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> TEST
Ride Free: Das Alutech macht im Bikepark genauso viel Spaß wie auf Tour.
Eine Geometrie, die Vertrauen schafft,
kombiniert mit einem Fahrwerk, das
super funktioniert. Besser geht’s nicht.
FREERIDE 3/11
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Kaum war das letzte Heft fertig, landeten vier
spannende Nachzügler in unserem Büro, die
perfekt ins Testfeld gepasst hätten. Voll tourentaugliche, leichte Freerider mit 180 Millimetern
Federweg. Wer zu spät kommt, der muss eben in
den Nachtest und sich außerdem dem Klassenprimus der Kategorie stellen, dem Canyon „Torque“.
Canfield „One“
Cannondale „Claymore 2“
TEXT Christian Schleker FOTOS Michael Pruckner
Der Verkaufsslogan „Ein Bike für alles“ ist ziemlich abgelutscht. Aber die
neue 180er-Enduroklasse schafft den Spagat zwischen Tour und Park wirklich gut. Allein an den Federwegen liegt das nicht. Vielmehr ist die Konsequenz, mit der die Entwickler Geometriekonzepte aus dem Downhill in den
Allroundbereich übertragen, so noch nie da gewesen. In den letzten Jahren
haben sich die Fahrwerke der Downhill-Bikes kontinuierlich abgesenkt und
die Lenkwinkel werden immer flacher. 340 Millimeter Tretlagerhöhe und
Lenkwinkel unter 63 Grad sind dort mittlerweile Standard. Bei Enduros
wagten es bisher nur wenige Hersteller, das Innenlager tiefer als 36 Zentimeter zu setzen. Der Grund: Die Bikes sollen schließlich nicht nur rollend
bergab, sondern auch tretend geradeaus funktionieren und da kann es auf
wurzeligen Passagen schnell passieren, dass man mit dem Pedal aufsetzt.
Also lieber ein bisschen höher war die Devise. Leider.
Tiefer bitte
Norco „Truax Team“
Alutech „Fanes“
Nun steht aus unserer Sicht zum einen nirgendwo geschrieben, dass Steine
und Wurzeln verlässlich nur so hoch aus dem Waldboden ragen, dass man
mit der klassischen Tretlagerhöhe immer drüberkommt, zum anderen
kann man das vorausschauende Treten in verblocktem Gelände genauso
lernen wie das Springen oder das Versetzen des Hinterrades in Kehren. Das
scheinen nun auch die Hersteller einzusehen. Endlich. Das Ergebnis: Die
vier Bikes im Test bieten mehr Federweg als die Park-Enduros der letzten
Jahre und sind gleichzeitig tiefer und flacher gebaut. Den Vogel schießt
dabei definitiv Canfield ab. Das „The One“ kommt mit einem 63,3 Grad
flachen Lenkwinkel und einem 335er-Innenlager daher. Das ist richtig tief,
bedenkt man, dass eine normale 175er-Kurbel verbaut ist und bis zu 200
Millimeter Federweg am Heck möglich sind. Auch Alutech wirft mit dem
„Fanes“ alte Hochrad-Gewohnheiten über Bord und bringt ein modernes
Chassis mit Downhillmaßen auf den Markt: 343 Millimeter Tretlagerhöhe
und 64,7 Grad Lenkwinkel. Das brandneue „Claymore 2“ von Cannondale
und das „Truax Team“ von Norco sind ebenfalls tiefer gelegt, wenn auch
nicht ganz so extrem wie die Bikes der beiden Kleinserienhersteller. Alle
vier geben der Kundschaft die Möglichkeit, sich mit Muskelkraft die Abfahrt
zu erkämpfen. Schaltungen mit breiter Übersetzung hat jedes Bike im
Test. Norco, Cannondale und Alutech setzen zusätzlich auf die absenkbare
Fortsetzung auf Seite 62 >
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> TEST
Gebirgsjäger
Kontrollierter Flex: Der Hinterbau arbeitet super, ist aber nicht der steifste. Das
macht sich positiv bemerkbar – das Bike
ist laufruhig, wenn es ruppig wird. Zu steif
wirkt schnell nervös. Die Front ist im Gegenzug wieder sehr massiv ausgelegt – eine
gute Lenkpräzision ist das Ergebnis.
