Rundbrief komplett als PDF - Flüchtlingsrat Baden
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Rundbrief komplett als PDF - Flüchtlingsrat Baden
FLÜCHTLINGSRAT BADEN-WÜRTTEMBERG Rundbrief August 2010 www.fluechtlingsrat-bw.de ? ! g i r d i w s g n u s s a Verf FLÜCHTLINGSRAT BADEN-WÜRTTEMBERG Rundbrief August 2010 1 INHALTSVERZEICHNIS Editorial | Unsere „Agenda 2010“ / Angelika von Loeper ....................................... S. 4 Titelthema: Abschiebungen in das Kosovo Roma-Flüchtlinge | Abgeschoben aus Baden-Württemberg / Petra Sorge ....................................... S. 6 Aktuelles zu URA II | Effektive Rückkehrprojekte? Zur Antwort der Landesregierung auf eine Anfrage des Flüchtlingsrats zu „URA 2“ / Ines Fischer ....................................... S. 8 Bericht | Demonstration für ein Bleiberecht von Roma ..................................... S. 10 am 8. Mai in Karlsruhe / Aktion Bleiberecht Freiburg Presseinfo | Rote Bächle gegen Abschiebungen / Aktion Bleiberecht Freiburg..................................... S. 11 Soziale Lebensbedingungen von Flüchtlingen in Ba-Wü Asylbewerberleistungsgesetz | Verfassungswidrig!? Das AsylbLG vor dem Aus? / Redaktion............... S. 12 Asylbewerberleistungsgesetz | Rückwirkende Gerechtigkeit? Ansprüche von Flüchtlingen auf erhöhte Leistungen nach § 2 AsylbLG / Vera Kohlmeyer-Kaiser ..................................... S. 13 Unterbringung / AsylbLG / „Integration“ | Lagerland Baden-Württemberg!? Aktuelle Analyse des Flüchtlingsrats / Andreas Linder ..................................... S. 15 Biberach | Gegen den diskriminierenden Alltag. Flüchtlinge organisieren sich selbst gegen Unterbringung, AsylbLG und Residenzpflicht / aus fluechtlings-bc-blog.de............ S. 22 Ulm | Asylbewerber beklagen sich über Unterkunft in Langenau / Südwest Presse 8.6.2010 ..................................... S. 24 Abschiebehaft Mannheim | Flüchtlingsrat Nach dem Brand: Besuch des Abschiebeknasts Mannheim am 9. Juli mit MdL Helen Heberer (SPD) / Angelika von Loeper ..................................... S. 26 Dokumentation | Petition Petition gegen Abschiebehaft in Baden-Württemberg / Bündnis gegen Abschiebehaft Tübingen ..................................... S. 29 Impressum: Gefördert durch den Europäischen Flüchtlingsfonds (EFF), PRO ASYL und die UNO-Flüchtlingshilfe. Herausgeber: Flüchtlingsrat Baden-Württemberg e.V. Urbanstr. 44, D-70182 Stuttgart Tel.: 0711/ 55 32 834, Fax: 0711/ 55 32 835 E-Mail: [email protected] Internet: www.fluechtlingsrat-bw.de Namentlich gekennzeichnete Artikel geben nicht die Meinung der Redaktion wider. Redaktion: Andreas Linder (AL), Volker Angelika von Loeper (V.i.S.d.P.) Löffler, Layout: Andreas Linder Titelfoto: Typisches Esspaket. GU Ubstadt-Weiher, Landkreis Karlsruhe, April 2010. Foto: Andreas Linder 2 FLÜCHTLINGSRAT BADEN-WÜRTTEMBERG Rundbrief August 2010 Rundbrief im Internet: www.fluechtlingsrat-bw.de Aktuelle Flüchtlingsarbeit in Ba-Wü - Projekte / Aktionen / Berichte ... Bleiberechtsprojekt / Stuttgart | Das Stuttgarter Netzwerk zur beruflichen Förderung ..................................... von Flüchtlingen (sneff) / Luzia Köberlein S. 31 Frauen / Bad Boll | Einzigartige Tagung für Flüchtlingsfrauen / www.diakonie-wuerttemberg.de............ S. 32 Asylarbeit / Karlsruhe | Mit Ballack ins Flüchtlingslager. ..................................... S. 33 Sommerfest für Flüchtlinge / Angelika von Loeper Öffentlichkeitsarbeit / Villingen-Schwenningen | Landesgartenschau „umgetopft“ / Sigrid Jaschke........... S. 35 Save-Me-Kampagne / Baden-Württemberg | Flüchtlinge aufnehmen ..................................... S. 36 auch in Baden-Württemberg! / Andreas Linder Save-Me-Kampagne / Tübingen | Aktion „Flüchtlinge aufnehmen“ / SüdwestPresse 21.7.2010............... S. 37 Abschiebung / Tübingen | Alles ist hier anders. Sechs Jahre nach ihrer Abschiebung kam Elif Güler zu Besuch. / SüdwestPresse 15.7.2010 ..................................... S. 38 Bleiberecht / Reutlingen | Einer von Millionen sein. Muhamet Idrizi kam als Flüchtling, jetzt hilft er anderen Migranten / SüdwestPresse 21.7.2010 ..................................... S. 39 Asylarbeit / Stuttgart | Besonderer Ausflug nach Ulm / SüdwestPresse 26.7.2010 ................................. S. 40 Engagement vor Ort / Gaildorf | Rettungsanker und Brückenbauer. Zum Tod von Günter Walz. / SüdwestPresse 6.7.2010 ..................................... S. 41 In Kürze - Infos & News / Materialien / Termine ... Infos & News zur Asylpolitik ..................................... Infos & News aus Baden-Württemberg ..................................... Aktuelle Materialien divers ..................................... Aktuelle Materialien zur Interkulturellen Woche / Tag des Flüchtlings, die Sie beim Flüchtlingsrat bestellen können ..................................... Termine: Veranstaltungen, Tagungen, Fortbildungen ..................................... Werbeblock in eigener Sache | Solidarität braucht Solidarität - Werden Sie Mitglied beim Flüchtlingsrat Baden-Württemberg e.V. (wenn Sie es nicht schon sind) oder helfen Sie durch eine Spende / es winkt ein Jahreskalender 2011 ..................................... S. 42 S. 43 S. 44 S. 45 S. 46 S. 47 FLÜCHTLINGSRAT BADEN-WÜRTTEMBERG Rundbrief August 2010 3 EDITORIAL Unsere „Agenda 2010“ ... Liebe Mitglieder, liebe Interessierte, im neuen Gewand kommt er daher und mit vielen spannenden Themen, der Rundbrief des Flüchtlingsrates. Mit neuem Konzept wollen wir Sie auf die Reise durch unsere Agenda 2010 mitnehmen. Vor 5 Jahren wurden mit den Hartz IV Gesetzen und dem Zuwanderungsgesetz gleich zwei große Bereiche der deutschen Gesetzgebung grundlegend reformiert. Hartz IV hat im Februar dieses Jahr einen grundlegenden Denkzettel abgekriegt. Die Rechenformel für die Regelsätze insbesondere für Kinder wurde vom Bundesverfassungsgericht abgeschmettert, hier muss nachgebessert werden. Bei den Sozialleistungen für Flüchtlinge wurden diese Hausaufgaben noch nicht aufgegeben. Höchste Zeit, dass auch hier das Bundesverfassungsgericht ein Machtwort spricht, die seit November 1993 nicht erhöhten Sätze verwirft und damit Flüchtlingen in Deutschland aus dem sozialen Abseits verhilft. Das Urteil des Landessozialgerichts NRW (siehe Seite 12) geht in diese Richtung. Soziale Lebensbedingungen von Flüchtlingen in Baden-Württemberg stehen im vom Europäischen Flüchtlingsfonds unterstützen Projekt VIA auf der Agenda des Flüchtlingsrates. Anhand von Fragebögen, Besuchen und Interviews hat Andreas Linder die Lebensbedingungen der Flüchtlinge unter die Lupe genommen. Lesen Sie seinen Bericht und viele weitere Beiträge hierzu in diesem Heft. Lagerland Baden-Württemberg: mit mehr als 70 Gemeinschaftsunterkünften, in denen Flüchtlinge oft über Monate und Jahre hinweg auf engstem Raum verbleiben müssen, steht Baden-Württemberg mit an der Spitze der desintegrierenden Unterbringung in Deutschland. Der Flüchtlingsrat möchte die Unterbringungssituation in der Interkulturellen Woche, zum Tag des Flüchtlings, bei seinem nächsten Plenum am 20. November 2010 und mit einer Lagerkampagne 2011 auf die Agenda setzen. Abschiebung und Abschiebehaft: Petra Sorge beschreibt in ihrem Artikel „Abgeschoben aus BadenWürttemberg“ die schwierige Lage der Roma-Flüchtlinge. Aktionen gegen die Roma-Abschiebungen werden im Folgenden von der Aktion Bleiberecht aus Freiburg dokumentiert. Auf der Agenda des Flüchtlingsrates steht auch das Thema Abschiebehaft. Lesen Sie hierzu die Petition vom Tübinger Bündnis gegen Abschiebehaft, sowie die Dokumentation des Besuches in der Mannheimer Abschiebehaft mit der Landtagsabgeordneten der SPD Helen Heberer. Unter der Rubrik Aktuelle Flüchtlingsarbeit in Baden-Württemberg finden Sie unterschiedliche Beispiele der Flüchtlingssolidarität vor Ort. Landesgartenschau „umgetopft“ beschreibt eine öffentlichkeitswirksame Aktion anlässlich der Gartenschau in Villingen-Schwenningen. Aktion „Flüchtlinge aufnehmen“ aus Tübingen zeigt eine neue Facette der „save-me-Kampage“, das Stuttgarter Netzwerk Sneff wird vorgestellt, eine Tagung für Flüchtlingsfrauen in Bad Boll zusammengefasst und von einem Sommerfest für Flüchtlinge aus der Karlsruher LASt erzählt. Diese und viele weitere Berichte zeugen von der Vielfalt der Flüchtlingssolidarität im Ländle. 4 FLÜCHTLINGSRAT BADEN-WÜRTTEMBERG Rundbrief August 2010 Infos und News, Materialien und Termine finden Sie zur weiteren Planung Ihrer Agenda 2010 am Ende des Heftes. Für die Interkulturelle Woche und zum Tag des Flüchtlings stehen einige Materialien bereit. Hierfür stellt der Flüchtlingsrat ab Mitte September auch eine Aktionszeitung zur Verfügung. Solidarität braucht Solidarität: der Flüchtlingsrat hat sich viel vorgenommen. Für unsere Arbeit sind wir für jede Spende dankbar, jedes Mitglied stärkt die Solidarität mit Flüchtlingen. Bis zum 30. No- vember gibt es für jedes neue Mitglied einen Bonus. Aber lesen Sie selbst auf Seite 47. Nicht zuletzt möchte ich mich bei Reiner Klass für seinen Einsatz bedanken. Er hat Ende Juli die Geschäftsstelle nach fast neun Jahren Tätigkeit für den Flüchtlingsrat Baden-Württemberg auf eigenen Wunsch verlassen, um sich neuen Herausforderungen zu stellen. Hierzu wünschen wir ihm viel Glück! Erfreulicherweise haben Andreas Linder, der seit März das Flüchtlingsrat-Team stärkt, und Volker Löffler die Herausforderung angenommen und ihre Stellen aufgestockt. Andreas Linder ist für die inhaltliche Arbeit, die Kampagnen, Öffentlichkeitsarbeit und die Projekte des Flüchtlingsrates zuständig. Volker Löffler hat seinen Schwerpunkt in der Verwaltung und der Gestaltung von www. fluechtlingsrat-bw.de Trotz der momentanen Umbruchsituation hat Andreas Linder mit großem Elan ein neues Konzept für den Rundbrief entwickelt, das Ergebnis liegt vor Ihnen. Wir wünschen eine interessante Lektüre! Neun Jahre Flüchtlingsrat setzen den besten Birkenstocklatschen zu! Lieber Reiner, halt die Ohren steif und machs gut an deinem neuem Arbeitsplatz und mit deinen neuen Büroschuhen kann nichts schiefgehen! Für den Flüchtlingsrat Baden-Württemberg Angelika von Loeper, 1. Vorsitzende ... stellt die sozialen Lebensbedingungen von Flüchtlingen in Baden-Württemberg in den Mittelpunkt: Auf der Grundlage unserer bisherigen politischen Positionen sowie der Erkenntnisse aus unserer aktuellen Studie zu den sozialen Lebensbedingungen von Flüchtlingen in Baden-Württemberg (lesen Sie dazu ab Seite 15) entwickeln wir derzeit inhaltliche Positionen und Ziele, die wir auch anlässlich der anstehenden Landtagswahl kritisch und konstruktiv in die Diskussion mit den politisch Verantwortlichen und der Zivilgesellschaft einbringen wollen. Wir hoffen hierhei auf Ihr Interesse und besser noch auf Ihre aktive Beteiligung oder Unterstützung ... (Voraussichtliche) Teilschritte einer „Lagerkampagne“ 2010 / 2011 26.9.-2.10. 2010 Aktionszeitung zur Interkulturellen Wochen / Tag des Flüchtlings 20.11.10 Plenum/Tagung des Flüchtlingsrats mit Schwerpunkt „Lagerkampagne“ Nov. und Dez. 2010 Landtagswahlkampf: Informationsgespräche mit Landtagsfraktionen / Parteien / Forderungen an die Landesregierung Januar / Februar 2011 Planungs- / Aktionskonferenz für „Vor-Ort-Aktionen“ Februar bis April 2011 Dezentrale Veranstaltungsreihe zur Lagerkampagne / Konzerte mit dem Liedermacher Heinz Ratz – Besuche von Unterkünften März 2011 Landtagswahl Mai bis Juli 2011 Tour durch Baden-Württemberg - nach Regierungsbezirken werden jeweils 3-6 Orte ausgewählt - an jedem Tour-Ort gibt es eine ganztägige zentrale Aktion. Diese wird gemeinsam vom FR und lokalen Gruppierungen vorbereitet und durchgeführt und konzentriert sich auf die lokale/regionale Situation und die damit verbundenen Forderungen und Ziele. Der Hauptteil der Aktivitäten soll in den Unterkünften stattfinden Gestaltungsmomente der lokalen Aktionen: - Es soll genügend Zeit sein, um mit Flüchtlingen ins Gespräch zu kommen und ihnen eine Beteiligung an der Aktion möglich zu machen. Sie sollen Raum bekommen, um ihre Interessen und Vorschläge artikulieren zu können. - An jedem Ort sollen Kommunalpolitiker (v.a. Kreistag) eingeladen werden und einen auf den jeweiligen Ort zugeschnittenen Forderungskatalog erhalten - An jedem Ort wird ein Kulturprogramm in der GU organisiert später in 2011? Den neu gewählten Abgeordneten wird ein Glückwunschschreiben mit einer Vorlage für Gesetzesänderung des FlüAG FLÜCHTLINGSRAT BADEN-WÜRTTEMBERG Rundbrief August 2010 5 Abgeschoben aus Baden-Württemberg Im April hat die Bundesregierung ein Abkommen mit dem Kosovo unterzeichnet, das die Rückführung von ausreisepflichtigen Menschen regelt. Darunter sind auch viele aus Baden-Württemberg. Jeden zweiten Dienstag eines Monats geht ein Abschiebeflieger vom „Baden-Airpark“ in Söllingen bei Karlsruhe. von Petra Sorge 6 FLÜCHTLINGSRAT BADEN-WÜRTTEMBERG Rundbrief August 2010 Das Ehepaar Krasniqi ist schon um kurz nach elf am Flughafen in Pristina. Am Morgen dieses 20. Juli hat ein Kollege aus Deutschland angerufen: Der Bruder des Anrufers, Karlin Enver, 33 Jahre, sei gegen 4 Uhr von der Polizei in Stuttgart abgeholt worden. Er wurde direkt zum Flughafen gebracht, in Handschellen. Ob die Kollegen im Kosovo ihm helfen könnten? Die Sonne brennt, Served Krasniqi wischt sich eine Träne aus dem Gesicht. „Was ist da passiert?“, fragt sie. „Karlin hat hier nichts, kein Haus, keinen Job.“ Der Deportationsflug landet gegen halb eins. Bildschirme am Terminal kündigen Flüge aus Verona, Wien und Istanbul an. Von einem Flieger aus Karlsruhe-Baden ist nichts zu lesen. Zwei Stunden lang harren die Krasniqis am Ausgang des Flughafens aus. Auf Ein Kind in einem überwiegend von Roma und Ashkali bewohnten Slum in Fushë Kosova sucht im Müll nach Verwertbarem. Hier wohnen auch Menschen, die aus Baden-Württemberg abgeschoben wurden. Bild: Petra Sorge die 39 Abgeschobenen aus Deutschland warten weniger als ein Dutzend kosovarische Bekannte und Angehörige. Dann öffnet sich die Tür, einige junge Männer schauen unsicher in die Menschenmenge. Karlin Enver zieht eine schwarze Tasche hinter sich her, mehr durfte er nicht mitnehmen. Ein paar Klamotten, Wertsachen, mehr passte nicht hinein. Nach 19 Jahren ist der junge Mann in das Land zurückgekehrt, das ihm fremd ist. Enver lässt seine 70-jährige Mutter zurück. Sie ist zuckerkrank, hatte einen Herzinfarkt, ist auf dem einen Auge ganz, auf dem anderen fast blind. „Ich habe sie jahrelang gepflegt, für sie eingekauft. Jetzt hat sie niemanden“, sagt Enver. Doch am meisten vermisst er seine fünfjährige Tochter. Die darf er jetzt nicht mehr sehen, weil er eine Einreisesperre hat. „Die Behörden haben mir alles kaputt gemacht.“ 2004 wurde Enver die unbefristete Aufenthaltserlaubnis entzogen. Nach Angaben des Stuttgarter Amts für öffentliche Ordnung habe es keinen Fluchtgrund mehr gegeben. Außerdem habe Enver keinen Pass besessen, 13 Jahre öffentliche Leistungen bezogen und sei wegen diverser Vorstrafen aufgefallen. Enver gründete eine Familie, bekam so eine neue Aufenthaltserlaubnis für drei Jahre. Als sich das Ehepaar 2007 trennte, sah die Ausländerbehörde keinen Grund mehr, die Erlaubnis zu verlängern. Enver klagte, der Eilantrag wurde abgelehnt. Vier Tage später kam die Polizei zur Abschiebung. Es blieb keine Zeit mehr, eine freiwillige Ausreise zu planen. Der Anwalt erfuhr davon erst am Vormittag, als es schon zu spät war. Eigentlich hätte Enver an diesem Morgen wieder einen Job gehabt – bei Karstadt, in der Reinigung. Ein Jahr hatte er dort gearbeitet. Mit der Firmeninsolvenz kam die Entlassung, Enver war ein paar Monate arbeitslos. Das wog bei den Behörden schwer. Enver sagt, er hat „überall geschafft“, als Staplerfahrer, im Lager, bei der Logistikfirma Steinle. Er wohnt jetzt in Peja, doch wie es weitergeht, weiß er nicht. Die Arbeitslosigkeit im ärmsten Land Europas liegt bei über 40 Prozent, die Löhne bei etwa 100 Euro im Monat, im öffentlichen Dienst bei 250 Euro. Rückkehrer aus BadenWürttemberg werden für sechs Monate von der Hilfsorganisation URA II, die von vier Ländern und dem Innenministerium getragen wird, unterstützt. Doch das Jahresbudget der Organisation war bereits Ende Juli zu zwei Dritteln ausgeschöpft. Wer jetzt kommt, muss sich auf drastische Kürzungen einstellen. Karlin Enver erhält für Essen und Miete 150 Euro im Monat, zu wenig zum Leben. Als die Alilis aus Pforzheim 2005 ins Kosovo abgeschoben wurden, gab es nicht einmal diese kleine Hilfe. Die Roma-Familie wohnt in einem Slum in Fushë Kosova, einem Vorort von Pristina. Viele Häuser stehen nur in Ruinen da. Seit dem Krieg wurden sie nicht mehr aufgebaut. Die Kinder hier laufen barfuß, suchen Verwertbares in Müllhaufen. „Es bricht mir das Herz, sie betteln zu sehen“, sagt Fikrije Alili, 42. Die vierfache Mutter verschenkt oft Brot und Obst, obwohl sie dem Lebensmittelladen selbst Hunderte Euro schuldet. Dazu kommen die Schulden im Krankenhaus: Der älteste Sohn Halil musste nach einem Autounfall am Kopf genäht werden, sein linkes Bein ist viermal gebrochen und gesplittert. Die Familie hat keine Kranken- Adnan, Halil und Mutter Fikrije Alili (bis vor kurzem Pforzheim) wohnen jetzt in Pristina im Haus eines Onkels, mitten im RomaSlum. Bild: Petra Sorge versicherung, Arztrechnungen müssen privat bezahlt werden. Fikrije ist schwer depressiv, sie weiß nicht, wie sie ihrer Familie helfen soll. „Uns versteht hier niemand.“ Die Nachbarn denken, weil die Alilis aus Deutschland kommen, sind sie reich. Halil sagt, sie haben hier keine Freunde. „Bekannte, Nachbarn vielleicht, aber keine Freunde.“ Sein 16-jähriger Bruder Adnan, der in Deutschland geboren ist, vermisst die Schule. Er war elf Jahre, ging in die sechste Klasse, als die Polizei kam, um sie abzuschieben. „Ich habe nur geweint, wochenlang.“ Dort hatte er in seiner Freizeit Fußball gespielt. Hier geht er im Eckladen arbeiten, von 7 bis 19 Uhr, für 100 Euro im Monat. Dass abgeschobene Minderjährige im Kosovo nicht zur Schule gehen, ist kein Einzelfall. Eine kürzlich veröffentlichte Roma-Studie des Kinderhilfswerks Unicef zeigt, dass dies drei von vier Kindern betrifft. Das hat verschiedene Gründe: Fast alle Familien landen in der sozialen Isolation, manchen fehlen die Geburtsurkunden. Adnan Alili hat in Deutschland nie Albanisch schreiben gelernt. Demnächst will er es aber mit der Schule versuchen. Weil er in Deutschland geboren ist, hofft er darauf, irgendwann dorthin zurückzukehren: „Das ist mein einziger Wunsch.“ Für Karlin Enver gibt es diese Möglichkeit nicht. Er ist traurig, erschöpft, isoliert. Nach zwei Wochen im Kosovo hat er das erste Mal mit seiner Tochter übers Internet telefoniert. „Sie hat geweint und gefragt: Papi, wann kommst du zurück?