Die kleine Freiheit

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Die kleine Freiheit
Ausgabe 02 | 2013 | siemens.com/mobility
ITS magazine
Fachmagazin für Straßenverkehrstechnik
Die kleine Freiheit
Innovativ
einfach
Über die Gestaltung von Mobilität auf Inseln
Effizienzgewinn für die
Telematik in Kommunen
„Die verkehrlichen
Konzepte von Inseln –
ein Testfeld für Mobilitätsstrategien der Zukunft?“
Editorial | ITS magazine 2/2013
Liebe Leserin, lieber Leser,
sie liefern den Stoff, aus dem die
Träume sind – und manchmal auch
Alpträume: Touristen suchen auf
Inseln meist das Urlaubsparadies,
wer unfreiwillig hier strandet, der
erlebt die geografische Isolation
indessen eher als Beschränkung.
Um diese ambivalente Faszination
geht es freilich nur am Rande im
Themen­fokus dieser Ausgabe des
ITS magazine – viel mehr interessierte
sich die Redaktion für einen ganz
anderen, fachspezifischen Aspekt:
Inwieweit unterscheidet sich die
­Mobilität auf Inseln eigentlich von
der auf dem Festland?
Immerhin leben heute rund zehn
Prozent der Weltbevölkerung in Regionen, die rundum von Wasser umgeben
sind. Und milliardenschwere visionäre
Projekte wie der Japan-Korea-Tunnel
und die Brücke von Messina lassen
erahnen, wie viel die Verantwortlichen
darum geben würden, wenn dem
nicht so wäre. Die Fragen, die sich
zu den verkehrlichen Besonderheiten
dieser Gebiete stellen, sind also durchaus einer näheren Betrachtung wert:
Welche besonderen verkehrlichen
Anforderungen ergeben sich in diesem
Zusammenhang? Und: Was kann man
von Insellösungen möglicherweise
­lernen für die Gestaltung von Mobilität
in anderen Bereichen?
Wichtige Antworten darauf gab zum
Beispiel unser Interviewpartner Professor Dr. Tony May, der langjährige Präsident der World Conference on Transport Research. Nach seiner Auffassung
birgt das Enklavendasein von Inseln
nämlich nicht nur Herausforderungen
im Hinblick auf die optimale Verkehrsanbindung, sondern auch Freiräume
bei der individuellen Gestaltung von
Mobilität – im Bereich der Infrastruktur
genauso wie etwa beim Verkehrs­
management oder beim Umgang mit
Straßennutzungsgebühren.
Insofern kann man die verkehrlichen Konzepte von Inselregionen also
vielleicht sogar bis zu einem gewissen
Grad als Testfeld für Mobilitätsstrate-
gien der Zukunft sehen. Umso mehr,
wenn man die Definition des Begriffs
etwas weiter fasst und auch Gebiete
einbezieht, die nicht von Wasser,
­sondern beispielsweise von Häuser­
meeren oder von unberührter Natur
umgeben sind. Auf den folgenden
­Seiten lernen Sie deshalb zum Beispiel
auch einige Inseln mit höchst unterschiedlichen verkehrlichen Konzepten
kennen: Auf manchen von ihnen ist
das Autofahren grundsätzlich verboten
– auf anderen ziemlich unmöglich. Ich
wünsche Ihnen wie immer viel Spaß
beim Lesen.
Herzlichst Ihr
Hauke Jürgensen
3
ITS magazine 3/2012 | Im Fokus
Inhalt
06
Im Fokus
06 13 14
4
„Je kleiner die Insel – desto größer der Spielraum“
Professor Dr. Tony May, von 2007 bis 2013 Präsident der World Conference on Transport Research,
über die Problematik physischer Barrieren, die ­
Gestaltungsfreiheit der Verantwortlichen und
andere Besonderheiten der Mobilität auf Inseln
Die Unnahbare
Mit dem Auto kann man die peruanische Regenwaldmetropole Iquitos nicht erreichen: Die
nächste Straße mit Anschluss ans nationale Netz
liegt zweieinhalb Tage Flussfahrt entfernt. Im
Stadtverkehr geht es trotzdem recht lebendig zu
Ohne Auto mobil?
Wir stellen Ihnen acht „Inseln“ vor, die sich so vielfältig präsentieren wie ihre Mobilitätskonzepte. In
einigen Fällen ist Autofahren nur eingeschränkt
erlaubt, in anderen komplett verboten oder so gut
wie unmöglich
14
Trends & Events
20
Flott durch Slot
Ein innovatives Baustellenmanagement-System hat
die Zahl der Staustunden in Hessen deutlich reduziert
22Eventnews
Kurzberichte von internationalen Veranstaltungen
rund um die Mobilität
Partner & Projekte
23Shortcuts
Aktuelle Projekte im Bereich Straßenverkehrstechnik
24
Innovativ einfach – einfach innovativ
Effizienzgewinn für die Telematik in Kommunen
25
Es werde Licht
Dynamische Beleuchtungssteuerung in Düsseldorf
Im Fokus | ITS magazine 3/2012
Insellösungen
Das Enklavendasein stellt die
Architekten insularer Mobilität
vor spezielle Herausforderungen,
aber es eröffnet auch eine ganze
Reihe von Chancen
28
Wissen & Forschung
26
Fit for Fahren
Neue Argumente für die Diskussion um die nachlassende Leistungsfähigkeit der Generation 70+
im Straßenverkehr: Nach einer Studie des Psychologen Dr. Sebastian Poschadel lässt sich die Fahrkompetenz von Senioren mit gezieltem Training
nachhaltig steigern
Mobilität & Lebensraum
28
Ritt am Limit
Die britische Isle of Man ist berühmt für ihre
Speed-Spektakel – und berüchtigt wegen des
Risikos, das die Fahrer dabei eingehen. Der
deutsche Schräglagen-Veteran Helmut Dähne
startete 26 Mal bei der Tourist Trophy. Für das
ITS magazine erklärt er warum
30
Profil
30
„Die Straße ist die Nummer eins“
Keith Manston, Leiter des Product Managements
Traffic Solutions bei Siemens Mobility in Poole, über
die Verkehrsanbindung der britischen Inseln, den
begrenzten Einfluss des Kanaltunnels auf den Modalsplit und seine ganz persönliche Liebe zum Wasser
Rubriken
27
Im Seitenspiegel
Nachdenkliches und Quergedachtes zur Mobilität
auf Inseln: „Reif für die Insel?“
32Impressum
5
ITS magazine 2/2013 | Im Fokus
„ Je kleiner die Insel
Malediven-Hauptstadt Malé: „In der Regel kommt jede
Art der Konzentration der Verkehrseffizienz entgegen“
6
Spiel
Im Fokus | ITS magazine 2/2013
– desto größer der
“
raum
Interview Professor Dr. Tony May, Verkehrswissenschaftler an der Universität Leeds und von 2007 bis
2013 Präsident der World Conference on Transport
Research, über die Problematik physischer Barrieren,
die Gestaltungsfreiheit der Verantwort­lichen und
andere Besonderheiten der Mobilität auf Inseln.
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ITS magazine 2/2013 | Im Fokus
Herr Professor May, das Enklaven­
dasein der Inseln innerhalb der
Europäischen Union steht in Brüssel
immer wieder auf der politischen
Tagesordnung. Wie bewerten Sie
die Gefahr, dass die Nachteile im
Bereich der verkehrlichen Anbindung zu anhaltenden Entwicklungsrückständen führen?
Schauen wir uns doch zunächst einmal an, welche Definition die EU bei
den Diskussionen zu Grunde legt. Laut
­Eurostat ist eine Insel ein rundum von
Wasser umgebenes Stück Land, nicht
durch eine feststehende Konstruktion
mit dem Festland verbunden, mehr
als einen Kilometer vom Festland entfernt, von mindestens 50 Personen
ständig bewohnt und nicht der Ort,
an dem sich die Hauptstadt eines Mitgliedstaates befindet. Nach diesen Kriterien fällt also nicht einmal Malta in
diese Kategorie. Für die europäischen
Inseln, die dann noch übrig bleiben,
gilt deshalb durchaus, was in der Ökonomie grundsätzlich gilt: dass physi­
kalische Barrieren die wirtschaftliche
Entwicklung ­limitieren, weil sie die
Interaktion mit den Märkten erschweren. Allerdings ist es nicht sicher, ob
sich das Problem mit Hilfe zusätzlicher
Verkehrsanbindungen wirklich lösen
lässt. Denn bei diesen neuen Wegen
zwischen einer rückständigen Region
A und einer prosperierenden Region B
zeigt sich das Problem der wirtschaft­
lichen „Zweibahnstraße“. Es besteht
also die Gefahr, dass A noch mehr ausblutet, weil es dort leichter wird, sich
in B produzierte Güter zu beschaffen.
A profitiert also nur dann, wenn es
etwas Einzigartiges zu bieten hat: touristisch attraktive Gebiete, spezielle
Bodenschätze oder besonders gefragte
landwirtschaftliche Produkte. Aber
wenn dies nicht der Fall ist, könnte es
für A besser sein, wenn keine neuen
Verkehrsverbindungen gebaut werden.
Dann bleiben wenigstens der Umwelt
zusätzliche Belastungen erspart.
„Ich würde viel
lieber die Einwohner subventionieren, nicht
den Transport“
8
„Noch schwieriger wird es, wenn
Natur­gewalten ins Spiel kommen“
Die internationale Verkehrswissenschaft fordert seit längerem die
Internalisierung der externen Kosten des Verkehrs – unter anderem
im Hinblick auf Emissionen. Müsste
man hier nicht über eine Sonderregelung für Inselregionen nachdenken, die naturgemäß im besonderen
Maß vom umweltbelastenden Luftverkehr abhängig sind?
Grundsätzlich erzeugt Transport
immer externe Kosten, und wo diese
internalisiert werden, sind sie ohne
jeden Zweifel ein unverzichtbares
Regulativ, um Einfluss auf das Verhalten der Verkehrsteilnehmer auszuüben. Meines Erachtens wäre es deshalb ein falsches Signal, wenn die
Verantwortlichen von der Forderung,
die externen Kosten zu internalisieren, in bestimmten Gebieten wieder
Abstand nähmen. Ich würde es im
Fall der betroffenen Inseln für sinnvoller halten, nicht den Transport an
sich, sondern die Einwohner zu subventionieren – und es dann ihnen zu
überlassen, wofür sie das zusätzliche
Einkommen ausgeben.
Auf einigen kleineren Inseln ist der
Autoverkehr komplett verboten.
Dient das nur der Erhöhung der
touristischen Attraktivität – oder
sind damit tatsächlich auch ökolo­
gische Vorteile verbunden?
Das eine schließt das andere ja nicht
unbedingt aus. Ich denke schon, dass
solche Verbote echte Vorteile bringen
– und zwar nicht nur im Hinblick auf
die Umweltbelastung, sondern zum
Beispiel auch auf die Verkehrssicherheit. Natürlich ergeben sich daraus
auch Werbeargumente für den Fremdenverkehr, aber ebenso bessere
Lebensbedingungen für die Einwohner. Man muss dabei allerdings sehen,
dass die absolut konsequente Umsetzung solcher Konzepte nur in relativ
kleinen Gebieten funktioniert. Denn
wenn die Entfernungen zu groß sind,
um beispielsweise Güter mit Handkarren oder anderen nichtmotorisierten
Verkehrsmitteln zu transportieren, laufen die Kosten schnell aus dem Ruder.
Außerdem wird es für behinderte
Menschen schwierig, Ziele am anderen Ende des Areals zu erreichen. In
diesen Fällen dürfte man also kaum
eine andere Wahl haben, als gewisse
Ausnahmeregelungen zu definieren.
Gilt das auch für autofreie Inseln, die
nicht im Wasser, sondern im Häusermeer liegen wie etwa die Bezirke
in der kolumbianischen Metropole
­Bogotá, die 69 Mal im Jahr für Fußgänger, Radfahrer und Inline-Skater
reserviert sind (siehe Seite 16)?
Ja, im Wesentlichen treffen die zuvor
genannten Kriterien sogar für ganz
normale Fußgängerzonen zu. Genau
deshalb setzt man beispielsweise in
der ziemlich weitläufigen Zona Pedonale in Rom kleine Elektrobusse ein:
für Menschen, die entweder keine Zeit
oder keine Lust oder ganz einfach
nicht die Möglichkeit haben, größere
Entfernungen zu Fuß zurückzulegen.