Alutech >Fanes
herstellerangaben vertrieb Alutech Zweiradtechnik Tel. 04353/998155
www.alutech-bikes.com
material/grössen Alu/S,M (getestet),L
preis/Gewicht ohne Pedale ca. 3800 Euro/14,5 kg
Jürgen Schlender von Alutech hatte uns das „Fanes“ eigentlich zum großen Vergleichstest in Heft zwei zugesagt. Doch es gab
Probleme mit dem Hinterbau: Die Sitzstrebe war der Biegebelastung nicht gewachsen. Letztlich kam das Bike dann mit
einer speziell verstärkten Vorserienstrebe mit aufgeschweißten Blechen. In der Serie werden die Streben oval sein. Der
Rahmen ist ein klassischer Viergelenker. Der Dämpfer sitzt tief im Hauptrahmen, das Oberrohr fällt steil ab. Das Bike
wurde hochwertig aufgebaut: 2x10-Schaltung „X-9“ von Sram, Avid „Code“-Bremsen, Laufräder und die Lenker-VorbauEinheit von Eastons leichter Freeridelinie „Havoc“. Dazu eine RockShox „Reverb“-Stütze, eine minimalistische Kettenführung und
schlauchlose Schwalbe „Fat Albert“-Reifen mit „Notubes“-Milch. Vorne federt die Fox „36 Talas RC2“. Hinten sitzt ein RockShox
„Monarch Plus“-Dämpfer. Jürgen empfahl ein mittleres Zugstufen-Set-up. Damit war der Dämpfer für 75 Kilo schwere Fahrer
aber etwas zu zäh. Erst mit leichtem Zugstufen-Tune arbeitete das Federbein schnell genug. Die Sitzposition ist angenehm:
Die Front ist tief, das Tretlager niedrig und der Lenkwinkel schön flach. Das „Fanes“ fällt im Oberrohr
etwas kürzer aus und passt in Größe M bis maximal 1,78 Meter Fahrergröße. Bergauf gefielen uns
der sehr antriebs- und wippneutrale Hinterbau und das niedrige Gewicht. In Verbindung mit
dem steilen Sitzwinkel und der absenkbaren Gabel ist das Bike am Berg wirklich sehr gut
unterwegs, obwohl der 26-36-Berggang der 2x10-Schaltung schon etwas Kondition
einfordert. Aber erst bergab wird das „Fanes“ zum Ausnahmetalent: Selten hat uns ein
Bike so gut gefallen. Die Fahrposition ist schön tief – man spürt das niedrige Tretlager
speziell in Anliegern und bei schnellen Richtungswechseln. Das Handling ist verspielt.
Die Federung arbeitet unauffällig, aber mit gutem Feedback vom Untergrund. Kein
Wegsacken in Kurven, kein Durchschlagen nach Drops, dazu folgt das Hinterrad dem
Untergrund auch bei hohem Tempo feinfühlig und bietet exzellente Bodenhaftung. Die
Kettenstrebe hat uns in der kürzesten Einstellung am besten gefallen. Der „Fat Albert“
kommt aber hinten recht schnell an seine Traktionsgrenze. Ein „Big Betty“ oder ein
Onza „Ibex“ passen da besser. Die Kennlinie des Hinterbaus ist ideal und animiert zu
aktiver Fahrweise – jede Wurzel wird zur Abschussrampe. Die Fox „36 Talas“ braucht
viel Low-Speed-Druckstufendämpfung, dann ist das Fahrwerk aber sehr ausgewogen und
vermittelt enorm viel Sicherheit. Manuals klappen spielerisch. „Wie das alte ‚SX Trail‘“, befand
ein Tester – so ein Fazit ist in Sachen Fahrspaß bergab quasi der Ritterschlag für jedes Bike.
Fazit: Das Alutech ist in unseren Augen ein großer Wurf. Der Hinterbau gehört zu den besten am Markt und die
moderne, tiefe Geometrie trifft genau unseren Geschmack. Ein Bike für Alpentrails, Freeridetouren, Bikeparkeinsätze
und Vertriding. Sehr variabel dank Radstandsverstellung. Eine eierlegende Wollmilchwild sau!
Variabel 1: Die Wippe bietet drei Aufnahmepunkte für zwei
unterschiedliche Geometrien und zwei Federwege: +/- 1 Grad
Lenkwinkel und 1 Zentimeter Tretlagerhöhe und 160 oder 170
Millimeter Federweg. Die flache Einstellung mit langen Hub ist
aber effektiv die einzige, die man braucht.
