Wirtschafts - Statistisches Landesamt Baden

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Wirtschafts - Statistisches Landesamt Baden
2015
Wirtschafts- und
Sozialentwicklung
in Baden-Württemberg
2015/2016
Impressum
Wirtschafts- und
Sozialentwicklung
in Baden-Württemberg
2015/2016
Artikel-Nr. 8056 15006
Herausgeber und Vertrieb
Statistisches Landesamt Baden-Württemberg
© Statistisches Landesamt Baden-Württemberg,
Stuttgart, 2015
Für nicht gewerbliche Zwecke sind Vervielfältigung und unentgeltliche Verbreitung,
auch auszugsweise, mit Quellenangabe
gestattet. Die Verbreitung, auch auszugsweise, über elektronische Systeme/Datenträger
bedarf der vorherigen Zustimmung. Alle
übrigen Rechte bleiben vorbehalten.
2015
Wirtschafts- und
Sozialentwicklung
in Baden-Württemberg
2015/2016
Editorial
Liebe Leserin, lieber Leser,
zum Jahreswechsel ist es eine gute Tradition, Bilanz
zu ziehen und den Blick auf das neue Jahr zu richten.
Dazu werden in der vorliegenden Broschüre aktuelle Entwicklungen aus Wirtschaft und Gesellschaft
unseres Landes auf der Basis amtlicher Statistiken
dargestellt und analysiert.
beiterinnen und Mitarbeitern herzlich zu danken. Im
Interesse einer möglichst hohen Resonanz der jährlich
erscheinenden Veröffentlichung „Wirtschafts- und
Sozialentwicklung in Baden-Württemberg“ werden
wir Ihre Anregungen, Hinweise und Verbesserungsvorschläge gerne entgegen nehmen.
Betrachtet wird wieder ein breites Spektrum an
Themen. Ein Schwerpunkt ist den wirtschaftlichen
Perspektiven gewidmet, die im Kern auch eine Prognose des Wirtschaftswachstums für das Jahr 2016
enthalten. Dem schließen sich in einer Tour d’horizon
Ausführungen zu den Bereichen Produzierendes
Gewerbe, Exporte, Handel, unternehmens- und
haushaltsbezogene Dienstleistungen, Tourismus, Bildung, Bevölkerung, Einkommen und Soziales bis hin
zur Umwelt an. Für den schnellen Überblick werden
die zentralen Zahlen und Fakten eingangs in dem Abschnitt „Auf einen Blick“ zusammengefasst.
Ich wünsche Ihnen eine spannende Lektüre mit vielen
neuen Erkenntnissen.
Jedem dieser Themenbereiche ist eine Doppelseite
mit kurzen Texten und eingängigen Schaubildern
gewidmet. Um die aktuellen Ergebnisse besser einordnen und bewerten zu können, finden sich bei den
Darstellungen vielfach auch Strukturangaben und
lange Reihen.
Stuttgart, im Dezember 2015
Dr. Carmina Brenner
Präsidentin
Statistisches Landesamt
Baden-Württemberg
An dieser Stelle möchte ich es nicht versäumen, allen
an der Erstellung dieser Broschüre beteiligten Mitar-
Wirtschafts- und Sozialentwicklung in Baden-Württemberg 2015/2016
3
Inhalt
Auf einen Blick .............................................................................................................................................7
Wirtschaftliche Perspektiven ......................................................................................................................9
Verarbeitendes Gewerbe ............................................................................................................................
11
Export ...........................................................................................................................................................
13
Bauwirtschaft ...............................................................................................................................................
15
Handel, Gastgewerbe, Verkehr und Information .....................................................................................
17
Tourismus ....................................................................................................................................................
19
Unternehmens- und haushaltsbezogene Dienstleistungen ....................................................................
21
Beschäftigung und Arbeitsmarkt ...............................................................................................................
23
Insolvenzen und Existenzgründungen ......................................................................................................
25
Preise ............................................................................................................................................................
27
Bildung .........................................................................................................................................................
29
Bevölkerung .................................................................................................................................................
31
Familie ..........................................................................................................................................................
33
Einkommen ..................................................................................................................................................
35
Sozialhilfe .....................................................................................................................................................
37
Umwelt .........................................................................................................................................................
39
Autorinnen und Autoren .............................................................................................................................
41
Wirtschafts- und Sozialentwicklung in Baden-Württemberg 2015/2016
5
Auf einen Blick
• Die Wirtschaft Baden-Württembergs zeigte sich
trotz aller negativen Einflüsse 2015 in guter
Verfassung und erreichte im ersten Halbjahr ein
Wirtschaftswachstum von 3,1 %. Im Gesamtjahr 2015 ist somit mit einer Steigerung des realen
Bruttoinlandsprodukts von knapp 2 % und 2016 von
rund 1 ½ % zu rechnen. Somit dürfte die Nachfrage
nach Arbeitskräften trotz des bereits sehr hohen
Beschäftigungsstandes weiter zunehmen.
• Das Verarbeitende Gewerbe, das in überdurchschnittlichem Maße zur Wirtschaftsleistung des
Landes beiträgt, konnte erneut deutlich wachsen.
So erzielten die Industriebetriebe in den ersten
drei Quartalen 2015 gegenüber dem entsprechenden Vorjahreszeitraum preis- und arbeitstäglich
bereinigt ein Umsatzplus von 5,8 %.
leisteten Arbeitsstunden bewegten sich seitwärts.
Der Wohnungsbau verlor an Dynamik, überdurchschnittlich entwickelte sich der Wirtschaftshochbau.
• Dank des guten Konsumklimas ergab sich im
Einzelhandel im Zeitraum Januar bis September
2015 gegenüber dem vergleichbaren Vorjahreszeitraum preisbereinigt ein Umsatzplus von 3,6 %.
Ausgesprochen gut liefen die Geschäfte mit IKTGütern und bei den Kfz-Händlern.
• Neue Spitzenwerte sind vom Tourismus im Lande
zu vermelden, und dies auf breiter Ebene. Dabei
dürfte im ablaufenden Jahr 2015 die Zahl der Übernachtungen mit 51 Mill. deutlich die Schwelle von 50
Mill. überschreiten. Anhaltend sind der Boom bei den
Auslandsgästen und der Trend zum Städtetourismus.
• Ungeachtet weltweiter Unsicherheiten waren die
• Die Wertschöpfungsentwicklung bei den unter‑
Exporte weiterhin auf Rekordjagd. Die badennehmensbezogenen Dienstleistungen dürfte
württembergischen Warenausfuhren dürften sich
2015 besser als im Vorjahr ausgefallen sein. Erneut
im Gesamtjahr 2015 auf einen bisher einmaligen
legte der Bereich „Forschung und Entwicklung“
Spitzenwert von knapp 200 Mrd. Euro belaufen.
deutlich zu. Bei den haushaltsbezogenen Dienst‑
Besonders erfolgreich war die Südwestwirtschaft
leistungen trat das Gesundheits- und Sozialwesen
in den USA, dem wichtigsten Außenhandelspartner des Landes.
Wichtige makroökonomische Kennziffern Baden-Württembergs
Die Zuwächse in China
schwächten sich ab,
Exportwachstum in %
in %
schwer gelitten haben
9
24
die Exporte in die Russische Föderation.
6
16
• D a s B a u h a u p t g e ‑
werbe zeigt eher ein
gemischtes Bild. Während die Umsätze in
den ersten drei Quartalen 2015 gegenüber
dem Vorjahr nominal
um 4,7 % stiegen,
erhöhte sich die Beschäftigtenzahl nur
um 0,9 % und die ge-
3
8
0
0
–3
–6
–9
Inflation
–8
Arbeitslosenquote
– 16
BIP-Wachstum
2000 01
02
03
04 2005 06
07
08
09 2010 11
12
13
14 20151)
– 24
1) 4. Quartal 2015 Schätzung.
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Wirtschafts- und Sozialentwicklung in Baden-Württemberg 2015/2016
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mit einer überdurchschnittlichen Beschäftigungsentwicklung hervor.
der abgeschlossenen Ausbildungsverträge 2014
nahezu stabil.
• Die Lage auf dem Arbeitsmarkt ist in Baden-
• Die Bevölkerung Baden-Württembergs erreichte
Württemberg nach wie vor vergleichsweise günstig. Im Jahresdurchschnitt 2015 könnte die Zahl
der Erwerbstätigen ein Rekordniveau von knapp
6,1 Mill. erreichen. Die Arbeitslosenquote belief
sich im November auf nur 3,6 %.
zu Beginn des Jahres 2015 den Stand von rund
10 716 400 Einwohnern. Ausschlaggebend für
die gegenüber dem Vorjahresstichtag stärkste
Bevölkerungszunahme seit 1992 war die erhöhte
Zuwanderung aus Süd- und Osteuropa – insbesondere aus Rumänien – sowie im außereuropäischen
Raum aus Syrien.
• Trotz des günstigen konjunkturellen Umfelds nahm
die Zahl der Unternehmensinsolvenzen in den
ersten 8 Monaten des Jahres 2015 gegenüber dem
Vorjahreszeitraum um 5 % zu. Allerdings verringerte
sich der damit verbundene wirtschaftliche Schaden,
da in erster Linie kleinere und jüngere Betriebe von
der Insolvenz betroffen waren.
• Der Anstieg der Verbraucherpreise hat sich im
Jahr 2015 erneut verlangsamt. Im Durchschnitt
der ersten zehn Monate des ablaufenden Jahres
lagen die Preise mit einer Teuerungsrate von 0,2 %
nur unwesentlich über dem Vorjahresniveau. Preisdämpfend wirkten insbesondere die Preisrückgänge
bei Mineralölprodukten und Haushaltsenergie.
• Bildung schafft Perspektiven. Daher liegt die
Quote der Übertritte der Viertklässler auf ein Gymnasium und der Hochschulzugangsberechtigungen
aktuell mit rund 44 % und 58 % weiterhin auf
einem hohen Niveau. Trotz der fortschreitenden
Akademisierung der Berufswelt blieb die Zahl
• Bei den Familien ist die Ehe zwar das dominierende
Modell des Zusammenlebens; Ehen werden aber
kinderärmer gelebt und weitere Lebens- und Familienformen haben sich etabliert. Zudem sind Mütter
mit schulpflichtigen Kindern heute mit 77 % viel
häufiger erwerbstätig als früher.
• Ein kräftiger Anstieg des Arbeitnehmerentgelts, ein
höherer Zuwachs der Unternehmens- und Vermögenseinkommen sowie gestiegene Rentenzahlungen
dürften trotz einer deutlichen Steigerung der Sozialabgaben und Steuern dazu führen, dass 2015 das
verfügbare Einkommen der privaten Haushalte
zunimmt. Aufgrund der außerordentlich geringen
Steigerung der Verbraucherpreise ist auch ein deutlicher realer Einkommenszuwachs zu erwarten.
• Wenn auch die Menschen im Land verglichen
mit dem Bundesdurchschnitt bei weitem nicht
so häufig auf Sozialhilfe angewiesen sind, hat
sich 2014 die Zahl der
Har tz IV- Empfänger
doch wieder leicht erhöht. Gut 5 3 % der
Wachstumsbeitrag der Wirtschaftssektoren zum
baden-württembergischen Bruttoinlandsprodukt
Empfänger von Grundsicherung sind bereits
BIP
im Rentenalter.
in %
8
6
4
2
0
–2
Land- und Forstwirtschaft,
Fischerei
Produzierendes Gewerbe
ohne Baugewerbe
–4
–6
–8
– 10
2000 01
02
03
04 2005 06
Baugewerbe
Dienstleistungen
Nettogütersteuern
07
08
09
2010 11
12
13
14
2015
Datenquelle: Bis 2014 AK VGRdL, 2015 eigene Schätzung.
Statistisches Landesamt Baden-Württemberg
8
Auf einen Blick
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• Für das Erreichen
d er Umwe l t s c h u t z ‑
ziele kommt den von
der Umweltwirtschaft
entwickelten Techno logien eine maßgeb liche Bedeutung zu. Der
Umsatz der Betriebe dieser Querschnittsbranche
ist im Land mittlerweile
auf 11 Mrd. Euro angestiegen.
Wirtschaftliche Perspektiven
Wirtschaft zeigt sich krisenresistent
Dies schlägt sich auch in unserer Jahresprognose
für 2016 nieder, und so erwarten wir insgesamt eine
Zunahme des realen BIP von rund 1 ½ %.
Zu Beginn des Jahres 2015 stellte sich die Frage,
ob die baden-württembergische Wirtschaft an das
Wachstumstempo von 2,4 % in 2014 anknüpfen
kann. Rückschauend musste die Südwestwirtschaft
etliche, zeitgleich auftretende Ereignisse verdauen, von
denen jedes einzelne eine Belastung für das Wachstum hätte darstellen können. Von der Aufhebung der
Frankenuntergrenze über die eskalierende griechische
Schuldenkrise bis zur wirtschaftlichen Abschwächung
in den Schwellenländern und der Flüchtlingskrise reichten die Themen, die Unsicherheit in das Wirtschaftsgeschehen brachten. Die baden-württembergische
Wirtschaft zeigte sich im ersten Halbjahr 2015 aber
davon unbeeindruckt und so stieg das preisbereinigte Bruttoinlandsprodukt (BIP) um 3,1 % gegenüber
dem Vorjahr, was im Bundesländervergleich einen
Spitzenwert darstellt. Zur Jahresmitte schwächte sich
die Wachstumsdynamik etwas ab, sodass für das
Gesamtjahr 2015 nach aktuellem Berechnungsstand
mit einer realen Zunahme des BIP von knapp 2 % zu
rechnen ist. Der Gesamtkonjunkturindikator (GKI) des
Statistischen Landesamtes kündigt eine konjunkturelle
Wende zum Jahresende 2015 an, die vor allem von
der Finanzmarktkomponente und dem nicht mehr so
dynamischen ausländischen Auftragseingang ausgeht.
Binnennachfrage übernimmt
das Wachstumszepter
Die Prognose für 2016 fällt angesichts der bestehenden
Risiken und des seit mittlerweile 2010 andauernden
Aufschwungs niedriger aus als das BIP-Wachstum 2015
und auch geringer als es die EU-Kommission in ihrer
Herbstprognose für Deutschland (1,9 %) ausgewiesen
hat. Die EU erwartet für Deutschland, dass die wirtschaftliche Dynamik zum Großteil vom privaten Konsum
und zusätzlichen staatlichen Ausgaben zur Integration
von Flüchtlingen ausgeht. Der private Verbrauch wird
hiernach einerseits gestützt durch die hohe Beschäftigungssituation in Deutschland und die durch den gefallenen Ölpreis sehr geringe Inflationsrate. Investitionen
im Unternehmens- und Staatssektor spielen verglichen
mit dem Konsum keine große Rolle; sie behindern das
prognostizierte Wachstum allerdings auch nicht. Neben
den Binnensektoren gab es 2015 für die deutsche Konjunktur zusätzlich noch Rückenwind vom Außenhandel.
Allerdings wird der starke Export laut der EU-Kommission
2016 an Dynamik verlieren, da die positiven Effekte durch
Entwicklung des realen Bruttoinlandsprodukts Baden-Württembergs
in %
2010 = 100
4
BIP Jahresdurchschnitt
Reales BIP-Wachstum
gegenüber Vorquartal
3
120
BIP Kettenindex
115
2
110
1
105
0
100
–1
I
II
III
2010
IV
I
II
III
2011
IV
I
II
III
2012
IV
I
II
III
2013
IV
I
II
III
2014
IV
I
II
III
2015
IV1)
95
1) Schätzung.
Statistisches Landesamt Baden-Württemberg
1029 15
Wirtschafts- und Sozialentwicklung in Baden-Württemberg 2015/2016
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die Abwertung des Euros auslaufen sowie die nachlassende Auslandsnachfrage sich allmählich bemerkbar
machen soll. Zusätzlich erhöht die prognostizierte Binnennachfrage noch die Importe, sodass der Außenbeitrag
keinen Impuls auf die deutsche Konjunktur entfalten wird.
Deutschlands Leistungsbilanzsaldo steigt gemäß der EUPrognose 2015 auf rekordverdächtige 8,7 % und dürfte
in der Diskussion um die globalen Ungleichgewichte
weiter im Fokus bleiben.
Gerade die prognostizierte Abschwächung im Außenhandel dürfte die baden-württembergische Wirtschaft
stärker treffen als die bundesdeutsche, da die Südwestindustrie mit 41,4 % einen höheren Exportanteil
am BIP hat als Deutschland (39 %). Zusätzlich sagt
die EU-Kommission in ihrer Prognose eine besonders
hohe Dynamik im Dienstleistungssektor voraus, der
in Baden-Württemberg mit 59,8 % einen geringeren
Anteil an der Bruttowertschöpfung ausmacht als im
bundesdeutschen Vergleich (68,5 %). Dennoch sollte
das prognostizierte Wachstum dafür sorgen, die Beschäftigung im Land weiter steigen zu lassen. Von
Januar bis September 2015 erhöhte sich die Zahl der
sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten um 2,3 %
gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Die Entwicklung
für 2016 ist schwer zu quantifizieren, da zum jetzigen
Zeitpunkt unklar ist, wie viele Zuwanderer 2015 nach
Deutschland und Baden-Württemberg gekommen sind
und 2016 dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen.