Verfügen Inselstaaten, die keine
Festlandgrenzen zu anderen Ländern haben, denn grundsätzlich
über mehr Spielraum bei der Gestaltung von Verkehr, weil sie weniger
Rücksicht auf ihre Nachbarn nehmen müssen?
Ich denke schon, zumindest wenn es
nicht um Bereiche geht, die international reglementiert sind wie etwa die
Luftqualität. So ist es für Großbritannien sicherlich leichter, am Linksverkehr festzuhalten, als es etwa für die
Schweden war, die irgendwann dem
Druck ihrer Nachbarländer nachge­
geben und auf Rechtsverkehr umgestellt haben. Weitere Freiheiten sehe
ich beim Verkehrsmanagement und
beim Umgang mit Straßennutzungs­
gebühren. Bei der Festsetzung der
Steuern auf Treibstoffe wird das schon
etwas komplizierter. Zwar fährt wohl
kaum ein britischer Pkw-Besitzer wegen
ein paar Penny oder Cent Unterschied
beim Benzinpreis nach Frankreich. Aber
für Lkw-Fahrer lohnt es sich durchaus,
ihre Tanks auf dem Kontinent mit vergleichsweise güns­tigem Diesel zu füllen und in England ohne Stopp durchzufahren. Genau deshalb denkt unsere
Regierung derzeit verstärkt über die
Im Fokus | ITS magazine 2/2013
Seismologin in Taipeh: „Wenn Erdbeben die Verfügbarkeit der Infrastruktur gefährden, werden Redundanzen umso wichtiger“
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ITS magazine 2/2013 | Im Fokus
Fähre auf La Gomera: „Vor dem Bau
aufwändiger Brücken oder Tunnel sollte
man die Vorteile genau berechnen“
Wissen, das die Welt bewegt
Neben seiner Beratertätigkeit für zahlreiche hochkarätige Institutionen wie die OECD und die Weltbank
war Professor Dr. Tony May sechs Jahre lang Präsident
der World Conference on Transport Research Society
– einem einzigartigen Bindeglied zwischen Verkehrsforschung und Verkehrspolitik mit derzeit rund 1600
Mitgliedern aus über 60 Ländern.
Gegründet wurde die World Conference on Transport Research Society (WCTRS) 1986 als Forum für
den weltweiten Ideenaustausch zwischen Forschern,
politischen Entscheidungsträgern und Pädagogen zu
allen Aspekten des Transportwesens – unter multi­
modalem, interdisziplinärem und branchenübe­r­
greifendem Blickwinkel. Ihre Hauptaufgabe ist die
Orga­nisation der alle drei Jahre stattfindenden World
Conference on Transport Research. Mehr Fachwissen
10
in Theorie und Praxis ist nirgendwo auf der Erde versammelt, wenn über Mobilität diskutiert wird: Im Juli
2013 fand in Rio de Janeiro die 13. Auflage des Weltgipfeltreffens statt.
Die WCTRS hat 15 Arbeitsgruppen zu verschiedenen
Themen – von Luftverkehr, Seetransport und Schienenverkehr bis zu Sicherheit, Gefahrenabwehr oder
Umweltfragen. Jede Arbeitsgruppe organisiert eine
­entsprechende Veranstaltungsreihe auf jeder Konferenz
und hält in der Zeit dazwischen meist noch Workshops
und Seminare ab. Ein besonderer Arbeitsschwerpunkt
der Gesellschaft ist die Überführung wissenschaftlicher
Erkenntnisse in die Politik. Unter anderem leistet die
WCTRS regelmäßig einen großen Beitrag zum jährlichen
Internationalen Transport-Forum in Leipzig.
Die Mitgliedschaft ist normalerweise für jeweils drei
Jahre von Konferenz zu Konferenz angelegt und steht
allen an Transportfragen Interessierten offen. Nähere
Informationen bietet die Website www.wctrs.org.
Im Fokus | ITS magazine 2/2013
Selbst auf größeren Inseln wie etwa
den japanischen konzentriert sich
das Leben schon allein aus topographischen Gründen oft auf relativ
schmale Küstenregionen. Was bedeutet das für die jeweiligen verkehrlichen Konzeptionen?
Im Regelfall macht es eigentlich jede
Art der Konzentration einfacher, eine
zufriedenstellende Kosteneffizienz der
Infrastruktur zu erzielen. Vor allem
auch die Kapazitäten der öffentlichen
Transportsysteme lassen sich leichter
an hohe als an niedrigere Verkehrsdichten anpassen. Bei Inseln, deren
Topographie es erschwert, Ausweichstrecken zu den Hauptverbindungen zu
bauen, sieht die Sache jedoch etwas
anders aus. Insbesondere, wenn die
Verfügbarkeit dieser Hauptverbindungen auch noch durch Naturgewalten
beeinträchtigt wird. So wie in Taiwan,
wo man immer wieder mit den Folgen
von Erdbeben oder Taifuns zu kämpfen
hat. Dort unternimmt man erheb­liche
Anstrengungen, um trotz schwieriger
Geländevoraussetzungen entsprechende Alternativen im Netz zu schaffen, die oft auch als Redundanzen
bezeichnet werden.
Einführung einer Lkw-Maut nach deutschem Vorbild nach. Am größten sind
die Freiheiten für die Verkehrsverantwortlichen aber auf kleineren Inseln,
die der vorhin zitierten Eurostat-Definition entsprechen. Hier ergeben sich
Spielräume nicht zuletzt bei der Gestaltung der Infrastruktur, vor allem dann,
wenn sie hauptsächlich von Einhei­
mischen genutzt wird: Ich kann zum
­Beispiel Straßen bauen, die nicht dem
allgemeinen Standard entsprechen.
Ich kann die Anzahl von Ampeln oder
Verkehrszeichen reduzieren – im Extremfall auf Null. Ich kann den motorisierten Verkehr zugunsten der Umwelt
einschränken oder sogar ganz verbieten. Generell könnte man in diesem
Zusammenhang vielleicht die Formel
aufstellen: Je kleiner die Insel – desto
größer der Spielraum.
In den letzten Monaten tauchten
visionäre Multi-Milliarden-DollarProjekte wie der weit über 100 Kilometer lange Japan-Korea-Tunnel
oder der Sachalin-Hokkaido-Tunnel
wieder häufiger in den Schlagzeilen
auf. Lassen sich solche Pläne allein
mit dem Streben nach erhöhter
Wettbewerbsfähigkeit begründen –
oder geht es hier auch um Prestige?
Nach meiner Einschätzung steht dabei
tatsächlich meist nationales oder auch
regionales Prestigedenken im Vordergrund. Aber zusätzlich sehe ich da
noch etwas anderes, spätestens seit
ich vor kurzem auf Shikoku war, der
japanischen Insel südlich von Honshu.
Dort hat man mir voller Begeisterung
die neue Hängebrücke gezeigt. Ich war
überrascht, wie wenig Verkehr über
die Brücke ging, insbesondere als ich
erfuhr, dass seitdem noch zwei weitere gebaut worden waren. Doch jedes
dieser drei Bauwerke ist in irgendeiner
Kategorie das größte, längste oder
modernste der Welt. In diesem Fall
spielte also nicht zuletzt die Demons­
tration technologischer Kompetenz
eine Rolle. Und diese Strategie funktioniert ja gar nicht so schlecht, wie man
am Erfolg japanischer Brückenbauer
rund um den Globus ablesen kann.
Grundsätzlich aber besteht meines
Erachtens schon die Gefahr, dass sich
die Verantwortlichen von der Strahlkraft solcher Projekte so beeindrucken
lassen, dass sie nicht mehr genau
nachrechnen, ob die Realisierung wirtschaftlich wirklich Sinn macht.
In welche dieser Schubladen würden
Sie die Brücke von Messina zwischen
dem italienischen Festland und
Sizilien einordnen?
Mir liegen zwar keine offiziellen Zahlen vor: Aber ich kann mir nur schwer
vorstellen, dass die tatsächliche Nachfrage und das zu erzielende Einsparpotenzial gegenüber dem Transport auf
Fähren die Investition rechtfertigt. Und
die Tatsache, dass der Start des Projekts immer wieder verschoben wurde,
erhärtet meinen Verdacht.
„Eine intelligente
strategische
Vision im Sinn
von ‚Sustainable
Mobility‘“
Gibt es denn allgemeine Kriterien
für die Entscheidung, in welchen
Fällen Fährverbindungen ausreichend sind – und wann sich aufwändige Bauwerke wie Brücken, Tunnel
oder Fahrdämme rechnen?
Ja, ich glaube, die gibt es durchaus.
Im Grunde geht es erst einmal um die
Frage: Welchen maximalen Nutzen
bringt mir die fixe Verbindung? Dazu
gehört natürlich die Betrachtung
sämtlicher Vorteile: der ganz konkreten wie die Verkürzung von Reisezeiten – aber auch der gefühlten wie die
Erhöhung des Reisekomforts. Deren
wirtschaftliche Bewertung mag mitunter etwas schwerer fallen, aber sie
ist machbar. Anschließend drehe ich
das Ganze einfach um und frage
mich, ob es möglich ist, ein Bauwerk
zu entwerfen, bei dem die Kosten
geringer sind als dieser Nutzen. Lautet die Antwort „Nein“, sollte ich den
Plan ganz schnell zu den Akten legen.
11
Zur Person
Professor Dr. Tony May amtierte
von 2007 bis 2013 als Präsident
der World Conference on Transport Research Society (siehe Kasten Seite 10). Von 1977 bis 2009
war er als Professor an der Universität Leeds tätig, unter anderem
als Leiter des „Institute for Transport Studies“, als Dekan der Fakultät Ingenieurwesen und als Pro
Vice Chancellor for Research.
Seine Forschungsschwerpunkte in
dieser Zeit lagen auf Städtischem
Transport und Nachhaltigkeit.
1995 wurde er als Fellow in die
Royal Academy of Engineering
aufgenommen und 2004 für seine
Verdienste um das Transport­
ingenieurwesen zum Officer des
Order of the British Empire (OBE)
ernannt. Auch nach seiner Emeritierung ist Professor May weiterhin
in Forschung, Beratung und berufliche Weiterbildung involviert. Als
Berater war er bisher tätig für die
OECD, das Internationale Transport-Forum, die Weltbank, das US
Transportation Research Board, die
Singapore Land Transport Authority, das New Zealand Ministry of
Transport und die Thailand Commission for the Management of
Land Transport.
Leider wird diese simple, pragmatische Methode nach meiner Beobachtung viel zu selten angewendet.
Als Exempel für den Nutzen aufwändiger fixer Verkehrsanbindungen
könnte man ja vielleicht Großbritannien nehmen. Lassen sich seit Eröffnung des Eurotunnels konkrete Veränderungen feststellen?
Nicht im Hinblick auf die gesamte
Insel, aber das hängt natürlich in ers-
12
ter Linie mit den Relationen zusammen. Großbritannien hat rund 60
Millionen Einwohner, die mit fast
30 Millionen Autos auf mehreren
100.000 Kilometer Straßen fahren.
Verglichen damit macht der Verkehr
durch den Eurotunnel nur einen winzigen Bruchteil aus. Wenn wir allerdings den Fokus nur auf die Passagen
durch den Ärmelkanal richten, dann
lassen sich durchaus interessante
Effekte erkennen, vor allem in Form
reduzierter Transportzeiten und -kosten. Der wichtigste Grund dafür ist
der verschärfte Wettbewerb sämtlicher Verkehrsträger – übrigens nicht
nur der Straße und der Schiene, sondern letztlich auch der Wasserwege,
denn angesichts der neuen Konkurrenz sind auch die Fähren effizienter
geworden. Der Kontinent, sagen wir
Engländer, ist jetzt nicht mehr so
abgelegen wie zuvor.
Für die intelligente Vernetzung von
Verkehrssystemen gibt es in Großbritannien ein weiteres prominentes
Beispiel: London gilt seit vielen
Jahren als Modell für „Sustainable
Mobility“. Liegt das nur daran, dass
sich die historisch gewachsene Infra­
struktur der Stadt nur schwer ver­
ändern lässt – oder hat man die Zeichen der Zeit hier einfach früher
erkannt als anderswo?
