dramaturgie - Dramaturgische Gesellschaft

Transcrição

dramaturgie - Dramaturgische Gesellschaft
-....
N
HAU PTSTADTDRAMATU RGI E?
OFFENSIVE DRAMATURGIE
DRAMATURGIE IM FERNSEHUND KINOFILM - GIBT ES
DIE NOCH? UND WIE?
·Foto Akad~mie
30.11.- 3.12.00
JAHRESTAGUNG
DER
DRAMATURGISCHEN
GESELLSCHAFT
IN DER
BERLINER
AKADEMIE
DER
KÜNSTE
DRAMATURGIE IM
SPANNUNGSFELD
ZWISCHEN AUTOR, VERLAG
·UND THEATER
VIER WORKSHOPS MIT
AUTOREN
WIE GEWINNT DAS THEATER
DAUERHAFT NEUE
AUTOREN?
EDITORIAL
ZUR BERLINER TAGUNG
als Dramaturg über ein Jahrzehnt hin eines der
ehrgeizigsten und schwierigsten FernsehfilmUnternehmungen begleitet: die schließlich vierteilige Filmnacherzählung von Uwe Johnsons
Endlich wieder in Berlin. Im Brennpunkt?
"Jahrestagen", Regie Margarete von Trotta. Gesendet
Was denn Hauptstadtdramaturgie sei
werden die vierTeile am 15., 16., 22. und 23.
(oder nicht) wird zweimal, einmal mit Dramaturgen
November, jeweils 21 Uhr im Ersten.Programm.
aus Schauspieltheatern, einmal mit Repräsentanten
der drei Opernhäuser, erörtert, nächtens am 30.10.
Andreas Dresen ist Autor und Regisseur des erfolg-
und am 1.11. Dabei soll es diesmal nicht um Geld,
des Fernsehfilms .,Die Polizistin" (Sendung am 25.
Sparzwänge, Finanzierungspläne gehen, sondern
Oktober bei der ARD). Gunther Witte leitete lange
reic~en
Kinofilms "Nachtgestalten" und neuerdings
ums Inhaltliche, um das, was die großen Opern-
eine der erfolgreichsten Fernsehfilmabteilungen
häuser künstle'risch, im Spielplan und der Spielweise
innerhalb der ARD, nämlich die des WDR, in der
wollen (und für welches Publikum) - wie sie sich
noch immer Joachim von Mengershausen als
~arf
voneinander im "Profil" unterscheiden, gegeneinan-
Dramaturg arbeitet. Bei der Diskussion
der absetzen.
Autor nicht fehlen: Wolfgang Kohlhaase, in der DDR
auch der
Offensive Dramaturgie heißt das Thema
am Freitag Vormjttag. Viele Theater greifen über den
u. a. Autor der beiden Filme )eh war achtzehn" und
.,Solo Sunny" (beide mit dem Regisseur Konrad Wolf)
bisherigen Kanon -die Inszenierung· dramatischer
und zule~zt in diesem Jahr von .. Die Sti"lle nach dem
Texte- hinaus. Romane, Filme, erzählende und
Schuss", Regie: Volker Schlöndorff.
Reportage-Prosa wird für die Bühne adaptiert. Neue
Spielräume werden aufgesucht. Andere Medien-
.
Projektion, Film, Video, DJs etc. - werden eingesetzt.
.
Der Vorschlag, über das Spannungsfeld
zu handeln, in welchem sich Dramaturgen
bew~gen
{müssen) bei der Zusammenarbeit mit Autoren und
Das alles ist nicht neu, tritt aber häufiger auf. Es
deren Verlagen einerseits und andererseits dem
kann dabei nicht um Formalien gehen. Warum und
Theaterproduktionsprozess, insbesondere -mit dessen
wie wird das Theater, seine Dramaturgie offener,
Protagonisten, den Regisseuren -dieser Vorschlag
offensiver?
wurde auf der Dresdner Tagung vorgebracht und
Über Dramaturgie im Film (Fernseh-
akklamiert. Das Thema wird jetzt einmal auf seine
und Kinofilm) ist allzu lange in unserer Gesellschaft
juristischen Aspekte hin - im Streitgespräch -
nicht gehandelt worden. Jetzt steht's im Programm,
untersucht und zum zweiten - notwendige
am Freitag· Nachmittag. Knut Hickethier, in den
Ergänzung - auf seine ästhetischen Aspekte hin
achtziger Jahren Geschäftsfü.hrer der Dramatur-
debattiert- am Samstag, 2.12. vormittags.
