode. Die Ureinwohner
der Insel scheinen demnach über
lange Zeit in der Lage gewesen
zu sein, sich an die zunehmende
Verkleinerung des Waldes anzupassen und ihre Ressourcen
gut zu bewirtschaften. Erst ein
Zusammenspiel von Ausbeutung
natürlicher Ressourcen, Dezimierung durch Krankheiten und
Versklavung durch die Europäer
kann den Niedergang der Rapa
Nui erklären.
Virtuelles
Training
Dass virtuelles
Training für Polizisten messbaren
Erfolg bringt, haben
Psychologen des
Leibniz-Instituts für
Wissensmedien und
Kollegen der Tübinger
Universität herausgefunden. Polizisten, die
brenzlige Situationen
wie Banküberfälle
oder Entführungen
virtuell am Computer
durchspielen, gelingt
es demnach besser, ihr
Wissen auf neue und
unbekannte Situationen zu übertragen
und sich in die Per­
spektive der anderen
Mitglieder des Teams
hineinzuversetzen als
den Kollegen, die mit
Lehrvideos, Texten
und Vorträgen auf den
Ernstfall vorbereitet
wurden. Damit sei
virtuelles Training
eine gute Möglichkeit,
um Situationen, die
enge Zusammenarbeit
und Kommunikation
im Team erfordern
und unterschiedliche
Perspektiven berücksichtigen müssen,
einzuüben, so die
Tübinger Forscher.
Computers in Human
Behavior Volume 43,
February 2015
Frontiers in Ecology and Evolution,
DOI: 10.3389/fevo.2015.00013
DOI = Digital Object Identifier, ein eindeutiger und dauerhafter Identifikator für digitale
Objekte, vor allem für Online-Artikel von wissenschaftlichen Fachzeitschriften verwendet
4
2/2015
LEIBNIZ | KURZ & FORSCH
Migranten: Bessere Löhne in
kultureller Vielfalt
Das Rheinisch-Westfälische Insti­
tut für Wirtschaftsforschung in
Essen hat mit Daten des Sozio­oekonomischen
Panels
­
er­
rechnet, dass Migranten in
Deutschland schlechter in den
Arbeitsmarkt integriert sind,
wenn sie mit vielen Menschen
ihrer eigenen ethnischen Gruppe zusammenleben. Mit jedem
zusätzlichen Prozentpunkt des
Anteils der entsprechenden Ethnie in einem Wohnviertel nimmt
der Bruttolohn des Einzelnen
um fast drei Prozent ab. Auch die
Beschäftigungswahrscheinlichkeit sinkt um durchschnittlich
fünf Prozent. Leben Zuwanderer
unterschiedlichen kulturellen
Hintergrunds zusammen, sind
hingegen keine Auswirkungen
auf Beschäftigungsverhältnisse
und Entlohnung zu beobachten.
Die Ergebnisse geben Hinweise
darauf, dass das Leben in Enklaven ein Grund dafür sein könnte, dass Einwanderer selbst bei
gleichem Bildungshintergrund
durchschnittlich weniger verdienen als Deutsche ohne Migra­
tionshintergrund.
Dieses Wissen sollte künftig
auch bei der Gestaltung der Integrationspolitik berücksichtigt
werden, fordern die Forscher.
Ruhr Economic Papers #536, DOI:
10.4419/86788613
Fotos: Ralf Günther/IZW; Frank Kehren/Flickr CC BY-NC-ND 2.0; TriCAT; Pixabay; Karin Kiefer/Universität des Saarlandes
PC-Einsatz im Unterricht
nur gezielt sinnvoll
2/2015 Hoffnung für
Hautkranke
Der Leibniz-Forschungsverbund
„Wirkstoffe und
Biotechnologie“
hat einen neuen
Therapieansatz des
Leibniz-Instituts für
Molekulare Pharmakologie (FMP) für die
seltene Hautkrankheit
Ichthyose als LeibnizWirkstoff des Jahres
2015 ausgezeichnet.
Die Wissenschaftler
entwickelten eine
Enzymersatztherapie,
die es ermöglicht,
den Betroffenen
das Enzym TG1 zu
verabreichen, dessen
Mangel häufig Grund
für die Krankheit ist.
Dazu wurden am FMP
Transportvehikel aus
Liposomen hergestellt, die das Enzym
über die Haut und
durch die Zellmembran der Hautzellen
befördern und das
fehlende Enzym so im
Zellinneren verfügbar
macht. Menschen
mit der sogenannten
„Fischschuppenkrankheit“ leiden unter
extremer Verdickung
der oberen Hautschicht und haben mit
Entzündungen und
starkem Wasserverlust zu kämpfen.
Fasten gegen
Diabetes
Der Einsatz von Computern
im Schulunterricht bewirkt
im Durchschnitt keine besseren Ergebnisse der Schüler in
Mathematik und Naturwissenschaften, so das Ergebnis einer
neuen Studie des ifo Instituts –
Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung in München. Allerdings stiegen die Leistungen der
untersuchten Schüler, wenn sie
den PC zur Ideensuche oder Informationsbeschaffung nutzten.
Wurde der Computer im Klassenzimmer jedoch zum Einüben
des Erlernten verwandt, sanken
die Leistungen. Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass
der Einsatz von Computern zu
Übungszwecken Unterrichtszeit
raubt, die etwa mit traditionellen Lehrmethoden effektiver genutzt worden wäre. Untersucht
wurden die Mathematik- und
Naturwissenschaftsleistungen
von über 400.000 Viert- und
Achtklässlern aus über 50 Ländern im internationalen Schülerleistungstest TIMSS.
CESifo Working Paper No. 5266
Intervall-Fasten
schützt dicke Mäuse
vor Diabetes. Das
haben Forscher des
Deutschen Instituts
für Ernährungsforschung (DIfE)
herausgefunden. Die
Versuche der Wissenschaftler mit übergewichtigen Mäusen
zeigten, dass der
zeitweise Verzicht auf
Nahrung den Energiestoffwechsel der Muskulatur anregt und
die Menge schädlicher
Leberfette reduziert.
Diese begünstigen
eine Insulinresistenz,
die Vorstufe von Typ-
2-Diabetes. Die Wissenschaftler nehmen
an, dass die durch das
Fasten veränderte
Eiweißzusammensetzung im Leberfett
für diesen günstigen
Effekt verantwortlich
ist.
Biochimica et Biophysica Acta, DOI: 10.1016/j.
bbalip.2015.01.013
Pflaster fürs Herz
Forscher des LeibnizInstituts für Neue Materialien in Saarbrücken (INM) haben mit
Kollegen der Universität des Saarlandes ein
Verfahren entwickelt,
mit dem sie Herzmuskelzellen auf
einer Nanooberfläche
nachzüchten können. Dabei gelang es
ihnen, die Zellen in die
gewünschte Richtung
wachsen zu lassen.
Nur so können diese
sich richtig zusammenziehen und wie
gesunde Zellen Blut
transportieren. Diese
Oberfläche könnte
als eine Art Pflaster
genutzt werden, um
angeborene Herzfehler bei Kindern
zu korrigieren, aber
auch, um Patienten
nach einem Infarkt zu
behandeln, bei denen
einige körpereigene
Herzmuskelzellen abgestorben oder nicht
mehr voll einsatzfähig
sind.
Nanotechnology,
DOI: 10.1088/09574484/25/49/495101
5
LEIBNIZ | KURZ & FORSCH
Biodiversitätsverlust:
Klimawandel zweitrangig
in
Zahlen
3,4
Der Verlust der Biodiversität in Fließgewässern wird stärker durch den Wandel der Landnutzung verursacht als durch
den globalen Klimawandel. Das haben Untersuchungen des
Forschungsinstituts Senckenberg in Gelnhausen, des Leibniz-­
Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei in Berlin
mit chinesischen Kollegen ergeben. Demnach hat die veränderte Landnutzung, wie etwa die Rodung von Wäldern für die Landwirtschaft, die stärksten negativen Folgen auf die Artenvielfalt
in Fließgewässern. Der Klimawandel ist eher zweitrangig. Dazu
haben die Forscher die Fließgewässer eines gut 1.700 Quadratkilometer großen Einzugsgebietes in Südchina untersucht und
die Artenvielfalt dort in Verbindung mit dem Wandel der Landnutzung für die Zukunft modelliert. Die Ergebnisse der Studie
legen nahe, dass die Schutzkonzepte für die in strömenden Gewässern lebenden Organismen angepasst werden sollten.
Freshwater Biology, DOI: 10.1111/fwb.12580
Neue Erkenntnisse zu Ebola
Milliarden Euro
Schaden für Privatbürger
entstehen in Deutschland pro Jahr
durch Internetkriminalität wie Identitätsdiebstahl, Phishing, Online­
betrug oder Angriffe mit Schad­
software. Das hat das Deutsche
Institut für Wirtschaftsforschung
Berlin errechnet. Durchschnittlich
fallen pro Jahr mehr als 42 Euro
Schaden pro Kopf an.
DIW Wochenbericht 12/2015
1.000
Mehr als
neue Tierarten haben sechs
Wissenschaftler der Abteilung
Arthropoda (Gliedertiere) am
Zoologischen Forschungsmuseum
Alexander Koenig – LeibnizInstitut für Biodiversität der Tiere
in Bonn in den vergangenen zehn
Jahren beschrieben. Die aus aller
Welt stammenden Arten umfassen
vor allem Maikäfer, Zitterspinnen,
Tausendfüßer, Schwebfliegen und
Spanner-Schmetterlinge.
www.zfmk.de/de/zfmk/presse/1000neue-arten-wissenschaftlich-­
beschrieben
1.000.000
6
ten Ebola-Epidemie in Westafrika während des Einsatzes des
„European Mobile Laboratory
Projects“ gesammelt haben (vgl.
Leibniz-Journal 2/2014). In der
Fachzeitschrift „Nature“ präsentierten die Forscher zudem
Ergebnisse von Berechnungen,
nach denen die Epidemie im Dezember 2013 durch ein einmaliges Übertragen vom Tier auf den
Menschen ausgelöst wurde.
Nature, DOI: 10.1038/nature14594
Fotos: Matthias Gorka/UBA; EC/ECHO; Danil Roudenko/123rf.com
Das in Westafrika grassierende Ebola-Virus verändert sich
langsamer als gedacht und
auf eine Art, die auf künftige
Impfstoffe vermutlich wenig
Auswirkungen hat. Das haben
Wissenschaftler des vom Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin in Hamburg koordinierten EU-Projekts EVIDENT
herausgefunden. Die Forscher
analysierten Proben von rund
180 Ebola-Patienten, die sie seit
dem Ausbruch der bislang größ-
Digital Object Identifier (DOI) für
Forschungsdatensätze aus Technik
und Naturwissenschaften hat die
Technische Informationsbibliothek
in Hannover seit 2004 vergeben.
Der millionste DOI-Name ging an
einen portugiesischen Konferenzbeitrag zur Entstehung verschiedener
Wirtschaftszweige im ländlichen
Raum (http://dx.doi.org/10.13140/
RG.2.1.4674.5128). DOI-Namen
sichern einen eindeutigen und
dauerhaften Zugriff auf Forschungsdaten und ermöglichen ihre einfache
Zitierbarkeit.
www.tib-hannover.de/de/
dienstleistungen/doi-service/
2/2015
LEIBNIZ | KURZ & FORSCH
Weniger
Sommerstürme,
mehr Hitzewellen
Schlafmützen
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Die kognitive Leistungsfähigkeit von Grundschülern hängt
von der Qualität ihres Schlafes ab. Das belegen Befunde
des Forschungsprojekts FLUX
aus einer erstmals an Grundschulkindern
angewandten
Untersuchungsme­thode. In der
Studie des vom Deutschen Institut für Internationale Pädagogische For­schung koordinierten
Forschungszentrums IDeA erbrachten jene Kinder die besten
Leistungen, die gut und so lange wie für sie üblich geschlafen
hatten. Denn nicht nur zu wenig, sondern auch zuviel Schlaf
kann sich negativ auf die Leistung der Schüler auswirken. Die
Studie ergab jedoch auch, dass
das Schlafverhalten der Kinder in der Regel von Nacht zu
Nacht variiert und so Einfluss
auf Leistungen nehmen kann.
Diese Erkenntnisse stammen
aus einer Untersuchung an 110
Grundschulkindern im Alter
von acht bis elf Jahren, deren
kognitive Leistung vier Wochen
lang mehrmals täglich mittels
spielerischer, eigens entwickelter Denkaufgaben ermittelt
wurde. Zugleich beantworteten
die Schüler Fragen zu relevanten Faktoren wie Stimmung,
Motivation und Schlafverhalten.
The Journal of Child Psychology and
Psychiatry, DOI: 10.1111/jcpp.12296
Die sinkende Zahl
starker Sommerstürme in großen
Teilen Europas, der
USA und Russlands
begünstigt die Dauer
und die Intensität
von Hitzewellen. Das
haben Forscher des
Potsdam-Instituts für
Klimafolgenforschung
herausgefunden. Aufgrund der mangelnden
Sturmaktivität wird
im Sommer weniger
feuchte und kühle Luft
vom Ozean auf die
Kontinente transportiert. Wärmeperioden
halten länger an. Dass
es zu weniger starken
Stürmen kommt,
hängt mit den steigenden Temperaturen in
der Arktis zusammen:
Durch die wärmere
Luft verringert sich
der Temperaturunterschied zwischen der
kalten Polarregion und
dem wärmeren Rest
der Nordhalbkugel.
Science (Express),
DOI: 10.1126/
science.1261768
Plasmazellen:
vielfältiger als
gedacht
Wissenschaftler des
Deutschen RheumaForschungszentrums
Berlin und der Charité
haben erstmals eine
erstaunliche Vielfalt
unterschiedlich ausgereifter Plasmazellpopulationen im
menschlichen Knochenmark festgestellt.
Diese Erkenntnisse
über bisher nicht
bekannte PlasmazellUntergruppen bilden
die Grundlage für die
Entwicklung innovativer Behandlungsansätze bei Autoimmun­
erkrankungen.
Blood, DOI: 10.1182/
blood-2014-02-555169
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2/2015 7
LEIBNIZ | KURZ & FORSCH
Rindervirus entdeckt
Forscher des Heinrich-Pette-Instituts –
­Leibniz-Institut für Experimentelle Virologie
(HPI) in Hamburg haben ein bisher unbekanntes
Virus bei Rindern identifiziert. Es ist dem Hepatitis
C-Virus genetisch nah verwandt und kann wie dieses chronische Erkrankungen in der Leber auslösen.
Gemeinsam mit Kollegen aus Hannover und Hamburg
konnten sie den Erreger bei Rindern in Nord- und Süddeutschland finden. Ähnliche Hepaciviren wurden auch
in Ghana nachgewiesen. Zur Identifikation des Virus
diente den Wissenschaftlern die sogenannte Hochdurchsatz-Sequenzierung, die es ermöglicht, auch bislang unbekannte Infektionserreger durch den Nachweis
ihres genetischen Fingerabdrucks aufzuspüren. Bislang
gibt es keine Hinweise darauf, dass das Virus auf Menschen übertragbar ist. Nun wird seine Bedeutung für
die Gesundheit von Menschen und Tieren erforscht.
Journal of Virology, DOI: 10.1128/JVI.00534-15 und
DOI: 10.1128/JVI.00393-15
8
Wissenschaftlern des
Leibniz-Instituts für
Interaktive Materialien
(DWI) ist es gelungen,
ein nach außen abgeschlossenes System
zu entwickeln, das die
Lebensdauer von Nanostrukturen steuert.
Mit nur einem Signal
kann es den Aufbau
von Nanostrukturen,
ihre Lebensdauer und
ihren Abbau zeitlich
bestimmen. Dazu wird
durch ein Startsignal
eine Base in das wässrige System gegeben,
sodass sein
pH-Wert steigt. Diese
Änderung des pHWerts mobilisiert
einen Deaktivator, der
den Abbau der Nanostrukturen ver­anlasst.
Abhängig von der chemischen Beschaffenheit dieses Deaktivators kann der Prozess
Minuten, Stunden oder
auch Tage dauern.
Solche Materialien,
die sich ohne weiteres
Signal selbst auflösen, können etwa als
temporäre Datenspeicher oder auch in der
Medizin zum Einsatz
kommen – zum Beispiel um den Blutfluss
einer Vene für die
Dauer einer Operation
zu unterbrechen.
Nano Letters, DOI:
10.1021/nl5039506
Mehr Wiederholer
nach Gymnasialreform
Pflanzen­
immunität
Wie bekämpfen
Pflanzen Krankheitserreger? Dieser Frage
sind Forscher des
Leibniz-Instituts für
Pflanzenbiochemie in
Halle (IPB) gemeinsam
mit Münchener Kollegen auf den Grund
gegangen. Sie fanden
heraus, dass alle Vertreter der Kreuzblütengewächse ähnlich wie
Menschen über einen
Rezeptor verfügen, der
schädliche Organismen
anhand ihrer Oberflächenstruktur erkennt
und die Abwehrreaktion der Pflanze initiiert.
Die Versuche führten
Wissenschaftler des
Forschungszentrums
Borstel – LeibnizZentrum für Medizin
und Biowissenschaften
durch.
Nature Immunology,
DOI: 10.1038/ ni.3124
Seit der Einführung des achtjährigen Gymnasiums (G8) sind
die Abiturienten jünger geworden – jedoch nicht um 12 Monate, wie die um ein Jahr verkürzte
Schulzeit vermuten ließe, sondern nur um 10,3 Monate. Der
Grund ist: Mehr Schüler am
Gymnasium wiederholen eine
Klasse als vor der Reform, vor
allem in der Oberstufe. Die Quote der Wiederholer stieg dabei
um ein Fünftel von 15 Prozent
vor der Reform auf 18 Prozent
nach der Reform. ­Insgesamt hat
sich die Zahl der Schüler, die
das Gymnasium mit dem Abitur verlassen, allerdings nicht
verändert. Zu diesem Ergebnis
kommt das Deutsche Institut
für Wirtschaftsforschung Berlin
in einer multivarianten Analyse
der A
­ biturjahrgänge 2002 bis
2013, die nicht nur allgemeine
Ver­
änderungen der Untersuchungsgrößen, sondern auch
den Einfluss anderer Bildungsreformen berücksichtigt.
DIW Wochenbericht 18/2015
2/2015
Fotos: suze/photocase; dpa
Lebensdauer von
Nanostrukturen
steuern
LEIBNIZ | KOLUMNE
Foto: Christoph Herbort-von Loeper
Liebe Leserinnen, liebe Leser,
2/2015 an einer Universitätsbibliothek im Norden unseres Lan- vermitteln, in den Dialog treten. Wissenschaft und Fordes leuchtet in Neonschrift der schöne Satz von André schung dürfen sich einmischen, sie dürfen glänzen und
Gide: „Manche leuchten, wenn man sie liest“ . Was leuch- leuchten.
Es ist ein bisschen wie auf der Bühne. Alles kann eine
tet hier? Sind es die Bücher? Die Buchstaben selbst?
Oder sind die Inhalte gemeint, die den Lesern entgegen- Bühne sein, ein Raum, die Welt – wenn nur ein Mensch
hindurch geht, und ein anderer ihm dabei zusieht.
leuchten – aus den Seiten und inzwischen natürSo beschreibt der Theaterregisseur Peter
lich auch häufig von Bildschirmen? Leuchtet,
Brook die Minimalsituation des Theaters in
was da leuchtet, wirklich nur, wenn man es
seinem Buch „Der leere Raum“. Mehr als
liest? Oder leuchtet es in aller Heimlichkeit
„Licht an,
eine Handlung und die Wahrnehmung
auch ungelesen? Es verbirgt sich die alte
Vorhang auf,
dieser Handlung braucht es gar nicht.
seltsame Frage dahinter, ob ein Geräusch
Bühne frei –
Oder doch? Die sogenannten „Bretter, die
ein Geräusch bleibt, obgleich niemand es
hier kommt die
die Welt bedeuten“ sind für die Interak­
hört.
tion gemacht.
Und wie steht es mit der Wissenschaft?
Wissenschaft!“
Auf diese Bretter großer Bühnen gehöIst Wissenschaft nur dann Wissenschaft,
wenn sie wahrgenommen wird? Aufmerksamren große Stücke, die ein großes Ensemble gekeit und Zuwendung erhält – materiell und ideell?
meinsam spielt und nur gemeinsam spielen kann.
Sich ihrerseits zuwendet und „kümmert“? Wissenschaft
Die großen Stücke der Wissenschaft gehören, ganz
und insbesondere Grundlagenforschung sind zweckfrei im Geiste des Themas dieses Leibniz-Journals, ins Licht
und müssen es sein. Ihre Ergebnisse und Erkenntnisse der Scheinwerfer. Die großen Stücke der Wissenschaft –
müssen auch weder gelesen noch angewendet werden, bei uns in der Leibniz-Gemeinschaft sind das etwa die
um Ergebnisse und Erkenntnisse zu sein. Aber sie brau- Leibniz-Forschungsverbünde, in denen interdisziplinär
chen den (wissenschaftlichen) Diskurs – schon allein für zu übergreifenden Themen wie Biodiversität, Bildungsihre stete Weiterentwicklung und um neue Fragen zu potentialen, Energiewende, Medizintechnik und andebeantworten ebenso wie Fragen neu zu beantworten. ren mehr geforscht wird – gehören in ein großes TheaWissenschaft und Forschung sind in der Welt, sie sind ter. Wohin denn sonst? Dort ist der Raum für vielfältige
ein Teil davon. Daher können Wissenschaft und For- und vielfältig talentierte Akteure, für Erprobung, für
schung auch ganz zwanglos vom gesellschaftlichen Dis- unterschiedliche Formate, für den großen Auftritt und
kurs profitieren, der ihnen Aufgaben stellt und gleicher- eine klare Position, für kundige Expertinnen und Expermaßen zur Überprüfung wie auch zur Anregung dienen ten auf ihren Gebieten, die sie zusammenführen in eine
kann. Wissenschaftliche Erkenntnisse – in Buchstaben, ­große Gemeinschaftsleistung.
Heute also mehr ein Plädoyer als „nur so ein VorFormeln oder Methoden – leuchten unbeirrt und mit
Reichweite, so dass sie stets wahrgenommen werden schlag“: Licht an, Vorhang auf, Bühne frei – hier kommt
können, auch wenn sie es nicht müssen.
die Wissenschaft!
Wissenschaft und Forschung dürfen aber doch ein
bisschen mehr sein als das, was wir gern mit ‚sichtbar‘ bezeichnen. Es schadet nicht, wenn sie Aufsehen
erregen, spannend sind, Neues wissen, Informationen m atth i as kl ei n er , pr äsi d en t d er l ei b n i z - g em ei n s c h aft
9
LEIBNIZ | K
N SDI TKÄOTN F L I K T E
BR
I OI EDGI V U
ER
Foto: ESO/S. Guisard
Aufnahme des Zentrums der Milchstraße von
den Sternbildern des Schützen bis zum Skorpion.