Wirtschaftliche Erholung in Europa
verlangsamt sich
Trotz der äußerst dynamischen Exportmärkte außerhalb Europas bleibt der europäische Markt alleine
wegen seiner geografischen Nähe für die badenwürttembergische Wirtschaft von herausragender
Bedeutung (s. Kap. „Exporte“). Zwar bewegen
sich wichtige Stimmungsindizes wie der Economic
Sentiment Indicator (ESI) oberhalb ihrer langfristigen
Durchschnittswerte und stiegen während des Jahres
2015 sogar noch. Allerdings notierte das Industrievertrauen 2015 seitwärts und das Verbrauchervertrauen
erlitt einen deutlichen Dämpfer. Insgesamt ist die Entwicklung im ESI einzig auf das auf niedrigem Niveau
verbesserte Vertrauen im Bausektor und die sehr gute
Stimmung im Einzelhandel zurückzuführen. Ob allerdings diese beiden Sektoren genug Gewicht aufbringen, um einen sich selbst tragenden wirtschaftlichen
Aufschwung für Europa zu erzeugen, darf bezweifelt
werden. Die Kapazitätsauslastung in der europäischen
Industrie bezifferte Eurostat im vierten Quartal 2015
auf 81,1 %. Dieser Wert ist gegenüber dem Vorjahr
leicht verbessert, allerdings stagnierte er innerhalb des
Gesamtjahres 2015. Die EZB senkte ihre Wachstums‑
prognose für den Euroraum auf 1,7 % in 2016. Somit
dürfte sich die durch die Wirtschafts- und Finanzkrise
entstandene Outputlücke langsamer schließen als es
die Währungshüter noch vor einem Jahr prognostiziert
hatten. Zusätzlich ist die EZB noch mit einer sehr
geringen Inflationsrate konfrontiert, die sich nach
Prognosen der EU-Kommission 2016 auf 1,0 % erhöhen soll. Somit dürfte die Notenbank auf Basis der
vorliegenden Zahlen ihr Anleiheaufkaufprogramm über
das bereits beschlossene Volumen und den Zeitraum
ausweiten, bis die Inflation wieder das EZB-Ziel von
2 % erreicht hat. Mit dieser Maßnahme will die EZB
die Kreditvergabe in der Eurozone stimulieren, andererseits schwächt sie durch ihr Aufkaufprogramm den
Außenwert des Euros, wodurch die Exporttätigkeit
angeregt werden soll.
BIP-Wachstum und Konjunkturindikator für Baden-Württemberg
Indikatorpunkte
in %
9
Wirtschaftswachstum
3
Konjunkturindikator
1)
2)
6
2
3
1
0
0
–3
–1
–6
I
II
III IV
2010
I
II III
2011
IV
I
II III
2012
IV
I
II III
2013
IV
I
II III
2014
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I
II III
2015
IV
I
II
2016
–2
1) Gleitende Jahresrate des realen Bruttoinlandsprodukts Baden-Württembergs in % (Veränderung von jeweils 4 Quartalen gegenüber den 4 Quartalen zuvor); 4. Quartal 2015 Schätzung. – 2) Indikatorpunkte; Stand: Dezember 2015; 3 Quartale nach vorne versetzt.
Statistisches Landesamt Baden-Württemberg
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Wirtschaftliche Perspektiven
1030 15
Verarbeitendes Gewerbe
Hohe wirtschaftliche Leistung
Baden-Württemberg profitiert von einer starken
Wirtschaft, die von einem Netzwerk vieler großer,
mittlerer und kleiner Unternehmen getragen wird.
Zusammen bilden sie die treibende Kraft hinter dem
globalen Erfolg. Von knapp 4 300 Betrieben mit
1,1 Mill. Beschäftigten im Verarbeitenden Gewerbe1
stammen Produkte, die weltweit gefragt sind und
dem Land nachhaltigen Wohlstand bescheren. Überdurchschnittlich hohe Wertschöpfung, ausgeprägte
Wettbewerbsfähigkeit, eine hervorragende Beschäftigungssituation und eine Spitzenstellung bei Forschung
und Entwicklung ermöglichen dies.
Auch im Jahr 2014 erwirtschafteten die Betriebe des
Verarbeitenden Gewerbes hierzulande mit einem
Drittel der gesamten Bruttowertschöpfung mehr als
die Industrie in den anderen Bundesländern. BadenWürttemberg liegt damit gut 10 Prozentpunkte über
dem Bundesdurchschnitt. Der preisbereinigte Wertschöpfungszuwachs gegenüber dem Vorjahr liegt
bei 5,7 %.
Umsätze: anhaltendes Wachstum
Die Industriebetriebe im Südwesten erzielten in den
ersten drei Quartalen 2015 preis- und arbeitstäglich
bereinigt ein Umsatzplus von 5,8 % im Vergleich zum
entsprechenden Vorjahreszeitraum. Der Wachstums‑
prozess seit 2010 hat sich damit leicht abgeflacht.
2015 konnten aber bis Ablauf des dritten Quartals
preis- und arbeitstäglich bereinigt die Umsätze des
Vorkrisenjahres 2007 nahezu wieder erreicht werden.
Dabei zeichnet sich die baden-württembergische
Industrie weiterhin durch eine hohe internationale
Wettbewerbsfähigkeit aus. So konnte das Auslandsgeschäft um 8,2 % zulegen. Das Inlandsgeschäft trug
1 Verarbeitendes Gewerbe einschließlich Bergbau und Gewinnung von Steinen und Erden (im Folgenden kurz: Verarbeitendes Gewerbe). Betriebe mit 50 und mehr Beschäftigten.
Umsätze im Verarbeitenden Gewerbe*)
in Baden-Württemberg seit 2008
2010 = 100
130
Inland
Insgesamt
Ausland
120
110
100
90
80
2008
2009
2010
2011
2012
2013
2014 20151)
*) Preisbereinigter Volumenindex, arbeitstäglich bereinigt. – 1) Durchschnitt der
Monate Januar bis September.
Statistisches Landesamt Baden-Württemberg
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mit 2,9 % zum Umsatzwachstum bei. Im September
stiegen die Umsätze im Vergleich zum Vorjahresmonat
um 0,9 % an.
Die meisten Branchen im Verarbeitenden Gewerbe
des Landes erzielten in den ersten drei Quartalen
2015 Umsatzzuwächse, die sich aber im dritten
Quartal abschwächten. In der Branche „Reparatur
und Installation von Maschinen und Ausrüstungen“
war die Umsatzsteigerung mit 13,7 % am deutlichsten. Die Branche „Herstellung von Kraftwagen und
Kraftwagenteilen“ verzeichnete ein Umsatzplus von
10,3 %. Andere Branchen wie die „Herstellung von
Datenverarbeitungsgeräten, elektronischen und optischen Erzeugnissen“ mussten Umsatzrückgänge
(– 2 %) verbuchen.
Produktionssteigerung zum Vorjahr
In den ersten drei Quartalen 2015 konnte preis- und
arbeitstäglich bereinigt ein Produktionswachstum von
3,1 % gegenüber dem Vorjahreszeitraum verzeichnet
werden.
Wirtschafts- und Sozialentwicklung in Baden-Württemberg 2015/2016
11
Überwiegend ergaben sich in den wichtigen Branchen des Landes Produktionssteigerungen. Ein
großes Plus verbuchte der „Maschinenbau“ mit
8,1 % sowie die „Herstellung von chemischen
Erzeugnissen“, hier konnte ein Produktionsanstieg
von 6,6 % festgestellt werden. In der „Herstellung
von Datenverarbeitungsgeräten, elektronischen und
optischen Erzeugnissen“ jedoch nahm die Produktion
um 2,5 % ab.
Im September stieg die Gesamtproduktion im Verarbeitenden Gewerbe im Vergleich zum Vorjahresmonat
um 1,6 %.
Umsatz*) im Verarbeitenden Gewerbe
insgesamt sowie in ausgewählten Branchen
in Baden-Württemberg 2015
Veränderung gegenüber dem Vorjahresquartal in %
20
18
16
I. Quartal
II. Quartal
III. Quartal
14
12
10
Mehr Beschäftigte als im Vorjahr
Nachdem in den Jahren 2009 und 2010 im Zuge der
Wirtschafts- und Finanzkrise ein deutlicher Beschäftigungsabbau im Verarbeitenden Gewerbe zu vermelden war, wurde die wirtschaftliche Belebung ab 2011
auch auf dem Arbeitsmarkt spürbar. Der Beschäftigungsaufbau hielt weiter an, wenn auch mit etwas
geringerem Tempo. Rund 1 107 000 Beschäftigte
arbeiteten im Durchschnitt der ersten 9 Monate des
Jahres 2015 hierzulande im Verarbeitenden Gewerbe.
Das sind 1,3 % mehr als im Jahr zuvor. Dabei stieg
die Beschäftigung im September 2015 auf 1 119 600
Personen (verglichen mit dem Vorjahresmonat um
12 300 Personen (1,1 %)) an.
Die Anzahl der geleisteten Arbeitsstunden in den Betrieben lag in den ersten drei Quartalen 2015 mit gut
einem halben Prozent höher als im Vorjahreszeitraum.
Auftragsplus von über 6 %
Die Südwestindustrie verbuchte im Vorjahresvergleich
in den ersten drei Quartalen 2015 preis- und arbeitstäglich bereinigt ein Auftragsplus von 6,3 %, während
das Inlandsgeschäft mit 2,7 % nicht so stark zunahm,
konnten die Auslandsgeschäfte um beachtliche 8,6 %
zulegen. Die Aufträge aus der Eurozone nahmen um
gut 11 % zu, der Auftragszuwachs aus der NichtEurozone fiel mit 7,1 % geringer aus.
Von der in den ersten neun Monaten aufwärts gerichteten Auftragsentwicklung profitierte vor allem
die Branche „Herstellung von Kraftwagen und Kraftwagenteilen“, hier stieg der Ordereingang auf knapp
11 %. Deutlich schwächer war die Entwicklung in der
12
Verarbeitendes Gewerbe
8
6
4
2
0
HerstelVerarbei- Herstel- Maschinen- Herstellung von
bau
lung von lung von
tendes
KraftMetallerelektriGewerbe
wagen und
zeugnissen schen
insAusgesamt Kraftwagenteilen
rüstungen
*) Real, arbeitstäglich bereinigt.
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„Herstellung von pharmazeutischen Erzeugnissen“ mit
einem Plus von 4,2 %.
Im September gingen die Auftragseingänge der gesamten Industrie im Vergleich zum Vorjahresmonat
allerdings um 3,6 % zurück, insbesondere im Auslandsgeschäft kam es den zweiten Monat in Folge zu
einem Rückgang (– 6,2 %).
Umsatz im Handwerk erhöht sich leicht
Die selbstständigen Handwerksbetriebe in den Branchen des Verarbeitenden Gewerbes verbuchten im
ersten Quartal des Jahres 2014 um lediglich 0,3 %
höhere Umsätze als im Vorjahresquartal, im zweiten
Quartal lagen die Umsätze dann aber immerhin um
2,0 % über dem Vorjahresniveau.
Die Zahl der Beschäftigten nahm im ersten Quartal
zunächst um 0,2 % zu, im zweiten Quartal dann
wieder mit – 0,2 % gegenüber dem Vorjahresquartal
geringfügig ab.
Export
Exporte auf Rekordjagd
Der Export von Waren ist weiterhin ein wichtiger Tragpfeiler der baden-württembergischen Wirtschaft. Produkte
„Made in Baden-Württemberg“ sind nach wie vor sehr
gefragt. Die Ausfuhren nahmen ungeachtet des mäßigen
Wachstumstempos der Weltwirtschaft im Jahr 2015
erneut kräftig zu. Die Exporteure des Landes profitierten
dabei unter anderem von der wirtschaftlichen Erholung in
der Europäischen Union und von den stark gestiegenen
Bestellungen aus den USA. Aber auch der niedrige
Wechselkurs des Euro hat die Exportperspektiven
Baden-Württembergs für dieses Jahr deutlich verbessert. So dürften die Warenexporte des Landes im Jahr
2015 ein neues Allzeithoch erreichen. Die Bedeutung der
Warenexporte für die Wirtschaftsentwicklung hat über
die Jahre kontinuierlich zugenommen. Betrug 1980 der
Anteil der Exporte an der Wirtschaftsleistung des Landes
rund ein Viertel, stieg er bis 2014 auf über 41 %.
2013 konnte sich das Land auf den Weltmärkten gut
behaupten. Damit wurde Baden-Württemberg erstmalig das exportstärkste Bundesland. Der Südwesten
verwies dabei den bisherigen Spitzenreiter NordrheinWestfalen (180 Mrd. Euro) auf Platz zwei. Den dritten
Platz belegte wie in den Jahren zuvor Bayern (169 Mrd.
Euro). Am Ende des Bundesländerrankings stehen mit
Thüringen (13 Mrd. Euro) und Mecklenburg-Vorpommern (7 Mrd. Euro) zwei ostdeutsche Bundesländer.
Die Erfolgsgeschichte baden-württembergischer
Unternehmen im Ausland setzte sich im Jahr 2015 verstärkt fort. In den ersten neun Monaten 2015 nahmen
die Warenexporte gegenüber dem Vorjahreszeitraum
um erfreuliche 10 % auf über 148 Mrd. Euro1 zu.
Europa verliert als Absatzmarkt
an Bedeutung
Baden-Württemberg exportstärkstes
Bundesland
Europa war und ist zwar der wichtigste Handelspartner
der baden-württembergischen Wirtschaft, aber seine
Bedeutung hat in den letzten Jahren abgenommen. Im
Mit Warenausfuhren im Jahr 2014 von fast 181 Mrd.
Euro und einem Zuwachs von über 4 % gegenüber
1 Bei Redaktionsschluss lagen für 2015 nur vorläufige Ergebnisse vor.
Exporte Baden-Württembergs seit 1980
198,0
in Mrd. EUR
141,5
149,8
171,9
175,1
173,4
2011
2012
2013
180,7
152,7
149,3
123,3
123,1
101,0
46,7
57,2
64,4
30,3
1980
1985
1990
1995
2000
2005
2006
2007
2008
2009
2010
2014
2015*)
*) Hochrechnung auf der Basis der vorläufigen Ergebnisse für die Monate Januar bis September.
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Wirtschafts- und Sozialentwicklung in Baden-Württemberg 2015/2016
13
Jahr 2005 betrug der Anteil Europas an den Ausfuhren
des Landes noch 69 %, Ende September 2015 waren
es gut 7 Prozentpunkte weniger. Asien, der zweitgrößte Absatzmarkt, hat dagegen im gleichen Zeitraum
deutlich an Bedeutung gewonnen. Dort wurden in den
ersten drei Quartalen 2015 über 19 % aller Exporte
des Landes abgesetzt, gut 6 Prozentpunkte mehr als
noch 2005.
Die Exporte in die EU-Länder, auf die über die Hälfte
der baden-württembergischen Exporte entfallen,
nahmen bis Ende September leicht unterdurchschnittlich um nominal gut 9 % zu. Von besonderer
Dynamik waren dabei in den ersten drei Quartalen
2015 die Ausfuhren nach Slowenien und Rumänien.
In diesen beiden Ländern konnten die Warenlieferungen um 25 % bzw. 21 % gesteigert werden.
Besonders ins Gewicht fielen die hohen Exportzuwächse in das Vereinigte Königreich (+18 %). Dagegen verlief das Exportgeschäft nach Frankreich
und Österreich weit unterdurchschnittlich und die
Lieferungen nach Luxemburg nahmen im Berichtszeitraum sogar ab.
Die zehn wichtigsten Exportländer
Baden-Württembergs 2015*)
Anteil an den Exporten insgesamt in %
Übrige Länder
Vereinigte Staaten
13,1
Frankreich
7,5
37,6
Spanien
Insgesamt:
147,8 Mrd.
EUR
2,8
2,9 4,3
4,5 6,6
7,2
6,8
6,7
Vereinigtes
Königreich
Schweiz
Belgien
Italien
Österreich
Niederlande
*) Januar bis September; vorläufige Zahlen.
Statistisches Landesamt Baden-Württemberg
Schwer gelitten haben die Exporte in die Russische
Föderation. Aufgrund der wirtschaftlichen und politischen Probleme des Landes sanken sie im Berichtszeitraum um fast ein Viertel. Allerdings gehen
nur 1,6 % der baden-württembergischen Ausfuhren
nach Russland.
China
1034 15
mehr baden-württembergische Waren kaufte als das
wirtschaftlich deutlich bedeutendere Japan. Hauptgrund für die gestiegenen Ausfuhren ist der florierende
Absatz baden-württembergischer Pkw in Südkorea.
Mit einem Anteil an der Gesamtausfuhr von 2,5 %
rückte die Republik Korea im Länderranking auf Platz
13 vor.
USA wichtigstes Exportland
Überdurchschnittlich erfolgreich war die Süd ‑
westwirtschaft in den USA. Die Exporte des Landes
nach Übersee legten bis zum September 2015 im
Vergleich zum entsprechenden Vorjahreszeitraum
um beachtliche 26 % auf über 19 Mrd. Euro zu. Mit
einem Anteil am Gesamtexport von über 13 % sind
die Vereinigten Staaten mittlerweile die mit Abstand
wichtigsten Abnehmer baden-württembergischer
Produkte.
Aufgrund der wirtschaftlichen Abschwächung in
China konnten die Unternehmen des Landes dort
nur unterdurchschnittliche Exportzuwächse von gut
2 % verzeichnen. Große Exporterfolge erzielte der
Südwesten in der Republik Korea. Die Ausfuhren
in dieses Land stiegen in den ersten drei Quarta‑
len 2015 um rund 36 % auf 3,7 Mrd. Euro. Bemerkenswert ist dabei, dass Südkorea im Jahr 2015 erstmals
14
Export
Exportschlager Kraftfahrzeuge
Wie bereits in den Jahren zuvor sind Kraftwagen und
Kraftwagenteile, Maschinen und pharmazeutische
Erzeugnisse die drei wichtigsten Exportgüter BadenWürttembergs.
Diese drei Warengruppen machten in den ersten
neun Monaten 2015 rund 57 % der Gesamtausfuhr
aus. Dabei konnten sich die Kraftwagen deutlich
vor den Maschinen als wichtigstes Exporterzeugnis
des Landes behaupten. Während die Kraftfahrzeuge
und die pharmazeutischen Erzeugnisse in den ers‑
ten neun Monaten 2015 mit einem Plus von 20 %
bzw. gut 16 % entscheidend am Exportzuwachs
Baden-Württembergs beteiligt waren, nahmen die
Ausfuhren von Maschinen nur unterdurchschnittlich
um 5 % zu.
