Fishbowl-Methode

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Fishbowl-Methode
Fishbowl-Methode
SS 04
Seminar “Einführung in Theorie und Praxis der Evaluation - Anwendung
und Diskussion von Methoden und Modellen
Dipl.Päd. Susanne Mäder
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Definitorische Erläuterungen
•
Fishbowl bezeichnet ein Diskussionsformat, das im Kontext der anglo-amerikanischen ‘community-health’-Bewegung entstanden ist. Es dient der Klärung
möglicher oder tatsächlich unterschiedlicher Standpunkte, Perspektiven und
Interessenlagen zu Themen, Projekten und Entscheidungen, an denen die
Anspruchsgruppen beteiligt sind
•
Hierzulande werden Fishbowls bisher hauptsächlich verwendet bei Klärungs- und
Entscheidungsfindungsprozessen (bei Streitfragen, in offenen Diskussionsprozessen) auf der Ebene kommunaler Bürgerbewegungen und in NGO’s sowie
als Sonderform in Mediationsprozessen
•
Fishbowls sind entstanden als Antwort auf dominanzorientierte Diskussionskulturen auch und gerade in NGO’s und Graswurzel-Bewegungen.
Sie folgen dem Prinzip der “gleichberechtigten Debatte” und des “Dominanzabbaus” als Grundlage und Bestandteil von win-win-Strategien
•
Als Datenerhebungsinstrument für Evaluationen wird die Fishbowl-Methode erst
seit neuestem eingesetzt - zur Unterstützung von Auftraggebern, Beteiligten und
Anspruchshaltern bei der Bewertung von Chancen, Risiken und Konsequenzen
von Veränderungsprozessen in öffentlichen Verwaltungen.
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Einordnung des FishbowlVerfahrens
Fishbowl
Mediation
Eigen-Interessen der Evaluatoren
Eigen-Interessen der
Beteiligten/Anspruchshalter
Focusgruppen
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Grad der Gerichtetheit
Grad der Gerichtetehiet
Fishbowl
Focusgruppen
Mediation
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Typische Merkmale I
•
An einer Fishbowl-Diskussion sind Personen/Anspruchshalter beteiligt, die ein durch
die Fragestellungen/das Untersuchungsziel der Evaluation vorgegebenes Thema
behandeln und in das sie selbst auch involviert sind und zu dem sie unterschiedliche
Sichtweisen, Standpunkte und Interessen haben
•
Die an einer Fishbowl-Diskussion teilnehmenden Personen und Gruppen müssen
bestimmten Auswahlkriterien genügen:
Grundsätzlich gilt, dass
- die teilnehmenden Personen in einer Gruppe so homogen wie nötig und
- die teilnehmenden Gruppen so heterogen wie dem Untersuchungsgegenstand
angemessen zusammengesetzt sein sollen
•
Fishbowl-Diskussionen können in Form einer oder mehrerer Paralleluntersuchungen
stattfinden
•
In und mit Fishbowl-Diskussionen werden qualitative Daten erhoben. Dabei liegt der
Schwerpunkt des Interesses auf unterschiedlichen Meinungen, Einstellungen, Erwartungen, Gefühlen, Interessen etc. der Teilnehmenden
•
Fishbowl-Diskussionen liegt ebenfalls die Kernannahme zugrunde, dass sich Meinungen und Einstellungen von Menschen stets auch in der Diskussion mit anderen bilden,
und dass sich darüber hinaus besonders in Fishbowl-Diskussionen (unterschiedliche)
Positionen und Interessen (hinter diesen Meinungen und Einstellungen) bilden und
herauskristallisieren.