Rechts der bunte Antares- und Rho OphiuchiNebelkomplex, links das schwarze
Band der Milchstraße.
10 2/2015
L E I B N I Z | K R I E G LUE NI BDN KI ZO N| FKL RI KI ET G
E
Das erste Licht im Universum
Licht bietet der Astronomie ein einzigartiges Fenster
ins Universum. Mit modernen Großteleskopen können
sie Milliarden von Jahren zurück bis in die Frühzeit
des Kosmos blicken, als die ersten Sterne entstanden.
Selbst das Erbe bereits erloschener Sterne lässt sich
auch heute noch als chemischer Fingerabdruck im
Licht der ältesten Sterne unserer Milchstraße nachweisen. Ein Team von Wissenschaftlern am Leibniz-­
Institut für Astrophysik Potsdam (AIP) arbeitet auf diesem Gebiet der „Galaktischen Archäologie“. Es wertet
die Daten groß angelegter Beobachtungskampagnen
aus und entschlüsselt sie. Das Licht der Sterne verrät
die Entwicklungsgeschichte unserer Milchstraße und
anderer Galaxien im Weltall. Spuren ganzer Galaxienbewegungen sind bis heute in der Milchstraße nachweisbar: Abweichende Bewegungen einzelner Sternströme können anhand ihres Farbprofils entschlüsselt
werden. Sie zeugen von lange vergangenen Kollisionen unserer Galaxie mit kleineren, benachbarten
Zwerggalaxien. Erst vor wenigen Jahren entdeckten
die Astronomen einen neuen Sternstrom in der Milchstraße, bei dem es sich um die Überreste einer Galaxie
handelt, die vor 700 Millionen Jahren von der Schwerkraft der Milchstraße auseinandergerissen wurde.
Dafür ermittelten die Forscher die Geschwindigkeiten
von 250.000 Sternen aus dem vom AIP geleiteten internationalen RAVE-Survey. Solche Kollisionen können
die ganze Milchstraße aus dem Takt bringen. So stellte sich kürzlich heraus, dass sich unsere Galaxie nicht
nur in permanenter Rotation befindet, sondern auch
nach Norden und Süden aus der galaktischen Scheibe
herausflattert – wie eine Fahne im Wind. Auch hierfür
könnte der Durchgang kleinerer Galaxien in unserer
ai p
kosmischen Vergangenheit ein Grund sein. LEIBNIZ | LICHT
Lichtermeer
statt
Sternenhimmel
Nicht zu sehen, aber doch erkennbar.
Lichter entlang des Nils erleuchten
den Lauf des Flusses auch bei Nacht.
12 2/2015
LEIBNIZ | LICHT
Der Nachthimmel wird durch künstliches Licht immer heller. Die
Lichtverschmutzung hat Auswirkungen auf Menschen, Tiere und
die Astronomie. Leibniz-Forscher untersuchen, welche Folgen
Fotos: Earth Science and Remote Sensing Unit, NASA Johnson Space Center; thenemrel/Flickr.com – CC BY-NC-ND 2.0
künstliches Licht hat und was man dagegen tun kann.
2/2015 Wer abends durch eine Großstadt
läuft, sieht vor allem eines: Licht.
Helle Bürotürme ragen in den
Himmel, bunt erleuchtete Schaufenster präsentieren die Auslage,
Sehenswürdigkeiten wer­den mit
Flutlicht angestrahlt. Dazu kommen Straßenlaternen und Auto­
scheinwerfer. Zu sehen ist ein
glitzerndes Lichtermeer, das zum
Sinnbild der Moderne geworden
ist.
Seit am 20. September 1882
in Berlin die ersten Straßenlaternen Deutschlands in Betrieb gingen, hat die öffentliche Beleuchtung einen Siegeszug angetreten.
Elektrisches Licht symbolisierte
Fortschritt und Wohlstand. Die
glitzernden Lichter waren ein
Versprechen: Alles schien möglich, der Mensch beherrschte die
Natur und konnte die Nacht zum
Tag machen.
Licht mit
Schatten
Heute, 130 Jahre später, sieht
alles etwas anders aus. Immer
deutlicher erkennen Forscher,
dass künstliches Licht auch negative Folgen hat. In den vergangenen zwanzig Jahren ist
der Nachthimmel jedes Jahr um
fünf Prozent heller geworden.
Das hat Auswirkungen auf Tiere
und Menschen. Wissenschaftler
nennen das Phänomen Lichtverschmutzung oder Lichtsmog.
Gemeint ist damit die künstliche
Aufhellung des Nachthimmels,
die eine Form der Umweltverschmutzung darstellt.
„Die ganze Evolution ist auf
dem Tag-Nacht-Rhythmus aufgebaut“, sagt Sibylle Schroer. Sie
arbeitet als wissenschaftliche Koordinatorin am Leibniz-Institut
für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) in Berlin für
das Projekt „Verlust der Nacht“.
In dem Verbund haben sich Forscher aus sechs Leibniz-Instituten, drei universitären Instituten
und dem Helmholtz-Zentrum für
Umweltforschung (UFZ) zusammengeschlossen. „Normalerweise haben wir nachts dunklere
Bedingungen und tagsüber das
Sonnenlicht, das eine immense Intensität hat. Dieser Unterschied zwischen Hell und Dunkel
ist das Uhrwerk unseres Lebens.“
Doch durch künstliches Licht
kann der natürliche, circadiane
24-Stunden-Rhythmus durcheinander geraten.
Zu früh aus den Federn:
Kunstlicht weckt Stadt-Amseln.
Für Tiere hat das zum Teil fatale Folgen. Vögel, die in Städten
leben, brüten inzwischen bis zu
vier Wochen früher. Der künstlich aufgehellte Himmel simuliert
ihnen schon im Winter, dass die
Tage länger werden und es Zeit
ist, die Sexualorgane zu entwickeln. „Licht ist ein saisonaler
Trigger“, sagt Schroer. „Nach der
Temperatur ist es der wichtigste
Faktor, der Lebewesen eine saisonale Veränderung anzeigt.“ Wenn
dann nochmal ein Kälteeinbruch
kommt und Insekten sterben,
fehlt den Vögeln das Futter. Normalerweise ist das Futterangebot
am größten, wenn der Bedarf
an Futter für die Jungvögel am
höchsten ist. Diese natürliche
Synchronisation kann aus dem
Gleichgewicht geraten.
Ruhelose
Vögel in der Stadt
Auch der Tag-Nacht-Rhythmus
der Vögel gerät durcheinander.
Im Rahmen des Projekts „Verlust
der Nacht“ haben Forscher des
UFZ beispielsweise herausgefunden, dass Amseln in der Stadt bis
zu fünf Stunden früher aufwachen als auf dem Land. Schon vor
Sonnenaufgang seien in der Stadt
Balzrufe zu hören, sagt Sibylle
Schroer. „Das hat zur Folge, dass
sich die natürliche Selektion verschiebt, ein Männchen, das unter
Lichteinfluss lebt, für die Weibchen attraktiver wird.“
13
LEIBNIZ | LICHT
Die Folgen von künstlichem Licht
sind vielfältig: Insekten sterben
an Straßenlaternen, Fledermäuse verändern ihre Flugrouten,
Fische werden durch Licht orientierungslos und bei ihren Wanderbewegungen aufgehalten.
Am schlimmsten ist die zunehmende Helligkeit für nachtaktive Tiere, die ihre Sinne auf
Dunkelheit geschärft haben. Betroffen sind dabei nicht nur Tiere,
die in der Stadt leben. Das künstliche Licht, das in den Himmel abstrahlt, wird von den Wolken und
anderen Molekülen der Atmosphäre reflektiert. Es bilden sich
sogenannte Lichtdome (auf Englisch skyglows), die noch über 70
Kilometer von der Stadt entfernt
zu sehen sind.
In manchen Seen ist es so hell,
dass Wasserflöhe, die den Schutz
der Dunkelheit suchen, um Fressfeinde zu vermeiden, nicht mehr
an die Oberfläche kommen, um in
den oberen Schichten des Gewässers Algen zu fressen. Manche
Tiere profitieren also vom Licht,
während andere darunter leiden.
„Diese Auswirkungen zu erforschen, ist eine Langzeitaufgabe.
Diese Arbeit wird derzeit durch
das Bundesamt für Naturschutz
gefördert. Wir stehen gerade erst
am Anfang“, erzählt Sibylle Schroer. „Unsere Hypothese ist, dass es
zu Artenverschiebungen kommt.
Und unsere bisherigen Untersuchungen bestätigen das.“
Viele Verlierer,
wenige Profiteure
Die Verteilung der Arten gerät
aus dem Gleichgewicht. Wenige Profiteure stehen dabei vielen Verlierern gegenüber. „Wir
versuchen herauszufinden, wer
die Verlierer sind“, sagt Schroer.
„Das ist wahnsinnig schwer, weil
es diese Arten nur sehr selten
gibt.“ Wahrscheinlich würden
viele Arten, die auf der roten Liste stehen, durch das künstliche
Licht zusätzlich gefährdet. „Sie
können eine solche Verschiebung
nicht abfedern. Sie leiden stärker
als andere unter fehlenden Regenerationsphasen und den Veränderungen ihrer ökologischen
Nischen“, sagt Schroer. „So geht
Biodiversität verloren.“
In Deutschland gibt es – anders als etwa in Italien oder Slowenien – noch kaum gesetzliche
Regeln zum Lichtverbrauch.
Im Projekt „Verlust der Nacht“,
das von 2010 bis 2014 vom Bildungsministerium für Bildung
und Forschung (BMBF) und der
Berliner Senatsverwaltung für
Wirtschaft, Technologie und
Forschung gefördert wurde und
nun als Verbund weiterbesteht,
haben Wissenschaftler sich auch
mit alternativen Beleuchtungskonzepten beschäftigt. Denn natürlich brauchen wir Licht, zum
Beispiel für die Sicherheit im
Straßenverkehr oder die Nachtarbeit im Krankenhaus. Wichtig
ist, dass das Licht möglichst nicht
in den Himmel abstrahlt, sondern
von oben nach unten gerichtet ist
und nach Möglichkeit an den Seiten abgeschirmt wird.
Außerdem ließe sich der
Einsatz von Licht reduzieren. In
Paris müssen alle Geschäfte eine
Stunde nach Ladenschluss die
Beleuchtung abschalten. Straßenlaternen in wenig befahrenen
Gebieten könnten etwa ab Mitternacht durch Bewegungsmelder
aktiviert werden. Auch andere
intelligente Lösungen sind denkbar. So könnte die öffentliche
Beleuchtung herunter gedimmt
werden, wenn Schnee liegt oder
die Straßen nass vom Regen sind
Lichthölle: Im Nebel der herbstlichen
Inversionslage über Innsbruck und dem Inntal
wird das Kunstlicht vielfach verstärkt und
reflektiert.
14 2/2015
LEIBNIZ | LICHT
und das Licht vom Boden her reflektiert wird. Außerdem kommt
es auf die Art des Lichts an: Ein
warm-weißes Licht ist besser als
ein kalt-weißer Farbton.
Nachtarbeit erhöht
das Brustkrebs-Risiko.
Risiko Nachtarbeit
hormonabhänigigen Krebsarten
zu erkranken. Bei Frauen ist das
vor allem Brustkrebs, bei Männern Prostatakrebs. Der französische Epidemiologe Pascal Guénel
hat 2.600 Krankenschwestern
untersucht und kommt zu dem
Ergebnis, dass Nachtarbeit bei
Frauen das Brustkrebsrisiko
um 30 Prozent erhöht – vorausgesetzt, dass die Frauen mehr
als vier Jahre lang Nachtschichten machen und zwischen Tagund Nachtarbeit wechseln. Bei
den Frauen, die vor der ersten
Schwangerschaft mit der Nachtarbeit angefangen hatten, war
das Brustkrebsrisiko sogar um
50 Prozent höher als im Durchschnitt.
Nachgewiesen ist ebenfalls,
dass bei Nachtarbeit das Risiko
für Herz-Kreislaufkrankheiten
steigt. Auch andere Erkrankungen werden immer wieder im
Zusammenhang mit Nachtarbeit
genannt, etwa Stoffwechselkrankheiten, Diabetes, Essstörungen und Depressionen. Barbara Griefahn schränkt jedoch
ein: „Diese Krankheiten sind
eher sekundäre Folgen. Leute, die
Schlafstörungen haben, haben
zum Beispiel mehr Hunger und
Fotos: Christophmalin.com; picture alliance/BSIP
Denn Licht, insbesondere bläuliches Licht, hemmt die Herstellung des Hormons Melatonin, das
Menschen und Säugetiere nachts
produzieren. „Melatonin übersetzt die Lichtverhältnisse in den
Organismus des Menschen“, sagt
Barbara Griefahn, die als emeri­
tierte Professorin für Chronobiologie am Leibniz-Institut für
Arbeitsforschung in Dortmund
(IfADo) die Folgen von Nachtarbeit untersucht. Bei Lichteinfluss
wird die Melatonin-Synthese
abgebrochen. Über einen längeren Zeitraum hinweg könnte das
krank machen.
„Melatonin hat einen onkostatischen Effekt, es hemmt das
Tumorwachstum“, sagt Griefahn.
„Wenn kein Melatonin produziert
wird, entfällt diese schützende
Wirkung.“ Menschen, die über
lange Jahre nachts arbeiten, haben darum ein höheres Risiko, an
2/2015 15
LEIBNIZ | LICHT
www.verlustdernacht.de/
Loss_of_the_Night_App/
articles/loss-of-thenight-app.html
werden öfter fettleibig.“ Unklar
ist jedoch, ob all diese Krankheiten ausschließlich auf das künstliche Licht zurückzuführen sind
oder auch auf den verschobenen
Aktivitätsrhythmus. In jedem Fall
rät Griefahn Schichtarbeitern,
das Zimmer zum Schlafen abzudunkeln.
Arbeitgeber sollten darauf
achten, dass die Mitarbeiter
nicht zu oft nachts arbeiten. Alle
14 Tage drei Nachtschichten am
Stück – möglichst nur ein paar
Jahre lang –, seien zum Beispiel
eine vertretbare Lösung, sagt
Barbara Griefahn. „Nachtarbeit
ist in einigen Bereichen nötig,
aber wir sollten sie soweit wie
möglich reduzieren.“
App für
Bürgerforscher
Erst in den letzten Jahren ist
das Thema Lichtverschmutzung zumindest ansatzweise ins
Bewusstsein der Öffentlichkeit
­
gelangt – viel später als andere
Formen der Umweltverschmutzung. 1989 haben interessierte
Bürger eine Dark Sky-Initiative
gegründet, die Daten erhebt und
mit Ausstellungen auf das Thema aufmerksam machen will.
Leibniz-Forscher haben im Rahmen des „Verlust der Nacht“Projekts eine gleichnamige App
entwickelt. Mit ihr kann man die
Nachthelligkeit bestimmen und
so als „citizen scientist“ dazu
beitragen, die Lichtverschmutzung weltweit zu messen. Und in
Deutschland gibt es inzwischen
drei sogenannte Sternenparks,
Gebiete, deren Dunkelheit geschützt wird.
Astronomen haben die Folgen des künstlichen Lichts als
Erste bemerkt. Schon 1913 –
dreißig Jahre nach der ersten
Straßenlaterne – war in Berlin
der Nachthimmel so hell, dass
die Sternwarte nach PotsdamBabelsberg umziehen musste. Heute gibt es auf der Welt
nur wenige Gegenden, die so
dunkel sind – und die nötigen
klimatischen Bedingungen mitbringen –, dass sie sich für die
profes­sionelle Astronomie eignen. Die Atacama-Wüste in Chile gehört dazu; außerdem Gegenden in Namibia, Südafrika
und auf Hawaii. Aber auch dort
müsse man sich um zunehmende Helligkeit sorgen, sagt Axel
Schwope, der am Leibniz-Institut für Astrophysik Potsdam
die Arbeitsgruppe Röntgenastronomie leitet.
In Mitteleuropa können –
grob geschätzt – 50 Prozent der
Menschen an ihrem Wohnort
die Milchstraße nicht mehr sehen. „Das ist ein enormer kulturhistorischer Verlust“, sagt
Axel Schwope. „Sterne zu beobachten, ist ein elementares Naturerleben. Dabei werden wir
uns bewusst, dass wir in einem
größeren Zusammenhang leben. Diese Erkenntnismöglichkeit sollten wir uns nicht vermüllen.“
m ou n i a m ei borg
Foto: Christophmalin.com
Die Wolken über Innsbruck reflektieren
und verstärken dadurch die Lichter der
Stadt. Ein Einkaufszentrum erleuchtet
die Martinswand auch um Mitternacht.
16 2/2015
LEIBNIZ | LICHT
Die Nacht mitdenken
Das Internationale Jahr des Lichts sollte ein Meilenstein für nachhaltige
Beleuchtungssysteme sein.
Lichtverschmutzung ist mittlerweile ein weltweites
Problem: Natürliche Dunkelheit finden wir nur noch an
abgelegenen Orten der Welt. Beleuchtete Nächte geben
Menschen ein Gefühl der Sicherheit, symbolisieren Wohlstand und Modernität. Doch künstliches Licht hat auch
seine Schattenseiten: Viele Tiergruppen, ja ganze Ökosysteme verändern sich durch die nächtliche Beleuchtung.
Während Forschung und angewandter Landschaftsschutz
bisher vor allem auf Taglandschaften ausgerichtet wurden,
gelten Nachtlandschaften leider nur selten als eigenständiger Untersuchungsbereich und als spezifisches Schutzgut.
Mehr und mehr zeigt sich jedoch, dass auch der Mensch die
natürliche Dunkelheit braucht, um gesund zu bleiben. Licht
zur falschen Zeit stört den Schlaf‐Wach‐Rhythmus und damit Wohlbefinden und Leistungsfähigkeit. Untersuchungen
geben außerdem erste Hinweise auf Zusammenhänge zu
typischen Zivilisationskrankheiten.
Und nicht zuletzt hat der Verlust der Nacht kulturelle
Auswirkungen: Wer die Milchstraße noch nie gesehen hat,
wird zwar im Alltag der heutigen Städte kaum etwas vermissen, aber den Stadtmenschen wird der Sternenhimmel
zunehmend fremd. Parallel zur weltweiten Lichtzunahme
verändern sich somit unsere Referenzpunkte für Nacht und
natürliche Dunkelheit. Was wiederum dazu führt, dass wir
den Wandel kaum noch wahrnehmen („Shifting Baseline
Syndrom“).
Foto: IGB
Künstliche Beleuchtung ist zudem für beträchtliche Kosten
verantwortlich. Sie verursacht etwa 19 Prozent des weltweiten Stromverbrauchs und produziert jährlich 1.900
Millionen Tonnen CO2. Fast jede dritte Lampe in deutschen
Straßen ist eine Quecksilberdampflampe. Diese werden ab
2015 laut der europäischen Ökodesign‐Richtlinie aufgrund
ihrer geringen Effizienz nicht mehr im Handel angeboten
und müssen in den kommenden Jahren ersetzt werden.
Gleichzeitig drängen neue energieeffiziente Beleuchtungsprodukte wie LEDs auf den Markt, das aber ökologisch
und gesundheitlich weitgehend unbewertet. Werden
Beleuchtungssysteme aber neu installiert, geschieht das
für eine Lebensdauer von 20 bis 30 Jahren. Fehler, die bei
der Planung und in der Wahl der Technologie jetzt gemacht
werden, lassen sich nur schwer und über lange Zeiträume
korrigieren.
2/2015 Unsere Straßenbeleuchtung wird immer effizienter. Doch
was zur Einsparung von Energie und zur Reduktion von
Treibhausgasen führen soll, hat auch seine Achillesferse:
Wird Licht kostengünstiger, nimmt oft das Ausmaß an
Franz Hölker ist Projektleiter der Forschungsplattform
„Verlust der Nacht“ und Chair des Europäischen Netzwerks
LoNNe (Loss of the Night Network). Der habilitierte Biologe arbeitet am Leibniz-Institut für Gewässerökologie und
Binnenfischerei in Berlin.
Beleuchtung zu. In der Folge wird manch dunkle Gegend
nachts heller erleuchtet, als es notwendig wäre. Um einen
solchen „Reboundeffekt“ zu vermeiden, müssen neben
Sicherheitsaspekten und Energieeffizienz auch gesundheitliche und ökologische Aspekte Berücksichtigung finden
und das Thema in seiner ganzen Breite in das Bewusstsein aller beteiligten Akteure gelangen. Soll Licht künftig
intelligent und effizient eingesetzt werden, braucht es
innovative Konzepte, die das Licht dorthin bringen, wo
und wann es benötigt wird. Moderne Leuchtmittel, gezielte
Licht­lenkung, wissenschaftlich fundierte Richtlinien,
maßgeschneiderte Farbspektren und Schwellenwerte für
Beleuchtung sind auch Hausaufgaben für die Forschung,
damit die Gesellschaft verantwortungsvoll und nachhaltig
mit Licht umgehen kann.
Das „Internationale Jahr des Lichts“ 2015 der Vereinten
Nationen ist ein guter Anlass, sich mit dem Thema Nachhaltigkeit in der Beleuchtung auseinanderzusetzen. So können
wir nicht nur den Energieverbrauch senken, sondern
langfristig auch die Lichtverschmutzung unserer Nachtlandschaften reduzieren. fr an z h öl ker
www.jahr-des-lichts.de
www.verlustdernacht.de
www.cost-lonne.eu
17
LEIBNIZ | LICHT
Melanie Wiesner platziert
Pak Choi-Pflanzen und
Kapuzinerkresse zur
UV-Bestrahlung in einem
Klimaschrank.
Lichtdoping
für Pflanzen
„Supergesundes“ Gemüse und sauberes Wasser für weit mehr
Menschen als heute: Diese Visionen lassen sich vielleicht schon
in ein paar Jahren mithilfe von UV-Strahlung realisieren. ­Daran
forschen Pflanzenwissenschaftler und Optoelektroniker.
18 2/2015
LEIBNIZ | LICHT
Seit Jahrtausenden kultiviert der die dunklen Pflanzenfarbstoffe
Mensch Nutzpflanzen und wirkt Anthocyane) und Glucosinolate.
mit verschiedenen Mitteln auf sie Die Abbauprodukte von Glucosiein, um Erträge und Geschmack nolaten können verschiedenste
zu verbessern. Der neueste Trend biologische Wirkungen entfalten
des Pflanzen-Boostings ist es, die und sind in Gemüsen wie RadiesInhaltsstoffe so zu beeinflussen, chen und Kohl für den scharfen
dass Gemüse noch gesünder wird. beziehungsweise bitteren GeDiese Idee verfolgen in einer Ko- schmack verantwortlich. Diesen
operation das Leibniz-Institut für Substanzen wird eine präventive
Gemüse- und Zierpflanzenbau Wirkung beispielsweise gegen
(IGZ) und das Ferdinand-Braun- Dickdarmkrebs zugeschrieben.
