Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg

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Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg
Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg
Institut für Politische Wissenschaft
Wissenschaftliche Prüfung
für das Lehramt an Gymnasien
Wissenschaftliche Arbeit
DIE ROLLE DES BUNDES IN DER SCHULPOLITIK
DER BUNDESREPUBLIK
Prüfer:
Prof. Dr. Axel Murswieck
Vergabe des Themas:
19.05.2006
vorgelegt von:
Tobias Gillen
Klingenteichstr. 16
69117 Heidelberg
[email protected]
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung...............................................................................1
1.1
Fragestellung .............................................................................................................. 2
1.2
Gang der Argumentation, Operationalisierung...................................................... 4
1.3
Stand der Forschung ................................................................................................. 5
2. Der Untersuchungsgegenstand: Schulpolitik .......................7
2.1
Gegenstand und Ziel der Bildungspolitik................................................................ 7
2.2
Funktionen des Bildungswesens ............................................................................... 9
2.3
Gliederung in Teilbereiche und Fokussierung ...................................................... 10
2.4
Träger und formale Kompetenzen in der Schulpolitik ........................................ 11
2.4.1
2.4.2
2.4.3
Staatliche Institutionen ............................................................................................. 11
Weitere nationale Akteure ........................................................................................ 14
Internationale Einflüsse ............................................................................................ 15
3. Das Politikfeld und seine Entwicklung im föderalen System
der Bundesrepublik .............................................................17
3.1
Politikverflechtung zwischen Bund und Ländern in der Schulpolitik................ 17
3.2
Phasen der Entwicklung des Bildungsföderalismus 1945 - 2005......................... 18
3.2.1
3.2.2
3.2.3
3.2.4
3.2.5
3.2.6
3.2.7
3.2.8
3.2.9
3.3
3.3.1
3.3.2
3.4
Wiederaufbau, Vereinheitlichung und tastende Reformen: Etablierungsphase (19451963)......................................................................................................................... 18
Große Bildungspolitische Koalition: Aufschwung des Politikfeldes (1964-1969)... 20
Bildungseuphorie: Hochkonjunktur und Polarisierung (1969-1974)........................ 21
Bildungspolitische Resignation: Flaute (1974-1982) ............................................... 22
Bildungskrise und Rückzug des Bundes (1982-1987).............................................. 23
Neuorientierung und Wiedervereinigung (1987-1995)............................................. 23
Paradigmenwechsel und neuer Aufschwung (1995-2001) ....................................... 24
Der PISA-Schock, die zweite Hochkonjunktur und die schnelle Normalisierung
(2001-2005) .............................................................................................................. 25
Die Föderalismusreform und weiterer Ausblick....................................................... 26
Die Institutionen der dritten Ebene und ihre Bedeutung..................................... 27
Koordinationsgremien: KMK und BLK ................................................................... 28
Beratungsgremien..................................................................................................... 31
Zwischenbilanz: Schulpolitik im deutschen Föderalismus .................................. 33
4. Die Möglichkeiten des Bundes in der Schulpolitik:
Einflussnahme in engem Rahmen .....................................35
4.1
Der rechtliche Rahmen und das Beispiel nationaler Bildungsstandards............ 35
4.2
Finanzielle Anreize: die „goldenen Zügel“ ............................................................ 37
4.3
Weitere Möglichkeiten der Einflussnahme ........................................................... 39
4.3.1
4.3.2
4.4
Informierung am Beispiel der Bildungsreform nach PISA....................................... 40
Strukturierung am Beispiel „Schulen ans Netz e.V.“ ............................................... 41
Überblick über die Möglichkeiten.......................................................................... 43
-I-
5. Analyse des Stellenwerts der Schulpolitik in der deutschen
Exekutive .............................................................................44
5.1
5.1.1
5.1.2
5.1.3
5.2
5.2.1
5.2.2
5.2.3
5.3
5.3.1
5.3.2
5.3.3
5.4
Das Bundesministerium und seine Möglichkeiten ................................................ 46
Das Ministerium: Ressortkompetenz der Minister ................................................... 46
Das Bundesministerium und der Parteieneinfluss .................................................... 48
Die Minister und ihr politischer Einfluss und Werdegang ....................................... 51
Einflussnahme des Bundeskanzlers I: Analyse der Regierungserklärungen von
1949-2005 .................................................................................................................. 54
Grundlage der Analyse und Klassifikation der Erklärungen .................................... 55
Inhalt und Funktion der Regierungserklärungen ...................................................... 57
Regierungserklärungen und Schulpolitik.................................................................. 59
Einflussnahme des Bundeskanzlers II: vertiefende Analyse ............................... 62
Regierungserklärungen vor 1969.............................................................................. 63
Zwei Hochkonjunkturen im Vergleich: Brandt und Schröder .................................. 64
Uneindeutige Trends: Schmidt, Kohl, Merkel.......................................................... 67
Auswertung: Gesamtbild von Ministern und Kanzlern....................................... 70
6. Zur Föderalismusreform aus Sicht der Schulpolitik..........72
7. Resümee: Die Rolle des Bundes in der Schulpolitik ..........78
Anhang . ..................................................................................82
Tabellen- und Abbildungsverzeichnis................................................................................ 82
Literaturverzeichnis ............................................................................................................ 83
Organisationspläne des BMBF 2005 und 2006 ................................................................. 88
Verpflichtende Erklärung der Selbständigkeit............... Fehler! Textmarke nicht definiert.
- II -
1. Einleitung
„Wie kleinmütig kommt angesichts dieser Ergebnisse [- gemeint sind die
PISA-Ergebnisse (vgl. Deutsches PISA-Konsortium, 2002) -] doch der
Streit einiger Ministerpräsidenten daher, wer warum im oberen oder
unteren Drittel der Zweiten Liga platziert ist. Oder die so tun, als ginge sie
das alles nichts an, weil sie eine viel zu geringe Zahl an Schülern in die
Erste Liga haben bringen können. Sie übersehen dabei das Wesentliche,
denn wir müssen uns ernsthafte Gedanken machen, ob sich der deutsche
Bildungsföderalismus nicht selbst zu Grabe getragen hat. Die
Kultusministerkonferenz hat sich ihr Zeugnis abgeholt: ihre
Gesamtleistungen sind schlecht, Versetzung ausgeschlossen. Was als
"föderaler Wettbewerb" gepriesen wird, erweist sich im Licht der
innerdeutschen PISA - Ergebnisse als Länderegoismus auf dem Rücken der
deutschen Schüler.“
Bundeskanzler Gerhard Schröder, 27.06.2002
Die Ergebnisse der internationalen PISA-Studien („Programme for International
Student Assessment“-Studien) haben ein Politikfeld in Bewegung gebracht, wie dies
keineswegs zu erwarten war. Bildungspolitik, genauer: Schulpolitik, geriet durch die
Perzeption der Ergebnisse einer internationalen Schulleistungsvergleichsstudie in eine
unvorhersehbare Phase der Hochkonjunktur. Die verkürzte, 2005 abgelaufene zweite
Amtszeit der Regierung Schröder verhieß, so zumindest im Wahlkampf 2002
angekündigt, eine Schwerpunktsetzung in dem Bereich der Bildungspolitik.
Mittlerweile ist, nach dem Aktionismus unmittelbar nach der Veröffentlichung der
Ergebnisse, die Bildungspolitik wieder in ruhigere Gewässer zurückgekehrt. Erste
Analysen, ob dieser externe Schock die Struktur des Politikfeldes verändern konnte,
sind nun möglich.
Nach der Veröffentlichung der Ergebnisse des Bundesländervergleichs (Deutsches
PISA-Konsortium, 2002) ergab sich hierfür ein window of opportunity, in dem die
Regierung Schröder versuchte, im Besonderen auf Kosten der Kultusministerkonferenz
(KMK) ihre Kompetenzen zu erweitern, das einleitende Zitat belegt dies nachdrücklich.
Diese Zielsetzung fand einen großen Rückhalt in der Bevölkerung, die die Leistungen
-1-
Einleitung
des Föderalismus in der Bildungspolitik insbesondere seit PISA sehr skeptisch
bewertet. Belegbar ist einerseits, wie die relative Wichtigkeit des Verbesserungsbedarfs
des Schulsystems von 34% (Platz 4, perspektive deutschland 2001: 25) auf rund 75%
(Platz 1, perspektive deutschland 2003/04: 42) gestiegen ist. Die zweijährig
durchgeführte Umfrage des Instituts für Schulentwicklungsforschung IFS bescheinigt
nach ihrer 13. Repräsentativbefragung (2004) darüber hinaus, dass 76% der
Bundesbürger sich eine stärkere Rolle des Bundes in der Schulpolitik wünschen. Die
Reaktion der Bildungspolitik auf die PISA-Ergebnisse wird von rund 72% der
Befragten als „eher schlecht“ bzw. „sehr schlecht“ bewertet (IFS-Umfrage 2004: 49).
Aktuelle Brisanz bekommt dieses Thema zudem durch die jüngsten Entwicklungen im
Rahmen der Föderalismusreform, deren schwer zu prognostizierende Auswirkungen
die bestehenden Strukturen maßgeblich verändern könnten.
Obwohl die fachwissenschaftlichen Wurzeln dieser aktuellen Debatte noch vor diesen
Zeitraum zurück reichen, begründet sich die Motivation dieser Arbeit im Anspruch des
Rot-Grünen Projekts, in der Schulpolitik aktiv zu werden. Vor diesem Hintergrund
stellt sich die Frage, welche Rolle der Bund in diesem „Kernbereich der
Eigenständigkeit der Länder“ (BVerfGE 6, 309, 346f.) einnehmen kann und
eingenommen hat.
1.1
Fragestellung
Ziel dieser Arbeit ist es, eine möglichst umfassende Untersuchung der Möglichkeiten
und der tatsächlichen Handlungen der Bundesebene in diesem Politikfeld
durchzuführen. Die Motivation dieser Fragestellung ist einerseits durch die aktuelle
politische Relevanz gegeben, mehr noch aber durch die Analyse von Möglichkeiten der
Einflussnahme im engen Kompetenzgeflecht der Bundesrepublik. Faktisch findet hier
immer wieder ein „Hineinregieren“ der Bundesebene in die Landeskompetenzen statt,
dass sich sowohl am Rande der Vorgaben des Grundgesetzes, wie auch in juristisch
nicht eindeutig geklärten Verhältnissen zwischen Bundes- und Länderebene bewegt1.
1
Nach Auffassung z.B. des Bundesrechnungshofes ist ein Investitionsprogramm, wie das prominenteste
Projekt in diesem Politikfeld der letzten Jahre, nämlich das zum Ausbau der Ganztagsschulen, nicht mit
dem zu diesem Zeitpunkt gültigen Grundgesetz rechtmässig gewesen. Der Rechnungshof moniert, dass
der Bund über die Verwendung der Mittel keine adäquaten Kontrollmöglichkeiten besitzt. Vgl. z.B.
http://www.welt.de/data/2006/05/09/884508.html?prx=1 (31.08.2006)
-2-
Einleitung
Es wird sich in dieser Arbeit herauskristallisieren, dass auf Bundesebene vor allem die
Rolle der Regierung von Relevanz ist, das Parlament spielt hier nur eine sehr
untergeordnete Rolle. Die zentrale Fragestellung dieser Untersuchung ist also, wie sich
der Einfluss der Exekutiven des Bundes in diesem Politikfeld entwickelt hat, unter
besonderer Berücksichtigung der Zeit seit PISA 2000. Dabei wird die Untersuchung
der Einflussmöglichkeiten und Funktionen des Bundesministeriums, sowie die
Schwerpunktsetzung der gesamten Regierung durch den Bundeskanzler, die zentralen
Ansatzpunkte zur Klärung dieser Frage liefern.
Speziell ergeben sich hieraus folgende Fragestellungen für die politische Wissenschaft,
die diese Arbeit leiten werden; sie sollen im wechselseitigen Zusammenhang beantwortet werden:
-
Welchen potentiellen Einfluss kann die Bundesregierung, und speziell das
Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Bildungssektor
ausüben? Wie wurde der Spielraum bisher genutzt, und wie funktioniert die
Zusammenarbeit
mit
den
Ländern
im
Schulbereich
aus
Sicht
der
Bundesregierung?
-
Welchen Stellenwert hat das Politikfeld im Rahmen der Exekutiven der
Bundesrepublik, und wie hat sich dieser seit 1949 entwickelt?
-
Konnte in diesem Fall eines stark verflochtenen Systems der Einfluss der
bundesstaatlichen Exekutiven durch ein unvorhergesehenes Ereignis aufgewertet
werden, oder waren die bewahrenden Kräfte stärker?
Hieraus ergibt sich auch eine Beantwortung der Frage, ob die Rot-Grüne
Bundesregierung ihren Anspruch umsetzen konnte, im Zuge der mittelmäßigen PISAErgebnisse ihre Kompetenzen auszuweiten – im Besonderen im Vergleich zu früheren
Regierungen. Dabei zeigt sich, dass sich zwar die Grundausrichtung des Bildungssystems im Laufe der letzten Jahre fundamental verändert hat, nicht jedoch, entgegen
den Versuchen und Bekenntnissen, die Machtverhältnisse in der Bildungspolitik. Das
Politikerbe in diesem Feld, so lautet die These, ist ein so verflochtenes System, das eine
„Katastrophe“, die viel öffentlichen Druck produzierte, mittelfristig nur wenig
verändern konnte.
Wie ein größerer Bundeseinfluss normativ einzuordnen ist, ist nicht Gegenstand dieser
Arbeit; vielmehr dominiert die empirisch-analytische Herangehensweise. Daneben
sind, um die eigene Position deutlich zu machen, aus meiner Sicht jedoch eindeutige
-3-
Einleitung
Defizite des Bildungsföderalismus an vielen Stellen erkennbar, angedeutet seien nur die
Vergleichbarkeit der Abschlüsse, oder die mangelnde Durchlässigkeit der einzelnen
Schulsysteme. Die Zusammenarbeit der Länder über die Kultusministerkonferenz
scheint wenig effektiv. Zudem ist in diesem wichtigen Politikbereich an vielen Stellen
der Bedarf bundeseinheitlicher Regelungen offenkundig. Diese Arbeit belegt, dass der
Bund nicht über die institutionellen Möglichkeiten verfügt, diesem Bedarf gerecht zu
werden.
1.2
Gang der Argumentation, Operationalisierung
Um Ausgangsfragen zu beantworten, werden drei wesentliche Schritte zur Analyse
dieser policy unternommen. Die Argumentation geht dabei in folgenden Schritten vor:
(1)
Nach der Klärung der Grundvorrausetzungen wird ein Rückblick in die Phasen
der Entwicklung des deutschen Bildungsföderalismus gemacht, ausgehend vom
Ende des zweiten Weltkrieges 1945. Dabei zeigt sich, dass das Politikfeld
Schulpolitik ein besonderer Fall im „kooperativen System“ des deutschen
Föderalismus ist. Dies wird durch einen Längsschnitt über die Entwicklungen
seit der Gründung der Bundesrepublik in mehreren Schritten dargestellt.
(2)
Im Anschluss daran werden die Möglichkeiten der Einflussnahme des Bundes –
in diesem Bereich kann nicht direkt von Steuerung gesprochen werden –
typologisiert und in ihrer Bedeutung bewertet.
(3)
Um danach den Stellenwert des Politikfeldes herauszufinden, wird methodisch
ein neuer Ansatz verfolgt: hier geraten die Regierungserklärungen als
erklärende Variablen in das Zentrum der Analyse. Aus ihnen lässt sich sowohl
das Vorhaben der Regierung ableiten, als auch der Erfolg im Rahmen der
eingeführten Chronologie einordnen. Daneben wird zusätzlich an dieser Stelle
auch die Rolle der jeweiligen Minister untersucht. Zum Schluss wird mit
ausblickhaftem Charakter auch die neueste Entwicklung im Rahmen der Reform
der bundesstaatlichen Ordnung aus der Sicht der Schulpolitik zusammengestellt.
Die Bildungspolitik wird im Folgenden, wie im zweiten Kapitel begründet und im Titel
angekündigt, auf den Teilaspekt der Schulpolitik reduziert. Diese Reduzierung wurde
bisher so nicht vorgenommen, erscheint jedoch als sinnvoll: Die Kompetenzverteilung
ist hier, anders als in anderen Teilbereichen der Bildungspolitik, besonders durch die
-4-
Einleitung
Kultushoheit der Länder dominiert. Dennoch kann nicht geleugnet werden, dass eine
Schulpolitik der Bundesebene existiert. Dieser Bereich bildungspolitischer Steuerung
steht im Mittelpunkt der Analyse. Zunächst wird jedoch im zweiten Kapitel versucht,
Inhalte und Einflussfaktoren des Politikfeldes insgesamt darzustellen. Dabei stellen
sich auch Fragen nach den Gegenständen von Bildungsprozessen, die hier allerdings
nur angedeutet werden. Sie zeigen von vorne herein den normativen Rahmen, in dem
sich die Schulpolitik permanent bewegt.
Die genannte grobe Argumentationsstruktur behält insgesamt ihren Charakter als
Längsschnitt über die Geschichte der Bundesrepublik in weiten Teilen der Arbeit. Die
Möglichkeiten der Einflussnahme, dargestellt in Kapitel 4, bilden hierbei eine bewusste
Ausnahme: sie typologisieren die in den letzten Jahren genutzten und als möglich
erscheinenden Optionen bundesstaatlichen Handelns.
Daneben finden im Konzept der Ermittlung der relativen Wichtigkeit des Politikfeldes
die handelnden Personen als solche besondere Beachtung. Die Rolle insbesondere der
Bundesminister des Bildungsressorts als auch der Regierungschefs mit ihrer
Richtlinienkompetenz werden im fünften Kapitel eingehend untersucht und in Kenntnis
von Strukturen und Institutionen eingeordnet. Die dort gewonnenen Erkenntnisse –
anhand einer Fallstudie präsentiert – bieten Raum für weitere Untersuchungen.
Insbesondere der relative Stellenwert des Politikfeldes in Relation zu anderen
Politikfeldern als Vergleichsmöglichkeit muss im Rahmen dieser Untersuchung
unberücksichtigt bleiben, könnte aber wichtige neue Erkenntnisse hervorbringen.
1.3
Stand der Forschung
Dieser Beitrag zum politischen System der Bundesrepublik kreist um Fragen, die mit
der föderalen Struktur zu tun haben. Neben der Föderalismusforschung spielen aber
auch die Veröffentlichungen aus der Bildungsforschung eine wesentliche Rolle.
Untersuchungen in diesem Rahmen sind stets sehr speziell auf eine bestimmte
Fragestellung zugeschnitten, daher ist trotz umfangreicher Literatur in beiden
Forschungsgebieten dieser konkrete Zusammenhang bisher noch nicht beleuchtet
worden.
Die Fragestellung ist deswegen in besonderer Weise von Interesse, weil die Grenzen
für Handlungen des Bundes so eng gesteckt sind. Trotzdem sind die Kompetenzen in
diesem Bereich nicht eindeutig zwischen Bundes- und Länderebene getrennt. Eine
-5-
Einleitung
eindeutige Entflechtung, so lässt sich aus dieser Analyse ableiten, wird in diesem
Politikfeld jedoch auch die Reform der föderalen Ordnung nicht mit sich bringen
können. Vielmehr bewegt sich der Bund, auch durch indirekte Einflussnahme, weiter
als Akteur in diesem Gebiet, ohne dass die Länder die Möglichkeit besitzen, dies zu
verhindern.
Während der Einfluss der Parteien auf die Bildungspolitik bereits Gegenstand von
Untersuchungen war (s. Stern 2000), bezieht sich diese Arbeit auf die Sicht der
Bundesregierung. Dabei spielen parteipolitische Argumente natürlich immer wieder
eine Rolle, können aber die Prozesse der Schulpolitik nicht erklären, wenn nicht die
jeweiligen Einflussmöglichkeiten der Institutionen berücksichtigt werden.
Dieser Arbeit liegt als besonders wichtige Referenz die umfassende Darstellung von
Cortina, Baumert, Leschinsky, Mayer und Thrommer (Hg.) „Das Bildungswesen in
Bundesrepublik Deutschland“ (2003) zugrunde. Daneben ist die weitere verwendete
Literatur abhängig von den einzelnen Analyseschritten. Insgesamt ist die spezielle
Literaturlage aus politikwissenschaftlicher Sicht nicht besonders umfangreich, es sind
jedoch in diesem Bereich verstärkte Aktivitäten seit der Veröffentlichung von „PISA
2000“ (Deutsches PISA-Konsortium 2002 und 2003) eindeutig zu beobachten.
-6-
2. Der Untersuchungsgegenstand: Schulpolitik
„Daß nun der Gesetzgeber vor allem für die Erziehung der Jugend sorgen muß, dürfte
wohl niemand bezweifeln“ (Aristoteles: 1337 a 11f.). Offensichtlich ist die Schulpolitik
eine der zentralen Aufgaben des Staates. Schon seit der Antike ist sie bereits Bestandteil der Analyse der Staatstätigkeit, wie sich nicht nur durch Aristoteles, sondern auch
durch weitere überlieferte politische Schriften der Antike belegen lässt. Auch wenn
sich die Formen der Politik seit Aristoteles stark verändert haben, so sind die Aufgaben
des Staates, die wir heute unter Bildungshoheit fassen, in den modernen Demokratien
immer noch zentral.
Dabei ist „das Bildungswesen in seiner Form und seinen Inhalten weitgehend gestaltbar
oder manipulierbar“ (Thränhardt 1990: 186) – die prinzipiellen staatlichen Einflussmöglichkeiten auf Inhalt und Struktur des Bildungswesens sind sehr groß. In der
Politikwissenschaft wird versucht, drei unterschiedliche Dimensionen des Politikbegriffs, policys, politys und politics, zu Analysezwecken zu differenzieren.
Diese Unterteilung in Strukturen beziehungsweise Institutionen, Prozesse und Inhalte
oder Entscheidungen ist nicht immer eindeutig möglich; vielmehr stehen natürlich alle
drei Elemente in Wechselbeziehungen zueinander, insbesondere ist das Verhältnis von
Inhalten und Prozessen von Bedeutung (vgl. Heinelt in Schubert u.a. 2003). Der
Schwerpunkt dieser Arbeit wird auf einer Analyse der Akteure und Institutionen auf
Bundesebene, und in der relativen Bedeutung des Politikfeldes auf dieser Ebene liegen.
Im Bereich der Schulpolitik werden die Prozesse und Akteure auch von spezifischen
inhaltlichen Faktoren beeinflusst. Daher ist es notwendig, diese Einflussgrößen vorab
in Augenschein zu nehmen. Die Definition und Abgrenzung des Politikfeldes bildet in
diesem Sinne die Grundlage für die weitere Analyse.
2.1
Gegenstand und Ziel der Bildungspolitik
Bildungspolitik ist der Oberbegriff über alle Handlungen, der die gesamtgesellschaftlich verbindliche Gestaltung des Ausbildungswesens in den drei Dimensionen der
Politik beschreibt, so lautet eine Definition des Politikfeldes (Schmidt 2004: 86). Dabei
bezieht sich der Begriff auf alle Maßnahmen der geplanten Bildung.
Die Ziele der Bildungspolitik sind allgemein:
1) in der nat. Enkulturation und Sozialisation junger Menschen,
-7-
Der Untersuchungsgegenstand: Schulpolitik
2) in der Ausbildung von Fähigkeiten und Fertigkeiten,
3) im Erwerb von Kompetenzen sowie in der Vorbereitung auf eine berufliche und
gesellschaftl. Stellung,
4) in der Vermittlung von Erkenntnismethoden und Formen der Eigentätigkeit
sowie in Erfahrungen des sozialen Lebens,
5) ferner in der Einübung von Loyalität und Kritik, Anpassung und Widerstand,
Individualität und Solidarität, von Freiheit und Gleichheit, von öffentlichen
Tugenden, von Akzeptanz und Distanz usw.
(Mickel in Nohlen 2001: 33)
Es gibt offensichtlich Abhängigkeiten der Bildungspolitik von Entwicklungen im
Bildungswesen; Beispiele hierfür sind die Folgen der demografischen Entwicklungen,
oder von gesellschaftlichen Trends, wie das sinkende Ansehen der Hauptschulen, die
ebenfalls die Bildungspolitik beeinflussen können (Massing 2003: 31).
Es ist nicht die Aufgabe dieser Arbeit, den zugrunde liegenden Bildungsbegriff zu
analysieren 2 ; jedoch ist es wichtig sich die normative Komponente zu vergegenwärtigen. Wenn Ziele von Bildungsprozessen definiert werden, so geschieht dies stets
in einem ideologischen Rahmen, welcher von einem Menschenbild gesteckt wird. Ein
Beispiel hierfür ist die für die Wiederbelebung der öffentlichen Debatte wichtige Rede
des Bundespräsidenten Herzog (5.11.1997), in der er sechs erwünschte Eigenschaften
eines Bildungssystems definiert, als deren erste er die Werteorientierung nennt (Herzog
1997, s. auch Rutz 1997). Völlig anders hingegen argumentieren beispielsweise
gegenwärtig die Forscher der OECD, die ihre Arbeiten im Bildungssektor aus der
Problematik der „employability“ von Menschen heraus in das Zentrum ihrer Analysen
stellen.
Im Allgemeinen reicht das dem Bildungsbegriff zugrunde liegende Menschenbild in
den westlichen Demokratien bis in das griechische Denken zurück (Arnold u.a. 1979:
95) und ist heute durch den Neuhumanismus und die Aufklärung - speziell den Begriff
des mündigen Bürgers von Immanuel Kant - geprägt. Wesentliche Teile dieses
Menschenbildes sowie des Bildungsbegriffs verwendet auch schon Jean-Jacques
Rousseau, der insbesondere mit seiner Forderung nach Loslösung der Bildung von
kirchlichem Einfluss den Weg für staatliche Bildungssysteme der Moderne öffnete. Die
Diskussion um den Bildungsbegriff in der Theorie der Erziehung und der Schule kann
natürlich keineswegs als abgeschlossen gelten; sie stellt sowohl historisch als auch in
2
Münch (2002) schlägt vor, den „problematischen Begriff“ durch den weniger vorbelasteten
Kompetenzbegriff zu ersetzen, der auch verstärkt in den neueren bildungspolitischen Dokumenten
anzufinden ist. (Münch 2002: 21ff.)
-8-
Der Untersuchungsgegenstand: Schulpolitik
ihrer interdisziplinären, geisteswissenschaftlichen Struktur die Vielfältigkeit und
Relevanz dieser Grundfrage dar.
2.2
Funktionen des Bildungswesens
Die Funktionen des Bildungswesens korrespondieren mit den Bildungszielen – und
sind somit ebenso ideologisch belastet. Die Zuordnung von Bildungspolitik ist auf
Bundesebene schwierig; genauso wenig wie in der realen Politik ist die Verortung der
Schulpolitik3 in der Wissenschaft keineswegs eindeutig. Teilweise wird das Bildungswesen als Aufgabe der Sozialpolitik (z.B. in Beyme u.a. 1990), teilweise als Zukunftssicherungspolitik 4 , oder auch als Standortpolitik gedeutet. Daraus resultiert nahe
liegender Weise, dass der Konkurrenzdruck um Ressourcen besonders groß ist. Der
Spagat zwischen Zukunftssicherungspolitik, im Besonderen im Rahmen der
ökonomisch
geprägten
Diskussion
um
Humankapital,
und
sozialpolitischen
Vorstellungen im Rahmen der Gerechtigkeitsvorstellungen ist traditionell die zentrale
Konfliktlinie, wenn es um die Angelegenheiten des Schulwesens geht.
Die Aufgaben des Bildungswesens lassen sich in vier Bereiche unterteilen (nach
Massing 2003: 31, Arnold u.a. 1979: 97ff.):
1.) Schulpolitik formuliert, gestaltet, steuert und kontrolliert den spezifischen
pädagogischen Auftrag des Staates
2.) Bildungspolitik versucht die Beziehung zwischen Bildungssystem und
Beschäftigungssystem
zu
regulieren
und
aufeinander
abzustimmen.
Ideologisch sehr stark beladen ist die damit zusammenhängende Frage nach
der „Vorverteilung“ gesellschaftlicher Positionen im Rahmen einer Selektionsfunktion.
3.) Schulpolitik vermittelt die in der Gesellschaft geltenden politischen Wert- und
Gerechtigkeitsvorstellungen (Integrationsfunktion). Dazu zählt insbesondere
auch der Auftrag der politischen Bildung.