Bauwirtschaft
Gemischtes Bild
Das Baugewerbe trug 2014 insgesamt 4,6 % zur
baden-württembergischen Wirtschaftsleistung bei und
beschäftigte in den ersten drei Quartalen 2015 5,1 %
aller sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten. Diese auf den ersten Blick recht überschaubaren Anteile
bilden allerdings nicht den tatsächlichen Stellenwert
der Bauwirtschaft für die Südwestwirtschaft ab. So
erstellt der stark handwerklich geprägte Bausektor einerseits neue Bauten und Infrastruktur oder setzt diese
instand. Auf der anderen Seite neigt das Baugewerbe
tendenziell zur Blasenbildung, wenn stark steigende
Hauspreise zu einer überhöhten Bautätigkeit verleiten
oder Infrastrukturinvestitionen sich letztlich als nicht
rentabel herausstellen können. Rezessionen fallen
Struktur des Bauhauptgewerbes
in Baden-Württemberg 2015*)
Anteile in %
Wohnungsbau
Öffentlicher Tiefbau
9,1
Straßenbau
11,9
Wirtschaftstiefbau
10,8
Baugewerblicher Umsatz
9,5 Mrd.
EUR
37,9
5,5
24,8
Öffentlicher Hochbau
Wirtschaftshochbau
*) Januar bis September.
Statistisches Landesamt Baden-Württemberg
1035 15
daher bei einer Immobilienblase besonders tief aus,
da ein überhöhter Wertschöpfungsanteil im Bausektor
eine scharfe Strukturanpassung nötig werden lässt.
Baden-Württemberg ist von so einer Situation aber weit
entfernt. So erreichte der Wertschöpfungsanteil des
Baugewerbes 2007 seinen Tiefpunkt und stieg seitdem
um moderate 0,8 Prozentpunkte, sodass diese Entwicklung im Südwesten eher als gesund einzustufen ist.
Nachdem die Konjunktur im Bauhauptgewerbe 2014
bereits sehr lebhaft ausfiel, lässt ein Umsatzanstieg
von 4,7 % in den ersten drei Quartalen 2015 auf eine
ähnliche Entwicklung im Gesamtjahr hoffen. Auch
die Beschäftigtenanzahl erhöhte sich gegenüber dem
Vorjahr um 0,9 %, während sich die Arbeitsstunden als
besonders konjunkturnaher Indikator seitwärts entwickelten (0,0 %). Damit reiht sich das Bauhauptgewerbe
in das gemischte Bild des Verarbeitenden Gewerbes
ein, das einen nominalen Umsatzsprung von 8,3 %
verzeichnete, während sich die Anzahl der Industriebeschäftigten mit 1,3 % nur moderat erhöhte und die
geleisteten Arbeitsstunden mit 0,7 % fast stagnierten.
Die Datenlage im Ausbaugewerbe lässt eine Analyse nur bis Jahresmitte 2015 zu. Der Gesamtumsatz
verringerte sich im Vorjahresvergleich um 2,3 %, bei
einer mit 4,3 % deutlich höheren Zahl geleisteter Arbeitsstunden und einem Beschäftigtenplus von 3,6 %
in dieser Branche.
Dieses gemischte Bild im Bausektor überrascht an‑
gesichts der historisch niedrigen Zinsen und der hohen
Beschäftigungssituation im Südwesten. Anscheinend
steht einer noch besseren Baukonjunktur die vorhandene wirtschaftliche Unsicherheit, Umsetzungshindernisse bei Infrastrukturmaßnahmen und hohe
Grundstückspreise im Wege. Mit Ausnahme des Wirtschaftsbaus brachen die geleisteten Arbeitsstunden zu
Beginn des Jahres bereinigt um Saisoneinflüsse stark
ein, erholten sich jedoch im Laufe des Jahres allmäh‑
lich wieder, sodass alle Branchen des Bauhauptge‑
werbes am Ende des dritten Quartals mehr Arbeitsstunden im Vergleich zum Vorjahresquartal aufweisen
konnten.
Wirtschafts- und Sozialentwicklung in Baden-Württemberg 2015/2016
15
Wohnungsbau verliert an Dynamik
Bausparten deutliche Zuwächse im Auftragseingang
zu verzeichnen hatten (öffentlicher Hochbau 20,4 %
und Straßenbau 9,5 %).
Den größten Anteil am baugewerblichen Umsatz erzielte in den ersten drei Quartalen 2015 mit knapp 38 %
der Wohnungsbau, wobei dieser im Jahr 2014 noch
bei 39 % lag. Im gleichen Zeitraum wuchs der Umsatz
nach den hohen Zuwächsen in den Vorjahren nur um
1,2 %, bei gleichzeitig 4,6 % mehr Baugenehmigungen
(gemessen pro Kubikmeter umbauten Raums), aber
einem um 2,0 % gesunkenen Auftragseingang.
Bauhandwerk sieht Branchenkonjunktur
weiter positiv
Die quartalsweise durchgeführte Umfrage des BadenWürttembergischen Handwerkstags (BWHT) bei seinen
Mitgliedsunternehmen ergab im dritten Quartal 2015
ein mehr als nur positives Bild. Die Unternehmen des
Bauhauptgewerbes und des Ausbaugewerbes schätzten
ihre aktuelle Lage, aber auch ihre Erwartungen weiterhin als sehr gut ein. Der aus positiven und negativen
Einschätzungen errechnete Konjunkturindikator lag im
Bauhauptgewerbe bei 70,2 und im Ausbaugewerbe
bei 72,2. Dies übertraf die sehr hohen Werte des Vorjahres damit noch einmal und stellte auch im Vergleich
zu den anderen Handwerksbranchen einen Bestwert
dar. Die Betriebe gaben in der Umfrage allerdings an, in
den ersten drei Quartalen ohne zusätzliche Mitarbeiter
ausgekommen zu sein, sodass ein negativer Beschäftigungssaldo im Bauhauptgewerbe zu verzeichnen war.
Die Umsatzschwerpunkte der Baubranche lagen laut der
BWHT-Studie im dritten Quartal 2015 zu 55,4 % in der
Modernisierung und Erhaltung bereits bestehender Gebäude, während der Wohnungsneubau mit knapp 18 %
eine eher untergeordnete Rolle spielte und im Vergleich
zum Vorjahr sogar an Bedeutung eingebüßt hat.
Rund ein Viertel des baugewerblichen Umsatzes
entfiel auf den Wirtschaftshochbau, dessen Umsatz
in den ersten drei Quartalen 2015 um 6,8 % stieg und
dessen geleisteten Arbeitsstunden um 4,5 % gegenüber dem Vorjahr zulegten. Im gleichen Zeitraum zogen
die Bauunternehmen 11 % weniger Aufträge in dieser
Hochbausparte an Land.
Fasst man den öffentlichen Hoch- und Tiefbau sowie
den Straßenbau zusammen, so sorgte die öffentliche
Hand in den ersten drei Quartalen 2015 für über
ein Viertel des Gesamtumsatzes in der Bauwirtschaft.
Mehr Arbeitsstunden leisteten Arbeitnehmer im öffentlichen Hochbau (+ 3,8 %) und Tiefbau (+ 3,3 %),
während im Straßenbau (– 6,7 %) weniger Stunden
erbracht wurden. Mit – 5,0 % an neuen Aufträgen
im öffentlichen Tiefbau fällt das Gesamtjahr für diese
Teilsparte wahrscheinlich weniger erfolgreich als das
Vorjahr aus, während die beiden übrigen öffentlichen
Geleistete Arbeitsstunden im Bauhaupt- sowie Verarbeitenden Gewerbe Baden-Württembergs
2010 = 1001)
130
Verarbeitendes Gewerbe
Bauhauptgewerbe
Wohnungsbau
Wirtschaftsbau
Öffentlicher Bau
(einschließlich Straßenbau)
120
110
100
90
I
II
III
2010
IV
I
II
III
2011
IV
I
II
III
2012
IV
I
II
III
2013
IV
I
II
III
2014
IV
I
II
III
2015
IV
1) Saisonbereinigte Werte.
Statistisches Landesamt Baden-Württemberg
16
Bauwirtschaft
1036 15
Handel, Gastgewerbe, Verkehr
und Information
Versorgungsdienstleistungen werden von
einem Viertel der Beschäftigten erbracht
Der zusammengefasste Wirtschaftsbereich „Handel,
Gastgewerbe und Verkehr“ deckt Dienstleistungen
ab, die der Befriedigung von Mobilitäts- und Transportbedürfnissen sowie der Versorgung von privaten
Haushalten und Wirtschaftsunternehmen dienen.
Weiterhin wird auch der Bereich „Information und
Kommunikation“ mit einbezogen. Dieser beinhaltet
Dienstleistungen auf dem Gebiet der Telekommunikation (so unter anderem auch Internetserviceprovider),
der Informationstechnologie (beispielsweise Softwareentwicklung) und der Datenverarbeitung sowie
die Mediendienstleister. Insgesamt entfiel im Jahr
2014 ein Anteil von 18,2 % der Wirtschaftsleistung
Baden-Württembergs auf diese Wirtschaftszweige.
Im Vergleich zum Vorjahr verringerte sich der Anteil um
0,4 Prozentpunkte. Mit knapp 1,5 Mill. Erwerbstätigen
erreichten die genannten Branchen einen Anteil an der
Gesamtbeschäftigung in Höhe von 24,6 %. Gegenüber
dem Vorjahr blieb dieser Wert nahezu konstant.
Beschäftigungsanteile*) des Handels, des Gastgewerbes sowie der Wirtschaftszweige Verkehr
und Information in Baden-Württemberg 2015
in %
6,8
Einzelhandel1)
4,6
Großhandel
Kfz-Handel und
-Reparatur
1,9
4,0
Verkehr und Lagerei
Information und
Kommunikation
3,3
Gastgewerbe
2,7
0
1
2
3
4
5
6
7
8
*) Anteil an der Gesamtzahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten; Stichtag 31.3.2015. – 1) Ohne Handel mit Kraftfahrzeugen.
Datenquelle: Bundesagentur für Arbeit.
Starke IKT- Nachfrage im Einzelhandel,
Kfz-Handel mit größtem Umsatzplus
Im Großhandel lagen die Erlöse im Zeitraum Januar
bis September 2015 preisbereinigt durchschnittlich
auf dem Niveau des Vorjahreszeitraums. Besonders
hervorzuheben ist das deutliche Umsatzplus von
3,4 % in der Handelsvermittlung. Die Entwicklung im
Großhandel mit Geräten der Informations- und Kommunikationstechnik verschlechterte sich dagegen weiter.
Der Umsatz in dieser Sparte brach im Vergleich zum
Vorjahreszeitraum um 5,7 % ein.
Die höhere Konsumneigung im laufenden Jahr könnte
eine Erklärung sein, dass im Einzelhandel die Absatzentwicklung in diesem Jahr deutlich stärker ausfiel
als im Großhandel. Dort ergab sich ein Zuwachs der
realen Erlöse im Zeitraum von Januar bis September
2015 um 3,6 % gegenüber dem Vorjahreszeitraum.
Entgegen dem Trend im Großhandel verzeichnete der
Statistisches Landesamt Baden-Württemberg
1037 15
Einzelhandel mit informations- und kommunikationstechnischen Geräten die mit Abstand höchsten Erlössteigerungen. Die realen Umsatzzuwächse lagen hier
bei 10,3 %. Nicht zuletzt die Unterhaltungselektronik
dürfte hier einen großen Beitrag geleistet haben.
Bei den Tankstellen stiegen die Umsätze ebenfalls
beachtlich mit einem Plus von 4,8 %.
Der Kfz-Handel umfasst neben den Kfz-Händlern im
engeren Sinne auch Kfz-Werkstätten, Autowaschan‑
lagen und Lackierereien sowie den Handel mit KfzTeilen und Krafträdern. Von den drei großen Bereichen
des Handels verzeichnete dieser die günstigste Branchenentwicklung. Im Zeitraum von Januar bis September 2015 lagen die Erlöse in preisbereinigter Rechnung
durchschnittlich um 7,4 % über dem Niveau des
Vorjahreszeitraums. Bei den eigentlichen Kfz-Händlern
Wirtschafts- und Sozialentwicklung in Baden-Württemberg 2015/2016
17
stieg der Absatz sogar um 8,7 % an. Die Geschäftsentwicklung im Kfz-Handwerk verlief, zumindest im
ersten Halbjahr 2015, ebenfalls ausgesprochen positiv.
Mit 7,8 % Umsatzzuwachs im zweiten Quartal gegenüber dem Vorjahresquartal wurde das Umsatzplus des
ersten Quartals sogar noch übertroffen.
Die Beschäftigungsentwicklung im Handel fiel 2015
bisher günstiger aus als 2014. Der Großhandel verzeichnete in den Monaten von Januar bis September
ein Beschäftigungsplus von 1,0 % im Vergleich zum
Vorjahreszeitraum. Im Einzelhandel stieg die Beschäftigtenzahl – im Schnitt der Monate Januar bis
September 2015 – mit 1,7 % deutlich stärker an als
im Jahr zuvor. Im Kfz-Handel blieb die Beschäftigung
jedoch annähernd konstant. Auch im Kfz-Handwerk
verharrte die Beschäftigung im ersten Halbjahr 2015
auf Vorjahresniveau.
Sehr günstige Geschäftsentwicklung
in der Gastronomie
Das Gastgewerbe umfasst das Beherbergungsgewerbe und die Gastronomie. In der Gastronomie lag
der Umsatz in den Monaten Januar bis September
2015 preisbereinigt durchschnittlich um 2,5 % über
dem Niveau des Vorjahreszeitraums. Besonders bei
den Caterern legten die realen Erlöse mit einem Plus
von 3,5 % deutlich zu. Im Beherbergungsgewerbe
stiegen die Umsätze preisbereinigt um 2,1 %. Hotels,
Gasthöfe und Pensionen verzeichneten dabei noch
etwas höhere Erlössteigerungen. Parallel zu den
Umsatzsteigerungen fiel der Beschäftigtenzuwachs
im Bereich Beherbergung in den ersten drei Quartalen mit 1,4 % gegenüber dem Vorjahreszeitraum
etwas geringer aus als in der Gastronomie. Dort lag
die Beschäftigtenzahl um immerhin 1,7 % über dem
Vorjahresniveau.
Im Wirtschaftszweig „Verkehr und Lagerei“ legte
die Beschäftigung deutlich zu. So stieg die Zahl der
sozialversicherungspflichtig Beschäftigten nach vorläufigen Berechnungen der Bundesagentur für Arbeit
in den Monaten Januar bis September 2015 um 3,1 %
gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Das entspricht
einer absoluten Zunahme der Beschäftigtenzahl um
über 5 000. Die Entwicklung der Bruttowertschöpfung
in diesem Wirtschaftsbereich für Deutschland deutet
für die ersten drei Quartale des Jahres 2015 auf einen
leicht negativen Trend hin.
Aufschwung bei IT-Dienstleistern hält an
Die konjunkturelle Entwicklung im Wirtschaftszweig
Information und Kommunikation hat weiter an Fahrt
gewonnen. Für Deutschland lässt sich im Bereich
IT- und Informationsdienstleister, die die Erbringung
von Dienstleistungen der Informationstechnologie,
aber auch sonstige Informationsdienstleistungen
umfasst, eine überdurchschnittliche Zunahme der
Umsatz- und Beschäftigungsentwicklung*) in Handel und Gastgewerbe
Wertschöpfung in den
in Baden-Württemberg 2015
ersten drei Quartalen festin %
8
stellen. Insbesonders im
Bereich Telekommunikati7
Preisbereinigter Umsatz
on wuchs die Wirtschafts6
Beschäftigte
leistung in Deutschland
5
deutlich gegenüber dem
Vorjahreszeitraum. In
4
7,4
Baden-Württemberg hat
3
sich die Zahl der sozial2
versicherungspflichtig Be3,6
2,5
2,1
schäftigten im Zeitraum
1
1,7
1,7
1,4
1,0
von Januar bis September
0,0
0,2
0
2015 im WirtschaftsbeEinzelhandel
Kfz-Handel
Großhandel
Gastronomie
Beherbergung
und -Reparatur
reich „Information und
Kommunikation“ immer*) Veränderungsrate von Januar bis September 2015 gegenüber Vorjahreszeitraum.
hin um 1,8 % im Vergleich
1038 15
Statistisches Landesamt Baden-Württemberg
zum Vorjahr erhöht.
18
Handel, Gastgewerbe, Verkehr und Information
Tourismus
Neue Spitzenwerte im Tourismus
In der monatlichen Tourismusstatistik werden die
Gästeankünfte und -übernachtungen in Beherbergungsstätten mit zehn und mehr Betten sowie auf
Campingplätzen (ohne Dauercamping) ab zehn Stellplätzen erfasst. Durch die Einbeziehung der nicht zum
Gastgewerbe zählenden Vorsorge- und Reha-Kliniken
sowie der Schulungsheime liegt dabei eine erweiterte
Abgrenzung der Beherbergungsbranche zugrunde.
Nachdem die Gästezahl und die Übernachtungen im
Vorjahr auf neue Spitzenwerte zugenommen hatten,
setzte sich die positive Entwicklung in den ersten
9 Monaten 2015 in sogar noch leicht verstärkter Form
fort. Auf das ganze Jahr gerechnet dürften 2015 die
Gästeankünfte um knapp 5 % und die Übernachtungen
um knapp 4 % gestiegen sein. Mit 20,5 Mill. wurden
erstmals mehr als 20 Mill. Ankünfte registriert und die
Übernachtungen überschritten mit 51 Mill. die Schwelle von 50 Mill. deutlich. Zum Vergleich: Zehn Jahre
zuvor, also im Jahr 2005, hatten die entsprechenden
Werte lediglich 14,9 bzw. 40,5 Mill. betragen.