Institut, Leibniz-Institut für Höchstfrequenztechnik (FBH). Suche nach optimalen
Das Ziel: die Produktion „nützlicher“ sekundärer Pflanzenstoffe Wellenlängen
in bestimmten Gewächsen anzukurbeln – mithilfe gezielter Um genau solche Stoffe geht es in
UV-B-­­Strahlung bei bestimmter dem Projekt. Das Forscherteam
Wellenlänge. Die gemeinsame will herausfinden, welche WellenArbeit mündet in Projektvorha- längen und Bestrahlungszeiten
ben, die künftig im Rahmen des optimal sind für deren Produk­
vom Bundesforschungsministe- tion, denn Pflanzen erzeugen unrium geförderten Konsortiums ter UV-Beleuchtung bestimmter
„Advanced UV for Life“ bearbeitet Wellenlänge vermehrt Sekundär­
werden sollen. Im Konsortium metabolite. Diese Strahlen sind
entwickeln unter Federführung auch in natürlichem Licht vordes FBH insgesamt 31 Partner handen, aber nur in geringer
aus Forschung und Industrie so- Dosis – UV-Strahlung macht etwa
wohl Technologien als auch viel- acht Prozent des Sonnenlichts
versprechende Einsatzfelder für auf der Erde aus. Der UV-Bereich
Leuchtdioden, die ultraviolettes des Lichts erstreckt sich auf WelLicht ­emittieren – kurz: UV-LEDs. lenlängen von unter 230 bis 400
Nanometer. Um die Produktion
FotoS: Christoph Herbort-von Loeper; FBH/schurian.com; FBH
Pflanzen­stoffe für die
Gesundheit
2/2015
Mit Licht Pflanzenwachstum zu
beeinflussen, ist ein Verfahren,
das schon seit Langem angewendet wird – Gewächshauskulturen wären ohne Kunstlicht nicht
denkbar. „Dabei geht es vor allem
um das schnellere Wachstum von
Pflanzen, damit sie in kürzerer
Zeit höhere Erträge bringen“, sagt
Melanie Wiesner, die als Wissenschaftlerin am IGZ im Projekt mitarbeitet. „Wir wollen die Pflanzen
gezielt anregen, sekundäre Pflanzenstoffe zu produzieren, die für
den Menschen gesundheitsfördernd sein können“, erläutert sie.
Solche chemischen Stoffe –
sogenannte pflanzliche Sekundär­
metabolite – sind Produkte des
pflanzlichen Stoffwechsels, die
aus Primärmetaboliten wie Zuckern gebildet werden. Etwa
200.000 solcher Stoffe gibt es,
zu ihnen gehören unter anderem
phenolische Verbindungen (z.B.
sekundärer Pflanzenstoffe auszulösen, ist vor allem der Bereich
der UV-B-Strahlung mit Wellenlängen zwischen 280 und 315 Nanometern interessant.
Lampen, die UV-B-Strahlung einer bestimmten Wellenlänge abstrahlen, gab es bislang nicht. Das
Spektrum von UV-Lampen, die
bereits in der Pflanzenproduk­tion
eingesetzt werden, ist zu breit,
zudem strahlen sie Wärme ab,
die bei der Produktion sekundärer Pflanzenstoffe unerwünscht
ist. Die benötigten Leuchtmittel
liefert der Kooperationspartner
im Projekt: FBH-Wissenschaftler Sven Einfeldt und sein Team
haben ein spezielles Modul aus
LEDs entwickelt, das Licht mit
einer bestimmten W
­ ellenlänge –
311 Nanometer – homogen über
die gesamte bestrahlte Fläche
emittiert. Mit diesem ersten
Modul experimentierte das IGZTeam um Melanie Wiesner und
ihre Kollegin Susanne Neugart
seit 2012. Ab August dieses Jahres arbeiten sie mit einem neuen
Modul, das größer ist und mit
dem mehr Pflanzen gleichzeitig
bestrahlt werden können. Die optimale Dosis zu finden, ist dabei
keine leichte Aufgabe, denn Pflan-
Jetzt im Einsatz:
Prototyp eines neuen
UV-Moduls
19
LEIBNIZ | LICHT
Ein Modul mit UV-LEDs bestrahlt Wasser, das zur gleichmäßigen Desinfektion mit
einem Rührer bewegt wird.
zen reagieren sehr empfindlich:
„Zu viel UV-B-Strahlung kann bei
der Pflanze Stress auslösen und
sie im ungünstigsten Fall töten,
eine zu geringe Dosis hat gar keinen Effekt“, sagt Susanne Neugart.
Versuche mit
Kreuzblütlern und
Pak Choi
20 In der ersten Versuchsreihe experimentierten die Forscherinnen
mit Arabidopsis, einer Pflanze
aus der Familie der Kreuzblütler.
„Sie ist unsere liebste Modellpflanze für die Forschung, denn
sie hat nur fünf Chromosomen,
die vollständig durchsequen­ziert
sind – wir können also genau
nachvollziehen, welche Wellenlänge wie wirkt“, sagt Wiesner.
Daneben untersuchten die IGZForscherinnen die Wirkung von
UV-B-Strahlung auf Pak Choi, eine
asiatische Kohlart, die zu der gleichen Pflanzenfamilie gehört wie
Arabidopsis. Die Wissenschaft­
lerinnen kamen zu dem Ergebnis, dass beide Pflanzen ähnlich
reagieren: Durch UV-B-Strahlung
steigt die Produktion bestimmter Glucosinolate an. Nicht nur
für Gemüseesser sind das gute
Nachrichten: „Glucosinolate nutzen auch den Pflanzen selbst, sie
setzen diese beispielsweise zur
Insektenabwehr ein. Damit ist
UV-B-Bestrahlung auch attraktiv für Gemüseproduzenten, die
Pestizide einsparen wollen“, berichtet Wiesner. UV-B-Licht hat
allerdings auch einen Nachteil.
Wegen der Krebsgefahr, die von
ihm ausgeht, dürfen Mitarbeiter
während der Bestrahlung das
Gewächshaus nicht betreten. Deswegen will das Forscherteam von
FBH und IGZ Bestrahlungsdosen
und Wellenlängen finden, bei denen es möglich ist, die Bestrahlungszeit so kurz wie möglich zu
halten.
Im Herbst beginnt eine weitere Stufe der Forschungsreihe: Das
dritte Modul, das dann eingesetzt
wird, deckt den Wellenlängenbereich um 290 Nanometer ab. „Insbesondere interessiert uns, ob
die Bestrahlungszeit zur Bildung
der Sekundärmetabolite verkürzt
werden kann – also die Wirkung
der kürzerwelligen UV-B Strahlung höher ist“, sagt Neugart.
Sauberes Wasser durch
UV-B-Strahlung
Einen ganz ähnlichen Ansatz in
einem anderen Kontext verfolgt
das FBH ebenfalls im Rahmen des
Konsortiums „Advanced UV for
Live“ in zwei Kooperationen mit
Industriepartnern. Es erforscht,
wie sich speziell UV-LEDs bestimmter Wellenlängen zur Wasserdesinfektion nutzen lassen.
UV-Licht aus Quecksilberdampflampen wird schon länger zur
Wasserreinigung eingesetzt. „Wir
wollen eigene UV-LEDs herstellen, bei denen wir die Wellenlänge
genau einstellen können, um sie
zum Beispiel für eine effizientere
Wasserdesinfektion einzusetzen,
denn auch Mikroorganismen reagieren unterschiedlich auf verschiedene UV-Bereiche“, berichtet
Sven Einfeldt. Mit dem interna­
tional agierenden Unternehmen
Xylem, das Anlagen zur Wasserdesinfektion herstellt, entwickeln
er und sein Team Lösungen zur
UV-Desinfektion großer Wasserund Abwassermengen. Um kleine
Mengen Wasser zu reinigen, zum
Beispiel Trinkwasser in Gebieten
ohne Stromversorgung, lassen
sich schon heute wirksame MiniDesinfektionsanlagen bauen. Sie
haben Durchflussmengen von
etwa einem Liter pro Minute; der
benötigte Strom wird per Solarzelle erzeugt. Beim Bau solcher
kleinen autarken Geräte kooperiert das FBH mit einem Unternehmen in Thüringen.
Die am FBH gebauten Module sind von der breiten Anwendung noch weit entfernt – sie sind
schlicht zu teuer, eine UV-LED
kostet auf dem Markt zurzeit
100 bis 200 US-Dollar. Doch Einfeldt erwartet eine Entwicklung
analog zu weißen LEDs hin zur
Massenproduktion – auch wenn
der Markt kleiner ist, da UV-LEDs
nicht als Leuchtmittel einsetzbar
sind. Einen großen Pluspunkt
haben auch diese LEDs: die Lebensdauer. Man erwartet etwa
100.000 Betriebsstunden, während beispielsweise Quecksilberdampf-Niederdrucklampen, die
heute zur Wasserdesinfektion
eingesetzt werden, nach wenigen
1.000 Stunden schlappmachen.
So könnte Wasserreinigung dank
UV-LEDs viel effizienter werden
und in Gegenden zum Einsatz
kommen, wo sauberes Wasser
bislang nicht bezahlbar war.
w i ebke peter s
2/2015
LEIBNIZ | LICHT
2/2015 21
LEIBNIZ | LICHT
Tunnelblick
auf Elektronen
Foto: Christoph Herbort-von Loeper
Neues Licht mit alter Leuchte. Lisa Torlina neben
einem Exponat der Sonderausstellung
„Seezeichen“ im Deutschen
Technikmuseum Berlin.
22 2/2015
LEIBNIZ | LICHT
Lisa
Torlina
beschreibt
an
der
Leibniz-­
Graduiertenschule
„Dynamics in New Light“, wie Elektronen auf ultraschnelle
­
­Lichtimpulse reagieren und wie sie sich dabei in Milliardsteln von
Milliardstel-­Sekunden beobachten lassen.
Lisa Torlina ist 29 Jahre alt, Aus­
tralierin, Tänzerin und theoretische Physikerin. So offen, der
Welt zugewandt wie die junge
Frau ist, denkt man nicht, dass sie
sich seit zehn Jahren mit komplexen theoretischen Modellen der
Mathematik und Physik beschäftigt. Wenn sie aber anfängt, von
Elektronen und ihrem Weg durch
Lichtbarrieren zu erzählen, wird
schnell klar: Sie hat ihre Leidenschaft zum Beruf gemacht. „Ich
wollte immer schon verstehen,
wie die Welt funktioniert“, sagt
die Physikerin selbst über ihre
Forschung zur Quantenmechanik. Deshalb hat sie erforscht, wie
Atome und Moleküle mit starken
Lichtimpulsen interagieren und
welche Dynamik innerhalb der
Elektronen dadurch entsteht –
eine der großen offenen Fragen
in der Grundlagenforschung der
Physik.
Auf Umwegen
nach Berlin
2/2015 Seit vier Jahren schreibt Torlina
darüber ihre Doktorarbeit am
Max-Born-Institut für Nichtlineare Optik und Kurzzeitspektroskopie (MBI) in Berlin. Hier ist
sie eine von 18 Promovierenden
der Leibniz-Graduiertenschule
„Dynamics in New Light“, die alle
mit verschiedenen Lichttechniken arbeiten. Dass sie einmal
promovieren und dann weiter
forschen würde, war Lisa Torlina
schon sehr früh klar. Doch der
Weg von Australien nach Europa
und schließlich zum MBI verlief
nicht immer geradlinig.
Geboren in Russland, verbringt die junge Forscherin ihre
Kindheit in Australien. In Sydney
studiert sie nach dem HighschoolAbschluss Physik und Mathematik, kann sich jedoch nicht für
eine der beiden Fachrichtungen
entscheiden. Während sie die
stringente Logik der Mathematik
fasziniert, ist sie ihr gleichzeitig
zu realitätsfern. Sie vermisst den
Bezug zur echten Welt, den ihr die
Physik eröffnet. Um ein Thema
für ihre Doktorarbeit zu finden,
das mathematisch ist und dennoch hilft, die reale Welt besser
zu verstehen, geht sie erst einmal
für einen zweiten Master nach
Cambridge, in den – wie wohl viele sagen – „härtesten Mathekurs
der Welt“. In dieser Zeit entdeckt
sie auch ihre Leidenschaft für Europa. „In Australien war ich abgeschnitten vom Rest der Welt. In
Europa treffen sich so viele Kulturen auf so engem Raum, hier
ist immer etwas los, das finde ich
total spannend.“
Kommilitonen
aus aller Welt
Bis zum MBI ist es dann aber noch
ein langer Weg – zunächst beginnt
Lisa Torlina in Edinburgh eine Arbeit über die Stringtheorie; diese
hat ihr Interesse geweckt, weil sie
absolut theoretisch ist und versucht, die großen Fragen der Physik zu klären. „Aber ich musste
schnell feststellen, dass auch die
Stringtheorie nicht die Antwort
auf alles bereitstellt.“ Nach eineinhalb Jahren orientiert sie sich
also um – und wird auf die Arbeit
des MBI aufmerksam, das Grundlagenforschung im Bereich der
nichtlinearen Optik und Kurzzeitdynamik betreibt. Um zu verstehen, wie genau Elektronen sich
verhalten, werden sie hier mit
neuartigen
Lasertechnologien
beobachtet – ein Thema, der Lisa
Torlina schon in Cambridge fasziniert hat. Und auch Berlin gefällt
der jungen Forscherin auf Anhieb.
Mit Erfolg bewirbt sie sich für
die Leibniz G
­raduiertenschule
„Dynamics in New Light“. Die
Schule unter der Federführung
des MBI betreut eine internatio­
nale Gruppe von Doktoranden
aus der Chemie und der Physik,
die an verschiedenen Instituten
in Berlin und Brandenburg zu
ultrakurzen und ultraintensiven
Lichtimpulsen arbeiten. In regelmäßigen Abständen organisieren
die beteiligten Einrichtungen Vorträge von Experten. So bekommt
Lisa Torlina auch Einblicke in die
Arbeit der Humboldt Universität
oder der Universität Potsdam und
kann sich mit anderen Studierenden ihres Fachbereichs austauschen. Ebenso nimmt sie an Schulungen teil, die wissenschaftliches
Schreiben vermitteln. Und die
Studenten lernen in Seminaren,
Präsentationen zu halten und Interviews zu führen, denn einige
möchten nach ihrem Abschluss
in die freie Wirtschaft gehen. Lisa
Torlina ist sich da noch nicht sicher, noch reizt sie die Forschung
mehr.
Eine ungewöhnliche Frau
Dass sie sich so für die Grundlagenforschung der Mathematik
und Physik interessiert, wundert
Lisa Torlina selbst, schließlich
merkte sie in der Schule schnell,
dass die meisten ihrer Mitschülerinnen lieber Geschichte oder
Literatur wählten. „Aber ich hatte
wirklich gute Lehrer in den Naturwissenschaften. Und ich fand es
toll, präziser arbeiten zu können
als in den Geisteswissenschaften. Wenn du in der Mathematik
den Regeln folgst, bekommst du
immer nur das eine richtige Ergebnis, egal wie unwahrscheinlich das am Anfang war.“ In ihrem
jetzigen Forschungsfeld machen
ihre Untersuchungsgegenstände
23
LEIBNIZ | LICHT
eigentlich nie das, was man intuitiv erwarten würde. Wirft man
zum Beispiel einen Ball gegen die
Wand, kommt er zurück gesprungen. Treffen hingegen Elektronen
auf ein Hindernis, durchbrechen
sie dieses viel wahrscheinlicher
als es der Ball tun würde.
Diesen Vorgang – in der Physik
„Tunneling“ genannt – zu beobachten, ist nur dank neuer Techniken möglich, die es erlauben,
Lichtimpulse zu kontrollieren und
Elektronen so mit hoher Präzision
zu beobachten. Denn Elektronen
wandern so schnell, dass ihre
Bewegung in Attosekunden gemessen wird. Eine Attosekunde
ist gerade einmal ein Millardstel
einer Millardstel Sekunde lang.
Am MBI versuchen Lisa Torlinas
Mitstudenten in Experimenten,
diese Bewegung von Elektronen
sichtbar zu machen. Mit speziellen Lasern senden sie ultrakurze
Lichtimpulse auf das Elektron, das
das Licht zurückwirft.
Um den Bewegungsablauf
aufzunehmen, müssen ganz viele Bilder hintereinander folgen,
also extrem kurze Lichtimpulse
das Geschehen erfassen. „Es ist
ähnlich wie bei einem Foto: Ist die
Belichtungszeit zu hoch, werden
also zu lange Lichtimpulse auf das
Objekt geworfen, verschwimmt
das Bild und wird undeutlich“, erklärt Lisa Torlina das Vorgehen.
Wie lange es jedoch dauert, bis
ein Elektron das Hindernis überwunden hat, können diese Experimente zwar messen, aber nicht
abschließend interpretieren.
Teil des großen
Welträtsels
Hier setzt Torlinas Arbeit an: Sie
entwickelt in ihrer Forschung ein
rein theoretisches, mathematisches Konzept, das die Prozesse
analysiert. Mit diesem Tool, dem
„Attosecond Angular Streaking“,
kann sie beweisen, dass beim
Durchbrechen der Lichtschranke
keine Zeit vergeht. Diese Erkenntnis ist nicht nur ein Puzzleteil in
dem immer noch großen Rätsel,
wie unsere Welt funktioniert, sie
wird auch Grundlage für Biologen und Chemiker sein, die nun
chemische Reaktionen besser
beschreiben und vielleicht bald
sogar kontrollieren können.
Der Weg zu dieser Erkenntnis
war jedoch nicht immer leicht.
Vor allem in der ersten Phase
ihrer Doktorarbeit hat Lisa tagelang gerechnet, bis sich ein riesiger Stapel auf ihrem Schreibtisch
aufgetürmt hatte. „Ich habe ganz
oft Ideen wieder verworfen, von
vorn angefangen. Das war nicht
leicht, aber so funktioniert eben
die Forschung“, erinnert sie sich
zurück an die Anfangszeit ihrer
Promotion. Und: Auch wenn sie
Ideen in ihrer Theorie umsetzen
konnte, warf das wieder neue
Fragen auf. Erst nach vielen Wochen und Monaten der Berechnungen, immer neuen Ideen und
Konzepten konnte sie ihre Theorie an spezifischen Fällen testen.
Mittlerweile hat Lisa Torlina
ihre Doktorarbeit eingereicht. Im
Anschluss tritt sie eine Post-DocStelle am MBI an, „denn hier gibt
es noch viele offene Fragen, die
meine Forschung klären könnte.“
Im Juni erschien ein Artikel von
ihr und ihrer Betreuerin Olga
Smirnova im renommierten Journal „Nature Physics“, auf den sie
sichtlich stolz ist.
Wenn Lisa Abstand von Lichtpulsen und Elektronen braucht,
geht sie gern zum Tempelhofer
Feld – hier fühlt sie sich angekommen in Deutschland. In Berlin
möchte sie auch gern noch eine
Weile bleiben, vor allem um zu
verstehen, was die Welt zusammenhält. Den Weg dahin hat Lisa
Torlina nun gefunden. al ess a w en d l an d
Physikalische Prozesse, die innerhalb weniger Femto- (Billiardstel-)Sekunden erfolgen, bestimmen Materialeigenschaften, Phasenübergänge und chemische Modifikationen. Dank ultraschneller Laserpulse der
Röntgen- und Vakuum-Ultraviolettstrahlung lässt sich heute das Verhalten von Elektronen in Festkörpern
oder chemischen Bindungen bis zur atomaren Auflösung beobachten.
Hier setzt die Leibniz-Graduiertenschule „Dynamics in new Light” an, die über das Leibniz-Wettbewerbsverfahren am Max-Born-Institut für Nichtlineare Optik und Kurzzeitspektroskopie in Berlin etabliert
wurde, um die Nachwuchsausbildung in der ultraschnellen Röntgenstrahlung zu verbessern. Mit dem MBI
kooperieren die Universitäten in Berlin und Potsdam, das Helmholtz-Zentrum Berlin und das Fritz-HaberInstitut der Max-Planck-Gesellschaft. Die Graduiertenschule will die wissenschaftlichen ­Karrieren junger
Forscherinnen und Forscher beschleunigen und die aufstrebende Forschung auf dem Gebiet der zeitaufgelösten Röntgenforschung in der Region Berlin stärken.
www.mbi-berlin.de/DinL
24 Foto: Uwe Bellhäuser/MBI
Leibniz-Graduiertenschule „Dynamics in new Light”
2/2015
LEIBNIZ | LICHT
Fotos: NASA/SDO/HMI (rechts); NASA/Goddard/SDO (oben)
Der Sonne entgegen ...
2/2015 … gehen die Blicke der Forscher am Kiepenheuer-Institut
für Sonnenphysik (KIS) in Freiburg. Die Wissenschaftler
untersuchen unsere wichtigste Lichtquelle überhaupt
mit experimentellen und theoretischen Methoden.
Schließlich ist die Sonne der Schlüssel für das Verständnis der Sterne und der Bewohnbarkeit von Planeten. Ihr
Augenmerk richten sie auf den solaren Magnetismus und
erforschen dabei Feinstruktur und Energiehaushalt der
solaren Atmosphärenschichten Photosphäre und Chromosphäre, die globale magnetische Aktivität der Sonne
sowie anderer Sterne. Zudem entwickeln sie hochempfindliche Techniken, um auch kleine Strukturen auf der
Sonnenoberfläche untersuchen zu können.
Die Vielfalt der Sonne offenbart sich bei Aufnahmen
in verschiedenen Wellenlängenbereichen:
Durch die Verwendung von Filtern lassen sich bestimmte Schichten der Sonnenatmosphäre getrennt
voneinander sichtbar machen. Die Filter lassen nur Licht
hindurch, das von bestimmten Atomen unter speziellen
Anregungsbedingungen absorbiert wird. So entstehen
Bilder, die die Dynamik der Sonnenatmosphäre besonders anschaulich machen.
Das KIS konzentriert sich auf den Wellenlängenbereich, der vom Boden aus gut zu beobachten ist: 380 bis
etwa 1600 Nanometer (nm) – der für das Auge sichtbare
Bereich liegt zwischen 400 und 700 nm.
Die heiße Korona lässt sich besonders gut mit der
Strahlung des extremen Ultraviolett Wellenlängen­
bereichs zwischen 10 nm und etwa 120 nm beobachten.
Er ist nur vom Weltraum aus zugänglich. Je nach ausgefilterter Atomsorte werden verschiedene Temperaturbereiche der ungefähr eine Million Grad heißen Korona
sichtbar. Bei diesen Temperaturen haben die Atome viele ihrer Elektronen verloren, sind hochgradig ionisiert.
Deshalb ist dieses Gas ein leitfähiges Plasma und wechselwirkt mit dem solaren Magnetfeld. So werden auch
die magnetischen Strukturen der Korona sichtbar.
