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> TEST
FREERIDE 3/12
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„Another one bites the dust“: Tester
Laurin Lehner versenkt sich und das
Trek „Session 9.9“ im Staub von Portes
du Soleil.Nichts passiert, aber um eine
Erfahrung reicher: Edelbikes fahren
auch nicht von selbst.
Für 8500 Euro bekommt man so einiges
heutzutage. Einen nagelneuen Kleinwagen zum Beispiel. Oder ein „Aroundthe-world“-Ticket. Oder ein Fahrrad. Ja,
richtig gehört. Wir haben mal bewusst
den Vernunftsfilter ausgeschaltet und vier
der edelsten Downhiller aus den USA angefragt, die es aktuell zu kaufen gibt. Ein
sehr exklusiver Vergleichstest.
TEXT Christian Schleker FOTOS Wolfgang Watzke
Eigentlich tut man sich mit so einem Edelbike einiges an: Neid
und Missgunst in der Liftschlange zum Beispiel. Oder hämische
Blicke und Kopfschütteln, wenn man nicht mit Lichtgeschwindigkeit durch jede noch so fiese Felswüste ballert. Das Bike, das man
unterm Hintern hat, ist schließlich das Beste vom Besten. Dann
sollte man bitte selber auch so sein, sonst ist man ein neureicher
Poser. Oder ein Bling-Bling-Fuzzie. Oder Schlimmeres.
Gaaanz ruhig.
Bei Preisen, die an der 8000er-Grenze kratzen, oder diese sogar
überschreiten, kochen Emotionen hoch. Auch bei uns. Einige
hitzige Redaktionskonferenzen gingen der Testfeldbestellung
voraus. Warum sollten wir solche Wahnsinnsräder überhaupt
testen? Was gibt’s an superedlen Topausstattungen schon zu
mäkeln? Wer kann sich sowas denn leisten? Tja, wer? Theoretisch nur ganz wenige, trotzdem sieht man in Bikeparks eine
Menge von diesen Geschossen. Alles Lotteriegewinne? Wohl
kaum. Aber wer es sich leisten kann, oder will, darf sein Geld
unserer Meinung nach gerne für solche Edelprodukte ausgeben.
Selbst wenn er fährt wie Oma Kasupcke. Besser, als es für Autos
hinzublättern. Oder für Uhren. Pfff, Uhren... Wo war ich? Ach ja:
Jedenfalls haben wir unsere Skrupel über Bord geworfen und vier
Räder im Gesamtwert von 29 498 Euro bestellt. Mit dem Intense >
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> TEST
MEGATEST
Exotenstatus: Das „M9“ allein ist schon
kein alltäglicher Anblick. Aber mit einer
Manitou „Dorado“ vorne drin wird’s
eine echte Rarität.
„M9 Pro“ und dem Turner „DHR“ treten zwei Alubikes aus amerikanischen
Kultschmieden gegen das GT „Fury WC“ und das Trek „Session 9.9“ an.
Alu gegen Carbon also. Zwei gepimpte Einzelstücke gegen zwei Groß­
serienbikes. Dass das preislich heute keinen Unterschied mehr macht, ist
schon verrückt. 8500 Euro kostet das Turner, 8000 das Trek.
Erbsen zählen.
Klar ist: Bei solchen Preisen darf man kein Auge zudrücken, nichts in Kauf
nehmen, nichts ertragen. Für so viel Geld wollen wir, wollt ihr, Perfektion.
Eine 10-Punkte-Wertung kriegt hier nur, wer sich nicht das Geringste
zuschulden kommen lässt und keine Schwächen zeigt. Bike-Darwinismus.
Bleibt die Frage: Gibt’s die gleiche Fahrleistungen nicht schon für ein
Drittel des Geldes? Schließlich hatten wir im letzten Big-Bike-Test auch
ein paar 10er-Wertungen. Klare Antwort: Die Topbikes unter 4000 Euro
können gegen diese vier Edelbikes bestehen. Ein guter Fahrer ist mit der
günstigeren Variante natürlich immer noch schneller unterwegs als der
Anfänger mit dem Carbon-Edelrenner. Aber es geht eben nicht immer nur
um die Funktion. Ab einem gewissen Punkt erkauft man sich mit mehr
Geld eben auch Emotionen. Stolz. Glücksgefühle. Und die fahren dann mit
den Berg runter. Mal schneller, mal langsamer. Sollen die anderen doch
denken, was sie wollen.