Variabel 2: Die Inserts der Ausfallenden lassen sich in Längsrichtung um 1,5 Zentimeter verschieben. Für die unterschiedlichen Achsensysteme auf dem Markt (135x12, 142x12, 135x10,
Rohloff-Getriebenabe) bietet Alutech passende Frästeile.
messdaten Reach / Stack lenk-/sitzrohrwinkel oberrohr-/Hinterbaulänge
radstand/tretlagerhöhe federweg vo./hi. hinterbausystem
395 mm/612 mm
64,7°/74,2°
572,5 mm/426-440 mm
1 154-1168 mm/343 mm
180 mm/170 mm
Viergelenker
ausstattung gabel/dämpfer
Fox 36 Talas RC2 180 FIT/Rockshox Monarch Plus
kurbeln/Schaltung Sram X-9/Sram X-9
bremsanlage Avid Code
laufräder Easton Havoc Systemlaufradsatz,
Schwalbe Fat Albert F+R Tubeless-Reifen
Freeride-Performance
Allround
DH Highspeed Dh technisch Park/Trix
Tour/Trail Bergauf
Spec-Infos:
Reifen mit begrenztem Grip, Kettenführung im Bikepark
überfordert, Lenkerbreite: sehr gut (750 mm).
Handling, Fahrwerk, Hinterbaufunktion, Geo
nix
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10
Freeride
cht 75 Kilo)
: ganz auf und Low-SpeedSet-up-Tipp (Fahrergewi
8 Klicks, High-Speed-Druckstufe
n wir mit 60 psi befüllt, Zugstufe:
Plus“ braucht nur 130 psi
h
Gabel: Die Luftkammer habe
Heck. Dämpfer: Der „Monarc
sie nicht weg und passt gut zum
ganz offener Zugstufe gerade
mit
sie
t
pass
Tune
LowDruckstufe 6 Klicks. So taucht
Im
ist im Medium-Tune überdämpft.
t offen. Bergauf ganz zu.
für 33 Prozent SAG. Die Zugstufe
Speed-Druckstufe halb zu, sons
ab 85 Kilo sinnvoll! Im Park Lower
Fahr
für
erst
ne
M-Tu
ekt.
perf
10
Freeride
FREERIDE RANKING: maximal 10 Punkte.
Das Norco „Truax“ ist im Park sehr gut
aufgehoben. Tolle Hinterbaufunktion und
sehr gutes Handling. Das Gewicht drückt
die Tourentauglichkeit etwas.
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> TEST
Flache flunder
Das „One“ will sein, was sein Name andeutet: das berühmte eine Bike für alles. Um das zu erreichen, muss man
offensichtlich extreme Wege gehen. Denn das Canfield kam mit einem ungewöhnlichen Set-up zu uns: Mit dem 216erDämpfer und dem Flatbar sah es nicht nur seltsam aus, es fuhr auch so. Wir lieben tiefe Tretlager, aber mit nur 320
Millimetern und einem 62 Grad flachen Lenkwinkel konnten sogar wir wenig anfangen. Den Rahmen kann man offiziell
mit zwei Dämpferlängen fahren. In unseren Augen macht aber nur der nachgelieferte 222 Millimeter lange Sinn. Damit und
mit einem Low-Riser-Lenker regulierten sich die Maße auf immer noch extreme, aber weniger absurde Werte. Das Canfield
ist ein VPP-Bike: Zwei Wippen heben den Hinterbau in einer Linie erst leicht nach hinten oben, dann nur noch nach oben an.
Diese Kinematik spricht erfahrungsgemäß gut auf Schläge von vorne an. Die Ausstattung des Bikes war gut
gewählt: Die „Lyrik RC2DH“-Luftgabel und der „Vivid RC2“-Luftdämpfer bilden das Fahrwerk. Die SramKomponenten bei Bremsen und Schaltung und die „Reverb“-Teleskopstütze sorgen für Tourentauglichkeit. Das Gewicht liegt knapp unter 16 Kilo ohne Pedale. Neben der „Hammerschmidt“ hat das noch
einen Grund: Der Rahmen des „One“ ist als stabile Plattform ausgelegt und kann auch als reine
Bikeparkmaschine aufgebaut werden. Entsprechende Stabilitätsreserven waren den Machern
wichtiger als ein paar Gramm Gewicht. Die enormen Lager der Wippen und das 1.5-Steuerrohr passen da sehr gut ins Bild. Trotz der nicht absenkbaren Gabel fährt das Canfield gut
bergauf. Das Oberrohr ist lang und die Front tief. Tief ist sowieso das Leitmotiv des Bikes:
Wegen des niedrigen Innenlagers sitzt man eine Etage niedriger als bei der Konkurrenz. Der
Hinterbau bleibt sehr ruhig und überraschenderweise spürt man beim Einfedern auch keinen
Kettenzug – bei anderen VPP-Konstruktionen ist die „Hammerschmidt“ ein No-Go, das „One“
hat aber keine Probleme mit der Getriebekurbel. Bergab war das Handling erwartet gut:
Das längste Bike im Test läuft enorm ruhig, der Hinterbau arbeitet effektiv und dynamisch.