Die modernen Sonnenteleskope des Instituts befinden
sich auf Teneriffa. Besichtigungen des alten Observatoriums auf dem Schauinsland sind im Sommerhalbjahr
möglich.
Sonneneruption, beobachtet
mit einer Wellenlänge
von 30,4 nm (oben)
und Sonnenflecken
im sichtbaren
Licht.
www.kis.uni-freiburg.de/de/oeffentlichkeit/fuehrungenobservatorium-schauinsland/
25
LEIBNIZ | LICHT
Hell statt heiß
Chemische Reaktionen mit Licht
26 Seinen ersten Aha-Effekt in Sachen Photochemie hatte Marko
Hapke als Postdoc in einem Labor der Universität Yale in den
USA. Seine Aufgabe war es, in
Alkanen (Kohlenwasserstoffen)
die C-H-Bindung zu aktivieren.
Chemiker bezeichnen C-H-Bindungen gern als „heiligen Gral“,
weil sie so stabil sind. „Schwer zu
knacken“, wie Marko Hapke sagt.
Gemeinhin kommen dafür Katalysatoren zum Einsatz, und zwar
bei Temperaturen von mehreren
hundert Grad.
In Yale nun versuchte es Marko Hapke nicht mit Hitze, sondern mit Licht. Er montierte eine
starke Halogenlampe an die Versuchsapparatur, setzte sich eine
Spezialbrille auf, bestrahlte das
Reaktionsgemisch, analysierte
das Ergebnis und war komplett
fasziniert: „Photochemie ist ein
ganz heißes Forschungsgebiet.“
Die Bedingungen sind milder
als bei thermischen Reaktionen.
Unter Lichteinfluss verlaufen die
Reaktionen häufig sauberer. Und:
Licht aktiviert die beteiligten Moleküle spezifischer als Wärme,
denn nicht alle Moleküle lassen
sich vom Licht beeinflussen.
Arzneimittel hergestellt
durch Katalyse
In der Fachliteratur fristet die
Photochemie eher ein Dasein am
Rande. Der Klassiker sind thermische Reaktionen. „Die sind
auch viel leichter zu verstehen
als photochemische Reaktionen“,
sagt Marko Hapke. Licht als Arbeitsmittel sei noch immer ein
bisschen „magic“. Das reizt ihn.
So ging der junge Forscher von
Yale nach Rostock ans LeibnizInstitut für Katalyse (LIKAT), das
international hoch anerkannt ist
und auch die Photokatalyse verfolgt. Dort baute Marko Hapke
eine Nachwuchsgruppe auf und
begann für seine Habilitation zu
arbeiten. Dabei knüpfte er un-
ter anderem an Forschungen zu
einem Katalysatorkomplex auf
Cobalt-Basis an, die am LIKAT
Tradition haben.
Mit einem Cobaltkatalysator
hatten LIKAT-Forscher schon in
den 1990er Jahren der Fachwelt
die Vorzüge photochemisch gesteuerter Reaktionen aufzeigen
können. Eines der Verfahren
dient der Herstellung von Pyridinen, die Pharmaka und Pflanzenschutzmitteln ihre chemische
Struktur verleihen.
Vor allem jedoch erweist sich
der im LIKAT verwendete Typus
von Cobaltkomplexen noch immer als ergiebiger Forschungsgegenstand, um grundlegende
Mechanismen des Katalyseprozesses zu erkunden. Da die erste
Generation der neuentwickelten
Katalysatorkomplexe recht sensibel ist, bereits bei Temperaturen oberhalb von minus 30 Grad
Celsius reagiert und ständig Kühlung braucht, haben Marko Hapke und seine Nachwuchsforscher
Fotos: LIKAT (2); nordlicht/LIKAT
Farbige Kristalle eines
Cobaltkatalysators
2/2015
LEIBNIZ | LICHT
sie weiter modifiziert. Ziel war
es, sie „luftstabil“ zu machen und
auch bei normaler Raumtemperatur damit umgehen zu können.
Hungrig
nach Elektronen
Wichtigster Teil des Katalysators
ist das reaktive Zentrum, in diesem Fall Cobalt. Es ist von einem
organischen Molekül wie ein Gerüst umgeben, dem sogenannten
Liganden, der das reaktive Zentrum stabilisiert. Cobalt zählt zu
den Übergangsmetallen, die den
Namen ihrer Position im Periodensystem verdanken. Bei ihnen
ist nach dem klassischen Atommodell die äußere Umlaufbahn
der Elektronen nur unvollständig besetzt. Übergangsmetalle
trachten deshalb danach, ihre
Elektronenschale zu vervollständigen, idealerweise auf 18 Elektronen.
Cobalt weist auf seiner Außenschale neun Elektronen auf
und versucht, die Lücken mit
Elektronen aus seiner Umgebung zu füllen. Einige spendiert
ihm der Ligand ‑ wie viel, das
hängt von dessen Struktur ab.
Je mehr Elektronen er abtreten
kann, desto stabiler verhält sich
der Cobaltkomplex. Was dann
noch für eine vollständig besetzte Elektronenschale fehlt, holt
sich das Cobalt von den Ausgangsstoffen der chemischen
Reaktion, der es als Katalysator
zugesetzt wird. Genau das macht
ja seine Wirkung aus: Der Elek­
tronenklau bei den Ausgangs-
Im Labor: ein spezieller
Photoreaktor.
2/2015 stoffen erhöht deren Bereitschaft
zu reagieren. Und das heißt für
sie nichts anderes, als eigene molekulare Bindungen aufzugeben
und neue einzugehen.
Die Kunst, einen „luftstabilen“
Katalysator zu entwickeln, besteht also darin, sein reaktives
Zentrum so zu stabilisieren,
dass er gut handhabbar ist und
nicht gleich mit der normalen
Raumluft reagiert. Und dass er
trotzdem ausreichend Hunger
verspürt auf die Elektronen der
chemischen Reaktionsteilnehmer. Wie das Licht mit seiner
physikalischen Doppelnatur – als
Welle und als Teilchenstrom –
diese ­Prozesse beeinflusst und
welche Rolle etwa die Photonen
spielen, das ist häufig noch unverstanden und eine der grundlegenden Fragen, der die Photokatalyse nachgeht.
Nachfrage aus
Wirtschaft und Industrie
Das Ergebnis dieser Forschung
ist „eine echte Rarität“, wie Marko Hapke sagt. Der luftstabile
Cobaltkomplex beispielsweise
weckt das Interesse von Kooperationspartnern in Wissenschaft und Industrie für photochemische Verfahren. Er lässt
sich etwa für die Synthese von
Naturstoffen verwenden, das
sind zum Beispiel Stoffwechselverbindungen von Pflanzen mit
antibiotischer Wirkung. Diese
Synthese kann über die photokatalytische Herstellung von
Pyridinen gelingen. Die ringförmige Pyridin-Struktur bietet
dabei idealen Platz für funktionale Molekülgruppen, die für die
spezifischen Eigenschaften des
Stoffes sorgen.
Naturstoffsynthesen
sind
ein weites Feld mit Zukunft, erklärt Marko Hapke. Für ihn ist
die Nutzung von Licht als Arbeitsmittel ein Königsweg der
modernen Chemie. Spitzenforschung wird kaum mehr daran
vorbeikommen. Hapke nennt
ein weiteres Beispiel aus dem
LIKAT: die photokatalytische
Spaltung von Wasser als Grundlage für zukunftsträchtige Wasserstoffantriebe.
Wie Sonnenlicht Wasser mittels Katalysator in seine Elemente spaltet, ist schon gut verstanden. Eines der größten Probleme
besteht darin, den so erzeugten
Wasserstoff als Treibstoff zu
speichern und den Antrieben zur
Verfügung zu stellen. In ihrem
Projekt „Light2Hydrogen“ entwickelten LIKAT-Chemiker ein
photokatalytisches Verfahren,
das Brennstoffzellen kontinuierlich mit Wasserstoff versorgen
kann, indem es Ameisensäure
photokatalytisch in Wasserstoff
und CO2 umsetzt – bei normalen
Temperaturen.
Marko Hapke
erläutert die Vorteile
von Cobaltkomplexen.
Chancen für neue
LED‘s
Seit seiner Zeit in Yale beobachtet Marko Hapke, wie die Photochemie an Attraktivität gewinnt.
Auch ihn wird sie noch weiter
beschäftigen. Als nächstes –
nach seiner Habilitation an der
Universität Rostock in diesem
Sommer – forscht er zu Fragen
einer effizienteren Ausrüstung
für die photochemische Katalyse, zum Beispiel Lichtquellen.
Mit sogenannten OLED‘s,
Organischen Leuchtdioden, gibt
es inzwischen Lampen mit definierter Wellenlänge, die exakt
im Absorptionsspektrum der
beteiligten Substanzen strahlen
und damit chemische Reaktionen ganz spezifisch steuern
können. Kein Vergleich mit der
Halogen-Lampe in Yale. Vor allem: Hier geht es um eine Chemie, mit der keine thermische
Reaktion mehr mithalten kann.
r eg i n e r ac h ow
27
LEIBNIZ | LICHT
Feuer und Flamme:
Jörg Drauschke mit einem
Polykandelon.
28 1/2015
LEIBNIZ | LICHT
Mystik
des Lichts
Jörg Drauschke vom Leibniz-WissenschaftsCampus Mainz forscht
zur Lichtkunst in Byzanz.
Bereits im alten Byzanz
wussten die Menschen Licht in
Szene zu setzen. Sie verfeinerten ihre Technik dabei immer
weiter — zu Zeiten, als nördlich der Alpen noch überwiegend Kienspäne und einfache
Tonlampen zum Einsatz kamen.
Die Lichtquellen der einstigen
Hochkultur und ihre Bedeutung
für die damalige Gesellschaft
erklärt der Mainzer ByzanzExperte Jörg Drauschke.
2/2015 Herr Drauschke, wir leben im
Zeitalter von LEDs und Laserkunst. Warum beschäftigen
Sie sich im 21. Jahrhundert
noch mit dem byzantinischen
Reich und seinen L
­ icht­quellen?
Byzanz war, was vielen Menschen heute möglicherweise
nicht mehr präsent ist, über viele Jahrhunderte die Leitkultur
im Mittelalter, an der sich alles
orientiert hat. Das wollen wir
mit unserem WissenschaftsCampus ins Bewusstsein rufen.
Beim Thema Licht fasziniert
mich, dass sich seine Funktionen zwischen der byzantinischen Zeit und heute
gar nicht so sehr unter-
scheiden. Neben der einfachen
Beleuchtung von Räumen wurde Licht schon vor über 1.000
Jahren gezielt genutzt, um
bestimmte Dinge in Szene zu
setzen – vor allem im sakralen
Bereich. Bei der Planung von
Kirchen haben die Architekten
damals versucht, das Tageslicht zu steuern, etwa durch die
Platzierung der Fenster oder
Lichtöffnungen in der Kuppel.
Durch den Einsatz künstlicher
Beleuchtung wurden bestimmte Bereiche dann noch stärker
akzentuiert. In der Theologie
wurde eine regelrechte Lichtmystik entwickelt. Das Licht
hatte also einerseits eine gar
nicht hoch genug einzuschätzende Bedeutung für die Menschen. Andererseits stand es im
Unterschied zu heute nicht einfach auf Knopfdruck zur Verfügung. Alles war mit einem großen Aufwand ver­bunden.
Welche Techniken haben
die Byzantiner genutzt, um
künstliche Lichtquellen ohne
Strom zu erschaffen?
Im Prinzip bedienten sie sich
spezieller Gefäße, die mit Öl
gefüllt waren und in denen
ein Docht lag. Seit der Antike kennen wir einfache und
kostengünstige Varianten aus
Ton, die auch Privatleute verwendeten. Nach diesen Vorbildern entstanden kurze Zeit
später aufwändigere Lampen
aus Bunt- und Edelmetalllegierungen. In der Zeit des frühen
Christentums wurden sie mit
christlichen Symbolen wie der
Taube oder dem Kreuz verziert
und besaßen zum Teil sogar
mehrere Flammen. Schließlich
entdeckte man im vierten und
fünften Jahrhundert das Glas
als Lichtträger, ein Material, das
seinerzeit in großen Mengen
zur Verfügung stand. Das war
die entscheidende Innovation.
Welche Vorteile hatte denn
Glas?
Es war wesentlich effektiver.
Fachleute haben in Experimenten nachgewiesen, dass eine
mit Rizinusöl befüllte Glaslampe eine Lichtstärke von 1,4
Candela erreichen konnte. Das
ist fast doppelt so viel wie bei
einer Ton- oder Metalllampe.
Man kann das vergleichen mit
29
N A C LHERI IBCNHI TZ E |N L I C H T
• Intelligente Straßenbeleuchtung - Erfahrungen aus der
Praxis
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Netzwerk
30 Intelligente
LED-Beleuchtungstechnik
Kunstobjekt und Leuchtmittel: eine byzantinische Öllampe.
dem Entwicklungssprung von
der Glühbirne zum Halogenstrahler: Plötzlich stand eine
deutlich höhere Lichtkraft zur
Verfügung. Und die Menschen
lernten schnell, diese Lichtquelle zu optimieren. Um das
Material zu schützen, füllten
die Menschen erst Wasser in
das Gefäß. Darauf schwammen
das Öl und der Docht. Wenn der
Docht herunterbrannte, zerstörte er nicht das dünne Glas,
sondern erlosch im Wasser. Zudem erhöhte das reflektierende
Wasser den Lichteffekt.
Wie haben die Byzantiner
diese Technologie weiterentwickelt?
Als nächstes kombinierten sie
einzelne Glaslampen zu Polykandela, mehrflammigen Licht­
haltern aus Metall. Sie erzeugten
in einzelnen Bereichen besonders viel Licht – ähnlich wie
kleine Kronleuchter. In einer
Kirche durchschnittlicher Größe hingen bis zu zwölf davon im
Hauptschiff an der Decke. Au30 genzeugen wie der griechische
Historiker Prokop berichten uns
zum Beispiel schon im sechsten
Jahrhundert, wie die Hagia Sophia durch den Einsatz künstlichen und natürlichen Lichts
förmlich erstrahlte. Im Laufe
des Hochmittelalters entwickelten die Menschen dann Radleuchter, sogenannte Choroi. Sie
konnten in spätbyzantinischer
Zeit Durchmesser von über drei
Metern erreichen. Das war für
die Gläubigen beeindruckend
und hat sicherlich niemanden
kalt gelassen.
Wer war für diese Inszenierungen verantwortlich?
Das war Sache des ortsansässigen Klerus, also der Priester,
Mönche und Äbte. Der liturgische Kanon legte genau fest,
bei welchen Festen Licht eine
besondere Rolle spielen und
wie man sie im wahrsten Sinne
des Wortes „highlighten“ sollte. Ein besonderer Höhepunkt
war zum Beispiel Ostern als
licht- und lebenspendendes Fest.
Fotos: RGZM/Sabine Steidl (S. 28); Badisches Landesmuseum/Thomas Goldschmidt; Martin Fisch/Flickr.com (CC BY-SA 2.0)
Intelligente
Außenbeleuchtung
und
Verkehrstelematik
2/2015
LEIBNIZ | LICHT
Welcher Beleuchtungsaufwand
zu welchem Fest zu betreiben
war, wurde in den Klosterregeln
festgeschrieben. Daher kennen
wir die Praxis.
War das nicht sehr
aufwändig?
Die Investitionen in künstliche
Beleuchtung waren beachtlich.
Allein die großen Mengen Öl, die
da zusammen kamen, dürften
einiges gekostet haben. Zum Teil
musste zusätzliches Personal
bezahlt werden. Oftmals haben
Stifter, die für ihr Seelenheil
nach dem Tode sorgen wollten,
nicht nur Leuchtgeräte zur Verfügung gestellt, sondern auch
das Geld für die Leucht­mittel.
Hat sich diese Lichtkunst über
Byzanz hinaus verbreitet?
Byzanz war ein ­handelsstarkes
Land, das Metallgefäße, Schmuck
Byzanz zwischen Orient und
Okzident ist eine Forschungs­
kooperation des Römisch Germanischen Zentralmuseums —
2/2015 oder auch Textilien bis ins heutige China, Spanien, Großbritannien und Skandinavien verkauft
hat. Wir wissen auch, dass Venedig seit mittelbyzantinischer Zeit
ein wichtiger Handelspartner
war. Polykandela, das belegen
archäologische Funde, wurden
in Italien benutzt, aber dann verlieren sich ihre Spuren. Nördlich
der Alpen gab es im Mittelalter
keine vergleichbaren Lichtquellen. Neben vereinzelten Glaslampen waren das nur einfache Tonlampen oder Kienspäne, später
wurden in zunehmendem Maße
auch Kerzen genutzt.
Wo finden wir heute noch
Spuren dieser Kunst?
Vor allem natürlich in Griechenland, aber auch auf dem Balkan
und in Russland. Das sind die
Gebiete, bis zu denen die orthodoxe Mission im Mittelalter vor-
Leibniz-Forschungsinstitut
für
Archäologie und der Johannes
Gutenberg-Universität Mainz. Er
hat sich zum Ziel gesetzt, die Er-
gedrungen ist. Hier findet man
nicht nur die typischen Kreuzkuppelkirchen. Auch Choroi
sind heute noch im Einsatz, zum
Beispiel in der Mönchsrepublik
Athos oder in den griechischen
Meteora-Klöstern. Dort lebt Byzanz bis heute weiter.
Welche Bedeutung hat Byzanz
für das heutige Europa?
Durch seine jahrhundertelange
Vorbildfunktion und kulturelle
Ausstrahlung ist es ein bedeutender Teil seiner Identität.
Wenn wir heute über Europa
sprechen, müssen wir auch über
Byzanz sprechen.
i n terv i ew : ju tta w i tte
Jörg Drauschke
ist seit 2013
Konservator im
­Kompetenzbereich
Frühgeschichte und
Byzanz des Römisch-­
Germanischen Zentralmuseums (RGZM)
in Mainz und Mitglied
im Vorstand des Leibniz-WissenschaftsCampus Mainz:
Byzanz zwischen
Orient und Okzident.
Der promovierte Urund Frühgeschichtler
arbeitet unter anderem zur Archäologie
des Byzantinischen
Reichs, zur Buntmetallverarbeitung in
Byzanz sowie zur
Glasproduktion und
-distribution in frühbyzantinischer Zeit.
forschung der byzantinischen
Geschichte und Kultur aus
ihrem Nischendasein zu befreien und die Bedeutung der
einstigen Leitkultur als Brücke
zwischen Antike und Neuzeit
sowie zwischen dem Orient
und Europa zu analysieren und
sie stärker ins Bewusstsein der
Öffentlichkeit zu rücken.
www.byzanz-mainz.de
31
LEIBNIZ | LICHT
Wo Licht ist,
fällt auch Schatten
Sonne, Wind, Wasser — in 15 Jahren sollen erneuerbare ­
Energien
rund die Hälfte des Strombedarfs übernehmen. Darüber herrscht
Konsens in Deutschland. Geht es aber um die Förderung der
Photo­
voltaik, haben die Leibniz-Ökonomen Claudia Kemfert und
Manuel Frondel unterschiedliche Sichtweisen.
Foto: EnergieAgentur.NRW
Sonne tanken: Der Solarpark in Inden (Kreis Düren) ist mit einer Leistung
von 3,8 Megawatt-Peak und 16.236 installierten Photovoltaik-Modulen
einer der größten in Nordrhein-Westfalen.
32 2/2015
LEIBNIZ | LICHT
An den Küsten Deutschlands
drehen sich die Windräder, auf
unzähligen Hausdächern blitzen Photovoltaikanlagen in der
Sonne. Erneuerbare ­
Energien
gehören längst zu unserem
Alltag. Ohne Wind und Sonne
wird die Energiewende nicht
zu schaffen sein. Selbst für das
nicht allzu sonnenverwöhnte
Deutschland stellt die Solarenergie eine bedeutende Alternative dar. „Der autarke Haushalt wird eines Tages Standard
in Deutschland sein. Mit der
Photovoltaikanlage auf dem
Dach und dem Batteriespeicher
im Keller kann sich dann jeder
Verbraucher selbst versorgen“,
sagt Manuel Frondel vom Rheinisch-Westfälischen Institut für
Wirtschaftsforschung in Essen
(RWI). Doch noch seien die
Speichertechnologien zu teuer
2/2015 und die Photovoltaik-Module
nicht effizient genug.
„Hohe Kosten, wenig
Wirkung“
„Umso mehr ärgert es mich,
zu sehen, wie viel schlechte PV-Technologie bereits auf
deutschen Dächern installiert
ist – und zwar zu absurd hohen
Kosten“, sagt der Wirtschaftswissenschaftler. Die Photovoltaik sei ein Paradebeispiel für
eine fehlgeleitete Subventionspolitik: Der PV-Boom von 2009
bis 2013 war ein Hauptgrund
dafür, dass sich die EEG-Umlage,
die alle Verbraucher über den
Strompreis tragen, verfünffacht
hat – von etwa 1,3 Cent auf 6,24
Cent pro Kilowattstunde. 2015
ist sie erstmals seit ihrer Einfüh-
rung im Jahr 2000 gesunken –
auf 6,17 Cent.
Stark fallende Preise für Solarmodule sowie die hohen Einspeisevergütungen führten in
der Vergangenheit dazu, dass die
Photovoltaik massiv ausgebaut
wurde. „Dies ist entgegen erster
Intuition keine gute, sondern
eine gefährliche Entwicklung:
Letztlich müssen die deutschen
Stromverbraucher über höhere Stromrechnungen rund 116
Milliarden Euro für die zwischen
2000 und 2014 installierten PVAnlagen zahlen“, sagt Frondel.
Diesen Kosten würden nur geringe positive Umweltwirkungen
gegenüberstehen: „In Deutschland wird viel mehr Windstrom
produziert als Solarstrom, aber
die Kosten sind nur ein Bruchteil
von dem, was wir für Solarstrom
bezahlen“, kritisiert Frondel.
33
Claudia Kemfert
leitet seit 2004 die Abteilung „Energie, Verkehr, Umwelt“
am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin
und ist Professorin für Energieökonomie und Nachhaltigkeit an der privaten Hertie School of Governance. Claudia
Kemfert ist gefragte Gutachterin und Politikberaterin in
verschiedenen Nachhaltigkeitsbeiräten und Kommissionen;
unter anderem beriet sie den damaligen EU-Kommissionspräsidenten José Manuel Barroso im Zuge der High Level
Group on Energy and Climate.
„Atom und Kohle
treiben die
Energiepreise“
34 Am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin (DIW)
hingegen sieht seine Kollegin
Claudia Kemfert große Vorteile
in der Förderung: Die Ausgaben
für importierte Energie sinken
pro Jahr und liegen bei rund 11
Milliarden Euro. Zudem seien die
Kosten Investitionen, die Wertschöpfung und Arbeitsplätze
schaffen. Die wahren „KostenTsunamies“ entstünden durch
die Kohle- und Atomenergie.