Anhaltender Boom bei den Auslandsgästen
Analog zu den letzten
Jahren entwickelten sich
auch 2015 die Übernachtungen der Reisenden aus
dem Inland und dem Ausland unterschiedlich. Wie
in den meisten Jahren seit
der Jahrtausendwende
– Ausnahmen bildeten
lediglich die Jahre 2001,
2007 und 2009 – hob sich
die Entwicklung bei den
Auslandsgästen deutlich
positiv von der der deutschen Gäste ab. Dank
eines Anstiegs um 8 %
im Jahr 2015 erreichten
die Übernachtungen der internationalen Kunden den
neuen Spitzenwert von 11,2 Mill. Gegenüber dem Jahr
2000 haben sich ihre Übernachtungen damit nahezu
verdoppelt. Ihr Anteil an den gesamten Übernachtungen nahm im selben Zeitraum von knapp 14 %
auf 22 % zu. Zwar trugen 2015 auch die Gäste aus
Deutschland mit einem Übernachtungszuwachs um
knapp 3 % auf 39,9 Mill. wesentlich zu dem positiven
Gesamtergebnis bei. Vor allem aufgrund einer schwächeren Entwicklung in der Zeitspanne von 2002 bis
2010 übertrafen sie 2015 ihr Übernachtungsergebnis
aus dem Jahr 2000 jedoch gerade um gut 10 %.
Zuwächse auf breiter Ebene
Die positive Entwicklung 2015 erstreckte sich auf
nahezu alle Teilbereiche des Tourismus. Negative
Vorzeichen bei der Übernachtungsentwicklung beschränkten sich auf wenige Ausnahmen. So mussten
unter den Betriebsarten allein die Jugendherbergen
und Hütten einen Übernachtungsrückgang um knapp
3 % hinnehmen. Unter den Gemeindegruppen
büßten die Kneippkurorte gegenüber dem Vorjahr
2 % ihrer Übernachtungen ein, und unter den Kreisen
verzeichneten lediglich der Landkreis Heidenheim
Gästeübernachtungen*) in Baden-Württemberg
ab 2000 nach Herkunft der Gäste
2000 = 100
200
Inland
180
Ausland
Insgesamt
160
140
120
100
80
0
2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 20151)
*) Ab 2012 geänderte Abgrenzung: Betriebe ab 10 Betten bzw. Stellplätzen statt zuvor ab 9 Schlafgelegenheiten. – 1) Schätzung
auf Grundlage der Daten Januar bis September 2015.
Statistisches Landesamt Baden-Württemberg
1031 15
Wirtschafts- und Sozialentwicklung in Baden-Württemberg 2015/2016
19
sowie der Ostalbkreis nennenswerte Rückgänge.
Auf der anderen Seite ragten unter den Betriebsarten die Campingplätze sowie die vorzugsweise im
städtischen Umfeld angesiedelten Hotels garnis mit
Übernachtungszuwächsen um 8,5 bzw. 8 % deutlich
heraus. Auch die Hotels, auf die im Land über 4 von
10 Gästeübernachtungen entfallen, legten mit einem
Plus von 4,5 % leicht überdurchschnittlich zu. Hingegen mussten sich die vor allem für viele Kurorte
bedeutenden Vorsorge- und Reha-Kliniken mit einem
vergleichsweis bescheidenen Übernachtungszuwachs
um knapp 1 % zufrieden geben.
Trend zum Städtetourismus setzt sich fort
Ein wesentlicher Trend der letzten Jahre bestand in
einer relativ günstigen Entwicklung des Städtetourismus. Er zeigte sich sowohl bundesweit – etwa in
überdurchschnittlichen Übernachtungszuwächsen
in den Stadtstaaten – als auch innerhalb des Landes
anhand der Differenzierungen nach Gemeindegrößen
sowie nach Gemeindegruppen. Hier sind die größeren
Städte (mit Ausnahme von Baden-Baden) nämlich bei
den Sonstigen Gemeinden (ohne ein touristisches
Prädikat) enthalten. Diese Entwicklung hielt auch
2015 weiter an, wenn auch in weniger ausgeprägter
Form als in einigen Jahren zuvor. So verzeichneten
unter den Gemeindegruppen die Sonstigen Gemeinden mit einem Übernachtungsplus von 5,5 % erneut
die stärksten Zuwächse. Unter den prädikatisierten
Gemeinden standen dem die Heilklimatischen Kurorte
mit + 4,5 % jedoch nur wenig nach. In der Gliederung nach der Gemeindegröße ragten einmal mehr
die Großstädte ab 100 000 Einwohnern mit einem
Übernachtungszuwachs um 6,5 % deutlich heraus,
gefolgt von den Städten mit 50 000 bis unter 100 000
mit einem Plus um 4,5 %. Bemerkenswert ist jedoch
auch, dass auch die relativ kleinen Gemeinden mit
2 000 bis 5 000 Einwohnern zumindest mit der Landesentwicklung mithalten konnten.
Stärkster Zuwachs im Nördlichen
Baden-Württemberg
Vor dem Hintergrund dieses Trends zum Städtetourismus verzeichnete in den vergangenen Jahren dieser
Dekade unter den Reisezielen durchweg die besonders
städtisch geprägte Region Stuttgart die höchsten
Übernachtungszuwächse. Meist folgte mit dem Nördlichen Baden-Württemberg eine Reiseregion, die mit
den Großstädten Heilbronn, Heidelberg und Mannheim
ebenfalls einem eher städtischen Umfeld zuzuordnen
ist. Zwar legten auch 2015 die Übernachtungen in
diesen beiden Reisezielen am stärksten zu, diesmal
jedoch in veränderter Reihenfolge. Das Nördliche
Entwicklung der Gästeübernachtungen*) in Baden-Württemberg
B a d e n - W ü r t te m b e rg
seit 2010 nach Reiseregionen
verbesserte 2015 sein
Übernachtungsergeb Veränderung gegenüber dem Vorjahr in %
nis gegenüber dem Vor10
2010
jahr nämlich um 6,5 %,
2011
deutlich mehr als die
2012
8
4,5 % der Region Stutt2013
gart. Auch die beiden
2014
6
20151)
klassischen Urlaubsziele
Baden-Württembergs,
4
der Schwarzwald und
die Reiseregion Boden2
see - Oberschwaben,
erhöhten ihr Übernach0
tungsergebnis 2015 um
immerhin jeweils 3 %.
–2
BodenseeNördliches
Schwäbische
Region
Schwarzwald
Die Schwäbische Alb, die
Oberschwaben
BadenAlb
Stuttgart
insbesondere 2011 einen
Württemberg
deutlichen Sprung nach
*) Ab 2012 geänderte Abgrenzung: Betriebe ab 10 Betten bzw. Stellplätzen statt zuvor ab 9 Schlafgelegenheiten. –
vorne gemacht hatte,
1) Schätzung auf Grundlage der Daten Januar bis September 2015.
stand dem mit + 2,5 %
Statistisches Landesamt Baden-Württemberg
1040 15
nur wenig nach.
20
Tourismus
Unternehmens- und
haushaltsbezogene Dienstleistungen
Haushalts- und Unternehmensdienstleister:
hohe wirtschaftliche Relevanz
Die unternehmens- und haushaltsbezogenen Dienstleistungen sind neben „Handel, Gastgewerbe, Verkehr
und Information“ der zweite große Bereich des Dienstleistungssektors. Er umfasst so unterschiedliche Wirtschaftszweige wie das Kredit- und Versicherungsgewerbe, das Gesundheitswesen, den Bildungsbereich
oder die öffentliche Verwaltung.
Die wirtschaftliche Bedeutung dieser unternehmensund haushaltsbezogenen Dienstleistungsbranchen ist
beträchtlich. So entfiel allein auf die Finanz-, Versicherungs- und Unternehmensdienstleistungen sowie das
Grundstücks- und Wohnungswesen ein Wertschöpfungsanteil von 23,4 % im Jahr 2014. Der Sektor
„Öffentliche und Sonstige Dienstleistungen, Erziehung
und Gesundheit, private Haushalte mit Hauspersonal“
verzeichnete einen Anteil an der Bruttowertschöpfung
von 18,2 %. Bezüglich der Beschäftigungssituation
ergibt sich jedoch ein genau umgekehrtes Bild: Bei den
eher unternehmensbezogenen Dienstleistungen lag der
Erwerbstätigenanteil 2014 in Baden-Württemberg bei
15,4 %, dies entsprach einer Erwerbstätigenzahl von
924 000. Der Beschäftigungsanteil der eher haushaltsbezogenen Dienstleistungen erreichte mit fast 1,7 Mill.
Erwerbstätigen dagegen einen Wert von 27,7 %.
Im abgelaufenen Jahr dürfte die Entwicklung der
Wirtschaftsleistung bei den unternehmensbezogenen
Dienstleistungen leicht im Plus liegen und damit ungefähr jener des Jahres 2014 entsprechen. Bei den haushaltsbezogenen Dienstleistern ist eine ähnliche Entwicklung zu erwarten. Das zeigen die Daten des Statistischen
Bundesamtes für die Wertschöpfungsentwicklung in
den ersten drei Quartalen 2015 in Deutschland.
Forschung und Entwicklung: kräftiges Plus
Zu den wirtschaftlichen Dienstleistungen zählen
das Grundstücks- und Wohnungswesen, die freiberuflichen, wissenschaftlichen und technischen
Dienstleistungen sowie die sonstigen wirtschaftlichen
Dienstleistungen. Letztere umfassen u.a. die Branchen „Vermietung von beweglichen Sachen“, „Vermittlung und Überlassung von Arbeitskräften“, Rei‑
sebüros, Wach- und Sicherheitsdienste sowie die
Gebäudereinigung und - betreuung. Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten lag im
Beschäftigungsanteile*) ausgewählter wirtschaftlicher
Zeitraum von Januar bis
Dienstleistungsbereiche in Baden-Württemberg 2015
September 2015 in den
wirtschaftlichen Dienstin %
leistungen um 32 000
über dem Niveau des
Freiberufliche, wissenschaftliche
7,0
und technische Dienstleistungen
Vorjahreszeitraums. Eine
günstige Branchenkonjunktur im Bereich der
Sonstige wirtschaftliche
5,3
freiberuflichen, wissenDienstleistungen
schaftlichen und technischen Dienstleistungen
lässt auch die WertschöpFinanz- und Versicherungs3,1
dienstleistungen
fungsentwicklung für
Deutschland in den er*) Anteil an der Gesamtzahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten; Stichtag 31.3.2015.
sten drei Quartalen 2015
Datenquelle: Bundesagentur für Arbeit.
vermuten. Insbesondere
Statistisches Landesamt Baden-Württemberg
1042 15
im Bereich „Forschung
Wirtschafts- und Sozialentwicklung in Baden-Württemberg 2015/2016
21
und Entwicklung“ legte die Wertschöpfung deutlich
zu, ihr Zuwachs lag damit sogar noch etwas über dem
Vorjahreswert.
Beschäftigungsaufbau gegenüber dem Vorjahreszeitraum zu verzeichnen. Bei den Umsätzen fiel das Plus
insbesondere im zweiten Quartal mit 3,5 % gegenüber
dem Vorquartal deutlich aus.
Beschäftigungsabbau bei den Finanz- und
Versicherungsdienstleistungen hält an
Im Bereich „Erziehung und Unterricht“ weist die Beschäftigungsentwicklung im Land, nach Zuwächsen
in den Jahren zuvor, auf eine stagnierende bzw. leicht
negative Entwicklung hin, obwohl es nach wie vor eine
starke Nachfrage nach Erzieherinnen und Erziehern,
insbesondere in Kindertagesstätten, geben dürfte. Die
Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten lag
in dieser Dienstleistungssparte in den Monaten Januar
bis September 2015 um fast 1 000 unter dem Niveau
des Vorjahreszeitraums.
Im Bereich der Finanz- und Versicherungsdienstleistungen dürfte die Beschäftigungsentwicklung im Land
für das Gesamtjahr 2015 erneut negativ ausgefallen
sein. So lag die Zahl der sozialversicherungspflichtig
Beschäftigten im Zeitraum von Januar bis September
2015 mit fast 2 000 Beschäftigten unter dem Niveau
des Vorjahreszeitraums. Die Wertschöpfungsentwicklung in Deutschland zeigte in den ersten drei Quartalen
einen Rückgang für die Branche an. Dieser fiel im Unterbereich „Mit Finanz- und Versicherungsdienstleistungen
verbundene Tätigkeiten“ besonders stark aus.
Gute Entwicklung im Gesundheitsund Sozialwesen
Im Zeitraum von Januar bis September 2015 lag die
Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten
im Gesundheits- und Sozialwesen im Land um knapp
14 000 über dem Niveau des Vorjahreszeitraums
und nahm damit etwas stärker zu als im letzten Jahr.
Im Gesundheitshandwerk, das beispielsweise Augenoptiker, Orthopädietechniker und Zahntechniker
umfasst, war in der 1. Jahreshälfte 2015 ein leichter
Zum Bereich „Sonstige Dienstleistungen, private
Haushalte“ wird von der Bundesagentur für Arbeit
die Dienstleistungssparte „Kunst, Unterhaltung und
Erholung“, sonstige Dienstleistungen sowie die Erbringung von Dienstleistungen in privaten Haushalten
mit Hauspersonal gezählt. In Baden-Württemberg kam
es in diesem Dienstleistungssegment im Schnitt der
Monate Januar bis September 2015 zu einer Zunahme
der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung von
gut 3 000 Personen gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Die Handwerksbetriebe in diesem Bereich,
zum Beispiel Friseure, Uhrmacher, Textilreiniger oder
Fotografen, wiesen in der 1. Jahreshälfte eine merklich
schwächere Entwicklung auf: Zwar nahmen die Umsätze leicht zu, die Beschäftigtenzahl verringerte sich
gegenüber dem Vorjahreszeitraum jedoch geringfügig.
Beschäftigungsanteile*) ausgewählter Dienstleistungsbereiche in Baden-Württemberg 2015
in %
12,5
10,0
7,5
12,5
5,0
5,2
2,5
0,0
Gesundheits- und
Sozialwesen
Öffentliche Verwaltung,
Verteidigung, Sozialversicherung
3,2
3,1
Erziehung und Unterricht
Sonstige Dienstleistungen,
private Haushalte
*) Anteil an der Gesamtzahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten; Stichtag 31.3.2015.
Datenquelle: Bundesagentur für Arbeit.
Statistisches Landesamt Baden-Württemberg
22
Unternehmens- und haushaltsbezogene Dienstleistungen
1041 15
Beschäftigung und Arbeitsmarkt
Beschäftigung steigt weiter an
Beschäftigungsaufbau im Verarbeitenden
Gewerbe
Auch im Jahr 2015 hielt der Beschäftigungsaufbau in
Baden-Württemberg an. So nahm im Durchschnitt
der ersten drei Quartale 2015 die Zahl der Erwerbstätigen um 0,9 % gegenüber dem Vorjahreszeitraum
zu. Baden-Württemberg wies damit erneut eine überdurchschnittlich gute Beschäftigungsentwicklung auf
(+ 0,7 % bundesweit). Aufgrund dieser Entwicklung
kann davon ausgegangen werden, dass sich die Erwerbstätigenzahl auch im vierten Quartal weiter erhöhen wird. So könnte sich die Zahl der Erwerbstätigen
im Jahresdurchschnitt 2015 auf ein Rekordniveau von
knapp 6,1 Mill. belaufen.
Vom Zuwachs der Erwerbstätigkeit profitiert besonders
die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung. Diese
umfasste im September 2015 in Baden-Württem‑
berg gut 4,4 Mill. Personen. Im Zeitraum von Januar
bis September 2015 war die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten im Land nach vorläufigen
Angaben der Bundesagentur für Arbeit um 96 000
gegenüber dem Vorjahreszeitraum gewachsen. Dies
entspricht einer Veränderungsrate von 2,3 %. Diese
Rate liegt mit 0,3 Prozentpunkten über der Steigerungsrate des Jahres 2014.
Die Statistik des Verarbeitenden Gewerbes weist auch
für 2015 einen Beschäftigungsaufbau in der Industrie
(Betriebe mit 50 oder mehr Beschäftigten) aus. Im Zeitraum von Januar bis Oktober lag die Zahl der Industriebeschäftigten durchschnittlich um gut 13 000 über dem
Wert des Vorjahreszeitraums. Die Zunahme fiel damit
stärker aus als der Anstieg der Beschäftigung im Jahr
2014. Damals war die Beschäftigtenzahl im Verarbeitenden Gewerbe gegenüber dem Vorjahr nur um 9 000
gestiegen. Im Dienstleistungssektor war die Beschäftigungszunahme im Zeitraum von Januar bis September
2015 noch etwas ausgeprägter. So erhöhte sich die
Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten im
tertiären Sektor im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um
– 2,8 %, das sind gut 75 000 Beschäftigte.
