Leseprobe - Delius Klasing
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Leseprobe - Delius Klasing
> INHALT Foto: Arthur Chambre Fahrer: Nicolas Rouze Hochsommer 2016, die Bikepark-Saison ist in vollem Gang. 20 Prozent von euch waren noch nie im Bikepark. Dabei kann man dort unter Idealbedingungen üben: springen, droppen, durch Anlieger blasen. Voraussetzung: Der Park muss gut gebaut sein. Einer unserer Lieblinge: Lac Blanc in den französischen Vogesen. Hier fliegt Nicolas Rouze aus dem Holzanlieger auf der Stunt-Strecke „R-Line“ – dem schwierigsten Trail im Vogesenpark. Unser Trail-Favorit heißt: Le Fat. Wir sagen: unbedingt ausprobieren! FREE 3/16 RIDE Titelfoto: Chris Laue Fahrer: Amir Kabbani Wo kommt er her, wo fliegt er hin? Amir Kabbani schwebt wie ein Geist über dem Rapsfeld – vielleicht inspiriert durch den Kultstreifen Lifecycles. Der Freeride-Profi aus Boppard bastelt gerade an einem neuen Video-Edit. Test-Bikes in diesem Heft 55 > Banshee Spitfire 57 > Commençal Meta AM V4 61 > Devinci Wilson Carbon 88 > Giant Glory 1 56 > Ghost FR AMR 7 4 | FREERIDE 3|16 60 > Intense M16 Carbon 59 > Radon Swoop 170 9.0 58 > Rose Soul Fire 1 54 > YT Jeffsy CF Pro Report & Reise Typen 64 Das Experiment – Wegsuche durch den Laufrad-Dschungel 92 Downhill-Tracks – die krassesten Pisten der Welt 120 Abenteuer Moskau – zu Besuch bei Russlands Freerider Nr. 1 8 44 62 80 118 128 Test & Technik 32 38 52 68 88 Goggles – Schutz gegen Staub, Dreck, Steine, Zweige Neuheiten 2017 – Bikes, Parts & Trends fürs neue Jahr Duelle – Trailbikes, Enduros, Freerider, Big Bikes Reifen – alles, was man wissen muss Einzeltest – Giant Glory 1 Steve Smith – ein Nachruf auf unseren schnellen Kanadier Diddie Schneider – der Trailbauer im Gespräch Peter Denk – wenn Innovationen, dann bitte richtig! Nick Pescetto – Spaß als Lebensmotiv Ryan Nyquist – X-Games-Star auf Abwegen Darren Berrecloth – die Freeride-Ikone in Stichworten Rubriken 3 10 28 102 108 110 130 Intro / Impressum Gallery – die besten Fotos Magazin – Typen, Tratsch, Events und News Fetisch – Bikes, Parts & Fashion Die Frage – Was würdest du gerne können? Fahrtechnik – das „Look Good“-Spezial Vorschau – die Themen im nächsten Heft FREERIDE 3|16 | 5 > GALLERY WHISTLER, B.C. / KANADA Mike Hopkins Foto: Paris Gore „Was mich am Mountainbiken als Kind faszinierte, begeistert mich auch noch heute: Es passiert draußen und es gleicht einer Expedition ins Unbekannte. Davon kann doch jeder von uns mehr brauchen, oder? Stattdessen rattern wir durch einen durchgetakteten Alltag. Auf diesem Bild gelingt mir die Flucht. Zusammen mit Paris verlasse ich die Parktrails und ehe wir uns versehen, rollen wir auf Wildwechseln durch den Wald und entlang brausender Bergflüsse. Eins ist gewiss, ein Bike-Abenteuer enttäuscht nie!