“ Die Autorin: Petra Sorge ist Studentin der Journalistik und Politikwissenschaft in Leipzig. Sie volontierte bei den Nürnberger Nachrichten und publizierte u.a. in Zeit Online und Berliner Zeitung. Zur Zeit lebt sie in Pristina und anderen Orten des Kosovo, um dort für ihre Diplomarbeit zu forschen. FLÜCHTLINGSRAT BADEN-WÜRTTEMBERG Rundbrief August 2010 7 AKTUELLES ZU „URA 2“ Effektive Rückkehrprojekte? Von Ines Fischer Für Flüchtlinge, die „freiwillig“ in den Kosovo zurückkehren wollen, wurde bereits im Jahr 2007 das Projekt URA 1 mit Förderung durch die EU ins Leben gerufen. „Ura“ bedeutet im albanischen „Brücke“ und soll als Projekt für ein Engagement der daran beteiligten Länder in der Beratung und Begleitung von Menschen stehen, die der Abschiebung entgehen wollen und sich für eine sogenannte „freiwillige“ Rückkehr entscheiden. Beteiligt waren neben dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) unterschiedliche europäische Träger, darum sollten von den Hilfen des Projektes auch Flüchtlinge außerhalb Deutschlands profitieren können. Mit dem Auslaufen des Projektes im Oktober 2008 wurde die Zuständigkeit für eine Begleitung von rückkehrwilligen Flüchtlingen wieder auf die nationale Ebene verwiesen, das BAMF installierte ab 1.1.2009 (zunächst befristet bis 2010) in Kooperation mit den Bundesländern NRW, Niedersachsen und BaWü das Projekt „URA 2“, das nur von Flüchtlingen in Anspruch genommen werden kann, die aus diesen Bundesländern kommen. Rückkehrprojekte als Feigenblätter? Aus der Perspektive des Flüchtlingsrates sind sogenannte „Rückkehrprojekte“ in Herkunftsländern grundsätzlich kritisch zu hinterfragen, da sie in der Diskussion häufig dafür instrumentalisiert werden, um Flüchtlingen ein Aufenthaltsrecht zu verweigern mit der Begründung, dass eine Betreuung und Begleitung auch im Heimatland gewährleistet sei. Rückkehrprojekte dürfen jedoch keine Feigenblätter für eine grundsätzlich flüchtlingsfeindliche Politik sein, darum sind sie genauestens auf ihre Nachhaltigkeit zu überprüfen. Hinsichtlich der Projekte URA 1 und URA 2 im Kosovo standen in der Vergangenheit sehr wenige aussagekräftige Informationen seitens der Träger zur Verfügung. Berichtet wurde hingegen von Nichtregierungsorganisationen und tatsächlich zurückgekehrten Flüchtlingen, dass die Versorgung durch die Projekte wenig effektiv und bei weitem nicht nachhaltig sei. Aktuelle Informationen über URA 2 8 FLÜCHTLINGSRAT BADEN-WÜRTTEMBERG Rundbrief August 2010 Mit Schreiben vom 30. Juni 2010 haben sich Fraktionsmitglieder der Grünen an das Innenministerium Baden-Württemberg gewandt, um Klarheit hinsichtlich der Effektivität von URA 2 im Kosovo zu erhalten. Aus der Antwort des Innenministeriums (IM) vom 21.7.2010 gehen folgende Informationen hervor: Vor Ort sind im Rahmen des Projektes URA 2 im Kosovo derzeit drei Arbeitsvermittler, drei Sozialarbeiter und zwei Psychologen (letztere mit 1,5 Stellen) sowie eine Projektassistentin und eine Reinigungskraft tätig. Ein Langzeitberater des BAMF ist ebenfalls vor Ort und leitet das Projekt. Das Innenministerium beziffert die Zahl der aus Baden-Württemberg in den Kosovo ausgereisten Menschen in der Zeit vom 1.1.2009 bis zum 30.3.2010 mit 105 freiwillig ausgereisten und 174 abgeschobenen Personen. Da das Projekt URA 2 von mehreren Bundesländern getragen wird und insgesamt einen Kostenaufwand von 616 000 Euro pro Jahr notwendig macht, beliefen sich die Kosten für Baden-Württemberg im Jahr 2009 auf 30 000 Euro, im Jahr 2010 auf 40 000. Das Innenministerium verweist in seiner Stellungnahme außerdem noch auf die REAG / GARP – Programme und beziffert die Prozentzahl derjenigen, die im Jahr 2009 von diesen Programm profitierten auf 20%. Auf die Frage, wie viele Menschen eine Übernachtung im Rückkehrzentrum im Kosovo kurz nach ihrer Rückkehr in Anspruch nehmen mussten, ist die Antwort des Innenministeriums undeutlich bis nichts sagend: Es wird darauf verwiesen, dass die Zahl der Übernachtungen im Rückkehrzentrum sehr gering war, außerdem wird angegeben, dass es eine eigene statistische Erhebung über die Anzahl der Übernachtungen im Rückkehrzentrum nicht gebe. Hinsichtlich der Hilfe bei der Wohnungsbeschaffung gibt das IM an, dass im Jahr 2009 81 Personen durch das Projekt eine Unterkunft vermittelt wurde. Die Kosten für die Unterkunft seien für 6 Monate bezahlt worden, im Jahr 2009 seien die Kosten zum Teil auch für einen längeren Zeitraum übernommen worden. Der Betrag für Mietzuschüsse wird für diese Zeit auf 40 500 Euro beziffert. Bezüglich der Frage wie viele Menschen durch das Rückkehrprojekt in eine psychotherapeutische Beratung vermittelt worden seien, verweist das IM auf 40 Menschen im Jahr 2009, gibt aber nicht an, in welchem Rahmen und Umfang diese Betreuung erfolgte. Die beiden dafür zuständigen Psychologen nehmen derzeit parallel zu ihrer Tätigkeit an einem zweijährigen Fortbildungslehrgang im Kosovo teil, der von der Diakonie Trier durchgeführt wird. Kritische Anfragen an die Landesregierung in der Rückkehrberatung Angesichts der zur Verfügung stehenden Informationen sind deutliche Zweifel angebracht, ob das Projekt URA 2 tatsächlich als nachhaltig bezeichnet werden oder als Argumentationsgrundlage dafür dienen kann, Flüchtlingen eine Rückkehr in den Kosovo nahe zu legen. Ausgehend von der Genfer Flüchtlingskonvention, die fordert, dass Verhältnisse im Heimatland nachhaltig und langfristig gesichert sein müssen, bevor eine Rückkehr erfolgen kann, ist eine Rückkehr in den Kosovo vielen oft auch traumatisierten Flüchtlingen gar nicht erst zuzumuten. Besonders Roma, die von Abschiebungen häufig betroffen sind, finden im Kosovo wahrlich keine stabilen Verhältnisse vor und müssen nach einer Abschiebung ein elendes Dasein fristen. Eine Rückkehrberatung kann in diesem Rahmen nicht das leisten, was sich gerade Flüchtlinge oft von ihr versprechen (müssen) oder mglw. auch durch sie suggeriert bekommen: Den guten Start in ein neues Leben. Der finanzielle Rahmen, in dem sich die Landesregierung in der Rückkehrberatung engagiert ist im Vergleich zu den Ausgaben, die für Abschiebungen vorgesehen sind, verschwindend gering. Zu hinterfragen wären vor allem die Zahlen, die angegeben werden: Zum einen beteiligte sich Baden-Württemberg mit 30 000 Euro im Jahr 2009 an dem Projekt URA 2, im selben Jahr wurden jedoch allein 40 500 Euro in Mietzuschüsse investiert. Aus diesem Zahlenbeispiel kann der Schluss gezogen werden, dass Baden-Württemberg mit seinen Zahlungen den tatsächlichen Notwendigkeiten nicht nachzukommen scheint. Zielpunkt einer Kritik muss weiterhin die psychologisch-therapeutische Betreuung sein, die durch das Projekt scheinbar ausreichend möglich gemacht werden soll. Die Angabe von 40 Menschen, die diese Betreuung 2009 in Anspruch genommen haben sollen macht nicht deutlich, ob darunter auch Mehrfachkontakte fallen und in welchem Umfang die Betreuung tatsächlich erfolgte. Die Zahl der abgeschobenen bzw. zurückgekehrten Menschen legt nahe, dass ein deutlich höherer personeller Aufwand notwendig wäre, um die in ihr Heimatland zurückgekehrten bzw. abgeschobenen Menschen angemessen psychologisch-therapeutisch zu begleiten. Außerdem fehlen konkrete Angaben, inwieweit eine Versorgung mit Medikamenten abgedeckt ist und ob Krankenhausaufenthalte im Prinzip möglich sind. Die Antwort des IM gibt zwar Auskunft zu den durch die Anfrage aufgeworfenen Fragen, vermittelt aber kein Bild, welche Herausforderungen RückkehrerInnen zu bewältigen haben und wie viele an diesen Herausforderungen scheitern. Die Frage der Nachhaltigkeit spielt keine Rolle und bleibt darum offen. Insistieren auf konkreteren Angaben Für den Flüchtlingsrat Baden-Württemberg wird es notwendig sein, in der Zukunft weitere Details der Arbeit von URA 2 einzufordern bzw. transparent zu machen. Dafür sind wir vor allem auf Berichte von Flüchtlingen selbst angewiesen oder von Nichtregierungsorganisationen, die sich vor Ort ein eigenes Bild der Lage machen. Für alle Berichte oder Informationen in dieser Hinsicht sind wir dankbar. Solange die Wirksamkeit der Maßnahmen jedoch derart fraglich ist, ist jeglicher Verweis auf URA 2 als wirksame Hilfe für eine große Zahl von RückkehrerInnen nicht angemessen. Der Originaltext der Anfrage und der Stellungnahme ist nachzulesen unter www2.landtag-bw.de/WP14/ Drucksachen/6000/14_6569_d.pdf Die Autorin: Ines Fischer war von 2005 bis 2010 Asylpfarrerin in Reutlingen. Sie ist Mitglied des Sprecherrats des Flüchtlingsrats BadenWürttemberg FLÜCHTLINGSRAT BADEN-WÜRTTEMBERG Rundbrief August 2010 9 AKTION BLEIBERECHT FREIBURG - BERICHT Demonstration für ein Bleiberecht von Roma Quelle: www.aktionbleiberecht.de Am 8. Mai demonstrierten zwischen 800 und 1.000 Personen für ein Bleiberecht von Roma in der Karlsruher Innenstadt. „Wer bleiben will, soll bleiben! – Stopp Deportation“ war auf mehreren Transparenten zu lesen. Auch eine Samba-Gruppe mit heißen Rhythmen hatte sich der Demonstration angeschlossen. Etwa 70 kleine und größere Gruppen und Organisationen hatten zu der Demonstration aufgerufen. Die Demonstranten, darunter viele MigrantInnen, waren sich einig, die Flüchtlingspolitik in Deutschland muss geändert werden, die Abschiebungen dürfen nicht weitergehen. Zahlreiche Passanten, vor allem MigrantInnen, standen dem Demonstrationszug sehr positiv gegenüber. Engagiert und kreativ waren die unterschiedlichsten Losungen auf Schildern und Stoff. Eine politisch entschlossene Demonstration von Jung und Alt hatte sich auf den Weg gemacht, um auch gegenüber der Innenministerkonferenz in Hamburg klar zu machen: Abschiebungen, nicht mit uns. Gleich zu Beginn der Demonstration hatte Bernd Mesovic von PRO ASYL ein „Sofortiges Ende der RomaAbschiebungen in den Kosovo“ gefordert: „Die Bundesregierung weiß, was die Abgeschobenen erwartet. Die Mehrheit muss in absoluter Armut leben, in Behelfsunterkünften ohne sanitäre Anlagen oder Heizung.“ Er ging auf die historische Verpflichtung Deutschlands ein: „Hunderttausende Roma wurden Opfer des Holocaust, viele auf dem Balkan. Der Umgang mit Roma-Flüchtlingen, die insbesondere in den letzten 15 Jahren Schutz vor Verfolgung gesucht haben, ist die Nagelprobe auf das Bekenntnis, aus der Vergangenheit lernen zu wollen.“ Eine RednerIn von Aktion Bleiberecht Freiburg forderte ein Ende der Abschiebungen vom Baden-Airpark und verurteilte die Abschiebepolitik des Landes und ihrer ausführenden Behörde, des Regierungspräsidiums Karlsruhe. 10 FLÜCHTLINGSRAT BADEN-WÜRTTEMBERG Rundbrief August 2010 Einige Menschen schlossen sich in der Karlsruher Innenstadt spontan dem Demonstrationszug an. Tausende Menschen beim Einkauf oder in Gartenwirtschaften folgten bei frühlingshaftem Wetter aufmerksam den unterschiedlichen Redebeiträgen. Die Polizei zog ihr anfängliches Spalier von der Demonstration ab. Neben zahlreichen Flüchtlingsräten aus Hessen, NRW, Bayern, Niedersachsen und Baden-Württemberg sowie PRO ASYL bekräftigten verschiedene Flüchtlingsgruppen die Forderung „Bleiberecht für Roma! – Schluss mit den Ab- schiebungen!“ ... Ein Redner der Roma, noch sichtlich erschüttert von seinen Eindrücken bei einer vor kurzem stattgefundenen Kosovoreise, verurteilte das Rückübernahmeabkommen mit dem Kosovo, wonach 15.000 Menschen abgeschoben werden sollen. Darunter befinden sich 11.000 Angehörige der Romaminderheiten. ... Ein Vertreter des Aktionskreis Internationalismus Karlsruhe benannte als wesentliche Fluchtursachen die Kriege z.B um Rohstoffe wie im Kongo oder Irak oder die systematische Zerstörung der natürlichen Lebensgrundlagen aus Profitgründen. Allein die hausgemachte sogenannte Klimakatastrophe wird nach Angaben der UNO bis zum Jahre 2050 weitere 50 Millionen in die Flucht treiben. Ein Flüchtling aus Nigeria kritisierte in einem Redebeitrag das Regierungspräsidium Karlsruhe für die Zusammenarbeit mit der nigerianischen Botschaft und die damit verbundenen Zwangsvorführungen von in Deutschland lebenden Flüchtlingen. Die Zwangsvorführungen haben nur ein Ziel: die Abschiebung! Das Bündnis, das zur „Kampagne gegen die Abschiebungen vom Deportation Baden-Airpark“ aufgerufen hat, bekräftigte nochmals die Entschlossenheit, die Kampagne weiterzuführen. Solange die Abschiebungen nicht vom Tisch sind, wird der Widerstand weitergehen, aber stärker vernetzt. „Gebt Kirchenasyl, wo Kirchasyl verlangt wird!“, „Steht den Betroffenen zur Seite, wenn sie unsere Solidarität brauchen“, „Macht die Abschiebungen öffentlich“ und „geht auf die Straße, wenn Protest notwendig wird“ und „verhindert die Abschiebungen, versteckt die Menschen, wenn es anders nicht mehr geht“. In sämtlichen Redebeiträgen, in Forderungen auf den Transparenten, in zahlreichen Publikationen, die verteilt wurden, im Engagement der TeilnehmerInnen wurde deutlich, dass niemand diese Abschiebungen will. „Wer bleiben will, soll bleiben!“ Der Baden-Airpark und das Regierungspräsidium Karlsruhe werden die Adressen für weiteren Protest sein. AKTION BLEIBERECHT FREIBURG - PRESSEINFO VOM 13.7.2010 Rote Bächle gegen Abschiebungen Einmal im Monat geht ein Abschiebeflug vom Flughafen Baden-Baden. An Bord sind Flüchtlinge, hauptsächlich Roma, die teilweise seit vielen Jahren in Deutschland lebten und dieses Land nicht freiwillig verlassen haben. Im Kosovo erwartet sie ein Leben ohne Perspektive - gerade Roma sind dort noch immer einer tiefgreifenden gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Diskriminierung ausgesetzt, sie müssen noch immer mit Verfolgung rechnen. Viele von ihnen leben seit Jahren in Deutschland, ihre Kinder sind hier geboren und sprechen nicht einmal die Sprache der fremd gewordenen „Heimat“ Kosovo. Das hindert die deutschen Behörden jedoch nicht daran, sie abzuschieben und damit Existenzen zu zerstören. Entgegen der Einschätzung der EU-Kommission und diverser NGOs bewertet die Bundesregierung die Lage im Kosovo wider alle Fakten als „unproblematisch“ und hat ein Rückübernahmeabkommen mit Pristina geschlossen. Demnach sollen in den nächsten Jahren 15.000 Menschen in den Kosovo abgeschoben werden. Auch 460 Menschen aus Freiburg sind nun zusätzlich akut von Abschiebung bedroht. Die monatlichen Abschiebungen werden unbemerkt von der Bevölkerung über den Flughafen Baden-Baden durchgeführt, er ist für ganz Süddeutschland die zentrale Stelle für Abschiebungen in den Kosovo. So zeigt sich, dass anders als häufig suggeriert, der staatliche Rassismus und die brutale Abschottung Europas nicht nur an den Außengrenzen der EU, sondern auch direkt in unserer Region zu Tage treten. Um auf diese Tatsache aufmerksam zu machen, haben wir heute in der Freiburger Innenstadt Papierflieger mit Informationen zu den Abschiebungen vom Münster fliegen lassen und die „Bächle“ rot gefärbt. Denn nicht nur das Mittelmeer färbt sich rot vom Blut toter Flüchtlingedie Opfer der Festung Europa leiden und sterben auch im Schwarzwald, direkt vor unserer Haustüre. Die roten „Bächle“ in Freiburg sollen als Symbol für die Grausamkeit des deutschen Abschiebesystems stehen und unseren Protest dagegen für jeden sichtbar machen. Flüchtlinge werden in Deutschland als Menschen zweiter Klasse behandelt, für die die Menschenrechte nur eingeschränkt gelten. Sie dürfen nicht arbeiten, müssen auf engstem Raum in Lagern leben und dürfen den Landkreis, in dem sie untergebracht sind, nicht verlassen. Sie leben in ständiger Angst vor Abschiebung und in dem Bewusstsein, in Deutschland alles andere als willkommen zu sein. Viele halten diesem Druck nicht stand, Körper und Seele leiden, manchmal so sehr, dass keine Rettung mehr möglich ist. Mehrere Suizide in Abschiebegefängnissen in den letzten Monaten (zuletzt am 2. Juli in Hannover) verdeutlichen dies auf traurigste Weise. Wie kann es sein, dass solche Zustände in einem angeblich rechtsstaatlichen Land wie Deutschland geduldet, gar gefördert werden? Menschen verlassen aus unterschiedlichsten Gründen ihre Heimat - sie fliehen vor Krieg, Elend, Folter oder politischer Verfolgung. Gemeinsam ist allen, dass sie kaum eine andere Wahl hatten, als zu fliehen, vor Zuständen, die wir uns kaum vorstellen können. Doch auch in Deutschland geht ihr Leiden weiter - sie sind nicht willkommen und das wird ihnen heftig verdeutlicht. Wir leben ein privilegiertes Leben in Deutschland friedlich, sicher und in einem gewissen Wohlstand. Wir haben Glück gehabt. Doch woher nehmen wir das Recht, jene, die nicht so viel Glück hatten, auszugrenzen und in das Elend, vor dem sie geflohen sind, zurückzuschicken? Dafür gibt es keinerlei Legitimation! Daher fordern wir eine sofortige Abkehr von der inhumanen Flüchtlings- und Abschiebepolitik Deutschlands und der Europäischen Union! Menschenrechte können nicht von einem Pass abhängig sein! Die roten „Bächle“ sind nur ein Symbol, sie sollen endlich eine Problematik vor Augen führen, die viel zu lange unbeachtet blieb. Ein Symbol kann die Zustände nicht ändern - vielfältiger Protest schon. Dieser ist auch auf lokaler Ebene möglich. Ansatzpunkte bieten u.a. die Stadt Freiburg, der Baden-Airpark und das Regierungspräsidium Karlsruhe. Hinsehen, Interesse zeigen und Widersprechen sind die ersten Schritte! Solidarität und Unterstützung für unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger in den Flüchtlingswohnheimen! Denn kein Mensch ist illegal, nirgends! Mehr Infos: www.roma-kosovoinfo.com/ Quelle: www.aktionbleiberecht.de FLÜCHTLINGSRAT BADEN-WÜRTTEMBERG Rundbrief August 2010 11 ASYLBEWERBERLEISTUNGSGESETZ Verfassungswidrig!? Das AsylbLG vor dem Aus! Das Bundesverfassungsgericht hat die Hartz-IV-Regelsätze im Februar 2010 für verfassungswidrig erklärt. Seitdem fordern Menschenrechtsorganisationen und Wohlfahrtsverbände ebenfalls die Überprüfung der Regelsätze für asylsuchende und geduldete Flüchtlinge. Die Leistungen nach dem AsylbLG wurden seit Einführung im Jahr 1993 nicht verändert und liegen 37% unterhalb der Hartz-IV-Sätze. Das widerspricht dem Grundgesetz. Denn auch Flüchtlinge haben das Recht auf menschenwürdige Existenz! Nun hat das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen die Leistungssätze des AsylbLG mit Bezug auf das Hartz-IV-Urteil für verfassungswidrig erklärt. Wir dokumentieren hier die diesbezügliche dpa-Meldung vom 28. Juli. (Redaktion) Essen (dpa/lnw) - Die Leistungen für Asylbewerber kommen auf den Prüfstand. Das Landessozialgericht von Nordrhein-Westfalen hält die Höhe der monatlichen Zahlungen für verfassungswidrig, teilte das Gericht am Mittwoch in Essen mit. Die Sätze seien zu niedrig. Nun soll das Bundesverfassungsgericht klären, ob die Leistungen mit dem Grundgesetz vereinbar sind. Sollten Deutschlands oberste Richter sich der Ansicht aus Essen anschließen, müsste der Gesetzgeber die Höhe der Sätze nach dem Asylbewerberleistungsgesetz neu regeln, hieß es in dem Beschluss (Az. L 20 AY 13/09). Die Leistungen für Asylbewerber sind nach Angaben des Gerichts seit 1993 nicht angehoben worden. Das Landessozialgericht hatte über die Klage eines allein stehenden Mannes aus dem Irak zu entscheiden, der in einer Unterkunft für Asylbewerber untergebracht ist. Für seinen gesamten Bedarf außerhalb von Unterkunft, Heizung und Hausrat erhielt er demnach monatlich einen Betrag von 224,97 Euro. Im Vergleich zu den Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II reiche das «offensichtlich nicht aus, um eine menschenwürdige Existenz zu gewährleisten», erklärten die Richter. Das Arbeitslosengeld II oder die Sozialhilfe für Alleinstehende habe im gleichen Zeitraum monatlich 351,00 Euro zuzüglich Unterkunft und Heizung betragen. Das Essener Gericht bemängelte zudem, dass die Leistungen für Asylbewerber nicht in einem Verfahren bemessen worden seien, wie es das Bundesverfassungsgericht verlange. Sie seien vielmehr «ins Blaue hinein» geschätzt worden. In ihrer Begründung beriefen sich die Richter ausdrücklich auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu den Hartz-IV-Regelleistungen vom Februar dieses Jahres. Das Verfassungsgericht hatte darin ein Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums formuliert. Die Frage nach der Rechtmäßigkeit der Bedarfssätze nach dem Asylbewerberleistungsgesetz soll daher dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt werden. Zum Urteil des LSG NRW erklärte die Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen in einer Presseerklärung am 28. Juli 2010: Menschenwürde gilt auch für Asylbewerber 12 FLÜCHTLINGSRAT BADEN-WÜRTTEMBERG Rundbrief August 2010 Zum heutigen Vorlagebeschluss des Landessozialgerichtes NRW, das die Leistungen für Asylbewerber für verfassungswidrig hält, erklären Markus Kurth, Sprecher für Sozialpolitik und Josef Winkler, stellvertretender Fraktionsvorsitzender und Sprecher für Flüchtlingspolitik: Mit seinem Vorlagebeschluss knüpft das Landessozialgericht an die Regelsatz-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts an. Das höchste deutsche Gericht hat am 9. Februar 2010 entschieden, dass die Ermittlung des Hartz-IV-Regelsatzes willkürlich und intransparent ist. Das gleiche gilt also auch für die Leistungen für Asylbewerber. Ihre Beträge wurden seit 1993 nicht angehoben. Asylbewerber bekommen sogar 125 Euro weniger im Monat, als Hartz-IV-Empfänger. Das ist mit der Menschenwürde, die keinen Unterschied macht zwischen Deutschen und Nicht-Deutschen, nicht vereinbar. Wir haben kürzlich einen Gesetzentwurf auf Drucksache 17/1428 zur Aufhebung des Asylbewerberleistungsgesetzes in den Bundestag eingebracht, der ebenfalls die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Hartz-IV-Regelsatz enthält. (c) Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen, Pressestelle, 11011 Berlin, T: 030 / 227 - 5 72 12, F: 030 / 227 - 5 69 62, http://www.gruene-bundestag.de, eMail: [email protected] ANTRÄGE AUF ERHÖHTE LEISTUNGEN NACH § 2 AsylbLG Rückwirkende soziale Gerechtigkeit? Aufgrund der geänderten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts aus dem Jahr 2008 besteht für eine Vielzahl von Flüchtlingen die Möglichkeit, höhere Leistungen rückwirkend gemäß § 2 AsylbLG zu erhalten. von Rechtsanwältin Vera Kohlmeyer-Kaiser 1) Forderungsberechtigte Ansprüche auf Nachzahlungen nach § 2 AsylbLG haben jetzige und frühere Leistungsberechtigte nach § 1 AsylbLG. Sie können diese Forderungen auf rückwirkende Nachzahlung der Differenz zwischen den niedrigeren Leistungen nach § 3 AsylbLG und den erhöhten Leistungen nach § 2 AsylbLG beantragen. 2) Leistungsumfang Nach § 3 erhalten die vorstehenden Personen Grundleistungen, wobei der notwendige Bedarf an Ernährung, Unterkunft, Heizung, Kleidung, Gesundheits- und Körperpflege und Gebrauchs- und Verbrauchsgüter des Haushalts durch Sachleistungen gedeckt werden oder ggf. durch Wertgutscheine. Zusätzlich erhalten die Anspruchsberechtigten bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres 20,- € monatlich und ab dem Beginn des 15. Lebensjahres 40,- € monatlich als Geldbetrag zur Deckung persönlicher Bedürfnisse des täglichen Lebens. Bei einer Unterbringung außerhalb von Aufnahmeeinrichtungen im Sinne des § 44 AsylVfG können Geldleistungen nach den in § 3 Abs. 2 festgelegten Sätzen gewährt werden. 