Engpässe auf dem Arbeitsmarkt
Die Relation zwischen den gemeldeten offenen sozialversicherungspflichtigen Stellen und der Zahl der Arbeitslosen kann herangezogen werden, um Hinweise
auf Fachkräfteengpässe in bestimmten Berufsgruppen
aufzuzeigen. Allerdings
muss berücksichtigt werBeschäftigung und Arbeitslosigkeit in Baden-Württemberg 2014 und 2015
den, dass einige Stellen
Veränderung gegenüber dem Vorjahreszeitraum in %
durchaus besetzt werArbeitslose
den könnten, Hindernisse
7
7
Beschäftigte wirtschaftliche Dienstleistungen2)
wie beispielsweise die
6
6
Beschäftigte Verarbeitendes Gewerbe
5
räumliche Distanz dies
5
Beschäftigte insgesamt
4
4
jedoch erschweren. Im
3
3
Folgenden wird auf Daten
2
2
aus der Engpassanalyse
1
1
der Bundesagentur für
0
0
Arbeit zurückgegriffen,
–1
–1
in welcher die Anforde–2
–2
–3
rungsniveaus Fachkraft,
–3
1. Vj 2014 2. Vj 2014 3. Vj 2014 4. Vj 2014 1. Vj 2015 2. Vj 2015 3. Vj 20151)
Spezialist und Experte
1) Arbeitslose: Juli bis November. – 2) Abschnitte L,M,N nach Klassifikation der Wirtschaftszweige (WZ 2008).
berücksichtigt werden
Datenquelle: Bundesagentur für Arbeit.
(Helfer werden nicht ausStatistisches Landesamt Baden-Württemberg
1043 15
gewiesen). Im Hinblick
Wirtschafts- und Sozialentwicklung in Baden-Württemberg 2015/2016
23
auf die Berufsbereiche zeigt sich, dass diese oben
genannte Relation generell für medizinische und nichtmedizinische Gesundheitsberufe sowie Fertigungs- und
fertigungstechnische Berufe am höchsten ausfällt. Es
gibt jedoch Unterschiede zwischen den Berufsgruppen
sowie dem Arbeitsmarkt in Baden-Württemberg und
Deutschland insgesamt. In Baden-Württemberg ist die
Relation offener Stellen zu Arbeitslosen im Zeitraum
Januar bis Oktober 2015 vor allem in den Berufsgruppen
„Altenpflege“, „Mechatronik und Automatisierungstechnik“ und „Energietechnik“ besonders hoch.
sind insbesondere ältere Personen sowie geringqualifizierte Personen betroffen. Die Problematik besteht
insbesondere darin, dass die Langzeitarbeitslosigkeit
an sich bereits ein Vermittlungshemmnis darstellt und
die Wahrscheinlichkeit, eine Beschäftigung auf dem
ersten Arbeitsmarkt zu erhalten, mit der Dauer der
Arbeitslosigkeit immer weiter abnimmt. In vielen Fällen
kommen weitere Vermittlungshemmnisse hinzu, wie
beispielsweise gesundheitliche Einschränkungen oder
das Fehlen von Sprachkenntnissen. Betroffen sind aber
auch Personen, die alleinerziehend sind oder Familienangehörige pflegen.
Langzeitarbeitslose finden nur schwer
wieder in den Arbeitsmarkt
Arbeitslosenzahlen weiter rückläufig
Seit dem letzten Höchststand im Jahr 2013 sinkt die
Gesamtarbeitslosigkeit zwar, die Langzeitarbeitslosen scheinen davon jedoch nicht zu profitieren. Die
durchschnittliche Anzahl an Langzeitarbeitslosen stieg
sogar seitdem an. Dementsprechend erhöhte sich
auch deren Anteil an der Gesamtarbeitslosigkeit in
Baden-Württemberg von im Schnitt 29,9 % in den
Monaten Januar bis November 2013 auf durchschnittlich 31,5 % im selben Zeitraum 2015. Dabei liegt der
Langzeitarbeitslosenanteil im bundesweiten Vergleich
allerdings relativ niedrig, nur Bayern wies zuletzt einen
niedrigeren Wert auf. Von Langzeitarbeitslosigkeit
Die Arbeitslosenzahl in Baden-Württemberg belief
sich in den Monaten Januar bis November 2015 im
Schnitt auf rund 228 000 Personen. Gegenüber dem
Vorjahreszeitraum verringerte sich diese Zahl um
knapp 3 400 Personen. Damit setzt sich der Rückgang der Arbeitslosigkeit seit 2013 fort. Allerdings
fällt der Anstieg der Beschäftigung verhältnismäßig
stärker aus als die Abnahme der Arbeitslosenzahl. Die
gemeldeten Arbeitslosen profitieren somit weniger
stark vom Beschäftigungsaufbau. Diese Entwicklung
dürfte auf die Zunahme des Erwerbspersonenpotenzials durch Mobilisierung der stillen Reserve, die
verstärkte Zuwanderung
aus Osteuropa (bzw. den
Gemeldete offene Stellen je Arbeitslosen
EU-Mitgliedstaaten, für
in Baden-Württemberg und Deutschland 2015*)
die die uneingeschränkte
nach ausgewählten Berufsgruppen1)
Arbeitnehmerfreizügigkeit ab 2011 und zuletzt
0,3
Insgesamt
0,6
2014 gilt) und den südeu3,1
Altenpflege
4,3
ropäischen Krisenländern
2,1
Mechatronik und Automatisierungstechnik
4,0
zurückzuführen sein.
2,0
Energietechnik
3,7
1,8
Klempnerei, Sanitär, Heizung, Klimatechnik
1,6
Gesundh., Krankenpfl., Rettungsd., Geburtsh.
0,9
Fahrzeug-, Luft-, Raumfahrt-, Schiffbautechn.
1,4
0,8
Metallbau und Schweißtechnik
1,4
0,7
Elektrotechnik
1,0
Nicht ärztliche Therapie und Heilkunde
Holzbe- und -verarbeitung
0,6
Informatik
0,6
2,4
1,6
0,9
Metallbearbeitung
3,2
1,4
Deutschland
Baden-Württemberg
1,4
1,2
1,2
*) Januar bis Oktober 2015. – 1) Auswahlkriterien (für Baden-Württemberg): Verhältnis offene Stellen zu Arbeitslosen >1; Anzahl
Bestand offener Stellen >800; überdurchschnittlich lange Vakanzzeit (>89 Tage). Berücksichtigte Fälle/Meldungen: Angabe eines
Berufs und der Anforderungsniveaus „Fachkraft“, „Spezialist“ oder „Experte“.
Datenquelle: Bundesagentur für Arbeit. Eigene Berechnungen.
Statistisches Landesamt Baden-Württemberg
24
Beschäftigung und Arbeitsmarkt
1044 15
In Baden-Württemberg
ist die Arbeitslosigkeit
traditionell deutlich niedriger als in Deutschland
insgesamt. Die Arbeitslosenquote belief sich
– bezogen auf alle zivilen
Erwerbspersonen – im
November 2015 in BadenWürttemberg auf den
sehr niedrigen Wert von
3,6 %. Die Arbeitslosenquote für Deutschland lag
bei 6,0 %.
Insolvenzen und Existenzgründungen
Zahl der Firmenpleiten steigt wieder
Fünf Jahre lang gab es über Firmeninsolvenzen in BadenWürttemberg nur Positives zu vermelden, es wurden
nämlich immer weniger. Doch nun ist wieder eine
Zunahme der Insolvenzen festzustellen: In den ersten
acht Monaten des Jahres 2015 meldeten sich 1 265 Unternehmen zahlungsunfähig. Das sind gut 5 % mehr als
im vergleichbaren Vorjahreszeitraum. Dagegen gingen
die unmittelbar von Insolvenz gefährdeten Arbeitsplätze
um 8 % auf rund 9 400 Personen zurück und die voraussichtlichen Forderungen der Insolvenzgläubiger sanken
um fast zwei Drittel von 2,5 Mrd. Euro auf knapp 1 Mrd.
Euro. Rein rechnerisch ergaben sich daraus durchschnittliche Verbindlichkeiten der insolventen Unternehmen in
Höhe von knapp 0,8 Mill. Euro, gegenüber 2,1 Mill. Euro
im vergleichbaren Vorjahreszeitraum.
Der Anstieg der Unternehmensinsolvenzen im Jahr 2015
ist bemerkenswert. Mit Blick auf den damit verbundenen
deutlich geringeren wirtschaftlichen Schaden im Vergleich
zu Januar bis August 2014 relativiert sich der Anstieg
jedoch. Von der Insolvenz waren in erster Linie kleinere
und jüngere Betriebe betroffen – mehr als die Hälfte der
Fälle sind mittlerweile sogenannte Solounternehmer ohne
Mitarbeiter. Ob sich diese Entwicklung fortsetzen und
möglicherweise auch größere Unternehmen erreichen
wird, ist derzeit nicht absehbar, denn die Gesamtwirtschaft ist immer noch auf Wachstumskurs. Rekordbeschäftigung, steigende Löhne und ein damit verbundener
hoher Konsum halten die Konjunktur am Laufen.
Baugewerbe mit stärkstem Konkursanstieg
Der Wirtschaftsbereich Handel (einschließlich Instandhaltung und Reparatur von Kraftwagen) war von Januar
bis August 2015 mit 306 Fällen am häufigsten von
Unternehmensinsolvenzen betroffen. Dabei wiesen
die Handelsunternehmen einen leicht unterdurchschnittlichen Anstieg der Insolvenzen um gut 4 %
gegenüber dem Vorjahr auf.
201 Insolvenzanträge stellten Unternehmen des Baugewerbes. Dies waren annähernd ein Drittel mehr Verfahren als in den ersten acht Monaten des Vorjahres.
Das Baugewerbe weist damit den stärksten Konkurs‑
anstieg unter den Hauptwirtschaftsbereichen im Südwesten auf. Verantwortlich für die deutliche Zunahme
der Pleiten in der Baubranche, trotz guter Konjunktur,
Insolvenzen in Baden-Württemberg seit 2006
Anzahl in Tsd.
Unternehmen
20
Übrige Schuldner1)
Verbraucher
18
16
14
12
10
8
6
4
2
0
2006
2007
2008
2009
2010
1) Natürliche Personen als Gesellschafter, ehemals selbstständig Tätige, Nachlässe.
Statistisches Landesamt Baden-Württemberg
2011
2012
2013
2014
Januar –
August
2014
Januar –
August
2015
1046 15
Wirtschafts- und Sozialentwicklung in Baden-Württemberg 2015/2016
25
sind wie schon eingangs erwähnt, überwiegend junge Kleinstbetriebe.
Zunahme bei Betriebsgründungen
mit wirtschaftlicher Substanz
Ein deutliches rückläufiges Insolvenzgeschehen
hingegen verzeichnete das Verarbeitende Gewerbe.
Gegenüber dem Vorjahr sank die Zahl der Pleiten in
diesem Wirtschaftsbereich um knapp 6 % auf 119 Fälle. Auch hier waren in den insolventen Unternehmen
mehrheitlich maximal 5 Mitarbeiter beschäftigt.
Mit in Baden-Württemberg annähernd 48 000 Gewerbeanmeldungen von bisher noch nicht auf den
Markt aufgetretenen Betrieben blieb die Zahl der
Existenzgründungen in den ersten acht Monaten 2015
knapp unter dem Vorjahresniveau (– 1,2 %). Nach
einem Tiefpunkt der Gründungszahlen im Gesamtjahr
2014, bedingt durch den Wegfall der beschränkten
Arbeitnehmerfreizügigkeit für Staatsangehörige aus
Rumänien und Bulgarien, konnte sich die Zahl der
Gründungen in 2015 auf niedrigem Niveau stabilisieren.
Die Konkursgefahr war im Gesamtjahr 2014 in BadenWürttemberg mit 40 Insolvenzen je 10 000 Unternehmen im Bundesländervergleich am geringsten,
gefolgt von Bayern und Mecklenburg-Vorpommern mit
49 bzw. 55 Konkursfällen pro 10 000 Unternehmen.
Auch bundesweit war die Gefahr eines Konkurses mit
74 Insolvenzen je 10 000 Unternehmen deutlich höher
als hierzulande.
Verbraucherinsolvenzen: Rückgang
setzt sich fort
Die weiter positiven Arbeitsmarktbedingungen und die
verbesserte Einkommenssituation der privaten Haushalte
sind die entscheidende Basis für den Rückgang der Verbraucherinsolvenzen. Seit 4 Jahren in Folge sinkt die Zahl
der Verbraucherinsolvenzen im Land. Auch in den ersten
acht Monaten des Jahres 2015 setzte sich diese Entwicklung fort. Insgesamt wurden 4 610 insolvente Bürger
registriert, nachdem im gleichen Zeitraum des Vorjahres
noch 4 982 Verbraucher Insolvenz anmelden mussten
(– 7,5 %). Durchschnittlich standen diese Verbraucher bei
den Gläubigern mit 57 000 Euro in der Kreide.
Während unter den Existenzgründungen insgesamt die
Betriebsgründungen mit wirtschaftlicher Substanz –
unter anderem Betriebe mit Eintrag im Handelsregister
oder in der Handwerksrolle bzw. mit der Absicht Personal einzustellen – um gut 4 % auf 10 500 stiegen, ging
die Zahl der Kleingründungen um gut 7 % auf 13 900
zurück. Die Zahl der Nebenerwerbsgründungen blieb
mit 23 200 auf Vorjahresniveau.
Im Vergleich der Flächenländer Deutschlands liegt das
Land der Tüftler und Denker mit 14 wirtschaftlich bedeutsameren Betriebsgründungen je 10 000 Einwohner
im unteren Mittelfeld. Die höchste Existenzgründungsquote für das Jahr 2014 ergibt sich für Bayern mit
17 Gründungen je 10 000 Einwohner, Schlusslichter
sind Thüringen und Sachsen-Anhalt mit je 13 Betriebsgründungen. Neben unterschiedlichen Entwicklungen
regionaler Arbeitsmärkte oder größerer Unternehmensinsolvenzen wirken sich auch länderspezifische
Gründerförderungsprogramme beim BundeslänExistenzgründungsquote in den deutschen Flächenländern 2014
derranking aus. Darüber
Betriebsgründungen mit wirtschaftlicher Substanz je 10 000 Einwohner
hinaus spielt die jeweilige
Wirtschaftsstruktur der
17
Bayern
Länder eine nicht un16
Brandenburg
bedeutende Rolle. Eine
16
Hessen
16
Sachsen
industrielle Prägung, mit
Mecklenburg-Vorpommern
15
vielen Großbetrieben wie
15
Niedersachsen
in Baden-Württemberg,
Nordrhein-Westfalen
14
Baden-Württemberg
14
geht tendenziell mit einer
14
Rheinland-Pfalz
geringeren Gründungs‑
14
Schleswig-Holstein
tätigkeit einher. Viele Er14
Saarland
werbstätige entscheiden
Thüringen
13
Sachsen-Anhalt
13
sich für einen gut bezahlten, sicheren Job und
15
Deutschland
gegen die Selbststän1045 15
Statistisches Landesamt Baden-Württemberg
digkeit.
26
Insolvenzen und Existenzgründungen
Preise
Verbraucherpreise nahezu stabil
durchschnittlichen Haushalts in Deutschland. Für Heizöl
und Kraftstoffe betrug dieses zuletzt rund 5 %.
Der Anstieg der Verbraucherpreise in Baden-Württemberg hat sich im Jahr 2015 erneut verlangsamt. Nachdem
die Teuerungsrate der beiden Jahre zuvor mit rund 1 %
bereits gering ausfiel, lag der Index der Verbraucherpreise
im Durchschnitt der ersten zehn Monate des Jahres
2015 mit 0,2 % nur unwesentlich über dem Vorjahresniveau. Das Inflationsziel der Europäischen Zentralbank
(knapp unter 2 %) wurde damit zum dritten Mal in Folge
deutlich unterschritten. Wie bereits in den Jahren 2013
und 2014 ist der Preisrückgang bei Mineralölprodukten
hauptursächlich für das nahezu konstante Preisniveau.
Mineralölprodukte beinhalten die Komponenten „Heizöl“
und „Kraftstoffe“. Ein dortiger Preisrückgang macht sich
für die privaten Haushalte somit auf zweierlei Weisen
bemerkbar: Zum einen durch sinkende Wohnnebenkosten und zum anderen in Form niedrigerer Spritpreise.
Gegenüber dem Vorjahr haben sich die Preise für Heizöl
und Kraftstoffe von Januar bis Oktober 2015 um 11,9 %
verringert. In welchem Ausmaß der einzelne Verbraucher
von diesem Preisrückgang profitiert, hängt letztendlich
von dessen individuellen Konsumgewohnheiten ab. Das
Gewicht, mit dem die Preise der verschiedenen Waren
und Dienstleistungen in den Verbraucherpreisindex einfließen, orientiert sich an den Konsumausgaben eines
Preisrückgang bei Haushaltsenergie
Den größten Teil seines Budgets (knapp ein Drittel)
verwendet ein durchschnittlicher Haushalt für Ausgaben
rund ums Wohnen. Dazu gehören vor allem Ausgaben
für Mieten, Nebenkosten sowie Heiz- und Stromkosten.
Im Durchschnitt der ersten zehn Monate des Jahres
2015 lag der Teilpreisindex „Wohnen“ mit einer Veränderungsrate von – 0,1 % ungefähr auf dem Niveau des
Vorjahres. Dabei wurde der Anstieg der relativ hoch
gewichteten Nettomiete einschließlich Nebenkosten
um 1,4 % in etwa durch den rund 5 prozentigen Preisrückgang bei Haushaltsenergie ausgeglichen.
An zweiter Stelle im Verbraucherpreisindex stehen mit
einem Gewicht von gut 13 % die Preise im Bereich
Verkehr. Hierzu zählen unter anderem der Kauf und
Betrieb von Fahrzeugen sowie die Nutzung öffentlicher
Verkehrsmittel. Auch hier wurden die Geldbörsen der
Konsumenten 2015 insgesamt etwas entlastet: Der
Teilpreisindex Verkehr sank in Folge des Rückgangs der
Kraftstoffpreise im Durchschnitt der ersten zehn Monate 2015 um 1,6 % unter das Vorjahresniveau. Im
Verbraucherpreisindex mit ausgewählten Teilindizes*) für Baden-Württemberg seit 2012
2010 = 100
115
110
2012
2013
2014
Januar bis Oktober 2015
105
100
95
0
Verbraucherpreisindex Wohnung, Wasser, Strom,
Gas u.a. Brennstoffe (32 %)
*) Anteil am Verbraucherpreisindex jeweils in Klammern.