3
Eine Abgrenzung der Terme Schulpolitik und Bildungspolitik s. Abschnitt 2.3 .
Nach den Absprachen über die Ressortverteilung zwischen CDU/CSU und SPD nach der
Bundestagswahl 2005 äußerten sich Mitglieder der SPD (insbesondere die „Netzwerker“) speziell
darüber enttäuscht, keine Ressorts dieses Politikbereichs - verstanden als Sammelbegriff für Teile der
Wirtschaftspolitik, Umweltpolitik, Forschungspolitik, Atompolitik, Verbraucherschutzpolitik,
Familienpolitik und Bildungspolitik - in der neuen Regierung zu bekleiden (vgl. z.B. Robert Roßmann
(SZ, 10.10.2006): Angela Merkel wird Kanzlerin).
4
-9-
Der Untersuchungsgegenstand: Schulpolitik
4.) Die drei anderen Teilbereiche implizieren eine Qualifikationsfunktion der
staatlichen Schulpolitik, die auch als eigenständige Aufgabe gewertet werden
kann.
Massing folgert hieraus zusammenfassend, dass Bildungspolitik „demnach ein
komplexer, politischer, ideologischer, in hohem Maße konsensabhängiger, sozialer und
organisatorischer Prozess“ (2003: 31f.) sei.
Ein weiterer wesentlicher Gegenstand der staatlichen Schulpolitik ist darüber hinaus
die Herstellung der nationalen wie internationalen Vergleichbarkeit, insbesondere der
Abschlüsse. Dies spielt durch den wachsenden Einfluss der Europäischen Union,
beispielsweise bei der Freizügigkeit der Arbeitskräfte, eine zunehmend wichtige Rolle.
Auf der innerstaatlichen Ebene ist dies eine der zentralen Aufgaben, die Koordination
über die Ländergrenzen hinweg bedürfen. Die Gewährleistung der Mobilität ist eine der
wichtigen inhaltlichen Klammern der Schulpolitik - neben dem Auftrag des
Grundgesetzes, ein gewisses Maß an Einheitlichkeit herzustellen, beziehungsweise zu
bewahren. Hieraus resultiert ein Handlungskorridor, in dem sich die Schulpolitik
notwendigerweise bewegt.
2.3
Gliederung in Teilbereiche und Fokussierung
Bildungspolitik ist an definierbare Umsetzungsebenen gebunden. Diese stellen die
unterste Ebene des Politikfeldes dar; hier kommen die Bürger mit den Entscheidungen
in Berührung. Nach Schmidt (2004: 86) gibt es sechs Teilbereiche der
bildungspolitischen Steuerung5:
1) Elementar- und Vorschulbereich (nicht der Schulpflicht unterliegend)
2) Primarbereich (Schuljahr 1 bis 4 der Grund- und Sonderschulen)
3) Sekundarbereichs I (5. bis 10. Schuljahr in der Regel an Haupt-, Real-,
Gesamtschulen oder Gymnasien)
4) Sekundarbereich II (Oberstufe, also Schuljahre 11. bis 13. an Gymnasien und
berufsbildenden Schulen)
5) Tertiärbereich
(Hochschulen
in
allen
Formen,
sowie
Seminare
und
Berufsakademien)
5
Auch im Bericht über das „Bildungswesen in Bundesrepublik Deutschland“ des Max-Planck-Instituts
für Bildungsforschung (Cortina u.a. 2003) werden diese Teilbereiche getrennt dargestellt. Allerdings
wird hier der Sekundarbereich II der Gymnasien nicht vom Sekundarbereich I getrennt, sondern die
Sekundarstufe II nur im Sinne der beruflichen Bildung behandelt.
- 10 -
Der Untersuchungsgegenstand: Schulpolitik
6) quartären Bereich der Aus- und Weiterbildung für Jugendliche und Erwachsene.
Einem erweiterten Begriff von Bildungspolitik können noch weitere bildungs- und
kulturpolitische Zuständigkeiten zugeordnet werden. Hierzu zählen Aufgaben wie
Museen,
Denkmalpflege,
Bibliotheken,
Teile
der
Kulturpolitik,
aber
auch
Integrationspolitik, Aufklärungskampagnen, Bildungsentwicklungshilfe bis hin zu
Städtepartnerschaften (vgl. Fuchs u.a. 2000: 38ff.).
Drei
der
genannten
Teilbereiche
der
Bildungspolitik
lassen
sich
sinnvoll
zusammenfassen: die Bereiche, die mit der Institution Schule verknüpft sind, also der
Primarbereich und die Sekundarbereiche I und II. Diese sollen - ohne das berufliche
Bildungswesen - im Zentrum dieser Betrachtung stehen. Diese Einschränkung der
Bildungspolitik auf die Schulpolitik ist für diese Analyse leitend; sofern nicht explizit
erwähnt, bezieht sich der Begriff Bildungspolitik stets auf den Teilbereich der
Schulpolitik. Die anderen drei Bereiche, sowie die genannten weiteren Aufgaben
unterscheiden sich so fundamental aus Sicht der Politikwissenschaft, dass sie nur sehr
verallgemeinernd dem gleichen Politikfeld zugeordnet werden können: Die Prozesse,
Strukturen und Inhalte zwischen der Schulpolitik und den anderen Bereichen der
Bildungspolitik unterscheiden sich in der Bundesrepublik wesentlich.
2.4
Träger und formale Kompetenzen in der Schulpolitik
Nachdem die inhaltlichen Bestandteile der Schulpolitik eingegrenzt wurden, stellt sich
die Frage der Träger und Akteure in diesem Bereich. Dominiert wird das Politikfeld in
der Bundesrepublik von staatlichen Akteuren und Institutionen, aber selbstverständlich
sind auch die nichtstaatlichen Akteure, die teilweise auch als private Träger auftreten,
von Bedeutung.
2.4.1 Staatliche Institutionen
Die staatlichen Institutionen der Schulpolitik sind, in dieser ersten Charakterisierung
des Feldes, auf allen drei Verwaltungsebenen, also bei Bund, Länder und Kommunen
angesiedelt. Diese beeinflussen mit Parlamenten und Ausschüssen, Regierungen,
Ministerien und Verwaltungen, intermediären Institutionen und Verwaltungs- und
Verfassungsgerichten bildungspolitische Entscheidungen (Fuchs u.a. 2000: 33). Dabei
widmet sich diese Arbeit insbesondere dem Zusammenspiel der Institutionen oberhalb
- 11 -
Der Untersuchungsgegenstand: Schulpolitik
der Länderebene. Sie wird damit aus der Sichtweise des Bundes heraus durchgeführt.
An dieser Stelle werden jedoch zunächst die formalen Kompetenzen der einzelnen
Ebenen genannt, als Grundlage für die weitere Analyse. Abschnitt 3.3 befasst sich mit
den Kooperations- und Beratungsgremien zwischen den Ländern sowie Bund und
Ländern – zuvor auch in ihrer historischen Entwicklung. In Kapitel 4 und 5 werden die
Kompetenzen des Bundes vertieft analysiert.
Schematisch hat Leschinsky (in: Cortina u.a. 2003: 151) die Kompetenzstrukturen in
der Bildungspolitik folgendermaßen veranschaulicht:
Abbildung 1: Schema der Einfluss- und Kompetenzstrukturen im Bildungs- und
Wissenschaftsbereich
Quelle: Leschinsky in Cortina u.a. 2003: 151
Dieses Schaubild verdeutlicht einerseits, wie kompliziert die Entscheidungs- sowie
Beeinflussungszusammenhänge in dem Politikfeld sind, andererseits gibt es einen
ersten schematisierenden Überblick über die Kompetenzverteilung. Dieses Schaubild
zeichnet sich im Besonderen dadurch aus, dass es alle formal am Politikfeld beteiligten
Institutionen vollständig aufführt und in Beziehung zueinander setzt. Dabei werden
auch der dreigliederige Verwaltungsaufbau und die entstandenen Verflechtungssituationen deutlich, in die das Bildungssystem der Bundesrepublik eingebettet ist.
Jedoch können die Strukturen unterhalb der Länderebene, also im kommunalen
Bereich, stark variieren; um dies an einem Beispiel zu verdeutlichen: die
Kompetenzstrukturen zwischen den Institutionen und der untersten Verwaltungsebene
sind je nach Bundesland unterschiedlich.
- 12 -
Der Untersuchungsgegenstand: Schulpolitik
Die Anordnung simplifiziert offensichtlich den Politikbereich stark: dem Schaubild
nach beeinflussen die zwei zentralen Gremien der Schulpolitik, die KMK und die BLK
keine Institutionen oder staatlichen Ebenen: sie besitzen keine Pfeile des Typs
„beeinflussen“. Darüber hinaus besitzt die Bundesebene dem Schaubild nach keinerlei
Einfluss auf die allgemein bildenden Schulen. Diese würden ausschließlich von den
Ländern und Gemeinden beeinflusst. Diese Reduktionen dienen womöglich der
Veranschaulichung, entsprechen aber nicht den Gegebenheiten. Jedoch verdeutlicht die
Grafik, dass die Länderebene, dadurch, dass sie einerseits die Koordinationsgremien
besetzt und andererseits die wesentlichen und unmittelbaren Einflussmöglichkeiten
besitzt, der gewichtigste Akteur in diesem Bereich ist.
Die dritte Gewalt, die richterliche Kontrolle spielt keine sehr bedeutende Rolle in der
Ausgestaltung des Politikfeldes. Das Konkordatsurteil des Bundesverfassungsgerichts
(BVerfGE 6, 309) bildet hiervon eine Ausnahme, und wird von den Kritikern einer
starken Bundesebene häufig zitiert. Anders als im Hochschulbereich sind bisher wenige
Punkte der Bund-Länder Auseinandersetzung im Schulwesen vom Verfassungsgericht
zu klären gewesen. Von Bedeutung hierfür ist gerade in diesem Politikfeld, dass „die
(deutsche) Staatspraxis in besonders hohem Maße durch die Anerkennung
verfassungsrechtlicher Normen und die Antizipation verfassungsgerichtlicher Interventionen beschränkt“ wird (Scharpf 2005: 24). Eine bemerkenswerte Ausnahme bildet
der Kruzifix-Beschluss des Bundesverfassungsgerichts. Hierbei steht das Verhältnis
von Staat zu Religion jedoch noch über der tatsächlichen schulpolitischen Relevanz.
Das Zustandekommen der Lehrinhalte, also der Vorgaben, was an den Schulen
„passieren“ soll, ist demokratietheoretisch nicht unproblematisch. Bei den Lehrbeziehungsweise Bildungsplänen handelt es sich meist um Ausarbeitungen der
Ministerialbürokratie die per Verordnung umgesetzt werden. Sie unterliegen meist
keiner direkten parlamentarischen Kontrolle. Transparenz über die Entstehung der
Lehrinhalte oder die Einteilung der Unterrichtsfächer und Mengen besteht meist nicht6.
Daraus ergibt sich eine besondere Verantwortung für das federführende Ministerium.
6
Durch das Internet ist der Zugang zu den jeweils gültigen Lehrplänen wesentlich einfacher geworden;
der Bund und die Länder stellen auf dem von ihnen gemeinsam betriebenen Server die entsprechenden
Daten unter: http://www.bildungsserver.de/zeigen.html?seite=400 (31.08.06) bereit; in jüngerer Zeit und
manchen Ländern (z.B. Baden-Württemberg) wurden die Daten auch schon vor dem Inkrafttreten zur
öffentlichen Einsichtnahme und Kommentierung bereitgestellt.
- 13 -
Der Untersuchungsgegenstand: Schulpolitik
2.4.2 Weitere nationale Akteure
Um die ganze Breite des Politikfeldes zu erfassen, sind hier auch die beteiligten
gesellschaftlichen Kräfte - einschließlich der betroffenen Verbände - aufzuführen, die
Einfluss auf die Schulpolitik ausüben können. Eine zentrale Rolle kommt dabei
natürlich den Parteien7 sowie den Massenmedien zu. Beide können sehr einflussreich
sein. Besondere Wichtigkeit in diesem speziellen Politikbereich haben darüber hinaus
folgende politikfeldspezifischen Akteure:
1. Kirchen und Religionsgemeinschaften, insbesondere die evangelische und
katholische Kirche, deren Einfluss im deutschen Schulsystem besonders groß
ist. Neben dem Religionsunterricht (GG, Art. 7 Abs. 3) haben sie zusätzlich
Bedeutung als der größte Träger nichtstaatlicher Schulen.
2. Politikfeldnahe Forschungseinrichtungen (insbesondere das Deutsche Institut
für Internationale Pädagogische Forschung [DIPF], das Max-Planck-Institut für
Bildungsforschung [MPIB], das Institut für Schulentwicklungsforschung [IFS]).
3. Lehrer sowie die Berufs- und Fachverbände der im Bildungswesen
Beschäftigten
(insbesondere
Deutscher
Gewerkschaftsbund
[DGB],
Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft [GEW], Deutscher Lehrerverband
[DL], Verband Bildung und Erziehung [VBE], Deutsche AngestelltenGewerkschaft [DAG], Philologenverband [DPhV], auch die Deutsche
Gesellschaft für Erziehungswissenschaft [DGfE] und die Deutsche Gesellschaft
für Bildungsverwaltung [DGBV]).
4. Kammern von Industrie, Handel, Handwerk und freien Berufen.
5. Verbände von Wirtschaft, Industrie, Handel und Handwerk und ihre
verbandsnahen Organisationen.
6. Eltern und Schüler sowie Eltern- und Schülerverbände.
7. Stiftungen, insbesondere auch Parteistiftungen8.
Die gesellschaftliche Verankerung in diesem Politikfeld ist sehr tief greifend. Einerseits
ist der Kreis der unmittelbar und mittelbar Betroffenen, also der Schüler, Eltern und
Lehrer sehr groß, andererseits ist jedem Menschen der Sinn und die Bedeutung des
Politikfeldes einleuchtend, denn jeder Mensch hatte über die Schulpflicht Kontakt mit
7
Zum Einfluss der Parteien auf das Bildungssystem vgl. insbesondere Stern 2000 bzw. Reuter u.a. 1980.
S. hierzu insbesondere den Beitrag von Michael Buse 2004, der von einem „Stiftungskonsortium“,
bestehend aus Bertelsmann Stiftung, Konrad-Adenauer-Stiftung, Stiftung Marktwirtschaft sowie der
Friedrich-Naumann-Stiftung gemeinsam herausgegeben wurde.
8
- 14 -
Der Untersuchungsgegenstand: Schulpolitik
dieser Institution. Trotzdem ist der Einfluss der Verbände und Interessengruppen nicht
sehr stark ausgeprägt – und die Wählerstimmenmacht ist ebenfalls als eher gering
einzuschätzen, wie im Zuge neuerer Forschung herausgefunden werden konnte
(Schmidt 2003: 11).
2.4.3 Internationale Einflüsse
Auch in diesem Politikfeld macht sich der Einfluss der stetig wachsenden
internationalen Verflechtungsstruktur bemerkbar. Die internationalen Strukturen sind
vielfältig; exemplarisch seien die Europäische Erziehungsministerkonferenz, die
Europäische Union und auch die OECD genannt, die als die wesentlichen Akteure in
der Bildungspolitik außerhalb der Nationalstaaten zu werten sind.
Die „Ständige Konferenz der europäischen Erziehungsminister“ (EEMK) ist ein
bereits seit 1959 existierendes Gremium des Europarats. Bis 2003 tagte die Konferenz
21-mal,
die
Bundesrepublik
wird
hier
direkt
durch
einen
Vertreter
der
Kultusministerkonferenz der Länder repräsentiert (Hölzl 1997: 1f.). Die Empfehlungen
des Rats konzentrieren sich stark auf kulturellen Austausch, eigene Beschlüsse kann
das Gremium nicht fassen. Inhaltlich geht es in der EEMK insbesondere um die
erweiterte Perspektive, die durch die Mitglieder des Rats völlig anders ist als die der
Europäischen Union.
Die Europäische Union ist im Gegenzug wesentlich stärker in die nationale
Bildungspolitik involviert. Auch wenn im Schulbereich der Einfluss, anders als im
Hochschulsektor, noch nicht sehr entfaltet ist, so sind die Absichten einer wachsenden
Zusammenarbeit unverkennbar. Dies ergibt sich auch aus dem entsprechenden Teil des
Verfassungsvertrages:
Die Union trägt zur Entwicklung einer qualitativ hoch stehenden Bildung
dadurch bei, dass sie die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten fördert
und die Tätigkeit der Mitgliedstaaten erforderlichenfalls unterstützt und
ergänzt. Sie achtet dabei strikt die Verantwortung der Mitgliedstaaten für die
Lehrinhalte und die Gestaltung des Bildungssystems sowie die Vielfalt ihrer
Kulturen und Sprachen.
(EU-Verfassung, Artikel III-282 Abs. 1)
Die Formulierung, die Tätigkeiten „erforderlichenfalls“ zu unterstützen und zu
ergänzen, würde weitreichende Möglichkeiten für die Europäische Union schaffen,
trotz der danach angeführten Einschränkung. Dabei werden die konkreteren Ziele
- 15 -
Der Untersuchungsgegenstand: Schulpolitik
jedoch
nur
durch
Fördermaßnahmen
unterstützt,
eine
Harmonisierung
der
Rechtsvorschriften wird explizit ausgeschlossen (ebd., Abs. 3a).
In der bisherigen Struktur der EU und dem derzeitig gültigen EG-Vertrag (EG-Vertrag
2002: Art. 149, 150) findet sich eine nahezu identische Formulierung. Jedoch übt die
Gemeinschaft nicht nur durch ihre Organe unmittelbar Einfluss auf die Bildungspolitik
aus, sondern „mindestens gleichrangig“ (Leschinsky in Cortina u.a. 2003: 158) auch
durch Bildungsprogramme, die in ihrem Finanzvolumen alle anderen Programme
ähnlicher Art „weit in den Schatten“ (ebd.) stellen, genannt sei für den Schulsektor das
Comenius Programm. Darüber hinaus ist der Einfluss des Europäischen Gerichtshofs
für die europäische Bildungspolitik nicht zu überschätzen. Seine Interpretationen, die
insbesondere im Rahmen der Freizügigkeit zum Motor der Angleichungen im
Bildungssektor wurden, gehen über die Lenkung durch Finanzierung hinaus (Schröder
1990: 118, vgl. auch Leschinsky in Cortina u.a. 2003: 157).
Neben diesen europäischen Perspektiven können aber auch andere internationale
Organisationen Bedeutung für die Bildungspolitik erlangen. Als ein prominentes
Beispiel kann die OECD interpretiert werden. Nach Darstellung von Prof. Dr.
Schleicher, dem weltweiten PISA-Koordinator, kam die Initiative zur Durchführung
eines internationalen Schülerleistungsvergleichs aus den Reihen der OECD9. Damit hat
die OECD den beobachtenden Posten der reinen Datenerhebung im Bildungssektor
verlassen, denn mit PISA hat sie sich auch auf die inhaltliche Ebene des Schulwesens
begeben: man hat die Art des Tests vorgegeben. Natürlich haben jeweils die einzelnen
Mitgliedstaaten durch den Beschluss der Teilnahme an diesem Test die endgültige
Entscheidung getroffen, dennoch ging ein wesentlicher Impuls für diese neue
Orientierung und Öffnung der Bildungspolitik von der internationalen Ebene aus.
Diese Skizze internationaler Einflussgrößen auf die Schulpolitik dient nicht der
umfassenden Klärung. Vielmehr wurde ein Blick auf die internationalen Hintergründe
nationaler Schulpolitik geworfen, deren Bedeutung in den letzten Jahren gewachsen ist.
Damit ist nun der Bereich der Träger der Schulpolitik umrissen, der die Komplexität
des Politikfeldes und die Verflechtungen verschiedenster Richtungen verdeutlicht.
9
Schilderung in der Antrittsvorlesung als Honorarprofessor am Institut für Bildungswissenschaft der
Universität Heidelberg, Mai 2006.
- 16 -
3. Das Politikfeld und seine Entwicklung im föderalen
System der Bundesrepublik
Das Politikfeld ist in seiner institutionellen Ausgestaltung wie kein anderes durch die
föderale
Struktur
der
Bundesrepublik geprägt: bereits 1957 entschied das
Bundesverfassungsgericht, dass die „Kulturhoheit, besonders aber die Hoheit auf dem
Gebiete des Schulwesens, das Kernstück der Eigenstaatlichkeit der Länder ist“
(BVerfGE 6, 309, 346f.). Ebenso ist bemerkenswert, dass sich die Kultusministerkonferenz der Länder bereits 1948, also schon vor der Gründung der Bundesrepublik,
als Koordinationsgremium etablieren konnte. Um die heutigen Gegebenheiten in der
Bildungspolitik nachvollziehen zu können, ist ein historischer Überblick über die
Phasen der Entwicklung notwendig, ebenso wie Analyse der über die Ländergrenzen
hinausgehenden Institutionen und ihrer Aufgaben.10
3.1
Politikverflechtung zwischen Bund und Ländern in der
Schulpolitik
Wie angedeutet, ist die Bildungspolitik geprägt durch den Staatsaufbau der
Bundesrepublik, wobei die Entscheidungen sowohl von horizontaler wie auch
vertikaler Koordination abhängen, also im Sinne von Scharpf „verflochten“ sind. Zwar
sind formal Alleingänge einzelner Länder möglich und im Rahmen von Pilotprojekten
wird hiervon auch Gebrauch gemacht, trotzdem besitzt - insbesondere über die
KMK - die horizontale Verflechtung große Bedeutung.
Aus Sicht des Bundes, mit seinen begrenzten direkten Kompetenzen im Bereich der
Schulpolitik, liefert die verflochtene Struktur immer wieder Möglichkeiten, sich zu
beteiligen. Diese Möglichkeiten werden in den Kapiteln 4 und 5 näher beleuchtet;
wichtig für die Darstellung der Entwicklung ist, die Interdependenz zwischen Länderund Bundesebene zu betonen. Die Entwicklung des Politikfeldes auf nationaler Ebene
ist nur nachvollziehbar, wenn man diese Verflechtungsstrukturen berücksichtigt. Dazu
gehört auch die Anmerkung, dass der Föderalismus in Deutschland darüber hinaus
noch zwei weitere zentrale Merkmale aufweist, die für das Verstehen der Entwicklung
10
Auf eine Darstellung der Entwicklung des Bildungswesens in der DDR wird – insbesondere auf Grund
der Struktur der Wiedervereinigung als Beitritt zum Bundesgebiet - verzichtet. Eine Gegenüberstellung
der Entwicklungen findet sich in Anweiler u.a. (1992: 14ff., 32ff.).
- 17 -
Das Politikfeld und seine Entwicklung im föderalen System der Bundesrepublik
Relevanz besitzen: Seine Entwicklung ist zunächst durch Pfadabhängigkeit im
Entstehungsprozess geprägt, dem folgt ein ausgeprägter „Unitarisierungsdrang“ (vgl.
Hesse 1962). Dieser wird ab den frühen siebziger Jahren durch kooperative Elemente
und Politikverflechtung abgelöst (Scharpf 2005). Dabei zeichnet der deutsche
Föderalismus auch durch eine besondere Exekutivlastigkeit aus. Diese Grundstruktur
bestätigt sich, wenn man die Entwicklung im Bereich der Schulpolitik im Detail
betrachtet.
3.2
Phasen der Entwicklung des Bildungsföderalismus
1945 - 2005
In der Literatur sind die Entwicklungsphasen des Bildungswesens und Bildungspolitik
in der Bundesrepublik nicht eindeutig. Massing (2003: 11ff.) führt insgesamt zehn
Phasen der Entwicklung (1945-2002) auf, Thränhardt (1990: 188ff.) hingegen unterteilt
den Zeitraum von 1945 bis 1987 in lediglich vier Phasen. Aufgrund der Struktur des
Politikfeldes hängen diese Phasen nicht zwangsläufig mit den Regierungsmehrheiten
auf Bundesebene zusammen. Sie sind stark durch teilweise regierungswechselübergreifende
Konjunkturen
des
politischen
Stellenwerts
der
Schulpolitik
charakterisiert.
Es erscheint als sinnvoll, die Phaseneinteilung dem Analyseschwerpunkt anzupassen.
Hauptsache ist daher auch in diesem Teilbereich die Rolle des Bundes in der
Entwicklung des Politikfeldes und die Frage, woher die Anstöße zu neuen Phasen
kamen. Deswegen wird die Entwicklung vor 1963 zu einem Block zusammengefasst,
da in diesem Zeitraum die Verflechtung zwischen Bund und Ländern nur in sehr
geringem Maß bestand; diese Phase bildet die Grundlage der Steuerung der
Schulpolitik. Im Weiteren (1963 - 2001) wird maßgeblich die detaillierte Einteilung
Massings verfolgt, und diese Struktur mit den letzten beiden Abschnitten auf den Stand
im Jahr 2006 gebracht. Insgesamt unterteilt sich die Entwicklung nach dieser
Einteilung in acht Abschnitte und einen vorläufigen Ausblick.
3.2.1 Wiederaufbau,
Vereinheitlichung
und
Reformen: Etablierungsphase (1945-1963)
tastende
Die Etablierungsphase des heutigen Bildungswesens sowie der sie steuernden Politik
beginnt unmittelbar nach dem zweiten Weltkrieg, jedoch mit unterschiedlichem
Charakter in den vier Besatzungszonen. In den drei Westzonen konnten insbesondere
- 18 -
Das Politikfeld und seine Entwicklung im föderalen System der Bundesrepublik
der starke Einfluss der Kirchen sowie die konservativen Kräfte eine wirkliche
Neustrukturierung des Schulsystems verhindern: die Schulsysteme hier sind somit
weiter stark traditionell geprägt. Die Sowjetische Umerziehungspolitik war weitgehend
vom Konsens, vor allem unter den deutschen Sozialisten, und der reibungslosen
Zusammenarbeit der Behörden geprägt. In der SBZ war ein Boden für eine
Neuorientierung des Schulsystems an den Werten der Gleichheit, Einheitlichkeit und
Säkularität bereitet, der auch von der reformpädagogischen Bewegung getragen wurde
(Massing 2003: 12).
Anders stellte sich die Situation im Westen dar: Insbesondere die bayrische
Staatsregierung wehrte sich vehement gegen eine von der US-Militärregierung
angestrebte egalitäre Reform des traditionellen Klassenschulsystems (Thron 1972:
111f.). So konnten zwar kleine Reformschritte unternommen werden, wie
beispielsweise
die
Einführung
der
Schülermitverwaltung
oder
des
Faches
Gemeinschaftskunde; die angestrebte grundlegende Neuordnung war jedoch nicht ohne
offenen Konflikt mit Kirche und Konservativen möglich. Vor dem Hintergrund des
Ost-West-Konflikts scheuten die Westalliierten allerdings eine offene Auseinadersetzung. Zusammenfassend lässt sich konstatieren: „das Scheitern der Re-educationPolitik […] ermöglichte die weitgehende Restauration des traditionellen dreigliedrigen
Schulsystems.“ (Massing 2003: 15)11
Bereits im Februar 1948 kam es zu einem ersten Treffen der Kultusminister der Länder:
die KMK (damals: die Konferenz Deutscher Erziehungsminister) versuchte vor allem,
die Notlagen der Bevölkerung, insbesondere der Schüler, zu bewältigen (Anweiler u.a.
1992: 75). Im Juni 1948, nach der Währungsreform und ohne die Erziehungsminister
der SBZ, beschloss das Gremium, eine Ständige Ministerkonferenz mit gemeinsamem
Sekretariat zu gründen (Leschinsky in Cortina u.a. 2003: 161; vgl. Kap. 3.3.1). Dies
stellte natürlich auch Weichen für die zukünftige Struktur der Bundesrepublik.
In den ersten Jahren nach der Gründung der Bundesrepublik führte ein Erstarken der
Unionsparteien – vor allem in den vormals britischen Besatzungszonen - dazu, dass die
partiellen Veränderungen wieder zurückgenommen wurden. Dies betraf insbesondere
Reformansätze,
die
eine
spätere
Auslese
der
Schüler
durch
verlängerte
Grundschulzeiten eingeführt hatten. Einerseits wurde dieser Politikwechsel in
Landtagswahlkämpfen ideologisch unterstützt, andererseits - bereits damals - über das
11
Vgl. speziell zur Bildungspolitik der amerikanischen Militärregierung Thron 1972.
- 19 -
Das Politikfeld und seine Entwicklung im föderalen System der Bundesrepublik
Argument einer „notwendigen Vereinheitlichung“ im politischen Prozess durchgesetzt.