Fazit
Serienbike aus Fernost oder handgefertigter Kultrahmen – in diesem
Test kostet beides gleich viel. Die Großserienhersteller setzten für das
Geld aufwändige Carbonrahmen auf die Räder. Die kleinen Firmen
schweißten klassisches Alu. Ausgereifte Produkte haben alle vier am
Start. Ob sie ihr Geld wert sind, muss letztlich jeder für sich entscheiden.
Die Frage: Versender-Big-Bike oder US-Edel-Downhiller?
stephan kappl (49)
Kathi Kuypers (22)
Downhill-Fan und Bikepark-Checker
TREK Gravitygirl-Kandidatin
„Mich schert Image nicht die Bohne.
Ob da GT, Rose, Turner oder YT draufsteht, ist wurscht. Zudem ist vieles
nur Marketing-Blabla. Ich falle auf den
PR-Quatsch nicht rein. Für mich zählt
Performance und vor allem Preis/Leistung. Deswegen
fahre ich ein Versender-Bike. Das Gefühl auf dem Trail
entscheidet und was ich für mein Geld kriege, nicht das
Logo. Da ziehen die Ami-Edelboliden den Kürzeren.“
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„Ein Versender-Bike kommt für mich
nicht in Frage. Das ist wie Wanddekoration von IKEA – Massenware. Ich stehe auf amerikanische Downhiller. Da
schwingt ein ganz anderer Spirit mit
und ein Image, das sich über Jahre etabliert hat. Zudem
fühle ich mich durch meinen Bikeshop gut betreut. Ist
mein US-Big-Bike in Reparatur, kriege ich ein Ersatzrad
gestellt. Cool, oder?!“
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> TEST
Stealthbomber
Carbonbomber: Das GT ist das Gegenteil
von dezent. Der auffällige Rahmen mit
hohem Schwingendrehpunkt und entkoppeltem Tretlager wirkt hochbeinig und
massiv, fährt sich aber sehr ausgewogen.
GT>Fury Carbon WorldCup
herstellerangaben vertrieb Cycling Sports Group Tel. 0041/614879380
www.gtbicycles.com
material/grössen Carbon/S,M (getestet),L
preis/Gewicht ohne Pedale 6 199 Euro/17 kg
Kaum hatten die Atherton-Geschwister bei GT den Vertrag für 2012 unterschrieben, da ploppten im Worldwideweb
Promofilmchen ihrer fahrbaren Untersätze auf. Und obwohl das „Fury“ nicht neu ist, war es mit einem Mal wieder
im Gespräch. Gutes Marketing! Unabhängig davon stand das Vollcarbon-Downhillbike aber schon länger auf unserer
Testwunschliste. Ehrlich! Der „iDrive“-Rahmen gehört zur ersten Generation der Carbonbikes, die in Sachen Gewicht die
Möglichkeiten des Werkstoffs noch nicht ausgereizt haben. 17 Kilo sind, gemessen an den sehr leichten Parts, wirklich nicht
beeindruckend. Neben „X0“-Carbonkurbeln, Formula „Oval“-Bremsen, SDG „I-Beam“-Carbonstütze und und Easton „Havoc“Systemlaufrädern arbeiten die Top-Federelemte von Fox an Front und Heck. Die Geometriedaten sind relativ unspektakulär:
Fast 64 Grad Lenkwinkel (trotz CaneCreek „AngleSet“ auf 1-Grad-Einstellung) sind heutzutage fast schon steil. So sehen das
übrigens auch die Athertons und verbauen einen kürzeren Dämpfer und Offset-Buchsen, um Lenkwinkel
und Tretlager flacher zu bekommen. Die restlichen Daten: 440 Millimeter Hinterbau, 355 Millimeter
hohes Tretlager. Der Reach-Wert ist mit 375 Millimetern am kürzesten, der Stack-Wert mit 602
am höchsten in dieser Gruppe. Ein bisschen oldschool also. Gabel und Dämpfer kamen gut
abgestimmt zu uns. Es brauchte nur etwas weniger Federvorspannung hinten und etwas
mehr Lowspeed-Druckstufe vorne, dann konnten wir das wuchtige Teil zum Lift schieben.