Statistisches Landesamt Baden-Württemberg
Verkehr (13 %)
Beherbergungs- und
Gaststättendienstleistungen (5 %)
Nahrungsmittel
und alkoholfreie
Getränke (10 %)
1047 15
Wirtschafts- und Sozialentwicklung in Baden-Württemberg 2015/2016
27
Gegensatz dazu mussten die Nutzer öffentlicher
Verkehrsmittel für die in Anspruch genommenen
Dienstleistungen 2,2 % mehr bezahlen.
Die Teuerung angetrieben haben zuletzt die Preisentwicklungen bei Beherbergungs- und Gaststättendienstleistungen. Dieser Teilpreisindex geht mit einem
Gewicht von knapp 5 % in den Gesamtindex ein und
lag von Januar bis Oktober 2015 um durchschnittlich
2,4 % über dem Wert des Vorjahres.
Ebenso wie beispielsweise das Taxigewerbe oder Friseurdienstleistungen ist dieser Bereich besonders von
der Einführung des gesetzlichen Mindestlohns betroffen.
Deutlicher Preisrückgang bei Rohöl
Bei Rohöl setzte sich der Preisrückgang, der bereits im
Sommer des Vorjahres begann, zuletzt kräftig fort. So
fiel der Preis für ein Barrel der Referenzsorte Brent in
den ersten zehn Monaten des Jahres 2015 gleich vier
Mal unter die 50-Dollar-Marke und notierte im Mittel
der Monate Januar bis Oktober mit 56,0 US-Dollar
knapp 47 % unter Vorjahresniveau. Zu der drastischen
Verbilligung von Rohöl hat in den letzten Monaten vor
allem das globale Überangebot auf den Weltmärkten
beigetragen. Beispielsweise gelang es den USA mit
Hilfe des Fracking-Verfahrens so viel Öl zu fördern wie
zuletzt in den 1970er Jahren. Darüber hinaus haben
die schwächeren Wachstumsaussichten für China,
dem zweitgrößten Ölnachfrager, zuletzt preisdämpfend gewirkt. In Euro gerechnet wird der Rückgang
durch die Wechselkursentwicklung jedoch etwas
gebremst, denn die in erster Linie durch die expansive
Geldpolitik der Europäischen Zentralbank sowie die
erwartete Leitzinserhöhung in den USA ausgelöste
Abwertung des Euro gegenüber dem US-Dollar setzte
sich auch im Jahr 2015 fort. So lag der Wechselkurs
mit durchschnittlich 1,12 US-Dollar je Euro um rund
17 % niedriger als im Vorjahreszeitraum.
Die niedrigen Weltmarktpreise für Energie machten
sich in abgeschwächter Form auch auf der Erzeugerund Großhandelsstufe in Deutschland bemerkbar.
So lag der Preisindex für die vom Bergbau, dem
Verarbeitenden Gewerbe sowie der Energie- und
Wasserwirtschaft in Deutschland erzeugten und im
Inland verkauften Produkte im Durchschnitt der Monate Januar bis Oktober 2015 um 1,8 % unter dem
Vorjahresniveau. Die Preise im Großhandel waren im
Schnitt um 1,3 % niedriger als im Vorjahr.
2016 moderater Preisanstieg zu erwarten
Stark gefallene Energiepreise dämpften die Preisdynamik im Jahr 2015 in Deutschland und Baden-Württemberg deutlich. Obwohl die aufgehobenen Sanktionen
gegenüber dem Iran zunächst ein weiter steigendes
Ölangebot für das kommende Jahr erwarten lassen,
kann mit Blick auf die aktuellen Terminkurse allerdings
von leicht steigenden Ölpreisen ausgegangen werden.
Vor diesem Hintergrund erwarten die aktuellen Gutachten der Wirtschaftsforschungsinstitute und des
Sachverständigenrates für Deutschland 2016 einen
Anstieg der Verbraucherpreise um 1,1 % bzw. 1,2 %.
Erzeugerpreise gewerblicher Produkte, Weltmarktpreis für Rohöl und Eurokurs seit Januar 2013*)
2010 = 100
150
130
110
90
Erzeugerpreise gewerblicher Produkte
70
Wert des EUR gegenüber dem US-Dollar
Brent Öl Spotpreis
50
0
J
F M A M J
J
A
S O N D
J
F M A M J
2013
J
2014
A
S O N D
J
F M A M J
J
A
S O
2015
*) Gleitende 3-Monatsdurchschnitte.
Datenquellen: Statistisches Bundesamt, Hamburgisches Weltwirtschaftsinstitut (HWWI).
Statistisches Landesamt Baden-Württemberg
28
Preise
1048 15
Bildung
Bildung schafft Perspektiven
Seit etwa zwei Jahrzehnten wechseln immer mehr
Viertklässler auf ein Gymnasium. Im Schuljahr
2014/2015 wurde diese langjährige Entwicklung nun
unterbrochen – die Übertrittsquote ging auf 43,9 %
zurück. Auch die Quote der Hochschulzugangsberechtigungen sank leicht um 0,4 Prozentpunkte. Beide Quoten liegen damit aber weiter auf einem hohen Niveau.
Obwohl nicht alle Hochschulberechtigten die Option
nutzten, begannen im Wintersemester 2014/15 rund
62 700 mit einem Studium an einer baden-württembergischen Hochschule – nochmals ein leichter Rückgang
gegenüber dem Vorjahr. Weitere rund 17 000 Jugendliche mit einer Hochschuloption haben 2014 eine duale
Ausbildung begonnen – so viele wie noch nie.
und Schüler mehr als im Vorjahr für die mittlerweile
seit drei Jahren existierende Gemeinschaftsschule.
Die Übertrittsquote dieser Schulart erhöhte sich damit gegenüber dem Vorjahr um beachtliche 4,6 Prozentpunkte auf 10,3 %. Hintergrund hierfür ist unter
anderem der fortwährende Ausbau dieser Schulart.
Landesweit konnten die Schülerinnen und Schüler im
Schuljahr 2014/2015 in Baden-Württemberg 215 Einrichtungen dieser Schulart besuchen. Zum Schuljahr
2014/15 hat sich der Trend sinkender Übertritte auf
eine Werkreal-/Hauptschule weiter fortgesetzt. Nur
noch 9,3 % der rund 91 800 Viertklässlerinnen und
Viertklässler wechselten nach ihrer Grundschulzeit auf
diese Schulart. Auch die Übergänge auf Realschulen lagen mit 34,7 % unter dem Vorjahreswert von 36,2 %.
Zum Schuljahr 2014/15 wurde erstmals der Migrationshintergrund der Schülerinnen und Schüler beim ÜberTrendwende bei den Gymnasien in Sicht?
gang erhoben. Während bei Schülerinnen und Schülern
mit Migrationshintergrund die meistgewählte Schulart
Knapp 1 500 Schülerinnen und Schüler weniger als mit 37,3 % die Realschule darstellt, ist diese bei den
im Vorjahr wechselten zum Schuljahr 2014/15 auf ein Viertklässlerinnen und Viertklässlern ohne MigrationshinGymnasium. Mit diesem Rückgang ging auch die Über- tergrund mit 46,5 % das Gymnasium. Dieser Übergang
trittsquote auf 43,9 % zurück (Vorjahr: 44,6 %). Sinken- ist bei Kindern mit Migrationshintergrund mit 33,9 % der
de Übergangsquoten auf das Gymnasium ließen sich zweithäufigste Fall, jedoch um beachtliche 12,6 Prozentdas letzte Mal zum Schuljahr 1994/95 beobachten. punkte geringer als bei Viertklässlern ohne MigrationsGleichzeitig entschieden sich rund 4 100 Schülerinnen hintergrund und damit der größte Unterschied zwischen
den vier Übertrittsquoten.
Auf die Werkreal-/Hauptschule wechseln 14,9 %
Übergänge von Grundschulen auf weiterführende Schulen
in Baden-Württemberg seit dem Schuljahr 2000/01*)
der Viertklässlerinnen und
in %
Viertklässler mit Migrati50
onshintergrund und auf
40
die Gemeinschaftsschule
10,4 %.
30
20
10
0
2000/01
Werkreal-/Hauptschulen1)
Realschulen
Gymnasien
Gemeinschaftsschulen
02/03
04/05
06/07
08/09
10/11
12/13
14/15
*) Ohne integrierte Schulformen und Sonderschulen sowie Wiederholer und Schüler der Klassenstufe 4 ohne Grundschulempfehlung. – 1) Vor 2010/11: „Hauptschulen“.
Statistisches Landesamt Baden-Württemberg
1049 15
Hochschulzugangsberechtigungen
stabil
Seit dem Jahr 2000 ist
die Quote der Hochschulzugangsberechtigung bis
Wirtschafts- und Sozialentwicklung in Baden-Württemberg 2015/2016
29
2013 kontinuierlich auf knapp 59 % angestiegen. Im
Jahr 2000 hatten gemäß dem Quotensummenverfahren nur 35 % eines Geburtsjahrgangs die Hochschuloder die Fachhochschulreife erworben. Im Jahr 2014
ist diese Quote leicht um 0,4 Prozentpunkte auf gut
58 % zurückgegangen und hat sich damit auf hohem
Niveau stabilisiert. Mit einem mittleren Abschluss
verließen 2014 rund 58 % (Vorjahr: 59 %) und mit dem
Hauptschulabschluss gut 22 % (Vorjahr: gut 23 %)
eines Jahrgangs die Schulen. Lediglich 5 % gingen wie
im Vorjahr ohne Hauptschulabschluss von der Schule
ab. Mehrfachabschlüsse einzelner Personen führen
dazu, dass die Summe der zuvor beschriebenen Daten
deutlich über 100 % liegt.
gangsberechtigung. Dieser Anteil ist in den letzten Jahren deutlich angestiegen. Der Anteil der Jugendlichen
mit Hauptschulabschluss sank dagegen auf rund 27 %.
Insgesamt wurden nur 0,6 % weniger Ausbildungsverträge als im Vorjahr abgeschlossen, eine Stabilisierung
angesichts der rückläufigen Schülerzahlen und der
fortschreitenden Akademisierung der Berufswelt.
Die Unterschiede bei der Wahl des Ausbildungsberufes zwischen weiblichen und männlichen Jugendlichen sind erheblich. Besonders attraktiv ist bei den
weiblichen Jugendlichen die Ausbildung zur Kauffrau
im Einzelhandel und zur Kauffrau für Büromanagement.
Bei den männlichen Jugendlichen sind die Ausbildungsberufe Industriemechaniker und Kraftfahrzeugmechatroniker am beliebtesten.
Lehrberufe nach wie vor attraktiv
Nicht alle Schülerinnen und Schüler mit einer Hochschulzugangsberechtigung lösen diese Option auch
ein. Einige Jugendliche entscheiden sich für das duale
Ausbildungssystem, in dem die praktische Ausbildung
im Betrieb mit dem eher theoretischen Unterricht
in der Berufsschule kombiniert wird. Ein deutsches
Erfolgsmodell, das vielerorts in der Welt als Vorbild
angesehen wird und sicher auch ein Grund dafür ist,
dass die Jugendarbeitslosigkeit in Deutschland vergleichsweise gering ausfällt.
In Baden-Württemberg wurden im Jahr 2014 insgesamt
rund 74 000 Ausbildungsverträge neu abgeschlossen.
23 % dieser Jugendlichen hatten eine Hochschulzu-
Zahl der Studierenden auf Höchststand
Rund 62 700 Hochschulberechtigte nutzten ihre Hoch‑
schuloption und immatrikulierten sich im Winter‑
semester 2014/15 im ersten Semester an einer Hochschule in Baden-Württemberg. Die Zahl sank damit
gegenüber dem Wintersemester 2013/14 um 4,5 %.
Insgesamt waren im Wintersemester 2014/15 rund
354 200 Studierende an baden-württembergischen
Hochschulen eingeschrieben. Die Zahl der Studierenden stieg gegenüber dem Wintersemester 2013/14
um 2,8 % oder knapp 10 000 an und hat hierdurch
einen neuen Höchststand erreicht – rund die Hälfte
mehr Studierende als noch vor 10 Jahren.
Die zehn beliebtesten Ausbildungsberufe 2014*)
männliche Jugendliche
weibliche Jugendliche
Kauffrau im Einzelhandel
Anzahl
Anzahl
2 494
Industriemechaniker
Kauffrau für
Büromanagement
Industriekauffrau
2 210
Kaufmann im Einzelhandel
Medizinische Fachangestellte
2 169
Mechatroniker
Elektroniker, FR Energieund Gebäudetechnik
Fachkraft für Lagerlogistik
Anlagenmech. für Sanitär-,
Heizungs- und Klimatechnik
Zerspanungsmechaniker
2 450
Verkäuferin
1 836
Zahnmed. Fachangestellte
1 691
Friseurin
1 410
Bankkauffrau
Hotelfachfrau
Kauffrau im Groß- und
Außenhandel, FR Großhandel
1 255
979
770
2 907
2 519
Kraftfahrzeugmechatroniker
Kaufmann im Groß- und
Außenhandel, FR Großhandel
Verkäufer
1 803
1 444
1 384
1 373
1 299
1 207
1 156
1 138
*) Neu abgeschlossene Ausbildungsverträge zum Stichtag 31.12.2014.
Statistisches Landesamt Baden-Württemberg
30
Bildung
1050 15
Bevölkerung
Stärkste Bevölkerungszunahme seit 1992
Vergleichsweise hoher Geburtenanstieg
Ein kräftiger Anstieg an Zuzügen erhöhte die Bevölkerungszahl in Baden-Württemberg im Jahr
2014 deutlich. Die Wanderungsbilanz, das heißt
die Differenz aus Zu- und Fortzügen über die Landesgrenze, wies im Jahr 2014 ein Plus von rund
89 600 Personen auf. Höher war der Wanderungsgewinn des Landes zuletzt vor über 20 Jahren, als im
Jahr 1992 per Saldo 125 300 Personen zuzogen.
Obwohl sich der demographische Wandel in Form eines
negativen Geburtensaldos auch im Jahr 2014 deutlich
niederschlug, fiel das Geburtendefizit zuletzt nur noch
halb so hoch aus wie in den beiden Jahren zuvor. Grund
hierfür ist die deutlich gestiegene Geburtenanzahl.
Während im Durchschnitt der 5 Vorjahre rund 90 000
Neugeborene in Baden-Württemberg registriert wurden,
erhöhte sich dieser Wert im Jahr 2014 gegenüber 2013
um 4,5 % auf gut 95 600. Die Geburtenrate lag mit
einem Wert von durchschnittlich 1,46 Kindern je Frau
so hoch wie seit 1997 nicht mehr. Ungeachtet dessen
lag die Geburtenrate aber auch zuletzt noch deutlich
unter dem für eine Bestandserhaltung der Bevölkerung
erforderlichen Niveau in Höhe von 2,1 Kindern pro Frau.
Das 9. Jahr in Folge wurde der durch die NettoZuwanderung verursachte Bevölkerungsgewinn
durch einen negativen Geburtensaldo vermindert. So überstieg die Zahl der Gestorbenen die
Zahl der Geborenen im Jahr 2014 um gut 5 000.
Insgesamt nahm die Einwohnerzahl des Landes
um fast 85 400 Personen zu. Einen stärkeren An‑
stieg verzeichnete Baden -Wür ttemberg letzt‑
malig zu Beginn der 1990er Jahre. Die Bevölkerung des Landes erreichte damit zu Beginn des
Jahres 2015 den Stand von rund 10 716 400 Einwohnern.
Erhöhte Zuwanderung aus Süd- und
Osteuropa…
Der baden-württembergische Bevölkerungszuwachs
des Jahres 2014 ist somit allein auf einen positiven
Bevölkerungszunahme bzw. -abnahme in Baden-Württemberg seit 1999
differenziert nach dem Geburten- und Wanderungssaldo
Anzahl in Tsd.
90
80
70
Wanderungssaldo
Geburtensaldo
60
50
40
30
20
10
0
–10
–20
1999
2000
2001
Statistisches Landesamt Baden-Württemberg
2002
2003
2004
2005
2006
2007
2008
2009
2010
2011
2012
2013
2014
1051 15
Wirtschafts- und Sozialentwicklung in Baden-Württemberg 2015/2016
31
Wanderungssaldo zurückzuführen. Dieser wiederum
kam ausschließlich durch die Nettozuwanderung aus
dem Ausland zustande, denn gegenüber dem übrigen
Bundesgebiet verzeichnete das Land zuletzt insgesamt
rund 400 mehr Fortzüge als Zuzüge. Die stärkste internationale Wanderungsverflechtung besteht naturgemäß mit den europäischen Staaten. So betrafen rund
drei Viertel der Wanderungsbewegungen Umzüge von
bzw. in europäische Staaten. Mit 18 500 Zuwanderern
per Saldo verzeichnete das Land im Jahr 2014 gegenüber Rumänien den größten Wanderungsgewinn,
gefolgt von Italien (+ 9 000) und Kroatien (+ 7 200).
Im Vergleich zum Vorjahr ist der Wanderungssaldo
2014 gegenüber Bosnien-Herzegowina (+ 162 %) und
Kroatien (+ 151 %) am stärksten gestiegen. Ursache
für die gestiegene Nettozuwanderung aus Kroatien
dürfte insbesondere der EU-Beitritt zum 1. Juli 2013
sein. Der Erhalt der vollständigen Arbeitnehmerfrei‑
zügigkeit dürfte hingegen maßgeblich zur 74-prozentigen Erhöhung des Wanderungssaldos gegenüber
Rumänien beigetragen haben. Mutmaßlich aus
demselben Grund hat sich die Wanderungsbilanz
gegenüber Bulgarien von + 3 500 auf + 5 300 erhöht
(+ 51 %). Gegenüber Polen (– 2 400), Ungarn (– 2 000)
und Griechenland (– 1 300) sind die Wanderungsgewinne im Vergleich zum Vorjahr indes deutlich
gesunken.