gischen Gesellschaft, hat sich intensiv um die
Vorbereitung gekülT]mert und einen ausgiebigen
. Materialien- und Problemkatalog für dieses Heft
Das weitere Wochenende gehört den
Workshops mit Stücken der Autoren Mare Becker,
Klaus Chatten, Andreas Sauter/Bernhard Studlar und
geschrieben. Zu Beiträgen zum Thema haben wir
Soeren Voima,·dann der gemeinsamen Auswertung
eingeladen: zwei jüngere Producerinnen aus priva-
der Workshops und - ganz am Schluss der Tagung,
ten Produktionsfirmen (welche immer mehr Fern-
Sonntag am frühen Nachmittag - einem Gespräch
sehfilme im Auftrag der öffentlich-rechtlichen
mit dem Thema: .. Wie gewinnt das Theater dauer-
Anstalten, aber auch der privaten herstellen);
haft neue Autoren?- wobei im Worte "dauerhaft"
Annette Kaufmann von Aspekt Telefilm will handeln
enthalten sein soll die Frage nach der Qualität. ja,
über den Umgang auch mit trivialen Stoffen und
der Repertoirefäh.igkeit neuer Stücke.
Genres; Julia Gerdes vonteamworksarbeitet als
Die Tagung findet statt- wie die letzte
Dramaturg in mit dem Regisseur N!co Hofmann an.
in Berlin 1996- in den Clubräumen
einem dreistufigen Unternehmen: Es liegt schon vor
der Berliner Akademie der Künste~ Hanseatenweg 2
ein Dokumentarfilm (1999} über den spektakulären
(S-Bahn Bellevue, U-Bahn Hansa platz). Sie ist- bis
.,Tunnel", den Ostberliner 1962 unter der Mauer
auf die Mitgliederversammlung -öffentlich .
durchgruben; demnächst gibt es einen zweiteiligen
Fernsehspielfilm darüber- und anschließend wird
Wir hoffen auf lebhafte, kontroverse und
erhellende Debatten. Bis bald in Berlin!
daraus ein Anderthalbstunden-Kinospielfilm kondensiert. Wie verändert sich in den drei Präsen-
Für Vorstand und Geschäftsführung
tationen des gleichen Themas die Dramaturgie?
Manfred Beilharz, Henning Rischbieter
heißt das Thema für Julia Gerdes. Martin Wiebel hat
Öffentliche Jahrestagung der
Dramaturgischen Gesellschaft in
de.r Akademie der Künste Berlin
vom 30.11.- 03.12.2000
PROGRAMM
Do. 30.11.
22.30 Uhr
Regisseuren gestärktwerden? Streitgespräch
zwischen Dr. Ralf Bolwin (Deutscher Bühnen. vereinl. Dr. Jan Ehrhardt (Verband deutscher
Bühnenverleger Berlin) und Dr. Peter Raue
(Rechtsanwalt Berlin)
Einleitung und Moderation: Manfred Beilharz
Sa. 2.12.
12.30-14 Uhr
Hauptstadtdramaturgie? (1: Schauspiel)
Soll die Inszenierung dem dramatischen Werk
Debatte mit Hermann Beil (BE), Carl G. Hege-
treulich dienen oder ist der Text ein Material
mann (Volksbühne), Jens Hillje (Schaubühne),
unter anderen für das theatralische Kunst-
Oliver Reese (Maxim Gorki Theater/ab 2001 DT),
werk? Der Regisseur Adolf Dresen über seine
An nette Reber (DT/ab 2001 Maxim Gorki
.. Werktreue" und im Gespräch mit Ralph
Theater)
Hammerthaler (Süddeutsche Zeitung) und ·
Einleitung und Moderation:
Henning Hischbieter
Michael Merschmeier (Theater heute)
Sa. 2.12.
Fr. 1.12.