Beim ersten Aufsitzen wirkt das „ Fury Worldcup“ stimmig. Die hohe Front beschert eine
entspannt-sichere Fahrposition. Im Gelände reagiert der Hinterbau dank des hohen
Schwingendrehpunktes gut auf große Schläge von vorne. Das Bike wird in wurzeligen
Passagen so kaum gebremst. Die Gabel ist im Vergleich zur Luft-Titan-„40“ im Trek
oder der „Dorado“ im Intense nicht wirklich feinfühlig unterwegs, liefert aber gutes
Feedback und arbeitet harmonisch mit dem Heck zusammen. Vom Handling waren wir
angenehm überrascht. Das Bike liegt sehr ruhig und satt auf dem Trail, reagiert aber
schnell und direkt auf Lenkimpulse und Gewichtsverlagerungen. In schnell gefahrenen
Anliegern muss man aktiv Druck aufs Vorderrad geben, um die hohe Front auszugleichen.
Die „Ellenbogen-raus-Brust-zum-Lenker“-Technik funktioniert sehr gut. So zieht das GT
sicher durch weite und enge Kehren und beschleunigt auch sehr gut heraus. Hier kommen das
antriebsneutrale Hinterbausystem und der steife Rahmen positiv zum Tragen. Die Bremsen haben
einen relativ harten Druckpunkt, verzögern aber standfest und bissig. Einziger echter Kritikpunkt: Aus
dem Steuerrohrbereich war immer mal wieder ein lautes Klacken zu hören. Wir hatten zuerst die Druckstufe
der Gabel in Verdacht. Tatsächlich produzierte aber wohl das CaneCreek „AngleSet“ im Carbonrohr die Geräusche.
Fazit: Das GT „Fury WC“ ist zwar schon ein paar Jahre auf dem Markt, aber noch lange nicht außer Form. Die höhere
Front gibt ein sicheres Fahrgefühl und der Hinterbau funktioniert sehr gut, speziell in verblocktem Gelände. Keine
Downhill-Flunder, dafür überraschend agil und handlich. Der Rahmen ist steif. Gewichtsmäßig keine Offenbarung.
Bling-Bling: Hochglänzendes Sichtcarbon und Chromlack
machen das sowieso schon auffällige Bike zum echten Paradiesvogel. Ärgerlich: Genau wie beim Trek knarzt auch beim
GT das CaneCreek „AngleSet“ beim Anbremsen.
Schon oft gezeigt, aber immer noch mit hohem Schauwert: das
„iDrive“-System der Amerikaner. Der hohe Drehpunkt reagiert
sehr angenehm in verblocktem Gelände, ohne unter Pedalrückschlag zu leiden. Im Antritt ist der Hinterbau ruhig.
messdaten Reach / Stack lenk-/sitzrohrwinkel oberrohr-/Hinterbaulänge
radstand/tretlagerhöhe federweg vo./hi. hinterbausystem
375 mm/602 mm
63,8°/69,4°
608 mm/440 mm
1 172 mm/355 mm
203 mm/210 mm
I-Drive
ausstattung Fox 40 RC2 Fit/Fox DHX RC4
Truvativ XO/SRAM XO
Formula Oval
Easton Havoc Systemlaufradsatz,
Maxxis Minion DH F 2,5-Reifen
gabel/dämpfer
kurbeln/Schaltung bremsanlage laufräder Freeride-Performance
DH Highspeed Dh technisch BikePark
9,5
Freeride
straff
komfortabel
Handling, Hinterbau, Stabilität
knarzendes Steuerlager
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10
Freeride
FREERIDE RANKING: maximal 10 Punkte.
Rennfeile: Schlanke 15,7 Kilo Gewicht
bringt das „Session“ mit Carbonrahmen
gerade mal auf die Waage. Das Handling
des sowieso schon verspielten Bikes
wird dadurch nochmal dynamischer.
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> TEST
Fräsmaschine
Schrauberparadies: Am Intense
lässt sich so ziemlich alles einstellen: Lenkwinkel, Hinterbaukennlinie,
Federweg, Radstand, Tretlagerhöhe.
Wir waren ganz dankbar, dass das
gelieferte Set-up funktioniert hat.
Wir fahren lieber...