…sowie aus Syrien
Die höchste Nettozuwanderung gegenüber einem
außereuropäischen Land verzeichnete Baden -
Württemberg 2014 gegenüber Syrien (+ 6 700). Die
überwiegende Mehrheit der Staatsangehörigen aus
Syrien kam als Flüchtlinge aus ihrem Heimatland
und erhielt zunächst eine Aufenthaltserlaubnis zur
Durchführung eines Asylverfahrens. Damit stiegen die
Wanderungsgewinne gegenüber Asien im Vergleich
zum Vorjahr um 55 % und erreichten 2014 zum ersten
Mal überhaupt ein fünfstelliges Niveau (+ 15 100). Der
Wanderungssaldo gegenüber Afrika hat sich beinahe
verdoppelt und betrug im vergangenen Jahr 6 700. Gegenüber dem amerikanischen Kontinent fiel der Wanderungsgewinn hingegen relativ gering aus (+ 600).
Zuwanderung wird anhalten
Die andauernde Gewalt und das Fortbestehen bewaffneter Konflikte im Nahen Osten und speziell in
Syrien sowie die daraus resultierenden Flüchtlingsströme haben zweifelsohne dazu geführt, dass sich
die Einwohnerzahl Baden-Württembergs auch im zu
Ende gehenden Jahr 2015 nochmals deutlich erhöht
hat. In welchem Umfang sich diese Entwicklung im
kommenden Jahr fortsetzt, ist momentan allerdings
nur schwer abzuschätzen. Für das Jahr 2016 lässt
– neben dem aller Voraussicht nach andauernden
Zustrom an Flüchtlingen – insbesondere die günstige
Arbeitsmarktlage Baden-Württembergs in Kombination mit der in den vergangenen Jahren stattgefundenen
Öffnung des deutschen Arbeitsmarktes für neue EUMitgliedstaaten sowie die anhaltende wirtschaftliche
Schwäche in Teilen Europas auf eine Fortsetzung der
hohen Nettozuwanderung aus dem Ausland schließen.
Wanderungsgewinne und -verluste Baden-Württembergs 2013 und 2014
gegenüber ausgewählten Staaten
Rumänien
Italien
Kroatien
7 675
7 229
2 878
Syrien
6 345
– 1 006
– 752
– 2 232
– 2 305
Statistisches Landesamt Baden-Württemberg
Bevölkerung
8 780
3 511
3 282
4 567
Griechenland
32
2014
2013
5 256
Bulgarien
Schweiz
9 044
6 733
1 700
Polen
Türkei
18 464
10 600
1052 15
Familie
Stabiles generatives Verhalten auf
niedrigem Niveau
Der Geburtenrückgang ist nicht erst ein Phänomen
der letzen drei oder vier Jahrzehnte. Bereits Ende
des 19. Jahrhunderts bekamen in vielen Regionen in
Deutschland die Frauen weniger Kinder. Der sogenannte „Babyboom“ besonders in den sechziger Jahren des
20. Jahrhunderts ist vor allem darauf zurückzuführen,
dass ältere Frauen nach dem Krieg und der Aufbauphase Geburten nachholten und jüngere Frauen nicht
zuletzt infolge des wirtschaftlichen Aufschwunges
früher ihre Kinder gebaren. Seit Mitte der 1970er-Jahre
hat sich das generative Verhalten der Menschen in
Baden-Württemberg kaum noch verändert.
Die zusammengefasste Geburtenziffer schwankt in
einem schmalen Korridor zwischen 1,3 und 1,4 Kindern
pro Frau. Sie liegt damit deutlich unterhalb des den
Bevölkerungsbestand erhaltenden Schwellenwertes
von 2,1 Kindern pro Frau. Das bedeutet zweierlei: In
Baden-Württemberg fehlen Jahr für Jahr etwa 30 %
der Geburten, die für eine Bestandserhaltung der
Bevölkerung nötig wären. Gleichzeitig gibt es wegen
dieser demografischen Entwicklung immer weniger
Frauen, die Kinder gebären können. Deshalb geht die
Zahl der Kinder tendenziell zurück, obwohl die Frauen
heute kaum ein anderes generatives Verhalten zeigen
als die Frauen vor 30 oder 40 Jahren.
Es bleibt festzustellen: Familien sind kleiner ge‑
worden, Kinder haben weniger Geschwister als
früher und kinderreiche Familien sind seltener: Der
Anteil von Familien mit drei und mehr Kindern ist von
26 % in 1972 auf 13 % in 2014 gefallen. Familien
verzichten heute vor allem auf das vierte Kind und
weitere Kinder. Zunehmend beschränken sich die
Familien auf zwei Kinder. Das Ausmaß der Kinderlosigkeit ist demgegenüber nur leicht angestiegen:
Während 1972 noch 22 % der Frauen im Alter von
40 bis 44 Jahren kinderlos blieben, lag deren Anteil
2014 bei 24 %.
Lebensformen der erwachsenen Bevölkerung in Baden-Württemberg 1972 und 2014
Anteile in %
1972
In 3,2 Mill. Lebensformen leben 5,8 Mill. Erwachsene
2014
In 5,1 Mill. Lebensformen leben 7,9 Mill. Erwachsene
Ehepaare mit Ehepaare ohne Kinder
Kindern
Ehepaare
ohne Kinder
27
Ehepaare mit
Kindern
30
30
50
Nicht eheliche
Lebensgemeinschaften ohne
Kinder
11
Alleinstehende
Frauen
8
Alleinstehende
Männer
Alleinerziehende
Männer
Statistisches Landesamt Baden-Württemberg
3
6
15
1
Alleinstehende
Frauen
Alleinerziehende
Frauen
Alleinstehende
Männer
13
2
4
1
Nicht
eheliche
Lebensgemeinschaften
mit
Kindern
Alleinerziehende
Frauen
Alleinerziehende
Männer
1053 15
Wirtschafts- und Sozialentwicklung in Baden-Württemberg 2015/2016
33
Akzeptanz einer Vielfalt von Lebensformen
1972 war die lebenslange Ehe eindeutig das Modell
des Zusammenlebens mit der größten Prägekraft.
Nichteheliche Geburten waren seltener als heute.
1965 wurden 8 % der Kinder nichtehelich geboren.
Heute sind es 24 %. Von 5,8 Mill. erwachsenen
Baden-Württembergern lebten 1972 rund 50 % in
Ehepaargemeinschaften mit Kindern, 27 % in Ehen
ohne Kinder und rund 4 % als Alleinerziehende.
Nach wie vor ist 2014 die Ehe zwar das dominierende Modell des Zusammenlebens; Ehen werden
aber kinderärmer gelebt und weitere Lebens- und
Familienformen haben sich etabliert. Der Anteil
Alleinlebender und der Anteil der in nicht ehelichen
Lebensgemeinschaften lebenden Menschen hat sich
im Vergleich zu 1972 deutlich erhöht. 2014 hatten
36 % der Lebensformen Kinder, 64 % keine Kinder.
Damit hat sich das Verhältnis der beiden Gruppen
im Vergleich zu 1972 nahezu umgekehrt. Das Zusammenleben mit Kindern ist heute nur noch für
einen kleineren Teil der Bevölkerung Bestandteil der
alltäglichen Lebenserfahrung.
Erwerbsbeteiligung von 58 % auf 77 %. Gleichzeitig
änderte sich die Struktur der Erwerbsbeteiligung.
Das sogenannte Normalarbeitsverhältnis mit Vollzeit, Sozialversicherungspflicht und unbefristetem
Arbeitsvertrag war schon für die Mütter 1996 nicht
die Regel (14 %) und es war 2014 noch seltener
(11 %). Demgegenüber haben besonders zeitlich
verkürzte Beschäftigungen weiter an Bedeutung
gewonnen. Der Anteil der substanziellen Teilzeit
mit 20 bis 34 Wochenstunden stieg von 19 %
auf 29 %, der der marginalen Teilzeit mit maximal
19 Wochenstunden von 18 % auf 25 %. Neben diesen drei häufigsten Arbeitsverhältnissen spielen für
Mütter befristete Beschäftigungen und Formen der
Selbstständigkeit trotz Zunahme gegenüber 1996
auch 2014 eine eher untergeordnete Rolle.
Alleinerziehende Mütter waren 2014 häufiger erwerbstätig als Mütter, die mit einem Partner ehelich
oder nichtehelich zusammenlebten. Alleinerziehende
standen häufiger in einem sogenannten Normalarbeitsverhältnis oder gingen häufiger einer substantiellen Teilzeitbeschäftigung nach. Sie waren allerdings
auch dreimal so oft erwerbslos bzw. arbeitsuchend.
Mütter mit Partner gingen vor allem einer marginalen
Teilzeitarbeit nach.
Wieder mehr Eheschließungen
und weniger Scheidungen
Die Zahl der Eheschließungen ist gegenüber 2013
wieder etwas angestiegen. 2014 wurden 50 751 Ehen
geschlossen – und damit rund 2 300 mehr als im Vorjahr. Die geringste Zahl der Eheschließungen gab es
bislang 2007: 47 233 und 2009: 48 378. Die Zahl der
Ehescheidungen ist 2014 leicht gesunken. Es wurden
20 328 Ehen geschieden – knapp 3 % weniger als im
Jahr zuvor und gut 19 % unter dem bisherigen Höchststand von 25 129 Scheidungen im Jahr 2004. Die Zahl
der von Scheidung betroffenen Kinder verringerte sich
2014 im Vergleich zum Vorjahr um 4,4 % auf 16 451.
Wenn geheiratet wird, dann heute eher Anfang bis Mitte 30. Das durchschnittliche Heiratsalter lag 2014 bei
den ledigen Männern bei 32,7 Jahren, ledige Frauen
heirateten durchschnittlich im Alter von 30,1 Jahren.
Erwerbsbeteiligung von Müttern
mit schulpflichtigen Kindern (6 bis 14 Jahre)
in %
14
19
Mütter mit schulpflichtigen Kindern im Alter zwischen 6 und 14 Jahren waren 2014 häufiger erwerbstätig als 1996. In Baden-Württemberg stieg ihre
34
Familie
Normalarbeitsverhältnis
29
Substantielle Teilzeit
25
Marginale Teilzeit
18
3
5
5
6
6
3
37
Mütter mit schulpflichtigen Kindern
häufiger erwerbstätig
11
20
1996
Befristete
Beschäftigung
Selbstständig
erwerbslos,
arbeitsuchend
nicht erwerbstätig
2014
Quelle: Mikrozensus 1996 und 2014, Abweichungen von 100% wegen Rundungen.
Statistisches Landesamt Baden-Württemberg
1054 15
Einkommen
Geringer Preisanstieg begünstigt
Realeinkommen
Zum verfügbaren Einkommen privater Haushalte zählen
alle Einkommen aus Erwerbstätigkeit und Vermögen
sowie empfangene laufende Transfers, vorwiegend monetäre Sozialleistungen wie Renten, Arbeitslosen- oder
Kindergeld, abzüglich geleisteter Transfers wie Steuern
und Sozialbeiträge. Es zeigt auf, wie viel Geld den in
einer Region lebenden Menschen zur Verfügung steht.
Ein Mehr an verfügbarem Einkommen spiegelt ein
höheres Konsumpotenzial wider und wird zumeist mit
einem höheren materiellen Wohlstand gleichgesetzt.
Für das Jahr 2015 ist in Baden-Württemberg mit einem
Anstieg des nominalen verfügbaren Einkommens
der privaten Haushalte zu rechnen. Relativ deutlich
dürfte in 2015 aufgrund der außerordentlich geringen
Steigerung der Verbraucherpreise auch der reale Einkommenszuwachs ausfallen.
bereiche, in denen es zwischen dem zweiten Quartal
2014 und dem zweiten Quartal 2015 vergleichsweise
hohe Tariferhöhungen gab – wie im Verarbeitenden
Gewerbe, im Bereich „Öffentliche Verwaltung, Verteidigung, Sozialversicherung“ oder im „Gesundheits- und
Sozialwesen“ – verzeichneten bis zur Jahresmitte 2015
im Vergleich zum ersten Halbjahr 2014 relativ hohe Einkommenszuwächse. Aber auch die Beschäftigungsentwicklung zeigt sich im Südwesten weiterhin dynamisch.
Tendenzielle Entwicklung zentraler Einkommenskomponenten der privaten Haushalte
in Baden-Württemberg 2015
Arbeitnehmerentgelt
Unternehmens- und
Vermögenseinkommen
Primäreinkommen der privaten Haushalte
Arbeitnehmerentgelte:
weiterhin auf Wachstumskurs
Die wichtigste Einkommensquelle stellt für die Mehrheit
der privaten Haushalte nach wie vor das Arbeitnehmerentgelt dar, das sich aus den Bruttolöhnen und
-gehältern sowie den Sozialbeiträgen der Arbeitgeber
zusammensetzt. Bundesweit lag das Arbeitnehmerentgelt nach vorläufigen Angaben des Statistischen Bundesamtes in den ersten drei Quartalen 2015 3,8 %
höher als im Vorjahreszeitraum. Die Bruttolöhne und
-gehälter verzeichneten einen Anstieg in Höhe von
3,9 %. Die positive Entwicklung der Arbeitnehmereinkommen setzte sich damit auch in den ersten drei
Quartalen 2015 fort und spiegelt die insgesamt günstige
Arbeitsmarkt- und Konjunkturlage wider.
Sowohl die bislang vorliegenden Ergebnisse zu den
durchschnittlichen Bruttoverdiensten als auch zur
Beschäftigungsentwicklung deuten auch für 2015 für
Baden-Württemberg auf einen deutlichen Zuwachs der
Arbeitnehmerentgelte hin. Insbesondere die Wirtschafts-
+
empfangene Sozialleistungen
–
geleistete Steuern und Sozialbeiträge
Verfügbares Einkommen
der privaten Haushalte (nominal)
Statistisches Landesamt Baden-Württemberg
1055 15
Wirtschafts- und Sozialentwicklung in Baden-Württemberg 2015/2016
35
So lag die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten im Zeitraum von Januar bis September 2015 um
2,3 % über dem entsprechenden Vorjahresniveau.
Unternehmens- und Vermögenseinkommen: höherer Zuwachs als in den Vorjahren
Die Einkommen der privaten Haushalte aus unternehmerischer Tätigkeit und aus Vermögen dürften
auch im Jahr 2015 in Baden-Württemberg weniger
stark expandieren als die Arbeitnehmereinkommen.
Allerdings ist mit einer höheren Wachstumsrate als
in den Vorjahren zu rechnen. Dämpfend wirken zwar
angesichts historisch niedriger Zinsen weiterhin die
Zinseinkommen, profitieren dürften die Einkommen
aus unternehmerischer Tätigkeit sowie aus Vermögen
(Gewinnentnahmen) jedoch von der insgesamt guten
wirtschaftlichen Entwicklung. In Deutschland sind
die Unternehmens- und Vermögenseinkommen der
privaten Haushalte in den ersten drei Quartalen 2015
nach bisherigen Ergebnissen des Statistischen Bundesamtes um 2,1 % gegenüber dem Vorjahreszeitraum
gestiegen. In 2014 verzeichneten sie bundesweit noch
einen leichten Rückgang (– 0,2 %).
Monetäre Sozialleistungen: Anstieg vor
allem infolge gestiegener Rentenzahlungen
Für die von den privaten Haushalten empfangenen
monetären Sozialleistungen ist für das Jahr 2015
mit einem kräftigen Anstieg zu rechnen. Zurückzuführen ist dies vor allem auf die zu erwartenden
steigenden Zahlungen der Gesetzlichen Rentenversicherung. So wurden die Renten in Westdeutschland zur Jahresmitte 2015 mit 2,1 % stärker
erhöht als noch im Vorjahr (1,7 %) und auch das
Mitte 2014 eingeführte Rentenpaket entfaltet in
2015 erstmals die volle Budgetwirkung. Darüber hin‑
aus dürfte sich auch die rückwirkend zum 1. Januar 2015 erfolgte Anhebung des Kindergeldes expansiv
auswirken.
Ein Zuwachs ist auch bei den geleisteten Sozialbeiträgen infolge der günstigen Beschäftigungs- und
Entgeltentwicklung zu erwarten. Zwar gab es auch
Änderungen bei den Beitragssätzen der Gesetzlichen
Sozialversicherung. Diese dürften sich aber gegen‑
seitig weitgehend kompensieren. Die gute Situation
am Arbeitsmarkt lässt darüber hinaus auf ein kräftiges
Plus bei der Lohnsteuersumme schließen, sodass die
geleisteten Steuer- und Abgabeaufkommen in 2015 im
Vorjahresvergleich in der Summe vermutlich deutlich
ansteigen werden.
Insgesamt dürfte der Anstieg des nominalen verfügbaren Einkommens der privaten Haushalte im
Jahr 2015 erneut wesentlich von den Arbeitnehmereinkommen geprägt sein. Aber auch der erwartete
kräftige Anstieg bei den monetären Sozialleistungen
verstärkt den Einkommenszuwachs. Dämpfend wirkt
hingegen das deutliche Plus bei den geleisteten Sozial‑
beiträgen und Steuern.
Verdienstentwicklung in Baden-Württemberg 2015 in ausgewählten Wirtschaftszweigen*)
Veränderung gegenüber Vorjahreszeitraum in %
5
4
3
2
1
0
–1
Verarbeitendes
BauGewerbe
gewerbe
Handel;
Verkehr
Instandund
haltung und
Lagerei
Reparatur von
Kraftfahrzeugen
Freiberufliche, Sonstige
Erziehung GesundheitsÖffentliche
wissenschaftUnterund
und
Verwaltung,
liche und
nehmens- Verteidigung, Unterricht Sozialwesen
technische dienstleister
SozialDienstleister
versicherung
*) Vierteljährliche Verdiensterhebung: Vergleich durchschnittlicher Bruttomonatsverdienst vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer 1. Halbjahr 2015 mit 1. Halbjahr 2014, inklusive
Sonderzahlungen.
