2. Lösungshinweise zum Betrug - strafrecht

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2. Lösungshinweise zum Betrug - strafrecht
Arbeitsgemeinschaft im Strafrecht (BT)
SoS 2007
Juristische Fakultät der Universität Freiburg
Institut für Kriminologie und Wirtschaftsstrafrecht
Wiss. Ang. Rico Maatz
[email protected] / http://www.strafecht-online.org
Lösungshinweise zum Betrug
Fall 1
§ 263 Abs. 1
I. Tatbestand
1. Täuschung über Tatsachen
(Oberbegriff für die drei alternativ aufgeführten Handlungsformen des Gesetzestextes: „Vorspiegelung falscher, Entstellung wahrer und Unterdrückung wahrer Tatsachen“; Beachte: falsche Tatsachen gibt es nicht – Gesetzeswortlaut insoweit missverständlich)
Täuschung ist die unwahre Erklärung über Tatsachen (quasi die Lüge).
a. Tatsachen
= vergangene oder gegenwärtige Vorgänge oder Zustände (nicht nur der Außenwelt), die dem Beweis zugänglich sind. (Abzugrenzen von bloßen Werturteilen; zukünftige Tatsachen fallen grds. ebenfalls nicht unter den Tatsachenbegriff)
Hier: Zahlungsunfähigkeit (+)
Aber auch Zahlungsunwilligkeit (+), da auch innere Tatsachen wie Kenntnisse, Motive oder Absichten vom Tatsachenbegriff umfasst sind.
b. ausdrückliche Täuschung
die Äußerung des unwahren Gedankeninhaltes muss grds. explizit und verbal sein;
ausreichend können aber auch Gesten o.ä. sein, wenn diese nach Herkommen oder
Vereinbarung Erklärungen darstellen sollen. Hier sagte A nicht, dass er später bezahlen könne oder wolle. Æ (-)
c. konkludente Täuschung – Täuschung durch schlüssiges Verhalten
= ein auf Irreführung gerichtetes Gesamtverhalten des Täters, dem nach der Verkehrsanschauung ein bestimmter Erklärungsgehalt beigemessen wird, also als stillschweigende Erklärung über eine Tatsache zu verstehen ist.
Geht eine Person in eine Gaststätte und bestellt sich Essen, so wird mit der Bestellung gleichzeitig schlüssig miterklärt, dass man für die erbrachte Dienstleistung und
das konsumierte Essen bzw. die Getränke später auch zahlen wolle und hierzu auch
in fähig sei, da dies die quasi die Geschäftsgrundlage des Vertrages darstellt (essentialia negotii). Æ (+)
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Hinweis: Eine klare und saubere Unterscheidung zwischen ausdrücklicher und konkludenter Täuschung ist nicht immer erforderlich, da beide jedenfalls eine aktive Täuschung darstellen.
d. Beachte: Teilweise wird hier zur tatbestandlichen Einschränkung eine bewusst
falsche Tatsachenbehauptung gefordert. Richtigerweise ist der objektive Tatbestand
aber nicht weiter zu subjektivieren, sondern dieses subjektive Manko (der Täter ist
von der Richtigkeit seiner objektiv falschen Tatsachenbehauptung überzeugt) im
Vorsatz (§ 16 Abs. 1) hinsichtlich der Täuschung zu prüfen.
2. Irrtum
= ist die falsche Vorstellung von einem Gegenstand (Inkongruenz von Vorstellung
Wirklichkeit; der Irrtum ist dabei der erste Erfolg der Täuschungshandlung).
Der Getäuschte muss also dem Täter glauben, was jedenfalls dann der Fall ist, wenn
der Getäuschte von der der Wahrheit der vorgespiegelten Tatsache überzeugt ist.
Problematisch ist dies hingegen, wenn der Getäuschte Zweifel an der Wahrheit der
Tatsache hat.
a. Teilweise wird hier auf ein Wahrscheinlichkeitsurteil des Getäuschten abgestellt.