Wurzelpassagen bremsen das Bike kaum. Die 180-Millimeter-Einstellung fanden wir ideal. Die
Gabel ist bei langsamer Fahrt weniger sensibel als die Fox, bei hohem Tempo funktioniert die
Druckstufendämpfung aber effektiv und harmoniert mit dem Dämpfer. Der Federweg lässt sich
vorne wie hinten gut nutzen und liefert viel Komfort. Bei schnellen Richtungswechseln spürt
man den längeren Hinterbau, aber das Handling bleibt auf der agilen Seite. Das Fahrwerk wirkt steif und die
Hinterbaukennlinie verkraftet auch herbe Einschläge, ohne auf Block zu gehen. Wehmutstropfen: Nach dem Test hatten Gabel
und Vorderradnabe spürbar Spiel.
Edle Optik, schräges Set-up: Der
braungrau eloxierte Rahmen harmoniert schön mit den blauen Teilen.
Der Flatbar kam gleich nach der
ersten Testfahrt runter. Mit Riserbar
und dem 222er-Dämpfer auf dem Bild
passt die Geo.
Fazit: Das „One“ ist ein Bike mit sehr großem Einsatzbereich. Bergauf fährt es gut, bergab überzeugt es mit einem
Top-Fahrwerk und tollem Handling. Der Rahmen ist sehr stabil ausgelegt, die Geometrie aber grenzwertig: Das sehr
tiefe Tretlager verlangt eine vorausschauende Fahrweise, verwöhnt aber mit viel Sicherheit bei hohem Tempo.
Canfield >The One
herstellerangaben vertrieb Canfield Brothers Deutschland, Tel. 09396/993266
www.canfieldbrothers.de
material/grössen Alu/S, M (getestet), L, XL
preis/gewicht ca. 4000 Euro/15,8 kg
cht 75 Kilo)
ed ganz auf. Zugstufe 6 Klicks.
Set-up-Tipp (Fahrergewi
Low-Speed-Druckstufe. High-Spe
cht 55 psi Druck und 7 Klicks
pfer: Mit 130 psi befüllt für
Gabel: Die „Lyrik RC2DH“ brau
hohem Tempo genauso gut. Däm
d-Druckstufe fuhren wir
eine Fox, funktioniert aber bei
Sie arbeitet etwas straffer als
ganz rausgedreht. Die Low-Spee
d-Zugstufe. High-Speed-Zugstufe
.
plett
kom
rweg
Fede
30 Prozent SAG, 1 Klick Low-Spee
den
t
erbau sehr linear und man nutz
mit 4 Klicks. So arbeitet der Hint
messdaten 416 mm/592 mm
63,3°/74,2°
590 mm/442 mm
1 181 mm/335 mm
170 mm/180-200 mm
VPP
Reach/Stack lenk-/sitzrohrwinkel oberrohr-/Hinterbaulänge radstand/tretlagerhöhe federweg vo./hi. hinterbausystem
o
ausstattung gabel/dämpfer RockShox Lyrik RC2DH/RockShox Vivid Air R2C
kurbeln/Schaltung Hammerschmidt AM/Sram X-7
bremsanlage Avid X-0
laufräder Canfield C2 Systemlaufradsatz,
Schwalbe Big Betty Gooey Gluey Reifen
Freeride-Performance
Allround
DH Highspeed Dh technisch Park/Trix
Tour/Trail Bergauf
Spec-Infos:
Gooey-Gluey-Reifenmischung hinten schnell abgefahren, Lenkerbreite: sehr gut (750 mm).
Hinterbaufunktion, Schwerpunkt, Handling
Tretlagerhöhe grenzwertig in Kurven
9,5
Freeride
Massiv 1: Die Lager der beiden Wippen sind sehr groß dimensioniert. Das merkt man – der Hinterbau ist schön steif.