Die Öffentlichkeit forderte auch damals ein größeres Maß nationaler Einheitlichkeit,
auf den die Politik mit der Gründung des Deutschen Ausschuss für das Erziehungs- und
Bildungswesen 1953 reagierte (Vgl. Kap. 3.3.2).
Der Trend zur Vereinheitlichung verstärkte sich Mitte der fünfziger Jahre im Düsseldorfer Abkommen der KMK. Hiermit wurde die Dreigliederigkeit des Schulwesens
endgültig festgeschrieben, man einigte sich auch auf die Schuljahresdauer, das
Bewertungssystem, die Schultypen, die Fächer sowie die Abschlüsse (Massing 2003:
17, Thränhardt 1990: 189). Zwar stand die Phase weiter unter dem christdemokratisch
geprägten Motto „keine Experimente“, führte aber aufgrund des wachsenden Bedarfs
an qualifizierten Arbeitnehmern zur Abschaffung des Schulgeldes.
In dieser Phase etablierten sich auf Bundesebene zunächst Wissenschaft und
Forschung, auch beeinflusst durch externe Ereignisse wie den Sputnik-Schock (1957)
als eigenständige Politikfelder, flankiert durch die Gründung des Wissenschaftsrates
1957. Ebenfalls 1957 wurde die Länderhoheit in der Schulpolitik durch das bereits
zitierte Konkordatsurteil des Bundesverfassungsgerichts gestärkt (BVerfGE 6, 309).
3.2.2 Große Bildungspolitische Koalition: Aufschwung des
Politikfeldes (1964-1969)
Der Aufschwung des Politikfeldes auf bundespolitischer Ebene ist stark mit zwei
Veröffentlichungen verbunden. Georg Pichts Artikelserie über die „deutsche
Bildungskatastrophe“ (Picht 1964) sowie Ralf Dahrendorfs Schriften unter dem Titel
„Bildung
ist
Bürgerrecht“
(Dahrendorf
1965)
führten
einerseits
zu
einer
Popularisierung des Politikfeldes, andererseits auch zu einer ersten wissenschaftlichen
Auseinandersetzung mit den Auswirkungen des Bildungswesens. Dabei wurde durch
die sich entwickelnde empirische Bildungsforschung (Hearnden 1977: 136ff.)
insbesondere publik, welche Ungleichheiten das Bildungssystem hauptsächlich in
ländlichen Regionen produzierte („Katholische Bildungsdefizit“; Thränhardt 1990:
192ff.).
Bereits 1964 unternahm die KMK erste Schritte als Reaktion: das „Hamburger
Abkommen“, welches das „Düsseldorfer Abkommen“ ablöste, führte zu einer
Vereinheitlichung der Dauer der Bildungsgänge und setzte im Sinne der
Durchlässigkeit der Schultypen auf Vorgaben zum Fremdsprachenerwerb (Hearden
1977: 142f.). Der Drang zu einer weiteren Unitarisierung des Politikfeldes führte 1965
- 20 -
Das Politikfeld und seine Entwicklung im föderalen System der Bundesrepublik
dazu, dass auf das Aufleben der öffentliche Diskussion mit der Gründung einer
weiteren Institution reagiert wurde: der „Deutsche Bildungsrat“ löste den „Deutschen
Ausschuss“ ab. Die neue Körperschaft war die erste im Bildungssektor, in der sich der
Bund erstmals als Akteur der Bildungspolitik engagieren konnte (vgl. Kap. 3.3.2).
Insgesamt war die Position der KMK geprägt durch „vorsichtigen Pragmatismus“
(Hearnden 1977: 196).
In der folgenden Zeit der großen Koalition im Bund gewannen auch im Bildungssektor
übergreifende Ziele an Bedeutung. Der breite bildungspolitische Konsens basierte auf
der Erkenntnis, dass „die Bildungspolitik […] den zentralen Beitrag zum
wirtschaftlichen Wachstum und zur Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft
leisten“ würde (Massing 2003: 20, vgl. auch Hüfner u.a. 1986: 202). Hinzu kam, dass
nach Abschaffung der Konfessionsschule in Bayern auch dieser ständige Konflikt
zwischen den Parteien gelöst werden konnte (Thränhardt 1990: 194f.). Ergebnis dieses
Konsenses war zudem, dass der Bund durch die Verfassungsänderungen von 1969 auch
formalen Einfluss, vor allem in der Hochschulpolitik erreichte. Entscheidend für die
Schulpolitik wurden die Änderungen von Art. 74, 75 GG, sowie die Einführung von
Art. 91a, 91b GG durch das Finanzreformgesetz.
3.2.3 Bildungseuphorie: Hochkonjunktur und Polarisierung
(1969-1974)
Die erwähnten Verfassungsänderungen bildeten die Grundlage für die Regierung
Brandt, sich nach dem Machtwechsel 1969 verstärkt im Bildungsbereich zu engagieren.
Die neue sozialliberale Koalition hatte sich tief greifende gesellschaftliche Reformen
vorgenommen, zu denen auch schulpolitische Maßnahmen zählten.
Zunächst legte der Deutsche Bildungsrat den „Strukturplan für das Bildungswesen“
vor. Bereits am 12. Juni 1970 veröffentlichte der erste Bundesminister im neu
geschaffenen Ressort für Bildung und Wissenschaft, Leussink, den Bildungsbericht der
Bundesregierung (BMBW 1970). Dieser Meilenstein in der Entwicklung des
Politikfeldes beinhaltete zwölf konkrete Zielvorstellungen, die unter anderem den
Ausbau des Gesamtschulwesens oder auch die Länge der Schulzeiten und das
Einschulungsalter betrafen (ebd., vgl. auch Hüfner u.a. 1986: 57f.). Die
Bundesregierung deutete den Bericht, der unabhängig und ohne Absprache mit den
Ländern
–
und
auch
ohne
Rücksicht
- 21 -
auf
politische
Durchsetzungs-
Das Politikfeld und seine Entwicklung im föderalen System der Bundesrepublik
möglichkeiten - entwickelt worden war, als einen Beitrag zur gemeinsamen Bildungsplanung nach Art. 91b GG (Hüfner 1986: 58).
Ebenfalls im Juni 1970 wurde auf Grundlage dieses Artikels die Bund-LänderKommission für Bildungsplanung (BLK) per Verwaltungsabkommen zwischen Bund
und Ländern geschaffen. Somit wurde die bis heute existierende institutionelle
Konstellation vollständig etabliert.
Aus der Diskussion um das Gesamtschulwesen entwickelte sich eine heftige parteipolitische Auseinandersetzung, die zwischen Sozialdemokraten und Konservativen
erbittert geführt wurde. Auch über die Inhalte, beispielsweise des GemeinschaftskundeUnterrichts debattierte man – wenn auch nicht auf Bundesebene – erregt. Daneben
wurde jedoch schon 1973 durch die Veröffentlichung des ersten Bildungsgesamtplans
durch die BLK „das zentrale Merkmal erkennbar, das die Bildungspolitik in den
folgenden Jahren prägte: die Dominanz der Finanzpolitik über die Bildungspolitik“
(Massing 2003: 22).
3.2.4 Bildungspolitische Resignation: Flaute (1974-1982)
Ab dem Beginn der Amtszeit von Bundeskanzler Schmidt stand die gesamte
Regierungspolitik unter dem Zeichen, den der Ölpreisschock 1973 bereits vorgegeben
hatte: die Krise der öffentlichen Haushalte dominierte die Politik; die Schulpolitik
geriet aus dem Fokus der öffentlichen Diskussion, Resignation machte sich in diesem
Politikbereich breit.
Im Februar 1976 veröffentlichte das BMBW eine „Bildungspoltische Zwischenbilanz“,
die sich mit der Umsetzung der Ziele des Bildungsberichts `70 befasste (BMBW 1976).
Dieser fiel eher ernüchternd aus, und stellte die Kompetenzverteilung und das
Funktionieren der KMK in Frage. Gefordert wurde, dass die Beschlüsse der BLK nicht
nur als Absichtserklärungen zu werten seien. Die zentralen Entscheidungen der
Bildungsplanung sollten als Richtlinien auf der Ebene der Regierungschefs von Bund
und Ländern fallen (ebd.: 10).
Die Regierung Schmidt verstärkte ihre Anstrengungen Ende der 1970er im Bereich der
beruflichen Bildung und der Entwicklung des ersten Hochschulrahmengesetzes (1976);
die Bedeutung der Schulpolitik hingegen nahm deutlich ab. Die Resignation ist auch im
Zusammenhang mit der tiefen gesellschafts- und bildungspolitischen Spaltung zu
erklären, die sich seit dem Mängelbericht (BMBW 1978) noch vertieft hatte. Weite
Teile der angestrebten Reformvorhaben, die der Bund insbesondere unter der
- 22 -
Das Politikfeld und seine Entwicklung im föderalen System der Bundesrepublik
Regierung Brandt formuliert hatte, wurden nicht so umgesetzt, wie es von den
Planungsinstanzen intendiert war.
3.2.5 Bildungskrise und Rückzug des Bundes (1982-1987)
Die Schulpolitik des Bundes nach dem Machtwechsel in Bonn ist schwer zu
beschreiben; nur sehr wenige Handlungen, Konzepte oder Ergebnisse sind
auszumachen. Offensichtlich hat der Bund sich zurückgezogen, und auch die BLK
entwickelte sich von der Instanz, die den Gesamtplan erstellt oder fortschreibt, zu
einem „Gremium des informellen Austauschs“ (Massing 2003: 24). Der Trend zur
Unitarisierung schien sich umzukehren: der Bund kürzte seine Ausgaben im
Bildungsetat, insbesondere beim BAföG. Zusätzlich gab die Regierung Kohl
Kompetenzen an die Länder, wie beispielsweise für die berufliche Bildung und das
Schüler-BAföG, ab. Insgesamt, so lässt sich bilanzieren, beschränkten sich Bund und
Länder in diesem Zeitraum auf „symbolische Bildungspolitik“ (Massing 2003: 25);
diese Phase kann eindeutig als der bisherige Tiefpunkt des Bundesengagements in der
Bildungspolitik der Bundesrepublik interpretiert werden.
3.2.6 Neuorientierung und Wiedervereinigung (1987-1995)
Nach der Bundestagswahl 1987 kam mit Jürgen Möllemann erstmals ein Politiker der
FDP in das Amt des Bildungsministers. Schwerpunkt seiner Arbeit blieb jedoch die
Hochschulpolitik. Daneben wurde die schulpolitische Diskussion durch die Einsetzung
der Enquete-Kommission „Bildung 2000“ durch SPD und GRÜNE, also durch die
Opposition im Bundestag, auf Bundesebene neu belebt. Die Spaltung der Kommission
zwischen CDU/CSU und FDP sowie der Abgeordneten der SPD- und der GRÜNENFraktion führte zu nur geringen Ergebnissen in ihrem Schlussbericht 1990 (Massing
2003: 26). Der Historiker Christoph Führ beschreibt das Ergebnis dieser Mitarbeit des
Bundestages am Politikfeld sehr ernüchternd: „Der Versuch, die Thematik mit Hilfe
einer Enquete-Kommission zu meistern, ist offensichtlich fehlgeschlagen.“ (Führ 1997:
74).
Die Wiedervereinigung führte dazu, dass zunächst die Konflikte in den Hintergrund
traten – die Herstellung bundesweit „gleichwertiger Lebensverhältnisse“ (Art 72 GG12)
12
Der Begriff ersetzt seit der Grundgesetzänderung vom September 1994 das Gebot der „Einheitlichkeit
der Lebensverhältnisse“. Bei der „Gemeinsame Bildungskommission BRD/DDR“, die die
Wiedervereinigung im Bildungswesen plante, wurde zunächst auch von Einheitlichkeit gesprochen;
dieser Begriff wurde aber reduziert zu dem Term: „Vergleichbarkeit der Grundstrukturen im
Bildungswesen“. Näheres hierzu: Köhler u.a. (Hg.) 2000: 37ff..
- 23 -
Das Politikfeld und seine Entwicklung im föderalen System der Bundesrepublik
stand im Mittelpunkt der Neustrukturierung des Bildungswesens in den fünf neuen
Bundesländern. Dies geschah im Wesentlichen durch Überführung des existierenden
Ostdeutschen Schulsystems in ein Abbild des Westdeutschen, da hier die Beschlüsse
der KMK nach dem Beitritt die Leitlinien bildeten. Schwierig waren die
Rahmenbedingungen jedoch für tief greifende Änderungen: alle Veränderungen waren
„im ‚laufenden Betrieb’ in den Bildungs- und Erziehungseinrichtungen umzusetzen“
(Fuchs u.a 2000: 157). In weiten Teilen setzten - teilweise in enger Kooperation mit
den
Westländern
Zusammensetzung
-
die
nach
Landesregierungen
den
mit
Landtagswahlen
von
gleicher
1990
parteipolitischer
die
jeweiligen
korrespondierenden Westsysteme durch (vgl. Fuchs u.a. 2000: 160ff.). Dabei wurden
jedoch verschiedene „Eigenheiten“ in den fünf neuen Ländern bewahrt, so dass „der
gelegentlich geäußerte Verdacht einer bildungspolitischen Kolonialisierung seitens der
BRD durch den Verhandlungsverlauf [in der gemeinsamen Bildungskommission]
nachweislich zu widerlegen“ (Köhler u.a. 2000: 49) ist.
3.2.7 Paradigmenwechsel und neuer Aufschwung (1995-2001)
Der neu einsetzende Aufschwung hat verschiedene Wurzeln. Ein wichtiger Impuls dazu
ging von der Nordrhein-Westfälischen Landesregierung unter Johannes Rau aus.
Bereits 1992 rief er eine Kommission ins Leben, die mit ihrer Denkschrift „Zukunft der
Schule – Schule der Zukunft“ (Bildungskommission NRW 1995) die wissenschaftliche
und öffentliche Debatte neu entfachte.
Diese Denkschrift verkörpert auch einen neuen Ansatz der Bildungspolitik, der die
alten Gräben teilweise überwindet: Schule, die als „Lern- und Lebensraum“ aufgefasst
wird, braucht ein größeres Maß an Autonomie. Folglich sollte ein Wechsel von der
„makropolitischen“ Steuerung hin zu einer „mikropolitischen“, direkt auf die
Einzelschule bezogener Politik stattfinden, um den Zukunftsanforderungen gerecht zu
werden. Dieser Paradigmenwechsel lässt die Diskussion über das dreigliederige
Schulsystem und Gesamtschule in weiten Teilen wertlos erscheinen, da im Mittelpunkt
der Bemühungen nicht mehr die Schulstruktur, sondern vielmehr die Einzelschule
steht. Dieser Ansatz impliziert, dass alle politischen Institutionen auf Teile ihrer
Steuerungsmaßnahmen verzichten sollen und diese Macht auf Schulebene, maximal
regionale Ebene (gemeint sind die Kreise und kreisfreien Städte) abgeben. Lediglich
die Vorgabe von „Gestaltungsprinzipien“ (Bildungskommission NRW 1995: 292)
sollen weiterhin zu den Landeskompetenzen zählen, selbst jährliche Evaluationen und
- 24 -
Das Politikfeld und seine Entwicklung im föderalen System der Bundesrepublik
eine regelmäßige Bildungsberichterstattung soll auf regionale Ebene verlagert werden –
einzig eine periodische Bewertung soll noch durch das Land stattfinden.
Nachdem
sich
neben
diesen
Vorarbeiten
aus
Nordrhein-Westfalen
der
„Modernisierungsrückstand des deutschen Bildungswesens“ andeutete (Leschinsky in
Cortina u.a. 2003: 141), wurde auf Initiative der neu gewählten Regierung, genauer der
neuen Ministerin des Bundesministeriums für Bildung und Forschung, 1998 ein neues
Gremium zur Politikberatung gegründet: das „Forum Bildung“ (Vgl. Kap.3.3.2). 2001
beschloss das Forum Bildung zwölf Empfehlungen, die jedoch sehr allgemein gehalten
wurden. Dauerhaft konnte sich diese neue Instanz jedoch nicht etablieren: trotz der
Veröffentlichung der PISA-Ergebnisse 2001 löste sich das Gremium planmäßig im
Januar 2002 auf.
3.2.8 Der PISA-Schock, die zweite Hochkonjunktur und die
schnelle Normalisierung (2001-2005)
Was heute alles unter dem Schlagwort „PISA-Studie“ subsumiert werden kann, ist die
bereits in der Einleitung erwähnte neue Hochkonjunktur in der Bildungspolitik auf
Bundesebene. Nach Veröffentlichung zunächst der internationalen Daten, die das
durchwachsene
Abschneiden
Deutschlands
im
Rahmen
der
OECD
Studie
dokumentierten und auch das Image des deutschen Schulsystems unter Druck setzten,
begann die öffentliche Debatte um die Zukunft des Bildungssystems. Im Sommer 2002
gaben dann die Wissenschaftler des Max-Planck Instituts für Bildungsforschung die für
das nationale Politikfeld noch wesentlich brisanteren Ergebnisse der national
vergleichenden Studie bekannt. Diese entfachten die Debatte erneut stark und so wurde
Bildungspolitik insbesondere auch zu einem Thema im Bundestagswahlkampf 200213.
PISA deckte in vielfacher Hinsicht eklatante Schwächen nicht nur der Schüler auf,
sondern ließ auch verschiedene Rückschlüsse auf Verfehlungen der Bildungspolitik zu.
Zwar weigern sich die deutschen Forscher, Kausalzusammenhänge aus dem
Datenmaterial abzuleiten, die Wissenschaftler der OECD kritisieren die deutsche
Schulpolitik hingegen deutlich.
Das Politikfeld geriet durch die öffentliche Perzeption der Ergebnisse schnell in
Bewegung, und alle beteiligten Ebenen versuchten, politisch Kapital aus der
Ausnahmesituation zu schlagen. Die Bundesebene mit Kanzler Schröder und das
13
Speziell auf Seiten der SPD war dies der Fall - auch, so vermuten Henke und Kneip, um „von den
schlechten Ergebnissen der SPD-geführten Bundesländer abzulenken“ (in: Egle u.a. 2003: 301).
- 25 -
Das Politikfeld und seine Entwicklung im föderalen System der Bundesrepublik
BMBF versuchten, ihre Kompetenzen zu erweitern14. Aber auch die Kultusministerkonferenz bemühte sich stark, ihren Einfluss zu behalten und ihre Konzepte auch
öffentlichkeitswirksam zu präsentieren. In Ausnahmefällen rückten Bundesministerium
und KMK näher zusammen und veranstalteten gemeinsame Konferenzen.
Die Veröffentlichung der weiteren Daten (2003) sowie die Erkenntnisse der neuen
Erhebung (PISA 2003) wurden nicht mehr in ähnlicher Weise öffentlich diskutiert; die
Debatte blieb, wie bei den Vorläuferstudien zu PISA, insbesondere der TIMS-Studie15,
den Experten vorbehalten. Das Verschwinden des großen öffentlichen Drucks, gepaart
mit einer Abwartehaltung, welche Folgen die beschlossenen Veränderungen haben
werden,
führten
vorangegangenen
zusehends
zu
Aktionismus.
einer
Im
Beruhigung
der
Bundestagswahlkampf
Debatte
nach
dem
2005
spielte
die
Bildungspolitik, abgesehen vom Ganztagesschulprojekt, wieder ihre gewohnte,
untergeordnete Rolle.
Inhaltlich jedoch trat die parteipolitische Konfliktlinie wieder verstärkt zu Tage:
während Bundesebene und KMK schnell einig wurden, mit Bildungsstandards eine
völlig neue Struktur in die curriculare Entwicklung zu bringen, entwickelte sich über
die Ausgestaltung dieser zwischen der SPD-Ministerin Bulmahn und den CDUregierten Ländern schnell ein neuer Konflikt16.
3.2.9 Die Föderalismusreform und weiterer Ausblick
Die seit der Wahl im September 2005 amtierende Bundesregierung ist noch zu kurz im
Amt, um ihren tatsächlichen schulpolitischen Kurs charakterisieren zu können. Die
Anzeichen, sich nur wenig in diesem Bereich zu engagieren, mehren sich jedoch; sie
können allerdings auch am Politikstil der neuen Bundesregierung liegen.
Nach derzeitigem Stand 17 der Debatte um die Föderalismusreform zeichnen sich
einschneidende Veränderungen im Bereich der Organisation der Schulpolitik ab: Der
aktuelle Entwurf der gemeinsamen Kommission von Bundestag und Bundesrat zur
14
Vgl. z.B. Schröder 2002, sowie Kapitel 5
Die „Third International Mathematics and Science“-Studie (TIMSS) beschränkte sich zwar nur auf den
naturwissenschaftlichen Sektor, lies jedoch bereits erahnen, dass der Erfolg deutscher Schüler in
internationalen Schülerleistungsvergleichen eher gering sein würde. Näheres hierzu:
http://www.timss.mpg.de (31.08.2006).
16
Die Debatte wird zwischen den Befürwortern so genannter „Regelstandards“ und „Mindeststandards“
geführt. Während die Bundesregierung mittels einer Expertise führender Erziehungwissenschaftler stark
für ihr Konzept der Mindeststandards (s. „Klieme-Gutachten“, BMBF 2003a ) warb, verabschiedeten
einige Länder, darunter Baden-Württemberg, genau solche Standards, vor denen die Experten der
Bundesstudie warnten.
17
Anfang Juni 2006; zum aktuelleren Stand siehe Kapitel 6. Am Wortlaut des zitierten Gesetzes wurden
jedoch keine Änderungen mehr vorgenommen.
15
- 26 -
Das Politikfeld und seine Entwicklung im föderalen System der Bundesrepublik
Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung (BT Drucksache 178-06) sieht vor, die
bisherige Gemeinschaftsaufgabe Bildungsplanung (Art 91b GG) durch die folgende
Formulierung zu ersetzen:
Bund und Länder können auf Grund von Vereinbarungen zur Feststellung der
Leistungsfähigkeit des Bildungswesens im internationalen Vergleich und bei
diesbezüglichen Berichten und Empfehlungen zusammenwirken.
(BT Drucksache 16/813 S.4 bzw. BR Drucksache 178-06, S. 7, s. auch S. 38)
Die Vorlage ist im parlamentarischen Prozess als Paket dem Rechtsausschuss zugeführt
worden und wird im Mai und Juni beraten. Zum aktuellen Stand sowie zur Einordnung
der Beschlüsse wird ein eigenes Kapitel angeführt, das den aktuellen Stand der
Gesetzgebung berücksichtigt (s. Kapitel 6, S. 72ff.).
3.3
Die Institutionen der dritten Ebene und ihre Bedeutung
Die Koordinationsgremien im Bildungsbereich sind, wie der kurze Blick auf die
geschichtliche Entwicklung des Politikfeldes gezeigt hat, wesentliche Akteure der
Bildungspolitik. Dabei lässt sich die Funktion dieser Institutionen auf zwei
verschiedene Rollen aufgliedern: Einerseits in Koordinationsgremien (Abb. 2: Blau),
andererseits in Beratungsgremien der Exekutiven (Abb. 2: Gelb). Während die
Koordinationsinstanz Kultusministerkonferenz bereits seit Gründung der Bundesrepublik als Muster horizontaler Verknüpfung existiert, entwickelte sich die vertikale
Verflechtung erst über die Zeit. Dabei zeigt sich, dass den reinen Beratungsgremien der
Exekutiven nur eine begrenzte Lebensdauer beschieden war, wohingegen sich die
Koordinationsgremien dauerhaft etablieren konnten:
Abbildung 2: Institutionen oberhalb der Länderebene im geschichtlichen Verlauf
(Quelle: Eigene Darstellung)
- 27 -
Das Politikfeld und seine Entwicklung im föderalen System der Bundesrepublik
Bemerkenswert ist zudem, dass die Notwendigkeit eines Bundesministeriums erst
knapp 20 Jahre nach Gründung der Bundesrepublik erkannt und umgesetzt wurde.
Bewusst wird hier der seit 1957 bestehende Wissenschaftsrat, der als Beratungsgremium einzustufen ist, nicht berücksichtigt. Zwar ist seine Rolle im Bereich der
Hochschulpolitik als „außerordentlich einflussreich“ (Leschinsky in Cortina 2003: 171)
zu gewichten, dennoch spielt er, wie es denkbar wäre, für die Schulpolitik, auch was
die Qualifikation der Studienbewerber oder die Ausbildung der Lehramtsanwärter
betrifft, keine Rolle.
Im Weiteren werden die Gremien kurz vorgestellt, stets unter dem Aspekt der Rolle des
Bundes. Es werden jeweils kurz Entstehung und Verortung im politischen System, die
Aufgaben, die Mitglieder und Organisation skizziert, und wesentliche Entwicklungspunkte für das Politikfeld hieraus abgeleitet.
3.3.1 Koordinationsgremien: KMK und BLK
Es existieren, wie bereits erwähnt, zwei Koordinationsgremien im Politikfeld
Schulpolitik, die unterschiedliche Funktionen erfüllen und auch sehr ungleich in der
öffentlichen Wahrnehmung verankert sind. Das wichtigste Gremium ist die bereits
mehrfach erwähnte „Ständige Konferenz der Kultusminister der Länder der
Bundesrepublik Deutschland“, kurz KMK, die auch weitere Koordinierungsfunktionen
außerhalb des Bildungswesens, z.B. im kulturellen Bereich, besitzt. Demgegenüber
besitzt die „Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung“
(BLK) nur Funktionen im Bereich der im Namen angeführten Politikfelder:
Bildungsplanung und Forschungsförderung.
Die Kultusministerkonferenz hat nach eigener Definition die Aufgabe, „Angelegenheiten der Bildungspolitik (…) von überregionaler Bedeutung mit dem Ziel einer
gemeinsamen Meinungs- und Willensbildung und der Vertretung gemeinsamer
Anliegen“ zu behandeln (Geschäftsordnung KMK 2005, Präambel), ist also
Interessenvertretung und Koordinierungsgremium in gleichem Maße. Sie ist ein reines
Gremium der Länder-Exekutiven, d.h. die Länderparlamente sind nicht beteiligt. Jedes
Land hat, unabhängig von seiner Größe oder Einwohnerzahl, den gleichen Stimmanteil,
wobei wichtige Beschlüsse der Einstimmigkeit bedürfen18. Dabei ist sie so organisiert,
18
Vgl. Geschäftsordnung KMK 2005, A I 6: In allen Fällen (unter Ausnahme
Verfahrensentscheidungen) sind immerhin 13 Stimmen, also über 80%, Mehrheit erforderlich.
- 28 -
der
Das Politikfeld und seine Entwicklung im föderalen System der Bundesrepublik
dass sie ein Sekretariat und neun ständige Ausschüsse unterhält, die für die tägliche
Arbeit und zur Vorbereitung von Entscheidungen dienen. Im Zeitverlauf des Bestehens
der KMK wandelte sich ihre Arbeits- und Funktionsweise; es herrscht keineswegs
Einigkeit unter den Ländern, wie die Zusammenarbeit im Bereich der Kulturhoheit
funktionieren soll19. Nach eigener Darstellung beschränkt sich das Handeln zumeist auf
unverbindliche Absprache im Sinne eines Orientierungsrahmens:
Andererseits konnte die Kultusministerkonferenz (…) nie ein ErsatzBundeskultusministerium abgeben und wollte dies auch zu keiner Zeit. Ihre
Beschlüsse sind keine Beschlüsse eines Verfassungsorgans mit der daraus
folgenden Rechtswirkung; nur wenige Beschlüsse wurden in die Form
gegenseitig rechtlich verpflichtender Staatsabkommen gebracht. Gleichwohl
entfalteten die Beschlüsse und Vereinbarungen als politische Verpflichtung und
als Richtschnur des Handelns der einzelnen Länder ihre Wirksamkeit.
(„Rechtsgrundlagen“ aus http://www.kmk.org/aufg-org/home1.htm,
31.08.2006)
Im Zweifelsfall, so lässt sich die Organisationsstruktur, die Geschichte und auch dieses
Zitat interpretieren, dominiert die Länderhoheit in der Schulpolitik über das
Koordinationsinteresse auf Ebene der KMK. Hier hat der Konsensdruck zwischen den
Parteien, vertreten durch die Landesregierungen, nur zu einem großen bürokratischen
Aufwand und zu wenig outcome geführt. Deswegen hat das Gremium immer wieder
auch Kritik von Seiten der Bundespolitik sowie der Medien auf sich gezogen (vgl.
Tidick in Kultusministerkonferenz 1998: 151ff.).
