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MENSCHENRECHTSKOMPASS SALZBURG Globalisierung www.menschenrechte-salzburg.at/kompass Ein Projekt der Plattform für Menschenrechte Salzburg ermöglicht durch den Runden Tisch Menschenrechte der Stadt Salzburg Globalisierung Thema 08 Globalisierung Die Globalisierung ist von den Vögeln erfunden worden, seit Jahrtausenden fliegen sie um die Welt. Axel Hacke, Autor Definition Der Begriff Globalisierung bezeichnet internationale Verflechtungen in Bereichen wie Wirtschaft, Politik, Kommunikation, Kultur oder Umwelt. Solange diese Beziehungen fair gestaltet sind, ist daran nichts auszusetzen. Biologisch angebauter Kaffee, für den eine Familie in Mexiko einen angemessenen Preis erhält, stellt eine Bereicherung für ProduzentInnen wie KonsumentInnen dar. Wenn Reggae-Musik nicht nur auf Jamaica ihre Fans findet, sondern auch in Norwegen, ist dies genauso eine Form der Globalisierung wie die Videokonferenz mit TeilnehmerInnen aus mehreren Ländern. Auch Fernreisen können als eine Erscheinung der Globalisierung gesehen werden. Globalisierungskritik In die Kritik geraten ist in den letzten Jahrzehnten allerdings die neoliberale Form der Globalisierung. Damit ist eine besondere Ausprägung des Kapitalismus gemeint, in der die reichsten Industrieländer und die großen Konzerne die Regeln vorgeben. Dabei sollen ärmere Länder ihre Märkte für Produkte von außen öffnen und vermeintliche „Handelsschranken“ abbauen. Dies hat aber für lokale ProduzentInnen oft dramatische Folgen. Im Zentrum der Kritik steht zudem der Abbau von sozialen Rechten, der oft auf Druck internationaler Organisationen wie Weltbank oder Weltwährungsfonds erfolgt. So wurde wiederholt die staatliche Subventionierung von Reis, Mais oder Weizen abgeschafft, was in Mozambique, Mexiko oder Kenia Hungerrevolten auslöste. Widerstand gibt es ebenso gegen den Zwang zur Privatisierung von öffentlichen Einrichtungen im Süden, etwa in der Gesundheitsversorgung. Zu den bekannten GlobalisierungskritikerInnen zählen Organisationen wie Attac (ein Netzwerk zur Regulierung der Finanzmärkte), der internationale Bauernverband Via Campesina oder Einzelpersonen wie die Trägerin des Alternativen Nobelpreises Vandana Shiva, der UN-Sonderbotschafter für Ernährung Jean Ziegler oder die Autorin Naomi Klein. Spiegel des Nord-Süd-Konflikts Die neoliberale Globalisierung spiegelt viele Facetten des Nord-Süd-Konfliktes wider. Die Armut im Süden wurde zu einem beträchtlichen Teil durch reichere Länder verursacht. Strukturen zur Selbstversorgung der Bevölkerung wurden in der Kolonialzeit häufig zerstört, die Ausrichtung des Exports konzentrierte sich auf einige wenige Produkte, vor allem Rohstoffe, die der Norden brauchte. Bis heute erfolgt die zügellose Ausbeutung der Rohstoffe in ärmeren Ländern durch internationale Konzerne. Nicht selten mit Unterstützung korrupter heimischer Eliten, während die Bevölkerung nichts davon hat. Im Zuge der Globalisierung besteht zwar die theoretische Chance, dass arme Länder durch Investitionen aus dem Norden den wirtschaftlichen Anschluss finden. In der Praxis erweist sich diese Hoffnung aus mehreren Gründen meistens als trügerisch.108 Das Märchen vom Freihandel. Industrieländer beschwören gerne die Vorzüge eines Freihandels ohne Zölle oder Importbeschränkungen. Doch ihren eigenen