Schweißraupen. Überall Schweißraupen. Lang. Gleichmäßig. Schön. Klar, mittlwerweile baut auch die Kultschmiede von Jeff
Steber Carbonbikes. Aber das „M9“ ist noch ganz klassisch Intense: Alu, gebürstet, von Hand geschweißt. Der Rahmen wirkt auf
lässige Art roh und gleichzeitig edel. Riesige Wippen halten den VPP-Hinterbau am Hauptrahmen. Geschraubte Ausfallenden,
CaneCreek „AngleSet“, variable Dämpferaufnahme inklusive Progressionsverstellung. Auf dem „M9“ steht groß: „Schraub an
mir rum!“ Der deutsche Importeur Shocker-Distribution hat das 16,9-Kilo-Bike standesgemäß aufgebaut. Vorneweg die seltene
Manitou „Dorado Pro“-Luftgabel. Passend dazu steckt hinten der gehypte CaneCreek „Double Barrel“-Stahlfederdämpfer. Die
Kombi allein hat schon genug Abstimmungsmöglichkeiten, um den ganzen Sommer im Bastelkeller zu verbringen. Mit SRAMs
„X0 DH“-Schaltung, Chromag-Lenkzentrale, Avid „Code“-Bremsen und Notubes „Flow“-Systemlaufrädern bleiben keine Wünsche
offen. Für den Preis auch besser so. Zum Glück hat auch hier der Importeur einen guten Job gemacht und das Bike
eingefahren und mit gutem Grund-Set-up (63er-Lenkwinkel, mittlere Progression, mittlerer Hub und tiefes
Tretlager) zu uns geschickt. Allein die Gabel war deutlich zu straff abgestimmt und musste ein paar PSI
entweichen lassen, bevor wir damit die erste Abfahrt in Angriff nahmen. Das „M9“ ist lang (Reach:
399 Millimeter) und liegt sofort wie ein Brett auf dem Waldboden. Hinterbau und Gabel arbeiten
satt und harmonisch – eine Komfortschleuder! Besonders gespannt waren wir auf die Gabel,
über die man in Foren so ziemlich alles lesen kann, von „unfahrbare Gummikuh“ bis „beste
Forke der Welt“. Wir fanden sie überraschend unauffällig, aber sehr gut. Sensibel wie die Fox
„40 Hybrid Air“ im Trek schluckt sie klaglos alle Brocken weg. Die TPC-Druckstufendämpfung
arbeitet effektiv, verhärtet auch bei Highspeed nicht und sorgt so für 1A-Bodenkontakt. In
diesem Set-up blieb aber etwas die Verspieltheit auf der Strecke. Sprungversuche konterte das
softe Fahrwerk teilweise aus. Dafür zog es wie auf Schienen durch Anlieger. Aber das „M9“ ist
variabel. Mit kürzerem Federweg hinten (215 Millimeter) und 10 PSI mehr Druck in der Gabel
bekommt das Bike einen verspielteren Charakter. Nicht so lebendig wie GT oder Trek, aber doch
schon so agil, dass es auch im Bikepark Laune macht. Aber da sind ja noch das „AngleSet“, die
Progressionsverstellung und die einstellbare Tretlagerhöhe... und am Dämpfer hatten wir noch gar
nichts verändert. Ein Fass ohne Boden – positiv gemeint. Die Ausstattung hat tadellos funktioniert,
nur die Kette klapperte sehr laut an den Hinterbaumittelstreben.
Fazit: Das Intense „M9“ ist offensichtlich aus gutem Grund im Worldcup beliebt. Das Chassis ist enorm
variabel. Das Gewicht ist okay, das Fahrwerk ein Komfortwunder. So richtig verspielt wird das Intense zwar auch mit
diversen Fahrwerksveränderungen nicht, aber dafür nimmt es auch richtig üblen Strecken den Schrecken. We like.
Intense >M9 Pro
herstellerangaben vertrieb Shocker Distribution, Tel. 09441/179882
www.shocker-distribution.de
material/grössen Alu/S, M (getestet), L
preis/gewicht 6 800 Euro/17 kg
messdaten Reach/Stack lenk-/sitzrohrwinkel oberrohr-/Hinterbaulänge radstand/tretlagerhöhe federweg vo./hi. hinterbausystem
o
399 mm/593 mm
63°/71,3°
599 mm/444 mm
1 215 mm/355 mm
180-203 mm/216-223-234 mm
VPP
ausstattung gabel/dämpfer Manitou Dorado Pro/CaneCreek Double Barrel
kurbeln/Schaltung Truvativ XO/SRAM XO
bremsanlage Avid Code
laufräder Stans 3.30 HD Naben, No Tubes ZTR Flow Felgen,
Schwalbe Muddy Mary Trailstar 2,35-Reifen
Freeride-Performance
DH Highspeed Dh technisch BikePark
9,5
Freeride
straff
komfortabel
variabler Rahmen, Ausstattung, Fahrstabilität
etwas laut
Dämpferhöhle: Tief unten im „M9 Pro“-Rahmen liegt der
CaneCreek „Double Barrel“ und wartet auf Dreckbeschuss.