Weit weniger öffentliche Beachtung findet seit seiner Gründung das zweite
Koordinationsgremium, die Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und
Forschungsförderung. In ihr sind Bund und Länder mit gleicher Stimmanzahl (je 16)
vertreten, für Beschlüsse sind mindestens 25 Stimmen notwendig – wobei hier die
überstimmten Länder nicht verpflichtet sind, sich den Beschlüssen unterzuordnen
(BLK Abkommen, Art. 9 Abs. 2).
Aufgabe der Kommission ist es, „das ständige Gesprächsforum für alle Bund und
Länder gemeinsam berührenden Fragen des Bildungswesens“ (BLK Abkommen, Art.
19
Dies zeigt sich an der geschichtlichen Entwicklung, wie sie Peter Fränz und Joachim Schulz-Hardt (in
Kultusministerkonferenz (Hg.) 1998: 177 – 227) dargestellt haben, und auch an der neuren Entwicklung
z.B. bei dem angedrohten Ausstieg des Landes Niedersachsen 2005 oder der Debatte um die
Föderalismusreform.
- 29 -
Das Politikfeld und seine Entwicklung im föderalen System der Bundesrepublik
1) zu sein. Als konkrete Aufgaben im Bereich „Bildungsplanung und Innovationen im
Bildungswesen“ formuliert die Kommission folgende Arbeitsgebiete20:
-
Die Auswirkungen der demographischen Entwicklung auf das Bildungs- und
Beschäftigungssystem
-
Die Auswirkungen der strukturellen Veränderungen in der Wirtschaft, den
technologischen und ökonomischen Neuerungen (z.B. im Kommunikationsbereich) und den dadurch bedingten Änderungen neuer Qualifikationsstrukturen und -anforderungen in Beruf und Gesellschaft
-
Die Auswirkungen aus der Erosion der Normalarbeitsverhältnisse
-
Die Auswirkungen aus der wachsenden Internationalisierung sowie der fortschreitenden europäischen Vereinigung
…in das Bildungswesen zu integrieren.
Zudem ermittelt die BLK seit 1972 jährlich die Ausgaben für Bildung und
Wissenschaft nach Gebietskörperschaften.
Die schulpolitische Relevanz dieser Institution geht also insbesondere aus ihren
Aufgaben hervor, eine Koordinierung zwischen den Anforderungen des Arbeitsmarktes
und dem Bildungssystem herzustellen.
Nachdem die BLK 1973 „nach mühseligen und heftigen Auseinandersetzungen“
(Leschinsky in Cortina u.a. 2003: 165) einmal einen Bildungsgesamtplan vorgelegt
hatte (vgl. Kap 3.2.3), verlor das Gremium in der Folge stark an Bedeutung für die
Schulpolitik, und konnte erst seit der Wiedervereinigung wieder an politischem
Gewicht gewinnen. Ihr wohl wichtigstes Element ist die Unterstützung von ca. 2600
Modellprojekten in allen Bereichen des Bildungswesens (1971 - 2003, lt. Leschinsky in
Cortina u.a. 2003: 166), sowie in vielen Fällen auch die wissenschaftliche Begleitung
dieser Projekte.
Das Forum Bildung (1999 – 2001) wurde zwar bei der BLK eingerichtet, sollte aber in
seiner Struktur und Aufgabenstellung besser den reinen Beratungsgremien zugeordnet
werden. Das Gebiet der Bildungsgesamtplanung spielt derzeit im Rahmen der BundLänder-Kommission faktisch keine Rolle mehr.
20
Nur die Aufgaben mit Schulbezug
bonn.de/aufgaben.htm, (31.08.2006).
wurden
hier
- 30 -
übernommen,
nach:
http://www.blk-
Das Politikfeld und seine Entwicklung im föderalen System der Bundesrepublik
3.3.2 Beratungsgremien
Zur überregionalen Politikberatung im Bildungsbereich wurden verschiedene Anläufe
unternommen, von denen jedoch keinem wirklicher Erfolg beschieden werden kann.
Als wesentliches Defizit der KMK wurde bereits in den fünfziger Jahren erkannt, dass
„die KMK nur reaktiv auf deutlich werdende Defizite“ handelte (Massing 2003: 37).
Vor allem problematisch war, dass sie „kaum in der Lage [war], eine vorrausschauende
Planung zu betreiben“ (ebd.).
Zunächst näherte man sich der Problematik durch den „Deutschen Ausschuss für das
Erziehungs- und Bildungswesen“ (1953-1965). Er bestand aus ehrenamtlichen
Kommissionsmitgliedern ohne Verwaltung, und besaß zudem keine direkte Kopplung
in Form eines festen Adressaten an die Politik. Der Auftrag des Ausschuss war nur sehr
allgemein gehalten: Er sollte die Entwicklung des deutschen Erziehungs- und
Bildungswesen beobachten und durch Rat und Empfehlungen fördern (nach:
Leschinsky in Cortina u.a. 2003: 168). Mitglieder waren unabhängige Personen, also
keine Vertreter organisierter Interessen. Der Ausschuss war nur sehr schmal budgetiert,
und seine zahlreichen Beschlüsse wurden nicht in den wesentlichen Entscheidungsgremien, also der KMK und dem damals für die Bundesinteressen verantwortlichen
Innenministerium,
diskutiert.
Daher
verpuffte
das
Interesse
seitens
der
Bundesregierung - aber auch seitens der Länder - an diesem Gremium schon bald;
folgerichtig wurde sein Mandat ab 1965 nicht mehr verlängert.
Trotz seines geringen greifbaren Erfolgs ist die Rolle des Deutschen Ausschusses vor
allem darin zu sehen, „die traditionellen Strukturen des Bildungswesens in Frage zu
stellen“ (Massing 2003: 39). Er besaß zwar unlösbare Konstruktionsfehler, öffnete aber
das Feld der Bildungspolitik gegenüber wissenschaftlicher Beratung, Zukunftsplanung
und verkörperte als erste Institution den wachsenden Einfluss des Bundes. Er stellte das
erste gemeinsame Gremium der vertikalen Verflechtung zwischen Bund und Ländern
in der Bildungspolitik dar.
Wie jedoch auch schon im Zeitverlauf angedeutet, begann der Aufschwung des
Politikfeldes eigentlich erst nach dem Ende des Deutschen Ausschusses. Die
beginnende breite öffentliche Diskussion um Reformen im Bildungssektor konnte der
Bund nutzen, sich als Akteur in der Schulpolitik zu formieren. Die Nachfolgeinstitution
des Deutschen Ausschusses, der „Deutsche Bildungsrat“ (1965-1975) wurde über ein
Abkommen zwischen Bund und Ländern legitimiert. Seine wesentlichen Aufgaben
- 31 -
Das Politikfeld und seine Entwicklung im föderalen System der Bundesrepublik
waren: a.) Bedarfs- und Entwicklungspläne für das Deutsche Bildungswesen zu
entwerfen, b.) Vorschläge für die Struktur des Bildungswesens zu machen und den
Finanzbedarf zu berechnen und c.) Empfehlungen für die langfristige Planung auf den
verschiedenen Stufen des Bildungswesens auszusprechen21.
Organisiert war der Bildungsrat in zwei Kammern, einer Bildungskommission,
bestehend aus Wissenschaftlern und Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, und der
Regierungskommission. Diese Gruppe von Politikern stellte den großen Unterschied
zur Vorgängerinstitution dar: sie bestand aus Vertretern der Kultusministerien, der
Bundesregierung sowie der kommunalen Spitzenverbände. Die wesentlichen
Ausschüsse wurden mit Vertretern aus beiden Kammern besetzt. Insgesamt verfasste
der Bildungsrat in seinen zwei 5-jährigen Amtsperioden 18 Empfehlungen und 50
Gutachten. Der Bildungsrat war als reines Beratungsorgan konzipiert, wie Massing
(2003: 45f.) auch aus dem Beschlussverfahren folgert: Für Beschlüsse genügten
einfache Mehrheiten, jedoch konnten auch Minderheitsgutachten beschlossen werden.
Nach seinem Aufschwung in den sechziger Jahren wurde jedoch das Jahr 1970 zum
Wendepunkt der Arbeit des Rates. Nach den Grundgesetzänderungen von 1969/70 und
dem Ende der großen Koalition zeigte sich zu Beginn der siebziger Jahre rasch, dass
die gewählte Konstruktion im Falle der Konkurrenz der Parteien nicht tragfähig war, da
die Konfrontation durch die Möglichkeit der Minderheitsvoten konstruktives Arbeiten
unmöglich machte. Dies waren wohl die wesentlichen Argumente für das Ende des
Bildungsrates. Hinzu kam, dass der Bildungsrat seine wesentliche Veröffentlichung,
den Strukturplan für das Bildungswesen 1970 veröffentlichte und kaum Perspektiven
für die weitere Arbeit sah. Das Mandat des Deutschen Bildungsrates wurde daher nach
1975 nicht mehr verlängert.
In der Folgezeit wurden keine weiteren neuen Beratungsgremien geschaffen, die BLK
blieb die einzige Institution mit Beteiligung von Bund und Ländern. Das Parlament
versuchte zwar durch die Berufung der Enquete-Kommission „Bildung 2000“
(1987 - 1990) dieses Vakuum zu füllen; sie konnte die Erwartungen, ähnlich wie das
bereits erwähnte Forum Bildung (1999 - 2002) als Unterorganisation der BLK aber
nicht erfüllen. Das Forum Bildung, geprägt durch den Regierungsstil der
„Dialogstrategie“ Gerhard Schröders und auch „Bündnis für Bildung“ genannt, war,
21
zu den detaillierten Ergebnissen und insbesondere auch zu den Gründen, warum das Gremium 1975
wieder aufgelöst wurde siehe Hüfner 1986: 149ff.
- 32 -
Das Politikfeld und seine Entwicklung im föderalen System der Bundesrepublik
wenn auch keine direkte Regierungskommission, so doch durch dieses Politikmuster
geprägt (Vgl. Murswieck in Egle u.a. 2003: 118ff.). Anders als die anderen
Beratungsgremien bestand es aus 18 Personen, nämlich zwei Vertretern des Bundes,
sechs Vertretern der Länder, sowie je zwei Vertretern der Arbeitgeber, Arbeitnehmer,
Kirchen,
Wissenschaft,
Auszubildenden
und
Studierenden;
zuzüglich
der
Expertengruppen. Die politisch konsensfähigen zwölf Empfehlungen, die als
Beratungsergebnisse festzustellen sind, wurden allerdings durch die Veröffentlichung
der PISA-Ergebnisse schnell von der Tagesordnung verdrängt. Jedoch schließen Klaus
Klemm 22 u.a. (in: Cortina u.a. 2003: 142) aus, dass sich das Muster des Forums
Bildung zu „einer neuen tragfähigen Form der Politikberatung entwickeln könnte“, da
die Struktur der Vermischung aus wissenschaftlicher Arbeit der Expertengruppen mit
den politischen Interessen der Politikvertreter dies unmöglich machte. Zudem fehlte
dem Forum der direkte Dialogpartner auf Seiten der Politik, ähnlich wie dem
Deutschen Ausschuss. Es wird daher vielmehr ernüchternd als „eine Aktion des guten
Willens“ (ebd.) der beteiligten Akteure interpretiert.
Als Fazit für die Bedeutung der Beratungsgremien bleibt der folgenden Bewertung der
tatsächlichen Funktionen dieser Institutionen nicht viel hinzuzufügen:
Die Stärke solcher konsensorientierten und politiknahen Gremien besteht darin,
Reformideen zu bündeln und zu ihrer möglichen politischen Umsetzung dadurch
beizutragen, dass sie diese in bildungspolitische Entscheidungsgremien
hineintragen. Als Impulsgeber für tief greifende Reformen dienen sie jedoch nur
selten.
(Baumert, Cortina, Klemm in Cortina u.a. (Hg.) 2003: 143)
3.4
Zwischenbilanz:
Föderalismus
Schulpolitik
im
deutschen
Die Klärung der Strukturen und Entwicklungen in diesem Politikfeld ist damit soweit
abgeschlossen, so dass die folgende Analyse der Tätigkeit der Bundesregierung vor
diesem Hintergrund interpretiert werden kann.
Als Zwischenergebnis lässt sich an dieser Stelle zunächst festhalten: Der Bund spielte
unbestrittener Weise eine maßgebliche Rolle in der Entwicklung des Politikfeldes. Die
Schulpolitik ausschließlich als Angelegenheit der Länder zu interpretieren steht
22
Klaus Klemm war Mitglied sowohl der Enquete-Kommission „Bildung 2000“ als auch des Forums
Bildung als Vertreter der Wissenschaft.
- 33 -
Das Politikfeld und seine Entwicklung im föderalen System der Bundesrepublik
offensichtlich im Widerspruch zu existierenden Institutionen, aber auch den Interessen
der Bürger.
Die Nachzeichnung der geschichtlichen Entwicklung zeigt, dass eine näher zu
untersuchende Beziehung zwischen der Rolle des Bundes als Akteur und den
Konjunkturen des Politikfeldes existiert. Dabei tritt der Bund eher reaktiv auf: nur in
Phasen öffentlichen Drucks, so ließe sich aus der bisherigen Darstellung ableiten,
konnte er seinen Einfluss wahrnehmen beziehungsweise ausweiten. Insgesamt ist die
Einflussnahme des Bundes nicht als eindeutig zunehmend zu erkennen, sie ist vielmehr
Schwankungen unterworfen.
Die Untersuchung der Institutionen, die zwischen Bundes- und Länderebene
angesiedelt sind, zeigt ein uneinheitliches Bild. Sämtliche geschaffenen Gremien der
Politikberatung konnten sich nicht dauerhaft etablieren. Die starke Konsensorientierung
in den einflussreicheren Koordinationsgremien führte jedoch weitestgehend zu einem
Stillstand des Politikfeldes; wesentliche Reformen gingen von ihnen bisher nicht aus.
Diese Erkenntnis deckt sich im Übrigen auch mit bekannten theoretischen
Vorstellungen:
dass
sich
Mehrebenensysteme
Pfadabhängigkeit“ auszeichnen (Benz 2005).
- 34 -
durch
eine
„ausgeprägte
4. Die Möglichkeiten des Bundes in der Schulpolitik:
Einflussnahme in engem Rahmen
Um die Rolle des Bundes in einem Politikfeld zu analysieren, bedarf es der Klärung der
Steuerungs- und Einflussmöglichkeiten dieses Akteurs. Die Grundlage für die
Einflussnahme stellt der rechtliche Rahmen dar, der vor allem durch das Grundgesetz
in der Bundesrepublik gegeben ist. Daneben stellt sich die Frage, auf welche Weisen in
einem komplexen System, an dem mehrere staatliche Ebenen beteiligt sind, relevante
Impulse von einer einzelnen Instanz, in diesem Falle dem Bund, ausgehen können.
Diese Möglichkeiten lassen sich wiederum in zwei Teilbereiche gliedern: auf der einen
Seite sind die eindeutig messbaren Größen zu nennen, deren Kernpunkt eine finanzielle
Dimension besitzt, und auf der anderen Seite die schwer zu quantifizierenden „weiteren
Einflussmöglichkeiten“, beispielsweise das Agenda Setting. An dieser Stelle wird zur
Analyse auf Steuerungsstrategien, wie sie Görlitz und Burth (1998) darstellen,
zurückgegriffen, um eine schärfere Analyse zu ermöglichen.
Aus dem Bisherigen lässt sich bereits ableiten, dass der Bund beim Steuern im
klassischen Sinne durch die Legislative, also Rechtsetzung, nur sehr eingeschränkte
Möglichkeiten
besitzt.
Dennoch
Möglichkeiten der Beeinflussung
existieren
23
auf
Bundesebene,
verschiedene
. Dabei rücken die Möglichkeiten der der
Parlamentsmehrheit korrespondierenden Regierung verstärkt in den Vordergrund,
während die Rolle des Gesetzgebers in diesem Rahmen als schwächer einzustufen ist.
4.1
Der rechtliche Rahmen und das Beispiel nationaler
Bildungsstandards
Wie schon mehrfach angedeutet, ist der rechtliche Rahmen für eine Steuerung des
Politikfeldes durch den Bund eng begrenzt. Zunächst standen dem Bund im Bereich der
Schulpolitik, wie in der geschichtlichen Entwicklung dargestellt, keine klar formulierten Kompetenzen laut Grundgesetz zu.
Der
seit
1949
unveränderte
Artikel
30
GG
erklärt
unter
dem
Titel:
„Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern“: „(…) die Erfüllung der
23
An dieser Stelle können die Auswirkungen und eventuellen Änderungen durch die
Föderalismusreform noch nicht berücksichtigt werden. Sofern sich substanzielle Änderungen ergeben
(vgl. Kapitel 6), lassen diese sich jedoch besonders sinnvoll im Vergleich zum bisherigen aufzeigen.
- 35 -
Die Möglichkeiten des Bundes in der Schulpolitik: Einflussnahme in engem Rahmen
staatlichen Aufgaben ist Sache der Länder, soweit dieses Grundgesetz keine andere
Regelung trifft oder zulässt.“ Dabei gilt die Aufsicht über das gesamte Schulwesen, so
geht bereits aus dem Grundrechtskatalog (Art. 7 GG) hervor, eindeutig als staatliche
Aufgabe. In Artikel 70 Abs. 1, unter der Überschrift „Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen zwischen Bund und Ländern“, wird dazu festgestellt, dass die Länder das
Recht zur Gesetzgebung besitzen, falls das Grundgesetz nicht explizit eine andere
Regelung vorsieht – und dies war nur bis 1969 der Fall. Jedoch galt zunächst - bis 1994
– folgender Artikel 72 (Abs. 2):
Der Bund hat in diesem Bereich das Gesetzgebungsrecht, soweit ein Bedürfnis
nach bundesgesetzlicher Regelung besteht, weil
1. eine Angelegenheit durch die Gesetzgebung einzelner Länder nicht wirksam
geregelt werden kann oder
2. die Regelung einer Angelegenheit durch ein Landesgesetz die Interessen
anderer Länder oder der Gesamtheit beeinträchtigen könnte oder
3. die Wahrung der Rechts- oder Wirtschaftseinheit, insbesondere die Wahrung
der Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse über das Gebiet eines Landes hinaus
sie erfordert.
Die Forderung der „Wahrung der Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse“ bietet einen
breiten Interpretationsspielraum und war auch Gegenstand von Kontroversen zwischen
Bund und Ländern. Jedoch bezieht sich der Artikel explizit auf die in Artikel 74
aufgelistete Reihe an Themengebieten, in dem sich im Rahmen der Schulpolitik nur die
Ausbildungsbeihilfen befinden.
Durch die Grundgesetzänderungen vom 12. Mai 1969 und die Einführung der
Gemeinschaftsaufgaben (Art. 91a, 91b) bekam der Bund neue Kompetenzen im
Bereich des Bildungswesens: Es wurde von der großen Koalition in Artikel 91b
eingeführt, dass der Bund und die Länder bei der Bildungsplanung zusammenwirken
können. Was allerdings Bildungsplanung und Zusammenwirken konkret bedeutet,
bleibt offen und wurde unterschiedlich interpretiert. Dieser Abschnitt ist jedoch der
Schlüssel zur Formalisierung des Bundeseinfluss auf die Schulpolitik.
Eine
gewisse
Einschränkung
dieser
Kompetenzen
ergab
sich
ab
den
Grundgesetzänderungen im Zuge der Wiedervereinigung von 1994, als die Forderung
der Einheitlichkeit auf die Formulierung der „Gleichwertigkeit“ der Lebensverhältnisse
(Art. 72 Abs. 2, GG) reduziert wurde. Insgesamt erscheint also die Lage, Inhalte der
Schulpolitik bestimmen zu können, als eher schwierig, wenn man diesen rechtlichen
Rahmen bedenkt.
- 36 -
Die Möglichkeiten des Bundes in der Schulpolitik: Einflussnahme in engem Rahmen
Dennoch wurde, speziell von Seiten der Rot-Grünen Bundesregierung im Zuge der
Veröffentlichung von PISA 2000 – insbesondere nach Veröffentlichung der national
vergleichenden Studie im Sommer 2002 - gefordert, nationale Bildungsstandards
einzuführen. Anhand dieses Beispiels wird die Begrenztheit des rechtlichen Rahmens
verdeutlicht: Bildungsstandards konkretisieren den Bildungsauftrag der allgemeinbildenden Schulen, in dem sie „Ziele für die pädagogische Arbeit, ausgedrückt als
erwünschte Lernergebnisse der Schülerinnen und Schüler“ benennen (BMBF 2003a:
19). Im Rahmen der derzeitigen Situation erscheint dies jedoch als rechtlich unmöglich.
Selbst wenn die nationalen Standards in der „Natur der Sache“ nur bundeseinheitlich
zu regeln sind, lässt die Rechtsprechung in der Bundesrepublik eine solche Regelung
nicht zu (Richter 2003: 135). Alternativ könnte der Bund jedoch über Staatsverträge
unter Zustimmung aller 16 Länderparlamente versuchen, diese einzuführen. Dieses
Unterfangen erscheint jedoch als wenig erfolgsversprechend, da der Bund in diesem
Fall nur eine reine Koordinierungsfunktion besäße (ebd., S.136). In dieser
Ausgangslage bedeutet das, dass der Bund als direkter Konkurrent der Kultusministerkonferenz zu sehen wäre - und würde somit den Ländern wenig Veranlassung
geben, dem zuzustimmen.
Faktisch muss man also, wie dieses Beispiel belegt, konstatieren, dass der Bund nur im
Falle einer Grundgesetzänderung zu seinen Gunsten direkte inhaltliche Bestimmungen
für das Schulsystem übernehmen kann. Die Formulierung über das Zusammenwirken
im Rahmen der Bildungsplanung eröffnet dem Bund zwar, sich aktiv an Diskussionen
zu beteiligen, die Entscheidungshoheit liegt jedoch weiterhin bei den Ländern. Wie
bereits erwähnt, wurde diese Machtaufteilung schon in der Frühphase der Bundesrepublik vom Bundesverfassungsgericht bestätigt.
4.2
Finanzielle Anreize: die „goldenen Zügel“
Der Bund hat neben den Möglichkeiten, per Gesetz Einfluss zu nehmen, auch die
Option, sich durch Finanzmittel Einfluss förmlich zu erkaufen. Nicht nur in Zeiten
leerer Kassen, sondern unabhängig von der Finanzlage sind „Geschenke“ grundsätzlich
willkommen, da diese dann der Länderebene einen größeren Handlungsspielraum mit
ihren Mitteln ermöglichen. Das für den Bund attraktive hierbei ist, dass gegen eine
solche Lenkung die Blockierungsmöglichkeiten nur sehr gering sind, er also die
- 37 -
Die Möglichkeiten des Bundes in der Schulpolitik: Einflussnahme in engem Rahmen
Mittelvergabe nach seinen Interessen diktieren kann. Grundlage für diese Form der
finanziellen Verstrickung bietet der Art 104a GG. In Abs. 4 heißt es dort:
Der Bund kann den Ländern Finanzhilfen für besonders bedeutsame
Investitionen der Länder und Gemeinden (Gemeindeverbände) gewähren, die
zur Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts oder zum
Ausgleich unterschiedlicher Wirtschaftskraft oder zur Förderung des
wirtschaftlichen Wachstums erforderlich sind.
Natürlich ist in den meisten Fällen eine Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern
bei der Umsetzung von Maßnahmen dieser Art intendiert. Aber letztlich bleiben die
Länder zweifelsfrei von der Bereitschaft der Bundestagsmehrheit abhängig,
Finanzhilfen zur Verfügung zu stellen, da der Ermessensspielraum, den diese
Formulierung lässt, immens ist. Daher übernimmt diese Möglichkeit, in Politikfelder
hinein zu regieren, in denen keine Kompetenz besteht, eine wichtige Steuerungsrolle
aus Sicht des Bundes ein: durch seine außerordentlich mächtige Stellung in diesem
Konzept, sind es tatsächlich Zügel, die der Bund in der Hand hält, um Einfluss auf die
Länder auszuüben.
Eine Einschränkung, dass es sich hierbei um Investitionen handeln muss, kann zum
Vor- und Nachteil aus Sicht des Bundes ausgelegt werden. Wenn es sich um
Investitionen im Bildungssektor handelt, so muss im Allgemeinen mit laufenden
Kosten gerechnet werden, die in diesem Fall nicht dem Investor zur Last fallen. Dabei
ist es zunächst nicht relevant, ob die anfallenden Kosten von den Ländern oder den
Gemeinden zu tragen sind. Andererseits jedoch sind damit dem Bund auch für
verschiedene „Zügelungsmethoden“ die Hände gebunden: er kann sich beispielsweise
nicht in die Personalausstattung einmischen. Weder im Bereich der Lehrkräfte, noch
beispielsweise der schulischen Sozialarbeit kann er direkt Mittel für Stellen
bereitstellen. Eine gewisse Ausnahme hiervon bilden Maßnahmen der Bundesagentur
für Arbeit, die hierfür eingeschränkte Möglichkeiten, beispielsweise im Bereich
Betreuungsangebote über Ein-Euro Jobs, besitzt.
Als besonders prominentes Beispiel für die Praxis der finanziellen Einflussnahme muss
das Investitionsprogramm „Zukunft Bildung und Betreuung“ (IZBB) gelten, wie
das 2002 initiierte Ganztagsschulprogramm der Rot-Grünen Bundesregierung formal
heißt. Nach Zahlen des Bundesministeriums fördert das Programm im Zeitraum 20032005 fast 5000 Schulen im gesamten Bundesgebiet (http://www.ganztagsschulen.org
/1108.php, 31.08.06), wobei sich die Verteilung nach der Anzahl der Schüler in den
- 38 -
Die Möglichkeiten des Bundes in der Schulpolitik: Einflussnahme in engem Rahmen
Klassenstufen 1-10 orientierte. Insgesamt stellt der Bund von 2002 bis 2007 vier
Milliarden
Euro
zur
Verfügung,
über
die
Mittelvergabe
wurde
eine
Verwaltungsvereinbarung (http://www.ganztagsschulen.org/_downloads/Verwaltungsvereinbarung_IZBB.pdf, 31.08.2006) zwischen Bund und Ländern getroffen. Diese
sieht vor, dass die Länder (Art. 4 Abs. 4) sich verpflichten, mindestens 10% der
entstehenden Kosten der Strukturmaßnahem zu tragen. Bei einem Gesamtvolumen der
Haushaltsmittel des Bundes im Bildungssektor von rund zehn Milliarden Euro 200624
ist das Investitionsvolumen, das jährlich mehr als zehn Prozent des Haushaltes beträgt,
als beachtlich zu bewerten.
Diese stark hierarchisch geprägte Form der Steuerung bildet einen Sonderfall, da die
üblichen Konzepte der Entscheidungsverflechtung hier nicht direkt greifen. Der Bund
kann, wenn er den direkten Konflikt mit den Ländern nicht scheut, Investitionsmittel
jederzeit bereitstellen. Selbst wenn die Länder standhaft die Annahme verweigern, um
ihre Kompetenz zu sichern, hat der Bund massiven Druck ausgeübt, und kann
öffentlich seine Handlungsfähigkeit demonstrieren, wohingegen der Blockadeverdacht
auf Seiten der Länder bliebe.
4.3
Weitere Möglichkeiten der Einflussnahme
Trotz der dargestellten formalen Schwäche des Bundes kann er neben den finanziellen
Einflussmöglichkeiten auch noch weitere, „weiche“ Mittel einsetzen, um seine
inhaltlichen Vorstellungen in dem Politikfeld zu verwirklichen. Neben Regulierung und
Finanzierung kann der Bund als Steuerungsstrategie noch auf die beiden Konzepte der
Strukturierung und der Informierung zurückgreifen (Görlitz u.a. 1998: 246-269). Beide
Konzepte werden anhand je eines Beispiels aus der neueren Regierungspraxis
dargestellt, zunächst das im Politikfeld Schulpolitik wichtigere: Die Informierung.
Dabei ist wiederum einzuschränken, dass es sich im geschilderten Rahmen des
Politikfeldes weniger um Steuerung als um Einflussnahme handelt; dennoch lassen sich
die Konzepte hierfür anwenden, wie auch die jeweiligen Beispiele illustrieren.
24
Quelle: Finanzplan 2004 – 2008 des Bundes, Schaubild 7 (S. 31, nach:
http://www.bundesfinanzministerium.de/lang_DE/DE/Service/broschueren/Bundeshaushalt/30110__a,te
mplateId=raw,property=publicationFile.pdf/30110_a, 31.08.2006). Die Ausgaben beinhalten alle
Ausgaben des Bundesministeriums für Bildung und Forschung einschließlich IZBB und BAföG.