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Typische Merkmale II
•
Fishbowl bezeichnet im wesentlichen ein besonderes, vorab festgelegtes
räumliches Diskussions-Arrangement und Regeln eines selbstorganisierten
Diskussionsablaufs. Damit wird sichergestellt,
-
das gleiche, ausdrücklich aber auch unterschiedliche und gegensätzliche
Sichtweisen, Standpunkte und Interessen zur Sprache kommen, entwickelt
und nebeneinander gestellt werden können
-
ohne dass eine Gruppe im Diskussionsprozeß die andere Gruppe
dominieren oder das Ergebnis der Diskussion einseitig beeinflussen kann
(z.B. durch Rhetorik oder Taktik)
⇒
•
Dominanzabbau
Fishbowl-Diskussionen zielen nicht auf Konsens ab. Es geht vielmehr darum,
“Klarheit zu gewinnen”
-
über gemeinsame, insbesondere aber auch unterschiedliche und konfligierende Sichtweisen, Standpunkte und Interessen
und damit auch
- über eine realistische (bestehende, mögliche oder nicht mögliche) Basis für
gemeinsame Entscheidungen oder für eine Zusammenarbeit.
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Einige Beispiele für
Einsatzmöglichkeiten
Für Prozesse in der Planung
•
Zwischen zwei Freien Trägern mit bekanntermaßen unterschiedlichen Kulturen
und Ansprüchen sollen im Vorfeld konkreter Verhandlungen die Möglichkeiten
und konkreten Ansatzpunkte einer geplanten Fusion ausgelotet werden.
Für laufende Prozesse
•
Im Rahmen eines laufenden Organisationsentwicklungsprozesses in einer
Stadtverwaltung (Reorganisation der Ablauforganisation, Erschließung neuer
Zielgruppen) sollen zwischen Jugend- und Sozialamt bestehende und ausgeprägte, bislang aber verdeckte Interessenkonflikte thematisiert werden, die eine
angestrebten intensiveren Zusammenarbeit im Wege stehen könnten.
Für abgeschlossene Prozesse
•
Am Ende eines Modellprojekts soll darüber entschieden werden, ob und wie die
im Rahmen des Projekts zwischen Freien Trägern und kommunalen Sozialverwaltungen entstandenen Kooperationsbeziehungen trotz eines erheblichen
Machtverlusts bei einem der Beteiligten weitergeführt werden sollen.
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Phasen einer Fishbowl-Diskussion
Planung/
Auftragsklärung
Teilnehmergewinnung
& Themenauswahl
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•
Auftragsklärung
Analyse des Diskussions-/Konfliktfeldes
Festlegung der Erhebungsstrategie und des
Erhebungsformats
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Identifizierung der Beteiligten/Stakeholder
Zielklärung
Formatklärung (Wahl/Arrangement des
richtigen Diskussionsformats)
Ausarbeitung/Auswahl der Themen und
Fragen
•
•
Organisation und Durchführung der Fishbowl-Diskussionen (bzw- Diskussionsrunden)
incl. Einladung, Raumorganisation, Einführung, Rollenklärung, Art der Dokumentation...
•
Protokollierung der Redebeiträge, Ergebnisse etc.
Präsentation der Ergebnisse
ggf. Auswertung und Rückmeldung der
Ergebnisse
Durchführung
Auswertung/
Berichterstattung
•
•
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Planung/Auftragsklärung
Die Planung/Auftragsklärung orientiert sich sowohl am Untersuchungsziel der Evaluation als auch an den (Eigen-)Interessen und
Nutzenerwartungen der Beteiligten/Stakeholder.
Es ist Teil der Auftragsklärung, die Eigeninteresse der TN zu klären
und passende Erhebungsform auszuwählen bzw. Eigeninteressen
bei der inhaltliche Ausrichtung zu berücksichtigen
⇒ Auswahl von Focusgruppen-, Fishbowl-Methode oder
Mediation als geeignetes Erhebungs- und Diskussionsformat
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Planung/Auftragsklärung
Beispiel:
Untersuchungsziel/Evaluationsinteresse
(Teil-)Befragung der mit den Sozialagenturen an den Modellstandorten kooperierenden Freien Träger zu einem späten Zeitpunkt in der Modellphase. Die Evaluatoren sind auf die Daten und damit auf die Kooperationsbereitschaft der Freien
Träger angewiesen.
Situation und (Eigen-)Interessen der beteiligten Freien Träger
Durch die Praxis der zentralisierten und vordringlich an Preisen orientierten Vergabe
von Aufträgen sind die Freien Träger unter Druck geraten. Zudem haben sie gegenüber den Sozialagenturen auf kommunaler Ebene an politischem Einfluß verloren.
