Re-Regulierung, Geschäftsmodell der Versicherer und Brokermarkt

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Re-Regulierung, Geschäftsmodell der Versicherer und Brokermarkt
Re‐Regulierung, Geschäftsmodell der Versicherer und Brokermarkt: Wohin geht die Reise?
Prof. Dr. Hato Schmeiser, Geschäftsführender Direktor des Instituts für Versicherungswirtschaft
18. Juni 2015
Agenda
1. Re‐Regulierung in der EU: Ein Überblick
2. Kritische Analyse der Re‐Regulierungsbestrebungen
3. «Crystal Ball»: Das Brokermodell der Zukunft
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Professor Dr. Hato Schmeiser
1.1 Warum Regulierung?
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Asymmetrische Informationslage und Risikoanreizproblem

Zeitliche Dimension von Versicherungsprodukten: Schutz der Kunden und geschädigter Dritter

Insolvenz eines Versicherungsunternehmens kann zum «Ruin» des Versicherungsnehmers führen • Sicherheitsniveau hat einen direkten Einfluss auf die Produktqualität 
Ansteckungsgefahren, Effekte auf Drittmärkte

Versicherungsindustrie hat gleichfalls Interesse an Regulierung

Kunde trägt Regulierungskosten
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Professor Dr. Hato Schmeiser
1.2 Solvency, Unisex‐Tarifierung, Lebensversicherung

Solvency II:
• 2016: Inkrafttreten & nationale Anwendung
• 3‐Säulen‐Konzept
• Quantitative Eigenkapitalanforderungen auf Basis einer Standardformel bzw. eines internen Solvenzmodells (1. Säule)
• Ableitung von SCR und MCR mit Marktsignalwirkung via 3. Säule

Unisex‐Tarifierung:
• Aufhebung der Ausnahmeregelung ab 21. Dezember 2012
• Geschlecht darf nicht mehr als Merkmal für die Preisbildung herangezogen werden
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Professor Dr. Hato Schmeiser
1.2 Solvency, Unisex‐Tarifierung, Lebensversicherung

Unisex‐Tarifierung (Fortsetzung):
• Implikationen für (Risiko‐)Lebensversicherungen, Rentenversicherungen, Kfz‐
Versicherungen und (Zusatz‐)Krankenversicherungen

Lebensversicherung:
• 2014: Neuregelung zur Beteiligung an Bewertungsreserven (festverz. Wertpapiere)
• Möglichkeit für Versicherer, die Beteiligung der Versicherten zu senken
• Ausweis von «Effektivkosten»
• Fixierung eines (Mindest‐)Garantiezinses (gemischte Kapitallebensversicherung, Riester‐Produkte), Senkung des Höchstrechnungszinssatzes zum 1.1.2015
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Professor Dr. Hato Schmeiser
1.3 PRIIP‐Verordnung, Finanzmarktrichtlinie (MiFID II)
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PRIIP‐VO:
• Europaweit einheitliche Anforderungen an die Darstellung der Eckdaten von PRIIP => maximal 3‐seitiges Basisinformationsblatt (KID)
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MiFID II:
• 2017: Verpflichtende Anwendung
• nicht anzuwenden für Vertrieb / Vermittlung von Versicherungsprodukten
• Aber: Art. 91 von MiFID II ändert die gültige IMD I (2002) => IMD 1.5
• (Vermittler / VU), Provisionsverbot (Mitgliedsstaaten‐Option), keine Interessenskonflikte zum Nachteil des Kunden
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Professor Dr. Hato Schmeiser
1.4 Richtlinie über die Versicherungsvermittlung (IMD II / IDD)
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2012: Vorschlag der EU‐Kommission zur Neufassung der IMD (IDD)
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06/2015: Voraussichtliche Fertigstellung der Richtlinie (Abschluss des Trilog)
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Abdeckung: selbständige Vermittler, Direktvertrieb, Angestelltenvertrieb der Unternehmen, Vergleichsportale, Vertrieb im Nebenberuf (98% vs. 48%)
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Mittel: Beratungsstandards, Richtlinien (Interessenkonflikte), Weiterbildungspflichten
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Beratungsstandards:
• Vermittler sollte die Bedürfnisse und Erwartungen sowie finanziellen Verhältnisse des Kunden einschätzen und die Beratung daraufhin ausrichten
• Empfehlung und Erläuterung der getroffenen Entscheidung zugunsten eines Produktes basierend auf obiger Charakteristika
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Professor Dr. Hato Schmeiser
1.4 Richtlinie über die Versicherungsvermittlung (IMD II / IDD)