- 39 -
Die Möglichkeiten des Bundes in der Schulpolitik: Einflussnahme in engem Rahmen
4.3.1 Informierung am Beispiel der Bildungsreform nach PISA
Informierung als Instrument der politischen Steuerung basiert im Wesentlichen auf
symbolischen Handlungen. Hierunter fallen insbesondere Aufklärungskampagnen
seitens des Staates, die Facetten der Einflussnahme sind jedoch vielfältig und können
verschiedene Funktionen besitzen. Einerseits, und dies ist im bildungspolitischen
Zusammenhang von besonderer Relevanz, dient dies zur Programmsetzung. Als
Programmsetzung können verschiedene Aspekte aufgefasst werden: Problemdefinition,
Zustandsbeschreibung, Agenda-Setting, Zielbildung und ähnliches (Görlitz/Burth 1998:
179). Im Rahmen der nationalen Programmsetzung ist der Bund besonders deswegen
im Vorteil, da sich seine Vertreter einer besonderen nationalen Medienwirksamkeit
erfreuen, und Gegenstimmen von Vertretern aus den einzelnen Ländern weniger
Gewicht besitzen. Neben der Programmsetzung für den politischen Prozess kann das
Instrument der Informierung auch genutzt werden, um unmittelbar, zum Beispiel in
Form von Appellen, die Bürger zu konkreten Handlungen aufzufordern.
Um zu konkretisieren, wie dies in Zusammenhang mit der indirekten Steuerung im
verflochtenen System der Bundesrepublik funktioniert, seien die Tätigkeiten des
Bundesministeriums für Bildung und Forschung im Rahmen des Prozesses in der Folge
der PISA-Veröffentlichungen dargestellt. Nachdem man sich schnell über alle
Konfliktlinien hinweg einig war, dass im Bildungssystem der Bundesrepublik tief
greifende Veränderungen notwendig geworden sind, reagierte auch der Bund mit
verschiedenen Maßnahmen.
Eine dieser Handlungen war, entsprechende Forschungsprojekte und Dokumentationen
in Auftrag zu geben, um den notwendigen Veränderungsbedarf zu analysieren. Dazu
beauftragte das Bundesministerium Forscher verschiedener Teilbereiche, Studien zu
erstellen, die in der Reihe „Bildungsreform“ vom Bundesministerium veröffentlicht
wurden. In den Jahren 2003 bis 2005 wurden so Studien auf über 3500 Seiten in 16
Bänden im Namen des BMBF veröffentlicht 25 . Die Bände korrespondieren zu den
Themen, in denen Reformbedarf durch die damalige Bundesregierung festgestellt
wurde, und wurden teilweise sogar in verschiedene Sprachen übersetzt. Dieses
Schrifttum ist nicht nur für den wissenschaftlichen Diskurs von Interesse, sondern stellt
auch die Grundlage für viele politische Entscheidungen im Schulsektor dar.
25
Quelle: Eigene Erhebung nach: http://www.bmbf.de/publikationen/2713.php 31.08.2006, wobei seit
der Bundestagswahl 2005 verschiedene Schriften nicht mehr zur Verfügung stehen.
- 40 -
Die Möglichkeiten des Bundes in der Schulpolitik: Einflussnahme in engem Rahmen
Insbesondere der erste Band: „Zur Entwicklung nationaler Bildungsstandards“, verfasst
von den Wissenschaftlern unter der Leitung des Deutschen Instituts für Internationale
Pädagogische Forschung durch Professor Klieme26, ist zu einer Art Standard-Referenz
in der Diskussion um Bildungsstandards geworden (BMBF 2003a). Natürlich ist
zwischen den Interessen der Bundesregierung und den Erkenntnissen aus der
Wissenschaft zu differenzieren, aber allein durch die Finanzierung der BildungsreformReihe hat die Bundesebene eine Art Programmsetzung betrieben, um die die Länder
und insbesondere die KMK nicht herum kamen. Dabei kommt dem Bundesministerium
entgegen, für die Vergabe der Forschungsmittel des Bundes mitverantwortlich zu sein:
dies bedeutet nämlich, dass eine solche indirekte Einflussnahme in der Realität kaum
verhindert werden kann.
4.3.2 Strukturierung am Beispiel „Schulen ans Netz e.V.“
Das Instrument der Strukturierung greift anders ein als das der Informierung. Die
Strukturierung bereitet Handlungsänderungen nur vor, dafür sind diese im Idealfall
jedoch unausweichlich. Görlitz und Burth (1998: 264) formulieren die Strategie in
folgender Weise:
Mit Strukturierung wird […] eine Steuerungsstrategie umschrieben, die ein
politisch gewolltes Verhalten durch eine Veränderung bestehender sozialer
Verhaltensarrangements herbeiführen will, erwünschte Zustände also nicht
unmittelbar, sondern mittelbar anzielt.
Die Ziele einer solchen Maßnahme der Beeinflussung müssen dabei allerdings nicht
unbedingt im Vorhinein bekannt gegeben werden, da nur der Weg zu der
Verhaltensänderung „strukturiert“, also aktiv gestaltet wird. Mit Hilfe von
Strukturierungsmaßnahmen kann sich die Bundesregierung, wie das Beispiel zeigen
wird, in manchen Fällen gezielt in die Schulwirklichkeit einmischen, und so indirekt
auch Einfluss auf die Inhalte der Schulpolitik nehmen. Es ist dabei in besonderem
Maße schwierig einzuschätzen, auf welche Bereiche sich dieses Instrument übertragen
lässt.
Das Beispiel, um diese Form der Einflussnahme zu illustrieren, soll
die Initiative „Schulen ans Netz e.V.“ sein. Im April 1996 stellte der
Abbildung 3:
Logo SaN e.V.
damalige Bundesbildungsminister Jürgen Rüttgers (CDU) gemeinsam
mit dem damaligen Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Telekom
AG, Dr. Ron Sommer, die Initiative vor. Innerhalb der kommenden Jahre stellten
26
Daher ist die Expertise in die weitere Diskussion als „Klieme-Gutachten“ eingegangen.
- 41 -
Die Möglichkeiten des Bundes in der Schulpolitik: Einflussnahme in engem Rahmen
sowohl der Bund wie auch die Telekom gemeinsam Mittel zur technischen Ausrüstung,
aber auch zur Schulung der Lehrkräfte, für Internetprojekte und ähnliches, zur
Verfügung. 1996 besaßen nur 800 der deutschen Schulen Zugang zum Internet, im
Herbst 2001 konnte vermeldet werden, dass alle rund 34.000 deutschen Schulen ans
World-Wide-Web angeschlossen wurden (Nach: http://www.schulen-ans-netz.de/san/
10jahreschulenansnetz/blick.php, 31.08.2006). Nach eigener Darstellung des Vereins
sind die Arbeitsschwerpunkte seit 2000 die „inhaltliche Unterstützung“, insbesondere
auch
durch
das
Bereitstellen
von
Unterrichtsmaterialien,
und
„Qualifizierungsmaßnahmen“, vor allem auf Seiten der Lehrkräfte. Der Bund stellt
dabei auch Finanzmittel bereit, im Haushaltsjahr 1997 23 Millionen DM, im
Haushaltsjahr 2005 38 Millionen Euro (!). Der Beitrag der Deutschen Telekom ist
schwer zu beziffern, da sie zusätzlich zu Finanzmitteln auch noch durch Kostenerlasse
und ähnliches Leistungen einbringt, wurde jedoch zu Beginn, 1997, mit 36 Millionen
DM beziffert (http://www.schulen-ans-netz.de/presse/archiv/ index_detail.php?id=97,
31.08.2006). Das Projekt stellt eine Strukturierungsmaßnahme dar, da die Ausstattung
der Schulen zu der gewünschten Verhaltensänderung, in diesem Fall der Bildung von
Medienkompetenz, beiträgt. Außerdem können, unter der Vorraussetzung, das an allen
Schulen Internet-Möglichkeiten bestehen, Kompetenzen im Umgang damit auch
Eingang in die Curricula finden.
Warum und auf welcher Grundlage der Bund hierbei Mittel einsetzt, erscheint jedoch
als fragwürdig, wenn man sich den rechtlichen Rahmen der Bundesrepublik
vergegenwärtigt. Dieser Problematik ist der Bund sich offenbar schon bei der
Gründung bewusst gewesen, denn die Satzung des Vereins benennt den Zweck des
Vereins mit „Förderung von Wissenschaft, Forschung, Bildung und Erziehung“ (nach:
http://www.schulen-ans-netz.de/san/satzung/index.php, 31.08.2006) – was man nicht
ohne weiteres mit dem Namen „Schulen ans Netz“ verbunden hätte: vor allem geht es
in Realität um die Förderung von Projekten im Zusammenhang mit dem Internet an
allgemeinbildenden Schulen.
In wie weit sich dieses Konzept auf andere Bereiche der Schulpolitik übertragen lässt,
oder ob es sich um einen Einzelfall handelt, ist schwer abschließend zu beurteilen.
Grundsätzlich wären jedoch vor allem im Bereich neuer Technologien, den Naturwissenschaften oder auch des Sportunterrichts weitere Projekte dieser Art denkbar.
- 42 -
Die Möglichkeiten des Bundes in der Schulpolitik: Einflussnahme in engem Rahmen
4.4
Überblick über die Möglichkeiten
Zusammenfassend lassen sich die Möglichkeiten der Einflussnahme in folgender Weise
bilanzieren:
-
Der rechtliche Rahmen schließt eine echte „Steuerung“ seitens des Bundes aus
und erschwert in erster Linie die inhaltliche Einflussnahme: hier ist die Macht
des Bundes besonders begrenzt.
-
Die mächtigsten Mittel der Einflussnahme des Bundes sind im Bereich der
Investitionen und der Steuerung durch die goldenen Zügel zu finden. Gerade
dadurch, dass der Bund sich nicht um die Folgen seiner Investitionen sorgen
muss, ist er hier in einer günstigen Situation. Dennoch sind die Schranken, in
denen er Mittel bereitstellen kann, eng.
-
Die Möglichkeiten der Programmsetzung auf inhaltlicher Ebene besitzt der
Bund nur indirekt; dennoch kann er, insbesondere auch durch seine Vorteile in
der bundesweiten Mediendarstellung Debatten prägen und strukturieren
-
Im Rahmen der weiteren Möglichkeiten der Einflussnahme, wie beispielsweise
der Strukturierung, wird deutlich, wie schmal der Grad für die Bundesregierung
ist. Es zeigt sich die große Schwierigkeit, politischen Einfluss auszuüben, ohne
in Konflikt mit den Vorgaben der Verfassung zu geraten.
Es wird also insgesamt ersichtlich, dass sich die Rolle des Bundes durch den schmalen
rechtlichen Rahmen im Wesentlichen auf die Bundesregierung einengt. Diese
Erkenntnis belegt auch theoretisch den bei der Beschreibung der Entwicklung des
Politikfeldes als gering eingestuften Stellenwert der Legislativen in dieser
Konstellation.
Insbesondere die inhaltliche Ausgestaltung des Politikfeldes durch die Bundesregierung
bedarf eines besonderen Maßes an Kreativität, falls Einflussnahmen beabsichtigt
werden. Eine Analyse der Regierungstätigkeit basierend auf messbaren Konzepten, wie
rechtlichen Vorgaben oder finanzieller Ausstattung, kann die Rolle des Bundes in
diesem Falle nur eingeschränkt darstellen und erklären. Die Analyse der
Einflussmöglichkeiten zeigt: die formalen Steuerungsmöglichkeiten des Bundes in dem
Politikfeld sind als gering zu bewerten.
- 43 -
5. Analyse des Stellenwerts der Schulpolitik in der
deutschen Exekutive
Nachdem verschiedene Möglichkeiten der Einflussnahme erörtert wurden, stellt sich
die Frage, wie die aufgezeigten Spielräume von den handelnden Personen ausgestaltet
wurden und werden. Dabei lässt sich die Exekutive der Bundesrepublik differenzieren
in die Ressortminister mit Bildungskompetenz auf der einen Seite, und den
Bundeskanzler auf der anderen. Beide bilden gemeinsam gemäß dem Grundgesetz die
Regierung (Art. 62).
Das Konzept, den Stellenwert dieser policy zu ermitteln, begründet sich in folgender
Weise: der Bund war trotz seiner geringen Kompetenz im Feld Schulpolitik, wie auch
die Nachzeichnung der Geschichte zeigt, in vielfältiger Weise engagiert – teilweise
sogar mehr, als es seine formalen Befugnisse vermuten lassen. Es resultiert, dass die
Bundesregierung hier freiwillig tätig wird; falls sie hingegen die Entscheidung trifft,
sich
nicht
einzumischen,
fallen
alle
Aufgaben
den
Ländern
und
ihrem
Koordinationsgremium zu. Im Gegenzug besitzt die Bundesebene jedoch jederzeit die
Möglichkeit, in verschiedener Weise in das Politikfeld einzugreifen. Es deutet sich also
an, dass die Rolle des Bundes nur schwer kalkulierbar ist. Offensichtlich jedoch ist,
dass das Regierungshandeln in diesem Politikfeld in besonderer Weise auf die
Interessen der beteiligten Personen zurückzuführen ist. Diese haben sich nämlich im
Rahmen der verflochtenen Zuständigkeiten mit ihren Konzepten durchgesetzt.
Selbstverständlich sind bei den Personen in Regierungsämtern stets die jeweiligen
parteipolitischen Hintergründe sowie die ihrer Koalitionsregierungen zu beachten.
Die Verwendung des Spielraums der Bundesregierung ist Gegenstand der Analyse, die
über den Stellenwert des Politikfeldes in der Regierung argumentiert. Die
Stellenwertsanalyse, wie sie hier betrieben wird, greift in diesem schwer zu
operationalisierenden
Rahmen
ein,
und
führt
die
folgenden
Aspekte
zur
Berücksichtigung an:
o Wer hat das Ressort verwaltet?
o Gibt die parteipolitische Zuordnung des Amts Aufschluss über den Stellenwert?
o Gibt es Besonderheiten in der Kooperation mit den Ländern bei verschiedenen
Bildungsministern?
- 44 -
Analyse des Stellenwerts der Schulpolitik in der deutschen Exekutive
o Korrespondiert die Aktivität des Ministeriums mit den genannten Interessen der
Bundesregierung?
o Wie standen die Regierungschefs dem Bildungsföderalismus gegenüber, und
wie war die gesamte Schwerpunktsetzung der Regierung?
Daraus resultiert eine Einschätzung, wie groß der Stellenwert des Politikfeldes im
Rahmen der Exekutive im Verlauf der Geschichte der Bundesrepublik war – klar dabei
ist, dass es Schwankungen gibt.
Diese Form der Stellenwertanalyse ist ein notwendiger methodischer Neuansatz, da,
wie sich zeigen lässt, die bisherigen Konzepte der Einflussnahme in diesem speziellen
Zusammenhang nur geringe Erklärungskraft besitzen. Weiter verbreitet sind zur
Messung des politischen Gewichts eines Politikfeldes die Entwicklung der
Staatsausgaben in diesem Sektor sowie die Analyse der Koalitionsverträge. Der Ansatz
über die Staatsausgaben wurde hier verworfen, da es im vorgegebenen Rahmen nicht
möglich erscheint, die Mittel des Bundes in der Schulpolitik, die Ausgaben sowohl im
Investitionsbereich
als
auch
bei
den
Personalkosten
(beispielsweise
im
Bundesministerium) sinnvoll auszuwerten. Dies liegt auch darin begründet, dass die
Spielräume mit „goldenen Zügeln“ einzugreifen beschränkt sind, wie in Kapitel 4
gezeigt werden konnte. Eine direkte Zuordnung der Ausgaben ist also nur schwer
möglich, und viele gewichtige Einflussnahmen sind gar ganz ohne finanziellen
Niederschlag getätigt worden.
Warum die Argumentation über die Stellung der Minister und die Analyse von
Regierungserklärungen betrieben wird - an Stelle einer Auswertung der Koalitionsvereinbarungen - wird im Abschnitt 5.2.2 begründet. Letzten Endes sprechen die
formalen Bedingungen dafür, dass eine Schwerpunktsetzung eher durch die Auswahl
eines Ministers oder durch Betonung innerhalb einer mündlichen Erklärung stattfinden
kann und deswegen diese Variablen zuverlässigere Auskunft über die praktische
Relevanz geben.
Die Auswahl, neben der Analyse des Bundesministeriums einen Schwerpunkt auf die
Analyse der „Großen Regierungserklärungen“ zu legen, wird im Zusammenhang
begründet werden. Die Rolle des Bundes in der Schulpolitik lässt sich danach
charakterisieren und bewerten.
- 45 -
Analyse des Stellenwerts der Schulpolitik in der deutschen Exekutive
5.1
Das Bundesministerium und seine Möglichkeiten
Die wesentlichen Kompetenzen des Bundesministeriums im Bereich der Schulpolitik,
das wie bereits erwähnt in seiner heutigen Form seit 1969 besteht, wurden schon
dargestellt. Insgesamt hat die Schulpolitik des Bundes recht unterschiedliche Aufgaben
an das Ressort gestellt. Dabei unterliegt die Gliederung der Bundesregierung und die
Kompetenzzuteilung selbstverständlich den Regelungen des Grundgesetzes. Eine
Analyse der Rolle des heutigen Bundesministeriums für Bildung und Forschung macht
vor dem Hintergrund Sinn, den Artikel 65 GG formuliert: „Innerhalb dieser
Richtlinien[27] leitet jeder Bundesminister seinen Geschäftsbereich selbstständig und
unter eigener Verantwortung.“ Doch bevor auf die Ausgestaltung des Ministeriums, die
parteipolitische Prägung und die einzelnen Minister eingegangen wird, werden
zunächst bisher nur angedeutete Aspekte der Kompetenzverflechtung aufgegriffen.
Das Ministerium nimmt wichtige Vermittlungs- und Kontrollfunktionen wahr, die in
Zusammenhang mit der speziellen Verflechtungsstruktur des Politikfeldes stehen. Das
Bundesministerium ist, auch von seiner Geschichte herrührend, gleichzeitig ein
wichtiger Partner der Kultusministerkonferenz, zugleich aber auch ihr größter
Konkurrent. Die Konkurrenzsituation ergibt sich dadurch, dass teilweise Probleme
nicht durch die einzelnen Länder gelöst werden können – und es zwei Institutionen
oberhalb der Länderebene gibt.
Wie in weiteren Politikbereichen ist die Zusammenarbeit insbesondere für größere
Projekte zwischen den Ebenen notwendig. Ein Beispiel hierfür ist die neue
Bildungsberichterstattung, deren erster Bericht im Juni 2006 veröffentlicht wurde
(Konsortium Bildungsberichterstattung 2006). Auftraggeber für diese erste Analyse des
Bildungssystems dieser Art waren Bund und Länder, jedoch nicht über die
Zusammenarbeit
in
der
BLK
sondern
getrennt:
Vertreten
durch
die
Kultusministerkonferenz und das Bundesministerium. Auch hier ist jedoch die
Einschränkung zu machen, dass sich diese Zusammenarbeit nach dem Inkrafttreten der
Föderalismusreform und der Neugestaltung der Bildungsplanung neu darstellen wird.
5.1.1 Das Ministerium: Ressortkompetenz der Minister
Wie im bereits zitierten Art. 65 GG angegeben, zeichnet der jeweilige Minister
verantwortlich für das von ihm verwaltete Ministerium; dem Kanzler oder anderen
27
gemeint sind die Richtlinien des Bundeskanzlers, die im ersten Satz des Artikels genannt werden.
- 46 -
Analyse des Stellenwerts der Schulpolitik in der deutschen Exekutive
Mitgliedern der Bundesregierung ist es nicht möglich, sich direkt in die Belange eines
einzelnen
Ministeriums
einzumischen.
Die
Steuerung
eines
großen
Mitarbeiterstabes - insgesamt verfügt das Bundesministerium in seinem derzeitigen
Zuschnitt über mehr als 800 Mitarbeiter28 – hat natürlich auch eine gewisse Relevanz
für die Politikergebnisse. Administrative Faktoren, wie beispielsweise Agenda-Setting
durch die Bürokratie, Management der Entwicklungsrichtung, sowie personale
Faktoren spielen bei detaillierter Betrachtung der Handlungen eines Ministeriums
natürlich eine Rolle (Korte u.a. 2004: 204-209). Allerdings sind Faktoren dieser Art
schwer messbar. Die meisten der Mitarbeiter sind Beamte des Bundes und bleiben auch
nach Regierungswechseln Mitarbeiter des jeweiligen Ministeriums.
Die Minister können jedoch die Aufgabenverteilung und die Gliederung ihres Ressorts
nach eigenen Vorstellungen ausgestalten – sofern sie damit ihren Regierungsaufgaben
nachkommen. Wie groß diese Unterschiede sein können, lässt sich am BMBF und dem
Regierungswechsel 2005 zeigen.
Zunächst zu den Kompetenzverteilungen im Ressort von Ministerin Bulmahn29:
-
Aus dem Leistungsbereich „Strategie“ des Ministeriums wird die Bund-Länder
Kooperation gesteuert (LS 24), zudem gibt es eine hier angesiedelte Einheit
„Regionale Innovationsstrategien; Neue Länder“ (LS 25).
-
Für die Schulpolitik ist die Abteilung 2: „Ausbildung; Bildungsreform“
verantwortlich, wobei die Bildungsreform-Abteilung (21) nochmals in sechs
Aufgabenbereiche untergliedert ist.
-
Auffällig ist, dass es sogar Einheiten, die sich mit konkreten schulpolitischen
Fragen (z.B. Standards, 212) beschäftigt haben.
-
Zudem ist bemerkenswert, dass alle mit der Schulpolitik verbundenen
Organisationseinheiten
dem
Dienstsitz
in
Berlin,
also
Nahe
der
Bundesregierung zugeordnet sind; die meisten Organisationseinheiten des
Ministeriums sind hingegen in Bonn angesiedelt.
Der Regierungswechsel hat allerdings zu einer erheblichen Reorganisation und
Neugliederung des Ministeriums geführt – jedoch bei gleich bleibendem Zuschnitt des
Ministeriums. Das BMBF hat weiterhin acht Abteilungen; aber die Struktur und
28
Quelle: http://www.bmbf.de/de/5625.php (31.08.2006); bereits 1969, im ersten Jahr des Bestehens des
Bundesministeriums, verfügte es über einen Mitarbeiterstab von 500 Bediensteten.
29
Die beiden Organisationspläne des Bundesministeriums, wie sie im Internet veröffentlicht waren,
finden sich zum Vergleich im Anhang dieser Arbeit.
- 47 -
Analyse des Stellenwerts der Schulpolitik in der deutschen Exekutive
inhaltliche Ausrichtung wurde umgewandelt. Die wesentlichen Veränderungen den
Schulsektor betreffend sind:
-
Die Aufgabe „Bildungsreform“ ist völlig aus der Aufgabenaufteilung
verschwunden.
-
Der Leistungsbereich „Strategie“ wurde zur neuen Organisationseinheit 1:
„Strategien und Grundsatzfragen“, und beinhaltet die Zusammenarbeit Bund –
Länder (123).
-
Die sechs Stellen des Bildungssektors wurden der Organisationseinheit 3
„Berufliche Bildung, Lebenslanges Lernen“ zugeteilt.
-
Folgende
schulpolitische
Einheiten
sind
noch
im
Ministerium:
Bildungsforschung, Bildungsberichterstattung, Investitionen und Innovationen
in der Bildung, kulturelle Bildung und „Neue Medien“.
-
Neben
diesen
Änderungen
Gemeinschaftsaufgabe
ist
es
zudem
„Bildungsplanung“
bemerkenswert,
im
dass
Organisationsplan
die
des
Ministeriums nicht mehr vorkommt.
Es gibt also eine sehr große Dynamik, die in manchen Fällen von Regierungswechseln
ausgehend die Organisation eines einzelnen Ministeriums erfassen kann. Durch die
Organisation wird deutlich, wie sich die Arbeitsschwerpunkte des Ministeriums
verändert haben. Verbunden mit den organisatorischen Änderungen wurden auch die
Mitarbeiter nach den Vorstellungen der Ministerin neu aufgeteilt.
Durch
die
Vorgabe
der
Organisationsstruktur
und
die
damit
verbundene
Programmsetzung des Ministers wird die Politik in erheblichem Maße vorgeprägt. Um
diese These am angeführten Beispiel zu verdeutlichen: durch die Auflösung der
Organisationseinheit „Bildungsreform“ sind durch das Bundesministerium keine neuen
Impulse in diesem Bereich zu erwarten - unabhängig von den möglichen Strategien der
Einflussnahme.
5.1.2 Das Bundesministerium und der Parteieneinfluss
Der Stellenwert des Politikfeldes auf Bundesebene ist in der Relation zu den anderen
Ministerien von Interesse. Dabei spielt die parteipolitische Zusammensetzung nahe
liegender Weise eine wesentliche Rolle. Die zunächst in den Vordergrund rückende
Frage
ist:
lässt
sich
anhand
der
parteipolitischen
Zusammensetzung
Bundesregierung eine gewisse Implikation für den Stellenwert feststellen?
- 48 -
der
Analyse des Stellenwerts der Schulpolitik in der deutschen Exekutive
Um dies herauszufinden, bedarf es einer Analyse des Parteiinteresses der an dem
Ressort, abhängig von den an der Regierung beteiligten Parteien. Dabei ist nur der
Zeitraum seit der Institutionalisierung des Bundeseinflusses durch die Gründung des
Bundesministeriums 1969 von Interesse.
Zunächst werden die Bundesminister – einbezogen wurden die Bundesminister für
Bildung und Wissenschaft (1969-1994), Bildung, Wissenschaft, Forschung und
Technologie (1994-1998) sowie für Bildung und Forschung (1998 – 2005) 30 - nach
ihrer Parteizugehörigkeit dargestellt:
Bundesminister für Bildung nach
Parteizugehörigkeit (1969 - 2005)
23%
49%
CDU / CSU
21%
7%
0%
FPD
GRÜNE
Parteilos
SPD
Abbildung 4: Bundesminister für Bildung nach Parteizugehörigkeit (1969 - 2005),
Quelle: Eigene Auswertung, Berechnung auf Tagesbasis
Diese Grafik gibt an, dass seit Bestehen des nationalen Ministeriums es zur Hälfte der
Zeit unter der Leitung von SPD Ministern war. Zu keinem Zeitpunkt oblag die
Steuerung des Ministeriums den GRÜNEN, und es gab einen parteilosen Minister als
Minister der sozialliberalen Koalition.
Durch das Schaubild wird der Eindruck, dass das Bundesministerium während den
36 Jahren seines Bestandes unter starkem Einfluss der Sozialdemokratie stand,
vermittelt. Daneben zeigt die Grafik, dass die CDU / CSU und die FDP fast zu gleichen
Teilen an der Leitung des Ministeriums beteiligt waren. Wenn man dabei
berücksichtigt, dass die Liberalen als kleinerer Partner einer Koalition stets nur eine
geringe Anzahl an Ressorts zur Verfügung hatten, scheint es, als ob die Union bisher
30
Es wurde also nur der Zweig des Ministeriums einbezogen, der eine Relevanz für die Schulpolitik
besitzt. Für die statistische Auswertung wurden die Regierungstage seit Gründung des Ministeriums bis
zur Amtsübergabe 2005 berücksichtigt, die aktuelle, noch nicht abgeschlossene Periode aber nicht
einbezogen.
- 49 -
Analyse des Stellenwerts der Schulpolitik in der deutschen Exekutive
nur in eingeschränktem Maße an der Ausgestaltung des Politikfeldes durch das
Ministerium beteiligt war.