3) Erhöhte Leistungen nach SGB XII In § 2 AsylbLG ist geregelt, dass die im Vergleich zum Sozialgesetzbuch abgesenkten Sozialhilfeleistungen den Leistungsberechtigten nach § 1 zustehen, wenn 1. sie bereits Leistungen nach § 3 AsylbLG für die Dauer von vier Jahren erhalten haben und 2. sie die Dauer des Aufenthalts nicht rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst haben. Erst nach Ablauf dieser 48 Monate werden höhere Leistungen entsprechend dem SGB XII gewährt, sogenannte Analogleistungen. Die Zubilligung von Analogleistungen ist allerdings zusätzlich an die Voraussetzung geknüpft - gewesen -, dass der Ausländer die Aufenthaltsdauer nicht rechtsmissbräuchlich beeinflusst hat. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts handelte ein Leistungsempfänger schon dann rechtsmissbräuchlich, wenn er trotz des aufgrund der Duldung bestehenden Abschiebeverbots nicht freiwillig ausreiste und hierfür keine anerkennungswerten Gründe vorlagen. Diese Rechtsprechung hat das Bundessozialgericht mit Urteil vom 17.06.2008 aufgegeben. Danach genügt es nun für den Vorwurf des Rechtsmissbrauchs nicht mehr, dass die Flüchtlinge nicht freiwillig ausgereist sind. Es wurde auch klargestellt, dass für die Nachzahlungsansprüche § 44 SGB X anzuwenden ist und deshalb auch Nachzahlungen - bei vorliegender Voraussetzung - bis zur Verjährungsgrenze des § 44 Abs. 4 SGB X zu leisten sind. § 44 Abs. 4 SGB X bestimmt, dass Leistungen für einen Zeitraum von bis zu vier Jahren vor der Rücknahme des alten Verwaltungsaktes zu erbringen sind. Das heißt folgendes: Wenn ein Antrag gestellt wird auf die Analogleis tungen unter Bezugnahme auf die oben angeführte geänderte Rechtsprechung werden die Voraussetzungen für Analogleistungen geprüft Die Autorin: Vera KohlmeyerKaiser ist Rechtanwältin in Aalen mit Spezialgebieten Ausländer- und Asylrecht sowie Steuerrecht. Sie ist Mitglied des Sprecherrats des Flüchtlingsrats BadenWürttemberg. FLÜCHTLINGSRAT BADEN-WÜRTTEMBERG Rundbrief August 2010 13 und wenn dann der alte Bescheid auf Gewährung von Leistungen nach dem § 3 AsylbLG zurückzunehmen ist, ergeht ein neuer Bescheid (ein Verwaltungsakt) und ab Ergehen dieses Bescheides rückwärts maximal für vier Jahre müssen dann die erhöhten Leistungen nachgezahlt werden. Antragsteller ist der jeweilige Flüchtling für sich und ggf. auch wenn der verheiratet ist und Kinder hat, für seine Ehefrau und die Kinder. Zu richten ist der Antrag an die Sozialämter bei den Landratsämtern. Tipp für die Praxis: Im Zweifel kann kein Berater sauber herausfinden und überprüfen, ob es hier Zeiträume gibt, in denen die Behörde nachzahlen muss, weil der Flüchtling ihnen im Zweifel nie genau sagen kann, welche Leistungen er nach Ablauf der 48 Monate Leistungen nach AsylbLG tatsächlich erhalten hat. Dies ist auch von vielen Faktoren abhängig, beispielsweise einer kurzzeitigen oder längeren Beschäftigung einzelner Personen aus dem Familienverbund usw. Deshalb empfiehlt es sich ganz einfach einen Antrag an das Landratsamt zu stellen. MUSTER An das Landratsamt -SozialamtHerr/Frau ………………………., geboren am ………………….. wohnhaft: ……………………………………………………. wegen Zubilligung von sogenannten Analogleistungen gemäß SGB XII anstatt Grundleistungen nach § 3 AsylbLG Sehr geehrte Damen und Herren, Herr/Frau ………………... hat für sich und seine Familienangehörigen, nämlich folgende Personen 1. …………………………………………………. 2. …………………………………………………. 3. …………………………………………………. In der Zeit ab (hier jetzt bitte den Zeitraum vier Jahre rückwirkend eintragen) lediglich die Grundleistungen nach § 3 AsylbLG erhalten. Er hätte aber die sogenannten Analogleistungen nach SGB XII erhalten müssen. Die Zubilligung dieser Analogleistungen wurde zunächst an die Voraussetzung geknüpft, dass der Ausländer die Aufenthaltsdauer nicht rechtsmissbräuchlich beeinflusst hat. Nach der früheren Rechtsprechung des Bundessozialgerichts handelte ein Leis tungsempfänger schon dann rechtsmissbräuchlich, wenn er trotz des aufgrund der Duldung bestehenden Abschiebeverbots nicht freiwillig ausreiste und hierfür keine anerkennenswerte Gründe vorlagen. Das Bundessozialgericht hat diese Rechtsprechung mit Urteil vom 17.06.2008 aufgegeben. Ich beantrage daher namens und in Vollmacht des Herrn ………………../der Familie ……………….. die höheren Leistungen entsprechend SGB XII zu gewähren und die Differenz für die Vergangenheit nachzuzahlen. 14 FLÜCHTLINGSRAT BADEN-WÜRTTEMBERG Rundbrief August 2010 Mit freundlichen Grüßen UNTERBRINGUNG / ASYLBLG / „INTEGRATION“ Lagerland Baden-Württemberg!? Eine Analyse der sozialen Lebensbedingungen von Flüchtlingen in Ba-Wü von Andreas Linder 1. Ziele und Fragestellungen Im Rahmen unseres vom Europäischen Flüchtlingsfonds (EFF) geförderten Projekts stand im Projektjahr 2009 / 2010 eine Analyse der sozialen Lebensbedingungen von Flüchtlingen in Baden-Württemberg im Mittelpunkt. Zuletzt führte der Flüchtlingsrat im Jahr 2003 eine umfangreiche Untersuchung über den Zustand der Gemeinschaftsunterkünfte und die Lebensbedingungen der Flüchtlinge durch. Vor dem Hintergrund unserer früheren Bestandsaufnahmen sollte die diesjährige Untersuchung dazu dienen, Veränderungen und mögliche Verbesserungen im staatlichen Umgang mit den Schutzsuchenden zu erfassen. Es ging darum, die aktuelle Praxis der staatlichen Behörden bei Unterbringung und Sozialleistungen für die Flüchtlinge im Hinblick auf die teilweise veränderten rechtlichen und politischen Rahmenbedingungen (v. a. die EU-Richtlinien) zu analysieren. Es war darüber hinaus auch unser (legitimes) Ziel, aus unserer Sicht strukturelle Mängel und problematische Praxen bei Unterbringung und Sozialleistungen herauszuarbeiten, um unsere argumentative Kritik am Status Quo besser zu fundieren und um Alternativen aufzeigen bzw. fordern zu können. Anfang des Jahres wurde in der Geschäftsstelle des Flüchtlingsrats eine zusätzliche (Teilzeit-)Stelle geschaffen, um die aufwändige Untersuchung durchführen zu können. Die zentralen Fragestellungen waren: 1. UNTERBRINGUNG: Wohn- und Lebenssituation von Flüchtlingen - Art der Unterkünfte: In welcher Art von Gebäuden werden Flüchtlinge untergebracht? In welchem Zustand sind diese Gebäude? Haben sie Massenlagercharakter oder sind sie angemessen wohnlich? - Lage der Unterkünfte: Wie nah oder entfernt liegen die Unterkünfte? - Wohn- und Lebensbedingungen: Größe, Ausstattung und Zustand der Zimmer, Hygiene/Sauberkeit, Privatsphäre, Gemeinschaftsräume und –angebote ... 2. SOZIALLEISTUNGEN nach dem AsylbLG: Erfüllung von Mindeststandards oder strukturelle Diskriminierung? - Essensversorgung: In welcher Form erhalten die Flüchtlinge Nahrungsmittel nach dem AsylbLG ( § 3 AsylbLG)? - gesundheitliche Versorgung: In welcher Weise werden die Flüchtlinge über medizinische und psychosoziale Angebote bzw. Behandlung informiert? Wie läuft es bei der sprachlichen Vermittlung? Wer bezahlt Dolmetscher? 3. SOZIALE INTEGRATION: Zugang von (noch nicht anerkannten) Flüchtlingen zu Bildungsangeboten und zum Arbeitsmarkt - Welche Bildungsangebote gibt es für Flüchtlinge bzw. Flüchtlingskinder? - Wie wird Zugang zum Arbeitsmarkt gefördert? Welche Arbeitsangebote gibt es? - Freizeitaktivitäten? Welche (regelmäßigen) Freizeitaktivitäten, die den Zugang zur Gesellschaft fördern (Sport, Kultur, Begegnung …) werden den Flüchtlingen angeboten? Luxus-Lager? Die GU in Bad Wildbad war mal ein Hotel und liegt am Rande des Kurgebiets. Die Mehrbettzimmer haben eine Dusche und einen Balkon. Kurgäste wundern sich, was das denn für ein Gebäude sei und was da für Leute wohnen. Foto: Andreas Linder 4. BESONDERS SCHUTZBEDÜRFTIGE FLÜCHTLINGE (kranke, insb. traumatisierte Menschen, Opfer von Gewalt, Menschen mit körperlicher oder geistiger Behinderung, (alleinreisende oder alleinerziehende) Frauen, Kinder, unbegleitete Minderjährige) - Identifikation: Welche Maßnahmen werden ergriffen, um besonders schutzbedürftige Flüchtlinge identifizieren zu können? - Vermittlung von professioneller Hilfe: Welche Maßnahmen zur Vermittlung in professionelle Behandlung werden im Fall einer Identifikation, insbesondere bei schwer (psychisch) kranken und traumatisierten Menschen, ergriffen? Zu allen Themen wurde gefragt, ob und was sich im Laufe der letzten Jahre verändert oder verbessert hat. 2. Methodischer Ansatz Die Ergebnisse der Untersuchung basieren auf einem Mix an quantitativen und qualitativen Erhebungs-Methoden: FLÜCHTLINGSRAT BADEN-WÜRTTEMBERG Rundbrief August 2010 15 16 FLÜCHTLINGSRAT BADEN-WÜRTTEMBERG Rundbrief August 2010 • Fragebogen für Initiativen: Ein ausführlicher Fragebogen wurde an unsere Mitglieds-Initiativen und an Kontakt- und Beratungsstellen in allen Landkreisen Baden-Württembergs geschickt. Gefragt waren die Menschen, die die Situation vor Ort zum Teil seit vielen Jahren kennen und mit den Flüchtlingen und den Unterkünften regelmäßig im Alltag zu tun haben. 26 teilweise sehr umfänglich ausgefüllte Bögen haben wir zurück erhalten. Über einige Regionen konnten wir bereits über diese Angaben ein sehr detailreiches Bild erhalten. Einige Landkreise, z. B. im südbadischen Raum, bleiben allerdings etwas unterbelichtet, da wir von dort keine Rückmeldungen erhalten haben und auch die sonstigen Kontakte spärlich sind. Diese Wissenslücken sollen nach und nach weiter geschlossen werden. • Vor-Ort-Besuche: Zwischen Februar und Juni 2010 haben wir 25 Unterkünfte in allen Regionen Baden-Württembergs besucht. Die Besuche variierten von ca. 1-stündigen Kurzbesuchen bis zu ganztägiger „teilnehmender Beobachtung“. Neben gründlicher Besichtigung der Unterkunft gab es ausführliche Gespräche und Interviews mit den VertreterInnen der Betreiber, den MitarbeiterInnen der staatlichen oder nichtstaatlichen Sozialbetreuung, den Engagierten der lokalen Initiativen und nicht zuletzt den Flüchtlingen. Manche Unterkünfte wurden mehrmals besucht, wenn sich aus den Kontakten ein weitergehendes Engagement ergab wie z. B. im Fall des nigerianischen Flüchtlings Endurance Agadah (siehe S. 18) • Sekundäranalysen: Schließlich sind für die Untersuchung amtliche Statistiken und Dokumente ausgewertet worden sowie Presseberichte und Dokumente anderer Organisationen. Die Ergebnisse der Untersuchung können hier nur schlaglichtartig dargestellt werden, eine ausführliche Beschreibung ist mit Publikation einer Spezial-Broschüre gegen Ende dieses Jahres geplant. Auch sind manche Einzelfragen der Untersuchung zum Zeitpunkt des Erscheinens dieses Rundbriefs noch nicht abschließend erhoben und ausgewertet, weswegen das hier Dargestellte den Charakter eines Zwischenergebnisses hat. Die inhaltlichen Ergebnisse begrenzen sich darüber hinaus auf die Situation in den sog. Gemeinschaftsunterkünften („vorläufige Unterbringung nach § 6 FlüAG) in BadenWürttemberg. Eine Ergänzung durch spezielle Untersuchungen zu den Bedingungen in der Erstaufnahme (§ 4 FlüAG) in Karlsruhe und der Anschlussunterbringung in den Kommunen (§ 11 FlüAG) wäre nötig und könnte in einem Folgeprojekt angegangen werden. 3. Zentrale Ergebnisse In Baden-Württemberg gibt es derzeit 71 Gemeinschaftsunterkünfte (im Folgenden: GU) in 35 Landkreisen. Im Juni 2009 waren es noch 89 GU, d. h. dass seitdem weitere 18 GU geschlossen wurden. Dies hat nichs weiter zu bedeuten, sondern setzt lediglich den durch den stetigen Rückgang der Asyl-Zugangszahlen ausgelösten Trend fort. Viele Stadt- und Landkreise bevorzugen mittlerweile den Betrieb lediglich einer GU, in der alle Flüchtlinge des Landkreises untergebracht werden und in der häufig, wie etwa in Mannheim oder Hardheim (Neckar-OdenwaldKreis) auch noch die Anschlussunterbringung (im Folgenden: AU) verwaltet wird. Als Grund für die 1-GU-Politik werden häufig finanzielle Erwägungen vorgeschoben: Es sei billiger, alles an einem Ort zu konzentrieren als etwa mehrere kleinere Unterkünfte zu betreiben. Durch den Anstieg der Zuzugszahlen gerade in diesem Jahr sind aber auch ehemals geschlossene Unterkünfte wieder in Betrieb genommen worden wie z. B. in Aalen (Ostalbkreis) und Mössingen (Lkr. Tübingen). Ende April 2009 waren in BaWü 4.763 Menschen mit Aufenthaltsgestattung oder Duldung in GU untergebracht, aktuelle Zahlen liegen (noch) nicht vor, die Änderung dürfte aber geringfügig sein. 3.1 Unterbringung: Wohn- und Lebenssituation von Flüchtlingen Art der Unterkünfte: Es können vier unterschiedliche Typen von Unterkünften in BadenWürttemberg unterschieden werden: TYP A. WOHNHAUS (ehem. Wohnhaus oder kleiner Wohnblock, außen und innen guter Zustand, innen wohnlich und mit genügend Gemeinschaftsräumen, kein Massenlager-Charakter, max. 30 BewohnerInnen) TYP B. WOHNBLOCK (in akzeptablem Zustand befindlicher Wohnblock mit halbwegs wohnlichen Zimmern und halbwegs guten Gemeinschaftsbereichen, nur bedingt MassenlagerCharakter) Typ-B-Unterkunft: Die GU Kirchheim/Teck war früher ein Aussiedlerwohnheim. Sie liegt am Rand der Innenstadt und macht außen und innen einen gepflegten Eindruck. Foto: AL TYP C. BARACKE (alter, großer, schlechter ... Wohnblock oder (Wohn-, Industrie-)Baracke mit kleinen gleichförmigen Zimmern und wenig Gemeinschaftsbereichen, Massenlager-Charakter) TYP D. KASERNE/KNAST (z.B. ehem. Kaserne bzw. Militärgelände oder Baracke mit gefängnis ähnlicher Architektur, umzäunt, innen und außen Massenlagercharakter) Von den 61 zu dieser Frage untersuchten GU entspricht lediglich eine (1) dem Typ A (diese liegt in Herrenberg, Lkr. Böblingen), 27 entsprechen dem Typ B, 29 dem Typ C und 4 dem Typ D. Aus unserer Perspektive wäre eine Unterbringung in Typ-A-Unterkünften wünschenswert, in Typ-BUnterkünften vertretbar. Unterkünfte des Typ C sollten perspektivisch und des Typs D sofort aufgegeben werden. Beispiele für Typ B: Calw-Wimberg (Lkr. Calw), Kirchheim (Lkr. Esslingen), Biberach, Heidelberg Beispiele für Typ C: Ubstadt-Weiher (Lkr. Karlsruhe), Mannheim, Reutlingen, Witthoh (Lkr. Tuttlingen) Typ D: Hardheim (Neckar-Odenwald-Kreis), Schwäbisch-Gmünd (Ostalbkreis), Blaufelden (Lkr. Schwäbisch-Hall), Sinsheim (Rhein-NeckarKreis) Lage der Unterkünfte: Ein etwas genauerer Blick auf die Landkarte zeigt, dass die geografische Lage vieler GU in Baden-Württemberg der politischen Maßgabe der sozialen Isolation von Flüchtlingen folgt. Von den untersuchten 61 GU liegen 25 in Industriegebieten oder am äußeren Rand von Städten und Landkreisen. Die Die GU macht einen ver- Lage weiterer 5 Unterlassenen Eindruck. Es gibt künfte kann man sodort außer warten nichts zu tun! Der Standort ist gar als „völlig isoliert“ sehr ungünstig. Sie sollte charakterisieren. Sie geschlossen werden. (Ni- liegen am äußersten cole Herrling, Freunde für Rand des LandkreiFremde Karlsruhe) zur GU ses, völlig abgelegen Holzbachtal (Enzkreis) im Schwarzwald, sind umzäunt und isolieren die Flüchtlinge von der Bevölkerung. Als „völlig isoliert“ betrachten wir die Unterkünfte in Hardheim,Holzbachtal, Blaufelden und Witthoh. 22 weitere GU liegen zwar auch an den Rändern städtischer Wohn- und Mischgebiete, bieten aber meist einen guten Zugang zu Beratungsstellen, Ämtern, sozialer Versorgung, Einkaufsund Arbeitsmöglichkeiten. Nur 7 GU liegen wirklich zentral in der Mitte der Städte oder in zentralen Wohngebieten, davon 5 im Regierungsbezirk Stuttgart, davon wiederum drei in Herrenberg. Die zentrale Lage kann aber auch durch negative Faktoren überlagert werden wie z. B. einem sehr schlechten Zustand des Gebäudes. Beispiel: Göppingen, Kanalstraße. Unterbringung Marke Schwarzwald: Die GU Holzbachtal liegt am Rande des Enzkreises. Berg ab kommt nach 3 km der Landkreis Karlsruhe, bergauf kommt erstmal nichts, Am Ort gibt es noch ein Sägewerk. Here it is far away from everything... The main problem is, that there is nothing here. You can only eat and sleep. … We are so far away from the world. We are isolated. Lamin, Witthoh Typ-D-Unterkunft: Die GU Blaufelden liegt am Rand des Landkreises Schw.Hall in einem Industriegebiet. Sie ist im Jahr 2002 neu gebaut worden. Die Architektur erinnert an ein US-Gefängnis - trotz der Solarzellen auf dem Dach. Wer an einem Sprachkurs teilnehmen will, muss ins 40 km entfernte Hall. Foto: AL Die GU Witthoh liegt ca. 15 km entfernt von Tuttlingen auf einem Berg mit schöner Aussicht. Es gibt eine Bushaltestelle. Das ehemalige, jetzt baufällige Hotel erschien den Betreibern als die güns tigste Lösung. Alle Flüchtlinge wollen dort weg. Foto: AL FLÜCHTLINGSRAT BADEN-WÜRTTEMBERG Rundbrief August 2010 17 Lagerleben macht Kranke noch kränker Der nigerianische Flüchtling Endurance Agadah Endurance Agadah beim ersten Besuch im April 2010 vor der GU in CalwWimberg (oben). Im Gespräch mit Femke van Praagh von Pro Asyl (unten) Foto: AL 18 FLÜCHTLINGSRAT BADEN-WÜRTTEMBERG Rundbrief August 2010 Vor über 6 Jahren kam der heute 24-jährige Endurance Agadah nach Deutschland. Damals war er ein „unbegleiteter minderjähriger Flüchtling“. Seitdem lebt er in Calw in sog. Gemeinschaftsunterkünften. Sein Asylverfahren wurde abgelehnt. Nigeria gilt als verfolgungsfreier Staat. Eine Duldung erhielt er nur, weil seine gesundheitlichen Belastungen enorm sind. Ebenfalls seit 6 Jahren ist er in psychotherapeutischer Behandlung. Gutachten von Refugio, der Michael-Balint-Klinik und anderen Spezialisten belegen, dass er schwer traumatisiert ist (er hat als Jugendlicher schwere Gewalt erlebt, u.a. hat er eine Schußverletzung, und er hat seine „ „Ich bin jetzt seit sechs Jahren in Calw. Familie verloren) und in permanenter Behandlung bleiben Die Leute auf der Straße schauen weg, muss. Trotzdem muss Endurance nach wie vor in der GU wenn sie einen Schwarzen sehen. Ich kenne fast niemanden und niemand kommt in Calw in einem Zimmer mit drei anderen Männern leben. unser Haus.“ Der Flüchtlingsrat setzt sich dafür ein, dass er außerhalb Endurance Agadah der Unterkunft wohnen darf, damit die Chance auf eine Gesundung größer wird. Am 2. August hat er einen Antrag auf Unterbringung außerdem der Unterkunft gestellt. Das FlüAG sieht dies nur im Ausnahmefall vor, es bleibt also abzuwarten, ob es eine Ablehnung gibt, weil der Betroffene nur „geduldet“ ist oder ob der Antrag angenommen wird, weil der Mensch Hilfe braucht. Auch Pro Asyl ist auf den Fall aufmerksam geworden und hat Unterstützung signalisiert. Am 28. Juli habe ich Endurance gemeinsam mit Femke van Praagh von Pro Asyl besucht. Auch im asylrechtlichen Verfahren könnte nun mit Hilfe von Pro Asyl eine Wende kommen. Wohn- und Lebensbedingungen: „Die Unterbringung und Betreuung geschieht seit Jahren strikt nach den Mindestanforderungen des FlüAG und des AsylbLG. Leitung und Sozialdienst sind aber im Rahmen ihrer dienstlichen Vorschriften stets um eine Humanisierung und Individualisierung der Unterbringung bemüht ...“ Mit dieser Aussage aus dem Fragebogen des AK Asyl Schwäbisch-Gmünd scheint der mehrheitliche Trend gut zusammengefasst. In einigen Landkreisen bemühen sich die MitarbeiterInnen der unteren Verwaltungsbehörden, die Lebensbedingungen so erträglich wie möglich zu gestalten. Dies bleibt aber ein schwieriges Unterfangen, denn unter den gegebenen gesetzlichen Bedingungen ist Diskriminierung quasi vorgeschrieben und mit gutem Willen allein nicht aufzuheben. Als Beispiel kann hier Heidelberg dienen: Die im Jahr 2006 neu gebaute GU vermittelt den Eindruck der Wohnlichkeit und der Wertschätzung gegenüber den BewohnerInnen, die sich an der Sauberhaltung ihrer schönen Unterkunft gerne beteiligen. Der Zu- schnitt der Wohnungen geht dort ebenfalls weg vom Massenlager-Charakter, weist dem Einzelnen aber sowohl baulich als auch real gerade mal die vorgeschriebenen 4,5 Quadratmeter zu. Das benachbarte Obdachlosenwohnheim, im gleichen Jahr gebaut, bietet Einzelzimmer und mind. 10 Quadratmeter pro Person. Als positiv kann festgehalten werden: • in vielen GU scheint es sauberer zu sein als noch vor einigen Jahren. Teilweise lassen sich die BewohnerInnen bereitwillig auf die Sauberhaltung ein, teilweise werden sie im Rahmen des Lagersystems dazu genötigt. • der Rückgang der Flüchtlingszahlen hat in vielen GU zu einer Entspannung der Wohnsituation geführt, häufig werden die Zimmer mit nur zwei oder drei Personen belegt. Bei steigendem Zugang würde dies aber in den meisten GU wieder aufgehoben werden Als problematisch kann festgehalten werden: • Die „Gemeinschafts“unterkunft ist nach wie vor eine Zwangsgemeinschaftsunterkunft. Die Flüchtlinge und ihre Unterstützer klagen über mangelnde Privatsphäre, zu wenig Platz, zu viel Lärm, distanzlose Betreiber und Bewohner, fehlende Ruhe. Schlaf- und Sanitärräume, Küchen und Flure, die sich eine große Zahl von Menschen miteinander teilen müssen, drücken nach wie vor den politischen Wil- „Wir sind immer hier, nie draußen. Man sagt uns immer: Du darfst nicht, du darfst nicht. Wir wollen Deutsch lernen und arbeiten, nicht nur essen schlafen essen schlafen. ...Es gibt für 10 Leute eine Toilette, es gibt für 10 Leute eine Küche. Alles ist oft schmutzig. Man streitet sich, weil die Leute nicht sauber machen.