Massiv 2: Reine 1.5-Steuerrohre sterben allmählich aus.
Warum eigentlich? So eine dicke Röhre bietet enorme Stabilität, ist „Angle-Set“-kompatibel und wirkt unzerstörbar.
FREERIDE
FREERIDE 4/09
4/08
FREERIDE 3/11
58
10
Freeride
FREERIDE RANKING: maximal 10 Punkte.
Go big: Das Cannondale „Claymore“
ist in Sachen Federungsfunktion mehr
Enduro denn Freeridebike. Das heißt
aber nicht, dass es für Bikeparks
ungeeignet wäre: Testfahrer Falco
Ruppert im Grenzbereich.
FREERIDE 3/11
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> test
Tourenmonster
Schwarz, breit, stark: Das „Claymore“ ist typisch Cannondale,
viel fetter kann man Rohre kaum
machen. Schön, dass das Teil nur
schwer aussieht – in Wirklichkeit ist
es leicht.
Lange ist es her, dass Cannondale in der Freerideklasse ein gutes Bike am Start hatte. Das „Moto“ war irgendwie misslungen – zu hochbeinig, zu unausgewogen. Mit dem „Claymore“ soll alles anders werden. Die Amis haben sich dafür
den ehemaligen Scott-Entwickler Peter Denk gekrallt. Der hat sein „Mehrfachhub-Pullshock“-Dämpfersystem gleich mal
weiterentwickelt und nun gibt es zwei große Marken mit so einem Verstellhebel am Lenker. Das „Claymore“ ist optisch eine
ziemliche Wuchtbrumme. Eine fettere Steuerrohreinheit haben wir noch nie gesehen. Die Ausstattung ist solide, aber einfach:
Die Gabel ist eine Fox „36 Talas R“ ohne Druckstufenverstellung. Dafür gibt’s beim Dämpfer gleich zwei Zugstufen – eine
für den langen Hub, eine für den kurzen. Die günstigen Avid-Bremsen und die einfache FSA-Kurbel zollen dem aufwändigen
Dämpferkonzept Tribut. Kettenführung und Telekopstütze fehlen. Das Gewicht ist niedrig: 14,3 Kilo. Das Bike besitzt zwei
Aufhängepunkte für die untere Dämpferaufnahme – einmal ist die Geo tief und flach, einmal höher und steil. Wir
wählten erstere und erlebten beim Aufsitzen eine Überraschung: Das Cannondale baut vorne extrem hoch.
Wie aufgebockt. Gegenmaßnahme: den wuchtigen Vorbau umdrehen. Sieht komisch aus, passt aber. So
getunt ging’s zum Testen. Am Berg war das Cannondale sofort der Platzhirsch. Es rollt sehr leicht,
mit abgesenkter Gabel und straffem Federweg geht es super bergauf. Aber auch nur dann, denn
der Sitzwinkel ist real flach und man hängt ohne die Geometrieanpassung weit hinten. Das Heck
verträgt im straffen Modus sogar Wiegetrittsprints. Allerdings wirkt das Rad etwas gedrungen.
Bergab bleibt der Eindruck – der kürzeste Reach-Wert in diesem Vergleich ist stehend deutlich
spürbar. Für Fahrer um die 1,75 Meter passt das aber ganz gut. Den Lowriser-Lenker mussten
wir nach der ersten Abfahrt noch durch einen Flatbar ersetzen, um eine ausgewogene
Fahrposition zu erhalten. Damit sah das Bike zwar etwas verbaut aus, war aber stimmig.
Nicht ganz so stimmig: Die Fahrwerksfunktion. Der Hinterbau spricht zwar feinfühlig an,
auf Wurzelteppichen wird er aber holperig. Das Hinterrad verliert bei hohem Tempo etwas
die Bodenhaftung, weil der Dämpfer die schnellen Schläge nicht so effektiv schlucken kann.
Das Fox-Federbein arbeitet zwar geschmeidiger als das Modell beim direkten Konkurrenten,
dem „Genius LT“ von Scott. Zu den guten Fahrwerken in diesem Test verliert es aber etwas den
Anschluss. Genau wie die Gabel: Die „Talas“-Modelle der „36“ benötigen viel Low-Speed-Druckstufe,
damit sie nicht wegsacken. Bei der einfachen Version im Cannondale ist da nichts einstellbar. Folglich
muss man den Luftdruck erhöhen – der Fahrkomfort leidet. Als langhubiges Tourenbike funktioniert
das Cannondale in unseren Augen sehr gut. Ein leichter Freerider ist es eher nicht.