Diese Analyse wird bestätigt, wenn neben der Ressortzuteilung auch noch die
Regierungszeit einer Partei hinzugenommen wird, wie es die folgende Tabelle
bestätigt:
Regierungszugehörigkeit der Parteien (1969-2005)
Partei
Regierungstage
(in %)
Ressortbesitz
(in %)
5866
7281
10598
2549
44,6%
55,4%
80,6%
19,4%
3044
6404
2822
0
51,9%
88,0%
26,6%
0,0%
CDU / CSU
SPD
FPD
GRÜNE
Tabelle 1: Regierungszugehörigkeit nach Parteien (1969-2005)
Quelle: Eigene Auswertung
Selbstverständlich lässt sich aus dieser geringen Datenbasis keine quantitative Analyse
herleiten,
jedoch
bestätigen
sich
die
bereits
festgestellten
Trends:
Im
Beobachtungszeitraum haben die CDU / CSU als große Koalitionspartner in gut der
Hälfte ihrer Regierungszeit bei der überwiegenden Anzahl der Ministerien das
Bildungsressort verwaltet. Im Gegensatz dazu war der Anteil der SPD mit 88%, wenn
man die Phase des parteilosen Ministers unter ihrer Regierung hinzunimmt bei
100% - bis zum Regierungswechsel 2005. Für die kleineren Parteien ist die Aussage
weniger eindeutig, da ihre Vergleichbarkeit auf Grund der sehr unterschiedlichen
Länge ihrer Regierungsbeteiligung kaum gegeben ist. Für die Liberalen zeugt jedoch
die Verwaltung des Ressorts, das die Schulpolitik beinhaltet, in einem Viertel ihrer
Regierungszeit als kleiner Koalitionspartner doch von einem gewissen Stellenwert des
Politikbereichs.
In dieser qualitativen Analyse des Stellenwerts des Politikfeldes kann nicht unerwähnt
bleiben, dass seit dem Regierungswechsel nach den Neuwahlen 2005 in der großen
Koalition die Union das Ressort übernommen hat – es nun also bei einer
sozialdemokratischen Regierungsbeteiligung vom Koalitionspartner ausgeübt wird.
Insofern ist der neuere Stellenwert des Politikbereichs für die Sozialdemokratie
möglicherweise geringer. Wenn man dies jedoch in den Kontext der abgelaufenen
Koalitionsverhandlungen setzt, und dabei insbesondere die Interessen der damaligen
Spitzen der SPD im Vergleich zum Verhältnis Merkel / Schavan bedenkt, kommt diese
Abkehr vom bisherigen Trend wenig überraschend.
- 50 -
Analyse des Stellenwerts der Schulpolitik in der deutschen Exekutive
Als Indizien für den Stellenwert der Schulpolitik, der sich aus der Darstellung der
parteipolitischen Zusammensetzung entnehmen lässt, lassen sich die folgenden Aspekte
bilanzieren: traditionell ist das Ministerium durch die SPD dominiert. Offenbar scheint
die
politische
Wichtigkeit
des
Ressorts
im Beobachtungszeitraum für
die
Sozialdemokratie größer zu sein, als für die Union und die Liberalen. Klare Aussagen
über den Stellenwert der Ressortverwaltung bei den anderen Regierungsparteien sind
kaum möglich. Der folgende Blick auf die Minister soll die Analyse dahingehend
vertiefen.
5.1.3 Die Minister und ihr politischer Einfluss und Werdegang
Aufwendiger, aber recht aufschlussreich ist es, den politischen Stellenwert des
Politikfeldes zu ermitteln, in dem man in einem normativen Rahmen die Minister und
ihren Werdegang näher betrachtet. Prominente Politiker haben einen größeren Einfluss
sowohl auf die Öffentlichkeit als auch innerhalb des Kabinetts. Andererseits gibt es
Ministerien, die sich in besonderer Weise zur Profilbildung eignen, also als Sprungbrett
für die weitere Zukunft gedeutet werden können. Von Bedeutung ist auch, ob ein
Politikfeld von Experten dieses Bereichs übernommen wird oder im Rahmen der
Ämtervergabe Parteikarrieren zugeordnet wird – wobei sich diese beiden Kriterien
nicht gegenseitig ausschließen müssen. Ein Blick auf die Personen soll nun Aufschluss
über diese Zusammenhänge geben.
- 51 -
Analyse des Stellenwerts der Schulpolitik in der deutschen Exekutive
Tabelle 2: Bundesminister für Bildung, Amtsdauer und Parteizugehörigkeit
Nr
01
02
03
04
05
06
07
08
09
10
11
12
Name (Lebensdaten)
Amtsantritt
Ende der
Amtszeit
Partei
Amtsdauer
(Tage)
Bundesminister für Bildung und Wissenschaft
Prof. Dr. Hans Leussink
20. Oktober
15. März
partei877
(*1912)
1969
1972
los
Dr. Klaus von Dohnanyi
15. März 1972 16. Mai 1974
SPD
792
(*1928)
16. Februar
Helmut Rohde (*1925)
16. Mai 1974
SPD
1372
1978
Dr. Jürgen Schmude
16. Februar
28. Januar
SPD
1077
(*1936)
1978
1981
28. Januar
4. Oktober
Björn Engholm (*1939)
SPD
614
1981
1982
Dr. Dorothee Wilms
4. Oktober
18. Februar
CDU
1598
(*1929)
1982
1987
Jürgen W. Möllemann
18. Februar
20. Dezember
FDP
1401
(1945-2003)
1987
1990
Prof. Dr. Rainer Ortleb
20. Dezember
4. Oktober
FDP
1384
(*1944)
1990
1994
Prof. Dr.-Ing. Karl-Hans
4. Oktober
10. November
FDP
37
Laermann (*1929)
1994
1994
Bundesminister für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie
10. November
26. Oktober
Dr. Jürgen Rüttgers (*1951)
CDU
1446
1994
1998
Bundesminister für Bildung und Forschung
26. Oktober
18. Oktober
Edelgard Bulmahn (*1951)
SPD
2549
1998
2005
18. Oktober
Annette Schavan (*1955)
…
CDU
---2005
Zunächst einmal bietet diese Auflistung Raum für statistische Bemerkungen: Bis zum
Regierungswechsel 2005 war ein Bundesminister für Bildung durchschnittlich 3,6
Jahre in seinem Amt 31 ; die kürzeste Amtsdauer von unter zwei Jahren war Björn
Engholm Bildungsminister, die längste Amtszeit hatte Edelgard Bulmahn mit fast
sieben Jahren Regierungszeit. Der jüngste Bundesbildungsminister war ebenfalls
Engholm (41), der Älteste Prof. Dr. Hans Leussink mit 57 Jahren, wenn jeweils der
Beginn ihrer Ministerzeit zu Grunde gelegt wird. Das Eintrittsalter in das Ministerium
liegt im Durchschnitt bei 46,86 Jahren32, und neben acht männlichen Ministern gibt es
drei weiblichen Geschlechts. Die bisher abgeschlossenen Amtszeiten der beiden Frauen
31
Berechnung auf Tagesbasis; unberücksichtigt dabei die Amtstage von Prof. Learmann – die auch bei
allen weiteren berechneten Werten nicht berücksichtigt wurden, da seine 37-tägige Amtszeit nur eine
Übergangsfunktion hatte und inhaltlich kaum Relevanz entwickelt haben kann.
32
Eigene Berechnung auf Tagesbasis.
- 52 -
Analyse des Stellenwerts der Schulpolitik in der deutschen Exekutive
im Amt waren auch gleichzeitig die beiden längsten Amtsinhaber. Auffällig ist zudem,
dass alle Restrukturierungen des Ressorts in Form von Umbenennungen des
Ministeriums in die jüngere Geschichte fallen: 1994 und 1998. Die Neuaufteilung 1994
stellt dabei in besonderer Weise einen Kompetenzgewinn im Rahmen der Bundesregierung dar.
Wenn man die Karrieren der Minister im Detail verfolgt, stellt man eine Reihe von
bemerkenswerten Details fest. Dabei ist zu beachten, dass nach derzeitigem Stand
außer Jürgen W. Möllemann noch alle Bundesminister am Leben sind, d.h. die
Einschätzung ihrer Karrieren notwendigerweise vorläufigen Charakter besitzen33.
-
Für Leussink, Rohde, Laermann sowie Bulmahn und Schavan stellt das
Ministeramt den Höhepunkt ihrer politischen Laufbahn dar. Alle anderen hatten
weitere Ministerämter oder wurden Ministerpräsidenten (Dohnanyi, Engholm,
Rüttgers). Ortleb war der einzige deutsche Bildungsminister, der zuvor bereits
ein anderes Ministerium geleitet hat.
-
Vier der Bundesminister waren zuvor bereits als Staatssekretäre im Einsatz,
Dohnanyi und Engholm waren die einzigen beiden, die als parlamentarische
Staatssekretäre im Bildungsbereich bereits aktiv waren.
-
Drei der Minister waren habilitiert, zwei haben eine abgeschlossene
Lehramtsausbildung (Möllemann, Bulmahn) – und hatten somit einen
besonderen Hintergrund im Bildungsbereich.
-
Bisher hat mit Engholm ein Bildungsminister den Bundesvorsitz seiner Partei
übernommen.
-
Bemerkenswerterweise gab es trotz der starken Prägung des Politikfeldes durch
die Länder erst eine Bundesministerin, die zuvor als Kultusministerin aktiv war,
nämlich die amtierende Ministerin Schavan.
Es lassen sich also die Befunde der Untersuchung des Einflusses der Bundesminister
sowie ihres Werdegangs in der folgenden Weise charakterisieren: Offensichtlich ist das
Bundesministerium eher als Einstiegsamt in die Regierungspolitik interpretiert worden;
mit nur einer Ausnahme war noch nie ein Bundesbildungsminister zuvor in einem
vergleichbar hochrangigen Amt. Die Amtsführung kann zu einem Sprungbrett für
weitere Aufgaben dieses Niveaus dienen. Sich durch vorherige Aufgaben in diesem
33
Alle persönlichen Daten stammen aus dem „Munzinger Archiv“, teilweise ergänzt durch
entsprechende Artikel von http://de.wikipedia.org
- 53 -
Analyse des Stellenwerts der Schulpolitik in der deutschen Exekutive
Bereich zu profilieren, spielte nur in zwei Fällen über das Amt des parlamentarischen
Staatssekretärs eine Rolle, auffallend gering ist der Austausch zwischen Bundes- und
Länderebene. Der Befund ist insgesamt eher als unauffällig zu beurteilen.
Um den Stellenwert des Politikfeldes aus der Analyse der Minister zu bewerten, bleibt
festzustellen, dass das Bundesministerium weder der Ort auffälliger Parteiprominenz
ist, noch von besonders erfahrenen Politikern geleitet wurde. Damit kann die
Wertschätzung des Amts in Konkurrenz zu den anderen Regierungsaufgaben als eher
gering eingestuft werden. Zudem ist auch der „Stallgeruch“ im Ministerium nicht sehr
ausgeprägt – weder, was die vorherige Beteiligung im Politikfeld in Ministerien
betrifft, noch was die Bildungs- und Forschungspraxis angeht.
5.2
Einflussnahme des Bundeskanzlers I: Analyse der
Regierungserklärungen von 1949-2005
„Der Bundeskanzler bestimmt die Richtlinien der Politik und trägt dafür die
Verantwortung“ (GG, Art. 65). Diese zentrale Steuerungsvorgabe des Grundgesetzes
steht im Mittelpunkt des folgenden Kapitels. Neben dem Bundesministerium hat
offensichtlich der Kanzler über seine Möglichkeiten, die politische Agenda zu
bestimmen, Einfluss im Politikfeld. Dabei steht weiterhin die Frage des Stellenwerts
des untersuchten Politikfeldes im Zentrum der Betrachtung. Im Vergleich zur Analyse
des Bundesministeriums kann hier der Rahmen auch auf die Jahre vor der Einführung
der Gemeinschaftsaufgaben erweitert werden, also die gesamte Zeit seit Gründung der
Bundesrepublik untersucht werden.
In der neueren Forschung schenkt die Politikwissenschaft vermehrt der Analyse von
„großen Regierungserklärungen“ Beachtung (s. insbes. Korte 2002, Stüwe 2003, Stüwe
2005). Diese Forschungstätigkeit wird hier aufgegriffen, die Regierungserklärungen
des Bundeskanzlers sollen als maßgebliche Größen zur Einstufung des Stellenwerts der
policy herangezogen werden. Zunächst wird erläutert, warum sich dieser Ansatz in
besonderem Maße eignet, die Regierungsinteressen im untersuchten Politikfeld zu
charakterisieren. In einem zweiten Schritt wird dann die inhaltliche Ebene der Reden
hinsichtlich ihrer Relevanz für die Schulpolitik in der Bundesrepublik untersucht.
- 54 -
Analyse des Stellenwerts der Schulpolitik in der deutschen Exekutive
5.2.1 Grundlage der Analyse und Klassifikation der
Erklärungen
Die großen Regierungserklärungen wurden erstmals von Klaus von Beyme
vergleichend kommentiert (Beyme 1979). Von ihm stammt auch die für die weitere
Forschung prägende Einteilung in „große“ und damit implizierend auch „nicht-große“
Regierungserklärungen. Zunächst wird im Folgenden geklärt, wann und warum
Regierungserklärungen abgegeben werden. Anschließend liefert eine Typologisierung
die Eingrenzung auf einen speziellen Typ der Regierungserklärung, nämlich den der
„großen“. Deren Möglichkeiten inhaltlicher Art werden dargestellt und begründet,
warum sie ein geeignetes Mittel zur Feststellung des politischen Gewichts einer
Thematik sind.
Wann und wie Regierungserklärungen abzugeben sind, ist in der Verfassung der
Bundesrepublik nicht explizit formuliert; der Begriff der Regierungserklärung ist im
Text des Grundgesetzes nicht zu finden. Jedoch ermöglicht Artikel 43 (Abs. 2) den
Regierenden jederzeit die Möglichkeit, eine Erklärung vor dem Bundestag abzugeben:
Die Mitglieder […] der Bundesregierung sowie ihre Beauftragten haben zu
allen Sitzungen des Bundestages und seiner Ausschüsse Zutritt. Sie müssen
jederzeit gehört werden.
Dieses Zutritts- und Rederecht bildet die Grundlage für Regierungserklärungen. Ein
konkreter Zeitpunkt für eine solche Erklärung ist nicht festgeschrieben. Stüwe weist im
internationalen Vergleich dabei auf eine deutsche Besonderheit hin: Art. 63 Abs. 1 gibt
explizit vor, dass der Bundeskanzler ohne Aussprache gewählt wird, in diesem
Zusammenhang also keine Regierungserklärung stattfinden kann (Stüwe 2002: 11).
Grundsätzlich gibt das Grundgesetz vor, dass der Bundeskanzler gemeinsam mit den
Ministern die Bundesregierung bildet (Art. 62). Somit müssen Erklärungen der
Exekutiven von allen Beteiligten der Regierung zumindest gebilligt werden, um dem
Kollegialprinzip zu genügen. Explizit sind Regierungserklärungen keine Erklärungen
des Bundeskanzlers (Stüwe 2005: 41 – 44). Dessen juristische Sonderstellung gibt
Regierungserklärungen, wie im Folgenden gezeigt wird, ein besonders großes Gewicht.
Die Redeberechtigung der Regierungsmitglieder ist dabei nicht zeitlich begrenzt; somit
ist Länge und Gegenstand von Regierungserklärungen nicht vorgeben und daher auch
- 55 -
Analyse des Stellenwerts der Schulpolitik in der deutschen Exekutive
nicht begrenzt. Bisher haben große Regierungserklärungen zwischen einer (Kiesinger)
und 2½ Stunden (Schmidt, Kohl) gedauert (Stüwe 2005: 117)34.
Grundsätzlich lassen sich drei verschiedene Typen von Regierungserklärungen
differenzieren:
a) Große Regierungserklärungen sind nach Klaus von Beyme (1979) diejenigen,
die vom Bundeskanzler bei Amtsantritt im Plenum des deutschen Bundestages
gehalten werden.
b) Daneben gibt es Regierungserklärungen des Bundeskanzlers zu beliebigen Zeitpunkten während einer Regierungsphase.
c) Zudem gibt es Regierungserklärungen, die durch andere Mitglieder des
Kabinetts im Bundestag eingebracht werden.
Ehe auf die großen Regierungserklärungen detailliert eingegangen wird, werden
zunächst diese drei Typen erläutert. Die Regierungserklärungen von Kabinettsmitgliedern unterscheiden sich dadurch von denen eines Regierungschefs, dass dem
Kanzler durch die Richtlinienkompetenz ein rechtlicher Sonderstatus gewährt wurde.
Grundsätzlich
könnte
die
Regierung
auch
andere
Personen
beauftragen,
Regierungserklärungen abzugeben. Dies wäre zwar juristisch denkbar (Stüwe 2005: 6062), erscheint jedoch schon dem Wort nach als wenig sinnvoll – und ist bisher in der
Geschichte der Bundesrepublik auch noch nicht vorgekommen. Je nach dem
Bedeutungsgrad einer Angelegenheit, kommt der Bundeskanzler nicht umhin, die
Regierungserklärung persönlich abzugeben. Bei spezielleren, die Fachgebiete
betreffenden Angelegenheiten, lässt der Kanzler jedoch in der Regel dem zuständigen
Minister den Vortritt. Die Regierungserklärungen des Bundeskanzlers können zu
verschiedenen Zeitpunkten seiner Amtsführung verschiedene Schwerpunkte haben und
müssen nicht immer einen vollständigen Überblick geben. Durch seine besondere
Befugnis
der
Richtlinienkompetenz
–
und
eine
Regierungserklärung
des
Bundeskanzlers kann als Richtlinie gewertet werden – ist ein Widerspruch einzelner
Minister nicht von Bedeutung. Offensichtlich konkurrieren in diesem Fall Kanzler- und
Kollegialprinzip.
34
Es muss angemerkt werden, dass die statistischen Daten von Stüwe 2005 die Regierungserklärung von
Merkel 2005 nicht berücksichtigen. Detailliert hat Stüwe ermittelt, dass durchschnittlich eine
Antrittsrede 547 Sätze lang ist, im Schnitt wurden 9573 Wörter in einer solchen Regierungserklärung
verwendet (Stüwe 2005: 118-123).
- 56 -
Analyse des Stellenwerts der Schulpolitik in der deutschen Exekutive
Die Bezeichnung „große Regierungserklärungen“ definiert von Beyme nicht explizit,
die Begründung für die Auswahl seiner Sammlung der „großen Regierungserklärungen
der deutschen Bundeskanzler von Adenauer bis Schmidt“ führt er folgendermaßen ein:
Vorliegende Sammlung beschränkt sich auf die Erklärungen, die bei Amtsantritt
der Bundesregierungen abgegeben wurden, da diese am stärksten weite
Perspektive für die gesamte Tätigkeit der Regierung in einer Legislaturperiode
eröffneten und damit als Dokumente für die geistige Entwicklung des
politischen Klimas und der großen Kontroversen am repräsentativsten sind.
(Beyme 1979: 8).
Aus diesem Zusammenhang wird die Bezeichnung ersichtlich. Amtsantritte fallen nicht
unbedingt mit Wahlperioden zusammen; im politischen System der Bundesrepublik
gehen die Regierungschefs jedoch davon aus, das Programm für eine gesamte
Legislaturperiode zu benennen. Insgesamt gab es in der Bundesrepublik bis zu Beginn
der 15. Legislaturperiode bisher 20 solcher als „groß“ zu klassifizierenden
Regierungserklärungen.
5.2.2 Inhalt und Funktion der Regierungserklärungen
Um die Regierungserklärungen für die Untersuchung des Stellenwerts nutzbar zu
machen, muss zunächst noch auf ihre Funktionen eingegangen werden. Mit den
Funktionen korrespondieren entsprechende Redeinhalte; es zeigt sich aber auch, wie
viel Gestaltungspotential die Regierung, vertreten durch den Bundeskanzler, in diesem
Rahmen besitzt. Bei der Analyse der Funktionen wird jedoch nicht der Rahmen des
deutschen Parlamentarismus gewählt, wie dies von Beyme darstellt (Beyme 1979: 34 44), sondern die Funktionen der Rede an sich werden untersucht.
Zur Beschreibung der Funktionen teilt der neueste und wohl bisher umfassendste
Ansatz, eingeführt von Klaus Stüwe, die Funktionen in sechs Kategorien (Stüwe 2005:
155f.):
-
Informieren
-
Appellieren
-
Danken
-
Solidarisieren und Integrieren
-
Demonstration für das Ausland
-
Selbstdarstellung und Imagepflege
- 57 -
Analyse des Stellenwerts der Schulpolitik in der deutschen Exekutive
Zweifelsfrei ist das größte politische Gewicht der Regierungserklärungen im Bereich
des Informierens zu finden, die anderen Redefunktionen sind im Rahmen dieser
Analyse nur von untergeordneter Bedeutung. Zu jeder der genannten Funktionen
gehören entsprechende Inhalte, die sich mehr oder weniger direkt ergeben, wenn man
die Funktion der Selbstdarstellung und Imagepflege einmal unberücksichtigt lässt.
Zum Informieren gehört im Allgemeinen eine Art der Zustandsbeschreibung, die die
Grundlage für die inhaltlichen Aussagen vorgibt. Aus dieser Darstellung entwickelt der
Bundeskanzler dann, und dies ist die wichtigste Funktion der Regierungserklärung,
seine
konzeptionellen
und
programmatischen
Aussagen
(ebd.:
164f.).
Als
konzeptionelle Aussagen wird die Basis der Grundüberzeugungen verstanden. Dem
gegenüber bilden die programmatischen Aussagen den Schwerpunkt der Reden, und
betreiben damit maßgebliche Programmsetzungen für die kommende Periode:
„Deutsche Bundeskanzler informieren vorwiegend darüber, welche Probleme sie als
vordringlich erachten und welche Lösungsstrategien sie dafür entwickelt haben“ (ebd.:
165).
In
diesem
Bereich
liegt
die
wesentliche
Begründung,
große
Regierungserklärungen als maßgebliche Messgröße für den Stellenwert eines
Politikbereichs einzuführen.
Wenn man nun die bereits beschriebene rechtliche Situation mit diesen Funktionen in
Verbindung setzt, verdeutlicht sich das außerordentliche Potential der großen
Regierungserklärungen. Wenn davon ausgegangen wird, dass die Rede stets die
Richtlinienkompetenz beinhaltet, prägt eine solche Erklärung die Regierungstätigkeit.
Im politischen System der Bundesrepublik, in dem es seit der Gründung fast
ausschließlich Koalitionsregierungen gab, muss der Kanzler natürlich neben den
programmatischen Interessen seiner eigenen Partei auch die des Koalitionspartners
berücksichtigen. Dennoch kann er durch diese Reden in vielen Teilen faktisch eine
Programmsetzung betreiben, die seinen Interessen genügt. Zwar wird der Kanzler den
Partner in dieser Rede nicht bloßstellen wollen, sich aber auch nicht mit einer
schlichten Darbietung der Ergebnisse der Koalitionsverhandlungen begnügen. Da die
Koalitionsverträge in der Regel durch alle beteiligten Parteien gebilligt werden müssen,
existiert hier ein größerer Druck, Formalitäten zu genügen. In der Regel ist die
Möglichkeit des Kanzlers, nach eigenen Vorstellungen Redezeit für bestimmte issues
einzuplanen, den Möglichkeiten durch Koalitionsverträge Gewichtungen von
Themenkomplexen vorzunehmen, weit überlegen. Gerade wenn die Parteien, die
- 58 -
Analyse des Stellenwerts der Schulpolitik in der deutschen Exekutive
gemeinsam regieren, ihr eigenes Profil wahren wollen, beispielsweise im Bereich
Umweltschutz- oder Wirtschaftspolitik, ist eine formale zustimmungspflichtige
Formulierung einer Reihenfolge in einem Koalitionsvertrag äußerst unwahrscheinlich.
Dass der Bundeskanzler jedoch die Wichtigkeit einzelner Politikbereiche in
Regierungserklärungen zu Amtsantritt in den Vordergrund rückt, ist politische
Normalität.
Die Möglichkeiten, durch die Regierungserklärung zu Beginn der Amtszeit die
Regierungstätigkeit zu prägen und in der Regel nach einem Wahlkampf zur
Arbeitsroutine zurückzufinden, macht die Aufgabe zudem sehr komplex. Denn neben
der Wirkung nach außen, besitzt die Regierungserklärung auch eine beträchtliche
Wirkung nach innen, in die Bundesregierung: nämlich „regierungs-, fraktions-,
koalitions- und administrationsinterne Festlegungen auf gesamtpolitische Richtlinien
[…] und Perspektivsetzungen“ (Korte u.a. 2004: 289). Die Erwartungen an die Rede
sind in der Öffentlichkeit ebenfalls sehr hoch. Korte bezeichnet sie daher nicht zu
Unrecht als „Visitenkarte und (…) Führungsinstrument“ (ebd.: 288) des Kanzlers –
dessen „persönliche Handschrift“ (Berg/Vagt in Korte 2002: 80) insbesondere bei den
ersten großen Regierungserklärungen mit Spannung erwartet wird.
5.2.3 Regierungserklärungen und Schulpolitik
Die inhaltliche Zusammensetzung der Themengebiete hat im Verlauf der Geschichte
variiert. Dennoch zeigt ein Blick auf die Themenverteilung einer fiktiven,
durchschnittlichen Regierungserklärung (Abbildung 5), dass auf verschiedene Themen
vertieft eingegangen wurde, also durchaus unterschiedliche Schwerpunkte abzulesen
sind. Dabei ist es zunächst schwierig, das gesprochene Wort in entsprechende
Kategorien aufzuteilen (Berg/Vagt in Korte (Hg.) 2002: 72f.). Es stellt sich nun die
Frage, in wie weit die Bundeskanzler ihre Regierungserklärungen genutzt haben,
schulpolitische Fragestellungen zu berücksichtigen. Dazu dient als eine erste
Kennziffer der durchschnittliche Prozentsatz, den die Erklärung dem Bereich
„Ausbildung, Bildung und Forschung“ gewidmet hat.
- 59 -
Analyse des Stellenwerts der Schulpolitik in der deutschen Exekutive
Abbildung 5: Themengebiete in der Durchschnitts-Regierungserklärung,
(Quelle: Berg / Vagt in Korte 2002: 74)
Wenn man diese Grafik betrachtet35, fällt auf, dass verschiedene Themengebiete nur im
historischen Kontext wohl behandelt wurden, andere wiederum noch relevant geblieben
sind. Dabei ist eine solche Operationalisierung mit verschiedenen methodischen
Schwierigkeiten belastet; sie soll hier nur als Trend dienen.
Bemerkenswert und gleichermaßen überraschend ist, dass das formal so schwache
Themengebiet der „Ausbildung, Bildung und Forschung“ den sechsten Platz von 19
gelisteten Themengebieten erreicht hat - das Themengebiet „Sonstiges“ als Summation
aller Themengebiete mit unter 2% Redeanteil muss hierbei unbeachtet bleiben.
Bildungspolitische Fragestellungen liegen also im ersten Drittel der behandelten
Themengebiete. Dieses Ergebnis gewinnt zusätzlich an Bedeutung, wenn man beachtet,
dass nicht in jeder Rede bildungs- und schulpolitische Fragen berücksichtigt wurden.
Daraus resultiert, dass das Politikfeld in verschiedenen Regierungserklärungen einen
besonderen Stellenwert genossen hat. Hieraus lässt sich daher ablesen, dass in
Regierungserklärungen von der Möglichkeit gebrauch gemacht wurde, Aussagen über
Politikbereiche zu tätigen, die nicht in dieser Form zu den Aufgaben einer
Bundesregierung zählen.
35
Die Daten beziehen sich auf die großen Regierungserklärungen von Adenauer, 1949 bis einschließlich
Schröder, 1998.
- 60 -
Analyse des Stellenwerts der Schulpolitik in der deutschen Exekutive
Um
diesen
Befund
zu
überprüfen,
bedarf
es
einer
Durchsicht
der
Regierungserklärungen36, wie es durch die folgende Tabelle dokumentiert wird.
Tabelle 3: Schulpolitik in Regierungserklärungen
Bundeskanzler
Adenauer
Erhard
Kiesinger
Brandt
Schmidt
Kohl
Schröder
Merkel
Datum der
Rede
20.09.1949
20.10.1953
29.10.1957
29.11.1961*
18.10.1963
10.11.1965
13.12.1966
28.10.1969
18.01.1973
17.05.1974
16.12.1976
24.11.1980
13.10.1982
04.05.1983
18.03.1987
30.01.1991
23.11.1994
10.11.1998
29.10.2002
30.11.2005
Anteil
Bildungspolitik
26/314
in %
8,28
38/847
4,49
3/752
143/898
0,40
15,92
27/834
3,24
18/858
2,10
128/1126
11,37
Schulpolitik
Thema:
ja/nein
nein
nein
nein
nein
ja
ja
nein
ja
ja
ja
ja
ja
nein
ja
ja
ja
nein
ja
ja
ja
Bedeutung
des
Themas
0
0
0
0
2
1
0
3
3
1
2
2
0
1
1
1
0
1
3
1
Anmerkungen:
Spalte 2: nach Berg/Vagt in Korte (Hg.) 2002: 61, Eigene Ergänzung
Spalte 3: nach Stüwe 2005: 379-386, Zeilen zum Thema „Ausbildung, Qualifizierung, Wissenschaft“ /
Gesamtzeilenanzahl der Regierungserklärung; Daten nur für „erste“ große
Regierungserklärungen verfügbar.
