17.03.2016 - Seniorenbeirat Norderstedt

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17.03.2016 - Seniorenbeirat Norderstedt
Norderstedter Zeitung vom 17. März 2016
Die Stadt hat noch Platz für 2400 Wohnungen
Von Michael Schick
Foto: Marijan Murat / dpa
Norderstedt ist eine von drei Modellstädten für eine Studie zum Wohnraumpotenzial
durch Aufstockung
Das geht aus einer Studie hervor. Allerdings ist das nur möglich, wenn die
Wohngebäude in Norderstedt aufgestockt werden.
2400 zusätzliche Wohnungen könnten in Norderstedt entstehen, ohne dass neue
Grundstücke verbraucht werden. Die Stadt müsste in die Höhe wachsen, bestehende
Wohngebäude müssten mit einer oder mehr Etagen aufgestockt werden. Das
empfiehlt die Studie "Wohnraumpotenziale durch Aufstockungen" der Technischen
Universität Darmstadt und des Pestel Instituts. Betrachtet haben die Forscher drei
Modellstädte: Norderstedt, Bochum und Darmstadt. Das Trio steht stellvertretend
für wachsende Regionen, für Wohnraummangel und für unterschiedliche
Stadtgrößen in drei Bundesländern.
Das Gewos-Wohnungsforschungsinstitut hatte für Norderstedt vor sieben Jahren
ermittelt, dass mindestens 4000 Wohnungen fehlen, vor allem bezahlbare. Da
kommt das aktuelle Rezept der Studie, die der Fachverband Mineralwollindustrie
und weitere zehn Verbände der Bau- und Immobilienbranche in Auftrag gegeben
haben, gerade recht. Die Gutachter verweisen auf einen wesentlichen Vorteil, wenn
Wohnhäuser aufgestockt werden: Es müssen keine Flächen bebaut werden, die Natur
wird geschont.
Gerade in die Landschaft hinein will die Norderstedter CDU bauen, weil ihrer
Meinung nach die innerstädtischen Flächen nicht reichen, um den Bedarf an
Wohnungen zu decken. Dafür wollte sie einen neuen Flächennutzungsplan aufstellen,
der Wohnungsbau auch außerhalb der bisher von der Landesplanung festgezurrten
Siedlungsachsen, Niendorfer Straße/Friedrichsgaber Weg im Westen und SchleswigHolstein-Straße im Osten, zulässt. Es fand sich aber keine Mehrheit für die Initiative.
Anreize schaffen
 Die Gutachter halten Anreize für nötig, damit das Potenzial an zusätzlichem
Wohnraum durch Aufstockung ausgeschöpft wird.
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 Die von der Bundesregierung angestrebte Sonderabschreibung zur Förderung
des Mietwohnungsbaus müsse auch für Aufstockung und Dachausbau gelten.
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Kommunale und genossenschaftliche Unternehmen sollen eine
Investitionszulage bekommen.
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 Das Baurecht muss vereinfacht werden, beispielsweise durch Verzicht auf
zusätzliche Stellplätze und Barrierefreiheit.
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 Auch sollte es möglich sein, Trauf- oder Firsthöhenbeschränkungen in
Bebauungsplänen zu verändern und Abstände zur Nachbarbebauung zu
verringern.
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Laut Aufstockungsstudie könnten in Norderstedt rund 180.000 Quadratmeter
zusätzliche Wohnfläche geschaffen werden, wenn Gebäude in die Höhe wachsen.
Dabei gehen die Gutachter von Wohnblocks mit mindestens drei Wohneinheiten aus.
Zudem gebe es in der Stadt relativ viele Wohnhäuser, die zwischen 1950 und 1970
gebaut wurden und ohnehin modernisiert werden müssten. Da biete es sich an, gleich
noch ein oder mehrere Etagen oben draufzusetzen.
Baudezernent Thomas Bosse sieht die Studie als wichtigen Hinweis für Stadtplaner
und Architekten: "Das ist auf jeden Fall eine Möglichkeit, flächensparend Wohnraum
zu schaffen." Bosse bezweifelt aber die in der Studie genannten Zahlen. 2400
Wohnungen in Norderstedt durch Aufstockung zu errichten, diese Zahl sei deutlich
zu hoch gegriffen, realistisch sei eine Zahl im dreistelligen Bereich. Was in der
Theorie so einfach klingt, scheitere in der Praxis oft an mehreren Hindernissen: Das
Planungsrecht lasse keine höheren Gebäude zu, First- und Traufhöhen seien
festgeschrieben.
Die Vorgaben lassen sich zwar verändern, doch dabei spielt, so der Dezernent, die
Zustimmung der Nachbarn eine entscheidende Rolle. Wenn die neuen Bewohner aus
der Höhe ins Schlafzimmer gucken oder problemlos das Treiben im Garten
beobachten könnten, fühle sich so mancher in seiner Privatsphäre gestört und werde
einen Bau in die Höhe ablehnen. Zudem hält der Dezernent den in der Studie
vorgeschlagenen Verzicht auf zusätzliche Pkw-Stellplätze für unrealistisch. Die
Gutachter schlagen vor, den Neubau oberer Etagen an ein Mobilitätskonzept zu
koppeln, das das Auto verzichtbar mache.
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In Norderstedt wird bereits aufgestockt
Als weiteren Vorteil nennt die Studie sinkenden Energieverbrauch. "Durch
Aufstockungen können im darunter liegenden Geschoss bis zu 50 Prozent des
Energiebedarfs eingespart werden", heißt es in der Studie.
Was die Gutachter fordern, ist, so Baudezernent Bosse, in Norderstedt schon
Realität: "Da, wo es möglich ist, wird schon jetzt aufgestockt." Als Beispiel nennt der
Baudezernent den Bereich um das Herold-Center. Schwerpunkt bleibe der Neubau.
Bis 2024 werden in den großen Baugebieten Garstedter Dreieck, am Mühlenweg und
am Glashütter Damm gut 2000 neue Wohnungen entstehen, hinzu kommen kleinere
Baugebiete.
Das werde allerdings nicht reichen, um die Nachfrage in Norderstedt zu decken, denn
durch die Flüchtlinge, die in der Stadt bleiben, entstehe zusätzlicher Bedarf. Thomas
Bosse kalkuliert mit gut 100 Wohnungen pro Jahr: "Wir sind gerade dabei,
aussagekräftige Zahlen zu erheben."