Die Verkehrsprobleme in London Ende
des letzten Jahrtausends hatten nach
meinem Dafürhalten weniger mit
der historisch gewachsenen Infrastruktur zu tun, als vielmehr mit einigen
unglücklichen politischen Entscheidungen Mitte der 80er-Jahre. Damit
meine ich vor allem die Verteilung der
Verantwortung für den Verkehr in der
Hauptstadt auf insgesamt 33 lokale
Behörden, die sich untereinander
kaum abgestimmt haben. Zu Beginn
des neuen Jahrtausends wurden die
Zuständigkeiten neu geregelt und eine
neue strategische Instanz für GesamtLondon eingeführt, die vom jeweils
amtierenden Bürgermeister gelenkt
wird. Ken Livingstone hat diese Möglichkeit zusammen mit seinem Team
optimal genutzt, indem er eine
intelligente strategische Vision für
den ­Verkehr in London im Sinn von
„Sustainable Mobility“ entwickelte.
Dann hat sich London also nach­
haltig vom Saulus zum Paulus
­städtischer Mobilität gewandelt?
Ja, und das verdanken wir nicht nur
der weltweit viel beachteten CityMaut, sondern auch vielen weiteren
Maßnahmen: der Einführung der
­verkehrsmittelübergreifend gültigen
Oyster-Card für den Öffentlichen Nahverkehr ebenso wie den größtenteils
durch die Erlöse aus der City-Maut
finanzierten Effizienzsteigerungen des
Bussystems, die zu imposanten Verbesserungen führten: So hat sich die Zahl
der Busnutzungen in London in den
letzten zehn Jahren verdoppelt, während sie in den anderen Teilen des Landes um rund ein Drittel gesunken ist.
Wenn Sie sich drei Dinge für die
Mobilität der Zukunft in London
wünschen dürften – welche
wären das?
Vor allem würde ich es begrüßen, wenn
wir zurückkämen auf die Idee, ein London-weites Maut-System zu installieren. Das müsste natürlich weitaus flexibler sein als das heutige. Wunsch
Nummer zwei betrifft das gesamte
oberirdische Schienennetzwerk der
Stadt, heute als London Overground
bekannt, das besser in das gesamte
öffentliche Nahverkehrsangebot integriert werden müsste. Und drittens hoffe
ich, dass der Faktor Verkehrsanbindung
in den Überlegungen in punkto Bodennutzung künftig noch mehr Gewicht
hat. Da hat sich seit der Jahrtausendwende zwar einiges verbessert, aber
das könnte noch mehr sein. Und während ich rede, fällt mir noch etwas ein:
Erlauben Sie mir, noch einen vierten
Wunsch zu formulieren, der nicht nur
mit London, sondern mit dem ganzen
Land zu tun hat?
Aber gern …
Die Verwaltungsstruktur, die einen
ganzheitlichen Ansatz in unserer
Hauptstadt möglich macht, sollte auch
in allen Provinzstädten Großbritanniens eingeführt werden. Derzeit ist dort
die Verantwortung noch auf diverse
lokale Behörden und die Betreiber der
einzelnen Verkehrsmodi verteilt.
Herr Professor May, wir danken
Ihnen für das Gespräch.
Im Fokus | ITS magazine 2/2013
Die Unnahbare
Regenwaldmetropole Iquitos
Einsam sind sie sicherlich nicht,
die 400.000 Bewohner dieser
Insel der Zivi­lisation mitten
im ­Dschungel – aber fast
völlig isoliert: Mit dem Auto
jedenfalls kann man die
einzig­artige Großstadt
Schon in dem Film, der Iquitos einst
berühmt machte, spielten die schlechten
Verkehrsverbindungen am nördlichen
Amazonas eine Hauptrolle. Sonst wäre
der von Klaus Kinski gespielte „Fitzcarraldo“ ja auch gar nicht auf die Idee
gekommen, einen alten Flussdampfer
bildgewaltig über einen Bergrücken
zu ziehen. Im richtigen Leben ist
Iquitos nicht ganz so schwer zu
erreichen, aber für den inoffiziellen
Titel „Isolierteste Großstadt der Welt“
reicht es allemal.
Wer es sich leisten kann, der
nimmt das Flugzeug. Wer nicht,
der bezahlt mit Zeit. Von Lima
aus gibt es zwei Möglichkeiten:
Entweder 26 Stunden mit dem
Auto nach Yurimaguas und von
dort aus rund 60 Stunden mit
dem Schiff über den HuallagaFluss – oder nur 20 Stunden auf
der Straße bis Pucallpa und dafür
fast 110 Stunden Schifffahrt über
den Ucayali und den Amazonas.
Auf diesen beiden Wegen kommen nicht nur Menschen, sondern auch Güter nach Iquitos.
So wurden beispielsweise auch
Iquitos im perua­nischen
Amazonas­gebiet nicht erreichen. Die nächste Straße mit
Anschluss ans ­nationale Netz
liegt zweieinhalb Tage Flussfahrt entfernt. Im Stadt­
verkehr geht es trotzdem
recht lebendig zu.
die rund 130.000 Fahrzeuge angeliefert, die
heute auf den asphaltierten Hauptstraßen
fahren oder auf den nicht­asphal­tierten
Nebenstraßen im Schlamm versinken.
Nicht einmal zehn Prozent davon sind
Autos oder Lkw, geprägt wird das Bild des
Stadtverkehrs von Motorrädern und dreirädrigen Mototaxis, die alles und jeden kreuz
und quer durch die Regenwaldmetropole
transportieren. Viele Einheimische nutzen
aber auch die städtischen Busse, deren
ungewöhnliches Design übrigens einen
guten Grund hat: Denn serienmäßig ist
hier nur das Chassis, die Karosserien sind
eher Marke Freestyle – sie werden aus
Holz und Metall vor Ort gebaut.
Verkehrsregeln? Ja, selbstverständlich gibt es die in Iquitos, dieselben wie
überall in Peru. Ampeln und Verbotsschilder werden nach offizieller Lesart
auch „normalerweise respektiert“.
Inoffiziell bleibt hier vielleicht ein bisschen mehr Raum für Flexibilität als
anderswo – was nicht die schlechteste Lösung sein muss, wenn man
an die positiven Ergebnisse des EUProjekts „Shared Space“ denkt, das
auf Entregelung zur Erhöhung der
Verkehrssicherheit setzt.
13
ITS magazine 2/2013 | Im Fokus
Ohne Auto
Insellösungen Nicht alle ­liegen tatsächlich im Wasser, manche in
einem Häusermeer oder mitten in der Natur: Die „Inseln“, die wir
Ihnen auf den folgenden Seiten vorstellen möchten, präsentieren sich
so vielfältig wie ihre Mobilitätskonzepte. In einigen F
­ ällen ist Autofahren nur eingeschränkt erlaubt, in anderen komplett verboten oder
so gut wie unmöglich.
Sark
Die britische Kanalinsel Sark liegt zwischen Großbritannien und Frankreich, unweit der größeren Kanalinsel
Guernsey. Die Fähre von Guernsey nach Sark ist die einzige Möglichkeit der Anreise, denn bezüglich des Verkehrs
gibt es sehr strenge Reglementierungen. Es gibt keinen
Flugplatz, und auch das Überfliegen der rund 600 Einwohner zählenden Insel ist untersagt. Auf den Straßen
existiert weder Asphalt noch Beleuchtung. Schon vor dem
Zweiten Weltkrieg wurden Pkw als Transportmittel abgelehnt. Selbst Traktoren sind nur in Ausnahmefällen zur
Personenbeförderung erlaubt, so wird etwa der Krankenwagen von einem Traktor gezogen. Und auch Touristen
dürfen auf bestimmten Strecken in den Traktor
steigen. Ersatzweise werden jedoch überall
auf der Insel Pferdewagen und Fahrräder
eingesetzt. Das alles bedeutet nicht, dass
die Bewohner in der Steinzeit
leben. Alle technischen Errun-
Auf Sark
gibt es kaum
Kriminalität
genschaften gibt es auch auf Sark. Aber das Leben ist hier
weniger hektisch. Es ist stiller als anderswo. Und sehr nah
an der Natur. Natürlich führt dieses Verkehrskonzept zu
einer geringen Luft- und Lichtverschmutzung. Von der
International Dark Sky Association wurde Sark Anfang
2012 aufgrund des klaren und dunklen Nachthimmels zur
ersten „Dark Sky Island“ der Welt erklärt. Sark ist vor allem
ein Vorbild in Sachen Nachhaltigkeit. Ausgezeichnet vom
„Green Tourism Business Scheme“, erhielten alle Hotels
und Restaurants der Insel Bestnoten. Die CO2-Bilanz der
Insel ist eine der niedrigsten in Europa. Und ganz nebenbei hat das Leben auf Sark noch einen großen Vorteil: Es
gibt kaum Kriminalität. Ein Steinhäuschen ist das örtliche
Gefängnis, das kleinste der Welt.
Andrea Hetzel, Pressesprecherin des Britischen
Fremdenverkehrs­amts VisitBritain
Im Fokus | ITS magazine 2/2013
mobil?
Mackinac
Island
Das Trappeln
der Pferdehufe ist
auf Mackinac Island
allgegenwärtig
Rund um Mackinac Island führt der Highway 185 –
der einzige Highway Michigans, auf dem nie Autos
fahren. Stattdessen verkehren auf der rund 9,6 Kilometer langen Straße Touristen auf Pferden oder in
Kutschen sowie Radler und Spaziergänger, die die
Aussicht auf den Lake Huron genießen. Und das,
obwohl Mackinac Island zum selben Bundesstaat
gehört wie Detroit, die Autohauptstadt Amerikas. Es
heißt, dass im Jahre 1898 ein Automobil die Hauptstraße der Siedlung auf Mackinac Island entlang
knatterte. Der Lärm dieses neumodischen Fortbewegungsmittels erschreckte die Pferde und verärgerte
die Kutscher, die um ihre Sicherheit fürchteten. Auf
deren in glühenden Worten vorgebrachten Antrag
hin erließ der Gemeinderat ein Verbot für Automobile
auf den Straßen des Ortes. Zwei Jahre später wurden
Motorfahrzeuge auch aus dem State Park verbannt,
der 83 Prozent der Insel ausmacht. Unmittelbar zuvor
hatte dort der Sommerfrischler Earl C. Anthony mit
seinem Lokomobil mehrere Pferde verletzt und einige
Kutschen demoliert. Trotz gerichtlicher Auseinandersetzungen hat das Autoverbot die Jahrzehnte überdauert und der Insel damit ihren besonderen Charakter gesichert – mit abgasfreier Luft und einer
Atmosphäre, die den Besucher um über 100 Jahre
zurückversetzt ins viktorianische Zeitalter. Bei der
Ankunft mit der Fähre wird man nicht von Motorenlärm oder Hupkonzerten begrüßt, sondern vom allgegenwärtigen Trappeln der Pferdehufe. Wie beliebt
diese einzigartige Zeitreise bei Touristen ist, zeigt ein
Blick in die Statistik: Insgesamt genießen jedes Jahr
fast 900.000 Besucher den Charme der autofreien
Insel nahe der Autohauptstadt Amerikas.
Tim Hygh, Geschäftsführer des
Mackinac Island Convention
& Visitors Bureau
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ITS magazine 2/2013 | Im Fokus
Die Calli, Campi und Campielli
erreicht man nur zu Fuß
Bogotá
Schon seit 1976 werden an jedem Sonn- und Feiertag in 18 von 20 Stadtteilen Bogotás große Bereiche
für den motorisierten Verkehr gesperrt. Dann gehör­en
die Stadt und ihre Straßen den Fahrrädern, InlineSkates und Füßen: Willkommen zur so genannten
„Ciclovía“, die seit den 1980er Jahren sogar gesetzlich verankert ist und wöchentlich geschätzte zwei
Millionen Teilnehmer mobilisiert. Anfänglich als
Erholungsraum gedacht, entwickelte sich die Idee
zu einem Treffpunkt für die ganze Familie aus allen
Bevölkerungsschichten der Stadt. Neben den Läufern, Radfahrern und Inlineskatern bevölkern Aerobic-Fans und Yogis die Plätze und Wege und nehmen an den angebotenen Kursen teil, andere
relaxen einfach und genießen die etwas
andere Geräuschkulisse. Aktuell umfasst die
insgesamt 69 Mal im Jahr gesperrte Strecke
107,78 Kilometer, künftig sollen weitere
Wege hinzuzukommen – insbesondere im
Süden der Metropole. Die Regierung unterstützt
sehr bewusst diese abgas- und motorenlärmfreie Insel, besonders seit sich in einer Studie der
Los Andes Universität 2011 zeigte, dass jeder in
die Ciclovía investierte Dollar dem Gesundheitssystem drei Dollar Ausgaben erspart.