Der Abbau und die Verbrennung
der Kohle verursachen enorme
Umweltschäden, die Atommüll­
endlagerung bedeuten finanzielle Jahrhundert-­Belastungen.
„Derzeit finanzieren wir den
Umbau des Energiesystems, die
Aufwendungen
insbesondere
für Solarstrom sinken weiter“, so
Kemfert. Zudem habe die Förderung aus Deutschland die Kosten
für Solarenergie so stark senken
können, dass davon alle Weltregionen profitieren: „Auch arme
Länder, die bisher kaum Zugang
zu Strom hatten.“
Kemfert macht weniger die
Photovoltaik für den Anstieg der
Ökostrom-Umlage verantwortlich als die niedrigen Strompreise
an der Börse: „Die EEG-Umlage
errechnet sich aus der Differenz
zum Börsenpreis, und je niedriger der Börsenpreis, desto höher
die Umlage. Die Frage ist, warum
der aktuelle Tiefstpreis nicht an
die Privatkunden weitergegeben
wird.“ Zudem seien die Ausnahmen für die Industrie immer
weiter angestiegen: Viele Unternehmen zahlen überhaupt keine
EEG-Umlage. Die Umweltökonomin fordert mehr Transparenz
für den Bürger.
„Die nächste
Kostenlawine rollt
schon“
Dass die Ökostrom-Umlage erstmals gesunken ist, macht Kemfert zufolge deutlich, dass die
Kostendynamik der vergangenen
Jahre durchbrochen ist. Sie geht
davon aus, dass die Umlage in
den nächsten Jahren nicht oder
nur leicht steigen wird, bevor sie
endgültig sinkt. Frondel hält dagegen: „Die Umlage wird steigen,
da der Ausbau an Windkraftanlagen vor deutschen Küsten an
Fahrt gewinnt. Da rollt die nächste Kostenlawine auf den Verbraucher zu.“ Für die Photovoltaik
befürchtet er einen „Solarboom
2.0“ – verursacht durch Selbstversorger: „Denn einerseits wird
Haushaltsstrom tendenziell teurer, andererseits werden die PVModule billiger“, erklärt Frondel.
Insofern werde es für Haushalte
immer lukrativer, eine Solaranlage zu installieren. Sie zahlen
keine Mehrwertsteuer, keine
Stromsteuer, keine Netzentgelte und keine EEG-Umlage. Ein
Haushalt, der knapp 30 Cent pro
Kilowattstunde Strom an seinen
Versorger zahlt, spart auf diese
Weise über 20 Cent je kWh. Ein
Anreiz für all jene, die das nötige
Kleingeld besitzen, um sich Sonnen-Paneele aufs Dach zu bauen.
„Wenn die Politik die Rahmenbedingungen nicht ändert, könnten
bald schon einige Millionen mehr
PV-Anlagen deutsche Haushalte
mit Strom versorgen“, befürchtet
Frondel. Was erfreulich klingt,
würde nicht folgenlos bleiben:
Immer weniger Menschen müssten die EEG-Umlage finanzieren.
Kemfert widerspricht deutlich:
„Das Gegenteil ist richtig. Viele
Selbstversorger müssen bereits
eine ,Solarabgabe’ zahlen. Dies
hat die Nachfrage nach Solarenergie einbrechen lassen. Wir
erleben deshalb derzeit einen
massiven Rückgang des Solar­
ausbaus. Die PV-Ausbauziele der
Bundesregierung wurden 2014
schon nicht erreicht. 2015 wird
vermutlich noch weiter unter
dem Zubauziel liegen.“
Fertigung von Solarmodulen in Prenzlau.
Fotos: Oliver Eltinger; BSW-Solar/aleo; INSM – CC BY-ND 2.0
LEIBNIZ | LICHT
2/2015
LEIBNIZ | LICHT
Ohne Zukunft:
Solarbranche in
Deutschland
Geht es um Arbeitsplätze in der
Solarindustrie, sind sich Kemfert
und Frondel weitgehend einig.
Allein 2014 sind über 40.000
Arbeitsplätze verloren gegangen – eine Erfolgsgeschichte sieht
anders aus. „Die Politik hätte viel
früher gegensteuern müssen“, lautet der Tenor der beiden Wissenschaftler. Während sich die Kohlelobby für den Erhalt von wenigen
tausend Arbeitsplätzen engagiert,
ist die Solarindustrie ins Ausland
abgewandert. „Diese Entwicklung ist besonders schade, weil
Deutschland die Solarenergie auf
den Weg gebracht und finanziert
hat. Die Erträge erwirtschaften
jetzt andere“, kritisiert Kemfert.
Frondel befürchtet, dass die
Fehlentwicklungen dazu führen,
dass die Deutschen der Energiewende den Rücken kehren.
„Wir empfehlen, an Stelle des
Erneuerbare-Energien-Gesetzes
ein alternatives Instrument zur
kosteneffizienteren Förderung
erneuerbarer Energien einzusetzen“, so Frondel. Der weitere PVAusbau sollte schnellstmöglich
gestoppt werden. „Man sollte die
garantierte Vergütung von Windoder Solarstrom zugunsten einer
Quotenregelung abschaffen. Dabei müssten die Stromanbieter
einen bestimmten Prozentsatz
am Strommix aus erneuerbaren
Energien erzeugen“, schlägt Frondel vor. Kemfert hält die Quotenregelung für illusorisch: „Wir
brauchen kein neues Instrument.
Die EEG-Förderung wird auslaufen, sobald sich die Anlagen am
Markt behaupten. Dies wird voraussichtlich in einigen Jahren der
Fall sein.“ katja l ü er s
Manuel Frondel
ist seit Oktober 2003 Leiter des Kompetenzbereichs „Umwelt und Ressourcen“ am Rheinisch-Westfälischen Institut
für Wirtschaftsforschung in Essen; seit 2009 ist er zudem
Professor für Energieökonomik und angewandte Ökonometrie der Ruhr-Universität Bochum. Manuel Frondel ist
Diplom-Physiker und Diplom-Wirtschaftsingenieur und
arbeitet vor allem im Bereich der empirischen Wirtschaftsforschung mit der Anwendung statistisch-ökonometrischer
Methoden bei umwelt-, ressourcen- und energie-ökonomischen Fragen.
Anzeige
Schon 6 x zitiert
von US-Ökonomen.
läuft.
Forschung. Einfach. Teilen. ZBW
4/2014 Ökonomen, die ihre Forschungsergebnisse teilen, werden mehrheitlich
häufiger zitiert. Die ZBW bietet alle Services rund um das Publizieren
im Open Access sowie beim Forschungsdatenmanagement in den Wirtschaftswissenschaften. www.forschung-einfach-teilen-zbw.eu
35
LEIBNIZ | LICHT
Antibiotisches Licht
Optische Methoden eröffnen in der Medizin neue Möglichkeiten
der Diagnostik. Sogar gegen die grassierenden Antibiotika-­
36 Bei einer Blutvergiftung zählt
jede Minute. Mit jeder abgelaufenen Stunde sinkt die Überlebensrate um sieben Prozent.
Deshalb geben Ärzte ihren Patienten Antibiotika, die gegen
möglichst viele Erreger helfen,
und hoffen, dass sie wirken. Die
Werte aus dem Labor, die genau
bestimmen, welches Bakterium
die Sepsis verursacht hat, bekommen die Ärzte manchmal
erst Tage später, was für eine
Antibiotika-Behandlung
vor
allem in schweren Fällen außerhalb des therapeutischen
Fensters liegt. 150.000 Menschen sterben so j­edes Jahr in
Deutschland an ­einer Sepsis.
„Wir brauchen dringend
eine bessere Diagnosemethode“, sagt Michael Bauer vom
Center for Sepsis Control and
Care am Universitätsklinikum
Jena, „dann könnten wir die
Therapie entscheidend verbessern.“ Genau an einer solchen
Verbesserung arbeitet seit einigen Jahren das Leibniz-Institut
für Photonische Technologien
(IPHT) in Jena. Im gemeinsam
vom Bundesministerium für
Bildung und Forschung und
dem Freistaat Thüringen geförderten Jenaer Forschungscampus InfectoGnostics (www.
infectognostics-jena.de) setzen
Wissenschaftler des IPHT gemeinsam mit Partnern auf Licht
im Kampf gegen Infektionserreger.
„Wir untersuchen Patientenproben per Raman-Spektros­
kopie“, erläutert Jürgen Popp,
Wissenschaftlicher
Direktor
des IPHT. Sein Mitarbeiter Ste-
Medizin und Technik:
Michael Bauer und Jürgen Popp
arbeiten eng zusammen
phan Stöckel sitzt vor einem
Mikroskop und legt eine Probe
auf einer kleinen Metallfolie mit
isolierten Bakterien ein. Stöckel
sucht nach geeigneten Partikeln
für die nach einem indischen
Physiker benannten RamanAnalyse. Er stellt die Parameter ein, die er messen möchte,
startet die Messung – und nach
15 Sekunden erscheint auf dem
Computerbildschirm das Ergebnis.
Wie ein optischer
Fingerabdruck
Die dahinterliegende Technik
ist faszinierend: Das Mikroskop
ist mit einem Raman-Spektrometer gekoppelt. Die zu messenden Bakte­
rien werden mit
einem Laser aus grünem Licht
bestrahlt. Dabei kommt es zu
Wechselwirkungen mit Molekülen in den Bakterien. Das dabei
gestreute Licht wird gemessen.
Der Hauptteil ist danach immer
noch grün, aber ein Teil ist zum
roten Spektrum verschoben.
„Unterschiede im Proteom oder
in der Zellwand verursachen
diese winzigen Abweichungen
vom Spektrum“, erklärt Projektleiterin Petra Rösch. Doch auch
wenn die Abweichungen nur
winzig sind, so sind sie doch für
jede Bakterienart charakteristisch.
„Diese Lichtverschiebung ist
so spezifisch, dass wir sie wie
einen optischen Fingerabdruck
nutzen können“, erklärt Jürgen
Popp. Um eventuelle Fehler auszuschließen, werden in der Probe mindestens 100 Bakterien
vermessen.
Das Spektrum der vermessenen Bakterien wird mit einer
Datenbank verglichen, die alle
bereits registrierten Bakterien­
arten enthält. „Wir haben im
Moment 95 Prozent aller Sepsis­
erreger in der Datenbank“, so
der Institutsdirektor. Es fehlen
einige seltene Erreger, deren
Analyse allerdings noch dauert.
In zwei bis drei Jahren soll die
Datenbank vollständig sein.
In etwa fünf Jahren, so die
Zielstellung, wird in Kliniken
ein Raman-Mikroskop stehen,
dass nicht nur von speziell ausgebildeten
Wissenschaftlern,
sondern von allen Laborkräften
bedient werden kann.
„Wir benötigen für die Analyse einer Probe weniger als
drei Stunden“, erklärt Jürgen
Popp. Die genaue Zeit hängt
von der Art der Probe ab. Während Urin nach maximal einer
Stunde untersucht ist, muss
zähflüssiges Lungensekret erst
Fotos: Sven Döring/IPHT
Resistenzen bietet die Biophotonik hoffnungsvolle Ansätze.
2/2015
Foto: Javier Corbo Lopez/Flickr; Protokoll: Armin Simon
Foto: Gladieu/Le Figaro Magazine/Laif; Text: David Schelp
LEIBNIZ | LICHT
Forschung mit Ausblick:
Die Raman-Spektroskopie
verspricht schnellere
Infektions-Diagnostik.
2/2015 37
LEIBNIZ | LICHT
aufgeschlossen und löslich gemacht werden. Das dauert etwa
zwei Stunden. Ein unglaublicher
Fortschritt gegenüber der klassischen mikrobiologischen Analyse, bei der die Bakterien erst
vermehrt werden müssen, um
ausreichend Untersuchungsmaterial zu bekommen. Das kann
bei Escherichia coli über Nacht
funktionieren, aber im Extremfall wie bei Mykobakterien auch
mehrere Wochen benötigen. Ein
weiterer Vorteil gegenüber anderen Methoden, die mit Spektralanalyse arbeiten: „Wir sind
die einzigen, die eine Technologie haben, bei der die Bakterien
nicht noch extra kultiviert werden müssen“, sagt Jürgen Popp.
Doch nicht nur die Diagnosezeit soll sich mit der neuen
photonischen Technologie verkürzen. Die Wissenschaftler
am IPHT arbeiten bereits am
nächsten Schritt. „Wir wollen
auch gleich ermitteln, gegen
welche Antibiotika der jeweilige
Sepsiserreger resistent ist“, sagt
Popp. Dafür wird zur Probe mit
den Bakterien ein Antibiotikum
gegeben. Durch die Spektralanalyse können vom Antibiotikum
gestresste Bakterien identifiziert werden. Allerdings wird
die Datenbank dafür erweitert.
Mediziner warten
schon
Noch steht die Forschung am
Anfang. Doch die Mediziner in
der Klinik warten auf Ergebnisse. Zu häufig sehen sie, wie
Patienten sterben, weil der
Sepsiserreger gegen das verordnete Breitbandantibiotikum
resistent ist. Eine gezielte Medikamentengabe wäre ein Schritt
gegen die um sich greifenden
Antibiotika-Resistenzen. „Wir
haben gute Antibiotika, aber wir
sind dabei, sie durch die unzureichende Diagnostik zu verlieren“, sagt der Mediziner ­Michael
Bauer.
Am
Universitätsklinikum
Jena steht mittlerweile ein Analysegerät, das schon bewiesen
hat, dass es die richtigen Erreger herausfindet. Mittlerweile
gehen die ersten Geräte an wissenschaftliche Institute. „Wir
rechnen damit, dass in etwa fünf
Jahren die Diagnose per RamanSpektroskopie in Kliniken genutzt werden kann“, sagt Jürgen
Popp.
Die neue Spektralanalyse
ist nur eine Methode, wie Lichttechnologien in Zukunft die Diagnostik verbessern werden. Die
Wissenschaftler vom IPHT arbeiten bereits an weiteren Einsatzmöglichkeiten. So hat eine
Arbeitsgruppe ein Mikroskop
entwickelt, mit dem sich während einer Operation innerhalb
weniger Minuten erkranktes
und gesundes Gewebe genau
unterscheiden lässt. Eine andere
Gruppe arbeitet an einer faserspektroskopischen Sonde, mit
der Mediziner die biochemische
Zusammensetzung von Plaques
in Arterien erkennen und damit
die richtige Therapie wählen
können. Denn ob Sepsis oder
Herzerkrankung – die richtige
Diagnose ist entscheidend.
an n ett z ü n d orf
Eine hochwertige, zugleich aber auch bezahlbare medizinische Versorgung ist, vor dem Hintergrund einer alternden Bevölkerung, eine wichtige Herausforderung für unsere Gesellschaft. Sie zu
entwickeln, steht im Fokus des Leibniz-Forschungsverbundes Medizintechnik. Innovative und schonende Gesundheitstechnologien sollen dabei helfen, Krankheiten frühzeitig zu erkennen, die Wirkung von Therapien genauer zu kontrollieren und besser an den einzelnen Patienten anzupassen.
Die Entwicklung von mobil einsetzbaren Schnelltests spielt hier ebenso eine Rolle wie verbesserte
bildgebende Untersuchungsmethoden. Dabei arbeiten Mediziner, Naturwissenschaftler und Ingenieure aus unterschiedlichen Leibniz-Instituten zusammen, um sicherzustellen, dass die technischen
Lösungen, die zum Teil sogar aus Entwicklungen der Astrophysik stammen, dem medizinischen Problem gerecht werden. Gesellschaftswissenschaftler erforschen Fragen der Marktfähigkeit und der
gesellschaftlichen Akzeptanz der entwickelten Produkte.
38 Foto: IPHT
Leibniz-Forschungsverbund „Medizintechnik:
Diagnose, Monitoring und Therapie“
2/2015
LEIBNIZ | IMPRESSUM
Wissen direkt
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4/2013
Leibniz-Journal
Feinstaub
Drohnen
Wenn Luft
krank macht
„Saubere“ Kriege
oder Kriegsverbrechen?
Ägypten
Ausstellung
Recherchen bei den
Muslimbrüdern
1/2014
100 Jahre
Jugendbewegung
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Science 2.0
Kuba
Affengesellschaft
Goldrausch
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Das
nal,
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Wissenschaft
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Die Primatenforscherin
Julia Fischer
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Der Präsident der Leibniz-Gemeinschaft
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Herbort-von Loeper (C.v.D.),
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Das Leibniz-Journal erscheint viermal jährlich.
Es wird gratis über die Institute und Museen der
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ISSN: 2192-7847
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Die Leibniz-Gemeinschaft — 89 Mal Forschung zum Nutzen und Wohl der Menschen:
Die Leibniz-Gemeinschaft zählt 89 selbständige Forschungseinrichtungen. Ihre Ausrichtung reicht von den Natur-, Ingenieur- und Umweltwissenschaften über die Wirtschafts-, Raum- und Sozialwissenschaften
bis zu den Geisteswissenschaften. Leibniz-Institute widmen sich gesellschaftlich, ökonomisch und ökologisch relevanten Fragen. Sie betreiben
erkenntnis- und anwendungsorientierte Grundlagenforschung. Sie unterhalten wissenschaftliche Infrastrukturen und bieten forschungsbasierte Dienstleistungen an. Die Leibniz-Gemeinschaft setzt Schwerpunkte
im Wissenstransfer. Sie berät und informiert Politik, Wissenschaft, Wirt2/2015 schaft und Öffentlichkeit. Leibniz-Institute pflegen enge Kooperationen
mit den Hochschulen – u.a. in Form der WissenschaftsCampi –, mit der
Industrie und anderen Partnern im In- und Ausland. Ihre Institute unterliegen einem maßstabsetzenden transparenten und unabhängigen
Begutachtungsverfahren. Aufgrund ihrer gesamtstaatlichen Bedeutung
fördern Bund und Länder die Institute der Leibniz-Gemeinschaft gemeinsam. Die Leibniz-Institute beschäftigen rund 18.100 Personen, darunter
9.200 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Der Gesamtetat der Institute liegt bei 1,64 Milliarden Euro.
39
LEIBNIZ | SPEKTRUM
Ausbeutung
oder Chance?
Über die Arbeitsbedingungen von Nachwuchswissenschaftlern wird
heftig diskutiert. Vom „akademischen Prekariat“ ist die Rede. Nach
der Sommerpause soll der Bundestag eine Reform des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes verabschieden. Lässt sich so die Situation junger
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler verbessern? Darüber diskutieren der CDU-Bundestags­abgeordnete Michael ­Kretschmer, der Institutsdirektor Volker Haucke, der Nachwuchskoordinator René Schlott
und die Karriere-Referentin Sabine Müller.
40 Aber weniger als ein halbes Jahr?
Haucke: Ja, das kommt vor.
Zum Beispiel, wenn die Experimente etwas länger dauern als
geplant oder experimentelle Revisionen zur Veröffentlichung
notwendig sind. Dann kann ich
den Wissenschaftlern mit einem
kurzen Anschlussvertrag die
Möglichkeit geben, ihr Projekt erfolgreich zu Ende zu bringen. Die
andere, nicht sinnvolle Alternative wäre ein vorzeitiger Abbruch
der Arbeit. Als Institut in der
Volker Haucke ist Direktor am
Leibniz-Institut für Molekulare
Pharmakologie in Berlin mit 270
Wissenschaftlern und Verwaltungsangestellten; er lehrt als Professor für Biochemie an der Freien
Universität Berlin und ist Mitglied
im Exzellenzcluster NeuroCure unter
der Leitung der Charité Universitätsmedizin Berlin.
Grundlagenforschung brauche ich
diese Flexibilität, um mit den Unwägbarkeiten der experimentellen Forschung umgehen zu können – nicht zuletzt im Sinne der
Doktoranden und Postdocs selbst.
Schlott: Den oft hergestellten
Zusammenhang zwischen Befristungen auf der einen und Mobilität, Flexibilität und Dynamik
im Wissenschaftssystem auf der
anderen Seite lehne ich ab. Diese Forderung ist unglaubwürdig,
da sie meist von auf Lebenszeit
verbeamteten Lehrstuhlinhabern
erhoben wird. Ein Wettbewerb
sollte nicht um den Preis prekärer
Arbeitsverhältnisse geführt werden, sondern um die besten Forschungsfreiräume, in denen neue
und innovative Erkenntnisse,
Ideen, Gedanken und weiterführende Fragen entstehen.
Herr Kretschmer, die Politik hat
sich auf die Fahnen geschrieben, die Befristungen in der
Wissenschaft einzudämmen.
Wie lässt sich das mit Herrn
Hauckes Schilderungen in Einklang bringen?
Kretschmer: Die ­Diskussion
hat eine Schieflage: Oft ist die
Überschrift „Skandal der vielen
Fotos: Jan Zappner, Oliver Lang (2)
Leibniz: Die Betriebs- und
Personalräte der HelmholtzGemeinschaft haben in einem
Brief an Bundestagsabgeordnete kritisiert, dass die
Vertragslaufzeiten in der
Wissenschaft „zum Teil immer
kürzer werden“. In verschiedenen Forschungseinrichtungen
hätten 40 Prozent der Verträge
Laufzeiten von maximal einem
halben Jahr. Herr Haucke, wie
sieht das an Ihrem Institut aus?
Haucke: Es gibt in der Tat
eine ganze Reihe von befristeten Arbeitsverträgen, die aber
in der Regel durch die befristet
geförderten Drittmittelprojekte
begründet sind. Solche Projekte
entstehen ja nicht aus dem Nichts,
sondern basieren auf bereits bestehenden
wissenschaftlichen
Arbeiten am Institut. Wenn etwa
ein Doktorand nach der Hälfte der
Projektlaufzeit mit seiner Promotion fertig ist, müssen Sie die Stelle für den Rest der Laufzeit neu
besetzen. Dadurch entstehen die
meisten kurzen Befristungen.
2/2015
LEIBNIZ | SPEKTRUM
kurzfristigen Verträge“. Dabei
wird aber etwas Wesentliches
außer Acht gelassen: Noch nie
hat es so viel Geld im Gesamtsystem der Wissenschaft gegeben.
Wir sind durch die großen finanziellen Zuwächse der vergangenen Jahre heute in der Situation,
dass wir so vielen Menschen
die Chance zur Qualifikation im
Wissenschaftssystem geben wie
nie zuvor. Aber Qualifikation
muss immer befristet sein. Mit
der Reform des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes soll mehr
rechtliche Klarheit auf diesem
Gebiet entstehen.
2/2015 Was soll konkret im novellierten Gesetz stehen?