ProduzentInnen verschaffen die USA, Japan oder auch Österreich gerne Vorteile. Nachdem die Länder des Südens auf Druck internationaler Organisationen ihre Einfuhrbeschränkungen fallen lassen mussten, werden sie zum Beispiel zu einem willkommenen Absatzmarkt für Europas Überproduktion in der Landwirtschaft. Milch, Fleisch und Getreide, deren Herstellung mit staatlichen Zahlungen massiv gestützt wurde, landen zu Dumpingpreisen auf afrikanischen Märkten. Als infolge der Hysterie um die Vogelgrippe der Absatz von Geflügel einbrach, wurden aus der EU kurzerhand tonnenweise Tiefkühlhühner in die Hungergebiete südlich der Sahara geflogen. Die Folge war, dass die ortsüblichen Preise dramatisch unterboten und afrikanischen Geflügelzüchtern das Genick gebrochen wurde.109 Steuerfreiheit für Global Player. Staaten brauchen Steuereinnahmen, um grundlegende Rechte für ihre Bevölkerung wie Bildung oder Gesundheit zu verwirklichen. Konzerne verlegen ihren Hauptsitz aber gern in Steueroasen, um Abgaben zu entgehen. Die Zahlung von Unternehmenssteuern wird bei der Ansiedlung einer Niederlassung unter Hinweis auf die neuen Arbeitsplätze häufig „wegverhandelt“. Auch europäische Staaten sehen sich diesem Druck ausgesetzt. Firmen wie Apple, Amazon, Google oder Starbucks sind darüber hinaus Weltmeister, wenn es darum geht, in einem Land keine Steuern zu zahlen. Nach Schätzungen sind multinationale Unternehmen an ca. zwei Drittel des Welthandels beteiligt. Rund ein Drittel des Welthandels findet bereits zwischen Mutter- und Tochterunternehmen von Konzernen, also „firmenintern“ statt.110 Als größte Global Player gelten u. a. Erdölkonzerne wie Exxon oder Shell, die Supermarktkette Walmart oder Autohersteller wie General Motors. Ihr Einfluss auf die Politik ist so groß, dass sie Maßnahmen zum Umwelt- oder Verbraucherschutz beeinflussen können. 108 http://www.politik-lexikon.at/nord-sued-konflikt/, abgerufen am 24. 9. 2013 Der Standard, 25. 11. 2009 110 UNCTAD, World Investment Report 2002, S. 153 109 Der ungezügelte Finanzsektor. Die ursprüngliche Idee von Börsen liegt darin, dass Unternehmen dort Kapital für Investitionen bekommen können, indem sie Beteiligungen anbieten. Diese Funktion erfüllen Börsen nach wie vor. Die größten Umsätze werden aber inzwischen mit der Spekulation auf Kursschwankungen erzielt. Dank moderner Kommunikationstechnologien lassen sich Milliardenbeträge innerhalb von Sekunden über den Globus verschieben. Durch die schnellen Bewegungen auf den Finanzmärkten entstehen Risiken der Instabilität für die einzelnen Währungen. Selbst gesunde Volkswirtschaften können so in Krisen gestürzt werden, mit fatalen Folgen gerade für die Armutsbevölkerung. Um die Spekulation weniger attraktiv zu machen, wird vielfach die Einführung einer so genannten Finanztransaktionssteuer gefordert.111 In den Nachwehen der Finanzkrise von 2008 zeigte sich deutlich, dass Verluste von großen Banken jeweils von den Staaten aufgefangen werden, also sozialisiert werden. Gewinne kommen hingegen den Banken und ihren GesellschafterInnen zugute, sie werden also privatisiert. Globales Lohndumping. Länder wie Bangladesch, Kambodscha oder Vietnam sind in der globalisierten Wirtschaft deshalb interessant, weil dort ein Heer von billigen Arbeitskräften zur Verfügung steht, um Waren aller Art zusammenzubauen oder zu nähen. Wenn in Europa und