16
Maria-Claudia
Lacouture,
Präsidentin
Proexport
Colombia
Sonn- und
Feiertage
gehören den
Fahrradfahrern,
Inlineskatern
und Fußgängern
Im Fokus | ITS magazine 2/2013
Venedig
Das ungewöhn­liche und einzigartige Mobi­li­tätssystem in
der Stadt Venedig ist schnell erklärt: Krafträder, Pkw und
Busse können vom Festland aus nur bis zu den Terminals
am Piazzale Roma oder auf der Insel Tronchetto fahren,
deshalb bleiben als Bewegungsmöglichkeiten nur noch
der Weg zu Fuß, die Nutzung der öffentlichen Beförderungsmittel oder die Wassertaxis. Die öffentlichen Verkehrsmittel werden grob in drei Kategorien eingeteilt: Da
sind zum einen die Vaporetti, die die großen Kanäle der
historischen Stadt durchfahren, also hauptsächlich den
Canal Grande und den Canal della Giudecca. Zum anderen verkehren kleinere Motorboote auf den Kanälen,
deren Brücken niedriger sind als die des Canal Grande.
Und außerdem stehen noch so genannte Batelli foranei
zur Verfügung, größere außerstädtische Boote mit höheren Transportkapazitäten, die Venedig mit den Hauptinseln der Lagune verbinden. Zusätzlich übernehmen auch
die traditionellen Gondeln, die es hauptsächlich entlang
der touristischen Routen in hunderten verschiedenen
Varianten gibt, immer noch eine gewisse, wenn auch
eingeschränkte, Transportfunktion. Venezianer nutzen
Helgoland
Bereits auf Grund der exponierten Lage der einzigen
deutschen Hochseeinsel ist auch das Verkehrskonzept
der rund 1500 Einwohner zählenden Insel ein besonderes: Die Anreise erfolgt von verschiedenen Festlandsorten mit Seebäderschiffen oder einem High-Speed-Katamaran, zudem besteht von diversen Orten auf dem
Festland eine tägliche Flugverbindung mit mehreren
Umläufen. Die jährliche Besucherzahl liegt bei rund
320.000 Gästen. Auf der vorgelagerten Badedüne gibt es
außer wenigen betrieblich geführten Elektrokarren und
ein paar ­dieselbetriebenen Fahrzeugen unter anderem für
Strandarbeiten keine weiteren Verkehre. Für Fahrräder
wurden einige wenige Ausnahmegenehmigungen ausgestellt. Von der Hauptinsel sind nur rund 30 Prozent
bebaut – allein deshalb müssen für alle Beteiligten Spielregeln wie etwa Geschwindigkeitsbegrenzungen definiert und eingehalten werden. Zudem ist Helgoland als
„Nordseeheilbad“ hochprädikatisiert und vor allem die
herausragende Luftqualität ist ein wichtiges, touristisches Alleinstellungsmerkmal. § 50 der Straßenverkehrsordnung setzt die Norm: „Auf der Insel Helgoland sind
der Verkehr mit Kraftfahrzeugen und das Radfahren verboten.“ Ausschlaggebend für diese einmalige Sonder­
regelung war die Überlegung, eine verkehrszeichenfreie
Zone zu schaffen und durch eine restriktive Ausnahmere-
Ugo Bergamo, stellvertretender Bürgermeister für Mobilität
und Transport
sie hauptsächlich als Traghetto, also als Gondelfähre,
um schnell von einer Seite des Canal Grande zur anderen zu kommen, ohne dabei den Fußweg über eine der
vier großen Brücken nehmen zu müssen. Überall gelangt
man mit diesen Verkehrsmitteln freilich nicht hin. Die
Calli, Campi und Campielli – zu Deutsch: Gassen, größere und kleinere Plätze – erreicht man nur zu Fuß,
nachdem man an der nächstgelegenen Anlegestelle aus
einem öffentlichen Verkehrsmittel ausgestiegen ist.
Jährlich
kommen
320.000
Gäste
Klaus Furtmeier, Tourismusdirektor
des Nordseeheilbads Helgoland
gelung nur wenige geräuscharme und abgasfreie Fahrzeuge auf der Insel verkehren zu lassen. Insgesamt sind
auf Helgoland rund 94 Elektrokarren und -autos zur Auslieferung von Waren und verschiedenen Dienstleistungen zugelassen. Außerdem gibt es einige Gabelstapler,
Baufahrzeuge sowie Rettungs- und Feuerwehrfahrzeuge.
Alle Fahrzeuge müssen sich an die Geschwindigkeits­
begrenzung von maximal 10 km/h halten.
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ITS magazine 2/2013 | Im Fokus
Auf der Insel
gibt es fünf oder
sechs Autos und
über 3000 Esel
Lamu
Lamu ist eine kleine
Insel im Norden von Kenia. In
Lamu-Stadt leben etwa 18.000 Ein­
wohner, auf der ganzen Insel etwa 25.000.
Autofahren ist hier zwar nicht verboten, aber
ziemlich unmöglich: Der einzige Weg, den man
mit etwas Fantasie als Straße bezeichnen könnte,
verläuft direkt am Meer. Ansonsten sind die Gassen viel
zu schmal, sogar die so genannte Main Street misst an
manchen Stellen gerade mal zwei Meter. Dass Lamu keine
Stadt für Fahrzeuge ist, sieht man eigentlich auf den ersten Blick – nicht zuletzt, wenn man die Leute von Kenya
Power dabei beobachtet, wie sie sich durch die engen
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Gassen quälen. Deshalb gibt es auf der Insel auch nur
fünf oder sechs Autos, einige Traktoren, ein großes TukTuk für das Krankenhaus, dazu einige Motorräder und
Fahrräder – vor allem aber Esel, jede Menge Esel. Offiziell
sollen es 3000 sein, in Wahrheit sind es vermutlich sogar
deutlich mehr. Auf jeden Fall sind sie – neben Handkarren
– das wichtigste Transportmittel in der Stadt. Vor drei Jahren haben sich einige Leute Motorräder zugelegt, wohl
hauptsächlich als Statussymbole; zumindest drängte sich
der Eindruck auf, wenn man sie stolz winkend herumfahren sah. Danach hat der Bürgermeister die Leute gebeten,
auf Motorräder zu verzichten, und die Anzahl ist wieder
weniger geworden. Verkehrsstaus gibt es auf Lamus Straßen übrigens trotzdem: wenn Handkarren die Main Street
verstopfen oder Esel entladen werden.
Arnold Starosczyk, Inhaber
des Gästehauses JamboHouse
Im Fokus | ITS magazine 2/2013
Saas-Fee
Am Ende des 19. Jahrhunderts zählt man in Saas-Fee, einem Dorf in den südlichen Walliser Alpen der Schweiz, 280 Einwohner. Im Sommer sind mehrere
Hotels in Betrieb, die Grundlage für die erfolgreiche Tourismusdestination
Saas-Fee/Saastal, die heute als „Perle der Alpen“ gilt, wird also bereits hier
erstellt. Durch das Tal führt ein Saumweg, Maulesel transportieren Touristen
und ihr Gepäck. Rund 50 Jahre später, im Mai 1949, erteilt die zuständige
Bundesbehörde grünes Licht für eine Straße von Saas-Grund nach Saas-Fee.
Aber noch vor deren Eröffnung verbieten die Einwohner des Ortes im Februar
1950 einstimmig die Einfahrt von Motorfahrzeugen in ihr Dorf. Im Laufe der
Zeit ist die „Autofreiheit“ zu einem tragenden Verkaufsargument mit entsprechender Werbewirksamkeit geworden. Die gesamte touristische Infrastruktur
erfährt wegen der geringen Emissionen und Immissionen eine zusätzliche
Qualität. Andererseits bringt das vielgepriesene Konzept jedoch auch erhebliche Mehrkosten mit sich – sowohl bei der Erbringung von Dienstleistungen
als auch bei der Erstellung von Infrastrukturen. Das gesamte Material muss
vor Ort auf Elektrofahrzeuge, die exakten gesetzlichen Vorgaben unterliegen,
umgeladen werden. Eines kann man dennoch mit Fug und Recht behaupten:
In Sachen Verkehr und Mobilität haben die Behörden und Einwohner von
Saas-Fee vor über 60 Jahren das richtige Maß getroffen: „Ja“ zur Verkehrserschließung und damit auch „Ja“ zum Aufbruch in eine Zeit wirtschaftlicher
Prosperität – und gleichzeitig „Nein“ zum Auto im Dorf und damit auch „Nein“
zur Minderung der Lebensqualität im Kurort. Dieser maßvolle Umgang mit
der Mobilität und den Mobilitätsansprüchen der Gäste und Einwohner hat
dem Ort ein goldenes Zeitalter beschert. Und damit das Leben in Saas-Fee –
im wörtlichen Sinn – nachhaltig geprägt.
Die „Autofreiheit“
ist zu einem
tragenden
Verkaufsargument
geworden
Bernd Kalbermatten, Gemeindeschreiber der
Gemeindeverwaltung Saas-Fee
Quartier Vauban
Ein besonderer Stadtteil Freiburgs ist das Quartier
„Vauban“, das Ende der 1990er Jahre vom Kasernengelände in ein Wohnviertel umgewandelt
wurde. Die Bebauung unterliegt strengen Energiestandards, das Quartier wird durch ein umweltfreundliches Nahwärmesystem beheizt und Regenwasser wird versickert. Das Besondere: Vauban
wurde als autoreduzierter Stadtteil konzipiert. Zum
einen greift auch hier die in Freiburg allgemein übliche intensive Förderung der umweltfreundlichen
Verkehrsarten. Zusätzlich entfällt in einem
großen Teil des Gebiets die übliche Verpflichtung, je Haushalt einen Stellplatz für
das eigene Auto anzulegen – ganz im
Gegenteil dürfen im inneren Bereich
sogar überhaupt keine Stellplätze
angelegt werden. Wer trotzdem
ein Auto besitzen möchte, kauft
den Stellplatz in der dafür angelegten Quartiersgarage. Wegen des
Die
Bebauung
unterliegt
strengen Energiestandards
weiteren Fußwegs wird aber auch dieser Bewohner
deutlich weniger mit dem Auto unterwegs sein.
Diese quasi autofreie Wohnbebauung ist in dieser
Größe in Deutschland einmalig und erfährt großes
Interesse aus der Fachwelt. Auch die Bewohner sind
zufrieden: Vauban hat sich zu einem sehr beliebten
Wohnviertel entwickelt, die Grundstücke sind nun
vollständig bebaut, die Immobilien begehrt. Vauban bleibt auch für Freiburger Verhältnisse ungewöhnlich und stellt eine „Insel“ für eine besondere
Mobilität dar. Trotzdem darf man solche Modelle
nicht isoliert ohne die Umgebung sehen. Sie müssen mit den angrenzenden Mobilitätsangeboten
gut vernetzt werden, um auch über Gemarkungsgrenzen hinaus gute Angebote für integrierte Mobilität zu entwickeln.
Professor Dr. Martin Haag,
Bürgermeister der Stadt Freiburg
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ITS magazine 2/2013 | Trends & Events
Flott durch Slot
Baustellenmanagement Um über 80 Prozent
ist die Anzahl der landesweiten Staustunden in
den zehn Jahren seit Start des Projekts „Staufreies Hessen 2015“ gesunken. Großen Anteil
daran hat die computergestützte Baustellenplanung, die inzwischen noch weiter optimiert
wurde: Ein innovatives Slotmanagement-System prüft automatisch, wann das Verkehrsnetz
welche Maßnahme am besten verkraftet und
ermittelt die idealen Zeitfenster.
Der Name ist gleichzeitig Vision: „Staufreies Hessen 2015“ heißt das Projekt,
das sich zum Ziel gesetzt hat, für eine
stetige Verbesserung des Verkehrsflusses auf hessischen Straßen zu sorgen.