Richtlinien / Transparenzbestimmungen (Interessenskonflikte):
• Art & Quelle der Vermittlungsvergütung (bei anlagebasierten Produkten die Höhe)
• Offenlegungspflichten als Mitgliedsstaatenoption

Weiterbildungspflichten:
• Nachweis von Kompetenz und kontinuierliche Weiterbildung
• 200 Std. in fünf Jahren (EU‐Parlament) vs. 50 Std. in fünf Jahren (EU‐Rat)
• Kriterien sollen der Kontrolle, Bewertung und Bescheinigung der Kenntnisse dienen
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1.5 Auswirkungen der Re‐Regulierung auf den Brokermarkt

Bevorzugung der Honorarberatung gegenüber Provisionsvergütungen
• Aber: Studien zeigen, dass ca. EUR 150 / Std. nötig seien, Zahlungsbereitschaft der Kunden liegt jedoch nur bei ca. EUR 60 / Std.
• «Skandinavisierung»? => Nach Einführung der Honorarberatung ist die Anzahl an Maklern innerhalb eines Jahres um ca. 50 % gesunken

Anpassung der Vertriebsstrategien

Deutliche Erhöhung des Anforderungsniveaus an die Qualifizierung von Vermittlern

Deutlich erhöhter administrativer Aufwand, um die Anforderungen ganzheitlich umzusetzen
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Professor Dr. Hato Schmeiser
Agenda
1. Re‐Regulierung in der EU: Ein Überblick
2. Kritische Analyse der Re‐Regulierungsbestrebungen
3. «Crystal Ball»: Das Brokermodell der Zukunft
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Professor Dr. Hato Schmeiser
2.1 Re‐Regulierung in der Kritik: Überblick

Auch problematische Regulierungen bleiben lange erhalten (Beispiel Solvency I)

Bildung von Interessengruppen die (angeblich) im Sinne des Kunden handeln
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Kunden werden jedoch nicht befragt und einbezogen

Ziele einzelner Massnahmen werden bewusst unscharf formuliert

Kosten‐/Nutzenanalyse (Performancemessung) wird dadurch erheblich erschwert bzw. unmöglich

Performancemessung der Regulierung ist aber sehr wohl möglich 
Wir schulden dem Kunden eine geeignete Performancemessung der Regulierung, da diese die Kosten tragen
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2.2 Re‐Regulierung in der Kritik: Einzelbeispiele

Solvency II:
• Konzeptionelle Unzulänglichkeiten und Explosion der Regulierungsumfangs
• Gefahr gleichgerichteten Verhaltens
• EU‐Staatsanleihen: Generierung problematischer Gläubiger‐ / Schuldnerbeziehungen
• Engpass Kapitallebensversicherer / Treiber für Konsolidierungen

Unisex‐Tarifierung:
• Adverse Selektion (mit negativen gesellschaftlichen Folgen)
• Fokussierung der Werbung / Provisionierung
• Substitution durch alternative Tarifierungsfaktoren / höherer «Mischpreis»
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2.2 Re‐Regulierung in der Kritik: Einzelbeispiele
• Welche Tarifierungsfaktoren empfinden die Kunden als diskriminierend? Auch hier: Kunden wurden nicht gefragt
• Aber: Regulierung schafft mitunter neue Geschäftsmodelle (Beispiel Progressive)
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2.2 Re‐Regulierung in der Kritik: Einzelbeispiele
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Lebensversicherung:
• Regulierte Höhe der Zinsgarantie im Nutzen des Kunden?
Quelle: Gatzert / Huber / Schmeiser, Geneva Papers on Risk and Insurance (2011)
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2.2 Re‐Regulierung in der Kritik: Einzelbeispiele

PRIIP, IMD 2 / IDD:
• PRIIP, Solvency II und IMD 2 / IDD nur unzureichend aufeinander abgestimmt
• Zielsetzungen sehr vage formuliert ‐ tatsächlich soll vermutlich Druck auf die Transaktionskosten ausgeübt werden
• Ist die Informationsüberflutung des Kunden zielführend? => 75 vs. 147 Klauseln