in den USA T-Shirts um drei Euro und Jeans um 15 Euro in die Läden kommen, so ist dies nur möglich, weil Näherinnern und Näher Hungerlöhne bekommen, sie betragen zum Teil weniger als ein Dollar am Tag.112 Gleichzeitig herrschen katastrophale Arbeitsbedingungen, die häufig erst nach Katastrophen wie Fabrikeinstürzen oder Bränden mit hunderten Toten ans Licht kommen. ArbeitnehmerInnenrechte wie Überstunden- oder gar Urlaubsregelungen spielen in den Billig-Lohn-Ländern keine Rolle. Zwar arbeiten aufgrund des öffentlichen Drucks inzwischen keine Kinder mehr in den Fabriken. Vor allem Mädchen übernehmen aber zu Hause die so genannten reproduktiven Tätigkeiten wie Kochen, Waschen und die Versorgung jüngerer Geschwister, damit Vater und Mutter außer Haus arbeiten können.113 Schandfleck des Jahres Mehrere Organisationen der österreichischen Zivilgesellschaft - darunter Südwind, die Clean Clothes Kampagne oder Gewerkschaften - vergeben jeweils den Schandfleck des Jahres (www.schandfleck.or.at). Mit diesem Schmähpreis werden Unternehmen und Einzelpersonen „gewürdigt“, die sich durch ihre gesellschaftliche Unverantwortlichkeit international besonders hervorgetan haben. Zu den „Ausgezeichneten“ zählten beispielsweise der Textil-Discounter KIK, der sich wenig um die Brandkatastrophen in seinen Zuliefer-Betrieben in Bangladesch und Pakistan 111 http://www.attac.at/uploads/media/Zehn_Fragen_Finanztransaktionssteuer_01.pdf, abgerufen am 11. 9. 2013 http://www.cleanclothes.at/presse/existenzsichernde-loehne-fuer-alle, abgerufen am 11. 9. 2013 113 Nieuwenhuys, Olga (2008): Dem Kolonialen Blick widerstehen. Globale Kinderarbeit und die neue politische Agenda. In: Liebel et al. 2008, Kinder. Arbeit. Menschenwürde. Internationale Beiträge zu den Rechten arbeitender Kinder. S 17-42. IKO-Verlag. Frankfurt am Main, London 112 kümmerte, bei denen hunderte Menschen starben. In die nähere Auswahl kam ebenso Europas größter Faltschachtelproduzent Mayr-Melnhof Packaging im Zusammenhang mit der wiederholten Negierung betriebsrätlicher Rechte. Der Grazer Anlagenbauer Andritz AG verdankt seine Nominierung der Beteiligung an dem brasilianischen Staudammprojekt Belo Monte, das die Umwelt und die Lebensgrundlage tausender Menschen vor Ort zerstört. Von Salzburg aus in die Welt: Fahnen-Gärtner und Voglauer Möbel Globalisierung einmal anders. Auch mittelständische Salzburger Unternehmen müssen über die Landesgrenzen schauen, um sich neue Märkte zu erschließen. Dass die Verantwortung für die eigenen MitarbeiterInnen dabei nicht auf der Strecke bleiben muss, zeigt etwa Fahnen-Gärtner. Die „größte Fahnenfabrik Österreichs“ ist international ein kleiner Fisch. 100 bis 150 Fahnen werden pro Stunde mittels Siebdruckverfahren in Mittersill hergestellt. Reich wird man damit nicht, denn die internationale Konkurrenz ist beinhart, sagt Firmenchef Gerald Heerdegen. Doch es langt für 120 MitarbeiterInnen und ihre Familien. Fahnen-Gärtner wurde für seine sozialen Aktivitäten mehrfach ausgezeichnet. Dazu zählen die Förderung der Betriebsküche und des Betriebskindergarten ebenso wie die Unterstützung der Vereine im Ort oder des Life Ball in Wien. Die Standortfrage war für Fahnen-Gärtner nie ein Thema: "Das Leben im Pinzgau ist nicht immer einfach. Aber sicher ist, dass gerade hier in der Region die Loyalität, die Zugehörigkeit und die