Kretschmer: Eine sachgrundlose Befristung wird nur
dann zulässig sein, wenn vereinbart ist, dass das Arbeitsverhältnis auch der wissenschaftlichen
oder künstlerischen Qualifizierung dient. Damit unterbinden
wir die Wahrnehmung von
Daueraufgaben durch befristetes Personal, das keine wissenschaftliche oder künstlerische
Qualifizierung anstrebt. Beim
nicht-wissenschaftlichen Personal wird nach der Gesetzesnovelle eine Befristung nur noch
auf Grundlage des Teilzeit- und
Befristungsgesetzes
möglich
sein, das heißt, die rechtlichen
Möglichkeiten diese Beschäftigtengruppe befristet anzustellen,
werden eingeschränkt. Gleich-
zeitig erhalten wir das für die
Wissenschaft erforderliche Maß
an Flexibilität: So hat die Union
durchgesetzt, dass es keine starren
Mindestvertragslaufzeiten
geben wird. Diese sind ja auch
der Wissenschaft völlig wesensfremd, wie Herr Haucke gerade
dargelegt hat.
Um diese Punkte hat es ja
einige Aufregung in der Wissenschaft gegeben, nachdem
die Allianz der Wissenschaftsorganisationen in einem Brief
Michael Kretschmer ist seit 2002 im
Deutschen Bundestag und Mitglied
im Ausschuss für Bildung, Forschung
und Technikfolgenabschätzung;
seit 2009 ist er stellvertretender
Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und in dieser Funktion
zuständig für die Bereiche Bildung
und Forschung, Kunst, Kultur und
Medien. Er ist unter anderem Senator der Helmholtz- und der LeibnizGemeinschaft.
an Bundestagsabgeordnete
ausdrücklich davor gewarnt
hat, sachgrundlose Befristungen per Gesetz auszuschließen.
Kretschmer: Es ist völlig legitim, dass sich betroffene Akteure
in den politischen Meinungsbildungsprozess einbringen. Ich bin
der Allianz deshalb sogar dankbar für ihre Intervention. Sie hat
mit dazu geführt, dass wir einige
Dinge noch einmal überdacht haben und letztlich zum Entschluss
gekommen sind, sachgrundlose
Befristungen für die Qualifizierungsphase weiter zu ermöglichen.
Aber es sind genau diese
Punkte, die die Gewerkschaften
kritisieren.
Haucke: Die Frage ist doch,
werden die Leute ausgebeutet
oder bekommen sie eine Perspektive.
Kretschmer: Genau, dahinter steht die Frage: Wie groß soll
unser Wissenschaftssystem sein?
Wir haben seitens des Bundes
durch die drei Pakte – Hochschulpakt, Pakt für Forschung und
Innovation und Exzellenzinitiative – viel Geld ins System gebracht.
Die Länder müssen jetzt eine
strukturelle Neuausrichtung und
Profilbildung betreiben. Dafür haben sie auch die Möglichkeit, weil
der Bund die BAföG-Kosten zum
1. Januar vollständig übernommen hat. Sachsen hat zum Beispiel definiert, wie groß sein
41
LEIBNIZ | SPEKTRUM
42 Wissenschaftssystem sein soll,
nämlich 95.000 Studierende bis
Ende des Jahrzehnts von derzeit
etwa 110.000. Für diese Studierendenzahl ist das Geld verlässlich da, für mehr aber auch nicht.
Dann können junge Leute mit 30
Jahren belastbar beurteilen, ob
sie eine Karriere in der Wirtschaft
oder in der Wissenschaft anstreben.
Müller: Das stimmt, die Wissenschaftsorganisationen haben
schon öfter argumentiert, dass
wir ein systemisches Problem haben, nämlich wann verlassen die
jungen Leute die Wissenschaft?
Über das konkrete Alter lässt sich
sicher streiten, aber so etwa sechs
Jahre nach der Promotion sollte
schon klar sein, wohin die Reise
geht.
Kretschmer: Dafür haben
wir unseren Vorschlag für Tenure Track-Professuren vorgelegt.
Wir wollen 1.000 Stellen schaffen, die nach einer Laufzeit von
sechs Jahren der wissenschaftlichen Profilierung in festen Stellen
münden. Damit wollen wir einen
gewissen Kulturwandel in den
Universitäten und Forschungseinrichtungen anregen. Das schließt
aber nicht aus, dass es in Zukunft
auch weiterhin befristete Stellen
in der Wissenschaft geben wird,
für Menschen, die im System ausgebildet werden und damit eine
Chance für die Zukunft bekommen.
Wie sieht das denn in der Realität an Ihrem Institut aus, Herr
Haucke? Wie ist das Verhältnis
von festen und projektbezogen
befristeten Angestellten?
Haucke: Der Anteil der
Dauer­stellen am Institut beträgt
beim wissenschaftlichen Personal
knapp 30 Prozent, sogar rund 45
Prozent, wenn man nur die Haushaltsstellen betrachtet und die
grundsätzlich befristeten Drittmittelstellen nicht berücksichtigt.
Das technische Personal ist weit
überwiegend fest angestellt. Die
strukturellen Funktionen sind
also dauerhaft vergeben. Doktoranden und Post-Docs kommen
und gehen – und das wollen sie
meistens auch, um an unterschiedlichen Instituten ihren wissenschaftlichen Lebenslauf voranzubringen. Problematisch wird es
nur, wenn jemand in seiner Projektlaufzeit nicht fertig wird. Hier
sollten wir Arbeitsverträge von
Projektlaufzeiten abkoppeln und
Personal-Pools bilden.
Wie soll das aussehen?
Haucke: Sie müssten Geld
aus verschiedenen Töpfen für alle
Doktoranden in einem Pool sammeln können, sie daraus bezahlen und auch gemeinsam in einer
Doktorandenschule
ausbilden.
Das Institut müsste lediglich aus
Haushaltsmitteln eine gewisse
Rücklage bereitstellen im Vertrauen, dass auch künftig Drittmittelprojekte eingeworben werden,
aber das sollte ein überschaubares Risiko sein.
Apropos, wie sieht denn die
Bezahlung von Doktoranden bei
Ihnen aus?
Haucke: Alle Doktoranden
sind auf 65-Prozent-Stellen beschäftigt. Das sind zwar keine
Reichtümer, aber ein auskömmliches Einkommen für die Qualifizierungsphase. Und im übrigen
eine deutliche Verbesserung zu
früheren Zeiten, als halbe Stellen
die Regel waren. Problematisch
sind mitunter die Stipendien ohne
Sozialversicherung. Aber um eins
klar zu machen: Mir geht es bei
diesen Pools nicht ums Geldsparen.
Schlott: In den Geisteswissenschaften ist die Situation
doch etwas anders. Promotionen
innerhalb von drei Jahren sind
meist schwer abzuschließen,
unter anderem wegen der oft
aufwändigen Quellenrecherche
und des folgenden langen Aktenstudiums. 65-Prozent-Stellen
sind eine wesentliche Verbesserung, aber die Realität sieht
anders aus. Zum Teil zahlen Stiftungen immer noch Stipendien
ohne Sozialversicherungspflicht,
so dass Stipendiatinnen und Stipendiaten ihren Promotionsabschluss im schlimmsten Fall über
Fotos: Oliver Lang
Sabine Müller ist Referentin in
der Geschäftsstelle der Leibniz-­
Gemeinschaft; dort betreut sie unter
anderem die wissenschaftliche
Karriereentwicklung. Ihre Promo­
tion erlangte sie 2010 an der
Universität Oxford in deutscher
Literatur und Film.
Finanzierung der festen Stellen
nach dem Tenure Track ist dann
aber Ländersache?
Kretschmer: Richtig. Es ist
Bedingung des Programms, dass
sich die Länder verpflichten, diese
Stellen dann auch dauerhaft zu finanzieren.
Haucke: Das ist aber genau
der Punkt. Tenure Track-Stellen
sind eine offene Flanke für die
Universitäten. In einem Land wie
Berlin, wo Sie immer damit rechnen müssen, mal 50 Millionen
Euro einsparen zu müssen, sind
befristete Tenure Track-Stellen
immer in Gefahr, gestrichen zu
werden. Der Tenure Track müsste
somit über eine bessere und vor
allem verlässliche Grundfinanzierung abgesichert sein.
Schlott: Das wäre auch genau
mein Vorschlag. Wir brauchen gar
nicht unbedingt mehr Geld, aber
vom vorhandenen Geld müsste
ein größerer Teil in die Grundfinanzierung fließen. Dann würden
wir auch etwas wegkommen von
diesem Antragsdruck, bei dem
Sie bei Bewilligungsquoten von
zum Teil gerade mal zehn Prozent
viel Zeit, Energie und Kreativität
in das Schreiben umfangreicher
Papiere stecken. Am Ende haben
Sie neun von zehn Anträgen nur
dafür geschrieben, damit sie abgelehnt werden, darunter in letzter Zeit auch zuvor sehr gut begutachtete Papiere. Nicht zuletzt sind
doch in der bundesrepublikanischen Geschichtswissenschaft die
großen Paradigmenwechsel zur
Sozialgeschichte, zur Alltags- und
Globalgeschichte und später hin
zu kulturwissenschaftlichen Methoden nicht aus Drittmittelanträgen hervorgegangen.
2/2015
LEIBNIZ | SPEKTRUM
Hartz IV finanzieren müssen. Es
gibt inzwischen immerhin Instru­­mente, um die Abschlussarbeiten fertigstellen zu können –
zum Beispiel Abschlussstipen­
dien des Instituts, das ja ein
Interesse daran hat, dass seine
Wissenschaftler ihre Qualifizierungsziele erreichen und
Forschungsergebnisse vorlegen.
Wichtig wäre aber auch, Instrumente für die oft schwierige Orientierungsphase zwischen abgeschlossener
Promotion
und
möglicher Habilitation zu schaf­
fen.
Müller: In diesem Sinn sind
die Forschungseinrichtungen in
der Verantwortung, auch bei befristeten Verträgen für eine gewisse Sicherheit zu sorgen, indem
Vereinbarungen getroffen werden,
dass niemand auf einmal ohne
Stelle und ohne fertige Promotion
dasteht. Das geht in Richtung Personalentwicklung, die ich für dringend notwendig erachte.
Kretschmer: Genau deshalb
wollen wir bei einer Fortsetzung
der Exzellenzinitiative auch zwingend vorschreiben, dass die Antragsteller ein solides Personalentwicklungskonzept vorlegen;
damit unter anderem auch dafür
gesorgt ist, dass wir in Zukunft
nicht deutsche Nobelpreisträger
aus dem Ausland zurückholen
müssen, sondern sie gleich im
Land behalten.
Haucke: Aber Sie müssen den
Nachwuchswissenschaftlern auch
realistische Karriereperspektiven
geben und sagen, nicht jeder kann
Professor werden. Denn wenn
wir die Menschen erst lange wissenschaftlich ausbilden, damit sie
dann irgendwann Taxi fahren, ist
das menschlich enttäuschend und
volkswirtschaftlich eine eklatante
Fehlinvestition.
Hier haben Sie, Herr Haucke,
vor einiger Zeit einen konkreten
Vorschlag gemacht: Ehemalige
wissenschaftliche Mitarbeiter,
die ihre Berufung in der Lehre
entdeckt haben, könnten als
festangestellte Dozenten vor allem in der Bachelorausbildung
an den Universitäten eingesetzt
werden. Herr Schlott, glauben
Sie, dass das für Doktoranden,
die das Ziel der Professur viel2/2015 leicht noch nicht abgeschrieben
haben, überhaupt eine erstrebenswerte Alternative ist?
Schlott: Grundsätzlich schon,
aber auch dafür müsste es einen Kulturwandel geben. Das
Humboldt’sche Ideal der Einheit
von Forschung und Lehre ist,
wenn wir ehrlich sind, in der Realität deutlich aus der Balance
geraten. Forschung wird immer
noch viel höher angesehen. Wenn
es zum Bespiel Modelle gäbe, bei
denen ein „Lecturer“ nach britischem Vorbild zu Zweidritteln
lehrt und zu einem Drittel frei
von Drittmittelzwängen forschen
könnte, wäre das ganz bestimmt
eine attraktive Option.
Kretschmer: Ich bin zwar der
Meinung, dass sich die Politik bei
solchen organisatorischen Fragen
zurückhalten sollte, aber dieses
Modell scheint mir eine gute Idee
und der richtige Weg zu sein...
Schlott: …der aber auch bedeuten würde, in die heutige Hierarchie zwischen weisungsbefugtem Ordinarius und abhängigem
wissenschaftlichem Mitarbeiter
eine Zwischenebene eigenständiger Universitätsangehöriger einzuziehen. Wir müssen weg von
der Einbahnstraße zur Professur
und Alternativen schaffen: Nicht
jede Mitarbeiterstelle muss unbedingt in eine Professur münden.
Wo soll denn das Geld für solche
Stellen herkommen?
Haucke: Der Unterschied zwischen einer solchen „Lecturer“Stelle und der heutigen wissenschaftlichen Assistentenstelle, die
häufig die bekanntlich unmögliche Quadratur des Kreises versuchen muss, wäre im Wesentlichen
kostenneutral. Wenn wir aber die
Lehre an den Hochschulen verbessern wollen, müssen wir die
Betreuungsrelationen
ändern.
Wir haben in Berlin ein Verhältnis
von 100 Studierenden auf einen
Lehrenden. Solange wir den Curricularnormwert nicht ändern,
muss ja für jede neue Stelle in der
Lehre gleich wieder die entsprechende Zahl an Studierenden aufgenommen werden. So erreichen
wir gar nichts. Durch solche neuen Dozentenstellen, die meiner
Meinung nach schwerpunktmäßig in der Bachelorlehre tätig sein
René Schlott ist Koordinator der
wissenschaftlichen Nachwuchsförderung am Zentrum für Zeithistorische Forschung in Potsdam. Der
promovierte Historiker arbeitet
außerdem als Lehrbeauftragter an
der Universität Potsdam und an der
Freien ­Universität Berlin.
sollten, würden wir auch einen
zweiten positiven Effekt erzielen,
nämlich die Versäulung im Wissenschaftssystem abbauen. Wir
haben die außeruniversitären
Wissenschaftsorganisationen, die
für exzellente Forschung stehen,
weitgehend von den Universitäten getrennt. Wenn wir sie mehr
in die Lehre im Bereich Master
und Promotion einbinden könnten, gewännen wir maßgebliche
Lehrkapazitäten hinzu. Die Leibniz-Gemeinschaft könnte hier mit
ihren ohnehin engen Universitätskontakten eine Vorreiterrolle
übernehmen.
Kretschmer: Und nach der
Grundgesetzänderung von Artikel
91b haben wir die Möglichkeit.
Jetzt wäre der richtige Zeitpunkt
dafür. Das Wissenschaftssystem
hat niemals über mehr Geld verfügt als heute. Aber die Situation wird sich ändern: Durch den
demografischen Wandel und die
höhere Studierneigung werden
wir in zehn Jahren eine völlig andere Lage vorfinden. Wir haben
jetzt die Zeit und die Ressourcen,
Veränderungsprozesse in den
Hochschulen anzuschieben. Dabei
sollten alle Beteiligten den Mut
haben, das Ganze etwas größer zu
denken – weit über das Wissenschaftszeitvertragsgesetz hinaus.
d as i n terv i ew fü h rten
c h r i sti n e bu rtsc h ei d t u n d
c h r i stoph h er bort - v on l oeper
43
LEIBNIZ | SPEKTRUM
Mit Daten
Geschichten erzählen
Eine Münchener Datenbank vergleicht Gesetze und Studien
international und gewinnt überraschende Erkenntnisse.
Daniel Leithold
ist Politikwissenschaftler und arbeitet
als Fachreferent
für die Database
for Institutional
­Comparisons in Europe (DICE) am
ifo Institut –
Leibniz-Institut für
­Wirtschaftsforschung
an der Universität
München.
Herr Leithold, Sie kennen sich
gut in der gesetzgeberischen
Vielfalt Europas aus. Wo läge
Ihr idealer Wohnort? Steuern
44 zahlen in Liechtenstein, Kinder
einschulen in Finnland, Rente
beziehen in Deutschland?
Deutschland ist schon kein
schlechter Wohnort; ich lebe sehr
gern hier – auch nachdem ich so
viele institutionelle Regelungen
in unterschiedlichen Ländern auf
sozialer, wirtschaftlicher und politischer Ebene angeschaut habe.
Natürlich schneidet etwa das finnische Schulsystem in vielen Erhebungen sehr gut ab, aber dafür
ist die Steuerlast in den nordeuropäischen Ländern sehr hoch. In
den USA sind diese Abgaben viel
geringer – dafür wird das Schulsystem oft kritisiert. Es funktioniert nicht, sich von jedem Land
einen Vorteil herauszupicken,
weil die einzelnen Faktoren voneinander abhängen und ein System nur als Ganzes funktioniert.
In unserer Datenbank vergleichen wir aber keine Staatssysteme, sondern einzelne Aspekte.
Welche sind das konkret?
Ich habe zuletzt Regelungen zur
Erbschaftsteuer untersucht und
mir angeschaut, wie die EU versucht, diese zwischen den europäischen Ländern zu harmonisieren.
Andere Themengebiete sind das
Arbeitsrecht oder der gesamte
Energiebereich. Da schaue ich,
welche Länder welche Energieformen subventionieren oder wie
sie ihre Gas- und Stromnetze gestalten. Ich vergleiche dazu Gesetzestexte und werte vorhandene
Studien aus.
Datensätze und Gesetzesgrundlagen, das klingt erst einmal
recht trocken. Was reizt Sie an
der Arbeit?
Ich finde es spannend, mich mit
vielen verschiedenen Themenbereichen auseinanderzusetzen –
von schlichten Zahlen zum Wirtschaftswachstum bis zu Studien,
die sich mit den unterschiedlichen
Foto: Christoph Herbort-von Loeper
Warum hat sich Deutschland
so gut von der Wirtschaftskrise erholt, wird jedoch Griechenlands Schuldenberg nicht
kleiner? Die Antwort auf solche
Fragen liegt auch in staatlichen Rahmenbedingungen:
Welche EU-Regulierungen
werden wie umgesetzt? Welche
Rechte und Pflichten haben
Banken in den einzelnen
Ländern? Und unter welchen
Auflagen werden Kredite bewilligt? Genau solche Informationen liefert die Database for
Institutional Comparisons in
Europe (DICE). Daniel Leithold
entwickelte DICE am ifo Institut, dem Leibniz-Institut für
Wirtschaftsforschung an der
Universität München.
2/2015
LEIBNIZ | SPEKTRUM
Wertvorstellungen der Bevölkerung eines Landes beschäftigen.
Natürlich ist auch mal ein Thema
dabei, das ich nicht so spannend
finde – aber dann kommt ja auch
bald wieder ein neues.
Und wem nützt das?
Es gibt im Moment ein groß angelegtes Projekt am ifo Institut, das
mittel- und langfristige Perspektiven für eine bessere wirtschaftliche und soziale Entwicklung in
Kroatien erarbeiten will. Neben
Aspekten wie der Rentenversicherung oder dem Arbeitsmarkt
wollen wir auch Ideen für ein effektives Privatinsolvenzrecht entwickeln; das gibt es dort nämlich
noch nicht. Wir schauen uns an,
wie Privatinsolvenzen im Westen geregelt sind, aber auch wie
andere osteuropäische Länder
diese Rechtsgrundlagen nach der
politischen Wende erfolgreich
eingeführt haben. Auf dieser Basis sollen am Ende Empfehlungen stehen, wie sich ein Privat­
insolvenzrecht am besten in die
bestehende wirtschaftliche und
politische Struktur Kroatiens
einbinden lässt. So bilden unsere
Daten die Grundlage für Verbesserungsvorschläge, von denen auch
der normale Bürger einen Nutzen
hat.
Sind Sie bei Ihren Recherchen
auch auf Überraschungen
gestoßen?
Ja, sogar auch bei den Privatinsolvenzen. Wir haben festgestellt,
dass es in allen Ländern, die wir
betrachtet haben, weitaus schneller möglich ist, wieder schuldenfrei zu sein als in Deutschland
und Österreich. Das führt dann
zu Phänomenen wie „Bankruptcy
tourism“; Deutsche oder Österreicher ziehen zum Beispiel nach
England, wo sie schon nach einem
Jahr statt erst nach sieben Jahren
ihre Schulden los sein können, um
im Anschluss schuldenfrei wieder
zurückzukehren.
2/2015 Wie wählen Sie die Informationen aus, die Sie aufbereiten?
Viele Daten stammen von Kolleginnen und Kollegen hier am ifo
Institut. Die ergänzen wir dann
aus anderen Quellen. Das sind
etwa die Organisation für wirt-
schaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung (OECD) oder die
Europäische Kommission. Grundsätzlich ist jede wissenschaftliche
Erhebung für uns interessant, die
einen unserer neun Themenbereiche beleuchtet, solange sie hilft,
wirtschaftliche Zusammenhänge
und komplexe staatliche Gefüge
besser zu verstehen.
Wenn Sie auch Zahlen aus
unterschiedlichen Studien gegenüberstellen, vergleichen Sie
dann nicht Äpfel mit Birnen?
Natürlich gibt es hier oft Diskrepanzen – aus methodischen Gründen kommt die EU bei der Berechnung der Staatsverschuldung
Deutschlands auf andere Werte
als die OECD. Deshalb kennzeichnen wir jede Quelle und ihre Erhebungsmethode. Jede unserer
Veröffentlichungen besprechen
wir mit den Wissenschaftlern,
die Experten auf dem Gebiet sind.
Schließlich sollen unsere Datensätze wissenschaftlichen Ansprüchen genügen.
Datenbanken, die Informationen aus verschiedenen Bereichen zur Verfügung stellen, gibt
es bereits zuhauf. Was macht
DICE so besonders?
Wir sind thematisch sehr breit
aufgestellt und wollen vor allem
beschreibend arbeiten. Deshalb
stellen wir Zahlen und Daten
nicht einfach in den Raum, sondern bereiten sie auf, indem wir
Zusammenhänge beschreiben,
auf Besonderheiten hinweisen
und den Wust an Zahlen und
Fakten so verständlich machen.
Dafür geben wir auch unseren
regelmäßigen CESifo DICE Re-
port heraus. Außerdem arbeiten
wir mit „Visual Storytelling“, indem wir aus unseren Informationen Grafiken, Tabellen oder
Weltkarten erstellen, um die
Daten anschaulicher und besser verständlich zu vermitteln.
So verstehen nicht nur Wissenschaftler die Datensätze, auch
Laien finden hier schnell interessante Aspekte.
Also sind Ihre Daten für jedermann gedacht?