Im Fokus stehen dabei vor allem die
Autobahnen, die in einem so zentral
gelegenen deutschen Bundesland
natürlich besonderen Belastungen
ausgesetzt sind: Im Rhein-Main-Gebiet
beispielsweise werden pro Kilometer
täglich weit über 100.000 Fahrzeuge
gezählt – mehr als doppelt so viele wie
auf einem durchschnittlichen deutschen Autobahnkilometer.
„Wenn man eine solche Aufgabe
angeht, hat man grundsätzlich zwei
Möglichkeiten“, sagt Gerd Riegelhuth,
Leiter der Abteilung Verkehr bei Hessen
Mobil, der oberen Landesbehörde für
Straßen- und Verkehrsmanagement:
„Entweder man bildet eine Arbeitsgruppe und gibt ihr den Auftrag, die
Weltformel für Verkehr zu finden – oder
man konzipiert Schritt für Schritt effi­
ziente Maßnahmen, die möglichst
schnell Wirkung entfalten. Wir haben
uns für Option zwei entschieden.“
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Ganz konkret konzentriert man sich
in Hessen deshalb auf drei Kernthemen
der Mobilität:
•die Erprobung von Zukunftstechno­
logien wie etwa der Kooperativen
Systeme
•die Bereitstellung von Mobilitätsdiensten unter anderem im Hinblick auf
zuverlässige Verkehrsinformationen
und intermodale Verkehrskonzepte
•die Optimierung des Verkehrsmanagements durch Entwicklung und
Umsetzung von Maßnahmen für
moderne Stauprävention, Vernetzung
der Verkehrsträger und intelligente
Leit- und Informationssysteme
Der Erfolg gibt den Vordenkern Recht.
Als das Projekt „Staufreies Hessen“
Anfang 2003 an den Start ging, regis­
trierte man landesweit noch rund
88.000 Staustunden pro Jahr. Inzwischen sind es, trotz erheblich gestiegenen Verkehrsaufkommens, nur noch
deren 16.000 – also um über 80 Prozent weniger. Wesentlichen Anteil
daran hat das computergestützte Baustellenmanagement, wie sich an einer
anderen Statistik ablesen lässt: Wäh-
Gerd Riegelhuth: „Baustellen so
einfach planen wie Flugreisen“
rend andernorts bis zu 48 Prozent der
Staustunden durch Baumaßnahmen
verursacht werden, liegt der Anteil in
Hessen bei gerade mal 19 Prozent.
Dabei spielt nach Ansicht der Verantwortlichen die hessische Basisstrategie
eine Rolle, die sich von der in manch
anderem Bundesland unterscheidet.
„Dort versucht man meist, die baustellenbedingten Verkehrseinschränkungen
durch möglichst kurze Bauzeiten zu verhindern“, erklärt Riegelhuth. „Wir gehen
den umgekehrten Weg, indem wir die
Verkehrsbeeinträchtigungen während
der Bauzeit so gering wie möglich halten.“ Deshalb läuft die Baustellenpla-
Trends & Events | ITS magazine 2/2013
Das Slotmanagement-System in
Hessen
nung bereits seit einigen Jahren com­
putergestützt. Das heißt unter anderem:
Auf Grundlage der in der Verkehrs­
zentrale Hessen erfassten und archi­
vierten Verkehrsdaten wird eine Prognose erstellt, ob an einer geplanten
Baustelle in einem bestimmten Zeitraum ein Stau zu erwarten ist.
Inzwischen geht die Unterstützung
durch moderne IT-Verfahren noch
deutlich weiter. „Die Grundidee für
diese Weiterentwicklung kam mir bei
der Buchung eines Lufthansa-Flugs“,
sagt Gerd Riegelhuth. „Ich habe mich
dann mit meinem Team zusammen­
gesetzt und überlegt, ob es nicht möglich wäre, unsere Baustellen genauso
einfach und genauso effizient zu planen wie eine Flugreise. Und ich denke,
das ist uns mit dem SlotmanagementSystem gelungen.“
Das innovative Tool prüft automatisch, wann das Verkehrsnetz genügend
Kapazität frei hat, um die vom Planer
eingegebene Baumaßnahme zu ver­
kraften und zeigt auf Mausklick die entsprechenden Zeitfenster an. Die Ermittlung der idealen Slots basiert auf einer
Schätzung der Restkapazität nach der
geplanten Sperrung und auf den Referenzganglinien der Verkehrsnachfrage.
Neben der Optimierung der gerade zu
planenden Maßnahme hat die Erfassung im Slotmanagement-System noch
einen weiteren entscheidenden Vorteil:
Denn nachdem sich der jeweilige Bearbeiter für eines der Zeitfenster entschieden und den Antrag auf die verkehrsrechtliche Anordnung abgeschickt
hat, ist es für keinen seiner Kollegen
mehr möglich, zeitgleich eine Baustelle
auf einer Ausweichstrecke zu planen.
„Nach unserer Philosophie ist die
beste Baustelle grundsätzlich die, die der
Verkehrsteilnehmer kaum wahrnimmt,
weil sie keine oder zumindest keine größeren Behinderungen verursacht und
damit auch verkehrssicher ist“, resümiert
Gerd Riegelhuth. „Wenn man sich dagegen hauptsächlich darauf konzentriert,
die Bauzeit zu reduzieren, erreicht man
unter Umständen genau das Gegenteil.
Selbst wenn man es schafft, früher fertig zu werden: In der Regel erfährt der
Bürger das doch gar nicht – er erinnert
sich nur an die vielen Staus.“
Sechs interaktive Schritte zur
staufreien Baustelle:
•Der Anwender wählt auf
einer grafischen Oberfläche
den Ort der Baustelle, die zu
sperrenden Fahrstreifen und
die benötigte Dauer der Maßnahme aus
•Das System ermittelt auf der
Grundlage eines umfassenden Verkehrsdatenarchivs
mögliche Zeiträume für die
Durchführung der Baustelle
und stellt sie grafisch in
einem Kalendarium dar
•Der Anwender entscheidet
sich für einen der geeigneten
Zeiträume und legt damit
Datum und Zeit der Baustelle
so fest, dass kein Stau zu
erwarten ist
•Das System füllt das Formular
der verkehrsrechtlichen
Anordnung automatisch aus
•Der Anwender fügt gegebenenfalls Dokumente wie etwa
Verkehrszeichenpläne an und
versendet die Anordnung an
alle Beteiligten
•Das System speichert den
Vorgang und alle erforderlichen Daten zu der geplanten
Baustelle und stellt sicher,
dass nun nicht mehr zeitgleich eine Baustelle auf
einer Ausweichstrecke
geplant werden kann
Autobahnbaustelle in Hessen: „So wenig
Verkehrsbeeinträchtigung wie möglich“
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ITS magazine 2/2013 | Trends & Events
Smarter, größer, besser
Leistungsschau am Bosporus: Die Intertraffic Istanbul war ein voller Erfolg
Intertraffic Istanbul Bereits zum siebten Mal ging im Istanbul Expo
Center vom 29. bis 31. Mai die Intertraffic Istanbul über die Bühne,
die längst als bedeutendste Leistungsschau der Verkehrstechnik in
Eurasien und im gesamten Mittleren Osten gilt. „Smarter, größer,
besser“ lautete das Fazit der „Daily News“ zur diesjährigen Veranstaltung, bei der sich mehr als 5200 Profis aus den Bereichen Infrastruktur, Verkehrsmanagement, Verkehrssicherheit und Parken aus 74
Nationen einen komprimierten Überblick über den aktuellen Stand
der Technik verschafften. Die Spotlights am Siemens-Stand richteten
sich auf den C940ES-Controller, die augenblicklich modernste Version der weltweit erfolgreichen Cxx0x-Reihe, die inzwischen an mehr
als 25.000 Kreuzungen rund um den Globus ihren Dienst verrichtet.
Der energiesparende Controller verfügt über eine offene OCITSchnittstelle und arbeitet mit Sitraffic Office, einem vollständig integrierten Softwaresystem, das sowohl dem Verkehrsingenieur als
auch dem Operator und dem Servicetechniker alle notwendigen
Tools auf einer gemeinsamen Datenbasis bereitstellt. Mehrfache
Eingaben sind damit überflüssig, und die Fehlermöglichkeit einer
Doppeleingabe wird vermieden.
Highlights in
Birmingham
Traffex 2013 Mit mehr als 8000
Besuchern unterstrich die 26. Auflage
der Traffex im National Exhibition
­Center in Birmingham vom 16. bis
­18. April einmal mehr ihre Position
als wichtigste Branchenmesse für
Straßenverkehrstechnik und -sicherheit in Großbritannien. Über 500
Unternehmen präsentierten dort ihre
aktuellsten und leistungsfähigsten
Lösungen. Als echter Publikumsmagnet erwies sich in diesem Jahr der
­Traffic Control Room am SiemensStand, wo die modernsten städtischen
Systeme demonstriert wurden – unter
anderem das erst kürzlich eingeführte
und inzwischen schon weit verbreitete
Fehler-und-Anlagen-Managementsystem InView. Im Fokus stand auch das
neue, cloudbasierte Verkehrsmanagementsystem Stratos für die strategische Echtzeitsteuerung von komplexen Stadtverkehrs-Umgebungen. Mit
besonderer Spannung erwartet wurde
ein weiteres Highlight: Denn Siemens
lüftete in Birmingham ein lange gehütetes Geheimnis und stellte mit dem
ST950 die sechste Generation seiner
Controller-Familie vor, die vor über
30 Jahren die Verkehrssteuerung an
Kreuzungen in Großbritannien neu
de­finiert hat. Ebenfalls auf großes Interesse stießen die Konzepte SafeZone
und GreenZone: Bei dem einen handelt es sich um ein modulares System
zur Geschwindigkeitsüberwachung auf
Basis der bewährten automatischen
Nummernschilderkennung, bei dem
anderen um die weltweit erste Lösung
zur automatisierten Überwachung von
so genannten Low Emission Zones.
Reale Lösungen für reale Bedürfnisse
ITS Europa-Kongress Über 100
fachbezogene Sessions, 73 AusstellerStände, 1700 Besucher aus 55 Ländern:
Das sind die beeindruckenden Eckdaten
des neunten europäischen ITS-Kongresses, der vom 4. bis 7. Juni im Convention Center in Dublin stattgefunden hat.
Unter dem Motto „Real Solutions for
Real Needs“ standen die Themen Smart
Cities, Elektromobilität, intelligente
Straßen-Netzwerke, neue Formen der
Datengewinnung und Management
-Techniken sowie Best-Practice-Beispiele
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Gipfeltreffen in Dublin: Auch über Mautlösungen wurde lebhaft diskutiert
im Mittelpunkt. „Der gesamte Fokus der
Veranstaltung lag auf dem Hier und
Jetzt, auf den heutigen Bedürfnissen
der Bürger und darauf, was wir kurz- bis
mittelfristig erreichen können“, sagte
Alan Kelly, Irlands Minister für Öffent­
lichen Transport. „Es wurde schon des
Öfteren betont, dass die nötigen Technologien bereits existieren, und auch
bei diesem Event konnte man sich
davon erneut überzeugen. Jetzt müssen
wir die vorhandenen Lösungen nur
noch zusammenfügen und umsetzen.“
Schneller und
sicherer zum
Googleplex
Mountain View Zur Verbesserung
des Verkehrsflusses und zur Erhöhung
der Verkehrssicherheit auf der stark
frequentierten Zufahrtstraße zum
Google-Hauptquartier im Silicon Valley
hat der Internetkonzern die unmittelbar vor dem so genannten Googleplex gelegene Kreuzung mit einem
völlig neuen Verkehrssteuerungssystem ausrüsten lassen. Da die extrem
leistungsstarken Glasfaser-Kabel für
die Datenkommunikation sowie die
Versorgungsleitungen zur GoogleZentrale direkt unter dieser Kreuzung
verlaufen, war bei der Modernisierung äußerste Vorsicht geboten. Das
Siemens-Team vor Ort arbeitete deshalb sehr eng mit den Spezialisten des
Telekommunikations-Unternehmens
AT&T, der Pacific Gas and Electric
Company und des Stadtrats der kalifornischen 70.000-Einwohner-Kommune Mountain View zusammen.