“ Lydienne Kwedi (l.) aus Kamerun lebt seit über 4 Jahren mit ihrem Sohn Stevie in der GU Schwäbisch Gmünd len der Abschreckung durch die Art der Unterbringung aus. • Trotz des Rückgangs der Zuzugszahlen leben in der meisten GU zu viele Menschen auf zu engem Raum. In manchen GU stehen Zimmer oder ganze Stockwerke leer, die Bewohner sind in dicht belegten Zimmern. In manchen Landkreisen wurden GU geschlossen und die verbleibende/n Unterkünfte verdichtet. Familien müssen sich i.d.R. bis zu vier Personen ein Zimmer teilen, erst bei 3 Kindern wird ein zweites Zimmer gewährt. • Körperlich oder psychisch kranke Flüchtlinge werden ebenfalls dazu genötigt, Mehrbettunterbringung in der GU hinzunehmen. Nur aus dem Lkr. Biberach sind Beispiele bekannt geworden, wo Betroffenen eine Unterbringung außerhalb der GU ermöglicht wurde. fahrtsverband gibt. „Ehrenamtliches“ Engagement kann diese strukturellen Defizite nicht ersetzen. • Viele Flüchtlinge werden bereits vor der Asylanhörung in die GU verlegt. Dort erhalten sie keine rechtliche Beratung, nicht mal Informationen, schon gar nicht in verschiedenen Sprachen. Ehrenamtliche Strukturen der Asylverfahrensberatung müssen erst wieder aufgebaut werden. Die Gesamtbewertung aus Fragebogen und Besuchen zu den Lebensbedingungen in den GU ergibt folgende Beurteilung: • Langjährige Aufhältigkeit: Viele Flüchtlinge müssen über viele Jahre in der GU leben, wenn ihr Asylverfahren nicht entschieden wird. Hier braucht es eine Änderung im FlüAG, die eine Maximalzeit festlegt. • in vielen GU haben die Landratsämter die Sozialbetreuung reduziert oder ganz abgebaut. Untragbar ist, wenn eine GU isoliert liegt, die Betreiber keinen Sozialdienst stellen und es auch keine Sozialbetreuung durch einen Wohl- 2. SOZIALLEISTUNGEN nach dem Asylbewerberleistungsgesetz Essensversorgung: Bei den Sachleistungen nach dem AsylbLG steht an vielen Orten die Essensversorgung im Mittelpunkt. Nichts wird von den Flüchtlingen als diskriminierender erlebt als die Bevormundung und Begrenzung der Nahrung und die nicht vorhandene Möglichkeit, Essen selbst einkaufen zu können. Aufgrund der Zuständigkeit der Stadt- und Landkreise für die konkrete Ausgestaltung der Nahrungsmittelversorgung kommt es in Ba-Wü zu einer relativen Vielfalt des Umgangs mit dem AsylbLG. Häufig wird wiederum versucht, „das Beste“ aus den gegebenen gesetzlichen Bedingungen zu machen. So gibt es bei den untersuchten 54 Unterkünften an 22 Orten (=39%) ein Gutscheinsystem zum Einkauf in bestimmten Läden. 19 GU (33%) werden nach wie vor mit Essenspaketen vom Großlieferanten (i.d.R. Dreikönig aus Schwäbisch Gmünd) beliefert. In 14 GU (25%) gibt es in der Unterkunft einen „Shop“, in dem angelieferte Nahrungsmittel nach Punktesystem „eingekauft“ werden können. Interessant ist, dass diese unterschiedlichen Modelle auch innerhalb der vier Regierungsbezirke unterschiedlich gehandhabt werden. Im Regierungsbezirk Tübingen allerdings gibt es bis auf die Stadt Ulm und den Bodenseekreis überall sonst nach wie vor Essenspakete. Die Erfahrungen der Betreiber sind unterschiedlich. Manche wie der Leiter der GU UbstadtWeiher Volker Häfner sehen in den Essenspaketen ein gutes Modell: „Wir haben keine schlechten Erfahrungen gemacht mit den Esspaketen. Ich höre nichts Negatives. Das geht reibungslos über die Bühne.“ Im Keller der GU läuft zweimal die Woche die Ausgabe. Mit einem „Halal-Zertifikat“ ausgestattet werden auch muslimische Bewohner mit kulturell korrektem (aber immergleichem und minderwertigem) Fleisch versorgt. Im Schrank einer syrischen Familie stapeln sich die Nahrungsmittel, die die Leute immer wieder bekommen. Überlanger Aufenthalt in der GU: Die beiden „geduldeten“ afrikanischen Frauen Lydienne Kwedi und Angel Detun leben seit vier Jahren in der GU Schwäbisch Gmünd, einer ehemaligen USKaserne. Im Hintergrund: Bernd Sattler (AK Asyl) und die Leiterin der GU, Marcela Bolsinger. Foto: AL FLÜCHTLINGSRAT BADEN-WÜRTTEMBERG Rundbrief August 2010 19 GU Heidelberg: Sodexo-Gutschein im Wert von 10 Euro. Rausgeld gibt es im Supermarkt aber nicht. Foto: AL Hinter dieser Tür verbirgt sich der lagereigene Shop in der GU Witthoh (Lkr. Tuttlingen) Foto: AL Gute Auswahl, zufriedene Kunden: „Point Store“ in der GU Mannheim. Foto: AL 20 FLÜCHTLINGSRAT BADEN-WÜRTTEMBERG Rundbrief August 2010 Manche GU-Betreiber wollen von den Lebensmittelpaketen wegkommen und glauben, wie der Leiter der GU Sigmaringen-Laiz, dass sie damit etwas Revolutionäres machen würden. Bis es dort soweit ist, dauert es aber noch mindestens bis ins Jahr 2011 – wegen der Verträge mit dem Lieferanten. Die Tendenz geht auch in Sigmaringen zum Gutscheinsystem, das als kleinstes Übel angesehen werden kann. Mit diesem Modell gibt es gute und weniger gute Umgehensweisen. Ein Beispiel für Letzteres: In Kirchheim/ Teck erhalten die Flüchtlinge einen wöchentlich gültigen Wertgutschein, mit dem sie an einem bestimmten Tag zu bestimmten Uhrzeiten in einem etwa 1 km entfernten Edeka einkaufen dürfen. Zu dieser Zeit kommt extra die Leiterin der Unterkunft und kontrolliert alle Einkäufe. Der AK Asyl Kirchheim möchte, dass zumindest die Möglichkeit eröffnet wird, dass in unterschiedlichen Läden (Aldi, Lidl, türkischer Laden) „eingekauft“ werden kann und dass die Flüchtlinge ihre Gutscheine einlösen können, wann sie wollen und nicht dabei beaufsichtigt werden. Als relativ praktikabel zeigen sich Verträge mit dem Servicedienstleister Sodexo. Beispiel Heidelberg: Die Flüchtlinge erhalten geldähnliche Scheine im Wert von 5 oder 10 Euro (siehe Foto) und können diese, bei Vorlage eines extra Ausweises, in mehreren Supermärkten eintauschen. Allerdings gibt es auch hier Probleme. So erzählte der junge syrische Flüchtling G., der bereits sehr gut deutsch spricht: „Das selbstgekaufte Essen ist besser als die Pakete. Mit den Verkäuferinnen bei Kaufland gibt es aber immer Probleme, weil sie kein Geld rausgeben. So verfällt immer der Rest des Gutscheinwerts. Hautcreme kaufen ist mit dem Gutschein verboten.“ Ob unterkunftseigene Shops die bessere Alternative zu den Esspaketen sind, darf bezweifelt werden. Meistens gibt es dort dieselben minderwertigen Lebensmittel wie bei den Essenspaketen und die Auswahl hängt von der Bereitschaft der Betreiber ab, den Flüchtlingen vernünftige und vollwertige Lebensmittel anzubieten. In den meisten GU mit „Shop“ ist die Auswahl aber, vermeintlich aus Kostengründen, sehr spartanisch, so u. a. in Hardheim, Blaufelden und Witthoh. Der einzige Shop, der eine gute Bewertung bekommen kann, ist in der GU Mannheim. Dieser wird aber nicht vom Amt, sondern bereits seit 1999 vom Diakonischen Verein betrieben. Er hat eine Auswahl wie ein kleiner Supermarkt, bietet EdekaQualität, hat täglich geöffnet und läuft auch als Beschäftigungsprojekt für Langzeitarbeitslose. Insgesamt werden die Sozialleistungen nach dem AsylbLG in den meisten Fragebögen als „nicht zufriedenstellend“ bewertet. Die „guten“ Bewertungen sind zum Teil davon beeinflusst, dass es neben den Sachleistungen auch noch soziale Betreuungsangebote durch Betreiber und andere gibt. Die Ergebnisse zu den Themenfeldern „Soziale Integration“ und „Besonders schutzbedürftige Flüchtlinge“ werden an anderer Stelle publiziert. 4. Schlussfolgerungen und Forderungen Auf der Grundlage unserer bisherigen politischen Positionen sowie der Erkenntnisse aus dieser aktuellen Studie entwickeln wir Schlussfolgerungen, mit denen wir in kritischen und konstruktiven Dialog mit den politischen Entscheidungsträgern und der Zivilgesellschaft treten wollen. Im Hinblick auf das aktuelle Europäische Jahr gegen Armut und Ausgrenzung und insbesondere im Hinblick auf die Landtagswahl in Baden-Württemberg im März 2011 wollen wir uns dafür einsetzen, dass die Lebensbedingungen für Flüchtlinge in Baden-Württemberg verbessert werden. Unterbringung - Die Orte der Unterbringung von Flüchtlingen sollten so gewählt sein, dass die Betroffenen einen möglichst leichten Zugang zu Ämtern und Behörden, Ärzten, zu Angeboten der sozialen Integration, zu haupt- und ehrenamtlichen Beratungsstellen, Bildungs- und Arbeitsmöglichkeiten sowie nicht zuletzt zur Bevölkerung allgemein haben. - Unterkünfte, die absolut abseits und isoliert von der sonstigen Bevölkerung gelegen sind und den Zugang zur Gesellschaft wie oben beschrieben erschweren, müssen geschlossen werden. Das sind vor allem: Holzbachtal (Enzkreis), Hardheim (NeckarOdenwaldkreis), Blaufelden (Lkr. Schwäbisch-Hall), Witthoh (Landkreis Tuttlingen) - Auch die GU, die in Industriegebieten liegen, sollten geschlossen werden. Wenn es für Flüchtlinge keinen Wohnraum in zentrumsnahen sozialen Wohn- oder Mischgebieten gibt, kann/muss er geschaffen werden. - Die Massenunterbringung von Flüchtlingen in alten, großen, unwohnlichen Blocks oder Kasernen muss beendet werden. Landkreise und Kommunen sollen für Flüchtlinge ausreichend SozialWohnungen bereit stellen in Häusern, in denen auch andere Menschen wohnen. Solange dies nicht verwirklicht ist, soll die Verpflichtung, in einer GU zu wohnen, auf maximal 6 Monate befristet werden. Die Begrenzung auf 4,5qm Wohnraum pro Person muss aufgehoben werden. - Die Möglichkeit der Unterbringung außerhalb von Gemeinschaftsunterkünften muss geschaffen bzw. erleichtert werden. Hierzu muss das Flüchtlingsaufnahmegesetz geändert werden. Vor allem besonders schutzbedürftige Flüchtlinge wie Kranke, Traumatisierte, Frauen, Alleinerziehende und angehörige verfolgter Minderheiten müssen die Möglichkeit erhalten, nicht in einer GU leben zu müssen. Asylbewerberleistungsgesetz und Residenzpflicht - Das Asylbewerberleistungsgesetz als Sondergesetz für/gegen asylsuchende Flüchtlinge muss abgeschafft werden. Die sozialen Leistungen für Flüchtlinge müssen auf das allgemeine Grundsicherungsniveau nach dem SGB angehoben werden. - Die diskriminierende (bürokratisch aufwändige und teure) Essensversorgung mit Sachleistungen muss abgeschafft und durch Geldleistungen ersetzt werden. Solange dies nicht verwirklicht ist: Die Versorgung mit Essenspaketen durch NahrungsmittelGroßhändler muss aufgegeben werden und durch ein Wertgutscheinsystem ersetzt werden. Flüchtlinge sollen die Möglichkeit haben, an möglichst vielen Orten und zu nicht reglementierten Zeiten selbstbestimmt einzukaufen, was sie für ihren Lebensunterhalt brauchen. - Die Einschränkung der Gesundheitsversorgung für Flüchtlinge muss beendet werden. Flüchtlinge müssen in die Gesetzliche Krankenversicherung aufgenommen werden. - Flüchtlinge müssen sich ihre Kleider selbst kaufen dürfen. - Die sog. Residenzpflicht (§ 56 AsylVfG), die den Aufenthalt und die Mobilität während des Asylverfahrens auf den Landkreis begrenzt, muss ersatzlos gestrichen werden. Solange dies nicht erreicht werden kann: In Baden-Württemberg lebende Flüchtlinge sollen sich mindestens im gesamten Bundesland frei bewegen können. „Integration“: Zugang zu Bildung und Arbeitsmarkt - Auch Flüchtlinge, die sich noch im Asylverfahren befinden oder die als „Geduldete“ in Deutschland leben, müssen einen besseren Zugang zur Sprachförderung erhalten. Von Ehrenamtlichen durchgeführte Deutschkurse in den GU müssen angemessen finanziert werden. Es kann nicht Aufgabe von Privatpersonen sein, die Kosten für die Teilnahme an Deutschkursen für Flüchtlinge aufzubringen. Flüchtlingen muss eine möglichst kostenfreie Teilnahme an staatlichen Integrationskursen ermöglicht werden. - Das Arbeitsverbot für Asylsuchende (die ersten 12 Monate) sowie für „Geduldete“, denen der Duldungsstatus angelastet wird, soll/muss aufgehoben werden. Es braucht mehr Initiativen zur Integration von Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt. Der Autor: Andreas Linder ist Politik- und Kulturwissenschaftler und Mitarbeiter der Geschäftsstelle des Flüchtlingsrats Baden-Württemberg. FLÜCHTLINGSRAT BADEN-WÜRTTEMBERG Rundbrief August 2010 21 UNTERBRINGUNG / ASYLBLG / RESIDENZPFLICHT | BIBERACH Gegen den diskriminierenden Alltag Im Landkreis Biberach organisieren sich Flüchtlinge selbst Die Deutschen sind es nicht gewohnt, dass Flüchtlinge Wünsche haben oder gar politische Forderungen stellen. Und doch ist dies in einem demokratischen System das Normalste der Welt. Und wenn die Unterstützung durch die wohlgesonnenen Eingeborenen nur mäßig ist, ist es Verwaltung und Sozialdienst im Landkreis Biberach und auch der immer gut, sich selbst zu helfen. Nahezu alle aktuellen Zustand der Unterkünfte sind vergleichsweise von der vorbildliBewohnerInnen der Gemeinschaftsunterkünfte im Landchen Sorte. Trotzdem wirken die gesetzlichen Rahmenbedingunkreis Biberach haben die unten stehende Erklärung untergen diskriminierend. Bild: Andreas Linder zeichnet. Aus Angst vor Repressalien oder Nachteilen im Asylverfahren haben sie sie aber bisher nicht beim Landratsamt abgegeben, dessen Vertreter einen (wie auch wir bei einem Besuch in Erfahrungen bringen konnten) vergleichsweise hilfsbereiten Umgang mit den Flüchtlingen pflegen. Das Positionspapier ist aus unserer Sicht so gut, dass es hier dokumentiert werden muss, weil es auch einen Vorbildcharakter für andere Orte haben kann (an denen die Verhältnisse sicher nicht besser sind als in Biberach) und weil es dann vielleicht auf diesem Weg bei den Verantwortlichen in Biberach ankommt. (AL) Anliegen der Asylbewerber im Kreis Biberach a.d. Riß ... Wir schreiben im Auftrag aller Asylbewerber im Kreis Biberach. Im Folgenden möchten wir Ihnen darstellen welchen Problemen und Ungerechtigkeiten wir uns täglich ausgesetzt fühlen. Unser Anliegen bezieht sich auf drei zentrale Themen: • Die Lieferung und Bestellung des Essens und der Hygieneartikel • Kleiderverteilung • Residenzpflicht Wir wünschen eine Veränderung der jetzigen Situation und werden im Weiteren Argumente gegen das bisher bestehende System vorbringen: 1. Lieferung und Bestellung von Essen und Hygieneartikeln 22 FLÜCHTLINGSRAT BADEN-WÜRTTEMBERG Rundbrief August 2010 Bisher sind wir verpflichtet, uns vorgegebene Lebensmittel und Hygieneartikel nach einem Listensystem auszusuchen und anzukreuzen. Eine bestimmte Punktzahl muss hierbei eingehalten werden. Die zur Verfügung stehenden Listen und deren Artikel werden nicht verändert. Wir können nicht frei wählen, sondern müssen uns für die vorgegebenen Artikel entscheiden. Dieses bisher bestehende System schränkt unser Recht, frei unter verschiedenen Produkten auswählen zu dürfen, enorm ein. Eine ausgewogene, gesunde und abwechslungsreiche Ernährung ist uns somit nicht ausreichend möglich. Die Qualität der Lebensmittel ist nicht immer gegeben. Oft bekommen wir abgelaufene Nahrungsmittel, dies schadet unserer Gesundheit und gibt uns das Gefühl dass wir nicht respektiert werden. Außerdem sind Dinge, die wir bestellen, oft nicht verfügbar. Im Supermarkt könnte man auf andere, gleichwertige Substitutionsgüter ausweichen, das ist bei dem bisherigen System nicht möglich. Meistens kann man die gelieferten Artikel und Produkte in den Supermärkten im Umkreis nicht finden, es stellt sich uns deshalb die Frage, woher die uns zur Verfügung gestellten Produkte kommen. Wenn der LKW mit der Essenslieferung kommt, sind wir gezwungen, egal bei welcher Witterung, lange in einer Schlange anzustehen und auf die Vergabe der Produkte zu warten. Bei schlechtem Wetter kann man durch Esspaket-Ausgabe in der GU Biberach. Bild: weberberg.de das lange Warten krank werden. Die oft sehr harsche und unfreundliche „Abfertigung“ bei der Essensausgabe bedeuten für uns zusätzlichen Stress und dies ist bei den Problemen, die wir bereits mit in dieses Land gebracht haben, oft unerträglich. Wir empfinden die Art und Weise der Essens ausgabe am LKW als unmenschlich. Außerdem haben wir das Gefühl, dass die tatsächlichen Kosten für Lebensmittel und Hygieneartikel unter dem vom Staat kalkulierten Mindestsatz liegen. Die Transport- und Personalkosten, welche bei der Lebensmittel- und Hygieneartikellieferung anfallen, würden im Falle einer „Barauszahlung“, wegfallen. 2. Kleiderverteilung Auch bezüglich der Kleiderverteilung möchten wir Ihnen kurz einige Argumente, welche gegen das bestehende Sys tem sprechen, aufzeigen und erläutern. Kleider sind zum Teil Ausdruck der Persönlichkeit. Jeder Mensch kleidet sich individuell seinem Geschmack entsprechend an. Ein persönlicher und individueller Kleidungsstil fördert das Wohlbefinden eines jeden Menschen enorm. Wer möchte sich mit und in der Kleidung, die er trägt, nicht wohl fühlen? Durch das Kleiderverteilen ist unsere Entscheidungs- und Wahlfreiheit, die Kleidung zu tragen, in der wir uns „wohl fühlen“, nicht gegeben. Eine große und vielfältige Auswahl haben wir nicht, da das Angebot sehr eingeschränkt ist. Außerdem wird der individuelle Körperbau (Größe, Figur…) beim Angebot der Kleider nicht beachtet und berücksichtigt. Beispielsweise passen sehr große oder übergewichtige, also nicht der Norm entsprechende Menschen, meistens nicht in die von Ihnen zur Verfügung gestellten Kleidungsstücke. Das Taschengeld reicht aber leider nicht aus, um andere, angemessene und passende Kleidung zu kaufen, da Kleidung in Spezialgrößen meist teurer ist als andere. Wie auch schon bei den Lebensmitteln bemerkt, ist die Qualität der Kleider ebenfalls nicht gut und oft von außergewöhnlich niedriger Qualität im Verhältnis zu den zugeteilten Punkten. Die Kleider sehen nach ein paar Mal waschen nicht mehr gut aus. Wo die angebotenen Kleidungsstücke herkommen ist ebenfalls nicht nachvollziehbar. … Wir sind der Meinung, dass wir durch unseren aktuellen Status als Asylbewerber, bereits genug stigmatisiert und ausgegrenzt sind. Das Aussehen der Kleidung verstärkt dieses Stigma zusätzlich und macht es der Umgebung leicht, uns als Asylbewerber zu identifizieren. Dies erschwert die Integration in die Gesellschaft und grenzt uns bereits durch unser äußeres Erscheinungsbild aus. „Kleider machen Leute“ heißt es, wir würden gerne selbst entscheiden und be- stimmen welche Kleider wir tragen. Wir finden es sinnvoll und erstrebenwert eigenes Geld zu haben und damit Kleidung zu kaufen, außerdem würden die Kleidergeschäfte in Biberach davon profitieren. Es ist uns deshalb ein großes Anliegen, das bisherige System abzuschaffen. 3. Residenzpflicht/Bewegungsfreiheit Biberach ist eine schöne Stadt, in der wir uns eigentlich wohl fühlen. Aber ein Leben, bei dem man darauf beschränkt ist, sich ausschließlich im Kreis Biberach aufzuhalten, versagt den Asylbewerbern eine wichtige Chance zur Integration. Die Möglichkeit einer positiven, multikulturellen Entwicklung in der Stadt Biberach wird dadurch ausgeschlossen. Unserer Erfahrung nach lieben die Deutschen das Abenteuer, auch die Regierung ermutigt ihre Bürger, unterschiedliche Kulturen innerhalb und außerhalb von Europa kennenzulernen. Diese Chance haben wir, als Asylbewerber im Kreis Biberach jedoch nur in minimalem Maße. Die gesetzliche Residenzpflicht macht uns zu potentiellen Kriminellen, in den Augen des Gesetzes, welches nur für uns Flüchtlinge geschaffen wurde. In anderen Landkreisen wird die Erlaubnis zum Verlassen des Landkreises gegen Gebühr oder oft auch kostenlos erteilt, in Biberach wird die Residenzpflicht aber extrem streng gehandhabt. Stellen Sie sich ein Leben ausschließlich im Kreis Biberach vor … Ein sehr eingeschränktes Leben, wenn man beachtet, dass der Landkreis Biberach zu 90 Prozent aus Dörfern besteht, mit welchen wir nichts zu tun haben, da wir diese nicht ohne Hindernisse erreichen und die Integrationsbereitschaft seitens der Dorfbevölkerung im ländlichen Raum zum Teil noch geringer ist. Diese Politik der Isolation und Kontrolle verschwendet Steuergelder. Nicht zuletzt wegen der hohen Kosten für Therapien, die die meisten Flüchtlinge hier bekommen. Sie sind eine Konsequenz der Aufenthaltsbedingungen. Sich nicht frei bewegen zu dürfen ist eine enorme Einschränkung und kann die Psyche eines Menschen auf Dauer stark belasten. Wir fühlen uns in Biberach ungerecht und unmenschlich behandelt, deshalb werden wir aktiv und möchten ein Zeichen setzen. Mehr Infos: http://fluechtlingsbc.wordpress.com/ http://weberberg.de/gespraech/asyl.html Kontakt: [email protected] Gespräch mit Flüchtlingen in der GU Biberach. Unterstützung erhalten die Flüchtlinge auch von Andreas Gratz (Caritas) und Pfarrer Matthias Ströhle, beide auch aktiv im AK Asyl Biberach / Ochsenhausen Bild: Steffen Armbruster FLÜCHTLINGSRAT BADEN-WÜRTTEMBERG Rundbrief August 2010 23 ASYLBEWERBLEISTUNGSGESETZ / UNTERBRINGUNG | PRESSE-DOKU Asylbewerber beklagen sich über Unterkunft in Langenau von Helga Mäckle, Südwest Presse Ulm 8.6.2010 Langenau. Bewohner des Langenauer Asylbewerberheims beklagen sich über ihre Unterkunft und Versorgung mit Lebensmitteln. Der Flüchtlingsrat bestätigt die Klagen. Der Kreis sagt: Wir halten uns an gesetzliche Vorgaben. „Ab heute esse ich nichts mehr von hier.