Ja, generell kann jeder die DICEDaten einsehen und auch weiter
verwenden. Viele Wissenschaftler nutzen unsere Zahlen natürlich als Basis und Inspiration zur
weiteren Forschung. Viele Nutzer
haben wir unter amerikanischen
Wirtschaftsforschern, weil wir
Ergebnisse deutscher Arbeiten
auf Englisch aufbereiten. Aber
wir richten uns genauso an die
breite Öffentlichkeit, die sich für
wirtschaftliche, soziale oder politische Themen interessiert. Wer
zum Beispiel wissen möchte, wie
hoch der Mindestlohn in anderen
Ländern ist und welchen Geltungsbereich er hat oder wie viel
Rente in Frankreich gezahlt wird,
wird bei uns ebenso fündig. Nicht
zuletzt verstehen wir uns auch als
unabhängige Informationsquelle
für Journalisten. Sie können unsere Daten nutzen und haben oft
gleichzeitig auch noch unsere Grafiken zur Illustration dabei. Das
sind auch für uns wichtige Multiplikatoren, denn so erreichen unsere Daten noch viel mehr Menschen.
i n terv i ew : al ess a w en d l an d
DICE
Die Database for Institutional Comparisons in Europe (DICE) bietet Datensätze zu den institutionellen Regulierungen in der Europäischen Union und ihren Beitrittskandidaten, den BRIC-Staaten
und den großen OECD-Mitgliedern. Derzeit bietet DICE über 2.200
vergleichende Einträge zu den Themenbereichen Arbeitsmarkt,
Bildung, Energie, Finanzmärkte, Gesundheitspolitik, Innovation,
Migration, Öffentlicher Sektor (Haushalt, Steuern, Schulden),
Sozialpolitik, Umweltschutz, Wettbewerbspolitik sowie Wertvorstellungen der Bevölkerung.
www.cesifo-group.de/de/ifoHome/facts/DICE.html
45
LEIBNIZ | AUSSTELLUNGEN
Die Evolution der Rasierklinge
Aktuelle Ausstellungen
der Leibniz-Gemeinschaft
Razorius gilletus verhält sich wie
ein Putzerfisch. Fast symbiotisch
erhält er für die Dienstleistung
der Körperpflege seines Wirtstiers ein sicheres Auskommen.
Nur ist Razorius gilletus kein
Lebewesen, sondern ein Mehrklingen-Nassrasierer. Seit 1971
hat er eine beeindruckende Entwicklung durchlaufen und seine
Rasureigenschaften optimiert, so
dass seine Schöpfer durch den
Nachkauf der Wechselklingen
kontinuierliche Einnahmen haben. Robin Bergmanns Kunstobjekt veranschaulicht, dass sich
technische Entwicklungen oft in
Prozessen abspielen, die denen
der natürlichen Evolution sehr
ähnlich sind. Mensch, Natur und
Technik sind heute so verwoben,
dass inzwischen vom neuen Erdzeitalter des Anthropozäns ge-
46 Zwischen Venus und Luther
bis 22.5.2016
Germanisches National­
museum, Nürnberg
Lucas Cranach malte die „Stars“
seiner Zeit: Neben zahlreichen
Bildern von Kurfürsten des sächs­
ischen Hofs fertigte er auch Portraits der Reformatoren Martin
Luther und Philipp Melanchthon
an. Mit ihm wurden Bilder zum
Massenmedium, zum Werbemittel und zum Medium der
Verführung. Das Germanische
Nationalmuseum beleuchtet nun
einige seiner Gemälde sowie selten gezeigte Druckgrafiken und
Zeichnungen aus einer modernen
Perspektive. Es zeigt damit den
entscheidenden Beitrag Cranachs
zu einem neuen, frühneuzeitlichen und modernen Bildbegriff.
„Stammbaum
des Mehrklingenrasierers“
sprochen wird. Das Deutsche Museum in München widmet dem
Thema jetzt weltweit erstmalig
eine eigene Ausstellung.
Mit 1.500 Quadratmetern füllt
die Schau ziemlich genau die Fläche, die jeder Erdbewohner zur
Verfügung hat – im Durchschnitt.
Hinter einer Technikwand mit
zwölf ausgewählten Objektgrup-
pen aus der Sammlung des Museums – vom indoeuropäischen Telegrafensystem von 1867 bis zum
1984er Apple Macintosh Plus-PC
mit einem Megabyte Arbeitsspeicher reichen die Exponate. Die
Transsib — ein Jahrhundertprojekt auf Schienen
bis 30.8.2015
Naturfotografien von Miłosz
Kowalewski
4.7. bis 20.9.2015
Einmal von Moskau nach Wladiwostok mit der Transsibirischen
Eisenbahn: Eine Reise der Superlative durch mehr als 400 Bahnhöfe, sieben Zeitzonen und zwei
Kontinente. Das Deutsche Museum widmet sich in einer Sonderausstellung der Geschichte der
Bahn, die die längste Zugstrecke
der Welt abfährt. Von Hindernissen beim Bau über die Menschen,
die mit der Transsib unterwegs
sind, bis hin zu Portraits der Landstriche entlang der Strecke nimmt
die Ausstellung seine Besucher
mit auf eine Reise durch das
größte Land der Erde, einmal von
­Europa nach Asien und zurück.
Eine grün-weiße Schellente
taucht blitzartig aus dem Wasser
auf, ein Uhu blickt erschrocken
in die Kamera: Inmitten ihres
natürlichen Lebensraums hat
der Naturfotograf und Ornithologe Miłosz Kowalewski Vögel
verschiedenster Art, Größe und
Farbe im Bild festgehalten. Mal
mitten im Flug, mal bei der Suche nach Futter, mal, so scheint
es, beim Posieren vor der Kamera. Das Senckenberg Museum
für Naturkunde zeigt die faszinierenden Vogelbilder noch bis
Ende September.
Deutsches Museum, München
Senckenberg Museum für
Naturkunde, Görlitz
2/2015
LEIBNIZ | AUSSTELLUNGEN
Fotos: Next Nature Networks; GNM; DM; Miłosz Kowalewski; SGN; RGZM; Wolfhard Scheer/DSM
Ausstellung gliedert das abstrakte Konzept des Anthropozäns in
sechs konkrete Themenbereiche:
Urbanität und Ressourcen, Mobilität, Mensch und Maschine, Natur, Ernährung sowie Evolution.
Die Ausstellung beschreibt
ein Phänomen, das voll im Gange ist und kontrovers diskutiert
wird. Schließlich sind sich die
Wissenschaftler weltweit noch
nicht einmal einig, wann das
neue Erdzeitalter begonnen hat.
Die Vorschläge reichen zurück
zur industriellen Revolution oder
gar zum Anfang des 17. Jahrhunderts. Helmuth Trischlers Vorschlag wären die 1950er Jahre:
„Mit dem Zünden von Atombomben hat der Mensch radioaktive
Elemente freigesetzt, die noch in
Millionen Jahren zu finden sein
werden. Spätestens damit hat
der Mensch fast unauslöschliche
Spuren auf unserem Planeten
hinterlassen und ist mit der so
genannten ,Großen Beschleunigung‘ zum geologischen Faktor
geworden.“ Trischler leitet die
2/2015 Forschungsabteilung am Deutschen Museum und hat die Ausstellung zusammen mit Nina
Möllers, Reinhold Leinfelder und
Christian Schwägerl konzipiert.
An einem Leibniz-Forschungsmuseum präsentiert die Ausstellung nicht nur Forschungsergebnisse Dritter, sondern ist
integraler Bestandteil der wissenschaftlichen Arbeit am Deutschen Museum: Große Teile der
Schau sind Ergebnisse des Rachel
Carson Centers for Environment
and Society, des größten geisteswissenschaftlichen Projekts in
Deutschland, welches das Deutsche Museum gemeinsam mit
der Ludwig-Maximilians-Universität ins Leben gerufen hat. „Wir
haben in München damit die
weltweite Themenführerschaft
im Bereich der Environmental
Humanities übernommen“, sagt
Helmuth Trischler. Gerade weil
die Debatte um das Anthropozän
als Konzept, das Verhältnis von
Umwelt und Gesellschaft neu zu
denken, so intensiv geführt wird,
365 Augen —
Blicke des Lebens
30.7. bis 31.10.2015
Vulkanpark Osteifel
Dauerausstellung
Senckenberg Naturmuseum,
Frankfurt
Erlebnispark des
Römisch-Germanischen
Zentralmuseums, Plaidt
Ich schau Dir in die Augen, Kleines! Unter diesem Motto hat
die Künstlerin Meune Lehmann
Geckos, Vögeln, Krokodilen und
Spinnen ganz genau vor die Linse genommen und ihre Eindrücke mit Acryl auf der Leinwand
festgehalten. Entstanden sind
daraus 365 Bilder von animalischen Augen verschiedenster
Arten, die die fantastische Vielfalt der Tierwelt zeigen. Einen
Augenblick für jeden Tag des
Jahres – von Ende Juli an zu sehen im Senckenberg Naturmuseum in Frankfurt am Main.
Eine Ausstellung in freier Natur: Auf verschlungenen Pfaden
vorbei an sprudelnden Bächen
geht es in diesem besonderen
Park hoch hinaus bis zu einem
echten Vulkankegel. Besucher
erleben hautnah eine einmalige
Landschaft mit wissenschaftlichen Erläuterungen.
Deshalb hat das Ministerium für
Bildung, Wissenschaft, Weiterbildung und Kultur des Landes
Rheinland-Pfalz den Vulkanpark im Landkreis Mayen-Koblenz auch als „außerschulischen
Lernort“ ausgezeichnet.
hat er eine klare Vorstellung, was
die Besucher mit nach Hause
nehmen sollen: „Das Anthropozän ist da, und wir sind ein Teil
davon – die Menschheit und jeder
einzelne für sich trägt eine Verantwortung dafür, wie wir in Zukunft leben werden.“ Dabei sind
Innovationen und Erfindungsgeist gefragt, denn, so sagt Helmuth Trischler, „als Technikmuseum wollen wir zeigen, dass die
Technik zwar die Ursache für das
Anthropozän war, wir aber ohne
wissenschaftlich-technische Kreativität nicht mit den sich daraus
ergebenen Problemen fertig werden können.“
c h r i stoph h er bort - v on l oeper
Wir verlosen drei
Exemplare des Aus­
stellungskatalogs.
3 S. 50
Eine Buchvorstellung
der Comic-Anthologie
„Anthropozän — 30
Meilensteine auf dem
Weg in ein neues Erdzeitalter“ finden Sie
auf Seite 51.
Willkommen im Anthropozän —
Unsere Verantwortung für die
Zukunft der Erde
bis 31. Januar 2016
Deutsches Museum
Museumsinsel 1, 80538 München
Öffnungszeiten: täglich von 9-17 h
www.deutsches-museum.de
www.carsoncenter.uni-muenchen.de
„…durch der Stürme böses
Wetter…“
seit 29.5.2015 Deutsches Schiffahrtsmuseum,
Bremerhaven
Mehr Sonderausstellungen unserer
Forschungsmuseen
finden Sie online:
www.leibnizgemeinschaft.de/
institute-museen/
forschungsmuseen/
leibniz-museenaktuell/
Egal, ob es regnet, stürmt oder
schneit – wenn es heißt: „Mann
über Bord!“, dann rückt die Deutsche Gesellschaft zur Rettung
Schiffbrüchiger aus, um Menschenleben zu retten, und das seit
mittlerweile 150 Jahren. Zu diesem Jubiläum hat das Deutsche
Schiffahrtsmuseum seine Ausstellung zur Seenotrettung grundlegend überarbeitet. Diese präsentiert anhand von bisher noch nicht
gezeigten Exponaten technische
Entwicklungen, thematisiert aber
auch, wie die Seenotrettung zu
verschiedenen Zeiten in der Gesellschaft wahrgenommen wurde.
47
LEIBNIZ | LIFE
Premiere für „Leibniz debattiert“
Zum Auftakt des neuen Veranstaltungsformats „Leibniz debattiert“ haben der Philosoph und Autor Richard David Precht und der Präsident des ifo-Instituts – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung, Hans Werner Sinn, Ende Juni über die „Europäische Gemeinschaft zwischen Eigenverantwortung und Solidarität“ diskutiert. Eine Zusammenfassung und die gesamte Debatte sind online
zu sehen: www.leibniz-gemeinschaft.de/medien/mediathek
Laudator Uwe Thomas, Klaus Brandenburg, René Bussiahn und Stephan
Krafczyk (Coldplasmatech), Leibniz-Präsident Matthias Kleiner (v.links).
48 Die Ausgründungsvorhaben „Bran­den­burg Antiinfectiva GmbH“ aus
dem Forschungszentrum Borstel ‑ Leibniz-Zentrum für Medizin
und Biowissenschaften und „Coldplasmatech“ des Leibniz-Instituts
für Plasmaforschung und Technologie in Greifswald sind mit dem
Leibniz-Gründerpreis ausgezeichnet worden. Der mit 50.000 Euro
dotierte Preis soll Start-ups durch
externe Beratung bei Markteintritt, Finanzierung und Marketing
unterstützen.
„Brandenburg Antiinfectiva“
hat ein vielversprechendes Medikament gegen Blutvergiftung
(Sepsis) entwickelt. Aspidasept®
basiert auf einer künstlichen Eiweißverbindung, die den Auslöser
einer Sepsis, ein bakterielles Endotoxin, inaktiviert. In Tierversuchen
zeigte das Medikament bereits gute
Schutzwirkungen. Wegen zahlreicher Fehlschläge haben sich die
großen Pharmafirmen weitgehend
aus der Entwicklung von SepsisWirkstoffen ­
zurückgezogen. Hier
bietet Aspidasept® einen neuen
Ansatz, der schon bald in die ­erste
klinische Testphase eintreten
www.antiinfektiva.com
könnte. k Die Geschäftsidee von „Coldplasmatech“ ist ein plasmaphysikalisches Medizinprodukt zur
Behandlung großflächiger chronischer Wunden, die derzeit nicht
oder nur schlecht therapierbar
sind. Krankheitsbilder wie das
diabetische Fußsyndrom, Druckgeschwüre (Dekubitus) oder Pilz­erkrankungen bedeuten für
Millio­nen meist ältere Menschen
eine massive Beeinträchtigung
der Lebensqualität. Die innovative Wundtherapie geschieht durch
eine aktive Wundauflage, ein sogenanntes Plasma-Patch, mit der
durch eine Steuerungseinheit
(Plasma-Cube) ein kaltes Plasma
auf die Wunde aufgebracht wird.
Das Plasma aktiviert dabei die
Zellregeneration, desinfiziert die
Wunde und tötet multiresistente
Keime ab.
k www.coldplasmatech.de
Neue Sprecher
Zwei Gremien der
Leibniz-Gemeinschaft
haben neue Sprecher.
Die Sektion „Lebenswissenschaften“ leitet
künftig Andreas Rad­
bruch, wissenschaftlicher Direktor des
Deutschen RheumaForschungszentrums
Berlin. Sein Vorgänger Heribert Hofer,
Direktor des LeibnizInstituts für Zoo- und
Wildtierforschung in
Berlin, fungiert künftig
als stellvertretender
Sektionssprecher.
Dem Interdisziplinä-
ren Verbund wissenschaftlicher Infrastruktureinrichtungen
von 18 LeibnizEinrichtungen, die in
erheblichem Umfang
wissenschaftliche
Infrastrukturaufga-
ben wahrnehmen,
steht jetzt Klaus
Tochtermann vor.
Er ist Direktor der
ZBW – Deutsche
Zentralbibliothek für
Wirtschaftswissenschaften ‑ LeibnizInformationszentrum
Wirtschaft in Kiel und
Hamburg.
28 Projekte im
Leibniz-Wett­
bewerb 2015
Die Leibniz-­
Gemeinschaft fördert
in ihrem internen
Leibniz-Wettbewerb
2015 insgesamt 28
Forschungsvorhaben
von Leibniz-Instituten
mit einer Gesamtsumme von rund 26,2 Millionen Euro. Die
Projekte laufen in der
Regel drei Jahre und
unterstützen zentrale
forschungspolitische
Ziele von Bund und
Ländern aus dem Pakt
für Forschung und
Innovation. Bereits
im Verlauf des ersten
Halbjahrs 2015 haben
die Arbeiten an diesen
Forschungsvorhaben
begonnen, die die
ganze disziplinäre
Breite der LeibnizForschung widerspiegeln.
www.leibniz-gemeinschaft.de/ueber-uns/
leibniz-wettbewerb/
gefoerderte-vorhaben/
2/2015
Fotos: Oliver Lang (2); Sabine Gudath/DRFZ; Pepe Lange/ZBW
Leibniz-Gründerpreis
für zwei Medizin-Start-ups
LEIBNIZ | LIFE
Fotos: Birgit Handke/Deutscher Pavillon Expo Milano; WZB; Uwe H Friese/Wikimedia Commons – CC BY-SA 3.0; Landeshauptstadt Mainz; Bettina Brand/FZB; Oßwald/ZFMK; R. Arlt/AIP; LZI
Leibniz auf der EXPO
2/2015 Noch bis zum 31. Oktober präsentieren drei Institute der LeibnizGemeinschaft Forschungsprojekte
mit innovativen Ansätzen zur
effi­zienteren und nachhaltigeren
Nahrungsmittelproduktion auf
der Weltausstellung EXPO 2015
in Mailand. Das Leibniz-Zentrum
für Agrarlandschaftsforschung aus
Müncheberg (Mark), das LeibnizInstitut für Pflanzengenetik und
Kulturpflanzenforschung aus
Gatersleben und das LeibnizInstitut für Gewässerökologie und
Binnenfischerei aus Berlin sind drei
von sieben Forschungspartnern der
Arbeitsgemeinschaft Deutscher Pavillon auf der EXPO, die unter dem
Titel „Fields of Ideas“ Deutschland
als fruchtbare Landschaft mit Ideen
für die Ernährung der Zukunft vorstellt. Die Leibniz-Institute zeigen
das System „Tomatenfisch“ zur
kom­binierten Fisch- und Gemüsezucht, Informationen zum Boden
als ebenso vielfältige wie entscheidende Grundlage für Ernährungssicherheit und Bioökonomie sowie
die Ex-situ-Genbank für landwirtschaftliche und gartenbauliche
Kulturpflanzen.
www.expo2015-germany.de
Griechenland und Ukraine
interessieren am meisten
119 Mitglieder des Deutschen
Bun­destages aller Fraktionen
haben an der Aktion „Leibniz im
Bundestag 2015“ teilgenommen.
Sie verabredeten sich zu 207 Ein­
zelgesprächen mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern
aus Leibniz-Instituten zu deren
jeweiligen Forschungsthemen. Zur
Auswahl standen 251 Themen,
die 198 Forscher aus 50 Instituten
angeboten hatten. Spitzenreiter
mit insgesamt 35 vereinbarten Gesprächen war das Deutsche Institut
für Wirtschaftsforschung Berlin.
„Bestseller“ bei den Ein­zelthemen
waren „Ende der Illu­sionen in der
Osteuropapolitik? Lösungsstrate­
gien in der Ukraine‐Russland‐­Krise“
vom Herder-Institut für histo­
rische Ostmitteleuropaforschung
in M
­ arburg und „Wie teuer kommt
uns ein Ausstieg Griechenlands aus
dem Euro (GREXIT)?“ vom Institut
für Weltwirtschaft in Kiel.
Liste
Genauso spannend wie die Forschung unserer Institute ist oft
auch ihr Sitz: Viele Leibniz-Wissenschaftler arbeiten in historischen
Bauwerken, an Schauplätzen der
deutschen Politik oder in Gebäuden moderner Architektur. Diese
Auswahl präsentiert einige der
interessantesten Institutssitze.
Alte und neue Architektur integriert der Sitz des Wissenschaftszentrums Berlin
für Sozialforschung (WZB). Der 1894 errichtete Altbau im Stil der Neorenaissance beherbergte bis 1945 das Reichsversicherungsamt, die oberste Behörde
der Sozialversicherung. 1988 wurde das Gebäude vom britischen Architektenbüro James Stirling, Michael Wilford and Associates rundum erneuert und um
einen Komplex postmoderner Anbauten erweitert.
Im Deutschen Schiffahrtsmuseum — Leibniz-Institut für deutsche
Schifffahrtsgeschichte in Bremerhaven (DSM) fühlen sich die Besucher
gleich wie an Bord eines echten Dampfers. Relingartige Brüstungen
und deckähnlich aufgebaute Etagen verbinden maritimes Flair mit
wissenschaftlicher Arbeit. Als Vertreter der organischen Bauweise hat
der Architekt Hans Scharoun das Museumsgebäude so
konstruiert, dass es scheinbar parallel zum Lauf der
Weser fährt.
Wo heute das Mainzer Leibniz-Institut für Europäische Geschichte
(IEG) untergebracht ist, wurde früher Theologie und Philosophie
gelehrt. Das barocke Universitätsgebäude mit seinen markanten
Dachreitern war Heimat und Arbeitsort zahlreicher Studenten, bis
die Fakultät unter Napoleon geschlossen und das Gebäude als Kaserne
genutzt wurde. Im Zweiten Weltkrieg ausgebrannt, wurde die „Domus Universitatis“
1952 wieder aufgebaut und beherbergt seitdem das IEG.
Das Herrenhaus Borstel, Sitz des Forschungszentrums Borstel —
Leibniz-Zentrum für Medizin und Biowissenschaften (FZB),
präsentiert einen interessanten Mix aus barocker Front und Dekorationen des Rokoko, der in der ländlichen Region SchleswigHolsteins selten anzutreffen sind. Das 1751 vollendete Gebäude diente ab 1930 als Kindererholungsheim und nach 1945 als
Flüchtlingslager, bis es 1947 in den Besitz des FZB überging.
Im Zoologischen Forschungsmuseum Alexander König und heutigem
Leibniz-Institut für Biodiversität der Tiere in Bonn (ZFMK) wurde
Geschichte geschrieben: Nach seiner Wahl im September 1949
richtete sich Bundeskanzler Konrad Adenauer sein Arbeitszimmer
in der Museumsbibliothek ein und hielt im Hörsaal Kabinettssitzungen ab. Zwei Monate später zog er allerdings weiter ins Palais
Schaumburg. Bis 1957 hatte aber unter anderem das Auswärtige
Amt seine Büros im Museumsgebäude.
Ein Beispiel, wie sich Architektur und Wissenschaft miteinander verknüpfen
lassen, ist der heute unter Denkmalschutz stehende Einsteinturm des
Leibniz-Instituts für Astrophysik Potsdam (AIP). Als Sonnenobservatorium
bereits vor über 90 Jahren erbaut, wurde hier Einsteins Relativitätstheorie praktisch untersucht. Gleichzeitig konnte der Architekt Erich Mendelsohn seine Vorstellungen, mit Stahl und Beton zu arbeiten, verwirklichen
und ein organisches Kunstwerk schaffen.
Erbaut als fürstlicher Familiensitz im 18. Jahrhundert, ging das
Schloss Dagstuhl im Saarland nach der Revolution in den Besitz
der französischen Adelsfamilie Lasalle von Louisenthal über
und wurde zum gesellschaftlichen und kulturellen Mittelpunkt
der Region. Als 1959 der letzte Vertreter der Familie Lasalle
das Anwesen verlässt, wird es zu einem Altersheim umgewidmet
und 1989 Sitz des Leibniz-Zentrums für Informatik (LZI).