“ 10 | FREERIDE 3|16 FREERIDE 3|16 | 11 > RUHM & EHRE Senkrechtstarter: Der Ex-Turner Nico Scholze aus Filderstadt schwingt beim Backflip über den Lenker nach vorne, als sei’s ne Reckstange. Tsunami-Flip nennt sich dieser Harakiri-Trick, den nur ganz wenige Slopestyler auf der Welt beherrschen. Damit schafft es Nico bei seinem ersten Diamond-Wettkampf auf Platz 6. Nico Scholze (21) gelingt die Sensation: Bei seinem ersten Diamond-Event der FMB landet er nicht nur unter den Top-10, sondern gewinnt auch noch den Fan-Award. Text: Nico Scholze Foto: Ale di Lullo „Boah, war ich mega aufgeregt! Noch nie hatte ich Sprünge von der Größe gemacht, wie sie hier im Münchner Olympiapark standen für die Swatch Prime Line – meinen ersten Diamond-Event der FMB World Tour. Besonders vor den Drops gruselte mir, denn so was gibt es bei mir zuhause nicht. Doch nach dem ersten Training beruhigten sich meine Nerven, denn die Jumps waren super gebaut, ich durfte mich nur nicht vor der langen Airtime erschrecken. Unglaublich, wie lange ich da durch die Luft segelte. Zum ersten Mal traf ich auf Rheeder, Rogatkin, Messere oder BMX-Star Drew Bezanson und fand’s klasse, dass die mich so nett aufnahmen. Denn zuerst hielt ich mich eher zurück und hing nur mit den Deutschen ab, Lukas Knopf und Peter Henke. Besonders nett war der Kanadier Logan Peat, der mir noch einen Sticker seiner Crew gab, weil er sich so über meinen Run freute. Der letzte Sprung des Kurses war perfekt für meinen Tsuna48 | FREERIDE 3|16 mi-Flip: steil, weit und so viel Airtime, dass ich Zeit hatte, mich wieder zurück aufs Bike zu schwingen. Der Tsunami musste einfach in meinen Run! Leider wehte zu viel Wind und ich dachte schon, dass ich den Trick abhaken müsste. Doch dann ließ der Wind nach und ich packte den Tsunami aus! Gar nicht leicht, da wieder zurück aufs Bike zu kommen. Es ist, als würde man einen Felgaufschwung an der Reckstange machen: Beine anziehen und Bauch zum Lenker. Ich habe acht Jahre geturnt – das hilft. Ich wusste, dass der Tsunami den Judges und den Zuschauern gefallen würde. Dass das Publikum aber so abging, damit hatte ich nicht gerechnet. Umso besser! Platz 6 im Finale als einziger Deutscher und dann staubte ich damit auch noch den Swatch Fan Award ab! Jetzt fliege ich nach Colorado, um die fehlenden Punkte für Crankworx Whistler zu gewinnen. Denn der Whistler Joyride ist mein großes Ziel. Drückt ihr mir die Daumen?“ FREERIDE 3|16 | 49 > TEST-DUELL TR Konzept-Konflikt „Aggressive Trailbikes“ heißt das neue Zauberwort. Die Kategorie aus leichten, vortriebsstarken Bikes mit Freeride-Geo soll da auftrumpfen, wo Enduros träge und übermotorisiert wirken – nämlich auf welligen Singletrails. Wir haben zwei dieser aggressiven Trail-Raketen gegeneinander aufgehetzt. Text: Laurin Lehner Aggressive Trail-Riding – schon mal gehört? Nein? Das ist der neueste Gedankenfurz der Bike-Industrie, will man denken, so sehr klingt der Begriff nach Marketing-Bla-Bla. Doch bei näherer Betrachtung ist die Idee nicht dumm. Denn Freerider blockern ganz anders über die Trails als Touren-Biker. Statt Kette rechts und Streckemachen, wollen Freerider springen, im Manual durch Bodensenken surfen, über Baumstämme hüpfen, durch Kurven pressen – und genau dafür sind die aggressiven Trailbikes gedacht. Für die nötige Aggressivität sorgt die Geometrie: flacher Lenkwinkel, kurze Kettenstreben, tiefes