Statistisches Landesamt Baden-Württemberg
36
Einkommen
1056 15
Sozialhilfe
Soziale Mindestsicherung
Die Transferleistungen der sozialen Mindestsicherungssysteme sind finanzielle Hilfen des Staates, die
zur Sicherung des grundlegenden Lebensunterhalts
an leistungsberechtigte Personen ausbezahlt werden.
Die Zahlen der sozialen Mindestsicherung zeigen,
wie viele Menschen kein ausreichendes Einkommen
zur grundlegenden Existenzsicherung durch eigene
Erwerbsarbeit erzielen können und sind somit ein
Maß, wie viele Personen ohne diese Unterstützungsleistungen von Armut betroffen wären.
Empfängerinnen und Empfänger*) von
Sozialer Mindestsicherung am Jahresende 2014
nach Bundesländern
in %
Berlin
17,5
Sachsen-Anhalt
13,8
MecklenburgVorpommern
13,5
Hamburg
13,4
Brandenburg
11,4
Nordrhein-Westfalen
11,1
Sachsen
10,6
Schleswig-Holstein
9,8
Saarland
9,8
Thüringen
9,3
Niedersachsen
9,3
Deutschland
9,3
Hessen
8,9
Rheinland-Pfalz
Bayern
7,2
5,3
4,7
*) Anteil der Empfängerinnen und Empfänger an der Gesamtbevölkerung. Berechnung mit der Bevölkerungszahl am 31.12.2013 auf Grundlage des Zensus
2011.
Datenquelle: Statistik der Bundesagentur für Arbeit; Statistische Ämter des
Bundes und der Länder.
Statistisches Landesamt Baden-Württemberg
Ein Vergleich der Bundesländer zeigt, dass vor allem
die Menschen in den Stadtstaaten und in Ostdeutschland auf Leistungen zur Sicherung des Lebens‑
unterhalts angewiesen sind. So bezog am Jahresende
2014 nahezu jeder fünfte Berliner Transferleistungen
zur Mindestsicherung. Baden-Württemberg hin‑
gegen nahm im Ländervergleich einen hervorragenden
Platz ein. Das Land wies mit 5,3 % die zweitnied‑
rigste Mindestsicherungsquote nach Bayern mit
4,7 % auf.
19,3
Bremen
Baden-Württemberg
Dabei beinhalten die Transferleistungen der sozialen
Mindestsicherungssysteme das Arbeitslosengeld II
und das Sozialgeld (Hartz IV), die Hilfe zum Lebensunterhalt, die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung, aber auch die Regelleistungen nach dem
Asylbewerberleistungsgesetz sowie die Leistungen
der Kriegsopferfürsorge.
1057 15
Zahl der Hartz IV – Empfänger nimmt
auch 2014 leicht zu
Das Arbeitslosengeld (ALG) II stellt eine Grund‑
sicherung für Erwerbsfähige, Arbeitsuchende und
Erwerbstätige mit niedrigem Einkommen dar. Anspruchsberechtigt sind erwerbsfähige Hilfebedürftige,
die das 15. Lebensjahr vollendet bzw. das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Für die mit
ihnen in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden, nicht
erwerbsfähigen Angehörigen besteht hingegen ein
Anspruch auf Sozialgeld. Diese so genannten Hartz
IV-Empfänger stellen den mit Abstand größten Teil
der Bezieher von Mindestsicherungsleistungen dar. In
Baden-Württemberg belief sich die Zahl der Berechtigten zum Jahresende 2014 auf insgesamt 430 281
Personen. Darunter befanden sich 304 011 ALG IIBezieher (erwerbsfähige Leistungsberechtigte) sowie
126 270 Angehörige einer Bedarfsgemeinschaft, die
laut Sozialgesetzbuch (SGB) II Anspruch auf Sozialgeld
hatten (nicht erwerbsfähige Leistungsberechtigte).
Im Vergleich zum Vorjahr ist die Gesamtzahl der so
genannten Hartz IV-Empfänger somit um 1,4 % oder
5 975 Personen gestiegen.
Wirtschafts- und Sozialentwicklung in Baden-Württemberg 2015/2016
37
Hilfebedürftige Personen der Sozialen Mindestsicherung in Baden-Württemberg 2014
nach Leistungsberechtigung
Erwerbsfähigkeit nach Altersjahren
Eingeschränkt erwerbsfähig nach Tatbestand
15- bis unter
65-Jährige
15- bis unter
18-Jährige
18- bis unter
65-Jährige
vorübergehend
1)
dauerhaft
1)
ALG II
Sozialgeld
304 011
Personen
126 270
Personen
Hartz IV (SGB II)
Grundsicherung
im Alter und
bei Erwerbsminderung
93 619
Personen
Hilfe zum
Lebensunterhalt
7 2102)
Personen
Regelleistungen
nach dem
Asylbewerberleistungsgesetz
38 531
Personen
Kriegsopferfürsorge
3 3123)
Personen
Sozialhilfe (SGB XII)
1)
unter 15-Jährige
65-Jährige und älter
Nicht erwerbsfähig nach Altersjahren
1) Sofern Angehörige einer Bedarfsgemeinschaft. – 2) Empfänger laufender Hilfe zum Lebensunterhalt außerhalb von Einrichtungen. – 3) Empfänger laufender Leistungen
der Kriegsopferfürsorge.
Datenquelle: Bundesagentur für Arbeit, Statistisches Landesamt Baden-Württemberg.
Statistisches Landesamt Baden-Württemberg
Erneut mehr Leistungsempfänger bei der
Sozialhilfe im engeren Sinn
Nach der Erhebung über die Empfänger von Hilfe
zum Lebensunterhalt, die die Sozialhilfe im engeren
Sinn gemäß SGB XII Kapitel 3 darstellt und zuletzt
zum 31. Dezember 2014 durchgeführt wurde, gab es
in Baden-Württemberg 7 210 Sozialhilfeempfänger
außerhalb von Einrichtungen. Das waren 5,9 % mehr
Leistungsempfänger wie noch zum Jahresende 2013.
Bei diesen Personen handelt es sich zum Beispiel
um Erwerbsunfähige auf Zeit, Vorruheständler mit
niedriger Rente oder längerfristig Erkrankte. Von
diesen Sozialhilfeempfängern waren fast vier Fünftel
(79,1 %) im Alter von 18 bis unter 65 Jahren; 15,3 %
waren minderjährig und 5,6 % Seniorinnen und Senioren. Das Durchschnittsalter betrug rund 45 Jahre.
Jeweils die Hälfte der Unterstützten war weiblich
bzw. männlich.
Ein weiterer Baustein, der den grundlegenden Bedarf
für den Lebensunterhalt sicherstellt, ist die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Sie
wird 18- bis 64-jährigen Personen bei Bedürftigkeit
gewährt, sofern diese dauerhaft voll erwerbsgemindert sind. Zudem kann sie von Personen ab 65 Jahren
in Anspruch genommen werden.
38
Sozialhilfe
1058 15
Von den landesweit 93 619 Personen, die zum Jahresende 2014 diese Sicherungsleistung empfangen haben,
war mit 49 792 Leistungsbeziehern der größere Teil
(53,2 %) bereits im Rentenalter. Die Anzahl der Empfänger im erwerbsfähigen Alter, die wegen ihrer dauerhaft
vollen Erwerbsminderung voraussichtlich auch künftig
dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht mehr zur Ver‑
fügung stehen werden, belief sich auf 43 827 Personen.
Dabei wurden die Leistungen der Grundsicherung mehr
von Frauen (53,2 %) in Anspruch genommen als von
Männern (46,8 %). Im Vergleich zum Erhebungsstichtag
Ende Dezember 2013, stieg die Zahl der Empfänger
dieser Sicherungsleistung um 4 794 oder 5,4 %.
Mit Regelleistungen zur Deckung des laufenden
Lebensunterhaltes nach dem Asylbewerberleistungsgesetz wurden zum Jahresende 2014 in Baden-Württemberg 38 531 Personen unterstützt, 63,6 % mehr
als 2013. Bei der ersten Erhebung 1994 lag die Zahl
der Empfänger jedoch noch bei 64 632.
Die Zahl der Empfänger von Kriegsopferfürsorge ist
seit Jahren stark rückläufig. Im Jahr 2014 erhielten
nur noch 3 312 Personen laufende Leistungen aus der
Kriegsopferfürsorge nach dem Bundesversorgungsgesetz, 15,1 % weniger als noch 2012 (die Erhebung
wird nur jedes zweite Jahr durchgeführt).
Umwelt
Klimaschutz und Anpassung
an den Klimawandel
Das zurückliegende Jahr übertraf mit einer außergewöhnlichen Anzahl an Hitzetagen und extremer
Trockenheit in den Monaten Juli und August beinahe den Rekordsommer des Jahres 2003. Und
2014 war als insgesamt wärmstes Jahr seit Beginn
von Wetteraufzeichnungen registriert worden. Der
Klimawandel ist offenbar in vollem Gange. Dem Rechnung tragend, verabschiedete die Landesregierung im
Juni ihre Strategie zur Anpassung an den Klimawandel,
mit der Vulnerabilitäten und Anpassungsmaßnahmen
in zahlreichen relevanten Handlungsfeldern aufgezeigt
werden. Um die unausweichlichen Veränderungen des
Klimas zu begrenzen und das international vereinbarte
2-Grad-Ziel zu erreichen, unterstützt das Land die
auf nationaler und internationaler Ebene laufenden
Anstrengungen, bei der Klimakonferenz in Paris ein
Klimaschutzabkommen zu erreichen. Und zwar möglichst auf der Grundlage durch alle Teilnehmerstaaten
vorgelegter sogenannter „beabsichtigter national
bestimmter Beiträge“, INDC (intended nationally
determined contributions). Des Weiteren hat BadenWürttemberg zusammen mit Kalifornien die internationale Klimaschutzinitiative „Memorandum of Understanding“ (Under2MoU) gegründet, der inzwischen
weltweit 44 Regionen beigetreten sind, die zusammen
rund 470 Mill. Bürger und Bürgerinnen repräsentieren.
Die Unterzeichner unterstützen das Ziel, die mittlere
globale Erwärmung auf weniger als 2 Grad Celsius zu
begrenzen und streben dazu jeweils an, bis 2050 die
CO2-Emissionen pro Kopf ihrer Bevölkerung auf unter
2 t zu senken.
Treibhausgasemissionen leicht
rückläufig
Derzeit bewegen sich die jährlichen energiebedingten
CO2-Emissionen im Land bei gut 6 t je Einwohner.
Gegenüber 1990, dem Vergleichsjahr für Minderungs-
Umsätze baden-württembergischer Betriebe mit Umweltschutzgütern 2006 bis 2014
Mrd. EUR
12
Klimaschutz
10
Andere Umweltbereiche1)
8
6
4
2
0
2006
2007
2008
2009
2010
2011
2012
2013
20142)
1) Umfasst die Umweltbereiche Abfallwirtschaft, Gewässerschutz, Lärmbekämpfung, Luftreinhaltung, Naturschutz und Landschaftspflege, Bodensanierung sowie umweltbereichsübergreifende Umsätze. – 2) Vorläufige Daten.
Statistisches Landesamt Baden-Württemberg
1059 15
Wirtschafts- und Sozialentwicklung in Baden-Württemberg 2015/2016
39
Energiebedingte Kohlendioxid (CO2) -Emissionen in Baden-Württemberg seit 1990 nach Sektoren*)
t/Einwohner
Mill. t
90
8
80
7
Industrielle Feuerungen
70
60
1)
6
5
öffentliche Wärmekraftwerke2)
50
4
40
Haushalte (GHD)3)
3
20
sonstiger Verkehr4)
2
10
Straßenverkehr
1
30
0
1990 91 92
93 94
95 96 97
98 99 2000 01 02
03 04 05
06 07 08 09 10 11
12 136) 20147)
0
*) Ohne internationalen Luftverkehr. – 1) Einschl. Industriekraftwerke und Umwandlung. – 2) Einschl. Heizwerke. – 3) Gewerbe, Handel, Dienstleistungen. – 4) Schienen-,
nationaler Luftverkehr Binnenschifffahrt und Off-Road-Verkehr. – 5) Einwohner Jahresdurchschnitt, Basis Volkszählung 1987. VGRdL, Berechnungsstand August 2013/
Februar 2014; Ab 2011 Basis Zensus vorläufig. – 6) Vorläufige Werte. – 7) Erste Schätzung.
Berechnungsstand Oktober 2015.
1060 15
Statistisches Landesamt Baden-Württemberg
ziele auf nationaler und internationaler Ebene, ist ein
Rückgang um rund ein Fünftel (20 %) erreicht worden. Allerdings stagniert die Entwicklung seit 2009,
abgesehen von gewissen, vor allem temperatur‑
bedingten, jährlichen Schwankungen. Im Jahr 2013
war infolge erhöhtem Kohleeinsatz bei der Stromerzeugung im Land ein vorübergehender Anstieg zu
verzeichnen, der 2014 durch einen entsprechenden
Rückgang in etwa ausgeglichen wurde. 2015 ist
nach ersten Schätzungen auf Bundesebene wieder
mit einem leichten Anstieg der CO2-Emissionen zu
rechnen.
Um die ehrgeizigen Ziele sowohl auf Landes- als auch
auf Bundesebene zu erreichen, sind weiter verstärkte Anstrengungen erforderlich, und zwar bezogen
auf alle Sektoren. Neben dem intensivierten Einsatz
erneuerbarer Energien in der Stromerzeugung –
im Land konnte ihr Anteil 2014 auf 24,3 % gesteigert werden – soll mit dem am 1. Juli 2015 in Kraft
getretenen novellierten Erneuerbare-Wärme-Gesetz
deren Nutzung bei der Wärmegewinnung sowohl
in Wohn- als auch Nichtwohngebäuden vorangebracht werden. Zusätzlich wird auf eine Verbesserung
der Energieeffizienz und auf verstärkte Energiesparmaßnahmen gesetzt. Dies gilt insgesamt für
Produktion und Konsum im Land sowie auch für den
Straßenverkehr, wo zuletzt infolge stark gestiegener
Jahresfahrleistungen (+ 2 % in 2014) sowohl der
Benzin- als auch der Dieselverbrauch spürbar zugenommen haben.
40
Umwelt
Umweltwirtschaft expandiert weiter
Die Ziele und Maßnahmen bei Klimaschutz und
Energiewende haben vielfache Berührungspunkte
zu anderen Handlungsfeldern, wie etwa der Luftreinhaltung, der Kreislaufwirtschaft und nicht zuletzt
zu Anstrengungen der Ressourcen- und Rohstoffeffizienzsteigerung. Mitunter bestehen dabei auch
Zielkonflikte, wie das Beispiel des Dieselantriebs in
Bezug auf Klimaschutz einerseits und Luftreinhaltung andererseits zuletzt deutlich sichtbar werden
ließ. Maßgebliche Bedeutung für das Erreichen der
verschiedenen Umweltschutzziele sowie die Lösung
bestehender Zielkonflikte kommt der Entwicklung
von Umweltschutztechnologien zu. Das Land fördert
deshalb die hier stark vertretene Umweltwirtschaft,
die sich als Querschnittsbranche über fast alle Bereiche der Wirtschaft erstreckt. Sie hat nicht nur
Bedeutung für Erfolge beim Umweltschutz, sondern
auch wachsende volkswirtschaftliche Relevanz,
wie an der Entwicklung von Umsatz und Beschäftigtenzahl in der Produktion von Waren, Bau- und
Dienstleistungen für den Umweltschutz ablesbar
ist. Stark erhöhtes Gewicht haben dabei Güter zur
Verbesserung der Energieeffizienz. Insgesamt sind
die Umsätze der einschlägigen Betriebe im Land auf
fast 11,3 Mrd. Euro angestiegen. Das zugehörige
Beschäftigungsvolumen erreichte rund 38 400 Vollzeitäquivalente. Dabei ist die Entsorgungswirtschaft
mit zuletzt über 11 000 Beschäftigten im Land noch
nicht enthalten.
Autorinnen und Autoren
Michael Bannholzer
Verarbeitendes Gewerbe
Ursula Bauer-Hailer
Insolvenzen und Existenzgründungen
Dr. Patrick Bremer
Preise
Bevölkerung
Dr. Helmut Büringer
Umwelt
Sebastian Debes
Wirtschaftliche Perspektiven
Bauwirtschaft
Dr. Bernd Eggen
Familie
Ruth Einwiller Bildung
Dr. Berthold Fischer
Auf einen Blick
Nicole Gurka
Einkommen
Uwe Gölz
Sozialhilfe
Dr. Richard Kössler Tourismus
Marcel Nesensohn Handel, Gastgewerbe, Verkehr und Information
Unternehmens- und haushaltsbezogene Dienstleistungen
Beschäftigung und Arbeitsmarkt
Hans Ulrich Wezel Export
Redaktionsschluss:
27.11.2015
Hinweis zur Gender-Formulierung:
Bei allen Bezeichnungen, die auf Personen bezogen sind, meint die gewählte Formulierung beide Geschlechter,
auch wenn aus Gründen der leichteren Lesbarkeit die männliche Form steht.
Wirtschafts- und Sozialentwicklung in Baden-Württemberg 2015/2016
41
Entwicklung und Realisierung
Kartrin Böttinger
Redaktion
Wolfgang Krentz
Technische Leitung, Layout, Titelbildgestaltung
Simela Exadaktilou
DTP
Wirtschafts- und Sozialentwicklung in Baden-Württemberg 2015/2016
43
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