Spalte 4,5,6: Eigene Erhebung;
Bewertungsschlüssel zu Spalte 6: 0 = nicht vorhanden, 1 = gering, 2 = mittel, 3 = groß
* Die Regierungserklärung 1961 hat Vizekanzler Ludwig Erhard in Vertretung von Konrad Adenauer
gehalten
Diese Tabelle gibt einen Schlüssel zur Analyse der Schulpolitik über die Regierungserklärungen. Die bisherigen Auswertungen haben nicht zwischen allgemeinen,
bildungspolitischen Bezügen und Schulpolitik unterschieden. Dies wird hier erstmals
getrennt untersucht: Dabei unterliegt die Bewertung in der sechsten Spalte der
Einschätzung, mit welchem Nachdruck der Themenkomplex behandelt wurde, wie groß
die Relevanz der angesprochenen Themen einzuschätzen ist und wie dies im Rahmen
36
Die Regierungserklärungen liegen wie alle Parlamentsakten ab der 8. Legislaturperiode gemäß den
Nummern der Plenarprotokolle auch im Internet unter http://dip.bundestag.de/parfors/parfors.htm
(31.08.2006), betrieben vom Deutschen Bundestag, vor; die ältere Regierungserklärungen werden nach
Beyme 1979 zitiert bzw. ausgewertet.
- 61 -
Analyse des Stellenwerts der Schulpolitik in der deutschen Exekutive
der gesamten Rede zu bewerten ist. Es handelt sich dabei bewusst um die Verwendung
eines normativen Konzeptes; eine umfassendere Operationalisierung hätte den Rahmen
dieser Arbeit überschritten.
Offensichtlich ist die Unterscheidung zwischen allgemeinen bildungspolitischen
Inhalten, die zum Kompetenzbereich des Bundes gehören, und schulpolitischen
Fragestellungen hier aufschlussreich. Fragen aus den Bereichen wie der Ausbildungsförderung oder dem Hochschulsektor verzerren den Blick auf die Regierungserklärung
aus der hier gewählten Perspektive. Ein großer Anteil an Redeanteil zur Bildungspolitik, ohne große Bedeutung im Rahmen der Schulpolitik zu besitzen, zeugt jedoch
ebenso von einer spezifischen Schwerpunktsetzung, wie eine geringe Beachtung des
Themenkomplexes an sich.
Bei der Analyse unter dem Aspekt der Schulpolitik (Spalten 5,6) fällt auf, dass alle
Regierungserklärungen von sozialdemokratischen Kanzlern schulpolitische Fragestellungen behandelten. Bei Kanzlern aus den Unionsparteien ist dies nur bei weniger
als der Hälfte der Fälle vorgekommen. Die jeweilige Bedeutung erschließt sich zum
Teil aus dem jeweiligen Zeitkontext, die parteipolitische Zugehörigkeit scheint
ebenfalls eine Rolle zu spielen. Diese These erhärtet sich, wenn man die Bewertungsskala hinzunimmt. Die Bedeutung des Themas wird insgesamt auf der Skala von 0 bis
drei bei SPD-Kanzlern mit 2,29 eingestuft, bei Kanzlern aus der CDU/CSU erreicht das
Mittel nur 0,54; der Gesamtdurchschnitt liegt bei 1,15. Adenauer und Kiesinger waren
die einzigen beiden Bundeskanzler, bei denen Schulpolitik nie im Redebeitrag
vorhanden war, die größte Bedeutung hatte der Themenkomplex für Brandt und die
zweite Amtsperiode Schröder.
5.3
Einflussnahme des Bundeskanzlers II: vertiefende
Analyse
Um den Stellenwert in der Exekutive zu analysieren, soll nun in einem letzten Schritt
die Rolle des Beitrages in der Regierungserklärung in den Einzelfällen untersucht
werden. Dabei werden die Beiträge in drei Gruppen unterteilt: Zunächst die
Regierungserklärungen, die zwischen 1949 und 1969 gehalten wurden. In der Folge
sind zwei Phasen der besonderen Relevanz festzustellen, die in einem Vergleich der
Beiträge
von
Schröder
und
Brandt
aufgeschlüsselt
- 62 -
werden.
Die
weiteren
Analyse des Stellenwerts der Schulpolitik in der deutschen Exekutive
Regierungserklärungen sind weniger eindeutig klassifizierbar und bilden den Abschluss
dieses Kapitels.
5.3.1 Regierungserklärungen vor 1969
Die Regierungserklärungen von Konrad Adenauer sind natürlich in besonderem Maße
zeithistorisch geprägt. Die neu gegründete Bundesrepublik war in ihren Institutionen
noch in der Konsolidierung. Adenauers Regierungserklärung war entsprechend auch
eher eine „nüchterne Aufzählung der drängendsten Probleme des neuen Staates“
(Stüwe 2005: 260), die bildungspolitischen Feststellungen der ersten Rede waren nur
auf Ausbildungswesen und Forschungspolitik aus der Sichtweise der ökonomischen
Erfordernisse bezogen (Beyme 1979: 59). Der Mangel an Fachkräften ist auch in der
zweiten Regierungserklärung das Argument für eine Verstärkung der Bemühungen
(ebd.: 86), in der dritten Regierungserklärung 1957 kommen bildungspolitische
Bemerkungen gar nicht vor. Die Rede von 1961 behandelt forschungspolitische Fragen,
im speziellen zur Kernenergie. Daneben wird eine spezielle Ausbildungsförderung
geplant, geschuldet der wirtschaftlichen und technischen Entwicklung. Schulpolitik
spielt also in keiner der Reden eine Rolle.
Mit dem Regierungswechsel 1963 änderte sich auch der Charakter der Reden. Erhard
geht bereits in seiner ersten Rede direkt auf die Schulpolitik ein, mit dem Ziel, „unsere
Zukunft gesichert zu wissen“ (ebd.: 173). Dabei bezieht er bemerkenswerter Weise alle
Bildungsstufen mit ein. Wie das folgende Zitat belegt, zielt er direkt auf eine Neuordnung der Machtverhältnisse in diesem Politikfeld:
Das Bund-Länder-Verhältnis wird zu einer Lebensfrage, wenn es sich um
Zuständigkeiten und Verantwortung für das Schul- und Bildungswesen (…)
handelt. So gewiß die Bundesregierung bereit ist, die Zuständigkeiten der
Länder in der Kulturpolitik zu respektieren, so gewiß hat doch die
Bundesregierung die Pflicht, vorausblickend die Lebensbedingungen eines
modernen Staates zu garantieren. (ebd.: 173)
Erhards erste Rede macht also bereits einen großen Unterschied zur bisherigen Rolle
des Politikfeldes. In seiner zweiten großen Regierungserklärung 1965geht er einerseits
aus ökonomischer Perspektive auf Ausbildungsfragen ein, spricht jedoch auch den neu
geschaffenen Bildungsrat aus Sicht der Jugend- und Familienpolitik an (ebd.: 210), was
eine neue Konnotation darstellt.
- 63 -
Analyse des Stellenwerts der Schulpolitik in der deutschen Exekutive
Bei der Regierungserklärung Kiesingers 1966 beziehen sich die innenpolitischen
Kommentare nahezu ausschließlich auf wirtschafts- und konjunkturpolitische Fragestellungen. Er greift nicht die Tradition einer umfassenden Rede auf, und behandelt
nicht die gesamte Palette der Themen. Bildungs- und Schulpolitik kommen in seinen
Ausführungen gar nicht vor.
5.3.2 Zwei Hochkonjunkturen im Vergleich: Brandt und
Schröder
Nach dem Regierungswechsel 1969 hatte der Bundeskanzler erstmals die Möglichkeit,
durch die Einführung der Gemeinschaftsaufgaben im Rahmen eigener Kompetenzen
über das Politikfeld Schulpolitik zu sprechen. Brandt machte, um dies vorweg zu
nehmen, davon wie kein anderer Gebrauch. Seinen Regierungserklärungen soll hier ein
besonderer Platz geboten werden, da sie zeigen, wie weitreichend die Möglichkeiten
des Kanzlers sind. Um die Rede des Kanzlers in der zweiten Phase der Hochkonjunktur, Schröders Antrittsrede 2002, besser einordnen zu können, wird hier mit der
Chronologie gebrochen und diese direkt im Anschluss dargestellt. Beide Phasen
werden auf dieser Ebene verglichen. Die Regierungserklärungen von Bundeskanzler
Schmidt, als dem dritten sozialdemokratischen Bundeskanzler, gehen überwiegend in
der Fortführung begonnener Projekte auf das Politikfeld ein und werden daher erst im
folgenden Abschnitt berücksichtigt.
Brandts Antrittsrede 1969 wurde „zu einem Fanal einer neuen Zeit stilisiert“ (Stüwe
2005: 283). Seine besonderen rhetorischen Fähigkeiten kreisten dabei um die Begriffe
Reform, Demokratie und Planung. Innerhalb dieses Gerüsts wurde auch die
Bildungspolitik dargeboten, wörtlich sagt er: „Bildung und Ausbildung, Wissenschaft
und Forschung stehen an der Spitze der Reformen, die es bei uns vorzunehmen gilt“
(Beyme 1979: 265). Dabei kündigt er an, dass die Bundesregierung die neu
geschaffenen Möglichkeiten „voll ausschöpfen wird; sie will den Ländern – ohne ihre
Zuständigkeiten anzutasten – helfen“ (ebd.). Kern seines schulpolitischen Konzeptes ist
es, als Bundesregierung in die Bildungsplanung einzusteigen. Zudem kündigt er
Ausgabensteigerungen an. Das Ziel der Bemühungen ist nicht ökonomisch motiviert,
sondern wird eigenständig definiert: es geht um den kritischen, urteilsfähigen Bürger,
sowie die Durchsetzung des Verfassungsziels „allen Bürgern gleiche Chancen zu
geben“ (ebd.: 266). Man erkennt hier im Vergleich zum Beitrag Erhards eine ähnliche
- 64 -
Analyse des Stellenwerts der Schulpolitik in der deutschen Exekutive
Formulierung den Föderalismus betreffend. Die Aufwertung des Politikfeldes, es in das
Zentrum der Bundespolitik zu stellen, ist jedoch zweifelsfrei eine neue Qualität. Ebenso
verhält es sich bei der Motivation: wurde sonst die Schulpolitik aus wirtschaftlichen
Erfordernissen heraus dargestellt, setzt Brandt erstmals Bildungsinhalte, den mündigen
Bürger, als Begründung für die Bedeutung des Eingreifens der Bundesregierung.
Brandts zweite große Regierungserklärung steht nach eigener Darstellung in der
Kontinuität der ersten Rede (ebd.: 283). Jedoch ändert sich die Schwerpunktsetzung:
Brandts Rede wird außen- und deutschlandpolitisch dominiert, innenpolitische
Fragestellungen werden nun untergeordnet. Formal bezeichnet er jedoch weiterhin die
Arbeit im Bereich Bildung als die Spitze der Reformvorhaben. Explizit geht er auf das
Verhältnis und die Rolle der Länder ein:
Es war allerdings schwierig, zwischen Ländern und Bund eine gemeinsame
Grundlage zu finden. Wir müssen nun einen neuen Anlauf unternehmen. Dazu
ist eine größere Kooperation aller Länder erforderlich.
Die Bundesregierung wird ihre Kompetenz ganz nutzen, um die
gesamtstaatliche Bildungsplanung mitzugestalten (ebd.: 300).
Diese Kritik an der Bereitschaft der Länder stellt einen besonderen Beitrag seiner Rede
dar. Umgesetzt werden soll die Detailplanung durch einen Gesamtplan, der
angekündigt wird. Daneben führt Brandt auch aus, was er inhaltlich unter
Bildungsreform versteht. Ziel der Maßnahme ist weiterhin die Chancengleichheit. Im
Schlusswort appelliert Brandt noch an die Oppositionsparteien zur Zusammenarbeit
insbesondere im Bundesrat, jenseits parteipolitischer Grenzen. Vielmehr weist er auf
die „gemeinsame Verantwortung“ (ebd.: 312) hin, derer er gerecht werden möchte.
Insofern bestärkt er nochmals die bereits zitierte Anforderung einer größeren
Kooperation, die dieses Politikfeld in besonderer Weise betrifft.
Gerhard Schröders Reden unterscheiden sich wesentlich von denen Brandts. Seine
erste Rede 1998 steht stark unter dem übergeordneten Ziel der Bekämpfung der
Arbeitslosigkeit. Bildungspolitik kommt im Rahmen der Hochschulpolitik Bedeutung
zu, ebenso wie zur Qualifizierung der Arbeitskräfte; Schulen bilden nur die Grundlage
für weiterführende, berufsorientierte Bildung. Zwar sagt Schröder explizit: „Wir
brauchen eine bessere Bildungsplanung, und wir werden sie machen.“ (Sten. Ber. 14/3:
55C), meint jedoch damit nur die Anpassung der Universitätsbildung an die
Erfordernisse des Arbeitsmarktes.
- 65 -
Analyse des Stellenwerts der Schulpolitik in der deutschen Exekutive
Anders stellt er den Zusammenhang bei seinem Regierungsantritt 2002, also noch in
zeitlicher Nähe mit den PISA-Veröffentlichungen, dar. Seine starken Forderungen nach
mehr Bundeseinfluss, wie er sie in der Zeitung „Die Zeit“ (Schröder 2002), aber auch
im Bundestag37 gefordert hatte, tauchen auch in dieser Rede nicht wieder auf. Zunächst
erklärt er eine neue Bedeutung des Politikfeldes: „Obenan stehen Reformen auf dem
Arbeitsmarkt und im Bildungswesen“ (Sten. Ber. 15/4: 52B). Damit stellt er beide
Themengebiete auf die gleiche Ebene. Zudem stellt Schröder das Ganztagsschulprogramm vor, im Besonderen im Hinblick auf den internationalen Vergleich von
„führenden Bildungsnationen“ (ebd.: 54D). Außerdem gibt Schröder auch konkrete
Vorhaben der Schulpolitik preis: mit dem Argument, Bildungschancen dürften nicht
vom Wohnort bestimmt sein, kündigt er gemeinsam mit den Ländern entwickelte
Bildungsstandards an. Daneben fordert er mehr Autonomie für die Schulen.
Diese Rede Schröders bleibt wesentlich hinter seinen Forderungen vor der Wahl
zurück. Schröder gibt eine hohe Relevanz des Themengebiets mehrfach in der Rede, in
der Einleitung wie dem Schluss, an, jedoch scheint es nun so, als ob man dieser
Relevanz im bestehenden System nachkommen könnte. Wie er letztlich die Länder
dazu
bringen
möchte,
sein
Vorhaben
nationaler
Bildungsstandards
unter
Zusammenarbeit mit der Bundesregierung und nicht mittels der KMK zu etablieren,
konnte er weder erklären noch später durchsetzen. Die Forderung nach mehr
Autonomie für die Schulen bleibt ebenfalls vage: Schröder erklärt weder die
Umsetzung noch den Sinn dieser Forderung in seiner Rede.
Wenn man nun beide Hochkonjunkturen im Vergleich betrachtet, werden große
Differenzen deutlich. Brandts Reden sind davon geprägt, aus Gerechtigkeitsmotiven
heraus echte Reformen auch in der Struktur des Bildungssystems anzugehen. Bei
Gerhard Schröder sieht die Lage hingegen wesentlich nüchterner aus: Zwar kündigte
Schröder vor der Wahl eine neue Relevanz des Themengebiets an, strebt aber keinerlei
Einflussnahme jenseits der „goldenen Zügel“ des Ganztagsschulprogramms an. Zwar
ist ein solches Programm in der Geschichte des Bildungswesens einmalig, dennoch
bleibt damit die Rolle und der Einfluss des Bundes genauso gering wie bisher.
Wenn man berücksichtigt, dass die großen Regierungserklärungen immer sowohl
Aktion als auch Reaktion auf die bestehenden Erwartungen an eine solche Rede sind,
37
In einer stark auf die sozialen Aspekte der Schulpolitik eingehenden Regierungserklärung hat Schröder
im Juni 2002 auch im Parlament weitreichende inhaltliche Forderungen – ohne die spitzen
Formulierungen des Zeitungsartikels – vorgetragen. (s. Sten. Ber. 14/242: 24181Aff.)
- 66 -
Analyse des Stellenwerts der Schulpolitik in der deutschen Exekutive
drängt sich der folgende Verdacht auf: Während Brandt versucht hat, das
Themengebiet Schulpolitik mit einem neuen Stellenwert aktiv zu gestalten, hat Gerhard
Schröder eher auf der Welle der PISA-Diskussion reagiert, und versucht, im
Wahlkampf geweckten Erwartungen zu genügen. Diesen Verdacht, dass der Versuch
der Kompetenzausweitung unter „elektoralen Gesichtspunkten“ gestartet wurde, hegen
auch Henkes und Kneip (In: Egle u.a. 2003: 301). Anders formuliert: während Brandt
an der Entwicklung einer Hochkonjunktur beteiligt war, versuchte Schröder die ohne
sein Zutun entstandene Aufmerksamkeit zur Umsetzung eines bestimmten Ziels, der
Ganztagsbetreuung, zu nutzen.
5.3.3 Uneindeutige Trends: Schmidt, Kohl, Merkel
Die Regierungserklärungen von Schmidt, Kohl und Merkel haben gemäß der
Phaseneinteilung in ruhigeren schulpolitischen Zeiten stattgefunden. Daher lassen sich
aus ihren Erklärungen nur wenige eindeutige Trends erkennen. Letztendlich zeigt sich
hier jedoch auch, dass die persönlichen Handschriften in den Regierungserklärungen
durchaus stichhaltige Indizien für den Stellenwert der policy auf Bundesebene geben.
Die Antrittsreden Schmidts sind, anders als bei seinem Vorgänger Brandt, von
größerer Nüchternheit und einer wirtschafts- und finanzpolitischen Perspektive geprägt.
In seiner ersten Erklärung 1974 nimmt aus bildungspolitischer Sicht die berufliche
Bildung und Ausbildungspolitik einen Aufschwung, die von Brandt dargestellte
schulpolitischen Konzepte werden nur mit dem Verweis auf den Bildungsgesamtplan
gestreift. Insgesamt setzt Schmidt also einen eigenen Schwerpunkt, der im Rahmen des
bestehenden Kompetenzgeflechts auch in die eindeutige Zuständigkeit des Bundes fällt.
Ganz anders hingegen ist die Schwerpunktsetzung in seiner zweiten Regierungserklärung 1976. Umfassend stellt Schmidt dort Fragen zur Forschungspolitik,
Ausbildungspolitik in Zeiten demographischen Wandels und der steigenden
Qualifikationsansprüche im Berufsleben. Jedoch greift er auch schulpolitische
Fragestellungen auf. Dabei zielt er direkt auf einen größeren Einfluss des Bundes:
… es gibt vielfältig auch Mangel inhaltlicher Reformen auf allen Stufen des
Bildungswesens.
Diese kritischen Fragen können hier im Bundestag nicht ausgeklammert
werden, auch wenn der Bundestag und wenn die Bundesregierung hier im
Vergleich zu den Ländern auf all diesen Feldern nur ganz geringe Kompetenzen
besitzt. Sie können deshalb nicht ausgeklammert werden, weil es sich hier um
gesamtstaatliche Verantwortung handelt, von der wir zu reden haben. (…)
- 67 -
Analyse des Stellenwerts der Schulpolitik in der deutschen Exekutive
Viele Menschen verstehen nicht, dass ihre Kinder schulisch und beruflich
benachteiligt werden, weil es keine gesamtstaatlich gleichen Bedingungen in
unserem Lande gibt (…). Angesichts der tatsächlichen Erfahrungen der Eltern
und der jungen Menschen ist ernsthaft zu prüfen, ob und wie die Notwendigkeit
einheitlicher Lebensverhältnisse im ganzen Bundesgebiet einheitliche
Regelungen sinnvoll erscheinen lässt.
Die Bundesregierung tritt jedenfalls nachdrücklich für eine Stärkung der
gesamtstaatlichen Verantwortung für die Strukturen des Bildungswesens ein
(Sten. Ber. 08/05: 39Bf.)
Neben dieser fundamentalen Kritik führt Schmidt fünf konkrete Probleme des
Bildungswesens an, darunter das ihn viel beschäftigende Problem der wechselseitigen
Anerkennung von Abschlüssen, die Dauer der Schulpflicht sowie die Lehrerausbildung.
Er kündigt einen Bericht über die strukturellen Mängel des Bildungssystems an, um
den Bedarf für eine Änderung der Zuständigkeiten zu verdeutlichen. Daneben setzt er
auch Akzente im Bereich der beruflichen Bildungspolitik. Insgesamt klassifiziert
Schmidt die Bildungspolitik als einen seiner sieben Handlungsschwerpunkte (ebd.:
52B).
Die dritte Regierungserklärung Schmidts geht weniger ausdrücklich auf die
Problematik ein, spricht sie jedoch in aller Deutlichkeit an. Die genannten Ziele werden
wieder aufgegriffen, konkret wird auch die Befürwortung der Gesamtschulen
angesprochen. Die wechselseitige Anerkennung von Abschlusszeugnissen führt zum
Disput, und Helmut Kohls Reaktion auf diese Forderung durch einen Zwischenruf, dass
es sich dabei um die „dümmste Form der Volksverhetzung“ handele, ist bemerkenswert
im Rahmen einer Regierungserklärung. Schmidt jedoch beschwichtigt in der Folge und
fährt fort mit: „Wir wollen keine Glaubenskriege im Bildungswesen, wohl aber
Pluralität, kulturelle Vielfalt und – bitte – Toleranz auch im Bildungswesen“ (Sten. Ber.
09/05: 38B). Insgesamt formuliert er seine Forderungen weniger umfangreich und
deutlich als in der Erklärung zuvor. Im Mittelpunkt der Debatte stehen die
Anerkennung von Abschlüssen und der Hochschulzugang.
Kohls erste Regierungserklärung 1982 bricht mit der Kontinuität der Regierungserklärungen seit der Verfassungsreform 1969: Er berücksichtigt in seiner ersten
Regierungserklärung Bildung nur im Sinne von Kapitalbildung – Schule spielt in dieser
Rede überhaupt keine Rolle. Stüwe interpretiert sie als „eine Art Gegenmodell“ zu den
Herangehensweisen von Brandt und Schmidt (Stüwe 2005: 321). Auch in seiner
Antrittsrede 1983 spielt Schulpolitik faktisch keine Rolle; er bemerkt lediglich, dass die
Bundesregierung die Anstrengungen der Länder begrüßt, Begabte besonders zu fördern
- 68 -
Analyse des Stellenwerts der Schulpolitik in der deutschen Exekutive
(Sten. Ber. 10/04: 63D). Zudem kündigt er im Rahmen der Friedenspolitik an, deutsche
Schulen im Ausland verstärkt zu fördern (ebd.: 67C).
Die Regierungserklärung 1987 akzentuiert erstmals das Bund-Länder-Verhältnis in
diesem Bereich; Kohl führt dazu aus:
Auch die Länder bleiben auf das wohlverstandene Gesamtinteresse des
Bundesstaates verpflichtet. Das gilt beispielsweise (…) nicht zuletzt für die
Schul- und Bildungspolitik. Nur im konstruktiven Zusammenwirken können
Bund und Länder ihrer Verantwortung gerecht werden (Sten. Ber. 11/04: 64B).
Zudem möchte sich die Bundesregierung im Rahmen der Europapolitik für einen
verstärkten europäischen Schüleraustausch engagieren (ebd.: 68C). Kohl rügt hier also
die Länder, fordert jedoch keine direkte Kompetenzverschiebung. Seine konkreten
Vorhaben bleiben im Rahmen der Kompetenzen des Bundes verhaftet.
Die Rede 1991 greift im Rahmen des Wiedervereinigungsprozesses schulpolitische
Fragestellungen auf, begnügt sich aber mit der vagen Ankündigung: „die
Bundesregierung wird hierbei ihren Beitrag leisten“ (Sten. Ber. 12/05: 78D). Zudem
kündigt er an, dass die Schulzeiten verkürzt werden sollen, um Jugendliche schneller in
den Arbeitsmarkt zu bringen. Das „wie“ wird allerdings nicht erläutert. In seiner letzten
großen Regierungserklärung 1994 spielt Bildungspolitik nur eine äußerst untergeordnete Rolle, Anmerkungen zum Gebiet des Schulwesens kommen überhaupt nicht
vor.
Bei Angela Merkels bislang einziger großer Regierungserklärung 2005 versucht die
Kanzlerin im Bereich Schulpolitik einen Spagat: einerseits zeigt sie die Wichtigkeit des
Politikfeldes für den Standort Deutschland, andererseits begnügt sie sich damit zu
hoffen, die Länder werden dies entsprechend umsetzen. Wörtlich sagt sie „Es ist
wichtig, dass wir die Bildungschancen verbessern. (…) Ich hoffe, dass das nach der
Föderalismusreform von den Ländern in entsprechender Weise fortgesetzt wird“ (Sten.
Ber. 16/04: 85C). Worauf sich diese Hoffnung begründet, wird nicht klar. Dennoch
greift die Kanzlerin die Frage nochmals auf und fordert, im Rahmen der
Integrationspolitik, eine verstärkte Förderung der Deutschkenntnisse von Kindern mit
Migrationshintergrund. Dabei möchte Merkel die Handlungen der Länder unterstützen,
eigene Förderungen stellt sie nicht in Aussicht.
- 69 -
Analyse des Stellenwerts der Schulpolitik in der deutschen Exekutive
5.4
Auswertung: Gesamtbild von Ministern und Kanzlern
Um den Stellenwert des Politikfeldes in der Exekutive der Bundesrepublik im Rahmen
der Kompetenzen zu bewerten, werden verschiedene Zusammenhänge für den
Zeitraum 1949 bis 2005 deutlich. Diese lassen sich sowohl parteipolitisch, als auch
personenbezogen deuten.
Insgesamt zeigt sich also bei der Analyse der Erklärungen der ersten 20 Jahre der
Bundesrepublik, dass die These, wie sehr die Thematisierung von den Interessen des
Regierungschefs beeinflusst wird, durchaus bestätigt wird. Erhard zeigt dabei
besonderes Interesse verglichen mit Adenauer und Kiesinger. Insgesamt jedoch war die
SPD die stärkste und konstanteste Kraft in Richtung einer zunehmenden Unitarisierung.
Zudem stellte sie mit Abstand die meiste Zeit die Minister des Ressorts auf
Bundesebene. Parteipolitisch bemerkenswert ist zudem, dass die GRÜNEN das
Politikfeld bisher nicht stärker gestalten konnten, wären doch hier klassische Ziele
dieser Partei umzusetzen.
Anders als im Konjunkturmodell angenommen, hat neben Brandt im Rahmen der
Etablierung des Feldes Schmidt in Zeiten knapper werdender Kassen dem Politikfeld
ein besondere Relevanz zugeordnet, wie sie in dieser Form bei Schröder nicht zu finden
ist. Insofern ist also eine Neubewertung der Zusammenhänge notwendig:
Bundespolitisch ist den Jahren der Regierung Schmidt ein deutlich größeres Gewicht
zuzuordnen, als dies unter Schröder der Fall war. Die Bedeutung der Brandtschen
Schwerpunktsetzung bleibt davon unberührt.
Wenn man das tatsächliche Handeln der Regierung Merkel noch unberücksichtigt lässt,
kann jedoch aus dieser Analyse abgelesen werden, dass die Schulpolitik in besonderem
Maße unter Kohl marginalisiert wurde: hier spielt sie schlicht keine nennenswerte Rolle
für den Kanzler. Entsprechend war die CDU in seiner Regierungszeit auch bereit, das
Ressort an den kleineren Koalitionspartner abzugeben; den Rest der Zeit des Bestehens
war das Ressort stets der Steuerung durch den größeren Koalitionspartner vorbehalten.