10-13 Uhr
14.30-17 Uhr
Vorstellung der Stücke der vier Workshops:
Offensive Dramaturgie im Theater und über
Mare Becker .,U.S.-AmoK",
dessen traditionelle Grenzen (Medien, Formen,
Klaus Chatten .,Deutschland ruft",
Räume) hinaus. Warum und Wie? Mit Beiträgen
Andreas Sauter und Bernhard Studlar
·von: Ann-Marie Arioli (Dramaturg in, Luzerner
,.A. ist eine Andere",
Theater), Tom Blockdjk (Dramaturg, Theater
Soeren Voima .,Das Kontingent"
Groep Hollandia), Dagmar Sarimann (Chefdra-
- Beginn der Workshops
maturgin, Schauspiel Leipzig). Werner Feig
(Intendant, Junges Theater Göttingen), Regina
Sa. 2.12.
17-18.30 Uhr
Guhl (Chefdramaturgin, Schauspiel Hannover),
Mitgliederversammlung der Dramaturgischen
Mathias Günther (Dramaturg, Theater Basel)
Gesellschaft mit Vorstandswahlen
Moderation: Anne Schäfer und Horst Busch
(nicht öffentlich)
Fr. 1.12.
Sa. 2.12.
15-18 Uhr
Wie funktioniert Dramaturgie im Fernseh- und
ab 22.30 Uhr
Empfang der Theaterverlage
Kinofilm? Gibt es sie heute noch? Und wie?
Debatte mit Beiträgen von Andreas Dresen
So. 3.12.
(Regisseur), Julia Gerdes (teamworks), Armelle
Vier Workshops mit den Autoren
10-12 Uhr
Kaufmann (Producerin, Aspekt Telefilm).
Wolfgang Kohlhaase (Autor). Joachim von
So. 3.12.
Mengershausen (WDR). Martin Wiebel
Gemeinsames Abschlussgespräch der Workshops
·(Dramaturg, zuletzt .,Jahrestage"), Gunther Witte
mit den Autoren, Moderation: Jens Groß
13-14 Uhr
(früher Fernsehfilmchef WDR)
. Moderation: Knut Hickethier und Henning
Rischbieter
So.3.12.
14-16Uhr
Wie gewinnt das Theater dauerhaft neue
Autoren?
Fr.1.12:
22.30 Uhr
Gespräch zwischen Sirnone Schneider (Autorin),
Hauptstadtdramaturgie? (II: Oper)
Jürgen Hofmann (Studiengang Szenisches
mit Repräsentanten der Berliner Opernhäuser
Schreiben an der HdK Berlin). Bernd Schmidt
Einleitung und Moderation:
(IÖepenheuer Verlag),
Bernd Feuchtner (Opernwelt)
Oliver Bukowski (Autor)
Sa. 2.12. 10-12 Uhr
Peter Spuhler
Moderation: Heike Müller-Merlen und .
Dramaturgie im Spannungsfeld zwischen Autor,
Verlag und Regisseur: die juristischen Aspekte.
· Müssen die Rechte von Autoren oder die von
.'
DRAMATURG 2/2000 1 Seite 1
OFFENSIVE DRAMATURGIE?
von Dagmar Borrmann
Dr. Dagmar Borrmann,
die Chefdramaturg in
des Schauspiels Leipzig,
nimmt an der Debatte
mit dem -zugegeben
vollmundige~
-Titel
"Off~nsive
Dramaturgie"
am Freitag, 1. Dezem-
. ber vorm.ittags, teil und stellt hier erstmal
deren Überschrift
infrage.
Offensiv zu sein, ist keine besondere
Leistung der Dramaturgie I des Theaters, sondern
eine Notwendigkeit. Ein Zwang.
Seit das Theater für sich reklamiert,
gesellschaftliche Veränderungen kritisch zu
reflektieren und also teilzunehmen an gesellschaftlicher Praxis, ist es in ständiger Not, entsprechende Stücke zu finden. Und seither ist es
eine große Materiai-Verwurstungsmaschine. Je
schneller Realität sich verändert, desto gieriger
schlingt sie. Wir befinden uns gerade wieder in
so einer Turbo-Zeit, aber es ist bei weitem nicht
die erste.