“ Der 41-jährige Asylbewerber, der seit August 2009 in der Gemeinschaftsunterkunft des Alb-DonauKreises in Langenau lebt, ist sauer: Zum Teil seien die Nahrungsmittel, die sie drei Mal in der Woche ausgehändigt bekommen, minderwertig oder bereits abgelaufen. Der Palästinenser, der im Libanon geboren wurde, hatte unserer Zeitung abgekündigt, dass nicht nur er, sondern gut 20 der derzeit 102 Bewohner der Gemeinschaftsunterkunft, die Essenskörbe der Heimleitung nicht mehr annehmen wollten. Beim Besuch unserer Zeitung war der 41-Jährige aber der einzige, der an diesem Tag seinen blauen Gitterkorb mit Essen nicht abgeholt hatte. „Wir wurden eingeschüchtert. Man sagte uns, wir kriegen Ärger“, erzählt der Mann, der mit drei anderen in einem knapp 19 Quadratmeter großen Zimmer in der Unterkunft wohnt. Von wem sie eingeschüchtert wurden, wollte er allerdings nicht sagen. Er befürchte Ärger mit seinem Asylverfahren. 24 FLÜCHTLINGSRAT BADEN-WÜRTTEMBERG Rundbrief August 2010 Einer seiner Mitbewohner bestätigt die Klagen: „Das Essen, die Zimmer, der Chef - wir werden behandelt wie der letzte Dreck“, sagt der 28-Jährige, der aus dem Gaza-Streifen kommt: „Uns wird kein Respekt entgegen gebracht.“ Auch er hat wie der 41-jährige Libanese bereits in zwei anderen solcher Gemeinschaftsunterkünfte gelebt. „So schlimm war es nirgends.“ Der Flüchtlingsrat Ulm-Alb-Donau weiß von den Beschwerden. „Mir wurde von zwei Frauen bestätigt, dass die Lebensmittel zum Teil kurz vor dem Verfallsdatum sind, wenn sie ihnen ausgehändigt werden“, sagt eine Langenauerin, die die Gemeinschaftsunterkunft regelmäßig für den Flüchtlingsrat besucht. Das Obst sei alles andere als frisch. „Zwar können die Leute auf ihrem Bestellzettel den Punkt ,verschiedenes Obst ankreuzen, aber letztlich gibt es wohl immer nur Äpfel, Birnen und Bananen.“ Erst vergangene Woche habe sie eine Irakerin besucht, die habe ihr kurz zuvor gelieferte Bananen gezeigt: „Die waren braun.“ Die Langenauerin kann den Ärger der Bewohner daher sehr wohl verstehen. Das Zimmer der beiden Palästinenser im Untergeschoss der Gemeinschaftsunterkunft ist nicht gerade heimelig: Gelbliche, fleckige Wände, grauer Linoleumboden, in jeder Ecke steht ein Bett mit Kissen und einer braunen Decke, in der Mitte ein Tisch mit Stühlen und ein Kühlschrank - alles auf 19 Quadratmetern. Dazu ein Fernseher - einziger Zeitvertreib für die Asylbewerber, die während der ersten zwölf Monate ihres Asylverfahrens nicht arbeiten dürfen. „Ich bekomme 40 Euro im Monat Taschengeld. Was glauben Sie, was man damit machen kann?“ fragt der Libanese. Alleine die Busfahrt nach Ulm kostet bereits 3,50 Euro. Zudem dürfen die Asylbewerber den Alb-Donau-Kreis nicht ohne Genehmigung der Ausländerbehörde verlassen, sonst droht ihnen ein Strafbefehl. Zwölf Menschen teilen sich Bad und Toilette im Untergeschoss, in der Gemeinschaftsküche fehlt eine Schranktür, der Herd ist verdreckt. Die Langenauerin vom Flüchtlingsrat berichtet, dass die Herde in den beiden Gemeinschaftsküchen in den oberen Stockwerken im Moment kaputt seien. „Da wohnen ganze Familien, die Frauen können nichts kochen.“ Eine von ihnen habe sich jetzt einen Kocher mit zwei Platten ausgeliehen. „Und der wird jetzt im ganzen Haus ausgeliehen, damit die Leute kochen können.“ Die ehrenamtliche Asylbewerber-Betreuerin macht sich vor allem um die Frauen Sorgen. „Die haben ja schon einiges hinter sich, und im Wohnheim ist immer Remmi-Demmi, auch nachts. Sie werden oft von männlichen Bewohnern übel angemacht. Es ist kein Wunder, dass sie mit den Nerven völlig runter sind.“ Auch dass auf die Menschen Druck ausgeübt wird, bestätigt die Frau vom Flüchtlingsrat. „Das Fernsehen wollte mal einen Beitrag über das Wohnheim machen. Als es um einen Termin für den Besuch des Kamerateams ging, sagte man uns plötzlich, dass keiner der Bewohner vor der Kamera etwas sagen wolle.“ Klagen über das Essen und die Unterbringung sind der Leitung der Gemeinschaftunterkunft gänzlich neu. „Es hat bisher keine Beschwerden gegeben“, sagt Ernst-Johann Falter. Dass Lebensmittel abgelaufen sind, könne nicht sein. Die Ware werde von einem Lieferanten gebracht und regelmäßig überprüft. Die Bewohner könnten auf einem Bestellschein unter verschiedenen Lebensmitteln auswählen. Auch seien nicht vier oder fünf Menschen in einem Zimmer, sondern maximal drei. „Die gucken nachts oft zusammen fern und trinken, dann bleibt halt mal einer mehr in einem Zimmer und schläft dort.“ Dass seitens der Heimleitung in irgendeiner Form Druck ausgeübt werde, weist Falter weit von sich. Günter Weber, Sozialdezernent des Alb-Donau-Kreises, erklärt die rechtlichen Grundlagen. Demnach stehen jedem Bewohner 4,5 Quadratmeter zu. Der Bedarf an Essen, Unterkunft, Heizung, Kleidung, Körperpflege und Gebrauchsdingen wird durch Sachleistungen gedeckt. Sprich: Die Asylbewerber bekommen kein Geld ausgehändigt, sondern werden mit diesen Dingen versorgt. Lediglich ein Taschengeld für persönliche Bedürfnisse bekommen sie bar. So steht es im Asylbewerberleistungsgesetz. Dass es in der Gemeinschaftsunterkunft immer wieder Ärger gibt, auch unter den Bewohnern, sei angesichts der Lebensumstände dort nicht überraschend, meint Weber: „Natürlich ist es nicht einfach für Menschen aus einem anderen Kulturkreis, sich hier zurecht zu finden.“ Zudem bestehe durchaus eine Erwartungshaltung an das Leben in Deutschland, die meist bereits in den jeweiligen Heimatländern geweckt worden sei. „Und die Enttäuschung ist dann groß, wenn das Leben hier dem nicht entspricht.“ Gleichzeitig sei klar, dass das Zusammenleben in einem solchen Heim nur funktionieren könne, wenn sich jeder an die Absprachen und Regeln halte. In der Gemeinschaftsunterkunft ist auch ein Sozialarbeiter beschäftigt, der sich um die Bewohner kümmert und ihnen etwa bei Behördengängen oder ähnlichem helfe. „Wir versuchen im Rahmen unserer Möglichkeiten, den Menschen ein Dach, Versorgung und eine Tagesstruktur zu geben“, sagt Weber. An den gesetzlichen Vorgaben aber könne der Kreis nichts ändern. Die Behörden, die Unterbringung Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) ist zuständig für die Durchführung von Asylverfahren. Die Behörde prüft, ob ein Anspruch auf Asyl oder Schutz nach der Genfer Flüchtlingskonvention besteht. Für Baden-Württemberg befindet sich die Außenstelle des Bundesamtes in Karlsruhe. Diese weist den Städten und den Landkreisen in BadenWürttemberg die Asylbewerber zur Unterbringung nach einem bestimmten Schlüssel zu: Der Alb-DonauKreis muss 2,8 Prozent aller Asylbewerber in BadenWürttemberg unterbringen, das Land seinerseits muss 12,3 Prozent aller Bewerber im Bund aufnehmen. Das Land entschädigt die Kreise für die Unterbringung mit einem Pauschalbetrag pro Asylbewerber: 10 228 Euro, die ausgelegt sind für 29 Monate. Dauert ein Asylverfahren länger, muss der Kreis die Kosten aus eigener Tasche zahlen. Der Alb-Donau-Kreis kann maximal 140 Menschen in der Gemeinschaftunterkunft in Langenau unterbringen. Inzwischen ist das Haus in der Riedheimer Straße das einzige Asylbewerberheim im Kreis, das in Blaubeuren wurde 2008 geschlossen. In Ehingen gibt es noch ein Wohnheim für Spätaussiedler. In der Langenauer Unterkunft leben laut Kreis 102 Menschen, 48 von ihnen stammen aus dem Irak, wo sie aufgrund ihrer Religion verfolgt werden. Die beiden Palästinenser im Text werden in ihrer Heimat politisch verfolgt. Der Flüchtlingsrat Der Flüchtlingsrat Ulm/Alb-Donau ist ein Verein mit 25 Mitgliedern und setzt sich ein für die Belange von Asylbewerbern und Flüchtlingen in der Region. Die Körbe mit Lebensmitteln, die in Langenau verteilt werden, hält der Rat für keine gute Lösung. Die Stadt Ulm, die in der Römerstraße eine Gemeinschaftsunterkunft unterhält, hat auf Drängen des Flüchtlingsrats die Lebensmittelkörbe abgeschafft. Stattdessen können die Menschen mit Chipkarten in ausgewählten Supermärkten selbst einkaufen. „Eine deutlich bessere Lösung“, sagt Dieter Lang vom Flüchtlingsrat. Das Gremium will angesichts der Klagen über die Langenauer Gemeinschaftunterkunft auf den Alb-Donau-Kreis zugehen und versuchen, mit der Behörde Verbesserungen für die Bewohner zu erreichen. Quelle: http://www.swp. de/ulm/lokales/ alb_donau/ int/299,5095947 FLÜCHTLINGSRAT BADEN-WÜRTTEMBERG Rundbrief August 2010 25 MANNHEIM| ABCHIEBEHAFT Nach dem Brand Besuch des Abschiebeknasts Mannheim am 9. Juli mit MdL Helen Heberer (SPD) von Angelika von Loeper MigrantInnen ohne Aufenthaltstitel, die rechtskräftig zur Ausreise aufgefordert sind, können zur Vorbereitung der Ausweisung oder Sicherung der Abschiebung in Abschiebungshaft genommen werden. Dies regelt § 62 des Aufenthaltsgesetzes. In Baden-Württemberg waren seit 1993 die JVAs Rottenburg und Mannheim für die Aufnahme von Abschiebungsgefangenen zuständig. Mitte der 1990er Jahre wurden in Rottenburg und Mannheim für die Abschiebungshaft Container in den jeweiligen JVAs aufgestellt mit einer Gesamtkapazität von damals 136 Plätzen. Ein Knast im Knast trennte die Abschiebehäftlinge von den Gefangenen der JVA. Die Abschiebungshaft fällt unter die Zuständigkeit des Justizministeriums, das diese Aufgabe in Amtshilfe für die Innenverwaltung durchführt. Rechtsgrundlage für die Abschiebungshaft bilden das FamFG (Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit) und das Strafvollzugsgesetz. Frauen in Abschiebehaft 26 FLÜCHTLINGSRAT BADEN-WÜRTTEMBERG Rundbrief August 2010 In der Schwäbisch Gmünder JVA werden Frauen zur Abschiebung inhaftiert. Die dortige Besuchergruppe bemängelt die Kontaktmöglichkeiten zu den gefangenen Frauen. Wenn von Abschiebungshaft die Rede ist, so wird die Situation von Frauen ausgeblendet. Offiziell gibt es für die weiblichen Abschiebehäftlinge keine Sozialarbeiterin. Die Besuchergruppe erfährt allenfalls in wenigen Einzelfällen durch Familienangehörige oder wenn Übersetzungshilfe gefragt ist von den inhaftierten Frauen. Die Besuchergruppe will eine regelmäßige Sprechstunde mindestens 1 x pro Monat einrichten. So lange die unmenschliche Abschiebehaft nicht gänzlich abgeschafft wird, ist dies eine Minimalforde- rung zur Unterstützung der betroffenen Frauen in Abschiebehaft: Schließung der Abschiebehaft Rottenburg Anfang Oktober 2009 wurde die Abschiebungshaft Rottenburg nun endgültig geschlossen. Nach über 15 Jahren erfolgte die Schließung allerdings nicht aufgrund der Zustände, die über Jahre hinweg als besonders unmenschlich kritisiert worden waren. Effizienz- und Kostenerwägungen waren ausschlaggebend. Das Bündnis gegen Abschiebehaft Tübingen hatte über Jahre hinweg kontinuierlich Abschiebungsgefangene betreut. Hunderte von Zeitungsartikeln, Radioberichten und ein Dokumentarfilm beschrieben die schwierigen Bedingungen der Abschiebehäftlinge in Rottenburg. In einem Schattenbericht Abschiebehaft hat das Tübinger Bündnis nun die Arbeit der vergangenen Jahre dokumentiert. Ende Oktober wurden die letzten Gefangenen nach Mannheim verbracht und die Abschiebehaftanstalt aufgelöst. Abschiebungshaft macht krank Eigentlich wäre das Ende der Rottenburger Abschiebehaft eine gute Gelegenheit gewesen, die Frage nach dem Sinn von Abschiebehaft auf die Tagesordnung zu setzen und auch die Mannheimer Einrichtung aufzulösen. Schließlich werden hier Menschen eingesperrt, die häufig bereits in ihrem Herkunftsland schreckliche Erfahrungen gemacht haben. Norbert Sauer, Sprecher der Mannheimer Arbeitsgemeinschaft Abschiebehaft und langjähriges Mitglied von Amnesty international, findet die Situation von Abschiebehäftlingen einfach schrecklich: „ Hier spielen sich menschliche Dramen ab, unfassbare Schicksale, und kaum jemand interessiert sich dafür.“ Eine jüngst erschienene europaweite Studie des Jesuiten Flüchtlingsdienstes „Quälendes Warten“ (www.jrseurope.org) kommt zu dem Ergebnis, dass Abschiebungshaft krank macht. Vor allem, wenn sie über einen längeren Zeitraum andauert, berichten die Gefangenen über zunehmende Beschwerden. Mehr als 3 Monate im europaweiten Durchschnitt, müssen Ausreisepflichtige in Abschiebungshaft verbringen. Die Europäische Rückführungsrichtlinie lässt sogar eine Inhaftierung von bis zu 18 Monaten zu. Brand im Abschiebecontainer Die 1993 für 5 Jahre provisorisch konzipierte Abschiebungshaft in Mannheim ist im Mai dieses Jahres in die Schlagzeilen geraten. Am 12. Mai brach in den Containern des Abschiebegefängnisses auf dem Gelände der JVA Mannheim ein Feuer aus. Mehrere Abschiebegefangene wurden verletzt. Zwei Marokkaner, in deren Zelle das Feuer ausgebrochen war, fielen ins Koma. Zahlreiche Häftlinge und Helfer erlitten eine leichte Rauchvergiftung. Alle weiteren knapp 40 Insassen wurden aus den Containern gebracht. Der Sachschaden betrug mehrere zehntausend Euro. Die beiden ins Koma gefallenen Abschiebegefangenen schweben nicht mehr in Lebensgefahr. Sie wurden mittlerweile in die Untersuchungshaft verbracht, die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Brandstiftung. Vor sechs Jahren hatte der Feuertod des Asylbewerbers Ouri Jallow in der Gewahrsamszelle eines Polizeireviers in Dessau bundesweites Aufsehen erregt. Der mysteriöse Todesfall wird derzeit noch einmal aufgerollt, nachdem der Bundesgerichtshof Zweifel am bisher geschilderten Tathergang und eklatante Ungereimtheiten aufgedeckt hatte. Aus Verzweiflung in den Tod Viele Flüchtlinge haben in den letzten Jahren in Abschiebungshaft oder in unmittelbarem Zusammenhang mit ihrer Abschiebung Suizidversuche unternommen oder den Freitod gewählt. Zuletzt gerieten die tragischen Suizide des minderjährigen David M. in Hamburg und von Slawik C. im Abschiebegewahrsam Langenhagen (Niedersachsen) ins Licht der Öffentlichkeit. Wenn Menschen durch Abschiebehaft zum äußersten getrieben werden, muss sich eine Gesellschaft fragen, ob sie diesen hohen Preis bezahlen will. Flüchtlingsrat entsetzt über Zustand der Container BBei einem Besuch am 9. Juli 2010 auf Einladung der Mannheimer Landtagsabgeordneten Helen Heberer konnte der Flüchtlingsrat sich einen aktuellen Eindruck vom derzeitigen Stand der Abschiebecontainer verschaffen. 23 Abschiebehäftlinge mussten an diesem heißen Freitag hinter den vergitterten Fenstern des Containers verharren und auf ihre Abschiebung warten. Die meisten Männer kamen aus dem Kosovo oder anderen Staaten des ehemaligen Jugoslawiens. Sie waren alle im Erdgeschoss der Haftanstalt untergebracht. War die Hitze bereits im Erdgeschoss schwer erträglich, so legte sich im Obergeschoss zur noch unerträglicheren Hitze Geruchsbildung des ausgebrannten und mittlerweile entkernten Containers auf den Magen. Die Atmung möglichst flach halten, war eine Möglichkeit, die aufkommende Übelkeit zu verdrängen. Nach Meinung der Anstaltsleitung war das EG nur unwesentlich vom Brand betroffen. Spuren waren keine sichtbar, die am Tag des Brandes in Sicherheit gebrachten Flüchtlinge waren am nächsten Tag bereits wieder in Zellen des Erdgeschosses eingeschlossen worden. Es darf bezweifelt werden, ob tatsächlich die durch Rauchentwicklung und qualmende Kabel verAnzeige unter www.baunetz.de Neubau Untersuchungs- und Abschiebehaft JVA Bewerbungsschluss Gebäudetyp Art Zulassungstyp Ort des Wettbewerbs Wettbewerbstyp Zulassungsbereich Auslober Teilnehmer Termine 16.08.2010 Justizvollzugsanstalten Dienstleistung Wettbewerb mit Bewerbungsverfahren Mannheim Verhandlungsverfahren EWR Land Baden-Württemberg Bauvorlageberechtigung nach LBO Bewerbung bis: 16.08.2010 24:00 Uhr seuchte Luft bereits ohne gesundheitliche Beeinträchtigung genießbar war. Ein Teil des Obergeschosses wird nun wegen Rauchentwicklung renoviert, der Rest, namentlich die Zelle des Brandursprungs, wurde völlig entkernt, da stehen nur noch die Träger. Verweildauer und Haftbedingungen FLÜCHTLINGSRAT BADEN-WÜRTTEMBERG Rundbrief August 2010 27 Erst 2009 waren die Mannheimer Abschiebecontainer einer gründlichen Renovierung unterzogen worden. In diesem Zusammenhang wurde die Kapazität der Haftplätze von 102 auf nunmehr 66 Plätze reduziert. Die bisherigen 3-Mannzellen mit nur 3,5 qm pro Person wurden auf Doppelzellen reduziert. Die durchschnittliche Verweildauer betrage derzeit 30 Tage, seit einem Jahr sei kein Häftling mehr länger als 6 Monate inhaftiert gewesen. Ein Grund sei, dass die Abschiebungen zügiger durchgeführt würden, manchmal bereits innerhalb 3 – 4 Tagen, was die durchschnittliche Verweildauer erheblich senke. Die derzeitige niedrige Belegungszahl sei dem Sommer geschuldet, im Winter sei die Abschiebungshaft regelmäßig stärker belegt. Die bislang AGA Arbeitsgemeinschaft Menschwierige Beschen in Abschiebehaft suchssituation Ihr Partner, Freund, Bekannter wurde gerade in Ab- ein spartanisch schiebungshaft genommen und befindet sich in der eingerichteter Abschiebungshaftanstalt Mannheim? Dann können Sie Raum im Contaisich direkt an uns wenden - Senden Sie uns eine E-Mail: info (ät) ag-abschiebehaft.de ner - habe sich Rufen Sie uns an und hinterlassen bitte deutlich Nadurch den im Mai men und Rückrufnummer. eingeweihten Notruf: Fon 0621 . 41 25 56 Neubau des BeTeilen Sie bitte dem Abschiebehäftling unsere Rufnummer mit. (Er darf auf unsere Kosten telefonieren) Fon suchertraktes der 0621 . 412556 JVA, der auch von Teilen Sie dem Abschiebehäftling unsere Faxnummer Besuchern für Abmit (er darf auf unsere Kosten ein Fax versenden) Notruf: Fax 03212 . 1250199 schiebehäftlinge Darüber hinaus soll sich der Abschiebehäftling sofort genutzt werden mit dem Sozialarbeiter in Verbindung setzen. Wir sind kann, wesentlich übrigens ein ehrenamtliches und unabhängiges Betreuentspannt. ungsteam. Weitere Fragen beantworten wir zwischen 16-18 Uhr unter 0 621 . 156 4 157. Hofgang gibt es jeweils vormittags und nachmittags 1 Stunde am Tag. Angesichts der Hitze des unbepflanzten JVA-Hofes ist der Aufenthalt im heißen Sommer im Hof allerdings nur im Schatten der Außenmauer des JVA-Geländes erträglich. Die Autorin: Im Stacheldraht auf der Mauer zeugen mehrere Angelika von Loeper ist Mitglied Fußbälle von Ballsport beim Hofgang. im Vorstand der Umschluss sei möglich, Arbeits- und SportangeBundesarbeitsgemeinschaft Pro bote auch für Abschiebegefangene verfügbar. Asyl und des MenAufschluss (Öffnung des Stockwerks für freie Beschenrechtszensuchsmöglichkeit unter den Gefangenen) sei bei trums Karlsruhe sowie 1. Vorsitder derzeitigen baulichen Situation nicht mögzende des Flüchtlich. Telefonzellen mit PIN und TAN versehen lingsrats Badenkönnen von den Flüchtlingen genutzt werden, Württemberg die Kosten hierfür werden vom Taschengeld abFLÜCHTLINGSRAT gezogen. Marc Schwenzer vom Bündnis gegen 28 BADEN-WÜRTTEMBERG Rundbrief August 2010 Abschiebehaft Tübingen, schlug vor, die Kosten über Spendenmittel von Seiten des Bündnisses zu übernehmen. Minderjährige werden nur mit Zustimmung der Aufsichtsbehörde in der Abschiebehaft aufgenommen. 2009 wurde ein Minderjähriger nach einer Woche durch die Stadt Mannheim in einer Jugendhilfeeinrichtung untergebracht. Bewacht werden die Abschiebehäftlinge von Mitarbeitern des privaten Sicherheitsdienstes securitas sowie von JVA-Beamten. Hoheitliche Aufgaben werden nur von JVA-Beamten ausgeführt. Beratung und Betreuung In diesem Zusammenhang wurde die Vor-OrtSprechzeit eines Mitarbeiters des Regierungspräsidiums Karlsruhe erwähnt, der 1 x pro Woche direkt in der Abschiebehaft ansprechbar ist. Das Regierungspräsidium Karlsruhe ist zentral für alle Ausreisepflichtigen des Landes BadenWürttemberg zuständig. Ansonsten ist der Sozialarbeiter der JVA und halbtags ein Sozialarbeiter des Diakonischen Werkes Mannheim sowie der Seelsorger der JVA für die Betreuung der Abschiebehäftlinge zuständig. Einer Spielgruppe von amnesty international steht ein Raum für die Beschäftigung mit den Abschiebehäftlingen zur Verfügung des Weiteren gibt es eine Besuchergruppe der AG Abschiebehaft Mannheim. Abschiebehaft gehört abgeschafft Die JVA Mannheim plant in den nächsten Jahren Um- sowie Erweiterungsbauten. In einer Kleinen Anfrage der SPD-Abgeordneten Helen Heberer verweist das Justizministerium auf die Renovierung des 1996 errichteten Containers: „Das Gebäude der Abschiebehaft wurde im Jahr 1996 in Container-Bauweise erstellt. Die Anlage wurde Mitte 2008 bis Anfang 2010 abschnittsweise hergerichtet, sodass eine weitere Nutzung für die kommenden Jahre möglich ist.