Er soll die Wahrheit der behaupteten Tatsache für wahrscheinlicher als ihre Unwahrheit halten.
b. Teilweise wird nur auf eine Wahrscheinlichkeit der Wahrheit abgestellt, solange
der Getäuschte die Vermögensverfügung hierauf aufbaut (ein Überwiegen ist hiernach nicht erforderlich).
c. Teilweise wird aufgrund der geringeren Schutzbedürftigkeit des Zweifelnden (Viktimodogmatik) bzw. der Subsidiarität des strafrechtlichen Rechtsgüterschutzes gefolgert, dass kein Irrtum vorliegt, wenn der Getäuschte seine Zweifel auf konkrete Anhaltspunkte stützt, da er sich dann auch selbst schützen könne. Dies vor allem deshalb, da das Opfer hier an seiner Schädigung gerade mitwirkt.
d. Die ganz h.M. hält es für ausreichend, wenn der Getäuschte die vorgespiegelte
Tatsache möglicherweise für wahr hält und er diese Vorstellung seiner Vermögensverfügung zugrunde legt. Hiernach ist es ausreichend, dass auf die Wahrheit vertraut
werde.
Die mangelnde Schutzbedürftigkeit kann in Fällen des Dreiecksbetruges (Getäuschter verfügt über fremdes Vermögen) gerade kein schlagendes Argument sein. Die
anderen Ansichten missachten darüber hinaus den Gesetzeswortlaut, da dieser von
einer unrichtigen Vorstellung über Tatsachen spricht, eine solche aber auch bei nur
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für möglich gehaltener Tatsache der Wirklichkeit widerspricht. Hiernach die Zweifel
der Bedienung irrelevant.
Hinweis: Die Rechtsprechung geht sogar so weit, dass „naive Leichtgläubigkeit“,
„Dummheit“ oder „sträflicher Leichtsinn“ den Irrtum nicht ausschließen können.
3. Vermögensverfügung des Getäuschten – ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal(!)
= jedes tatsächliche Handeln, Dulden oder Unterlassen des Getäuschten, das sich
bei ihm oder einem Dritten vermögensmindernd auswirkt.
Hier (+), da die Kellnerin dem A das Essen und die Getränke gibt.
4. Vermögensschaden
Vermögen ist die Summe aller Geldwerten Güter einer Person. Ein Vermögensschaden liegt vor, wenn das Vermögen nach der Verfügung weniger wert ist als vor der
Verfügung (Saldierung). Hier (+), das weggegebene Essen und die Getränke mindern das Vermögen des Gaststätteneigentümers.
5. Kauslität zwischen:
a. Täuschung und Irrtum (+)
b. Irrtum und Vermögensverfügung (+)
c. (Vermögensverfügung und Vermögensschaden) – funktionaler Zusammenhang (+)
5. Subj. Tatbestand
a. Vorsatz bzgl. aller Merkmale des obj. TB (+)
b. Absicht rechtswidriger Bereicherung (+)
II. RW und S (+)
III. Ergebnis: § 263 Abs. 1 (+)
Fall 2
§ 263 Abs. 1
I. Tatbestand
1. Täuschung
a. Problem: Manipulation an Sachen als Täuschung, da kein kommunikativer Kontakt
bestand? Vgl. Wortlaut: „Entstellung von Tatsachen“; Vgl. zum Problem jedes Lehrbuch.
b. Täuschung durch schlüssiges Verhalten oder Unterlassen?
Hier: schlüssiges Verhalten (+); nach der Verkehrsauffassung wird beim Gebrauchtwagenkauf schlüssig miterklärt, dass das KfZ keine die Verkehrstüchtigkeit betref-3-
fenden Mängel aufweist. Richtigerweise muss man noch weiter gehen und eine Aufklärungspflicht für jeden Unfallschaden annehmen, da ein solcher den Marktpreis des
KfZ erheblich mindert und eine wesentliche Eigenschaft des KfZ darstellt. Über geringe Unfallschäden (Bagatellschäden) muss hingegen nicht aufgeklärt werden. Ist
einmal über den Schaden aufgeklärt worden, so muss nicht über den Umfang weiter
aufgeklärt werden.
Das Gleiche gilt für etwaige Manipulationen am Tachostand. Je nach Fallgestaltung
kann hier sogar schon eine ausdrückliche Täuschung vorliegen.
Hinweis: wenn Täuschung durch schlüssiges Verhalten abgelehnt wird (und nur
dann) muss die Täuschung durch Unterlassen geprüft werden.
Vor.: Aufklärungspflicht aus Garantenstellung (1) und Gleichstellung (2)
(1) Mögliche Garantenstellungen:
1. pflichtwidriges Vorverhalten – Ingerenz
2. faktische Übernahme
3. Gesetz
4. vertragliches/ außervertragliches besonderes Vertrauensverhältnis; könnte
hier einschlägig sein, wenn im Rahmen des Vertrages eine besondere Beratungsleistung vereinbart wurde. Typischerweise ist dies zB bei Vermögensberatungsverträgen der Fall (muss aber nicht für jeden Einzelfall gelten). Hier müsste man wohl eine Garantenpflicht ablehnen.