Aus der Analyse der Minister ließ sich insgesamt ein eher geringer Stellenwert des
verantwortlichen Ministeriums ableiten. Im Gegenzug dazu ist das Thema im Rahmen
von
Regierungserklärungen
durchaus
Gegenstand
gewichtiger
Ausführungen
geworden. Diese Diskrepanz lässt sich nur schwer erklären; es liegt die Vermutung
nahe, dass die persönliche Handschrift des Kanzlers in den Regierungserklärungen dem
- 70 -
Analyse des Stellenwerts der Schulpolitik in der deutschen Exekutive
Politikfeld zumindest zeitweilig eine größere Bedeutung eingeräumt hat, als dies im
Rahmen des Kabinetts und der parteipolitischen Auseinandersetzung zu vermuten war.
Bemerkenswert ist, dass nach Auswertung des Stellenwertes des Politikfeldes auf
Bundesebene seit PISA keine Änderungen in der Kompetenzstruktur seitens des
Regierungschefs angestrebt wurden. Zwar konnte man die Regierung Schröder mit
ihrer Ministerin Bulmahn noch als aktiven Akteur im Rahmen der Diskussion um
Bildungsreformen interpretieren; hinter deren Konzepten blieb der Kanzler aber
zurück. Unter der Administration Merkel und Ministerin Schavan jedoch zeichnet sich
eine deutliche Reduktion einer Schulpolitik der Bundesebene ab: die Bundesebene ist
offenkundig bereit, im Rahmen der Föderalismusreform weitere Teile der verbliebenen
Kompetenzen auf die Länderebene zu übertragen, wie ein abschließender Blick auf die
geplante Föderalismusreform zeigt.
- 71 -
6. Zur Föderalismusreform aus Sicht der Schulpolitik
Bevor ein endgültiges Fazit über die Rolle des Bundes im deutschen Föderalismus
gebildet werden kann, muss die Zukunftsperspektive der bestehenden, verflochtenen
Situation näher beleuchtet werden. Dabei ist während der Verfassung dieser Arbeit die
Föderalismusreform gerade in Bundestag und Bundesrat von der Mehrheit von Union
und SPD beschlossen worden, mittlerweile hat auch Verkündung stattgefunden. Das
Reformprojekt wird also zum 1. Januar 2007 in Kraft treten.
Die wissenschaftliche Kommentierung der Arbeit der „Gemeinsamen Kommission von
Bundestag und Bundesrat zur Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung“
(KMbO) ist äußerst vielfältig. Zwar wird die Notwendigkeit einer Reform angemahnt,
wirklich große Veränderungen wurden hingegen nicht erwartet. Lehmbruch folgert aus
der außerordentlichen Kontinuität der bundesstaatlichen Ordnung, dass die Akteure
„eher für ausgehandelte Veränderungen in kleinen Schritten mit überschaubaren
Konsequenzen zu gewinnen sein“ werden, sofern keine besonderen Krisenlagen
entstehen (Lehmbruch 2000: 93). Ähnlich leitet Schmidt ab, dass „Deutschlands
Föderalismus (…) an einem kapitalen Steuerungsproblem laboriert“ (2001: 489) –
woraus auch nur wenig Hoffnung für das Gelingen einer Reform zu schöpfen war.
Letztlich, so charakterisiert Scharpf die Situation vor der Föderalismusreform, „war
politisches Handeln nur noch im allseitigen Konsens möglich“ (2005: 6). Benz38 macht
auch inhaltliche Faktoren für das – vorübergehende – Scheitern der Reform
verantwortlich: Die Leitidee der Entflechtung förderte eine Blockierung der Reform.
Schließlich wurde deswegen die Reduzierung der Reform auf ein „Feilschen um ein
Tauschgeschäft“ nicht mehr korrigierbar (2005: 207f.)39.
Die Ergebnisse der Reform für den Bildungssektor, speziell für die bundesstaatliche
Einflussnahme auf die Schulpolitik, lassen sich in folgender Weise zusammentragen:
Die bereits in Kapitel 3.2.9 angeführten Änderungen in der Aufgabe des Bundes, statt
an der Bildungsplanung, die insbesondere in den letzten 25 Jahren nur eine sehr geringe
Bedeutung genossen hat, von nun an an der Evaluierung der Ergebnisse beteiligt zu
38
Arthur Benz war als Sachverständiger mit Rederecht in „Föderalismuskommission“ vertreten, ebenso
wie Fritz W. Scharpf.
39
Zum damaligen Scheitern der Föderalismusreform 2005 und den Einschätzung hiervon siehe auch die
Beiträge in APuZ 13-14, 2005.
- 72 -
Zur Föderalismusreform aus Sicht der Schulpolitik
sein, passt faktisch die Idee der Bildungsplanung an die neuere Entwicklung an.
Insbesondere das Mitwirken an internationalen Berichten erscheint jedoch ohne die
Beteiligung des Bundes als schwer möglich. Die Formulierung, die der neue Artikel
91b des Grundgesetzes haben wird, scheint keine substanzielle Veränderung der
Kompetenzstruktur zu sein. Sie wird lediglich dazu führen, dass das Aufgabengebiet
der BLK neu zu strukturieren ist; in wie weit damit eine Veränderung der Kompetenzen
einhergeht, ist nicht abzusehen. Denkbar wäre auch die Auflösung der BLK zugunsten
einer völlig neuen Instanz; in der Kommentierung der Drucksache wird jedoch von
einer Anpassung und „Bereinigung“ des bisherigen BLK-Abkommens ausgegangen.
Eine echte Entflechtung der Entscheidungsstrukturen könnte hier also erzielt werden,
wird aber keineswegs garantiert; die Leitidee der Entflechtung konnte nicht eindeutig
umgesetzt werden.
Neu ist hingegen die explizite Interessenvertretung der Länder im schulpolitischen
Bereich im Rahmen der Europäischen Union in Artikel 23 (Abs. 6 Satz 1):
Wenn im Schwerpunkt ausschließliche Gesetzgebungsbefugnisse der Länder auf
den Gebieten der schulischen Bildung, der Kultur oder des Rundfunks betroffen
sind, wird die Wahrnehmung der Rechte, die der Bundesrepublik Deutschland
als Mitgliedstaat der Europäischen Union zustehen, vom Bund auf einen vom
Bundesrat benannten Vertreter der Länder übertragen. (BT DRS 178-06)
Dies kann durchaus als eine Klärung der Kompetenzen interpretiert werden, bisher
stand an gleicher Stelle ohne Nennung der Kompetenzbereiche, dass falls der
Schwerpunkt der Gesetzgebungskompetenz bei den Ländern liegt, der Bund die Rechte
auf einen vom Bundesrat benannten Vertreter übertragen solle. Ob damit allerdings die
eine einheitliche Interessenvertretung der Bundesregierung im europäischen Rahmen
gewährleistet werden kann, bleibt fraglich. Bisher haben sich diese Vertretungen
jedoch wegen der langwierigen Abstimmungsprozesse unter den Ländern als wenig
wirksam erwiesen (Scharpf 2005: 8, s. auch Buse 2004).
Zudem wurde das Besoldungs- und Dienstrecht wieder auf die Landesebene
übertragen, was über für die Arbeitsbedingungen in den Schulen von Bedeutung
werden kann. Hierdurch wird ein Wettbewerb unter den Ländern befördert, der sich
womöglich auch auf dem Schulsektor niederschlagen wird. Die tatsächlichen Effekte
dieser Maßnahme sind jedoch kaum zu prognostizieren. Es ist jedoch davon
auszugehen, dass die Differenzen im Bundesgebiet durch diesen Schritt nicht geringer
werden. Beispielsweise erscheint es denkbar, dass spezielle Anreize für Lehrer gerade
- 73 -
Zur Föderalismusreform aus Sicht der Schulpolitik
in besonders gesuchten Fächern (so genannten „Mangelfächern“) geben könnte. Durch
das Fehlen einheitlicher Qualifikationsansprüche im Lehrberuf ist von einer steigenden
Mobilität nur in geringem Umfang auszugehen, um die Folgen dieser Änderung
realistisch einzuschätzen.
Sehr bedeutend ist zudem die Änderung, dass im Rahmen von Artikel 104a, 104b eine
neue Schranke der bundesstaatlichen Einflussnahme eingeführt wird. Der Wortlaut des
Gesetzes sieht vor, dass der Bund den Ländern keine Finanzhilfen gewähren kann,
wenn es sich bei dem Gegenstand der Investition um einen Bereich der
ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz der Länder handelt. Diese Beschränkung
des Bundes, so entnimmt man der Begründung, bezieht sich explizit auf die
Schulpolitik (ebd., S. 46f.). Das in dieser Arbeit als besonders gewichtig eingestufte
Steuerungselement durch die Finanzierung seitens der Bundesebene wird zukünftig per
Grundgesetz verboten sein. Zwar darf gemäß einer Übergangsregelung der Bund das
Investitionsprogramm „Zukunft Bildung und Betreuung“ fortführen, neue Programme
dieser Art sind jedoch nicht möglich.
Mit dieser Veränderung verliert der Bund eine seiner wichtigsten Optionen zur
Einflussnahme im Politikfeld. Entsprechend wurde dies auch während der
Expertenanhörung im Rechtsausschuss des Deutschen Bundestags kontrovers
diskutiert. Insgesamt verlaufen die Konfliktlinien uneinheitlich, wenn man die
Protokolle der beschließenden Bundestagssitzung (Plenarprotokoll 16/44, vom
20.06.2006), der entsprechenden Bundesratssitzung (824. Sitzung, 7.0.7.2006) und
Beratungen im Rechtssauschuss (Rechtsausschussprotokoll 16, vom 29.05.2006)
verfolgt.
Bei den Sachverständigenanhörungen zum Themenkomplex Bildung im Ausschuss40
dominieren hochschulpolitische Fragestellungen die Diskussion. Eindeutig Stellung
gegen
die
Föderalismusreform
beziehen
jedoch
zwei
der
drei
expliziten
Sachverständigen des Schulsektors, nämlich der Vorsitzende der Bundeselternrates und
der Vertreter der GEW. Der Direktor eines Gymnasiums, als der dritte Vertreter, zeigt
sich als Befürworter der Neuregelungen. Die Vertreter der Wirtschaft sind gespalten:
40
Der Bundestag hatte gegen den Willen der Opposition beschlossen, die Föderalismusreform als Paket
im Rechtsausschuss zu behandeln und nicht die Gebiete aufzuteilen und an die entsprechenden
Ausschüsse zu verteilen.
Im Ausschuss wurden dann Sitzungen zu Themenblocks abgehalten, die als Protokolle, teilweise auch
als Audiodateien und Videos im Internet verfügbar sind unter: http://www.bundestag.de/parlament/
gremien/foederalismus/index.html (31.08.2006).
- 74 -
Zur Föderalismusreform aus Sicht der Schulpolitik
sie befürworten einen größeren Wettbewerb, möchten aber eine große Mobilität der
Arbeitnehmer sicherstellen; daher sind ihre Argumente uneindeutig. Im Bundestag
dominieren wieder parteipolitische Konfliktlinien die Argumentation. Eine breite
Mehrheit aus SPD und CDU im Bundestag stimmte letztlich für eine nochmals
geringfügig veränderte Fassung des Gesetzes und erfüllte damit die geforderte
2/3-Mehrheit, die Opposition votierte bei drei Enthaltungen aus der FDP geschlossen
gegen das Gesetz41.
Interessant waren die entsprechenden Beratungen und Abstimmungsverhalten im
Bundesrat. 14 der 16 Länder stimmen für die Reform, das von einer großen Koalition
unter der Führung der CDU regierte Schleswig-Holstein hat sich enthalten, das rot-rote
Bündnis
in
Mecklenburg-Vorpommern
lehnt
als
einziges
Bundesland
die
Grundgesetzänderung ab. Es dominiert die Frage des Dienst- und Besoldungsrechts
weite Teile der Wortbeiträge. Insbesondere die nicht zustimmenden Länder sehen keine
fairen Voraussetzungen für einen zunehmenden Wettbewerb. Gerade finanzschwache
Länder äußern Bedenken, auch explizit gegen das Verbot von Investitionsprogrammen
des Bundes im Schulsektor. Kurt Beck, als Vertreter von Rheinland-Pfalz und SPDVorsitzender, kann den inneren Konflikt seiner Partei nur beschreiben, wenn er zwar
den Kompetenzverlust des Bundes im Schulbereich bedauert, jedoch im Rahmen eines
gesamten Pakets für unverzichtbar erklärt.
Die Auswirkungen dieser Änderungen werden sich erst mittelfristig zeigen. Dass aber
im Rahmen einer Reform der bundesstaatlichen Ordnung die Vertreter des Bundes,
sowohl der Regierung wie auch des Bundestages, einem Rückgang der eigenen
Verantwortlichkeiten ausgerechnet im Bildungssektor zustimmten, ist ein nicht
unwesentliches Zeichen für die Einstufung der Wichtigkeit des Politikfeldes auf
Bundesebene. Wenn sich in der bisherigen Analyse herauskristallisiert hat, dass die
Zeit der sozialliberalen Koalition für wesentliche Aktivität des Bundes im Schulesektor
stand, so ist es bemerkenswert, dass die SPD in den Jahren nach PISA zunächst das
größte Investitionsprogramm in der Geschichte des deutschen Schulwesens auflegte
und nur kurze Zeit später zu einer Zustimmung zum Verbot solcher Programme bereit
war. Der Kurs der Partei unter Schröder und Müntefering erscheint also in diesem Licht
als wenig eindeutig; sicherlich kann jedoch von beiden behauptet werden, dass
41
Da es sich um namentliche Abstimmung handelte, ist die Stimmabgabe der Mitglieder des Deutschen
Bundestages im Sitzungsprotokoll einzusehen (Plenarprotokoll 16/44).
- 75 -
Zur Föderalismusreform aus Sicht der Schulpolitik
schulpolitische Fragestellungen nicht als die wesentlichen Inhalte ihres Arbeitens
gelten können. Die ehemalige Bundesministerin Bulmahn war zwar Gegnerin der
Reform, hat dem Gesamtwerk im Bundestag, dem sie angehört, dennoch zugestimmt.
Auf Seiten der Union ist die Konstellation eindeutiger. Sie hatte nur selten ein
besonderes Interesse in diesem Politikbereich aus Sicht der Bundespolitik; insofern ist
das Entgegenkommen zugunsten der Landespolitiker erklärlich. Dennoch erscheint es
als bemerkenswert, dass das Kabinett Merkel mit Schavan erstmals eine Ministerin im
BMBF besitzt, die zuvor bereits Kultusministerin auf Länderebene war. Ausgerechnet
in dieser Konstellation zeigt sich die Regierung also bereit, die eigenen Kompetenzen
zurückzuführen.
Das Bundesministerium veröffentlichte auf seiner Homepage eine weit optimistischere
Situationsanalyse als dem hier festgestellten Verlust an Handlungsoptionen. Zur
Schulpolitik heißt es dort:
Die in der angestrebten Form ohnehin nicht realisierte Gemeinschaftsaufgabe
"Bildungsplanung" wird beendet und durch wirksamere Steuerungsinstrumente
ersetzt. Die neue Gemeinschaftsaufgabe umfasst die drei Elemente
„Feststellung der Leistungsfähigkeit des Bildungswesens im internationalen
Vergleich", „Bildungsberichterstattung" und „gemeinsame Empfehlungen".
Bund und Länder haben künftig die Möglichkeit, das Fundament für
ergebnisorientierte Vergleichbarkeit unserer Bildungseinrichtungen zu
verbessern sowie gemeinsame strategische Ziele für die Weiterentwicklung des
Bildungs- und Wissenschaftssystems zu vereinbaren. Der Bund wird vor diesem
Hintergrund auch seine Anstrengungen in der Bildungsforschung erhöhen
(http://www.bmbf.de/de/1263.php, 31.08.2006).
Diese
Einschätzung
ignoriert
bemerkenswerter
Weise
vollständig
sämtliche
Änderungen für den Schulsektor jenseits des Artikels 91b. Die Ankündigung, die
Bildungsforschung zu intensivieren, kann jedoch als Signal gesehen werden, sich nicht
von der Rolle des Agenda-Settings lösen zu wollen. Die KMK, neben den
Landesparlamenten die wohl größte Gewinnerin der Reformen, begrüßt diese natürlich.
Aufgrund der Organisationsstruktur gibt es jedoch seit dem Beschluss noch keine
Stellungnahme des Gremiums, wie insbesondere der neu entstehende Wettbewerb im
Besoldungsrecht koordiniert werden wird.
Fritz W. Scharpf, als Beobachter aus Sicht der politischen Wissenschaft, kommt zu
einem ernüchternden Fazit. Im Mai, kurz vor der Beschlussfassung, formuliert er über
den Nutzen der Föderalismusreform: „In anderen [Einzelfragen], insbesondere in dem
kategorischen Ausschluss von Bundeshilfen für Aufgaben der Länder – brächte sie eine
- 76 -
Zur Föderalismusreform aus Sicht der Schulpolitik
gravierende Verschlechterung“ (Scharpf 2006: 16). Diese Ansicht der Sachlage stimmt
mit den Ergebnissen dieser Untersuchung überein; eine Verschlechterung ist in diesem
Sinne eine Verringerung der Steuerungsoptionen und der Möglichkeiten eines
bundesstaatlichen Ausgleichs.
Letztendlich unterstreicht die Schärfe der Diskussion und das öffentliche Interesse am
Themenkomplex Schule in der Föderalismusreform die Bedeutung des Politikfeldes.
Sie war sowohl lange Zeit für das vermeintliche Scheitern der Reform verantwortlich,
und hat auch über die Politik hinaus auf unterschiedlichen Seiten, z.B. bei den
Interessenverbänden und den Gewerkschaften zu großer Aktivität geführt. Dieser
Widerstände zum Trotz, insbesondere wohl durch die Überwindung der Blockademöglichkeiten über eine Paketlösung, haben offenkundig die beiden großen Volksparteien einen entsprechenden Konsens auch in der Schulpolitik gefunden. Welche
Reichweite der gefasste Beschluss jedoch tatsächlich haben wird, ist derzeit noch nicht
abzusehen.
- 77 -
7. Resümee: Die Rolle des Bundes in der Schulpolitik
Insgesamt ergibt sich ein gemischtes Bild bei dieser Erforschung der „Rolle des Bundes
in der Schulpolitik der Bundesrepublik“. Die Kombination, Föderalismusforschung,
Steuerungskonzepte und Bildungsinhalte zu einer Analyse zusammenzuführen, hat sich
als durchaus ertragsreich erwiesen. Im Überblick über die gesamte Arbeit lassen sich
die folgenden fünf Trends erkennen:
(1) Exekutivlastigkeit: In einem Bereich der geringen formalen Bundeskompetenz zeigt
sich stark die Exekutivlastigkeit des deutschen Föderalismus. Im Rahmen der
Beratungs- und Koordinationsgremien zwischen Bund- und Länderebene, an denen
teilweise auch der Bundestag beteiligt war, erkennt man, dass diese das Politikfeld
nicht dauerhaft zu prägen vermochten. Die Kultusministerkonferenz, die einzige
Institution ohne Beteiligung des Bundes, ist, anders als alle anderen, von einer
gewissen Dauerhaftigkeit geprägt. In ihr spiegelt sich die Exekutivlastigkeit der
Länderebene wieder. Trotz großer öffentlicher Kritik und konstruktiver Schwächen,
konnte das Gremium sich gegenüber allen anderen Formen der Zusammenarbeit
oberhalb der Länderebene behaupten.
(2) Konjunkturelle Einflüsse: Die Schulpolitik scheint nicht den Gesetzen eines ständig
wachsenden Bundeseinflusses zu unterliegen. Vielmehr herrscht neben formaler
Konstanz seitens des rechtlichen Rahmens eine schwer zu messende, schwankende
Bedeutung des Politikfeldes auf Bundesebene. Diese geht dabei nicht zwangsläufig
mit den relativen Bedeutungsschwankungen des Politikfeldes insgesamt überein.
Neben der formalen Kontinuität haben Regierungswechsel immer wieder zu
Brüchen der bundespolitischen Einflussnahme geführt, beispielsweise 1982 oder
jüngst, 2005.
Daneben zeigt sich jedoch, dass die Schulpolitik des Bundes faktisch zumindest
durch die Gremienarbeit und viele weitere Schritte der Einflussnahme stets existiert
hat. Die Annahme, dass, obwohl Kulturpolitik eine besonders exponierte Stellung
im Rahmen der Länderkompetenzen besitzt, es eine eigene Schulpolitik des Bundes
gibt, lässt sich mit dieser Arbeit zweifelsfrei Belegen.
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Resümee: Die Rolle des Bundes in der Schulpolitik
(3) Potentiale seitens der Regierungen: Gerade durch die geringe bundespolitische
Verantwortlichkeit in Bereich der Schulpolitik stecken besondere gestalterische
Möglichkeiten seitens der nationalen Regierung. Die Möglichkeiten der
Einflussnahme sind zwar überwiegend indirekt, aber - nichtsdestotrotz - sehr
wirkungsmächtig. Neben der Steuerung durch monetäre Anreizstrukturen und
Investitionen, wie es zumindest bisher möglich war, spielt hier auch die
Ausrichtung des Bundesministeriums eine wesentliche Rolle. Wie unterschiedlich
dies interpretiert werden kann, konnte am aktuellen Regierungswechsel gezeigt
werden.
Die großen Regierungserklärungen, die „seismographisch zum authentischen Bild
der politischen Kultur der Bundesrepublik“ (Korte u.a. 2004: 289) wurden, zeigen
ebenfalls das große Potential der Einflussnahme auf. Aus der Analyse des
Stellenwerts lässt sich ableiten, dass neben parteipolitischen Faktoren die
individuellen, schwer zu messenden Interessen der Bundeskanzler und der
zuständigen Minister wichtige Indizien liefern, wie eine Regierung mit den Spielräumen umzugehen pflegte.
(4) PISA 2000 und die Folgen: Wenn man den Zeitraum nach der Veröffentlichung der
Ergebnisse von PISA bis zur Bundestagswahl 2005 und den in diesem Zuge
abgesprochenen Änderungen der Kompetenzen durch die Föderalismusreform
betrachtet, zeigt sich ein gemischtes Bild. Die Rot-Grüne Bundesregierung konnte
keine zusätzlichen Kompetenzen gewinnen, auch bei der Etablierung der Bildungsstandards blieb sie außen vor. Dennoch hat vor allem das Bundesministerium
permanenten Druck ausgeübt, und das Thema auch auf der bundespolitischen
Agenda stark forciert. Die Ankündigungen Schröders hingegen, sich als Regierung
in inhaltliche Fragen des Schulsektors einzumischen, hat nur zwei greifbare
Ergebnisse hervorgebracht: auf der einen Seite das Ganztagsschulprogramm, auf
der anderen Seite die Begründung der Bildungsberichterstattung.
Eine tatsächliche substanzielle Reform der Zuständigkeiten, wie sie in der Phase
der Hochkonjunktur als denkbar erschien, hat nicht stattgefunden. Bemerkenswerter
Weise spielte auch im Wahlkampf 2005 das Thema neben dem Ganztagsschulprogramm bereits keine Rolle mehr. Insgesamt lässt sich zusammenfassen,
dass der große exogene Schock das Politikfeld nur sehr kurzfristig in Bewegung
gebracht hat, ehe es vom Alltag eingeholt wurde. Offensichtlich waren die
- 79 -
Resümee: Die Rolle des Bundes in der Schulpolitik
bewahrenden Kräfte des alten Systems in der entstandenen Krisensituation stark
genug, sich gegen eine gesteigerte formale Einflussnahme der Bundesebene zu
wehren.
(5) Föderalismusreform: Die Ergebnisse der Föderalismusreform sind, auch wenn die
Auswirkungen noch nicht direkt abzusehen sind, vor diesem Hintergrund
erstaunlich. Wie insbesondere die verhandelnden Sozialdemokraten innerhalb von
drei Jahren eines der definierten Hauptziele der Regierungspolitik zu einem
weiteren Kompetenzrückgang überführen konnten, deckt deutlich den Stellenwert
des Feldes in dieser Konstellation auf. Das die führenden Entscheidungsträger nicht
an die – auch ideologische – Wichtigkeit, Finanzprogramme zur Chancengleichheit
der Schüler über Bundesmittel zu erreichen glauben, liegt auf der Hand. Gewinner
der Reform sind in diesem Sektor wohl die Länder mit größerem Interessen an
kompetetiven Elementen im Schulbereich, allen voran wohl die unionsgeführten,
reichen Länder im Süden.
Dennoch behält, wie auch im Rahmen der Einflussmöglichkeiten gezeigt werden
konnte, der Bund weiter Spielräume und wichtige Funktionen im Schulsektor. Es
wird durch die neue Verfassungssituation jedoch zunehmend schwieriger werden,
diese Einflüsse öffentlich und im parlamentarischen Weg auszuüben. Der Kreativität, wie sie beispielsweise bei „Schulen ans Netz“ gezeigt wurde, können offenkundig keinerlei Schranken auferlegt werden.
Im Rahmen dieser Ergebnisse werden vielfältige Möglichkeiten für weitere Forschung
erkennbar. Interessant wäre es, um das Stellenwertskonzept noch umfassender zu
behandeln, die Ausgaben und – mindestens ebenso wichtig – die Anzahl der mit
schulpolitischen Fragen betrauten Personen der Bundesebene im Verlauf der
Bundesrepublik zu erheben. Dies könnte weitere Zusammenhänge aufdecken, die hier
nicht erfasst werden konnten.
Schulpolitische Fragestellungen werden national zweifelsfrei auf der Tagesordnung
bleiben. Von der Erhebung PISA 2003 sind noch nicht alle Daten ausgewertet und
veröffentlicht, in diesem Jahr wird bereits zum dritten Mal eine solche Erhebung
durchgeführt. Aber auch die nationale Bildungsberichterstattung wird wohl jährlich die
Debatte auf die Bundesebene führen. Zudem hat der Bundespräsident Horst Köhler
angekündigt, sich ab Herbst dieses Jahres intensiv mit der Frage auseinanderzusetzen,
- 80 -
Resümee: Die Rolle des Bundes in der Schulpolitik
wie Bildung in Deutschland aussehen muss. Dabei strebt er eine Verbesserung der
Rahmenbedingungen im Bildungsbereich an (Köhler 2006).
Auch aus internationaler Sicht scheint die Kritik am Bildungssystem nicht abzureißen.
Der UN-Sonderberichterstatter Muňoz kritisierte im Februar 2006 ebenfalls die
föderale Struktur des Bildungswesens42. Die OECD zeigte in ihrem Bericht „Education
at a glance“ 2005 zwar eine Trendwende im deutschen Bildungswesen, mahnt aber
weitere Veränderungen an (Schleicher 2005).
Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass die Bundesrepublik vor allem in
Zeiten einer Verstärkung internationaler Mobilität im Schulsektor weiter stark unter
Anpassungsdruck bleiben wird. Dazu werden weitere Veränderungen der Strukturen
des Schulsektors notwendig werden. Welche Rolle die Bundesebene in diesem Rahmen
spielen wird, bleibt eine spannende Frage für die Zukunft.
42
s. z.B. FAZ, 21.02.2006: UN-Beauftragter Muňoz rügt deutsches Bildungssystem. Er spielte mit seiner
Kritik dabei auch direkt auf die Föderalismusreform an.
- 81 -
Anhang
.
Tabellen- und Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Schema der Einfluss- und Kompetenzstrukturen im Bildungs- und
Wissenschaftsbereich............................................................................................. 12
Abbildung 2: Institutionen oberhalb der Länderebene im geschichtlichen Verlauf ...... 27
Abbildung 3: Logo SaN e.V. ......................................................................................... 41
Abbildung 4: Bundesminister für Bildung nach Parteizugehörigkeit (1969 - 2005),.... 49
Tabelle 1: Regierungszugehörigkeit nach Parteien (1969-2005)................................... 50
Tabelle 2: Bundesminister für Bildung, Amtsdauer und Parteizugehörigkeit............... 52
Abbildung 5: Themengebiete in der Durchschnitts-Regierungserklärung, ................... 60
Tabelle 3: Schulpolitik in Regierungserklärungen ........................................................ 61
Abbildung 6: Organisationsplan BMBF 2005 ............................................................... 88
Abbildung 7: Organisationsplan BMBF 2006 ............................................................... 89
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Arbeit zitiert wurden, sind allgemein zugänglich und hier nicht nochmals als Quellen aufgeführt.
Alle verwendeten Internetquellen wurden am 31.08.2006 nochmals auf ihre Existenz überprüft.
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Organisationspläne des BMBF 2005 und 2006
Abbildung 6: Organisationsplan BMBF 2005
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Abbildung 7: Organisationsplan BMBF 2006
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