Fazit: Das „Claymore“ ist im Vergleich zum alten „Moto“ ein deutlicher Schritt nach vorne. Der Schwerpunkt liegt
tiefer. Doch die Front baut zu hoch und der Hinterbau ist nicht ganz so fluffig wie bei der Konkurrenz. Sehr gute
Bergaufeigenschaften. Mehr Tourenenduro denn Freerider.
Set-up-Tipp (Fahrergewicht 75 Kilo)
Gabel: Die „36 Talas R“ befüllten wir mit 5 psi mehr als optimal,
65 psi, um der Wegsacktendenz entgegenzuwirken.
Dadurch wird sie aber auch etwas progressiver. Zugstufe 5
Klicks. Dämpfer: Wir hielten uns an die Angaben des Herstelle
rs,
wählten aber die Drücke für max. 72 Kilo Fahrergewicht – so
war der Hinterbau etwas softer unterwegs, schlug aber trotzdem nicht durch. Große Kammer 19 Bar und 4 Klicks Zugstufe
, kleine Kammer 15 Bar und 5 Klicks.
Cannondale>Claymore 2
herstellerangaben vertrieb Cycling Sports Group, Tel. 0041/614879380
www.cannondale.com
material/grössen Alu/S,M (getestet),L, XL
preis/gewicht ohne pedale 3799 Euro/14,3 kg
messdaten Reach/Stack lenk-/sitzrohrwinkel oberrohr-/Hinterbaulänge radstand/tretlagerhöhe federweg vo./hi. hinterbausystem
366 mm/618 mm
65,5 - 66,6°/71,5 - 72,5°
581 mm/435 mm
1 133-1137 mm/345-358 mm
180 mm/180 mm
abgestützter Eingelenker
ausstattung Fox 36 Talas 180 R/Fox DYAT RT2
FSA Afterburner/Shimano SLX, XT
Avid Elixir CR
Sun Ringlé Charger Pro Systemlaufradsatz,
Schwalbe Fat Albert 2,4 Reifen
Freeride-Performance
Allround
gabel/dämpfer kurbeln/Schaltung bremsanlage laufräder DH Highspeed Dh technisch Park/Trix
Tour/Trail Bergauf
Spec-Infos:
Extrem: Das wuchtigste Steuerrohr der Welt kommt aus
Amerika. Leider sind auch die obere Steuersatzschale und der
Vorbau wuchtig. So kommt die Front sehr hoch und muss erst
„auf tief“ getunt werden, damit das Handling passt.
Irgendwie anders: Der Zweikammerdämpfer wird bei Belastung auseinandergezogen. Separate Zugstufen verhindern Gehoppel im Bergauf-Modus. Ärgerlich: die obere Dämpferbuchse
schlug schnell aus.
Reifen passen zum idealen Einsatzbereich,
keine Teleskopstütze, Lenkerbreite: sehr gut (750 mm).
wendig, Hinterbau bergauf, Gewicht
hohe Front, Hinterbau bergab unsensibel
10
FREERIDE 3/11
60
Freeride
8,5
Freeride
FREERIDE RANKING: maximal 10 Punkte.
Axt im Walde
Als Norco das „Six“ ersatzlos aus dem Programm strich, waren wir enttäuscht. Das Bike war im Endurobereich eines
der besten Räder für Spaß bergab. Bis jetzt gab es keinen rechten Ersatz im Sortiment. Das neue „Truax“ soll das
ändern: 180 Millimeter Federweg, eine moderne Geo und dabei voll tourentauglich – das hörte sich für uns nach
einem möglichen Nachfolger an. Der ferrarirote Viergelenker ist optisch ganz Norco: Die Kanadier quetschen ihre Bikes
stärker als jeder andere Hersteller durch die Ölpresse. Beim „Truax“ sind sämtliche Rohre bis an die optische Schmerzgrenze
verbogen, es wirkt aber mit der aus zwei Teilen verschweißten, geschmiedeten Wippe und dem „X-12“-Hinterachssystem
sehr hochwertig. Norco setzt als einziger Hersteller im Test auf einen Fox „DHX RC2“-Stahlfederdämpfer. Vorne arbeitet die
„36 Talas RC2“. Eastons „Havoc“-Lenker und -Vorbau, sowie die Race Face „Atlas“-Kurbel geben dem Bike eine edle Note.