Um die Geschäftsabläufe des weltweit führenden Webdienstleisters so
Update im Silicon Valley: Die Kreuzung vor der Google-Zentrale wurde komplett modernisiert
wenig wie möglich zu gefährden,
wurde nur am Wochenende gearbeitet, und sowohl die Zufahrt wie auch
der Zugang zu dem Gebäudekomplex blieben dank ausgeklügelter
Umleitungen während der Umbauten
gefahrlos passierbar. Neben neuen
Lichtsignalanlagen auf höchstem
technologischem Niveau und innovativer Controller-Hardware gehörten
zur Modernisierung auch Optimierungen an den barrierefreien Fußgängerrampen und an den Zufahrtsstraßen
zum Google-Campus. Außerdem wurden an insgesamt fünf Kreuzungen im
Umfeld des Googleplex Video-Überwachungssysteme für Autos und Fahrräder sowie Priorisierungssysteme für
Rettungsfahrzeuge installiert.
Grüne Welle für Fußgänger
Köln Bisher hat hauptsächlich der motorisierte Individualverkehr von ausgeklügelten Ampelschaltungen profitiert, die die Anzahl der Stopps auf ein
Minimum reduzieren. An der Kölner Bahnstation Zoo/Flora kommen jetzt
auch Fußgänger in den Genuss einer so genannten Grünen Welle. Möglich
macht dies eine mit der Fußgängerampel verbundene Videokamera, die
herannahende Personen erkennt. Daraufhin wird automatisch eine Grünphase angefordert, die – je nach Geschwindigkeit der Fußgänger – bis zu
110 Sekunden dauert, also auch älteren Menschen genügend Zeit lässt, die
Fahrbahn zu überqueren. Die ersten Erfahrungen mit dem neuen Konzept
waren positiv: Bis dato, so das zuständige Amt für Straßen und Verkehrstechnik, wurden weder Rückstaus beobachtet, noch gingen Beschwerden
von Autofahrern ein. Deshalb sollen künftig weitere Fußgängerampeln
­vorwiegend im Umfeld von Schulen mit Bus- oder S-Bahn-Haltestellen mit
einem entsprechenden Videosystem ausgerüstet werden.
Neue Effizienz im
Ferienparadies
San Andrés Die im Karibischen
Meer gelegene Insel ist gerade einmal
52,5 Quadratkilometer groß und
damit das kleinste Departemento
Kolumbiens – trotzdem verfügt sie
inzwischen über eines der modernsten und effektivsten Verkehrssteuerungs- und Lichtsignalanlagensysteme des ganzen Landes. Insgesamt
wurden 14 Kreuzungen auf San Andrés mit ST900-Controllern ausgerüstet, die über ein Glasfaser-Netzwerk
mit einer UTC-Zentrale (Urban Traffic
Control) verbunden sind. Auf der
Grundlage von Echtzeitinformationen
der an den wichtigsten Kreuzungen
installierten Videoüberwachungskameras können die Verantwortlichen
nunmehr optimal auf die jeweilige
Verkehrssituation reagieren, um die
Anzahl der Stopps und die jeweiligen
Wartezeiten zu minimieren. Die spätere Anbindung der aktuellen Komponenten an ein adaptives SCOOTSteuerungssystem ist jederzeit
möglich. Für eine weitere Verbesserung des Verkehrsflusses sorgen die
integrierten Signalanforderungen der
Fußgängerampeln, die nur dann eine
Rotphase für die motorisierten Verkehrsteilnehmer auslösen, wenn sich
tatsächlich Fußgänger an der Kreuzung befinden. Und auch die Um­­
welt gehört zu den Gewinnern, denn
die innovative LED-Technologie der
neuen Lichtsignalanlagen überzeugt
unter anderem durch einen extrem
niedrigen Energieverbrauch und eine
besonders lange Lebensdauer.
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ITS magazine 2/2013 | Partner & Projekte
Innovativ einfach –
einfach innovativ
Pilotprojekt STREAM Die immer präziseren Daten von Navi­
gationssatelliten versprechen für die Telematik in Kommunen
spürbaren Effizienzgewinn. Als erste deutsche Kommune hat
Böblingen die Chancen erkannt und ein neues System zur
dynamischen Fahrgastinformation und zur ÖPNV-Priorisierung
getestet. Die positiven Erfahrungen des Probelaufs werden
jetzt bei der Installation einer produktfähigen Lösung genutzt.
Fast überall auf der Welt suchen Kommunen derzeit
nach Lösungen, um ihr ÖPNV-Angebot attraktiver zu
gestalten. Zu den wirksamsten Instrumenten gehört
neben verkürzten Fahrzeiten durch Priorisierung
Öffentlicher Verkehrsmittel zum Beispiel auch eine
Dynamische Fahrgastanzeige. Die für beide Optionen nötige Positionsbestimmung der ÖPNV-Fahrzeuge ließ sich in mittleren und kleineren Städten
ohne Rechnergestütztes Betriebsleitsystem bisher
meist nur mit relativ großem Aufwand realisieren:
etwa mit Hilfe spezieller Infrarotbaken oder über
Induktionsschleifen.
Präzisere Navigationsdaten ermöglichen neue Dienste
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Die neue Präzision der Satellitennavigation eröffnet jetzt einen weitaus effizienteren Weg. Als erste
deutsche Kommune hat die Stadt Böblingen auf diese
Chance reagiert und das Pilotprojekt STREAM gestartet – mit vollem Namen: Simple Tracking Realtime
Application for Managing traffic lights and passenger
information. Das Konzept ist denkbar einfach und
nutzt die existierende Infrastruktur: Die GPS-basierten
Positionsdaten der Fahrzeuge werden per Mobilfunk
an das Fahrgastinformationssystem und an den Verkehrsrechner übermittelt, der dann die Anforderungstelegramme an die Kreuzungsgeräte schickt.
Für die Umsetzung der innovativen Lösung sind
also im Wesentlichen nur drei Dinge nötig: die Modifizierung der Software an den Lichtsignalanlagen,
die Erweiterung des Verkehrsrechners um einen ÖVKommunikationsrechner und die Ausstattung der
Fahrzeuge mit GPS-Empfängern. Im Vergleich zum
bisher üblichen Hardwareeinsatz inklusive aufwän­
diger Verkabelungen und zusätzlicher Antennen
ergeben sich für den Betreiber damit erhebliche Kosteneinsparungen. Die Stadt Böblingen hat das System in der zweiten Jahreshälfte 2012 mit zwei Bussen
getestet und kam nicht nur im Hinblick auf die Wirtschaftlichkeit, sondern auch in puncto Zuverlässigkeit zu positiven Ergebnissen. Jetzt geht es vor allem
darum, die Erfahrungen aus dem Pilotprojekt zu nutzen, in den nächsten Monaten in Böblingen eine produktfähige Lösung zu installieren und anschließend
generell auf dem Markt zu etablieren. Außerdem laufen inzwischen Vorbereitungen, das System für Einsatzfahrzeuge von Rettungsdiensten zu testen.
Es werde Licht
Dynamische Beleuchtungssteuerung Maximale Verkehrs­sicherheit
bei minimalen Betriebskosten: Das ist der Leit­gedanke hinter dem
innovativen Beleuchtungskonzept der Stadt Düsseldorf, das die
Helligkeit auf den Straßen mit Hilfe des Managementsystems VIA
LUMEN der jeweiligen Verkehrsdichte anpasst. Auf der Hannover
Messe wurde die energie­effiziente Anwendung mit dem Deutschen
Telematikpreis ausgezeichnet.
Ganz gleich, ob im Verkehr, in der
Verwaltung, im Gesundheitswesen
oder in anderen öffentlichen Be­­
reichen: Telematiklösungen sind
das Rückgrat so genannter Smart
Cities, die ihren Bewohnern mehr
Lebensqualität ­bieten und gleichzeitig ökologische sowie ökonomische Maßstäbe bei der zukunfts­
fähigen Gestaltung kommunaler
Infrastruktur setzen wollen. Ein im
wahren Sinn des Wortes leuchtendes Beispiel dafür ist die „Software­
unterstützte Betriebsführung in
der Öffentlichen Beleuchtung“ in
Düsseldorf. Die Stadt und die Stadt­­­
werke erhielten dafür vor kurzem
den Best-Practice-Preis 2012 der
europäischen Telematikgesellschaft
TelematicsPro.
Einen wichtigen Anteil daran hat
das ganzheitliche Beleuchtungsmanagementsystem VIA LUMEN, das
neben umfassenden Kontroll-, Überwachungs- und Steuerungsfunktionen
ein besonders effizientes Extra beinhaltet: Es erlaubt eine bedarfsgerechte
Schaltung der Beleuchtung, deren
Intensität sich der jeweiligen Verkehrsdichte anpasst. Wenn die angebundenen Messstellen nur wenige Fahrzeuge registrieren, wird die Hellig­­keit
entsprechend heruntergefahren. Insgesamt lassen sich mit dem dynamischen Verfahren gegenüber der bisher
üblichen Halbnachtschaltung nach
Uhrzeit rund 30 Prozent Energie einsparen. Realisiert wurde diese Lösung
beispielsweise im Rahmen eines
Modellvorhabens des Bundesumweltministeriums an der Danziger Straße
in Düsseldorf, wo das Verkehrsaufkommen gerade bei Messe- und
Arena­veranstaltungen stark variiert.
„Diese innovative Software der
Karlsruher CAOS GmbH“, sagt Wilhelm
Derenne, Vertriebsbeauftragter bei
­Siemens Mobility and Logistics in Nordrhein-Westfalen, „lässt sich optimal in
die vorhandene Infrastruktur integrieren.
In Düsseldorf arbeitet VIA LUMEN perfekt mit dem Verkehrsrechner Sitraffic
Scala Solution 6 und den Detektoren
Traffic Eye Universal zusammen.“
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ITS magazine 2/2013 | Wissen & Forschung
Fit for Fahren
Fahrtraining für Senioren Die Diskussion um die nachlassende
­Leistungsfähigkeit der Generation 70+ im Straßenverkehr ist ­ungefähr
so alt wie der demografische Wandel in Europa. Durch eine Studie
des Psychologen Dr. Sebastian Poschadel vom Leibniz-Institut für
Arbeitsforschung an der TU Dortmund wurde sie um einen interessanten
Aspekt erweitert: Demnach lässt sich die Fahrkompetenz von Senioren
mit gezieltem Training nachhaltig steigern.
Irgendwo in der Gegend von 70 Jahren
könnte sie verlaufen, die Grenze, deren
Überschreiten aus fahrtüchtigen Senioren am Steuer weniger fahrtüchtige
macht – zumindest statistisch ge­­sehen:
Denn einerseits verursachte die Gruppe
der über 65-Jährigen in Deutschland im
Jahr 2011 mit 9,7 Prozent weit weniger
Unfälle mit Personenschaden als etwa
die der 18- bis 24-Jährigen mit über 16
Prozent. Andererseits waren zwar auch
die über 75-Jährigen in deutlich weniger
Crashes verwickelt als die Jungen Wilden, aber wenn es zu schweren Unfällen
mit ihrer Beteiligung kam, trugen sie in
drei von vier Fällen die Hauptschuld.
Solche Zahlenspiele bekommt man
vorzugsweise dann zu lesen oder zu
hören, wenn es um den viel diskutier-
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ten Fahrtauglichkeitscheck für ältere
Autofahrer geht, umgangssprachlich
etwas despektierlich auch SeniorenTÜV genannt. Sofern es sich dabei um
reine Gesundheitsüberprüfungen handelt, hält der Psychologe Dr. Sebastian
Poschadel vom Leibniz-Institut für
Arbeitsforschung an der TU Dortmund
davon nicht allzu viel. „Wir wissen
zwar, dass ein gutes Abschneiden bei
solchen Tests ein Indiz für hohe Fahrkompetenz ist. Aber andersherum
bedeutet ein schlechtes Abschneiden
nicht, dass jemand schlecht fährt.“
Was Dr. Poschadel zunächst mehr interessierte, war eine ganz andere Frage:
„Es war zwar bekannt, dass man durch
Labortraining zur Verbesserung kogni­
tiver Funktionen die Leistungsfähigkeit
Dr. Poschadel:
„Fahrtraining
als Element
eines Präventionskonzepts“
älterer Menschen im Alltag steigern
kann. Aber wir wussten nicht, inwieweit das auch für Fahrtrainings und
ihren Effekt auf die Fahrkompetenz
unter Realbedingungen gilt.“
Damit war das Setting der Forschungsstudie mit dem Titel „Ältere
Autofahrer: Erhalt, Verbesserung und
Verlängerung der Fahrkompetenz
durch Training“ auch schon weitge-
Mobilität & Lebensraum | ITS magazine 2/2013
hend definiert: Insgesamt wurden
120 Personen zu dem Versuch eingeladen: 46 von ihnen, im Mittel
72,6 Jahre alt, absolvierten zusammen mit einem Fahrlehrer ein
15-stündiges professionelles Training mit schwierigen und komplexen Aufgaben im Realverkehr.