“ (Landtagsdrucksache 14/6268 v. 23.04.2010) Wir meinen, Abschiebehaft gehört abgeschafft. Sie ist unmenschlich und macht krank. Weder eine Renovierung des Abschiebecontainers noch ein Neubau können diesen Eingriff in die Freiheitsrechte beschönigen. Abschiebungshaft gehört abgeschafft. DOKUMENTATION / PETITION | ABSCHIEBEHAFT Petition gegen Abschiebehaft in Baden-Württemberg vom Bündnis gegen Abschiebehaft Tübingen 1993 wurden die ersten Abschiebehäftlinge in Gefängnissen Baden-Württembergs inhaftiert. Von Anfang an wurden die Institution Abschiebehaft und die Situation der Inhaftierten als besonders unmenschlich kritisiert. Nirgends wird das Scheitern der Migrationspolitik Europas in Deutschland deutlicher als an Hand der Lebensgeschichten von Inhaftierten der Abschiebehaft. Auch wir als ehrenamtliche Besucher in der JVA Rottenburg mussten dies immer wieder beobachten. Die medizinische Versorgung war oft inakzeptabel, psychische Krankheiten wurden oft nicht diagnostiziert und ausreichend behandelt. Zahlreiche Selbstmorde sind ein trauriger Beweis der psychischen Grenzsituation, in die Menschen in Abschiebehaft gebracht werden. In Rottenburg erhängte sich zuletzt im Jahr 2008 ein Mann aus Angst vor der bevorstehenden Abschiebung. Im gleichen Jahr legte ein anderer Mann in Selbstmordabsicht in seiner Zelle Feuer. Auch dieses Jahr hat in der JVA Mannheim ein Inhaftierter seine Zelleneinrichtung in Brand gesetzt. Oft mussten wir erleben, wie anfänglich optimistische Menschen im Zuge ihrer monatelangen Inhaftierung zunehmend niedergeschlagener wurden. Selbst suizidale Menschen werden noch direkt aus dem Gefängniskrankenhaus heraus abgeschoben. Abgeschoben wurden auch Menschen, die fast ihr ganzes Leben in Deutschland gelebt und keinerlei Bezug zum vermeintlichen Herkunftsland hatten. Familientrennungen waren häufig und hatten oft dramatische Konsequenzen zur Folge. In einem Fall mussten die Kinder eines Inhaftierten über Wochen in eine Jugendeinrichtung, weil die Mutter in einer Klinik behandelt wurde, der Vater aber trotz unserer Intervention nicht aus der Haft entlassen wurde. Abschiebehäftlinge erhalten zudem keinen Rechtsbeistand, obwohl sie bis zu 18 Monate inhaftiert werden können. Die Dolmetschungen sind mangelhaft und oft waren sich die von uns besuchten Inhaftier- ten nicht über ihren Verfahrensstand im Klaren. Abschiebehäftlinge werden zudem faktisch enteignet, denn die Kosten für Haft und Abschiebungen werden aus eingezogenem Vermögen beglichen. Wir haben all diese Menschenrechstverletzungen systematisch zusammengefasst und mit Einzelfällen belegt. Der vollständige „Schattenbericht Abschiebehaft“ kann kostenlos aus dem Internet geladen oder per Post bestellt werden. (s.u.) Seit der Einführung von Abschiebehaft erschienen Hunderte von Zeitungsartikeln, Radioberichten und Dokumentarfilmen, die die Bedingungen in Abschiebegefängnissen zum Thema hatten. Unzählige Demonstrationen, Unterschriftensammlungen und Mahnwachen dokumentieren eine über 15 Jahre anhaltende Empörung. Dennoch sind weitergehende Konsequenzen bislang ausgeblieben. Wir sind der Meinung, dass die aktuelle Situation mit Blick auf die davon Betroffenen keinesfalls zugelassen werden darf. Deshalb haben wir eine Petition an das Innenministerium verfasst, um deren Unterzeichnung wir bitten. Zudem haben wir diese Petition auch beim Petitionsauschuss des Landtags eingereicht und erwarten, dass Baden-Württemberg endlich Konsequenzen zieht. Wir bitten Sie, unsere Petition per Email oder Brief an das Innenministerium zu unterstützen. Den jeweils aktuellsten Stand dokumentieren wir auf der Seite http://petition.gegen-abschiebehaft.org. Bestellung: Bündnis gegen Abschiebehaft Tübingen c/o Asylzentrum Neckarhalde 32 720070 Tübingen Tel.: 07071/1384644 kostenloser Download: http://bericht.gegen-abschiebehaft.org FLÜCHTLINGSRAT BADEN-WÜRTTEMBERG Rundbrief August 2010 29 Petition zu gravierenden Missständen in der Abschiebehaft in Baden-Württemberg Abschiebehaft hat offensichtlich umfassende negative Folgen für die Betroffenen. Dies steht im Widerspruch zu grundgesetzlichen und menschenrechtlichen Vorgaben. Wir sind im Rahmen unserer Arbeit deshalb zu der Überzeugung gelangt, dass Abschiebehaft nicht menschenwürdig gestaltet werden kann. Deshalb fordern wir im Einklang mit den großen karitativen Organisationen und Wohlfahrtsverbänden Deutschlands die Abschaffung dieser Institution. Die Einhaltung grundsätzlichster Menschenrechte und Rechtsnormen ist sofort zu gewährleisten. Das betrifft insbesondere die folgenden Aspekte: Schutz von Kranken • Physische und psychische Krankheiten müssen angemessen behandelt werden. Zu diesem Zweck muss den Abschiebehäftlingen der Besuch von selbst gewählten unabhängigen (Fach-) Ärzten ermöglicht werden. • Schwerere Erkrankungen müssen in jedem Fall zur Beendigung der Haft führen. Auf Grund der zahlreichen geschilderten Selbstverletzungen, Selbstmordversuche und Nahrungsverweigerungen von Abschiebehäftlingen gehen wir davon aus, dass Abschiebehaft schwerwiegende psychopathogene Folgen hat. Besonders schockiert hat uns der Selbstmord eines Strafgefangenen der JVA Rottenburg. Er hatte sich aus Angst vor der bevorstehenden Abschiebung erhängt. Wir fordern deshalb die Einsetzung einer unabhängigen Fachkommission, die die krankmachenden Bedingungen von Abschiebehaft untersucht. • Die Abschiebung von psychisch und physisch Kranken muss aus humanitären Gründen unterbleiben. Es ist inakzeptabel, dass Flüchtlinge in Regionen abgeschoben werden, in denen die medizinische Versorgung nicht gewährleistet ist, während sie in Deutschland behandelt werden könnten. Schutz von Familien und Kindern 30 FLÜCHTLINGSRAT BADEN-WÜRTTEMBERG Rundbrief August 2010 • Im Interesse von Eltern und Kindern muss die Landesregierung zukünftig dafür Sorge tragen, dass Familientrennungen wirksam verhindert werden. Das Interesse von Kindern und Eltern auf gegenseitigen Umgang wiegt höher als Verwaltungsvorschriften. Unter keinen Umständen darf die Abschiebehaft eines Familienvaters die Fremdunterbringung seiner Kinder durch das Jugendamt zur Folge haben. Nichtabschiebung faktischer Inländer • Die Abschiebung oder Ausweisung von faktischen Inländern muss zukünftig wirksam verhindert werden. Niemand hat Verständnis dafür, dass Menschen, die als Kind nach Deutschland kamen, hier Schule und Berufsausbildung absolvierten, nach Jahrzehnten in ein vermeintliches Herkunftsland abgeschoben werden, in dem sie keine Perspektive haben. Rechtsschutz von Abschiebehäftlingen • Fundamentale Rechtsstandards dieser Gesellschaft müssen auch für Abschiebehäftlinge gelten. • Auch Abschiebehäftlinge müssen ein Recht auf einen unabhängigen Rechtsbeistand haben. • Die faktische Enteignung von Abschiebehäftlingen zur Deckung von Haft-, Flug- und Personalkosten muss beendet werden. • Die behördliche Rechtsbelehrung und die Qualität der Dolmetschungen müssen dringend verbessert werden. Umfassende Verbesserung der Haftbedingungen • Da es sich bei Abschiebungshaft nur um eine Sicherungshaft handelt, dürfen nicht die selben Haftbedingungen wie in Strafhaft gelten. Größtmögliche Bewegungsfreiheit, uneingeschränkte Besuchs- und Kommunikationsmöglichkeiten, sowie die Möglichkeit mit individuell gewählten Lebensmitteln zu kochen, sind zu gewährleisten. • Abschiebehäftlingen muss zudem uneingeschränkter Zugang zu Kommunikationsmitteln (Telefon und Internet) gewährt werden. Darüber hinaus fordern wir auch die Beseitigung aller weiteren Missstände, die wir in unserem „Schattenbericht Abschiebehaft“ ausführlich und detailliert dargelegt haben. Jenseits von gesellschaftlich umstrittenen migrationspolitischen Positionen sind die von uns beobachteten Menschenrechtsverletzungen humanitär inakzeptabel. Wir appellieren deshalb eindringlich an die Landesregierung, umgehend zu handeln. Wir bitten diese, sich im Rahmen der Innenministerkonferenz dafür einzusetzen, dass die Abschiebehaft auch bundesweit abgeschafft wird. Die Landesregierung trägt direkte Verantwortung für das Wohlergehen von Abschiebehäftlingen in Deutschland. BLEIBERECHTSPROJEKT / STUTTGART SNEFF Das Stuttgarter Netzwerk zur beruflichen Förderung von Flüchtlingen Die im August 2007 in Kraft getretene gesetzliche Altfallregelung und deren Anschlussregelung vom Dezember 2009 erleichtern langjährig geduldeten Flüchtlingen den Zugang zum Arbeitsbzw. Ausbildungsmarkt und bieten ihnen Chancen für eine dauerhafte Aufenthaltsperspektive in Deutschland. In diesem Zusammenhang fördern ESF und Bundesministerium für Arbeit und Soziales seit November 2008 im Rahmen des Programms „Arbeitsmarktliche Unterstützung von Bleibeberechtigten und Flüchtlingen mit Zugang zum Arbeitsmarkt“ bundesweit 43 Netzwerke. Dazu zählt – neben 3 weiteren baden-württembergischen Netzwerken in Tübingen, Freiburg und im Bodenseekreis - auch sneff, das Stuttgarter Netzwerk zur beruflichen Förderung von Flüchtlingen.. Von Luzia Köberlein Vier Stuttgarter Träger der Flüchtlings- und Migrationsarbeit, namentlich der Caritasverband für Stuttgart e.V., die Arbeitsgemeinschaft Dritte Welt (AGDW), die Arbeiterwohlfahrt (AWO) Stuttgart und die Evangelische Gesellschaft (EVA) Stuttgart haben sich gemeinsam mit dem Paritätischen Baden-Württemberg als Koordinator zum Ziel gesetzt, durch einen vernetzten und arbeitsteiligen Ansatz, in Kooperation mit dem JobCenter und in Abstimmung mit der Ausländerbehörde, zu einer nachhaltigen Arbeitsmarktintegration von Bleibeberechtigten beizutragen. Darüber hinaus sollen Beschäftigungschancen und die Beschäftigungsfähigkeit von Flüchtlingen mit ungesichertem Aufenthaltsstatus verbessert werden. Unternehmen sollen davon überzeugt werden, Flüchtlinge möglichst dauerhaft zu beschäftigen. Seit Beginn des Projekts haben 294 Flüchtlinge Kontakt zum sneff aufgenommen und individuelle Unterstützung auf ihrem Weg in Arbeit und Ausbildung bzw. zum Erhalt ihres Arbeitsplatzes angenommen. In intensiven persönlichen Beratungskontakten wurden Stärken und Potenziale der Einzelnen herausgearbeitet sowie Hilfeund Förderbedarfe ermittelt. Bislang hat sneff 75 ProjektteilnehmerInnen in Arbeit und 25 in Ausbildung vermittelt. 213 TeilnehmerInnen haben Trainings-, Sprach- und Kurzqualifizierungsmaßmaßnahmen erfolgreich abgeschlossen. So unterstützte sneff z. B. Herrn A. und Frau V. bei ihrer beruflichen Integration: Herr A. ist Ende 2001 als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling nach Deutschland eingereist und ist mittlerweile 25 Jahre alt. Viele Jahre übte er, obwohl nur geduldet in Deutschland lebend, eine Teilzeitbeschäftigung aus. Im Rahmen der Vorbereitung auf die externe Hauptschulabschlussprüfung, ermöglichte sneff Herrn A. die Teilnahme an einem Englischkurs, unterstützte ihn bei der Suche nach einer Ausbildungsstelle und begleitete ihn im Bewerbungsverfahren. Im September 2009 begann Herr A. eine Ausbildung zum Industriekaufmann. Frau V. ist alleinerziehende Mutter von vier Kindern. Sie arbeitet in Vollzeit als Küchenhilfe und erhält aufstockende Hilfe vom JobCenter, um ihren Lebensunterhalt zu sichern. Da sie nie Lesen und Schreiben gelernt hat, stößt sie an ihrem Arbeitsplatz immer wieder auf Schwierigkeiten und ist auf die Rücksichtnahme und Hilfsbereitschaft ihrer Kollegen angewiesen. sneff ermutigte Frau V. zum Besuch eines Alphabetisierungskurses, suchte ein Angebot, das mit ihren familiären und beruflichen Verpflichtungen in Einklang zu bringen war und kümmerte sich in Kooperation mit dem JobCenter um die Finanzierung. Seit März lernt Frau V. nun in einem wohnortnahen Angebot das Lesen und Schreiben. Sie macht erstaunliche Fortschritte und freut sich über ihre Erfolge. Auch ihre Kinder sind mächtig stolz auf sie. FLÜCHTLINGSRAT BADEN-WÜRTTEMBERG Rundbrief August 2010 31 DIAKONISCHES WERK / BAD BOLL 52 Flüchtlingsfrauen aus dem Kosovo, Afghanistan, Iran, Irak, Tschetschenien, dem Kongo, Kamerun, Nigeria, dem Libanon und Syrien begegneten sich am 11. und 12. Juli bei der 20. Tagung für und mit Flüchtlingsfrauen von Diakonischem Werk Württemberg und Evangelischer Akademie Bad Boll: Fluchtursachen und Fluchtgründe sowie die Schwierigkeiten im deutschen Alltag kamen zur Sprache. Das Leben im Exil erfordert von ihnen eine neue Orientierung in anderer Kultur und Gesellschaft. Außerdem sind rechtliche und politische Rahmenbedingen einzuhalten, die im Alltag häufig zu Stolpersteinen werden. Als „einzigartig in Deutschland“ bezeichnete Anna Büllesbach, die Vertreterin des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen, die Tagungen, die das Diakonische Werk Württemberg und die Evangelische Akademie seit 20 Jahren jeden Sommer in Bad Boll anbieten. „Ziel der Tagungen ist es, Flüchtlingsfrauen Partizipation zu ermöglichen und Hilfe zur Selbsthilfe zu fördern“, sagt Birgit Dinzinger, Fachleitung Migration im Diakonischen Werk Württemberg. Ebenso solle das Forum, das die Tagungen anbietet, die gesellschaftliche Diskussion verstärken. „Vieles hat hier seinen Anfang genommen“, resümierte Büllesbach zur Eröffnung der Jubiläumstagung. „Nicht nur der Austausch von Flüchtlingsfrauen aus verschiedenen Herkunftsländern ist sehr wichtig. Auch der Kontakt zu Expertinnen und Vertreterinnen von Behörden und der Politik wird hergestellt.“ 32 FLÜCHTLINGSRAT BADEN-WÜRTTEMBERG Rundbrief August 2010 Im Mittelpunkt der diesjährigen Tagung stellten sich beim Programmpunkt „Flüchtlingsfrauen befragen Politikerinnen“ die Bundestagsmitglieder Karin Maag, CDU, Gabriele Fograscher, SPD, und Ingrid Hönlinger, Bündnis 90/Die Grünen, den Anfragen der Frauen. Betroffen, einfühlsam und mitunter sprachlos reagierten sie auf Wortmeldungen in Gesprächsgruppen oder in großer Runde: Was geschieht mit alten und kranken Familienangehörigen? Können traumatisierte Personen irgendwann mit einem sicheren Aufenthalt in Deutschland rechnen? Warum müssen Kinder, die an überregionalen sportlichen Wettkämpfen teilnehmen, für jede Fahrt dorthin eine Genehmigung der Ausländerbehörde einholen? Warum ist es nicht gestattet, eine selbst gefundene Arbeitsstelle sofort anzutreten? Weswegen wird einer Flüchtlingsfrau die Erstattung einer ärztlich verordneten Brille abgelehnt, wenn sie eine Aufenthaltsgestattung hat? Einzigartige Tagung für Flüchtlingsfrauen Unter Tränen schilderte eine Frau die Problematik der verfolgten, bedrohten und zurückgelassenen Familie im Irak. Über lange Verwaltungszeiten, die ein zukunftsorientiertes Leben von Kindern nicht ermöglichen, klagte eine Frau aus dem Iran. Von der Scham und der Unbeweglichkeit beim Einkaufen mit Gutscheinen berichtete eine junge Türkin: Leute mit Taschenrechner bei Lidl seien immer als Flüchtlinge erkennbar, denn der Betrag für die 20- und 50-EuroGutscheine müsse beim Einkauf aufgehen. Auch wurde die jahrelange Vernachlässigung interkultureller Kompetenz bei Behörden angeprangert. Das Wissen und der Umgang mit kulturellen Gewohnheiten müsse eine Selbstverständlichkeit für alle Mitarbeitenden von Ämtern werden, die mit ausländischen Menschen zu tun hätten, forderten die Betroffenen. In ihren Schluss-Statements sagten die Politikerinnen zu, sich – auch fraktionsübergreifend – der vorgetragenen Anliegen anzunehmen. Karin Maag betonte die Individualität einzelner Schicksale, die sie zum Teil nur mit juristischer Hilfe klären könne, fügte aber hinzu: „Es ist nicht nur wichtig, Gesetze zu machen, sondern zu beobachten, wie die Gesetze vor Ort ausgeführt werden.“ Keiner brauche sich wegen eines Amtsgangs oder einer Antragstellung zu schämen: „Wenn Sie schlecht behandelt werden, teilen Sie uns das mit“, so Maag. In Deutschland würden alle Menschen gleich behandelt, ob sie die deutsche Sprache beherrschten oder nicht. „Zu den schlimmen Erfahrungen im Heimatland und auf der Flucht kommen nun bedrückende Erfahrungen in Deutschland hinzu“, bemerkte Gabriele Fograscher gegenüber den Frauen. Gesetze und Regelungen, die Schwierigkeiten bringen, gehörten dazu. „Dabei würde es nicht einmal Geld kosten, diese zu ändern“, so die Politikerin, die sich ebenfalls um Einzelfälle aus den Gruppengesprächen bemühen will. Ingrid Hönlinger bekundete in ihrem Fazit: „Es bedrückt mich, dass einige von ihnen durch dieses System krank werden und durch die Unsicherheit, in der sie leben.“ In der Politik seien nicht nur die Umsetzung, sondern auch die Gesetze selbst zu überdenken: „Vielleicht gelingt es uns, das Asyl- und Aufenthaltsrecht etwas offener und menschlicher zu gestalten.“ ASYLARBEIT / KARLSRUHE Mit Ballack ins Flüchtlingslager Sommerfest für Flüchtlinge in Karlsruhe Von Angelika von Loeper Aus feurigen Augen blickt mich eine Wildkatze an. Die Flüchtlingskinder haben viel Spaß an diesem Sonntagnachmittag. Schminken ist angesagt und Flaggen sind vor allem bei den Jungs hoch im Kurs. Auch an ihnen ist der Hype um die Fußballweltmeisterschaft nicht spurlos vorüber gegangen. Ein Stück Normalität im Alltag der Flüchtlingskinder! Zu einem Sommerfest hatten die im Menschenrechtszentrum Karlsruhe beheimateten Organisationen Flüchtlinge eingeladen. Im Ostauepark unweit des Menschenrechtsbaumes in Gehweite der Landesaufnahmestelle für Flüchtlinge des Landes Baden-Württemberg (LASt) war alles vorbereitet und zahlreiche Flüchtlinge waren der Einladung gefolgt. Familien, Alleinstehende und viele Kinder aus Kamerun, Somalia, Pakistan, Indien, Afghanistan und dem Iran nahmen das Angebot gerne an. Froh, die Strapazen der Flucht hinter sich gelassen zu haben, durchlaufen sie in der Karlsruher LASt die ersten Schritte des Asylverfahrens und hoffen alsbald in Deutschland ein neues Leben aufbauen zu können. Davon sind die meisten allerdings weit entfernt. Bis zu 3 Monate müssen sie in der Landesaufnahmestelle verbleiben bis sie für die Dauer des Asylverfahrens eine Zuweisung für eine Unterkunft der vorläufigen Unterbringung in einem der 44 Stadt- und Landkreise Baden-Württembergs erhalten. Nach der Registrierung mit Fingerabdrücken soll das Asylverfahren in der LASt durchlaufen werden. Beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) vor Ort wird der Asylantrag gestellt und die Anhörung terminiert. Zunächst prüfen die Behörden, ob der Flüchtling bereits in einem anderen Mitgliedsstaat der EU registriert ist und stellen in diesem Fall ein Rückübernahmegesuch. Dann wird zunächst kein Asylverfahren durchgeführt, sondern bei Übernahmebereitschaft die Rückführung eingeleitet. Bis zu 6 Monate müssen betroffene Flüchtlinge eine Rückschiebung befürchten. Kann kein Kontakt mit einem anderen EU-Mitgliedsstaat nachgewiesen werden, wird eine Anhörung beim BAMF anberaumt. Eigentlich sollen diese Anhörungen unmittelbar nach Ankunft der Asylsuchenden stattfinden, so glaubt man authentische Aussagen zu erhalten. Seit einigen Monaten allerdings werden Flüchtlinge zunehmend vor ihrer Anhörung transferiert und müssen zu einem späteren Zeitpunkt wieder in Karlsruhe beim BAMF vorstellig werden. Die Kapazitäten dieser Behörde wurden in den letzten Jahren zunehmend abgebaut, als immer weniger Flüchtlinge den Weg nach Deutschland finden konnten. Bereits seit letztem Jahr gibt es in den Zugangszahlen eine steigende Tendenz, so dass das BAMF die Anträge offensichtlich nicht mehr zeitnah bearbeiten kann. Mitarbeiter, die im Bereich Integrationsmaßnahmen im BAMF arbeiten, werden bereits FLÜCHTLINGSRAT BADEN-WÜRTTEMBERG Rundbrief August 2010 33 zur Durchführung von Anhörungen herangezogen. Dennoch lässt sich seit Jahresanfang beobachten, dass Flüchtlinge ohne Anhörung an den nächsten Ort verlegt werden. So müssen auch die meisten Flüchtlinge, die am Sommerfest teilgenommen haben, nochmals nach Karlsruhe reisen. Ihre Anhörungstermine liegen teilweise erst im Oktober oder sogar im November dieses Jahres. Die Autorin: Angelika von Loeper ist Mitglied im Vorstand der Bundesarbeitsgemeinschaft Pro Asyl und des Menschenrechtszentrums Karlsruhe sowie 1. Vorsitzende des Flüchtlingsrats BadenWürttemberg 34 FLÜCHTLINGSRAT BADEN-WÜRTTEMBERG Rundbrief August 2010 Eigentlich eine positive Entwicklung könnte man meinen. Denn die Anhörung spielt im Asylverfahren die größte Rolle. Flüchtlingsverbände haben seit Jahren ihre schnelle Terminierung kritisiert, da den Flüchtlingen nicht ausreichend Zeit blieb, sich auf diesen entscheidenden Termin vorzubereiten. Beratungsstellen und Flüchtlingsinitiativen an den Orten der Erstaufnahmeeinrichtungen waren mit der intensiven Beratung und Vorbereitung der Flüchtlinge meist zeitlich überfordert. An den Orten der Unterkünfte hingegen waren Beratungsstellen und Flüchtlingsinitiativen seit Jahren nicht mehr auf diese Aufgabe vorbereitet. Sie müssen ihre Beratung jetzt grundlegend umstellen. Gelingt dies, so kann der Missstand beim BAMF auch als Chance gewertet werden, indem Flüchtlinge gut vorbereitet und in Kenntnis der Bedeutung möglichst mit einem Beistand zum Anhörungstermin anreisen. Der Alltag im Flüchtlingslager ist geprägt von Einschränkungen: Stadt- und Landkreis Karlsruhe dürfen nur mit einer Sondergenehmigung verlassen werden, das Nötigste zum Leben wird in Form von Sachleistung ausgegeben, Bargeld nur 40 Euro im 14 Tage-Rhythmus ausgeteilt. Es kann also passieren, dass ein Flüchtling in der Landesaufnahmestelle 2 