49
LEIBNIZ | LIFE
Grünes Licht für
zehn Institute
Leipzig. Beim LeibnizInstitut für Wirtschaftsforschung Halle sollen
die Ergebnisse des
dort derzeit laufenden
Reformprozesses sowie
die wissenschaftlichen
Leistungen in vier Jahren überprüft werden.
Zehn Einrichtungen der LeibnizGemeinschaft werden
weiterhin gefördert.
Das hat der Senat der
Leibniz-Gemeinschaft
im März und Juli nach
Abschluss der regelmäßigen Evaluierung
Bund und Ländern
empfohlen.
Für die maximal
mögliche Dauer von
sieben Jahren bis zur
nächsten Evaluierung
erhielten grünes Licht:
das Ferdinand-BraunInstitut ‑ LeibnizInstitut für Höchstfrequenztechnik in
Berlin, das LeibnizInstitut für Plasmaforschung und Technologie in Greifswald, das
Germanische Nationalmuseum in Nürnberg,
das Leibniz-Institut
für ­Festkörper- und
Werkstoffforschung
Dresden, das PotsdamInstitut für Klimafolgenforschung, das
Leibniz-Institut für
Naturstoff-Forschung
und Infektionsbiologie – Hans-KnöllInstitut in Jena, das
Leibniz-Institut für
Globale und Regionale
Studien in Hamburg,
die Deutsche Forschungsanstalt für
Lebensmittelchemie
in Freising sowie
das Leibniz-Institut
für Länderkunde in
Verlosung
3 Exemplare des Begleitbandes zur
Ausstellung im Deutschen ­
Museum
„Willkommen im Anthropozän. Unsere Verantwortung für die Zukunft
der Erde“ von Helmuth Trischler,
Nina Möllers und Christian Schwägerl
(Hrsg.)
(3 Bericht zur Sonderausstellung „Willkommen im Anthropozän“ auf S. 46/47)
Stichwort: „Anthropozän“
www.leibniz-gemeinschaft.de/ueber-uns/
evaluierung/
Diplomatie auf
Zeit für Wissenschaftsmanager
Das Auswärtige Amt
und die Leibniz-­
Gemeinschaft setzen ihr
gemeinsames Hospitationsprogramm für
leitende Wissenschaftsmanager aus LeibnizInstituten in deutschen
Auslandsvertretungen
fort. Das Programm
richtet sich an Personen
mit Leitungsaufgaben
in Administration,
wissenschaftlichen
Stabsbereichen oder Öffentlichkeitsarbeit von
Leibniz-Instituten und
findet in der Regel in
Wissenschaftsabteilungen deutscher Auslandsvertretungen oder in
Ständigen Vertretungen
bei UN-Organisationen
statt, die ähnliche thematische Tätigkeitsfelder haben wie LeibnizInstitute, wie zum
Beispiel die UNESCO,
die Weltgesundheitsorganisation (WHO) oder
das Welternährungs­
programm (WFP).
Anzeige
5 Exemplare des Buches „Ruder„Sport“ im Altertum. Facetten von
Wettkampf, Spiel und Spektakel“ von
Ronald Bockius
(3 siehe Buchvorstellung auf S. 51).
Stichwort: „Rudern“
Teilnahme unter Nennung von Stichwort, Name und
Postanschrift per E-Mail an:
[email protected]
Einsendeschluss: 4. September 2015
Die Gewinner erklären sich im Falle des Gewinns mit
der Nennung ihres Namens und Herkunftsortes im
nächsten Leibniz-Journal einverstanden.
Die Gewinner der Verlosungen aus dem Heft 1/2015:
Jeweils ein Exemplar des Buches „Zwischen Kulturgeschichte und Politik. Das Germanische Nationalmuseum
in der Weimarer Republik und der Zeit des Nationalsozialismus“ geht an Dr. Christoph Feiner aus Tuttlingen,
Dr. Ernst Ritter aus Berlin und Jan-Philipp Hentzschel
aus Heidelberg.
Eine Familien-Eintrittskarte für das Museum für Naturkunde Berlin erhalten Kerstin Sommer aus Eichwalde,
Dr. ­Christian Troll aus Altenmarkt, Rolf Haberstroh aus
Berlin, Dr. Volker B. Fiedler aus Berlin und Gerhard
­
Lein aus ­Hamburg.
Aktuelle Forschungsergebnisse aus den Leibniz-Instituten
Eine Vortragsreihe der
Leibniz-Gemeinschaft
in der Urania Berlin
19.10.2015, 17.30 Uhr
Sylvia Necker
Institut für Zeitgeschichte München –
Berlin (IfZ)
Stadt(t)räume im 20. Jahrhundert
2015
50 11.11.2015, 17.30 Uhr
Weert Canzler
Wissenschaftszentrum Berlin für
Sozialforschung (WZB)
Keine Energiewende ohne Verkehrswende –
Chancen und Hindernisse einer postfossilen
Mobilität
7.12.2015, 17.30 Uhr
Rainer Danielzyk
Akademie für Raumforschung und
Landesplanung (ARL)
Renaissance der Städte –
Niedergang ländliche Räume?
Vortrag mit Diskussion/Eintritt frei
www.leibniz-gemeinschaft.de/leibniz-lektionen
Veranstaltungsort
Urania Berlin
An der Urania 17
10787 Berlin
Fotos: DM; RGZM
Leibniz-Lektionen
16.9.2015, 17.30 Uhr
Irene Bertschek
Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW)
Wirtschaft im Umbruch - wie die
Digitalisierung unsere Gesellschaft
verändert
2/2015
LEIBNIZ | LEKTÜRE
Michael Ohl: Die Kunst der
Benennung; 317 Seiten, Matthes & Seitz, Berlin 2015;
29,90 Euro
ISBN: 978-3-95757-089-5
Ronald Bockius: Ruder»Sport« im Altertum.
Facetten von Wettkampf,
Spiel und Spektakel; 95
Seiten, Museum für Antike
Schiffahrt des RGZM, Mainz
2013; 18,00 Euro
Fotos: Matthes & Seitz Berlin (2); RGZM; DM
ISBN 978-3-88467-219-8
2/2015 Alexandra Hamann,
­Reinhold Leinfelder,
Helmuth ­Trischler, Henning
­Wagenbreth (Hrsg.):
Anthropozän — 30 Meilen­
steine auf dem Weg in ein
neues Erdzeitalter. Eine
Comic-Anthologie;
82 Seiten, Deutsches Museum,
München 2014; 14,95 Euro
ISBN 978-3-940396-45-7
Ein australischer Biologe ermittelte 2009,
dass die Zahl der beschriebenen Tierarten
weltweit bei 1.424.153 liege. 1.424.153 unterschiedliche Namen sind ein weites Feld, auf
dem Naturwissenschaft und Sprache aufeinandertreffen, und eine riesige Fundgrube an
Anekdoten und Geschichten, aus der Michael
Ohl das Material für sein Buch „Die Kunst der
Benennung“ sammelt. Der „sprachinteressierte Biologe“ forscht am Museum für Naturkunde – Leibniz-Institut für Evolutions- und
Biodiversitätsforschung in Berlin über Evolutionsbiologie, Systematik und Taxonomie
sowie Wissenschaftsgeschichte. Die Benen-
nung der Arten spannt sich nicht nur von den
volkstümlichen Namen über Linnés Systematik
bis zur modernen Genetik, sie ist auch durchaus
emotional. Davon zeugt, dass Adolf Hitler einstmals den Verantwortlichen der Gesellschaft für
Säugetierkunde 1942 mit einem Arbeitseinsatz
an der Ostfront drohte, nachdem diese neue Namen für Fleder- und Spitzmaus vorgeschlagen
hatten, die ja biologisch nicht zu den Mäusen
zählen. Hitlers „Argumente“ zogen, die Namen
blieben. Ob sich aber „Fleder“ und „Spitzer“ ohne
die Intervention wirklich durchgesetzt hätten,
wird sich nie klären lassen…
c h r i stoph h er bort - v on l oeper
Während die Wissenschaft noch immer nach
einer Antwort auf die Frage sucht, wer das
Rad erfunden hat, liefert Ronald Bockius Antworten zum Ursprung des Ruders – einem der
wichtigsten Fortbewegungsmittel auf dem
Wasser. Die ersten Zeugnisse für Ruderantrieb führen in das vor- und frühdynastische
Ägypten, als der Nil die rund 1.500 Kilometer lange Hauptverkehrsader war, durch die
Ressourcen aus dem Süden erbeutet wurden.
Bockius, Leiter des Forschungsbereichs Antike Schifffahrt am Römisch-Germanischen
Zentralmuseum – Leibniz-Forschungsinstitut
für Archäologie in Mainz, zeichnet detailliert
die erstaunlich lange Geschichte des Ruderns
nach, einer der ältesten Disziplinen des Mannschaftssports. Gleichwohl bezeichnet der Historiker den Riemen als „kulturgeschichtlichen
Spätzünder“, weil das Paddel im nördlichen Europa bereits zur Mittleren Steinzeit verbreitet
war, während die Rudergeräte Riemen und Skull
erst im Altertum aufkamen.
Das Buch lotst den historisch interessierten
Leser in eine Zeit, in der es geruderte Kriegsschiffe mit bis zu 100 Ruderern gab, Wettfahrten
und sogar Rudersport. Denn in Ägypten bestanden die Grundlagen, die überhaupt erst an sportliche Betätigungen denken lassen: Wohlstand
und Freizeit.
Welche Konsequenzen haben neue Technologien für die Welt von morgen? Dieser
Frage geht das im Kontext der Sonderausstellung „Willkommen im Anthropozän“
im Deutschen Museum (siehe Seite 46/47)
erschienene Buch anhand von 30 Comics
über ­bahnbrechende Erfindungen nach und
beschreibt den Weg in die neue geologische
Epoche. Die Illustratoren von der Universität
der Künste Berlin zeigen, dass der Mensch
die Natur bis in ihre tiefsten Strukturen
verändert: Weite Landstriche der Erde sind
radioaktiv kontaminiert und Plastikpartikel
oder Asphaltstücke werden zu wesentlichen
Bestandteilen geologischer Gesteinsschichten. Gleichzeitig sind Kernenergie und Plastikverpackungen aus unserem Alltag kaum
wegzudenken. Dass neue Technologien Pro-
zesse um ein Vielfaches erleichtern, sich allerdings auch als Problem für Umwelt und Gesellschaft entpuppen können, machen die Comics
und die erklärenden Texte deutlich. Ohne den
Zeigefinger zu erheben, vermitteln die Bilder
der jungen Künstler, die selbst im Anthropozän
aufwachsen und von den globalen Veränderungen wie dem Klimawandel oder der Digitalisierung direkt betroffen sind, zwischen dem Wissenschaftsanspruch der Ausstellungskuratoren
und ihren Besuchern. Was auf den ersten Blick
aussieht wie ein Helden-Comic für Kinder, ist
ein anspruchsvolles und gleichsam unterhaltsames Buch, das die Fragen nach der Zukunft
stellt, indem es die Auswirkungen der Vergangenheit auf die Gegenwart in unkonventioneller
Weise analysiert.
Wir
verlosen
einen
unserer
Buchtipps
3 S. 50
m ar l en e brey
al ess a w en d l an d
51
N
L EA ICBHNRI Z
I C |H TLEENU T E
Wissenskulturen und Glaubenssysteme am Äquator
Prof. Dr. Anna-Katharina Hornidge
hat im Mai eine Professur in der Abteilung ­
Sozialwissenschaften des Leibniz-­
Zentrums für Marine Tropenökologie
angetreten und leitet dort nun die Arbeitsgruppe Entwicklungs- und Wissenssoziologie. Die Soziologin untersucht,
52 Der Europäische Forschungsrat
(ERC) hat Prof. Dr. Matthias
Beller, Direktor am LeibnizInstitut für Katalyse (LIKAT)
und Vize-Präsident der LeibnizGemeinschaft mit einem ERC
Advanced Grant ausgezeichnet.
Dieser ist mit etwa 2,5 Millionen Euro dotiert und gilt als
eine der wichtigsten Auszeichnungen für Wissenschaftler in
Europa. Als Chemiker beschäftigt sich Matthias Beller seit
Jahren mit einer der Schlüsseltechnologien des neuen
Jahrtausends, der Katalyse. In
seinem vom ERC geförderten
Projekt geht es darum, besser
verfügbare Nicht-EdelmetallKatalysatoren für chemische
Prozesse zu entwickeln. Ziel ist
es, die heute vielfach als zen­
trale Katalysatoren-Bausteine
verwendeten Edelmetalle wie
Palladium und Rhodium durch
einfachere und kostengünstigere Systeme auf Basis von Eisen,
Cobalt und Mangan zu ersetzen.
Der ERC Advanced Grant ist die
erste Auszeichnung dieser Art
für einen Wissenschaftler in
Mecklenburg-Vorpommern.
Matthias Beller erhielt außerdem unlängst den WöhlerPreis für Nachhaltige Chemie der
Gesellschaft Deutscher Chemiker sowie den Französisch-Deutschen Victor Grignard – Georg
Wittig Preis der französischen
Gesellschaft für Chemie.
wie unterschied­
liche Wissenskulturen
und Glaubenssysteme von Küstenbewohnern entlang des Äquators mit dem zunehmenden Umweltwandel und den soziopolitischen Veränderungen umgehen. Die
Professur erfolgt in Kooperation mit der
Universität Bremen.
Prof. Dr. Beatrix
Beisner ist mit dem
Friedrich Wilhelm
Bessel-Forschungspreis der Alexander
von Humboldt-Stiftung ausgezeichnet
worden. Beisner wird
als Preisträgerin
voraussichtlich 2017
für einen Forschungsaufenthalt an das
Leibniz-Institut für
Gewässerökologie
und Binnenfischerei
(IGB) kommen und
dort in der Abteilung
für Experimentelle
Limnologie der Frage
nachgehen, wie sich
die Schichtung von
Seen auf das Fressverhalten des Zooplanktons auswirkt. Derzeit
lehrt und forscht sie
an der Universität
Québec in Montreal.
Die Deutsche Forschungsgemeinschaft
hat Dr. Thorsten
Schnurbusch vom
Leibniz-Institut für
Pflanzengenetik und
Kulturpflanzenforschung in Gatersleben ein Heisenberg-Stipendium
verliehen. Mit dem
Stipendium wird der
Leiter der Arbeitsgruppe Pflanzliche
Baupläne seine
Weizen- und Gersten­
forschung weiter
­vorantreiben und
sich dabei speziell
auf die Aufklärung
der entwicklungsgenetischen Hintergründe der Architektur von Weizen- und
Gerstenähren
konzentrieren.
2/2015
LEIBNIZ | LEUTE
enden, sogenannten
Telomeren, auf die
Krebsentstehung und
den Alterungsprozess.
Fotos: ZMT; LIKAT; privat; Roland Schnee/IPK; DFG; privat; IHP; privat; Sven Elger; Erich Dichiser/ZEW; ZALF
Prof. Dr. K. Lenhard
Rudolph, Wissenschaftlicher Direktor
des Leibniz-Instituts
für Altersforschung –
Fritz-LipmannInstitut in Jena (FLI),
ist für seine Arbeit in
der Krebsforschung
mit dem Deutschen
Krebspreis in der Kategorie „Experimentelle Forschung“ ausgezeichnet worden.
Rudolph beschäftigt
sich mit dem Einfluss
von Chromosomen­
Prof. Dr. Wolfgang Mehr, ehemaliger wissenschaftlich-technischer Geschäftsführer des Leibniz-Instituts
für innovative Mikroelektronik (IHP)
in Frankfurt (Oder), ist im Alter von
66 Jahren gestorben. Wolfgang Mehr
arbeitete nach seiner Ingenieur-Promotion an der Akademie der Wissenschaften in Berlin Adlershof. 1989
kam er als wissenschaftlicher Mitarbeiter ans IHP, das er von 2002 bis
zu seinem krankheitsbedingten Ausscheiden 2014 leitete. In seiner Amtszeit verantwortete Wolfgang Mehr die
erfolgreiche Neupositionierung des
Instituts zu einem international anerkannten Kompetenzzentrum für siliziumbasierte Systeme, HöchstfrequenzSchaltungen und Technologien für die
drahtlose und die Breitbandkommu­
nikation.
2/2015 Seit April ist Dr.
Doreen Kirmse Kaufmännische Direktorin
des Leibniz-Instituts
für Festkörper- und
Werkstoffforschung
Dresden (IFW). Dort
leitet sie die Bereiche
Administration und
Forschungstechnik
und ist Vorstandsmitglied.
Die Chemikerin Prof. Dr.
­Dorothea Fiedler wird ab Juli
gemeinsam mit Prof. Dr. V­olker
Haucke als Direktorin das
Leibniz-Institut für Molekulare
Pharmakologie (FMP) in Berlin
leiten. Dort wird sie sich der
Forschung an Molekülen widmen, die eine wichtige Rolle
im intrazellulären Energiestoffwechsel spielen könnten und
bisher kaum untersucht sind.
Fiedler promovierte an der University of California in Berkeley
und arbeitete seit 2010 an der
Princeton University. Für ihre
Forschung an anorganischen
Phosphorverbindungen, die das
Krebswachstum beeinflussen,
wurde sie unter anderem mit
einem Förder-Grant der Sidney
Kimmel Foundation für Krebsforschung in Höhe von 200.000
US-Dollar ausgezeichnet.
Seit Anfang März ist Prof. Dr.
h.c. Rolf Pfrengle Administrativer Direktor der Senckenberg
Gesellschaft für Naturforschung
in Frankfurt am Main (SGN).
Dort leitet er als Verantwortlicher für IT, Datenschutz und
Bauangelegenheiten unter anderem die Neustrukturierung
der Verwaltung und die Einführung von SAP. Zuvor war Rolf
Pfrengle kaufmännischer Direktor im Vorstand des Leibniz-Instituts für Festkörper- und Werkstoffforschung Dresden (IFW)
und
Präsidiumsbeauftragter
für die duale Ausbildung in der
Leibniz-­Gemeinschaft.
Leibniz-interner Wechsel: Prof.
Dr. Clemens Fuest wird zum
1. April 2016 Nachfolger von
Prof. Dr. Hans-Werner Sinn als
Präsident des ifo Instituts –
Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung an der Universität
München. Clemens Fuest ist
derzeit Präsident des Zentrums
für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim, das
ebenfalls zur Leibniz-Gemeinschaft gehört. Bevor Fuest 2013
ans ZEW kam, war er Professor
für Unternehmensbesteuerung
an der Universität Oxford und
Forschungsdirektor des dortigen Centre for Business Taxation. Seine Forschungsschwerpunkte liegen auf den Gebieten
der Internationalen Steuerpolitik und der Staatsfinanzen.
­Aktuell befasst er sich vor allem
mit der Schuldenkrise im Euroraum, dem internationalen
Steuerwettbewerb, der Bedeutung der Globalisierung und
der europäischen Integration
unter dem Aspekt der Steuerpolitik sowie den Auswirkungen
der Besteuerung auf Unternehmensentscheidungen.
Prof. Dr. Sonoko D. Bellingrath-Kimura leitet seit April
das Institut für Landnutzungssysteme am Leibniz-Zentrum
für Agrarlandschaftsforschung
in Müncheberg (ZALF). Dort erforscht die Agronomin die Komplexität des Agrarökosystems.
Zuletzt lehrte die gebürtige Japanerin an der Tokyo University
of Agriculture and Technology
am Department of International
Environmental and Agricultural
Science. Sie ist spezialisiert auf
die Interaktionen von Boden
und Pflanze unter besonderer
Betrachtung der Stickstoff- und
Kohlenstoffflüsse.
53
LEIBNIZ | LEUTE
der bisherige stellvertretende Direktor Prof. Dr. Eckhardt Fuchs
die Leitung des GEI übernehmen.
In Washington wird die Historikerin zu den Forschungsschwerpunkten „History of Knowledge“
und „Digital History“ arbeiten.
den Gründer des Teilinstituts,
Prof. Dr. Ludwig Schultz, ab. In
einem gemeinsamen Berufungsverfahren wurde er gleichzeitig
auf die Professur für Metallische
Werkstoffe und Metallphysik
an der Technischen Universität
Dresden berufen.
Die ­Nachwuchsgruppenleiterin
Dr. Laura De Laporte hat für
ihr Projekt ANISOGEL den mit
1,5 Millionen Euro dotierten
­Starting Grant des Europäischen
Forschungsrats ERC erhalten.
Am DWI — Leibniz-Institut für
Interaktive Materialien in Aachen
entwickelt die Wissenschaftlerin
ein injizierbares Hydrogel zur
Anwendung bei der minimalinvasiven Therapie für Verletzungen
des Rückenmarks. Mit dem Grant
wird ihre Forschung für die kommenden fünf Jahre unterstützt.
Prof. Dr. Ulrich
Bathmann, Direktor
des Leibniz-Instituts
für Ostseeforschung
in Warnemünde
(IOW), ist von der
Mitgliederversammlung des Konsortiums Deutsche
Meeres­forschung
(KDM) zum neuen
Vorsitzenden gewählt worden.
Prof. Dr. Christof
Wolf ist seit dem
1. Juni 2015 kommissarischer Präsident
von GESIS-LeibnizInstitut für Sozialwissenschaften. Der Soziologe ist seit 2004
Leiter der Abteilung
Dauerbeobachtung
Prof. Dr. Kornelius Nielsch hat
im April die Leitung des Instituts für Metallische Werkstoffe
im Leibniz-Institut für Festkörper- und Werkstoffforschung
Dresden (IFW) übernommen
und löst damit in dieser Position
der Gesellschaft und
war seit Dezember
2009 Vize-Präsident
des Instituts. Christof
Wolf ist Lehrstuhlinhaber für Sozial­
strukturanalyse
an der Universität
Mannheim.
Dem ehemaligen Präsidenten der LeibnizGemeinschaft, Prof.
Dr. Karl Ulrich
Mayer, ist die Ehrensenatorenwürde der
Universität Tübingen
verliehen worden.
Die Universität zeichnete den Soziologen
unter anderem für
sein Engagement in
der kooperativen
­Verbundforschung
der Universität
Tübingen mit
außeruniversitären
Forschungseinrichtungen aus, etwa im
Rahmen des ersten
Leibniz-WissenschaftsCampus in
Tübingen.
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54 2/2015
Fotos: GEI/David Ausserhofer (2); Elfriede Liebenow Emo; DWI; IOW; GESIS; Cordia Schlegelmilch
Die Direktorin des Georg-EckertInstituts — Leibniz-Institut für internationale Schulbuchforschung
(GEI) in Braunschweig, Prof. Dr.
Simone Lässig, folgt einem Ruf
an das Deutsche Historische Institut in Washington, das sie ab
Herbst für fünf Jahre leiten wird.
Während ihrer Beurlaubung wird
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