Ebenfalls 46 nahezu gleichaltrige
Probanden fungierten als so ge­­
nannte Nur-Feedbackgruppe, das
heißt: Sie fuhren genauso oft auf
derselben Strecke, wurden aber
nicht gezielt trainiert, sondern
erhielten lediglich Rückmeldungen
zu ihrer Leistung von einem professionellen Fahrlehrer. Die restlichen
28 Personen bildeten die Referenzgruppe: Sie waren zwischen 40 und
50 Jahre alt und fuhren die Strecke
nur einmal, um einen Bezugswert
für die zu erwartende Leistungssteigerung der Älteren zu markieren.
Die Ergebnisse hätten eindeutiger
kaum sein können: Sämtliche Mitglieder der Trainingsgruppe erreichten schließlich das Leistungsniveau
der Referenzgruppe. Und die gesteigerte Fahrkompetenz blieb auch
zwölf Monate nach dem Training
noch stabil. Sogar die Nur-Feedbackgruppe konnte sich deutlich und
ebenfalls zeitlich stabil verbessern.
Allerdings reichten allein die Rückmeldungen zur individuellen Leistung bei den zuvor schon schwächeren Fahrern nicht aus, um das Level
der Referenzgruppe zu erreichen. In
der Trainingsgruppe dagegen haben
gerade die schwächeren Fahrer am
meisten Fahrkompetenz gewonnen,
wie ein Blick in die Subgruppenanalysen zeigt. Trotz niedriger Ausgangswerte schafften sie es durch
die Bank, die Benchmarks der Referenzgruppe zu erreichen oder sogar
zu übertreffen.
„Die Untersuchungsergebnisse
weisen darauf hin, dass mit einem
professionellen Fahrtraining im
Realverkehr die Fahrkompetenz im
Alter verbessert und nachhaltig
verlängert werden kann“, fasst
Dr. Poschadel den unmittelbaren
Erkenntnisgewinn seiner Studie
zusammen. Darüber hinaus sieht
er in den Ergebnissen aber auch
die politische Dimension: „Fahrtrainings und Feedbackfahrten könnten also als ein Element in ein
generelles Präventionskonzept für
ältere Fahrerinnen und Fahrer integriert werden, um ihre individuelle
Mobilität und damit ihre gesellschaftliche Teilhabe zu erhalten.“
Im Seitenspiegel
Reif für die Insel?
Inseln sind letzthin etwas in Verruf geraten:
als Steueroasen und Millionärsparadiese.
Das ist nur ein Teil der Wahrheit.
Etwas Freibeuterisches haftet Inseln seit jeher an: Nirgendwo sonst
kann man Geld so stilvoll vor neugierigen Blicken verstecken wie auf
einer Schatzinsel. Johnny Depp beispielsweise, schon in seiner Rolle
als Jack Sparrow in „Fluch der Karibik“ auf Inseln abonniert, besitzt
auch privat eine.
Inseln können Fluchtpunkt oder Endstation sein, Verheißung oder
Verdammnis. Man will dringend hin – oder noch dringender wieder
weg. Der Korse Napoleon lebte erst auf Elba, dann bis zu seinem Tod
auf St. Helena in der Verbannung.
Dabei schwärmten schon die antiken Griechen von Elysion, der Insel
der Glückseligkeit, wo ewiger Frühling alles irdische Leiden vergessen
macht. Leider blieb Elysion unauffindbar, obwohl ja Inseln dauerhaft
über die Umgebung hinausragen, gewissermaßen etwas Überhöhtes
haben. Wer sein Leben so herausragend auf einer Insel verbringt, muss
kontinentale Lebensart fast zwangsläufig mit Herablassung betrachten.
Das erkannte auch der um das Jahr 1600 in London lebende Schriftsteller und Metaphoriker John Donne. In „Meditation XVII“ schrieb er seinen
Insel-Mitbewohnern ins Stammbuch, was noch Jahrhunderte später zum
Bestsellertitel taugte: „Niemand ist eine Insel, ganz für sich allein; jeder ist
ein Stück Kontinent, Teil des Ganzen.“ Zwar spöttelte der deutsche Dichter
Novalis 200 Jahre später, jeder Engländer allein sei schon eine Insel,
Donnes Erkenntnis aber wirkt bis heute in die Niederungen des Alltags
hinein: Selbst Verkehrsinseln stehen isoliert in einer Brandung, fast
magisch dem Verkehrsfluss entrückt – und doch Teil einer höheren Idee.
Die wurde in Britannien konsequent weiterentwickelt: Der „Magic
Roundabout“ im südenglischen Swindon ist ein großer Kreisverkehr mit
zentraler Verkehrsinsel, umgeben von fünf Satelliten-Kreisverkehren
und einem ganzen Verkehrsinsel-Archipel. Während in den kleinen
Kreisverkehren außen Linksverkehr herrscht, fährt man um die innere
Verkehrsinsel gegen den Uhrzeigersinn – also scheinbar im Rechtsverkehr. Die Legende berichtet von kontinentalen Autofahrern, die Nacht
für Nacht um die Verkehrsinseln spuken und Erlösung in der richtigen
Fahrtrichtung suchen. Jack Sparrow wäre entzückt.
27
„Auch der
berühmte
Mad
Sunday
ist im
Grunde
nicht so
verrückt
wie sein
Image“
Helmut Dähne, TT-Vielstarter
zwischen 1972 und 1994:
„Für mich überwiegen die
positiven Seiten“
Ritt am Limit
Vollgas-Verkehr auf der Isle of Man Die einen
halten sie für eine Kultstätte des wahren
Motorrad-Rennsports, die anderen für eine
Brutstätte des schieren Wahnsinns: Die
­britische Isle of Man ist berühmt für ihre
Speed-Spektakel – und berüchtigt wegen
des R
­ isikos, das die Fahrer dabei eingehen.
Der deutsche Schräglagen-Veteran ­Helmut
Dähne startete insgesamt 26 Mal bei der Tourist
­Trophy. Für das ITS magazine erklärt er warum.
28
Mobilität & Lebensraum | ITS magazine 2/2013
Vom warmen Golfstrom umspült? Die
Formulierung kann noch so oft in den
Beschreibungen der Isle of Man auftauchen: Wahr wird sie deshalb noch
lange nicht. Wer das, was hier strömt,
als warm bezeichnet, der muss schon
einen Inuit in der Verwandtschaft
haben. Das Wasser ist ungefähr so kalt
wie in einem Gebirgsfluss zur Schneeschmelze – und ungefähr genauso
flott unterwegs. Wer am Point of Ayre
im Norden der Insel hineinspringt, der
findet sich vermutlich ziemlich schnell
im Eismeer wieder.
Womit wir auch schon beim Thema
Geschwindigkeit wären, einem der
Markenzeichen der Isle of Man. Denn
wer nicht hierher kommt, um sein Geld
im Steuerparadies zu besuchen oder
den Briefkasten seiner Offshorefirma
zu leeren, der kommt zu einem der
zahlreichen Rennen. Gefahren wird
dabei mit fast allem, was sich mit Vollgas auf zwei oder vier Rädern bewegen
lässt: mit Rallyeautos, Tourenwagen
und Dragstern, mit Gelände- und Straßenmotorrädern. Das ging übrigens
schon 1907 los. Zu der Zeit waren
Motorradrennen in England noch verboten, deshalb wich man auf die Isle
of Man aus, die ihre Freiheiten als so
genannter autonomer Kronbesitz seit
jeher reichlich nutzt. Neben eigenen
Geldscheinen und einem eigenen Parlament leistet man sich zum Beispiel
auch eigene Regeln im Straßenverkehr:
natürlich ohne Tempolimit außerhalb
von geschlossenen Ortschaften.
Die bekannteste Rennveranstaltung
ist zweifellos die Tourist Trophy, kurz
TT – laut Wikipedia „das älteste, ge­­
fährlichste und umstrittenste Motorradrennen der Welt“. Ich bin nicht
sicher, ob ich den zweiten Superlativ
ohne weiteres unterschreiben würde,
aber drum herumreden will ich auch
nicht: Natürlich ist es riskant, im Formel-1-Tempo am absoluten Limit um
eine 60 Kilometer lange Rennstrecke
zu fahren, die eigentlich keine Rennstrecke ist: Der Rundkurs besteht aus
regulären Straßen, er führt durch
­Ortschaften, an Steinwänden entlang
und über Brücken, für Sturzräume
und Auslaufzonen bleibt an vielen
­kritischen Stellen einfach kein Platz.
„Die TT ist so gefährlich wie der
­Fahrer sie macht“, hat ein englischer
Kollege einmal zu mir gesagt. In dieser
Aussage liegt sicherlich viel Wahres,
aber einiges lässt sie auch unberücksichtigt. Vor allem die Tatsache, dass es
auf einem so langen Kurs, der mit so
wenig Aufwand von ein paar Bobbies
abgesperrt wird, Unwägbarkeiten gibt,
die der beste Fahrer nicht beeinflussen
kann. So kommt es durchaus vor, dass
Hunde, Katzen oder sogar Pferde auf
die Strecke springen – fast immer mit
schwerwiegenden Folgen. Das Problem
tief fliegender Vögel spielt zum Glück
keine so große Rolle mehr, seit man
auf das Morgentraining verzichtet.
Auch wenn natürlich jeder Unfall
einer zu viel ist: Bei einem genaueren
Blick in die Statistik relativiert sich das
in den Medien so publikumswirksam
inszenierte Risiko bei der Tourist Trophy im Vergleich zu anderen Motorradsportkategorien wie etwa den
Grands Prix, bei denen bekanntlich
die schärfsten Sicherheitsbestimmungen gelten. Bei einer TT-Veranstaltung
absolvieren rund 640 Starter in fünf
Trainings und acht Rennen ungefähr
2,1 Millionen Kilometer. An einem
Grand-Prix-Wochenende bringen es 75
Fahrer in drei Klassen gerade mal auf
etwa 16.800 Kilometer. Bei 16 Grands
Prix pro Saison dauert es also fast acht
Jahre, bis die Rossis, Lorenzos und
Bradls dieser Welt dieselbe Distanz
zurückgelegt haben wie die TT-Asse
bei einem einzigen Event. Natürlich
darf man Unglücke nicht gegeneinander aufrechnen, aber wenn man es
täte, würde die Tourist Trophy wohl
nicht mehr gar so schlecht dastehen.
Auch der berühmte Mad Sunday auf
der Isle of Man ist im Grunde nicht so
verrückt wie sein Image. Am Sonntag
nach dem ersten TT-Rennsamstag fahren traditionell die Zuschauer um den
Kurs, der während dieser Zeit für den
normalen Straßenverkehr freigegeben
wird. Nur Lkw dürfen nicht auf die Stre-
cke. Zumindest einmal wollte ich das
miterleben und habe mich sozusagen
unters fahrende Volk gemischt. Mein
Eindruck: Auf dem Kurs herrscht an
­diesem Tag ein solches Gedränge, dass
man gar keine Chance hat, wirklich Gas
zu geben. Ich habe jedenfalls damals
keinen Raser gesehen – im Gegenteil:
Es lief alles ziemlich diszipliniert ab. Das
Problem ist aber, dass manche Motorradfahrer entgegen der Rennrichtung
unterwegs sind. Deshalb kommt es
immer wieder mal zu Frontalzusammenstößen untereinander – aber nicht
wegen zu hoher Geschwindigkeit, sondern weil der eine oder andere Festländer im Stress des dichten Linksverkehrs
auf der falschen Straßenseite fährt.