Ein Stück Schlauch macht an dieser Stelle echt Sinn.
MX-Gabel: Die Manitou „Dorado“ war zum ersten Mal in einem
Testfeld vertreten. Wir haben schon viel Schlechtes über das
Ding gehört: zu weich, zu schwer, zu wartungsintensiv. Nichts
davon hat sich bestätigt.
FREERIDE
FREERIDE 4/09
4/08
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10
Freeride
FREERIDE RANKING: maximal 10 Punkte.
Flach, flacher, Turner: Mit einem 62erLenkwinkel und einem 340er-Tretlager
gewinnt das „DHR“ den Lowrider-Pokal.
Auch preislich schießt es den Vogel
ab – 8500€!
FREERIDE 3/12
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> TEST
Kohlenstoff: Das GT „Fury Carbon
Worldcup“ ist trotz Vollkunststoffrahmen kein Leichtgewicht. Dafür ist es im
Vergleich zu den anderen Edelracern
fast ein Schnäppchen. Fast.
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Tiefstapler
Noch so eine Schweißerlegende: David Turner. Seine Räder haben auch deshalb Kultstatus, weil früher andere Firmen
(Mongoose) umgelabelte Turner-Rahmen für ihr Team nutzten. Muss also gut gewesen sein. Die Dinger waren über
Jahre als klassische Viergelenker mit großer Wippe am durchgehenden Sitzrohr konstruiert. Doch für das „DHR“
warf Turner alles über den Haufen. Das von Dave Weagle entwickelte „DW“-Link ziert diesen Rahmen – eine Variante des
VPP-Hinterbausystems mit ähnlichen Zielvorgaben: straff und neutral im Antritt und mit nach hinten oben verlaufender
Raderhebungskurve zu Beginn des Hubs. Optisch ist das Turner ein Gegenentwurf zum Intense. Die Schweißnähte sind
auch hier wunderschön, aber viel dezenter gesetzt. Die Optik ist eher filigran, sieht man mal vom massiven Frästeil ab,
das im Tretlagerbereich den Dämpfer und die beiden Wippen beherbergt. Masse ins Zentrum lautete die
Devise und das ist gelungen. Das sehr tiefe 340er-Tretlager und der flache Lenkwinkel (62 Grad)
lassen zusätzlich maximale Laufruhe erahnen. Die Ausstattung ist sehr exklusiv: Hope „V2“Bremsen mit Stahlflexleitungen sind in Europa eine Seltenheit. Industrie-Nine-Naben und
eThirteen „Hive“-Kurbeln auch. Eine Sunline-Flatbar senkt die tiefe Front (Stack 384
Millimeter) noch tiefer ab. Eher Standard sind die Federelemente: RockShox „Boxxer
WC“ und Fox „DHX 5.0“. Gewicht: 17 Kilo. Der Preis? Ganz ehrlich, wir sind fast
vom Stuhl gekippt, als wir die 8 vorne gesehen haben. Ein Vernunftkauf kann so
ein Bike nicht sein, so viel steht mal fest. Auf den ersten Metern offenbart das
Turner einen ganz eigenen, extremen Charakter. Enorm laufruhig und sehr tief
im Bike ist man unterwegs. Die Schwerpunktlage und das tiefe Tretlager sorgen
für Tretrollerfeeling. Das „DHR“ lässt sich blitzschnell von einem Anlieger in den
anderen umlegen und wirkt dabei sehr handlich. Die „Boxxer“ arbeitet straffer
und gibt mehr Feedback vom Untergrund als die anderen Gabeln im Test. Das
muss man mögen. Wir mögen es. Der Hinterbau ist im Vergleich enorm sensibel,
arbeitet linear mit angenehm weich einsetzender Endprogression und puffert souverän alles weg. Allerdings kommen sich Sattel und Reifen bei voller Hubausnutzung
in die Quere, wenn man die Stütze nicht mindestens so weit auszieht wie auf dem Bild.