Mögliche Lösung: Selbstregulierung auf Verbandsebene
• Initiative „gut beraten“ – Weiterbildung der deutschen Versicherungsvermittler / 200 Weiterbildungspunkte in fünf Jahren
• Ausweis und Aufspaltung von Kosten / Transparenzerhöhung durch die Branche
• Standardisierung von Produktbeschreibungen und Hochrechnungen 15
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Agenda
1. Re‐Regulierung in der EU: Ein Überblick
2. Kritische Analyse der Re‐Regulierungsbestrebungen
3. «Crystal Ball»: Das Brokermodell der Zukunft
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Professor Dr. Hato Schmeiser
3. «Crystal Ball»: Das Brokermodell der Zukunft
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Die Produktvielfalt wird rasant zunehmen
• Produktstandardisierungen nehmen in kompetitiven Märkten ab • Vorteilhaft für das Geschäftsmodell der Broker (Informationsintermediäre)
• Anforderungen an kompetente Brokerleistung steigen / Zunahme der Komplexität in den Beratungs‐ und Dokumentationsprozessen
• Daher: Brokermarkt wird nicht durch «intelligente» Vergleichsplattformen «substituiert»

Transparenzoffensive • Führt zu erhöhtem Druck auf Transaktionskosten / verschiebt Leistungsspektrum in Richtung grosser Versicherungsvolumina
• Selbstregulierung als «Königsweg»
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3. «Crystal Ball»: Das Brokermodell der Zukunft

Broker wird auch im Retailgeschäft zum umfassenden Riskmanager des Kunden
• Zunahme der vermögenden Kundengruppe im Alter 55+ / diese Kundengruppe sucht Problemlösungen, nicht nur einen Transfer von Zahlungen
• Broker kann neben dem Versicherer diese Aufgaben am Besten wahrnehmen
• Intermediäre im Schadenfall / ‐regulierung und Organisation aller Abwicklungen
• Broker‐Erfolgsfaktoren gemäss wissenschaftlicher Untersuchungen: Transparenz, glaubwürdige Informationsvermittlung, Kompetenz, Unabhängigkeit vom Versicherer, verpflichtet gegenüber dem Kunden, langfristige Beziehung
• Fakturierung nach Arbeitsaufwand («Honorarberatung») kann auch für «Zusatz»leistungen das richtige Modell sein • Kulturelle Unterschiede in den Ländern verbleiben / von daher wird es nicht ein einheitliches Vertriebs«erfolgs»modell der Zukunft geben
Vielen Dank für Ihre
18 Aufmerksamkeit
Professor Dr. Hato Schmeiser
Kontakt
Institut für Versicherungswirtschaft (I.VW‐HSG)
Universität St. Gallen
Tannenstrasse 19
9000 St. Gallen / Schweiz
www.ivw.unisg.ch
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Professor Dr. Hato Schmeiser
Appendix: Akzeptanz von Tarifierungsfaktoren / Unisex (Kapitel 2.2)
(A) Breite Akzeptanz der Kunden für differenzierte Preise
(B) Geschlechtermerkmale und Alter mit geringster Zustimmung; geringere Zustimmung kaum verhältnismässig zur Aufhebung der Ausnahmeregelung (nicht mehr „Widerstand“ als gegen andere Merkmale)
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Quelle: Schmeiser / Störmer / Wagner Professor Dr. Hato Schmeiser
Geneva Papers on Risk and Insurance (2012)
Appendix: Zahlungsbereitschaft Garantien (Kapitel 2.2)
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Quelle: Gatzert / Huber / Schmeiser
Professor Dr. Hato Schmeiser
Geneva Papers on Risk and Insurance (2011)
Appendix: Zahlungsbereitschaft Garantien (Kapitel 2.2)
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Quelle: Gatzert / Huber / Schmeiser
Professor Dr. Hato Schmeiser
Geneva Papers on Risk and Insurance (2011)
Appendix: Zahlungsbereitschaft Garantien (Kapitel 2.2)
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Quelle: Gatzert / Huber / Schmeiser
Professor Dr. Hato Schmeiser
Geneva Papers on Risk and Insurance (2011)
Appendix: Brokermodell der Zukunft (Kapitel 3)
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Quelle: Sigma 6/2013: Life insurance: focusing on the consumer
Professor Dr. Hato Schmeiser
Appendix: Brokermodell der Zukunft (Kapitel 3)
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DK
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Support-seeking individualists
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NL
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Product optimizers
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Uninterested minimalists
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F
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Price-sensitive analyzers
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Relationship-oriented traditionalists
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Quelle: I.VW / IBM: Trust, transparency, and technology (2008)
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