Die gute eThirteen-Kettenführung hält die Sram „X-9“-Schaltung im Zaum. Die Maxxis „Minion“-Reifen sind
in der etwas schmal ausfallenden 2.35er-Version aufgezogen. Eine Teleskopstütze fehlt, allerdings sind
am Rahmen Zughalter für ein späteres Upgrade bereits verbaut. Gewichtsmäßig liegt das Bike
noch über dem Canfield, was zum Teil natürlich dem schweren Dämpfer geschuldet ist. Auf
den ersten Metern vergisst man das Gewicht aber fast. Das Norco fühlt sich leichter an, als
es ist. Bergauf bleibt der Hinterbau auch ohne Druckstufenverstellung fast vollständig
wippfrei. Der Sitzwinkel ist einen Tick zu flach für richtig guten Vortrieb, doch das
lange Oberrohr sorgt zumindest für eine angenehme Fahrposition. Bergab ist dann
alles eitel Sonnenschein: Das „Truax“ ist verspielt und lässt sich leicht in den Manual
ziehen. Die Lenkerhöhe passt, das Tretlager ist genau richtig. Folge: Der Fahrer steht
tief und ausgewogen im Bike. Der Hinterbau war mit der verbauten 400er-Feder
minimal zu hart für einen 75-Kilo-Piloten. Trotzdem arbeitete der Dämpfer geschmeidig und schnell. Ähnlich dem Alutech zwingt einen das Norco quasi zum Spiel mit dem
Gelände. Kleine Felsen und Wurzeln nutzt man gerne als Rampen für Sprünge und
bei harten Landungen fühlt sich der Hinterbau nach viel Federweg an. Im direkten
Vergleich mit dem „DHX“-Dämpfer spürt man erst, dass die Luftgabel eben doch
nicht ganz so agil ist wie ein Modell mit Stahlfedern. Eine „Van“ würde das Fahrwerk
noch satter machen. Im Gegenzug könnte man mit einem Luftdämpfer die Tourentauglichkeit
noch etwas verbessern. Beides aber nur auf hohem Niveau. Kleines Problem im Testalltag: Die
Verschraubungen des Hinterbaus lösten sich mehrfach – mal waren’s die Dämpferschrauben, mal die Lager
der Wippe. Da muss Loctite-Kleber drauf!
Rote Rakete: Die Farbe des „Truax“ ist
einfach schön. Und auch die Fahreigenschaften fanden wir klasse: Das Handling ist
agil, die Federungsfunktion unaufällig und
gut. Ein Bike für viel Spaß bergab – ein würdiger Nachfolger des „Six“.
Fazit: Das Norco hat uns richtig gut gefallen. Das Handling ist bergab so, wie man es sich wünscht:
agil, spritzig und trotzdem sicher. Bergauf wegen des Gewichts und des etwas flacheren
Sitzwinkels nicht ganz so fix, aber da kann man noch tunen.
oniert.
t 75 Kilo)
dem etwas zu harten Heck harm
Set-up-Tipp (Fahrergewich
) ist
llt, damit die Front besser mit
wir mit 65 psi befü
: Die Federhärte (400
Gabel: Die Luftkammer haben
d-Druckstufe: 7 Klicks. Dämpfer
. Ausgleichsruckstufe: ganz offen, Low-Spee
s, Lowspeed-Druckstufe: offen
Klick
8
tufe:
Zugstufe: 6 Klicks. High-Speed-D
Zugs
SAG.
ent
33 Proz
für
t
sorg
r
Fede
r
350e
eine
minimal zu hart. Erst
behälter mit 170 psi befüllen.
Norco >TruaX Team
herstellerangaben vertrieb Fritz Wittich GmbH Tel. 0521/9320443
www.norco-bikes.de
material/grössen Alu/S,M (getestet),L
preis/Gewicht ohne Pedale 4199 Euro/16 kg
messdaten Reach / Stack 387,5 mm/607 mm
lenk-/sitzrohrwinkel 65,5°/72°
oberrohr-/Hinterbaulänge 590 mm/442 mm
radstand/tretlagerhöhe 1 157 mm/355 mm
federweg vo./hi. c180 mm/180 mm
hinterbausystem
Viergelenker
ausstattung gabel/dämpfer
kurbeln/Schaltung bremsanlage laufräder Fox 36 Talas 180 RC2 FIT/Fox DHX RC2
RaceFace Atlas/Sram X-9
Avid Elixir R
Sun Ringlé Equalizer/Jumping Flea Naben,
Maxxis Minion F+R 2,35 DH
Freeride-Performance
Allround
DH Highspeed Dh technisch Park/Trix
Tour/Trail Bergauf
Spec-Infos:
Keine Teleskopstütze (Zugverlegung vorbereitet)
Lenkerbreite: sehr gut (750 mm). Reifen schmal.