Die Bremsen haben uns etwas enttäuscht. Richtig bissig waren sie auch nach längerer
Einfahrzeit nicht. Eine „Code“ packt da deutlich bissiger zu. Auch die tiefe Front hat nicht
allen gefallen, denn so geht das Bike schwer aufs Hinterrad.
Fazit: Das Turner „DHR“ ist ein Extremist. Die extreme tiefe Schwerpunktlage und die Geometrie vermitteln ein einzigartiges Fahrgefühl. Die Laufruhe ist sehr hoch, die Fahrstabilität ebenso. Für Bikeparktrails
und Freeriding defintiv nicht das richtige Bike. Für „Vollgas-runter-egal-was-kommt“ umso mehr.
Kostenexplosion: Der aufwändig
gefräste DW-Link-Rahmen kostet schon
allein so viel wie anderorts ein ganzes Bike.
Die Verarbeitung ist auf höchstem Nievau –
alles andere wäre aber auch ein Frechheit
bei dem Preis!
Turner >DHR
herstellerangaben vertrieb material/grössen preis/Gewicht ohne Pedale Fooh Stuff Tel. 0031/468200279
www.fooh.eu
Alu/S,M (getestet),L,XL
8 500 Euro/17,1 kg
messdaten Reach / Stack lenk-/sitzrohrwinkel oberrohr-/Hinterbaulänge
radstand/tretlagerhöhe federweg vo./hi.
hinterbausystem
600
mm
384 mm/585 mm
62°/69,5°
500 mm/444 mm
1 190 mm/340 mm
200 mm/215 mm
DW-Link VPP
ausstattung gabel/dämpfer
RockShox Boxxer Worldcup DH/Fox DHX RC4
kurbeln/Schaltung eThirteen/Shimano Saint
bremsanlage Hope V2
laufräder Industry Nine Naben, Velocity Blunt Felgen,
Continental Kaiser 2,5-Reifen
Freeride-Performance
DH Highspeed Dh technisch BikePark
9
Freeride
straff
komfortabel
Geo, Verarbeitung, Hinterbaufunktion
so tief ist Geschmackssache
10
Freeride
FREERIDE RANKING: maximal 10 Punkte.
Lagerkoller: Der DW-Link-Hinterbau arbeitet mit zwei dicht
aneinander liegenden Wippen. Der zentrale Alufräsblock
bringt die Rahmenmasse zu einem großen Teil übers Tretlager
und ist wunderschön gearbeitet.
Fetisch: Die Hope-Bremse passt mit ihrer Fräsoptik perfekt
zum Edelrahmen. Zumindest optisch. Bei der Bremsleistung
hat sie uns etwas enttäuscht.
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> test
Zeitmaschine
Rasen wie Aaron Gwin: Jaaaa, das
Trek „Session“ haben wir gerade
erst im letzten Heft getestet. Aber
wir waren einfach scharf auf den
Carbonrahmen und die exklusive
Fox-Luftgabel.
Plötzlich stand es im Keller und tat so, als wüsste es von nichts. Gwin wer? 8 Sekunden schneller als alle anderen im
Worldcup? Ich? Ja, genau du! Und spätestens beim ehrfürchtigen Anlupfen war der Schuldige zumindest in Ansätzen
enttarnt: Was ist das, ein Enduro? 15,7 Kilo sind für ein Serien-Downhill-Bike schon krass. Wir möchten gar nicht wissen,
wie leicht die aufgebohrte Kiste vom neuen Außerirdischen aus Amerika wirklich ist. Trek liefert mit dem „Session 9.9“
den aktuellen Stand der Carbontechnik. Leicht und renntauglich, hört sich einfach an, ist es aber definitiv nicht, sonst würde es
ja jeder machen. Das Bike ist optisch wie aus einem Guss. Fließende Formen, innenverlegte Züge, klassische Linien. Bis auf die
Kettenstreben alles aus Carbon. Die Geo bemüht auch in der tiefen Einstellung keine Extreme: 63,6er-Lenkwinkel („AngleSet“
neutral), 356er-Tretlager und 400er-Reach (schön lang). Der kashimabeschichtete Fox „DHX 5.0“ entlockt dem Hinterbau mit
überarbeiteter Kinematik jetzt 210 Millimeter Hub. Vorne werkelt eine Fox „40 Hybrid Air“ mit Titanfeder-Luft
Kombi. Dazu gibt’s einen hauseigenen Carbonlenker, Avid X0“-Bremsen, SRAM „X0 DH“-Schaltung und
Systemlaufräder von DT Swiss. Voilà. Großserienherstellertypisch war natürlich nix eingefahren und
eingestellt, aber der Dämpfer ist ein alter Bekannter und der richtige Gabeldruck war auch fix
gefunden. Los geht’s. Aufsitzen, reintreten – und das Teil geht echt nach vorne wie ein Enduro!