Wochen ohne Geld verbleibt, da bei seiner Ankunft der Auszahlungstermin gerade verpasst wurde. Ohnehin reichen 40 Euro im Monat nicht aus, den persönlichen Bedarf zu decken. Briefe, Telefonate, Fahrtkosten für öffentliche Verkehrsmittel, ganz zu schweigen von der Finanzierung eines Rechtsanwaltes im Asylverfahren oder der Zukauf von Nahrungsmitteln. Das Essen in der Kantine der LASt ist häufig Grund zur Beschwerde. Es kann einfach nicht allen gerecht werden und Kinder haben besonders Probleme mit ungewohntem Essen. Aber nicht nur die mangelnde Vielfalt, das fehlende Eingehen etwa auf religiöse oder kulturelle Besonderheiten, ist Anlass zur Beschwerde. Häufig wird die geringe Menge des Essens beklagt. Die während des Mittagessens ausgegebene Kaltverpflegung für den Abend wird deshalb oft mittags bereits verspeist und abends muss das Essen dann ausfallen. Asylsuchende sind auf die Leistungen des Staates angewiesen, denn sie unterliegen während der ersten 12 Monate ihres Verfahrens einem Arbeitsverbot. Nur einige können im Rahmen von gemeinnütziger Tätigkeit im Lager für einen Euro pro Stunde arbeiten. Diese Jobs sind dennoch sehr begehrt, ermöglichen sie doch zumindest ein wenig mehr Eigenständigkeit in einem ansonsten verwalteten und eingeschränkten Leben. An diesem herrlichen Sommertag konnten die Flüchtlinge den Lageralltag für einige Zeit ausblenden. Bei Kaffee, Kuchen und Tee aus dem Samowar kamen wir schnell ins Gespräch. Alle genossen den Schatten unter den herrlichen Kastanien. Marcel und Boris jonglierten, Federball und Fußball sorgten für Ausgleich und nicht nur die Kinder amüsierten sich beim Sackhüpfen. Aus Tetraverpackungen wurden Geldbeutel gebastelt, aus Luftballons Blumen und Tiere geformt, es wurde erzählt, geredet und gelacht. Den größten Spaß aber gab es beim Schminken. Gesichter, Arme, Beine, die Kinder konnten nicht genug davon kriegen. Und Mustafa krempelte sein T-Shirt hoch: Ballack musste auf seinen Bauch geschrieben werden. Am Abend würde sich das Wasser in den Duschen im Flüchtlingslager sicher bunt färben. ÖFFENTLICHKEITSARBEIT | VILLINGEN-SCHWENNINGEN Landesgartenschau „umgetopft“ Von Sigrid Jaschke Mehr als nur ein Infostand Unter dem Titel „umgetopft“ präsentierten sich Refugio und der AK Pro Asyl aus Villingen-Schwenningen am 2. und 3. August auf der Landesgartenschau. Sie nutzten den Rahmen des Wochenthemas „Bruchstellen des Lebens“ im Uhrwerkpavillon und boten ein vielfältiges Programm: Ein Informationsstand wartete nicht nur mit den üblichen Infotafeln in Wort, Bild und Broschüren auf, sondern man konnte auch selbst aktiv werden: Aus zwei Tischen voller Hausrat, Spielzeug, Dokumenten, Familienfotos, Schmuck und Kleidung sollte beispielsweise ein Koffer für die Flucht gepackt werden; an den Wasserbecken mit den Gebetskerzen konnte man Papierboote falten und mit Halmafigürchen bestückt als Flüchtlingsboote auf die Reise schicken; das Labyrinth des Lebens war mit Stolpersteinen versehen, die Informationen zu Hindernissen auf der Flucht boten und an einem kleinen Computer durfte man sich kurze Passagen aus Büchern mit Fluchtgeschichten anhören, die von Ehrenamtlichen vorgelesen wurden. Auch die Atempausen wurden von den ehrenamtlichen FlüchtlingshelferInnen gestaltet: Am Montag waren die Bootsflüchtlinge im Mittelmeer das Thema der Andacht, am Dienstag erinnerte man an die Opfer von Folter und Gewalt und deren Traumatisierung. Künstlerische Lesung von Flüchtlingen - unterstützt vom Flüchtlingsrat Ein Kulturprogramm mit Unterstützung durch den Flüchtlingsrat Baden-Württemberg rundete die beiden Tage ab: Die kurdischen Künstler Karzan Chindari und Ziad Sheno boten am Dienstag unter dem Titel „Das Wort ist frei“ eine szenische Lesung und Kalligraphien. Bei dieser Kunstform erinnerten die beiden Flüchtlinge aus dem Irak unter anderem daran, dass auch der große Friedrich Schiller ein Flüchtling war, der vor der Verfolgung des Herzogs von Württemberg in Mannheim Asyl fand und schlugen so den Bogen zwischen den Kulturen. Bereits am Montag hatte das Benefizkonzert des Rottweiler Chores Via Voce statt gefunden, das den Flüchtlingshilfevereinen dank der Spendenbereitschaft eines begeisterten Publikums und der Kulanz des Leiters der Landesgartenschau eine finanzielle Unterstützung bescherte, die ihre Arbeit für die Flüchtlinge erleichtert. Die Ehrenamtlichen freuten sich sehr über die Spenden und waren des Lobes voll über die angenehme Atmosphäre auf der Landesgartenschau und die Gastfreundschaft der Verantwortlichen im Kirchenpavillon. Lesung mit dem irakischen Flüchtling Karzan Chindari Bild: Pro Asyl VS Die Autorin: Sigrid Jaschke ist aktiv im AK Pro Asyl Villingen-Schwenningen FLÜCHTLINGSRAT BADEN-WÜRTTEMBERG Rundbrief August 2010 35 SAVE-ME-KAMPAGNE / BADEN-WÜRTTEMBERG Flüchtlinge aufnehmen auch in Baden-Württemberg! Die Save-Me-Kampagne gibt es mittlerweile in über 56 Städten. Sie wird von Pro Asyl getragen und von zahlreichen sozialpolitischen Organisationen unterstützt. Save-Me fordert von der Bundesregierung eine regelmäßige (jährliche) Aufnahme eines Flüchtlingskontingents über UNHCR-Resettlement und eine Politik, die die Menschenrechtsverletzungen und die Behinderung des Zugangs von Flüchtlingen an den EUAußengrenzen beendet. Die EU-Kommission strebt ein EU-weites Aufnahmeprogramm an, an dem sich alle Staaten beteiligen sollen. Deutschland zögert hierbei und möchte nur „bei Bedarf“ und in kleinem Umfang besonders schutzbedürftige Flüchtlinge aufnehmen - aber das Thema ist auf der politischen Tagesordnung. Damit sich in diese Richtung auch etwas bewegt, braucht es auch die Save-Me-Kampagne. In BadenWürttemberg gibt es lokale Save-Me-Initiativen in Tübingen, Reutlingen, Ulm, Karlsruhe, Heidelberg, Lörrach, Freiburg, Heilbronn und Waiblingen. Der Flüchtlingsrat koordiniert die Aktivitäten und möchte in der nächsten Zeit mit Blick auf die Landtagswahl auch landesweit aktiv werden. Um die Save-Me-Kampagne ist es nach dem Ende der Aufnahme irakischer Flüchtlinge recht ruhig geworden. Ein bißchen was bewegt sich aber doch - auch vor Ort in Baden-Württemberg: Hier eine kleine Zusammenschau. (AL) Tübingen: „Aktion Flüchtlinge aufnehmen“ In Tübingen wird die Save-Me-Kampagne von 60 Initiativen und Organisationen und 170 „PatInnen“ getragen. Der Tübinger Gemeinderat hat bereits im April 2009 einen Beschluss gefasst, der eine Aufnahme von Flüchtlingen über Resettlement des UNHCR befürwortet. Seit November 2009 leben zwei irakische Familien in Tübingen, die von Save-Me-PatInnen aktiv unterstützt werden. Ein Angehöriger dieser Familie ist im Februar 2010 bei einem Attentat in Bagdad ermordet worden, weswegen die Familien erneut geflüchtet sind. Die Angehörigen hoffen auf eine Familienzusammenführung und werden dabei von Save-Me, vom Flüchtlingsrat und einigen prominenten Politikern aus Tübingen über die „Aktion Flüchtlinge aufnehmen“ unterstützt. Mehr Infos: Artikel nebenan und www.save-me-tuebingen.de Reutlingen In Reutlingen gibt es fast 200 Save-Me-PatInnen. Ein Gemeinderatsbeschluss konnte bereits im Mai 2009 erreicht werden. Viele Save-Me-PatInnen engagieren sich auch in der „normalen“ Flüchtlingsarbeit. Mehr Infos: www.save-me-reutlingen.de Heidelberg 36 FLÜCHTLINGSRAT BADEN-WÜRTTEMBERG Rundbrief August 2010 In der jungen und weltoffenen Stadt Heidelberg gibt es derzeit 219 Save-Me-PatInnen. Auch dort wurde ein Gemeinderatsbeschluss bereits im Frühjahr 2009 erreicht. Obwohl die Stadt Heidelberg Wohnungen für Resettlement-Flüchtlinge organisierte, sind im Rahmen der Aufnahmeaktion 2009 überhaupt keine Flüchtlinge nach Heidelberg zugewiesen worden. Mehr Infos: www.save-me-heidelberg.de Freiburg Die etwas später gestartete Freiburger Kampagne bringt es mittlerweile auch auf 129 Save-Me-PatInnen - da geht noch was! In der Anfangsphase wurde die Kampagne unter anderem mit dem Theaterstück „Europa Illegal“ bekannt gemacht. Mehr Infos: www.save-me-freiburg.de Waiblingen Klein aber fein ist die Save-Me-Kampagne in Waiblingen. Die Aktiven der mittelgroßen Stadt am Rande von Stuttgart machen es vor, was in der Großstadt noch fehlt: Ein paar Entschlossene, die neue flüchtlingspolitsche Ideen voranbringen wollen. Man hört aber, dass u. a. die Grüne Jugend Stuttgart eine Initiative in der Hauptstadt starten will. Mehr Infos: www.save-me-waiblingen.de Deutschland kann und muss mehr Verantwortung beim Flüchtlingsschutz übernehmen. Dafür hat Pro Asyl die Aktion „Verantwortung übernehmen Flüchtlinge aufnehmen“ gestartet. www.proasyl.de Mehr Informationen zur Save-Me-Kampagne: www.save-me-kampagne.de, www.unhcr.de SAVE-ME-KAMPAGNE / TÜBINGEN | PRESSEDOKU Quelle: SSüdwest Presse, Schwäbisches Tagblatt (Tübingen), 21. Juli 2010. Autor: Jonas Bleeser FLÜCHTLINGSRAT BADEN-WÜRTTEMBERG Rundbrief August 2010 37 ABSCHIEBUNG / TÜBINGEN | PRESSEDOKU Quelle: Südwest Presse, Schwäbisches Tagblatt (Tübingen), 15. Juli 2010 Autorin: Ulrike Pfeil 38 FLÜCHTLINGSRAT BADEN-WÜRTTEMBERG Rundbrief August 2010 BLEIBERECHT / REUTLINGEN | PRESSEDOKU Quelle: Südwest Presse, Reutlinger Blatt, 21. Juli 2010 Autorin: Katharina Mayer FLÜCHTLINGSRAT BADEN-WÜRTTEMBERG Rundbrief August 2010 39 ASYLARBEIT / STUTTGART | PRESSEDOKU Besonderer Ausflug nach Ulm Eine multikulturelle Gruppe aus Stuttgart auf der Treppe im Rathaus, wo sie von Bürgermeisterin Sabine MayerDölle empfangen wurde. Foto: Matthias Kessler Quelle: Südwest Presse, Ulm, 26. Juli 2010 Autorin: Verena Schühly 40 FLÜCHTLINGSRAT BADEN-WÜRTTEMBERG Rundbrief August 2010 Ulm. Es war ein Ausflug und zugleich eine politische Botschaft: Rund 270 Flüchtlinge kamen auf einer Tagesfahrt von Stuttgart nach Ulm, wo sie die alte und neuere Geschichte der Stadt kennen lernten. Tamilen, Pakistani, Kurden, Libanesen, Iraner, Iraker, Kosovaren, Afghanen, Tschetschenen, Menschen aus Kamerun und Togo. Eine multinationale Gruppe. Rund 270 Menschen vom Säugling bis zur Seniorin, erlebten gestern in Ulm einen ungewöhnlichen Tag. Dass sie in die Donaustadt kommen durften, dafür brauchte jeder eine Ausnahmegenehmigung: Denn Asylbewerber haben Residenzpflicht. Das heißt, sie dürfen den Stadt- oder Landkreis, dem sie zugewiesen sind, nicht verlassen. Doch der Stuttgarter Arbeitskreis Asyl, das Forum der Flüchtlingsfreunde, organisiert seit 25 Jahren einen jährlichen Ausflug für die Familien. Asyl-Pfarrer Werner Baumgarten: „Für uns ist der Ausflug immer auch Protest gegen die sehr zählebige Restritiktion der Residenzpflicht.“ Für die Mitreisenden sei es hingegen ein Moment von Freiheit. Zum dritten Mal führte der Ausflug nach Ulm. Auf dem Programm standen ein Picknick beim Kuhbergverein, Führungen durch die Stadt und das Münster sowie ein Besuch des Dokumentationszentrums Oberer Kuhberg. „Wir wollten damit zeigen, dass es auch wunde Punkte in der deutschen Geschichte gibt“, sagte einer der Organisatoren. In der Gedenkstätte, in der an die nationalsozialistische Unrechtsherrschaft und Verfolgung erinnert wird, fanden viele der Asylbewerber Themen aus ihrem eigenen Leben wieder. Sozialbürgermeisterin Sabine Mayer-Dölle empfing die bunte Gruppe im Rathaus. Sie erinnerte daran, dass Ulm als alte Handelsstadt schon immer in Kontakt mit anderen Kulturen gekommen sei und das Fremde als Bereicherung erlebt habe. Vor rund 300 Jahren hat die Stadt im Zuge der Auswanderungswelle der Donauschwaben die Situation von Menschen erlebt, die „in ein neues, ungewisses und schweres Leben aufbrechen“. Aktuell sei das Thema nach wie vor, denn jedes zweite Kind, das in Ulm zur Welt komme, hat Migrationshintergrund. Mayer-Dölle sagte: „Wir müssen uns alle überlegen, wie wir mit dem Thema Einwanderung umgehen. Wir brauchen Integration, bei der die Menschen nicht ihren eigenen Glauben aufgeben müssen.“ Zentraler Schlüssel sei die Sprache, „damit wir uns besser verstehen lernen“. ENGAGEMENT VOR ORT / GAILDORF | PRESSEDOKU Rettungsanker und Brückenbauer Zum Tod von Günther Walz Viele Gaildorfer werden sich an ihn erinnern, seine hochgewachsene, schlanke Gestalt, wie er zügigen Schrittes über die Kocherbrücke in Richtung Stadt ging oder nach einem anstrengenden Schultag mit umgehängter Schultasche bedächtig die Eutendorfer Straße heraufkam: Günther Walz, der nach schwerer Krankheit am vergangenen Mittwoch starb. 1936 nahe bei Calw geboren, in Fürth und Erlangen aufgewachsen, kam er nach dem Studium in Erlangen, Heidelberg und Berlin bereits 1964 als junger Lehrer ans hiesige Gymnasium. Gaildorf wurde ihm und später seiner Familie für Jahrzehnte zum Lebensmittelpunkt. In seinen Fächern Geschichte, Gemeinschaftskunde, Geografie und Deutsch unterrichtete er bis zu seiner Pensionierung 1999 viele Generationen von Schülern. Wegen seines engagierten Unterrichts, seiner Zuverlässigkeit, vor allem aber wegen seines Gerechtigkeitssinns und seiner toleranten und bescheidenwarmherzigen Wesensart mochten sie ihn. Auch sonst war er für die Schule da. Er baute eine Schülerbücherei auf und betreute sie viele Jahre lang. Als einer der Ersten weit und breit führte er mit großem Engagement ein Betriebspraktikum für Gymnasiasten ein, die so genannte „Schnupperlehre“, die den Schülern erste Kontakte zur Arbeitswelt eröffnete. Innerhalb der Lehrerschaft kümmerte er sich offen und hilfsbereit um die Eingliederung neuer Kollegen und trug so ganz wesentlich zum inneren Zusammenhalt des Kollegiums bei. Aber auch außerhalb von Familie und Schule brachte sich Günther Walz ein. In seiner Kirchengemeinde, der evangelisch-methodistischen Kirche in Schwäbisch-Hall, gestaltete er jahrzehntelang als Kirchengemeinderat und Predigthelfer das Gemeindeleben an verantwortlicher Stelle mit. Und als Delegierter in der „Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Baden-Württemberg“ engagierte er sich an vorderster Front für ein gutes ökumenisches Miteinander der verschiedenen christlichen Konfessionen und für ein von Toleranz und gegenseitigem Respekt geprägtes Verhältnis zwischen Christen, Juden und Muslimen. In den Jahren seines Ruhestandes konnte man ihn immer wieder auch beobachten, wie er Gruppen oder Schulklassen durch die hiesige Altstadt führte und sie in die Geheimnisse der Gaildorfer Stadtgeschichte einweihte. Ein besonderes Anliegen war Günther Walz die praktische Solidarität und Fürsorge gegenüber Bürgerkriegsflüchtlingen und Asylbewerbern. Als 1985 die ersten von ihnen nach Gaildorf kamen, gründete er hier mit wenigen Gleichgesinnten eine Gruppe von „pro Asyl“. Mit anderen zusammen kümmerte er sich um die Neuankömmlinge, half bei der Wohnraum- und Arbeitssuche, bei Behörden- und Arzt- Günther Walz mit einer Familie, die er betreut hat. Er leistete ohne viel Aufhebens Großartiges. Nun trauern alle, die ihn kennen und schätzen gelernt haben. Foto: Südwest Presse gängen und bei Problemen aller Art. Kontakte zur einheimischen Bevölkerung, Gespräche, Feste, öffentliche Diskussionen und Demonstrationen wurden organisiert. Nach der Zusammenlegung der Flüchtlinge im zentralen Übergangswohnheim in Schwäbisch Hall setzte Walz sein Engagement dort fort. Unter dem Dach der Diakonie war er bis vor wenigen Monaten an vielen Initiativen zur Verbesserung der Lebensumstände von Flüchtlingen maßgeblich beteiligt. Ganz im Stillen begann er auch, Deutschunterricht zu geben. In ungezählten Stunden, privat, zu Hause im Wohnzimmer, ohne Bezahlung, eröffnete er vielen Menschen den Weg in die deutsche Sprache und damit in unsere Kultur. „Herrn Walz verdanken wir die Sprache und dass wir Deutsche geworden sind. Ohne ihn könnten wir heute nicht in Frieden hier leben. Bei ihm haben wir uns nicht als Fremde, sondern als Mitglieder seiner Familie gefühlt. Er war uns wie ein Vater!“ So berichten mit bewegter Stimme ausländische Mitbürger, die ihn vor 25 Jahren kennen gelernt haben und jetzt von seinem Tod erfahren. In der unvoreingenommenen, toleranten und zugleich mitmenschlich engagierten Zuwendung gegenüber Fremden sah er so etwas wie die Nagelprobe einer christlichen Existenz. Er selbst hat sich dieser Herausforderung mit Energie und Ausdauer, dabei in Bescheidenheit und Selbstlosigkeit gestellt. In unspektakulärer Weise hat er sich zu einer Zeit um die „Integration ausländischer Mitbürger“ gekümmert, als dieses Schlagwort noch gar nicht erfunden war. Für viele Menschen wurde er so zum Rettungsanker und zum Brückenbauer hin zu einer besseren Existenz. Vielen anderen war er mit seinem Engagement und seinem Verantwortungsbewusstsein ein wichtiges Vorbild. Quelle: Südwest Presse, Gaildorf, 6. Juli 2010 Autor: Gerhard Mittermaier FLÜCHTLINGSRAT BADEN-WÜRTTEMBERG Rundbrief August 2010 41 IN KÜRZE | INFOS & NEWS / MATERIALIEN / TERMINE INFOS & NEWS ÜBERREGIONAL EU-Grenzpolitik: Generaldirektor für Inneres der EU-Kommission stellt sich hinter Menschenrechtsverletzungen auf Hoher See Presseerklärung von Pro Asyl vom 29. Juli 2010 Der Generaldirektor für Inneres der Europäischen Kommission, Stefano Manservisi, hat sich hinter die italienische Rückführungspraxis nach Libyen gestellt. Dies berichtet die Times of Malta vom 27. Juli 2010. Er wird dort mit der Aussage zitiert, gegen das zugrundeliegende Abkommen zwischen Italien und Libyen sei (EU-)rechtlich nichts einzuwenden. Die EU-Kommission ziehe allerdings ein EU -Abkommen einem bilateralen vor. Manservisi hob die positiven Ergebnisse der italienisch-libyschen Kooperation hervor. PRO ASYL hält dies für ein offenes Bekenntnis zur völkerrechtswidrigen Praxis von Zurückweisungen auf Hoher See. Seit Mai 2009 fängt Italien Flüchtlingsboote im Mittelmeer ab und schiebt die Betroffenen ohne Prüfung ihres Flüchtlingsstatus nach Libyen ab. Dort droht die Internierung unter unmenschlichen Bedingungen. Erst im Juni verurteilte das Europaparlament in einer Entschließung Libyens systematische Menschenrechtsverletzungen gegenüber Flüchtlingen. Es forderte die EU-Mitgliedstaaten und die europäische Grenzschutzagentur FRONTEX auf, Abschiebungen und Zurückweisungen nach Libyen unverzüglich zu beenden. Auch das Antifolterkomitee des Europarats hat die Rückführung afrikanischer Flüchtlinge nach Libyen durch italienische Behörden als menschenrechtswidrig und inhuman gebrandmarkt. Vor europäischen Gerichten sind mehrere Verfahren gegen Italien in dieser Sache anhängig. Das Vorgehen Italiens verstößt gegen das Nicht-Zurückweisungsgebot der Genfer Flüchtlingskonvention. ... EURODAC-Statistik belegt Abschottung Quelle: www.proasyl.de, 4.8.2010 Wie aus den gestern veröffentlichten EURODAC-Statistiken hervorgeht, ist die Zahl der sogenannten irregulären Einreisen nach Europa im vergangenen Jahr um 50 % zurückgegangen. Der starke Rückgang kann unter anderem auf ein bilaterales Abkommen zwischen Italien und Libyen zurückgeführt werden, in dessen Folge es seit Sommer 2009 zu Massenrückführungen von Bootsflüchtlingen nach Libyen kam. Der offene Bruch der Genfer Flüchtlingskonvention durch Italien schlägt sich nun in sinkenden Einreisezahlen nieder. Noch ein Jahr zuvor war Italien das Land mit den höchsten Zugangszahlen in der EU. Auch Spanien verhindert unter anderem durch Polizeikooperationen mit verschiedenen afrikanischen Staaten, dass Flüchtlinge es überhaupt bis dorthin schaffen. 42 FLÜCHTLINGSRAT BADEN-WÜRTTEMBERG Rundbrief August 2010 Grundlage der neuen Zahlen ist die Großdatenbank EURODAC, in die alle EU-Mitgliedstaaten die Fingerabdrücke von Asylsuchenden und „irregulären“ Migranten einspeisen sollen. In welchem Umfang dies tatsächlich geschieht, ist allerdings schwer nachprüfbar. Die sinkenden Zahlen sind Ausdruck der rücksichtslosen Missachtung völkerrechtlicher Garantien für Schutzsuchende an den EU-Außengrenzen. Das Zurückweisungsverbot der Genfer Flüchtlingskonvention verbietet es, Asylsuchende in Staaten wie Libyen, die Türkei oder Ukraine zurückzuweisen. PRO ASYL fordert die EU auf, endlich für die Einhaltung des Flüchtlingsrechts auf Hoher See und an den Außengrenzen der EU zu sorgen. 