Arbeitsmoral stimmen", erklärte Heerdegen dem Wirtschaftsblatt.114 Die Voglauer Möbelwerke aus Abtenau haben sich einen hervorragenden Namen in Deutschland, in der Schweiz, in den Benelux-Staaten, in Südeuropa und England gemacht. Der Exportanteil des Unternehmens beträgt 75 Prozent. Ursprünglich als kleine Tischlerei gestartet, entwickelte sich das Unternehmen von Markus Gschwandtner und David Zwilling zum Hersteller von Serienmöbeln und stattet heute komplette Hotels aus - von der Lobby über Rezeption, Bar bis in die Hotelzimmer soll eine qualitativ hochwertige Handschrift erkennbar sein. Von der Deutschen Gütergemeinschaft wurde Voglauer das Qualitätszertifikat „Goldene M“ verliehen wurde. Es signalisiert den Kunden in allen Zielgruppen eine hohe Umwelt- und Gesundheitsverträglichkeit der Produkte sowie eine konsequente Orientierung an perfekter Qualität und Nachhaltigkeit. Bewertet wurden dafür Faktoren wie Rohstoff- und Energieverbrauch, Toxizität der Inhaltsstoffe, Emissionen sowie Entsorgung und Wiederverwertung, die Verpackung sowie der Transport.115 114 115 Wirtschaftsblatt, 17.05.2010 AHGZ-Druckausgabe Nr. 2012/51 Städtepartnerschaften mit dem Süden Die Stadt Salzburg pflegt insgesamt nicht weniger als zehn Partnerschaften mit anderen Städten, aber nur zwei davon liegen in Ländern des Südens. Eine davon wurde mit León, einer von der Größe her vergleichbaren Stadt in Nicaragua geschlossen. Das Motiv war damals die Solidarität mit der sandinistischen Revolution, die nach dem Sieg über den Somoza-Clan ein ambitioniertes Projekt für eine gerechtere Gesellschaft verfolgte. Aus der 1984 besiegelten Städtepartnerschaft Salzburg-León entwickelte sich in der Folge auch eine Partnerschaft der beiden Universitäten mit einem regen Austausch von Studierenden. Lag der Schwerpunkt der Unterstützung zunächst auf Infrastrukturprojekten wie der Kanalisation oder der Errichtung einer Grundschule, so steht heute ein Projekt zur Förderung des nachhaltigen Tourismus im Vordergrund, über das auch Sprachkurse vermittelt werden. Salzburgs einzige afrikanische Partnerstadt liegt in Tansania, eine Tagesreise südwestlich von Arusha, dem Ausgangspunkt für Exkursionen auf den Kilimandscharo. Treibende Kraft hinter der Städtepartnerschaft Salzburg-Singida war der Künstler Wilhelm Kaufmann (1901-1999). Die Städtepartnerschaft engagiert sich insbesondere im Gesundheits- und Bildungsbereich. Seit Abschluss des Wasserprojekts 2003 haben alle Teile der Stadt Anschluss an das Wassernetz. Im ländlichen Raum der gleichnamigen Region Singida konnten bis jetzt acht Krankenstationen gebaut und eingerichtet werden. Diese werden von durchschnittlich vier vom Staat angestellten Personen betreut. In den Krankenstationen werden Schwangerschafts- und Geburtenhilfe und Aufklärung zur Geburtenregelung angeboten. Darüber hinaus gibt es Seminare im Bereich Hygiene, Schutz vor Malaria und HIV/AIDS. GesprächspartnerInnen zum Thema Globalisierung: Paul Pirker Städtepartnerschaft Salzburg-León www.salzburg-leon.at mailto:[email protected] Birgit Kastner-Lindenthaler Südwind Salzburg www.suedwindsalzburg.at mailto: [email protected] Wolfgang Heindl Katholische Männerbewegung, SEI SO FREI www.seisofrei.at/ mailto: [email protected] Sumeeta Hasenbichler Frau & Arbeit, Katholische Frauenbewegung www.frau-und-arbeit.at mailto: [email protected]