Tretlager – das unterscheidet ein Freeride-Trailbike von einer Cross-Country-Feile. Der Federweg ist eher zweitrangig. Auch über die richtige Laufradgröße sind sich die Hersteller noch nicht einig. „29 Zoll ist die richtige Wahl“, glaubt YT-Konstrukteur Stefan Willared, andere finden die großen Räder zu sperrig und bieten sogar 26-Zöller an. Daher ließen wir das 29-Zoll Jeffsy von YT aus Carbon gegen das Banshee Spitfire in 27,5-Zoll antreten. Ein Konzeptvergleich! Ort des Duells Trailbikes müssen auf dem Trail überzeugen, also scheuchten wir beide Bikes über unsere Hausstrecke, die Isar-Trails. Für den eher zahmen, sich in der Ebene dahinwellenden Trail braucht man erstens: viel Vortrieb. Und zweitens: ein verspieltes Bike. Denn wir wollen ja jeden noch so kleinen Stunt und Sprung mitnehmen. Ob die Trailbikes auch ruppigeres Gelände verkraften, checkten wir auf dem streckenweise holperigen Fleckalm-Trail in Kirchberg. Duellant 1: YT Jeffsy Die Optik von Jeffsy ist durchgestylt, das Set-up kinderleicht, die Ausstattung erstklassig und der Preis entsprechend hoch – das CF Pro ist das Top-Modell der Jeffsy-Palette. Alleine die Carbon-Laufräder kosten 2000 € und kaschieren die normalerweise höhere Schwungmasse der 29-Zöller. Das Fox-Fahrwerk arbeitet hervorragend und lässt sich dank Beweist, dass 29 Zoll und Spieltrieb kein Widerspruch sind. Zumindest in der teuren Ausstattung mit den DT Swiss Carbon-Laufrädern hat uns Jeffsy als aggressives Trailbike sehr gut gefallen. HERSTELLERANGABEN HERSTELLERANGABEN Material/Größen Preis/Gewicht ohne Pedale Duellant 2: Banshee Spitfire Banshee ist eine kanadische Marke aus dem Herzen British Columbias – dem Geburtsland des Freeride-Gedankens. Wenn jemand weiß, was „Aggressive Trailriding“ ist, dann diese Herren. Spitfire, Feuerspucker, nennen die Kanadier ihr Bike – das klingt verdammt aggressiv. Uns wun- BANSHEE Spitfire YT Jeffsy CF Pro Vertrieb effizienter Plattform auf Tretpassagen gut beruhigen; da schaukelt nix. Der Hinterbau besitzt einen Flipchip. Wer will, kann damit den Lenkwinkel flach trimmen und das Tretlager absenken. Wir wollen! Man sitzt im Jeffsy drin, statt drauf – das fühlt sich gut an und gibt Sicherheit. Ein Blick aufs Datenblatt beweist: Der BB-Drop beträgt satte minus 35 Millimeter. Wir rauschen also mit dem Rad durch die Isartrails, ziehen es locker aufs Hinterrad, lassen das Heck in Turns schwänzeln, bunnyhoppen über die Baumstämme, schanzen über Dreckhügel – alles klappt und wir kommen zu dem Schluss: Dieses 29er-Bike hat Freeride im Blut. Wir kennen die Argumente der 29-Zoll-Hasser: in schnellen Kurvenwechseln zu träge, Aufstellkräfte in Anliegern, Probleme beim Backflip – okay, wer sein Trailbike als Slopestyler einsetzt, sollte tatsächlich kleine Laufräder fahren. Ortswechsel: Fleckalm-Trail in Kirchberg; Enduro-Gelände. Hier spielt das Jeffsy seine 29er-Trumpfkarte aus. Das gute Überrollverhalten der großen Räder gepaart mit einem leistungsfähigen Fahrwerk verleihen ihm Enduro-Qualitäten. Es ist schnell, sicher und laufruhig. In raschen Kurvenwechseln