Die bekannte Alternative heißt: sich
dieser Beschleunigung verweigern, auf die Langsamkeit und Gravität des Theaters setzen, den
Autoren die Zeit geben, die sie brauchen, und
«Aktualität» jenen Medien überlassen, die dafür
erfunden wurden. Das klingt verführerisch, aber
da gucken eben auch schon Beschaulichkeit und
Harmlosigkeit um die Ecke- der Tod des Theaters.
Also bleiben wir lieber dabei, d.ie
Brocken, die uns die Wirklichkeit mit wachsender Geschwindigkeit vor die Portale schmeißt,
auf die Bühnen zu holen. Buchstäblich mit allen
Mitteln. Und .immer häufiger haben Stücke,
wenn sie auf den Tischen der Dramaturgen
landen, ihr Verfallsdatum schon erreicht. Also
nehmen wir, die offensiven Dramaturgen, was
wir kriegen können: Filmszenarien, Romane,
Interviews, Essays, Politikerreden, Tagebücher,
die Zeitung. Es gibt nichts, was vor dem Theater
sicher wäre. Nicht mal das Telefonbuch. Warum
auch. Was, einem Literaturkritiker in den Mund
gelegt, nur ein öder Werbe-Scherz ist, könnte
doch unter den Händen eines Marthaler oder
eines Häusermann wunderbare theatralische
Realität werden: ein Abend voller spannender
tisch, berührend. Warum also nicht das Telefon. buch?
Längst hantiert das Theater mit einem
Text-Begriff, der viel mehr meint als dramatische
Literatur.
Und längst gehört es zur Praxis jedes
kreuzbraven Stadttheaters, Projekte zu entwickeln, Filme und Romane zu adaptieren usw.
Man kann schon nicht einmal mehr von Experi"
ment oder Grenzgängerei reden; weil es sie
. schon lange nicht mehr gibt, die erkennbare
.Grenze zwischen .. herkömmlicher" und .,offensive(' Dramaturgie.
Und das Theater hat von diesen
Fremdgehereien· profitiert: Es hat seine Ausdrucksmittel erweitert - um manchen Blödsinn,
aber eben auch um viele nützliche Dinge, die es
geschickter, geschmeidiger, artistischer machen.
Wenn Piscalor nicht hätte grübeln müssen, wie
er den epischen Schwejk durch die Weit kommen lässt, ohne sich von der Stelle zu bewegen
- wer weiß, ob es das Laufband im Theater gäbe.
Aber, könnte man dagegen halten,
hat nicht gerade in den letzten Jahren eine
Wiederentdeckung des Autors- und damit äie
Renaissance der Dramatik im Theater- stattgefunden? Sind nicht die vielen Ehen zwischen
·Theatern und Autoren ein gutes Zeichen für
deren Gebrauchtwerden?
Ich bin mir durchaus nicht sicher, ob
da wirklich immer der Autor als künstlerisches
Subjekt gemeint ist, dessen Blick, dessen «Handschrift,;, dessen geistige und emotionale Fa~on
unverzichtbar für das Theater sind. Oder ob er
nicht auch nur ein Lieferant (unter anderen) für
und melancholischer Menschengeschichten, ein
Abend.über.Einsamkeit und Sehnsucht, vo.n zar-.
die Verw.urstungsmaschine ist. Und man lediglich
die Transfer-Wege zwischen Autor und Bühne
verkürzt, wenn man ihn ans Theater bindet. Bös
gesagt: als effizientere Text-Legebatterie. Seid
auf der Hut, Autoren. Haltet Sicherheitsabstand.
ter verzweifelter Komik. Realitätsnah, authenc
Im beiderseitigen Interesse.
DRAMATURG 2/2000 I Seite 2
Das Problem, um darauf zurückzu- .
kommen, scheint mir nicht zu sein, zwischen
offensiver und "herkömmlicher" ·Dramaturgie
wählen zu können, sondern zur offensiven Dramaturgie verdammt zu sein. Wenn Theater im
öffentlichen Diskurs noch eine Rolle spielen soll
und sich nicht der trügerischen Hoffnung hingibt, der Satz "Theater muss sein" sei mehrheitsfähig, dann muss es seine Fähigkeit, menschliche
Beziehungen zu zeigen und Sinn zu produzieren,
mit Klauen und Zähnen verteidigen. Ob das auf
der Basis von dramatischer Literatur, von
·Gebrauchsanweisungen für Küchengeräte oder
wortlos passiert, ist absolut sekundär.