5. Treu und Glauben (§ 242); Teilweise wird in nicht sauber zu erfassenden
Fällen eine Garantenstellung aus Treu und Glauben hergeleitet. Die Garantenstellung ist an sich schon wegen der fehlenden Bestimmtheit sehr
problematisch, weshalb sie – wenn sie nicht schon von vornherein abgelehnt wird – nur im Ausnahmefall angewendet werden sollte. Die Rspr. beschränkt in letzter Zeit diese Garantenstellung auf besondere Vertrauensverhältnisse. Diese besonderen Vertrauensverhältnisse werden aber schon
von 4. erfasst, so dass auf die Garantenstellung aus Treu und Glauben mit
guten Gründen verzichtet werden kann.
(2) Hinweis: Bei der Gleichstellung gibt es nach h.M. keine Probleme. Zwar wird gesagt, dass die Entsprechensklausel bei verhaltensgebundenen Delikten wie dem Betrug geprüft werden muss, jedoch wird diese Gleichstellung bejaht, wenn schon allein
die Garantenpflicht besteht. Eine gesonderte Prüfung der Entsprechensklausel findet
also nicht statt. Jedoch sollte insbesondere bei der Garantenstellung aus Ingerenz
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die Gleichstellung geprüft werden, sofern man diese Garantenstellung nicht ebenfalls
schon generell oder jedenfalls hier beim Betrug ablehnt. Die Kriterien hierfür sind jedoch wissenschaftlich noch nicht klar formuliert. (Vgl. insbes. hierzu LK/Lackner §
263 in der 10. Auflage)
II. subj. TB (+)
III. RW und S (+)
IV. Ergebnis: § 263 Abs. 1 (+)
Fall 3
A. § 263 Abs. 1 hinsichtlich des Honorars
I. Tatbestand
1. Täuschung – Hund ist tatsächlich nicht krank – Eingriff ist nicht erforderlich (+);
ausdrückliche Täuschung (Eingehungsbetrug, der dann auch zur tatsächlichen
Schädigung in der Erfüllungsphase führt)
2. Irrtum (+) O glaubt, die Einschläferung sei erforderlich
3. Vermögensverfügung (+); Zustimmung zur Zerstörung (Tötung) der Sache Hund
4. Vermögensschaden (+); Sache Hund ist zerstört, da tot
5. subj. Tatbestand
a. Vorsatz hinsichtlich aller obj. TBM (+)
b. Absicht rechtswidriger Bereicherung
dolus directus 1. Grades hinsichtlich des Erstrebens eines Vermögensvorteils erforderlich (Bereicherung muss nicht das Endziel sein – ausreichend ist Zwischenziel,
das aber unverzichtbar zur Erreichung des Endziels ist)
Problem: liegt hier eine nicht beabsichtigte, aber als unvermeidlich erkannte (bloß
wissentliche) Herbeiführung notwendiger Nebenfolgen vor? (Abgrenzung zu den
notwendigen Zwischenzielen)
e.A.: auch dolus directus 2. Grades ausreichend (+)
h.L.: bloße Nebenfolgen nicht erfasst (-), da er die Abrechnung lediglich vornimmt,
um den Schein zu wahren.
Rspr.: der als sicher erkannte Bereicherungserfolg ist erwünscht [dann (+)] oder unerwünscht. Eine klare Trennung ist hier kaum sachgerecht durchführbar, weshalb die
Absicht meist bejaht werden muss.
II. RW und S (+)
III. Ergebnis: § 263 Abs. 1 (+/-)
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B. § 263 Abs. 1 hinsichtlich der Belohnung
I. obj. Tatbestand – Täuschung, Irrtum, Vermögensverfügung und Schaden (+)
II. subj. Tatbestand
1. Vorsatz (+)
2. Absicht rechtswidriger Bereicherung
grundsätzlich (+)
aber Merkmal Stoffgleichheit: Einschränkung der Bereicherungsabsicht
notwendig, da Betrug Vermögensverschiebungsdelikt ist
Æ die erlangte Bereicherung muss aus dem Schaden stammen, dh. sich spiegelbildlich im geschädigten Vermögen niederschlagen
Æ nicht notwendig: Sachidentität
Æ Ausscheidung externer Vorteile (Provisionen, Belohnungen, Folgeschäden, u.ä.)
hier (-)
III. Ergebnis: § 263 Abs. 1 (-)
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