lässt sich das Bike gut von einen Turn in den nächsten schaukeln. Von Aufstellkräften spüren wir nix. Einzig in Spitzkehren wirkt es etwas sperriger und bei Blitzdrops über Geländestufen muss man darauf achten, dass der Popo dem Hinterrad nicht zu nahe kommt. YT Industries, www.yt-industries.com Carbon/S,M,L,XL 4 499 Euro/12,1 kg Vertrieb Everyday26 www.everyday26.de Alu/S,M,L,XL 4 999 €/13,5 kg Material/Größen Preis/Gewicht ohne Pedale MESSDATEN MESSDATEN Federweg vorne/hinten Hinterbausystem 140 mm/140 mm Viergelenker Federweg vorne/hinten Hinterbausystem AUSSTATTUNG AUSSTATTUNG Gabel/Dämpfer Fox Float /Fox Float DPS Kurbeln/Schaltung Race Face Next SL/SRAM XO1 Bremsanlage SRAM Guide Ultimate Laufräder DT Swiss XMC 1200 29 Systemlaufradsatz Reifen Onza Ibex 29x2,4 FRC Gabel/Dämpfer 160 mm/140 mm KS Link 1154 433 PERFORMANCE 54 | FREERIDE 3|16 595 67° 74,1° 335 115 440 Reach 422 mm Stack 602 mm BB-Drop -17 mm 74,5° Trailbike oder doch eher Enduro? Aus dem Banshee wurden wir nicht richtig schlau. Im Gegensatz zum Jeffsy hat der Hersteller keine Einwände bei Bikepark-Einsätzen. Man merkt, die neue Kategorie „Aggressive Trailriding“ wird ganz unterschiedlich interpretiert. 50 95 440 ELL DU SI E G E R 601 Fazit: Unser Sieger heißt YT Jeffsy. So stellen wir uns ein Trailbike für Freerider vor. Es ist leicht, spritzig und will spielen. Das Spitfire dagegen flitzt lieber schnell bergab. Es leidet unter seinem Mehrgewicht und der Ausstattung. Dadurch wird es etwas unhandlich. MRP Stage 160/ Cane Creek Double Barrel Inline Kurbeln/Schaltung Race Face Next SL/SRAM X01 Bremsanlage SRAM Guide RS Laufräder Spank Oozy 295 Trail Systemlaufradsatz Reifen Maxxis High Roller Exo 2,4 50 Reach 427 mm Stack 612 mm BB-Drop -35 mm derte allerdings, dass das Spitfire mit einer dicken 160-Millimeter-Gabel ausgestattet wurde. Sie verwandelt das Bike schon fast in ein Enduro und drückt zudem aufs Gewicht. Überhaupt: Spitfire wiegt 1,4 Kilo mehr als Jeffsy und geht damit bereits mit Nachteil ins Duell. Schade eigentlich. Gerade Trailbikes müssen doch leicht, vortriebsstark und spritzig sein – und da zählt jedes Gramm. Auch das Banshee besitzt einen Flipchip, um die Geo zu verstellen. Lenkwinkel, Sitzwinkel, Kettenstrebenlänge usw. Wir sind die beiden extremsten Einstellungen gefahren. Durch die tiefe Front und den flachen Lenker bekommt man gut Druck aufs Vorderrad. Banshee nennt sein Bike den Downhiller unter den Trailbikes – das spürt man. Es wirkt lang und Manuals klappen wegen der üppigen Kettenstreben nur mit viel Armzug, Bunnyhops werden anstrengend. „Tief und lang“ drückt den Spieltrieb. Kontrahent Jeffsy kommt da unserer Vorstellung eines aggressiven Trailbikes näher. Erst auf den Vollgaspassagen in Kirchberg beginnt das Spitfire richtig Feuer zu spucken. Es liegt gut im Trail und erzeugt mit seinem flachen Lenkwinkel viel Laufruhe, unterstützt durch die komfortable MRPGabel. Nur der Double Barrel Inline-Dämpfer bleibt überraschend leblos, obwohl wir ihn eher schnell eingestellt hatten. Unser Konzeptvergleich: große Laufräder gegen kleine Laufräder