Das „Session“ ist ja generell ein spritziges Bike, aber die Diätversion macht das nochmal
spürbarer. Ebenfalls sofort spürbar: das seidenweiche Ansprechverhalten der Gabel. Marzocchimäßig. Dazu arbeitet sie aber wie ein Fox, also direkter, höher im Hub und aktiver.
Passend dazu der Hinterbau mit linearerer Kennlinie und spürbar mehr Komfort als im
letzten Jahr. Das Trek flobbert jetzt auch komfortabel über lange Wurzel-Fels-Passagen.
Gleichzeitig hat es aber nichts von seinem verspielten Charakter verloren. Die Kombination aus totaler Kontrolle, starkem Sicherheitsgefühl und gleichzeitiger extremer
Handlichkeit ist beeindruckend. Weite und enge Anlieger nimmt das „Session“ ohne
großen Aufwand, der Druck auf die Laufräder ist gleichmäßig gut. Aus der Kurve heraus
beschleunigt es so direkt wie keines der anderen Bikes. Dazu besitzt es noch immer den
enormen Popp, der auch einem Parkbike mit deutlich weniger Hub gut zu Gesicht stehen
würde. Theoretisch kann man mit dem Steuersatz (der leider auch im Trek ab und zu hörbar
knarzte) den Lenkwinkel abflachen und in Kombination mit dem Geo-Chip individuell tunen. Uns
hat das Teil aber so, wie es war, gepasst wie ein Handschuh. Der Lenker dürfte drei Zentimeter breiter
sein (750 Millimeter sind auch „Enduro“ heutzutage), ansonsten ist das Ding der Hammer!
Fazit: Das Trek „Session 9.9“ ist eine hochgezüchtete und superleichte Rennmaschine. Aber es ist auch ein
verspieltes, handliches und fehlerverzeihendes Big Bike. Das Fahrwerk arbeitet satt und enorm feinfühlig, die Geo
ist ausgewogen, die Verarbeitung edel. Wir haben nichts gefunden, was des Meckerns würdig wäre. Also lassen wir‘s
und vergeben die 10. Halt, der Preis! Ach, egal.
Trek>Session 9.9
herstellerangaben vertrieb Bikeurope B.V./Trek Deutschland, Tel. 0180/3507010
www.trekbikes.com
material/grössen Carbon/S,M (getestet),L, XL
preis/gewicht ohne pedale 7 999 Euro/15,7 kg
messdaten Reach/Stack lenk-/sitzrohrwinkel oberrohr-/Hinterbaulänge radstand/tretlagerhöhe federweg vo./hi. hinterbausystem
399 mm/583 mm
64,3°/72°
590 mm/436 mm
1 179 mm/360 mm
203 mm/210 mm
Float Link mit ABP Pivot
ausstattung gabel/dämpfer Fox 40 Fit RC2 Hybrid Air/Fox DHX RC4
kurbeln/Schaltung Truvativ XO DH Carbon/SRAM XO
bremsanlage Avid XO
laufräder DT-Swiss 240s Naben, DT-Swiss FR600 Felgen,
Bontrager G4 Team 3,35-Reifen
Freeride-Performance
DH Highspeed Dh technisch BikePark
10
Freeride
straff
Leicht: Fürs Traumgewicht von unter 16 Kilo wurde auch die
Wippe aus Carbon gefertigt. Die Kinematik hat man für mehr
Komfort im mittleren Hubbereich überarbeitet. Nur die Kettenstreben sind aus Alu.
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Leichter: DT Swiss „240“-Naben helfen bei der Gewichtsdiät
und erfreuen mit sonorem Schnarrgeräusch. Fürs ABP-Link
gibt es sie in spezieller 157x12-Millimeter-Einbaubreite.
komfortabel
Gewicht, Fahrwerk, Handling
knarzendes Steuerlager

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