Alles in allem möchte ich die Tourist
Trophy weder verdammen noch verklären. Unterm Strich überwiegen für mich
die positiven Seiten. Zum Teil hat das
sicherlich etwas mit einem Virus zu
tun, mit dem ich mich einst bei einem
Motorjournalisten infiziert habe, dessen
Isle-of-Man- und Nürburgring-Geschichten mich zutiefst faszinierten. Eine große
Rolle spielt aber natürlich auch die Motivation, schwierige Strecken, in diesem
Fall die schwierigste der Welt, fehlerfrei zu meistern. Von Herausforderung
will ich hier nicht sprechen, das klingt
mir zu sehr nach Risiko – und das
suche ich keineswegs. Auch Sieg und
Niederlage sind nicht die Kategorien,
in denen ich bei meinen Starts bei der
TT dachte. Ich kam ziemlich oft unter
die Top Ten, und ­einmal stand ich
sogar ganz oben auf dem Siegerpodest – aber wirklich stolz war ich vor
allem dann, wenn ich die Ideallinie
immer genau getroffen hatte.
Zur Person
Helmut Dähne, 68, gehört zu den
Ikonen des deutschen Motorradsports, besonders im Bereich seriennaher Maschinen. Noch heute hält
er mit 7:49,71 Minuten den offiziellen Rundenrekord für Motorräder
auf der legendären Nordschleife des
Nürburgrings. An der Tourist Trophy
auf der Isle of Man hat er im Lauf
seiner Karriere insgesamt 26 Mal
teilgenommen. Sein größter Erfolg
war der Sieg gemeinsam mit Hans
Otto Butenuth auf einer BMW R 90 S
in der „Production Class“ im Jahr
1976, in einem Rennen über zehn
Runden mit Fahrerwechsel.
29
ITS magazine 2/2013 | Profil
„Die Straße
ist die
Nummer eins“
Interview Keith Manston, Leiter
des Product Managements Traffic
Solutions bei Siemens Mobility in
Poole, über die internationale
­Verkehrsanbindung der großen
und kleinen britischen Inseln, den
begrenzten Einfluss des Kanaltunnels
auf den Modalsplit und seine ganz
persönliche Liebe zum Wasser.
30
Herr Manston, in einigen Bereichen
des Lebens demonstrieren die Briten durchaus eine Art Inselmentalität – im Bereich Mobilität auch?
Nein, das glaube ich nicht. Grundsätzlich unterscheidet sich unsere Heran­
gehensweise an die Organisation und
Optimierung des Verkehrs eigentlich
kaum von der in kontinentaleuropäischen Ländern. Und ich habe auch
nicht den Eindruck, dass die Insellage
das Mobilitätsverhalten der Verkehrsteilnehmer in Großbritannien wirklich
beeinflusst. Wenn es die wirtschaftliche
Situation zulässt, tendieren insbesondere wir Engländer im Urlaub vielleicht
sogar noch mehr zu Auslandsreisen als
beispielsweise die Deutschen – nicht
zuletzt wahrscheinlich wegen der fast
schon sprichwörtlichen Unberechenbarkeit des britischen Sommers.
Profil | ITS magazine 2/2013
Zur Person
Keith Manston – die wichtigsten
Stationen auf ­einen Blick:
•1977: Abschluss Technikeraus­
bildung mit Schwerpunkt auf
Schiffselektronik und Radar
•1977-1982: Verschiedene Posi­
tionen in der technischen Entwicklung von Schiffsnaviga­
tionsgeräten wie Echoloten
und Radarausrüstung für kleine
Wasserfahrzeuge
•1991: Chefingenieur beim
­allerersten gemeinsamen
­Entwicklungsprojekt von Poole
und München: dem Fußgänger­
signalsteuergerät T500/EFU
•1995: Master in Betriebswirtschaftslehre
•1997: Technischer Leiter für das
erste gemeinsame Großprojekt
von Poole und München in
Sachen Kreuzungssteuerung:
Entwicklung der ST800-Controller-Familie für Großbritannien
•2001: Wechsel ins Produkt-­
Marketing, mit Produktmanagement-Verantwortung für das
gesamte Straßenverkehrs-Port­
folio im Vereinigten Königreich
•Seit 2008: Leiter Produktmanagement in Poole
Der Linksverkehr ist in Europa
­indes eher die Ausnahme als die
Regel. Als einer der letzten größeren nicht-britischen Staaten hat
Schweden in den 1960er-Jahren
mit Rücksicht auf die Nachbarländer auf Rechtsverkehr umgestellt.
Auf welcher Straßenseite würde
man in Großbritannien heute
­fahren, wenn es nicht von Meer
umschlossen wäre?
In Europa mag der Linksverkehr die
Ausnahme sein, weltweit betrachtet
gilt das nicht unbedingt: Insgesamt
fährt man heute immerhin in rund 60
Ländern auf der linken Straßenseite.
Ich bin auch ziemlich sicher, dass wir
weiterhin daran festhalten würden,
wenn unser Land auf dem Kontinent
läge. Denn die Umstellung wäre natürlich mit einem gewaltigen Aufwand
verbunden. Denken Sie allein an die
notwendige technische Anpassung
der über 35.000 Ampelanlagen und
signalisierten Fußgängerüberwege.
Selbst wenn man die möglichen Effizienzvorteile für unsere Autoindustrie
dagegen hält, die dann höhere Stückzahlen von Fahrzeugen mit Linkssteuerung produzieren könnte: Unterm
Strich würde sich die Umstellung auf
Rechtsverkehr unter rein volkswirtschaftlichen Aspekten wohl als Verlustgeschäft erweisen.
In Zeiten der Globalisierung ist die
internationale Verkehrsanbindung
ein wichtiger Wettbewerbsfaktor für
ein Land oder eine Region. ­Sehen
Sie für die kleineren oder vielleicht
sogar auch für die großen britischen
Inseln Nachteile in ­diesem Bereich?
Für Großbritannien oder Irland kann
ich in dieser Hinsicht definitiv keine
Defizite erkennen. Das liegt sicherlich
auch an der Leistungsfähigkeit unserer
Seehäfen. Die Schwerpunkte unserer
Regierung bei den Investitionen in die
verkehrliche Infrastruktur liegen derzeit auf der Verbesserung der nationalen Verbindungen. Zu den größten
aktuellen Projekten gehört der Ausbau
des Schienennetzes von London aus
in Richtung Norden. Bei den kleineren
Inseln wie etwa den schottischen Hebriden oder den Shetlands ist es keine
Frage, dass mangelnde Verkehrsanbindungen die wirtschaftliche Entwicklung oder sogar die Lebensfähigkeit
einiger Inselkommunen stark beeinträchtigen können. Hier hilft die Regierung in Form von Subventionen, um
bezahlbare Flug- und Fährverbindungen zu sichern.
Selbst kleinere Inseln verfügen häufig über ein in sich geschlossenes
Ökosystem, das ziemlich sensibel
auf negative Einflüsse reagiert.
Inwieweit wird dies bei der Ent­
wicklung der Mobilitätsstrategien
für die entsprechenden Regionen
berücksichtigt?
Die verkehrsbedingte Belastung der
Umwelt steht natürlich auch bei uns
permanent im Fokus. Aber meines
Erachtens spielt die Größe des Öko­
systems bei der Betrachtung der
Zusammenhänge keine allzu große
Rolle. Denn Emissionen sind eigentlich
immer und überall ein lokales Problem
– ganz einfach, weil laut Statistik die
meisten der täglichen Fahrten relativ
kurz sind. Bei uns in Poole beispiels-
weise kommt normalerweise weniger
als die Hälfte der Menschen, die hier
arbeiten, von außerhalb der Stadt.
Was bedeutet die fehlende Straßenanbindung eigentlich für den
Modalsplit in einer Region – ins­
besondere auch im Bereich des
Güterverkehrs? Sind in Großbritannien weniger Lkw unterwegs als
auf dem Kontinent?
In der Relation sicherlich nicht. Deshalb wird auch hier immer öfter die
Einführung einer Lkw-Maut gefordert,
damit alle Lastwagen einen fairen
Anteil an den Verkehrsinfrastrukturkosten tragen und um den traditionell
niedrigen Anteil der Schiene in der
Warenlogistik zu erhöhen. Bisher gibt
es im Interurban-Bereich nur eine einzige gebührenpflichtige Strecke: die
Autobahn M6 nördlich von Birmingham. Ansonsten existieren lediglich
lokale Tolling-Systeme an Brücken und
Tunneln oder im Zusammenhang mit
der Congestion Charge und der Low
Emission Zone im Großraum London.
Konnte die Schiene denn nicht einmal vom 1994 eröffneten Eisenbahntunnel unter dem Ärmelkanal
überdurchschnittlich profitieren?
Nicht wirklich. Die Straße ist nach wie
vor der Verkehrsträger Nummer eins.
Denn dank des Eurotunnel Shuttle ist
Großbritannien ja auch per Lkw deutlich leichter erreichbar. Im letzten Jahr
feierte das Freight Commercial Department die 18-millionste Lkw-Passage
durch den Kanaltunnel. Am Modalsplit
hat die 50 Kilometer lange Röhre zwischen Coquelles und Folkestone kaum
etwas geändert, ja sie hat vielleicht
sogar die Zahl der Lastwagen auf
unseren Straßen erhöht!
Lassen Sie uns zum Schluss noch
kurz persönlich werden: Was würden Sie am meisten vermissen,
wenn Ihr Büro ab morgen nicht
mehr in Poole, sondern – sagen
wir – in Moskau wäre?
Genau das, worüber wir indirekt die
ganze Zeit gesprochen haben: das
Meer unmittelbar vor der Haustür.
Wenn man mit Wasser um sich
herum aufgewachsen ist, dann will
man darauf einfach nicht mehr
­verzichten – noch weniger als auf
den Linksverkehr.
Herr Manston, wir danken Ihnen
für das Gespräch.
31
ITS magazine 3/2012 | Im Fokus
IMPRESSUM
ITS magazine · Fachmagazin
für Straßenverkehrstechnik / ITS
Herausgeber: Siemens AG · Infrastructure & Cities
Sector · Mobility and Logistics Division
Road and City Mobility
Hofmannstraße 51 · D-81359 München
Redaktionsleitung: Dr. Michael Ostertag
(verantwortlich), Karin Kaindl: Siemens
IC MOL RCM MK
Koordination: Roland Michali: Siemens
IC MOL CC, Erlangen
Textredaktion: Peter Rosenberger, Philip Wessa:
www.bfw-tailormade.de · Eberhard Buhl
(„Im Seitenspiegel“)
Fotos:
Getty Titel, S. 6 / 7 · Corbis S. 2, 9, 10 / 11, 14–19
(Hintergrund), 26 · Achim Graf S. 3 · Gihan Tubbeh / PromPerú S. 13 · VisitBritain S. 14 (Sark) · Travel
Michigan, Mackinac Island Convention & Visitors
Bureau S. 15 (Mackinac Island) · Proexport Colombia
S. 16 (Bogotá) · Thinkstock S. 16 (Venedig) ·
Stadt Venedig S. 17 (Venedig) · Lilo Tadday;
www.foto-helgoland.de S. 17 (Helgoland) ·
Arnold Starosczyk, Kenya Tourism Board, Tobias
Hannemann S. 18 (Lamu) · Gemeindeverwaltung
Saas-Fee S. 19 (Saas-Fee) · Stadt Freiburg im
Breisgau S. 18 / 19 (Vauban) · dpa picture-alliance
S. 20 / 21 · Roland Michali S. 22 u. · Siemens AG
S. 22 o., 23, 24, 30 · photocase S. 25, 27 ·
Helmut Dähne S. 28 / 29
Konzeption & Gestaltung: Agentur Feedback,
München · www.agentur-feedback.de
Druck: Mediahaus Biering, München
Copyright: © Siemens AG 2013
Alle Rechte vorbehalten. Vervielfältigung dieser
Unterlage sowie Verwertung ihres Inhalts unzu­
lässig, soweit nicht ausdrücklich zugestanden!
Technische Änderungen vorbehalten.
Printed in Germany.
Das nächste ITS magazine erscheint im
September 2013
www.siemens.de/traffic
ISSN 2190-0299
Bestell-Nr. A19100-V355-B112
Dispo-Nr. 22300 · K-Nr. 689
313702 IF 07135.5
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