Die Freien Träger haben ein Interesse daran, dass sich ihre Position nicht noch
weiter verschlechtert.
Erhebungsstrategie
Einbeziehung der Erfahrungen und der Expertise der Freien Träger als ergänzende
Perspektive/ Sichtweise auf die Entwicklung und den aktuellen Stand des Modellprojekts Sozialagenturen zum Zeitpunkt der Erhebung. Den Freien Trägern soll die
Möglichkeit zur konstruktiven Kritik gegeben werden.
⇒ Fishbowl-Methode als geeignetes Erhebungs- und Diskussionsformat
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Teilnehmergewinnung &
Themenauswahl
Bestimmung der Gruppen; Identifizierung der Beteiligten/
Stakeholder; Zielklärung:
• Es werden zwei Gruppen pro Diskussionsveranstaltung festgelegt, die sich jeweils aus Vertretern/Repräsentanten von Freien
Trägern und von Sozialagenturen zusammensetzen
• Um ein maximales Spektrum an Meinungen, Einstellungen und
Interessen zu den Erfahrungen und Perspektiven der Zusammenarbeit zu gewinnen, werden Teilnehmer angesprochen und eingeladen
- die sowohl die Leitungsebene als auch operativen Ebene repräsentieren und
- die sowohl positive, als auch negative Erfahrungen, Einstellungen zu den Kooperationen zwischen Freien Trägern und
Sozialagenturen haben
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Teilnehmergewinnung &
Themenauswahl
Problem:
Im Vorfeld der Teilnehmergewinnung wird deutlich, dass es an
einigen Modellstandorten im Zuge der Umsetzung des Projekts
zwischen Repräsentanten von Freien Trägern und Sozialagenturen
manifeste Konflikte gibt
ÎUm eine offene und kritisch-konstruktive Gesprächsatmosphäre
sicherzustellen,
- werden pro Diskussionsveranstaltung die einzelnen Gruppen
in sich aus Repräsentanten unterschiedlicher Standorte und
Meinungen zusammengesetzt
- wird für jede Diskussionsveranstaltung sichergestellt, das
zwischen den Gruppen der Freien Träger und der Sozialagenturen Repräsentanten aus jeweils verschiedenen Standorten aufeinandertreffen
⇒ “Cross-Over-Verfahren”
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Durchführung I
• Entsprechend den Vorgaben des “Cross-Over-Verfahrens” und wegen
des großen Interesses der Vertreter der Freien Träger an den Ergebnissen dieser Erhebung und der Möglichkeit zu einem Meinungsaustausch werden insgesamt 4 Fishbowl-Diskussionsveranstaltungen
durchgeführt.
• Aufgrund logistischer und terminlicher Schwierigkeiten variiert die Anzahl der Teilnehmer pro Diskussionsveranstaltung zwischen 4 und 12
Personen und variiert die Größe der Gruppen zwischen 1 und 7 Personen (unbeabsichtigte Variation).
• Jede Diskussionsveranstaltung läuft nach dem gleichen Arrangement in
drei Durchgängen ab.
• In jeder Diskussionsveranstaltung diskutieren die Teilnehmer zu den
gleichen Fragen. (Ablaufschema - Folie)
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Beispiel Leitfragen aus den Diskussionen
Aufbau: Einleitung: Anlaß und Inhalt der Diskussion
Rahmenbedingungen
1. Allgemeine Fragestellung (nicht direkt Zusammenarbeit betreffend), offen
2. Thematisierung/Konkretisierung des Problems
3. Anregungen zur Verbesserung, für die Zukunft
•
Pro Durchgang gibt es eine Leitfrage/Thema, möglichst offen und
umfassend, an Beispielen aus der eigenen Arbeit festgemacht,
•
Bitte an die Diskutierenden, Gehörtes wieder zu geben (dadurch
Nachvollziehen der Perspektive der anderen), stärkt Bezugnahme,
wird von Zuhörerkreis in der zweiten Runde kommentiert,
abgeglichen mit eigenen Erfahrungen
•
In der dritten Runde wird direkter Austausch möglich
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Durchführung II
Arrangement:
• Es gibt zwei Stuhlkreise:
- einen inneren Gesprächskreis (das „Fischglas“)
− einen äußeren Zuhörerkreis.