wurde durch das ungleiche Gewicht und die Enduro-Gabel des Banshee torpediert. Da muss ein zweiter Versuch her. 1168 441 66,1° 330 PERFORMANCE TRAIL TRAIL DOWNHILL DOWNHILL Performance: Die Performance-Punkte beziehen sich ausschließlich auf das jeweilige Duell. Sie sind nicht mit anderen Duellen vergleichbar. FREERIDE 3|16 | 55 Reifen im Grenzbereich: Erde staubt, Traktion geht flöten, die Stollen greifen ins Leere – der Biker verliert die Kontrolle. Das Horror-Szenario eines jeden Bikers. Foto: Ale di Lullo > REIFEN 1. WAS BRINGEN REIFEN-KOMBIS? Vorder- und Hinterrad erfüllen unterschiedliche Funktionen. Vorne will ich vor allem bremsen können, dafür brauche ich Grip und Traktion. Folglich eine weichere Gummimischung und stärkeres Profil. Der Hinterreifen soll gut rollen, deshalb darf das Gummi härter sein, auch das Profil kann zahmer ausfallen. Für den Downhill-Einsatz allerdings erfüllt das Hinterrad auch Bremsfunktion, daher werden hier oft die gleichen Reifen vorne wie hinten eingesetzt. 2. WIE WICHTIG IST DIE KARKASSE? Die Karkasse ist das Skelett des Reifen. Sie sollte so stabil wie nötig sein und so flexibel wie möglich. Flexibel, um sich den Unebenheiten des Geländes gut anzupassen, doch so stabil, dass ich nicht ständig Pannen habe. Downhillreifen besitzen eine mehrlagige Karkasse, das bringt Durchschlagsicherheit und eine bessere Dämpfung. 3. TUBELESS: VOR- UND NACHTEILE? Tubeless ist pannensicherer, drückt das Gewicht, verbessert den Rollwiderstand, lässt einen geringeren Reifendruck zu und liefert somit mehr Traktion und Komfort. Nachteile sind eine aufwändigere Montage, Burping bei größeren Seitenkräften, ein höherer Preis und von Zeit zu Zeit entweichende Luft. Zudem sind spezielle Tubeless-Felgen notwendig. Kurz: Tubeless bringt mehr Vor- als Nachteile. Übrigens: Die Dichtmilch ist nicht giftig oder umweltschädlich. 4. WANN IST EIN REIFEN ABGEFAHREN? Eine Faustregel gibt es hierfür nicht. Wenn die Kanten der Stollen rund sind, greifen Rennfahrer schon zu neuen Reifen. Hobby-Biker können die Stollen theoretisch ganz runterfahren. Doch je geringer die Stollenhöhe, desto schlechter verzahnt sich der Reifen mit dem Untergrund. Das Profil ist beim Vorderreifen von größerer Bedeutung als beim Hinterreifen. Reifen mit softer Gummimischung liefern zwar viel Grip, fahren sich aber viel schneller ab als härtere Mischungen. ALLES ÜBER REIFEN Gib Gummi Der Reifen ist das einzige und zugleich wichtigste Verbindungsstück zwischen Biker und Untergrund. Experten wissen: Reifen-Tuning ist am effektivsten. Mit der richtigen Reifenwahl kann man am meisten Leistung aus seinem Bike kitzeln. Wir beantworten die wichtigsten Fragen. 68 | FREERIDE 3|16 Reifenaufbau Karkasse: Die meisten Reifen besitzen eine Einfachkarkasse. Downhill-Reifen bieten mehrere Karkassenlagen und damit eine größere Knautschzone. Folge: mehr Dämpfung und Pannenschutz, aber auch mehr Gewicht. 