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StuW 2/2016 2. Feinumbruch 02.05.16 StuW 2/2016 101 Abhandlungen Steuergerechtigkeit Prof. Dr. JOACHIM LANG, Kçln* Inhaltsbersicht I. II. III. IV. V. VI. VII. VIII. IX. X. Gerechtigkeit und Steuergerechtigkeit Das Phnomen des ungerechten Rechts Die Ordnungsfunktion des Rechts Die Gerechtigkeitsfunktion des Richterrechts Die Legitimation der Erhebung von Steuern 1. Die Boston Tea Party als wegweisendes Ereignis fr die demokratische Legitimation der Steuererhebung 2. Die Steuerhoheiten a) Die Steuergesetzgebungshoheiten (Art. 105 GG) b) Die Steuerertragshoheiten (Art. 106 GG) c) Die Steuerverwaltungshoheiten (Art. 108 GG) Prinzipien der Steuergerechtigkeit 1. Das Legalittsprinzip 2. Das Leistungsfhigkeitsprinzip 3. Das quivalenz- oder Nutzenprinzip 4. Das Prinzip sozialstaatlich gerechter Besteuerung Steuervergnstigungen Steuerreformen Gerechte und ungerechte Steuern 1. Steuern auf das Erwerbseinkommen 2. Vermçgenssubstanzsteuern 3. Besteuerung des Konsums 4. Schutz des Existenzminimums im Steuerrecht 5. Zusammenfassung Steuern im internationalen Wettbewerb 1. Aufgaben und Grundregeln des internationalen Steuerrechts 2. Internationale Steuerwettbewerbsfhigkeit der Staaten XI. XII. XIII. XIV. 3. Das Steuerfluchtsyndrom 4. Unternehmer und Arbeitnehmer im internationalen Steuerwettbewerb Besteuerung von Unternehmen 1. Besteuerung von Unternehmen im Zeitalter der Globalisierung 2. Von der Kçrperschaftsteuer zu einer gleichheitskonformen Unternehmensteuer 3. Verfassungswidrigkeit der Gewerbesteuer 4. Das Vier-Sulen-Modell der Stiftung Marktwirtschaft a) Grundsteuer (erste Sule) b) Brgersteuer (zweite Sule) c) Kommunale Unternehmensteuer (dritte Sule) d) Betriebslohnsteuer (vierte Sule) e) Zusammenfassung Familiensteuergerechtigkeit 1. Das familire Existenzminimum 2. Vom Ehegattensplitting zum Familienrealsplitting a) Rechtfertigung des Ehegattensplittings b) Erweiterung des Ehegattensplittings zu einem Familienrealsplitting Die Besteuerung der Zukunftsvorsorge 1. Drei Sulen der Alterssicherung in Deutschland 2. Zur steuerlichen Vorteilhaftigkeit von Modellen der Zukunftsvorsorge Die wesentlichen Aussagen des Beitrags Der Beitrag stellt zunchst die Grundlagen von Gerechtigkeit und Steuergerechtigkeit dar. Sodann befasst er sich mit dem Phnomen des ungerechten Rechts, der Ordnungsfunktion des Rechts sowie der Gerechtigkeitsfunktion des Richterrechts. Es werden die Prinzipien der Steuergerechtigkeit, die Familiensteuergerechtigkeit, gerechte und ungerechte Steuern, Steuern im internationalen Wettbewerb, die Besteuerung von Unternehmen und der Zukunftsvorsorge behandelt. This article first describes the fundamentals of justice and tax justice. It then addresses the problem of injust laws, and discusses the various functions that law serves in society, such as the function of maintaining order (Ordnungsfunktion) and the role of judge-made law to do justice. The article also deals with fundamental principles of tax justice and topics such as tax justice as regards family affairs, just and unjust taxes, taxation in the light of international competition, taxation of business entities, and taxation of retirement income. The article concludes with a brief summary of the main results of the paper. I. Gerechtigkeit und Steuergerechtigkeit Wenn Menschen glcklich in einer Gesellschaft zusammenleben, werden sie die Gesellschaft als gerecht empfinden. Die Verantwortung fr das Glck trgt jedoch zuerst der Mensch selbst, indem er einen von der Gesellschaft anerkannten Plan erfolgreich durchfhrt. Unverzichtbare soziale Bedingung fr die Gerechtigkeit ist jedoch das Streben, ein guter Mensch zu werden, d.h. das glckliche Leben nicht dadurch zu erreichen, indem man andere Menschen unglcklich macht1. Der moderne Rechtsstaat konkretisiert in seiner Verfassung eine objektive Ordnung der Gerechtigkeit. Nach dem deutschen Unrechtsstaat des Natio* Prof. Dr. Joachim Lang war bis zum Jahr 2006 Direktor des Instituts fr Steuerrecht an der Universitt zu Kçln. 1 Dazu die Nikomachische Ethik von Aristoteles, Fnftes Buch (Ethische Tugenden – Gerechtigkeit). nalsozialismus bestand in Deutschland ein besonderes Bedrfnis, einen Rechtsstaat zu etablieren, dessen Ziel die Verwirklichung von Gerechtigkeit ist. Basis dieser Gerechtigkeit ist die Erklrung der Menschenund Brgerrechte von 1789 mit den Grundwerten der Gleichheit, Freiheit und Brderlichkeit. In Art. 13 dieser Erklrung ist die gleichmßige Besteuerung nach der Leistungsfhigkeit verankert2. Die Brderlichkeit verwirklicht die sozialstaatliche Umverteilung. Whrend die Besteuerung an dem Leistungsfhigkeitsprinzip auszurichten ist, haben sich die staatlichen Leistungen am Bedrfnisprinzip zu orientieren3. Die meisten Brger sind durchaus bereit, die ihnen zu2 Zum Leistungsfhigkeitsprinzip unten VI.2. 3 Dazu die Habilitationsschrift von Becker, Transfergerechtigkeit und Verfassung, 2001. K:/OSV/StuW/32683_StuW_2-16/text/StuW_0216__gesamt.3d Seite 3