Handling, tiefe Fahrposition, Hinterbau
Gewicht
9,5
Freeride
Geschmeidig: In letzter Instanz geht doch nichts über einen
satten Stahlfederdämpfer. Klar, er ist schwer und aufwändiger
aufs Gewicht abzustimmen, aber wenn’s rumpelig wird, ist er
halt sensibler als die Luftfederkonkurrenz.
Steif: Die X-12 Steckachse ist bedienerfreundlich, lässt keine
Hebel in der Gegend rumstehen und sieht sehr aufgeräumt
aus. Perfekt.
FREERIDE 3/11
61
> TEST
Tief, tiefer, Canfield: Auf flowigen Trails
ist das „The One“ eine Macht. Tolles
Handling und enormer Fahrspaß sind
quasi eingebaut. Aber Vorsicht beim
Antritt am Kurvenausgang: Das extrem
tiefe Tretlager sorgt da schon mal für
Pedalaufsetzer.
Canyon Torque Trailflow
9,5
14,7
Liteville 604
9,5
14,8
Rotwild R.E1
9,5
16,1
Votec V.SR
9,5
15
YT Noton
9
14,9
Rose Beef Cake SL8
9
15,8
Bergamont Big Air MGN
9
14,4
Scott Genius LT 30
8,5
15,0
Specialized Enduro Evo
Expert
8,5
14,8
Trek Scratch Air 9
8,5
14,6
Mondraker Zenith-X
8
15,7
Fazit
Die tiefen Geometrien bescheren den leichten Freeridern Fahreigenschaften bergab,
die enorme Sicherheit vermitteln und den
Grenzbereich nochmal ein Stück weiter
rausschieben. Die Frage, warum man sich
ein schweres, massives und damit trägeres
Bike mit 180 Millimetern Federweg kaufen
sollte, ist tatsächlich diskutabel. Letztlich
entscheidet das die Art der Nutzung – wer
wirklich nur im Park fahren will, braucht
weder Schaltung vorne noch Teleskopstütze. Und im reinen Downhillmodus
sind steile Sitzwinkel auch nicht wirklich
hilfreich. Alle, die ab und zu, oder auch
oft aus eigener Kraft auf den Berg fahren
wollen, bergab dann aber Lust auf echtes
Freeridefeeling haben, denen können wir
diese Bikes wärmstens empfehlen.
weitere Leicht-freerideR in Übeblick
15,9
Damit der Nachtest aussagekräftig ist,
wurden die Bikes in ähnlichem Terrain gefahren wie die Räder in Heft zwei: Vier Tage
Bikepark in Portes du Soleil und ein paar
Freeridetouren in den Alpen haben wir
mit den Bikes absolviert. Den direkten Vergleich der vier Nachzügler mit den Ergebnissen aus dem Haupttest im vorigen Heft,
könnt Ihr der Tabelle rechts entnehmen:
Canfield und Norco hätten sich im großen
Vergleichstest ganz weit vorne eingereiht
und Alutech wäre sogar zum Testsieger
aufgestiegen. Die Fahreigenschaften des
Bikes sind denen des Canyon „Torque“ sehr
ähnlich. Dazu bringt der steile Sitzwinkel
noch bessere Bergauf-Eigenschaften – ein
Top-Allrounder. Cannondale ähnelt charakterlich dem Scott „Genius LT“ sehr, hat
einen etwas geschmeidigeren Hinterbau,
aber eine zu hohe Front und ist recht kurz
geraten.
Testnoten im vergleich (Test in Freeride 2/11)
Fox „36 Talas“. Canfield und Alutech besitzen außerdem recht steile Sitzwinkel, was
den Vortrieb am Berg spürbar erhöht. Und
Cannondale übernimmt 2011 nicht nur
Scott-Konstrukteur Peter Denk, sondern
auch gleich dessen Prinzip des Zweikammerdämpfers und der Federwegsverstellung vom Lenker aus.
Kona Coilair
7,5
Gewichte in kg FREERIDE 3/11
62
Gesamtnoten