5. BRAUCHE ICH MATSCHREIFEN? Rennfahrer schwören bei schlammigem, tiefen Untergrund auf Matschreifen, denn die bringen mit ihren langen Stollen merkliche Vorteile. Für Hobby-Freerider sind spezielle Schlammreifen – und damit ein zusätzlicher Laufradsatz – eine eher überflüssige Investition. Sie sollten darauf achten, dass ihr Reifen gute Allround-Fähigkeiten besitzt und unter den unterschiedlichsten Bedingungen gut funktioniert. 6. WIE RECYCELT MAN REIFEN? Für Fahrradschläuche gibt es eine gute Recycling-Kette: Bikehändler nehmen defekte Schläuche zurück und die werden beim Hersteller zu 100 Prozent wiederverwendet. Alte Reifenmäntel dagegen landen oft im Hausmüll oder auf dem Wertstoffhof – je nach BundeslandRegelung. Momentan gibt es noch kein effektives Recycling-System für Reifen. Da Reifen einen hohen Brennwert besitzen, werden sie in Müllverbrennungsanlagen verbrannt. 7. HAT EIN REIFEN EIN VERFALLSDATUM? Ja! Reifen verhärten oder werden spröde. Je mehr sie der Witterung ausgesetzt sind, desto schneller altert das Gummi. Dafür ist besonders Ozon verantwortlich. Ist der Reifen neu und wird gut gelagert (dunkel, trocken, möglichst luftdicht, etwa in einer Plastiktüte) übersteht er locker 5 Jahre, ohne dabei an Leistung einzubüßen, 8. IST REIFENCUTTING NUR FÜR RACER? Reifen-Cutting kommt aus dem Rennsport. Mit viel Erfahrung tunen hier Spezialisten die Stollen, um dem Reifen eine spezielle Charakteristik zu geben. So werden bei Mud-Reifen die Mittelstollen gekürzt, um den Rollwiderstand zu verbessern. Oder Stollen werden für mehr Kurvengrip ganz entfernt. Reifen-Cutting ist eine Wissenschaft für sich mit einem gewissen „Placebo“-Effekt. Wer keine Rennen fährt, sollte die Finger davon lassen. Stollen: Seitenstollen geben Kurvenhalt, Mittelstollen garantieren gutes Rollen und Bremsverhalten. Ein großer Stollenabstand unterstützt die Selbstreinigung. Gummimischung: Die Hersteller setzen unterschiedliche Gummihärten ein. Eine weiche Gummimischung erhöht die Traktion. Nachteil: mehr Rollwiderstand und schnellere Abnutzung. Seitenwand: Dieser besonders gefährdete Bereich fällt bei Faltreifen dünn aus, daher bieten sie für kompromisslose BikeparkMissionen meist nicht genügend Pannenschutz. FREERIDE 3|16 | 69 > FAHRTECHNIK LINIENWAHL 3 Nimm die krasse Linie! 2 1 Freeride-Spirit Freeriden heißt: Mit dem Gelände spielen und neue spannende Lines fahren. Ich scanne auf meinem TrailRitt ständig die Umgebung. Ist da ein Felsen, über den ich springen kann? Liegt da eine Steinplatte, die mich in die Luft schanzt? Oder ein Abbruch wie hier auf dem Foto? Die Sensation ist groß und die Technik einfach (entschlossen sein, Gewicht anfangs nach hinten verlagern, dann eine kompakte, zentrale Position einnehmen). Foto-Tipp: Mit Weitwinkel von unten fotografiert, sieht so eine Steilabfahrt spektakulär aus. Aufprall abfedern. Gewicht zentral. Rad nach vorne schieben. Vorderrad entlasten. Vorspannen. FLIEGEN, WO ANDERE RUMGURKEN Der Blitzdrop Suche die Herausforderung! Mich beeindrucken Biker, die auf dem Trail blitzschnell entscheiden und die MännerLinie wählen. Auch das ist eine Style-Frage. Wie hier: Entweder du rumpelst umständlich durch die Kehre oder du dropst über die Felsplatte und schneidest damit die Kurve ab. Situationen wie diese hier gibt es überall auf Naturtrails. Erkennen & entscheiden Die Technik des Blitzdroppens ist einfacher als das sekundenschnelle Einschätzen der Situation. Denn das erfordert Erfahrung. Hier fahre ich in einen Turn und sehe zwei Möglichkeiten: Entweder ich fahre die hakelige Kurve aus oder ich droppe über die Felsplatte. Gegen den Drop spricht die ruppige Mini-Landung. Die muss ich genau treffen! 