Regeln
• zum Gesprächsinhalt
• zum Gesprächsverlauf
• Zusatzregeln
Rolle des Moderators und des Protokollanten
• Moderator achtet nur auf die Einhaltung der Regeln und gibt
Zeichen zum Wechsel für die nächste Runde
• Protokollant dokumentiert die wichtigsten Ergebnisse und ggf.
auch die Abfolge der Redebeiträge
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Grundsätzliches Arrangement
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Durchführung II
Arrangement:
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Durchführung III
Vorgehen:
Ein Fish-Bowl-Verfahren besteht aus drei Durchgängen. Jeder Durchgang besteht aus drei
kurzen Diskussionsrunden á 10-15 Minuten. Jeder Durchgang dauert ca. 30-40 Minuten und
die gesamte Fish-Bowl-Diskussion mit Pausen ca. 2 bis 2,5 Stunden.
Ablauf:
In der ersten Runde diskutieren im inneren Kreis die Vertreter der Freien Träger über ein Thema,
während die Vertreter der Sozialagenturen im äußeren Kreis zuhören.
Für die zweite Runde tauschen Innenkreis und Aussenkreis die Plätze. Es diskutieren dann die
Vertreter der Sozialagenturen im inneren Kreis über das gleiche Thema. Dabei können sie sich
auch auf die Beiträge aus dem ersten Durchgang beziehen. Die Vertreter der Freien Träger
hören im äußeren Kreis zu.
Die dritte Runde wird dadurch eingeleitet, dass der Moderator als Zeit- und Regelwächter einen
zusätzlichen Stuhl in den Innenkreis stelle, in dem die Vertreter der Soziagenturen diskutieren.
Die Personen aus dem Außenkreis sind damit eingeladen, sich an der an der Diskussion im
inneren Kreis zu beteiligen. Sobald sich jemand von Außen auf den freien Stuhl setzt, macht ein
Teilnehmer des Innenkreises seinen Stuhl frei. Er begibt sich in den Außenkreis und hört zu.
WICHTIG: Es muss immer ein Stuhl frei sein, sonst wird die Diskussion angehalten.
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Durchführung IV
Fragen:
Durchgang 1:
• Wo liegen aus Sicht der freien Träger die Risiken und wo liegen die besonderen
Chancen bzw. Stärken in Bezug auf das Konzept der Sozialagenturen? Bitte
schildern Sie sich im inneren Kreis gegenseitig an Beispielen aus Ihrer Arbeit
Ihre Situation und Ihre Erfahrung.
⇒ Frage nach dem Prinzip und den Grundsätzen des Modellprojekts
Durchgang 2:
• Wo liegen aus Sicht der freien Träger die Risiken und wo liegen die besonderen
Chancen bzw. Stärken in Bezug auf das Konzept der Sozialagenturen? Bitte
schildern Sie sich im inneren Kreis gegenseitig an Beispielen aus Ihrer Arbeit
Ihre Situation und Ihre Erfahrung.
⇒ Frage nach der konkreten Umsetzung dieser Prinzipien und Grundsätze
Durchgang 3:
• Welche Anregungen haben Sie auf dem Hintergrund Ihrer Interessenlage an die
Vertreter/-innen der Sozialagenturen, wenn es um die Umsetzung des neuen
ALG II und die neue Sozialhilfe geht?
⇒ Frage nach künftigen Perspektiven der Kooperation
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Auswertung/Berichterstattung
Protokollierung der
Ergebnisse
Präsentation der Ergebnisse
• Beiträge
• Abfolge der Redebeiträge
(unterschieden nach
Durchgang und Runde)
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Und jetzt ...
• Themenfindung für Kompakttag (Nutzenerwartung der
TN)
• Vorschläge an Tafel festhalten
• Priorisierung vornehmen
• evtl. Gruppen aufteilen
• Festlegung Moderatorenteam, Protokollantenteam
(Incentive incl.)
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