126.156 Menschen unterliegen „Residenzpflicht“ für Asylsuchende und Geduldete Berlin: (hib/STO/HIL) Insgesamt 126.156 Ausländer sind Ende Mai in Deutschland der sogenannten ”Residenzpflicht“ für Asylsuchende und Geduldete unterlegen. Davon waren 38.934 Asylsuchende beziehungsweise abgelehnte Asylbewerber sowie 87.222 ”vollziehbar ausreisepflichtige Ausländer, deren Abschiebung vorübergehend ausgesetzt wurde (Geduldete)“, wie aus der Antwort der Bundesregierung (17/2261) auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke (17/1911) hervorgeht. Darin verweist die Bundesregierung darauf, dass der Aufenthalt von asylsuchenden Ausländern seit 1982 kraft Gesetzes auf den Bezirk der zuständigen Ausländerbehörde beschränkt ist. Für abgelehnte Asylbewerber bestehe die räumliche Beschränkung bis zur Ausreise fort. Der Aufenthalt geduldeter Ausländer werde laut Aufenthaltsgesetz räumlich auf das Gebiet des Landes beschränkt, wobei weitere Bedingungen und Auflagen angeordnet werden können. Zur jeweiligen Umsetzung dieser Beschränkungen durch die Länder hat die Bundesregierung nach eigenen Angaben keinen vollständigen Überblick. PRO ASYL-Menschenrechtspreis 2010 geht an Gabriele del Grande Der diesjährige Menschenrechtspreis der Stiftung Pro Asyl geht an den italienischen Journalisten und Schriftsteller Gabriele del Grande. Er wird am 4. September in Frankfurt a.M. verliehen. Der 28-jährige del Grande folgt seit Jahren Menschen auf ihren Fluchtrouten und erzählt deren Geschichten. Er gründete den Blog www.fortresseurope. blogspot.com und wurde in Deutschland auch durch sein Buch „Mamadous Fahrt in den Tod“ (von Loeper Literaturverlag) bekannt. Die Laudatio hält der Schriftsteller Ilja Trojanow. Rechtspolitischer Forderungskatalog Quelle: Stefan Kessler, http://www.jrseurope.org Die Rechtsberaterkonferenz der mit dem UNHCR und den Wohlfahrtsverbänden zusammenarbeitenden AnwältInnen hat einen Katalog erarbeitet mit 55 Forderungen zur Reform von Asyl- Aufenthalts-, Sozial- und Staatsangehörigkeitsrecht. Der Katalog dürfte für die nach der Sommerpause anstehende Diskussion über ausländerrechtliche Gesetzentwürfe eine erhebliche Bedeutung haben. IN KÜRZE | INFOS & NEWS / MATERIALIEN / TERMINE INFOS & NEWS AUS BA-WÜ Aufnahme irakischer Flüchtlinge aus dem Resettlement-Beschluss beendet Die Aufnahme von 2.500 schutzbedürftigen Irak-Flüchtlingen aus Syrien und Jordanien in Deutschland ist abgeschlossen. 318 Flüchtlinge wurden im Rahmen des bundesweiten Beschlusses aus dem Jahr 2008 in BadenWürttemberg aufgenommen. Die letzten Flüchtlinge landeten mit einer Chartermaschine am 27. April in Hannover. Sie wurden nach einem Zwischenaufenthalt in Friedland auf die Bundesländer verteilt. 14 Personen kamen am 5. Mai über die Landesaufnahmestelle Karlsruhe nach BadenWürttemberg, von wo sie landesintern verteilt wurden. Die meisten Flüchtlinge (122 Personen) hätten in dem bevölkerungsstarken Regierungsbezirk Stuttgart Aufnahme gefunden, im städtischen Ballungsraum der Region Stuttgart seien es 82 Personen gewesen. Innenminister Rech zum Abschluss der Aufnahme im Rahmen des Resettlements: „Baden-Württemberg wird auch künftig seiner humanitären Verpflichtung gegenüber schutzbedürftigen Menschen gerecht werden.“ Gerne nehmen wir Innenminister Rech beim Wort und bitten um weitere Unterstützung für Resettlement-Programme. Im Rahmen einer Bundesratsinitiative oder anlässlich der nächsten Innenministerkonferenz kann Innenminister Rech Farbe bekennen. (Quelle: Innenministerium Baden-Württemberg; zu diesem Thema siehe auch S. 36 in diesem Heft) Roma-Flüchtlinge in Ba-Wü Derzeit halten sich etwa 1.200 Roma-Flüchtlinge aus dem Kosovo ohne Aufenthaltsrecht in Baden-Württemberg auf, hiervon ca. 480 in Freiburg. Nach Angaben er Stadt Freiburg sind zwischen Januar und Mai 2010 insgesamt 139 Roma-Flüchtlinge aus dem Kosovo in Freiburg angekommen, die sich dort mit einer ausländerrechtlichen Duldung aufhalten. Die Gesamtzahl der geduldeten minderjährigen Roma in Freiburg beträgt 234 Personen, hierunter befinden sich 66 Kinder und Jugendliche, die im Jahr 2010 eingereist sind. (Aus einer Stellungnahme des Innenministeriums zu einem Antrag der Abgeordneten Edith Sitzmann u. a., GRÜNE, Landtag B-W, Drucksache 14 / 6269 vom 22.4.2010. Der Wortlaut kann unter http://www.landtag-bw.de/ WP14/Drucksachen/6000/14_6269_d.pdf herunter geladen werden.) Fernsehbetrag über Flüchtlingsfamilie Quelle: http://www.ak-asyl-backnang.de/ Der Fernsehsender Regio TV berichtete über die Familie Krasnici aus dem zerfallenen Jugoslawien, die in Burgstetten (Rems-Murr-Kreis) Schutz vor Verfolgung gesucht hat und durch die Behörden auseinandergerissen wurde. Die Familie mit drei Kindern war seit der Abschiebung des Vaters im Jahre 2003 fast 7 Jahre getrennt, Herr Krasnici kam im Dezember letzten Jahres als „Tourist“ aus Montenegro, erhielt zunächst eine Duldung und hat nun eine Aufenthaltserlaubnis unter der Bedingung erhalten, dass er innerhalb von 6 Monaten (mit erschwerten Bedingungen) einen Arbeitsplatz findet. Die Eingabe des AK Asyl Backnang bei der Härtefallkommission war von dieser nicht angenommen worden. Der Beitrag kann unter folgendem Link angeschaut werden: http://video.regio-tv.de/video_ id_=29163 Radiosendung über Roma-Flüchtlinge “Grenzenlos“ eine antifa/antira Sendereihe des Freien Radios Bermudafunk Rhein Neckar (Mannheim) erstellte in Zusammenarbeit mit dem Landesverband deutscher Sinti und Roma Baden-Württemberg / Romnokher Mannheim, der VVN BdA KV Mannheim, dem Arbeitskreis Justiz Mannheim - Geschichte des NS in Mannheim und dem Bündnis gegen Abschiebungen Mannheim eine Radiosendung zu folgenden Themen: - Bleiberecht für alle - auch für alle Roma (http://www. unicef.de/roma-studie-2010.html) - gegen jeglichen Rassismus/Antisemitismus/Islamophobie: „Ein Fladenbrot pro Tag reicht...“ Bericht von Elifa Krijestorac veröffentlicht in „Der Semit“. Nr. 2 März-April 2010 - Juli 2010: Brandanschlag durch Nazis auf MigrantenInnen - Was tut die örtliche Polizei Die Sendung steht zum Nachhören oder Download bereit unter http://www.freie-radios.net/portal/content. php?id=35114 Stuttgarter Friedenspreis für Asylpfarrer Quelle: Südwestpresse: 22.06.2010 Der Stuttgarter Asylpfarrer Werner Baumgarten erhält den mit 5000 Euro dotierten Stuttgarter Friedenspreis der Initiative „Die Anstifter“. Baumgarten leiste seit vielen Jahren eine „herausragende Arbeit für Frieden und Verständigung vor Ort“. Für Flüchtlinge und Asylsuchende zu arbeiten, bedeute auch, Forderungen an Politik und Gesetzgeber zu stellen. Baumgarten stelle sich „als Ideengeber und Motor in den Dienst dieser Arbeit“, so die Jury. Er sei weit über die Stadt hinaus ein geschätzter und gefragter Fachmann, Redner, Ratgeber und Diskussionsteilnehmer. Der Preis wird im November im Rahmen der Friedens-Gala im Theaterhaus verliehen werden ... Mehr Infos: www.die-anstifter.de FLÜCHTLINGSRAT BADEN-WÜRTTEMBERG Rundbrief August 2010 43 IN KÜRZE | INFOS & NEWS / MATERIALIEN / TERMINE Broschüre zum Tag des Flüchtlings ASYLMAGAZIN 7-8/2010 Die Pro Asyl-Broschüre zum Tag des Flüchtlings 2010 (gleichzeitig Rundbrief des Flüchtlingsrats Baden-Württemberg) enthält aktuelle Beiträge zu den Themen Lagerunterbringung, Bleiberechtsregelung, Umgang mit Geduldeten, Rücknahmeabkommen mit Syrien und Kosovo, Abschiebungen in den Kosovo, Klimaflucht, Dublin II-Verfahren, Resettlement / Save Me und nicht zuletzt über den Umgang mit Flüchtlingen an den EU-Außengrenzen. Sie kann für Büchertische und Infoveranstaltungen über unsere Geschäftsstelle bestellt werden (solange Vorrat reicht, siehe nebenstehende Bestell-Liste) und ist auch auf unserer Homepage zum Download eingestellt. Auch bei Pro Asyl kann die Broschüre selbstverständlich direkt bestellt werden. Ebenfalls frisch aus der Druckerei kommt das Asylmagazin 7-8/2010 des Informationsverbunds Asyl & Migration. Die Zeitschrift für Flüchtlings- und Migrationsrecht enthält u.a. einen Beitrag von Dominik Bender und Stephan Hocks zum Eilrechtsschutz und Selbsteintrittspflicht im DublinVerfahren, von Elke Tießler-Marenda zu den Folgen des BVerfG-Urteils zum Existenzminimum für das AsylbLG, von Dominik Bender und Maria Bethke zur Situation von Asylsuchenden auf Malta sowie von Sebastian Ludwig (DW) zur Lage der Roma und Ashkali im Kosovo. Hinterland Nr. 14 Dass es in Bayern kein ruhiges Hinterland gibt, wissen wir schon lange und so schauen wir auch immer ehrfurchtsvoll auf die politischen Künste unseres Nachbarflüchtlingsrats. Nicht nur die nachahmenswerte Lagerkampagne, sondern auch die Theorieproduktion verursacht große Fußstapfen. So ist auch das neue Hinterland-Magazin, erschienen Ende Jui 2010, wieder ein Erlebnis für sich, das wir hier gerne weiterempfehlen. Schwerpunkt der Nummer ist das Themenfeld „Alter“, aber es wäre nicht die Hinterland, wenn es nicht auch noch um Gott und die Welt ginge - und dabei immer auch ein wenig über den rein flüchtlingspolitischen Blickwinkel hinaus. www.hinterland-magazin.de Grundrechte-Report 2010 Soeben erschien der Grundrechte-Report 2010 - zur Lage der Bürger- und Menschenrechte in Deutschland hrsg. von: T. Müller-Heidelberg, U. Finckh, E. Steven, K. Schubert, M. Pelzer, A. Würdinger, M. Kutscha, R. Gössner und U. Engelfried; Preis 9,95 €, 280 Seiten, ISBN 3-596-186785, Fischer Taschenbuch Verlag, Mai 2010. Ein Projekt der Humanistischen Union, der Gustav Heinemann-Initiative, des Komitees für Grundrechte und Demokratie, des Bundesarbeitskreises Kritischer Juragruppen, von Pro Asyl, des Republikanischen Anwältinnen- und Anwältevereins, der Vereinigung demokratischer Juristinnen und Juristen, der Internationalen Liga für Menschenrechte und der Neuen Richtervereinigung. Das Buch kann über den Buchhandel bezogen oder im Online-Shop der Humanistischen Union bestellt werden: http://www.humanistische-union.de/ shop/grundrechte_reporte/ 44 FLÜCHTLINGSRAT BADEN-WÜRTTEMBERG Rundbrief August 2010 Mehr Infos: www.asyl.net amnesty asyl-info 07/08 2010 Das neueste amnesty ASYL-INFO beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit den ai-Positionen zur Umsetzung des Stockholmer Programms, aber auch mit Resettlement, Kosovo und Abschiebehaft und wie immer mit zahlreichen Länderberichten und urgent actions, u. a. Libyen Mehr Infos: www.asyl.net Frauenfluchtnetz bietet Aktions-Materialien Das FrauenFluchtNetz Reutlingen/Tübingen hat im Herbst letzten Jahres einen sog. Smartmob zum Thema „Frauenfluchtgründe weltweit“ veranstaltet. Die Aktion war mit relativ wenig Zeitaufwand sehr öffentlichkeitswirksam (siehe dazu auch www.frauenfluchtnetz.de). Die dafür eigens produzierten T-Shirts möchten wir nun gerne an andere Gruppen verleihen, da es schade wäre, wenn sie nur einmalig genutzt würden. Wir haben ein Aktionspaket für interessierte Menschen und Gruppen zusammengestellt, das aus 40 T-Shirts besteht, die vorne alle mit dem Aufdruck „Frauen fliehen weltweit wegen …“ und auf der Rückseite mit verschiedenen Fluchtgründen bedruckt sind. Dazu gibt es eine CD, auf der Aktionschecklisten und Vorlagen für Mobilisierungsschreiben und begleitende Flyer enthalten sind, die vor Ort nur noch mit den aktuellen Daten ergänzt werden müssen. Wir berechnen einen Unkostenbeitrag von 50 Euro für die Reinigung und den Versand der T-Shirts. Nähere Infos gibt es auf unserer Homepage oder per Anfrage: [email protected] // Handy 0175 433 8013 (Maria Braig) IN KÜRZE | INFOS & NEWS / MATERIALIEN / TERMINE Bestell-Formular für Materialien zur Interkulturellen Woche / Tag des Flüchtlings Mit diesem Formular können Sie Materialien bestellen, die in der Geschäftsstelle des Flüchtlingsrats vorrätig sind. Die Materialien sind in der Regel gratis, wir nehmen aber gerne Spenden an. Wenn Sie sehr große Mengen brauchen, bitten wir darum, beim eigentlichen Herausgeber zu bestellen, sofern wir dies nicht selbst sind. Wir schlagen vor, dass Sie diese Seite einfach kopieren, ausfüllen und an uns schicken. Hiermit bestelle/n ich/wir ...............Ex. Aktionszeitung zum Tag des Flüchtlings 2010 (Hrsg. Flüchtlingsrat Baden-Württemberg) (8-12 Seiten, erscheint Mitte September, Auflage 10.000, kann bei Veranstaltungen und in Unterkünften verteilt werden ...) ...............Ex. dieses „Rundbriefs“ August 2010 (vorhandene Exemplare insgesamt noch ca. 200) ...............Ex. Flyer „Mit Diskriminierung macht man keinen Staat“ (12 S., beinhaltet die wesentlichen Aussagen, leicht lesbar, noch 500 St. in der Geschäftsstelle vorrätig) ...............Ex. Broschüre „Mit Diskriminierung macht man keinen Staat“ (52 S., ausführlich, vielfältig, informativ, für Menschen, die sich gründlich informieren wollen, noch ca. 300 Ex. vorrätig) ...............Ex. Flyer „Flüchtlingsrat Baden-Württemberg“ (neuer Flyer zur Vorstellung und Selbstdarstellung des Flüchtlingsrats und der Flüchtlingsunterstützung in Baden-Württemberg, in Vorbereitung) ...............Ex. Broschüre „Schattenbericht Abschiebehaft“ (28 S., Hrsg. Bündnis gegen Abschiebehaft Rottenburg/Tübingen). Kosten: 2.- EUR pro Ex. .................................................................... Initiative / Organisation ................................................................ Vorname / Name .................................................................... Adresse ................................................................ PLZ / Ort Bitte abschicken per Post: Flüchtlingsrat Baden-Württemberg, Urbanstr.44, 70182 Stuttgart ODER per Fax: 0711-5532835 ODER per E-Mail: [email protected] FLÜCHTLINGSRAT BADEN-WÜRTTEMBERG Rundbrief August 2010 45 IN KÜRZE | INFOS & NEWS / MATERIALIEN / TERMINE Alle Veranstaltungen des Flüchtlingsrats sind auf unserer Website www.fluechtlingsrat-bw.de angekündigt und ausführlich beschrieben. Wenn Sie uns die Beschreibung einer lokalen Veranstaltung an [email protected] schicken, publizieren wir diese ebenfalls auf der Website. Nun zum Überblick über aktuelle Veranstaltungen: Fr, 24. September, 10 - 16 Uhr Stuttgart, Theaterhaus „Integrationsoffensive Baden-Württemberg“ Fachtagung zur Interkulturellen Öffnung und Orientierung in der Offenen, verbandlichen und kulturellen Kinder- und Jugendarbeit. Mehr Infos: www. agjf.de Fr, 24. - So. 26. September Bad Boll, Evangelische Akademie Flucht und Migration durch Klimawandel Gemeinsame Tagung der Ev. Akademien Bad Boll und Baden, der Stiftung Pro Asyl und des Flüchtlingsrats BW mit zahlreichen Vorträgen und Workshops. Das gedruckte Programm zu dieser Tagung liegt diesem Rundbrief bei. Online-Anmeldung unter: www.ev-akademie-boll.de So, 26.9. - Sa, 2. Oktober Interkulturelle Woche Alle Veranstaltungen zur „IKW“ sind im Internet zu finden, auch Sie können Ihre Veranstaltungen dort melden. www.interkulturellewoche.de Mi, 29. September, 19.30 Uhr, Schwäbisch Gmünd, Gemeindezentrum Brücke, Eutighofer Str. 23 Die Unerwünschten Der Film über die Abschiebehaft (in Rottenburg/Neckar) von Sarah Moll aus dem Jahr 2008. Veranstalter: AK Asyl Schwäbisch Gmünd Fr, 1. Oktober, 19.30 Uhr Balingen, Heilig-Geist-Kirche Displaced - Ausstellung Leona Goldstein Attac Balingen zeigt eine Ausstellung der Berliner Künstlerin und Filmemacherin Leona Goldstein. Ergänzend referiert Andreas Linder (Flüchtlingsrat BaWü) zur EU-Flüchtlingspolitik. schaft in Deutschland Veranstalter: Ev. Bildungswerk Lkr. Esslingen, AK Asyl Nürtingen Mi, 27. bis Fr, 29. Oktober 2010, Bochum 3. Bundesfachkongress Interkultur Mehr Infos: www.bundesfachkongress-interkultur.de Mo, 8. November, 20 Uhr Stuttgart, Forum der Kulturen, Marktplatz 4 Einwanderungsland Deutschland Sebastian Beck referiert über das Thema „Wie Migranten wohnen wollen“ und stellt Ergebnisse einer diesbezüglichen Sinus-Studie vor. Mi, 17. - Fr, 19. November, Hamburg Wie politisch kann eine Fachkraft sein? Die Bedeutung der politischen Dimension in der Arbeit mit jungen Flüchtlingen. Tagung in der Katholischen Akademie Hamburg. Veranstalter: Bundesfachverband Unbegleitete Minderjährige Flüchtlinge (B-UMF) e.V. Mehr Infos: [email protected] Mi, 10. November, 20 Uhr Nürtingen, Kulturkantine, Plochinger Str. 14 Krieg im Kongo - Business- oder Bürgerkrieg? Der Referent Vianey Mushegera ist gebürtig aus Bukavu in der Demokratischen Republik Kongo und lebt in Nürtingen. Er ist Agraringenieur und Projektmanager für alternative und erneuerbare Energien. Veranstalter: AK Asyl Nürtingen, ai. Sa, 20. November, 10 - 18 Uhr Stuttgart, Friedensgemeinde, Schubartstr.14 Flüchtlingsrat BaWü: Tagung mit Plenum Im Mittelpunkt steht die geplante Kampagne zu Unterbringung, AsylbLG, Residenzpflicht von Flüchtlingen. Das genaue Programm steht noch nicht fest. Mehr Infos / Anmeldung: www. fluechtlingsrat-bw.de Do, 25. November Internationaler Tag gegen Gewalt gegen Frauen Mehr Infos u. a. bei: www.frauenrechte.de Sa, 2. Oktober Tag des Flüchtlings Aktionszeitung und Materialien beim Flüchtlingsrat bestellen! Siehe Seite 45! So, 3. Oktober, 19.00 Uhr, Theaterwerkstatt Schw.-Gmünd So, 10. Oktober, 19.00 Uhr, Zimmertheater der Musikschule Göppingen / So, 20. November, 19.30 Uhr, Ev. Akademie Bad Boll Ala-Din und die Wunderlampe Eine Produktion von „global players - theater der kulturen göppingen“ . Mehr Infos www.globalplayers-gp.de Fr, 15. Oktober , 19.30 Uhr, Nürtingen, Haus der Alevitischen Gemeinde, Hohes Gestade 12 46 FLÜCHTLINGSRAT BADEN-WÜRTTEMBERG Rundbrief August 2010 Aleviten - eine Lebens- und Glaubensgemein- Do, 2. Dezember, 19.00 Uhr, Heilbronn, Caritas-Zentrum Europäische Asyl- und Migrationspolitik Referent: Andreas Linder, Flüchtlingsrat Ba-Wü. Veranstalter: Stadt Heilbronn, Integrationsbeauftragte. Fr, 10. Dezember Internationaler Tag der Menschenrechte Fr, 21. - Sa. 22. Januar 2011 Bad Boll, Evangelische Akademie Flüchtlingsschutz in Deutschland Nationale Verfahren, europäische Standards. Tagung der Ev. Akademie Bad Boll, des Diak. Werks und des Flüchtlingsrats BW. Solidarität braucht Solidarität! Unterstützen Sie unsere Arbeit durch eine Spende u den so pagne z tlingen m a K e t h lan von Flüc ere gep Für uns sbedingungen mer 2011) e eb ca. - Som zialen L arf von st 2010 ü (Herb sätzlichen Bed -W a B in zu ir einen haben w o. inanzieEur de zur F 10.000 n e p S e h ein i! Sie durc Tragen r Kampagne be e s ie d rung Flüchtlingsrat Baden-Württemberg e. V. Konto: 35 17 930 BW-Bank, BLZ: 600 501 01 Bitte geben Sie Ihre Adresse auf der Überweisung an, damit wir Ihnen eine Spendenbescheinigung ausstellen können. Werden Sie (Förder-)Mitglied Mit Ihrem Mitgliedsbeitrag ab 52,00 EUR im Jahr unterstützen Sie unsere Arbeit kontinuierlich und erhalten regelmäßig unsere Publikationen, die Sie über unsere Aktivitäten auf dem Laufenden halten. Das Beitrittsformular können Sie einfach von unserer Webseite herunterladen. www.fluechtlingsrat-bw.de Engagieren Sie sich in einer lokalen Initiative für Flüchtlinge Über unsere Geschäftsstelle können Sie die Kontaktadressen von lokalen Initiativen in Ihrer Umgebung erfahren. Und wenn es an Ihrem Ort keine Initiative gibt: Gründen Sie selbst eine - wir helfen Ihnen dabei! MitgliederAktion 2010 Wer bis zum 30.11.2010 Mitglied des Flüchtlingsrat Baden-Württemberg e.V. wird, erhält einen Taschenkalender „Fluchtwege freihalten 2011“ gratis!!! Zu den ersten 10 Exemplaren gibt es noch eine nicht nur geistig nährende Überraschung drauf! FLÜCHTLINGSRAT BADEN-WÜRTTEMBERG Rundbrief August 2010 47 LOBBY UND UNTERSTÜTZUNG Asylsuchende und Flüchtlinge finden in der Bundesrepublik Deutschland Unterstützung bei der Bundesweiten Arbeitsgemeinschaft für Flüchtlinge PRO ASYL e.V. und bei den Flüchtlingsräten in den Bundesländern. PRO ASYL und Flüchtlingsräte leisten Öffentlichkeits- und Lobbyarbeit für die Anliegen der Menschen, die in Deutschland Schutz und Perspektive suchen. In Baden-Württemberg kann der Flüchtlingsrat bereits auf mehr als 22 Jahre Unterstützung für Flüchlinge zurückblicken. In dieser Zeit haben der Verein und seine Mitglieder landauf landab zahlreiche Veranstaltungen über die Situation in den Herkunftsländern der hierzulande Schutz suchenden Menschen durchgeführt. Gemeinsam mit Selbstorganisationen und Initiativen protestieren wir immer wieder öffentlich gegen die vielfältigen asyl- und ausländerrechtlichen Raffinessen, die Flüchtlingen das Exil verleiden. Bei Kampagnen und in Bündnissen mit anderen hat der Flüchtlingsrat für Abschiebestopps und Bleiberechtsregelungen geworben und stets gegen eine Politik der Illegalisierung Stellung bezogen. Ein aktueller Schwerpunkt ist für den Flüchtlingsrat die Unterstützung der verschiedenen save-me-Kampagnen im Land, die sich für die Aufnahme von Flüchtlingen einsetzen. Die Geschäftsstelle bietet Qualifizierung und Fortbildung für haupt- und ehrenamtliche BeraterInnen an. Die Pflege von Netzwerken sowie die Organisation von Tagungen mit den evangelischen Akademien in Baden und Württemberg gehören seit Jahren zum Standardprogramm. Schließlich gibt der Flüchtlingsrat Baden-Württemberg verschiedene Rundbriefe und Informationsmaterialien heraus. Im Flüchtlingsrat organisiert sich der zivilgesellschaftliche Widerspruch gegen eine auf Flüchtlingsabwehr und Abschiebung orientierte Politik. Der Verein scheut dabei keine Kontroverse. Regelmäßig führen seine Mitglieder Gespräche mit den für die Politik und ihre Vollstreckung Verantwortlichen. Flüchtlinge brauchen auch künftig Unterstützung. Solidarität gibt Kraft, kostet aber auch Geld. Neue Mitglieder, Spender/innen und Mitstreiter/innen und Mitstreiter sind willkommen! Nehmen Sie Kontakt mit uns auf! FLÜCHTLINGSRAT BADEN-WÜRTTEMBERG Urbanstr. 44 · 70182 Stuttgart Tel.: 0711 - 55 32 834 Fax: 0711 - 55 32 835 E-Mail: [email protected] www.fluechtlingsrat-bw.de Spendenkonto: 48 FLÜCHTLINGSRAT BADEN-WÜRTTEMBERG Rundbrief August 2010 Flüchtlingsrat Baden-Württemberg e.V. BW-Bank Konto Nr.: 351 7930 BLZ 600 501 01