1 Vorderrad entlasten Das entscheidende Prinzip des Blitzdrops besteht darin, das Vorderrad zu entlasten. Denn sackt das Vorderrad ab, purzele ich über den Lenker. Ich bringe also meine Gabel auf Vorspannung durch eine angedeutete Liegestütze über dem Lenker. 2 Dann drücke ich mich über den Vorderreifen ab und schiebe Fototipps für mehr Style die Front nach vorne. So klappt das Vorderrad nicht nach unten, sondern bleibt auf gleicher Höhe, während das Hinterrad nachrollt. Landung 3 In der Luft ziehe ich meinen Körper wieder zentral übers Rad, um den Landungsaufprall besser und kontrollierter abzufedern. Ideal ist eine Landung auf beiden Rädern. Tipp: Die Technik ist einfach und lässt sich gut am Bordstein oder kleinen Mauern lernen. Fleißiges Üben erzeugt Selbstvertrauen, so dass du dich auch in verblockten Trails für den Drop entscheiden kannst. von Freeride-Profi Richie Schley, Team Rotwild 1. Kontrolliere dein Gesicht Aufgerissene Schreck-Augen und ein Fratzenmund, als stünde ein Grizzly vor dir? Entgleiste Gesichtszüge ruinieren das beste Actionbild. Also bitte kein Panik-Face! Lass auch die Zunge im Mund und mach ein freundlich-dynamisches Gesicht. 2. Wähle Leuchtfarben Helm schwarz, Klamotten schwarz, Brille schwarz: Was jetzt gerade Mode ist, wirkt auf dem leider Foto fad – außer du heißt Andreu Lacondeguy und machst das mit Action wett. Mein Tipp: Wähle eine kräftige Farbe, so hebst du dich gut vom Gelände ab. 3. Übertreibe Verstärke alle Bewegungen: Klappe die Ellbogen breit auseinander, ducke dich übers Rad, pumpe mit Schwung durchs Steinfeld. Kurzum: lieber mehr Aktion als zu wenig! 4. Vermeide Style-Patzer Lange Plastik-Beinschienen mögen zweckmäßig sein, doch auf dem Foto sehen diese Ritterrüstungen unbeholfen aus. Uncool finde ich auch: Fullface-Helme mit Sonnenbrille, Halbschalen mit Goggles, Skinnie-Jeans auf dem Mountainbike, Dirthelme auf Trailrides. 5. Kenne das Gelände Neue Tricks über unbekannte Sprünge – das kann nur schief gehen. Such’ dir Locations, die du kennst und wo dich wohlfühlst, denn das wird man auch auf dem Foto spüren. 112 | FREERIDE 3|16 FREERIDE 3|16 | 113 > REPORT Meldet sich zurück: Kirill Benderoni (28) wünscht sich eine zweite Chance bei der Red Bull Rampage. Seine Youtube-Clips machten die Szene auf den russischen-Freerider Kirill Benderoni aufmerksam. 2013 schien eine Karriere als Freeride-Profi schon greifbar: Kirill wurde zur Rampage eingeladen. Doch Benderoni verweigerte die Quali und verfiel in Selbstzweifel. Drei Jahre später scheint das Trauma überwunden. Wir besuchten Benderoni in Moskau. Text: Laurin Lehner Fotos: Lars Scharl 120 | FREERIDE 3|16 FREERIDE 3|16 | 121