Auf-zu den Rändern!
Kunst, Literatur, Theater beschreiben und versenden
radikale Lebensentwürfe zwischen Schmerz und Verzweiflung einerseits, Se:hnsucht und Glücksverheißung
andererseits. Beides kann unverSchämter,
forde~nder,
widersprüchlicher, verschwenderischer, verantwort.ungsloser fOrmuliert werden ~ls im Pragmatismus' des
täglichen Überlebenskampfes, in dem man sich vor
vielen Gedanken und Gefühlen schützt, um alltags-
tauglich zu bleiben. Kunst in ihren vielfältigen Spielarten Und Genres kann l;lis ans Ende gehen - in welche
~ichtung auch immer. Das Theater war von jeher den
Extremen verbunden: der großen Stille und dem lauten
Schrei, dem befreienden Lachen und den Tränen des
Mitl~ids,
dem wilden Denken ·und der voyeuristischen
Lust, der Abstraktion und dem Ritual, der Seelenerforschung und der mikrokosmischen Beobachtung, der
politischen Polemik und der Flucht in fremde Weiten,
· der sozialen Intervention und der Poetik des Traumes.
Ohne Dogma und immer auf der Suche. Das einzige,
was Theater nie darf, ist zwischen alldiesem die ver. nünftige Mifte zu behaupten. Im Alltag und Geschäft
bedarf es oft. der !!Vermittlung)), und in· der Politik.
führte in den letzten Jahren das Buhlen um die Mitte
zu einer gewissen Überfüllung dieses Platzes; in der
Kunst ist die Mitte schlichtweg der dümmste und
langweiligste Ort. Auf zu den Rändern!
Der neue
Wilfried
hannovers~he
Sch~lz
Schauspielintendant
zur Spielzeiteröffnung
FERNSEH Fl LM? TV- MOVIE? REALITY-SOAP?
Gibt es noch eine Dramaturqie
des deutschen Fernsehfilms!
von Knut Hickethier
Knut Hickethier,
geb. 1945, Prof. für
Medienwissenschaft
an der Universität
. Hamburg: 1975-1989
Wiss.. Mitarbeiter,
Universi tätsassis te nt
und Privatdozent am
·Institut für Theater-
wissenschaft der· FU
Bedin. 1979 Promotion über das Fernseh-
spiel, 1982 Habilitation.
Seit Ül82 Radio-,
Fernseh- und Filmkritiken vor allem in
epd medien, epd Film
und verschiedenen
TageszeitUngen.
. 1984-1989 Geschäftsführer der Dramatur-
gischen Gesellschaft.
Veröffentlichungen
über Medientheorie,
Film, Fernsehen und
Radio, Zuletzt: Filmund Fernsehanalyse,
Stuttgart/Weimar 1993;
Geschichte der Fern-
sehkritik, Berlin 1994;
Der Film in der Ge-
schichte, Berlin 1997;
Geschichte des deutschen Fernsehens,
Stuttgart/Weimar 1998;
Medienku lturwissen-
schaft, Harnburg 2000.
ln Vorbereitung:
Medium Film
(vorauss. 2001).
1. ARD-Papier ,,Optimierung der Produktionen"
Im Sommer dieses Jahres sorgte ein
ARD-internes Acht-Punkte-Papier "Optimierung
der Produktionen" für öffentliches Aufsehen,
weil anhand seiner Vorgaben die Redaktionen
ihre Filme auf ihre Quotenträchtigkeit einschätzenmüssen, um für einen zuschauerattraktiven
Sendetermin im Ersten Programm eine Empfehlung der sogenannten Kleinen Kommission zu
erhalten. Diese Kommission besteht aus den
Fernsehspielchefinnen des SWR (Susan Schulte),
BR (Gabriele Sperl), HR (Liane Jessen) und des
NDR (Doris Heinze). (Spiegel 34/2000, S. 105 f.)
Die Geschichten und Stoffe sollten
"attraktiv, unterhaltsam und/oder interessant/
relevant (möglichst Generationen übergreifend)"
sein. Die Erzählweise solle durchgängig verständlich und "unkompliziert, einfach, klar, auf
keinen Fall verwirrend" sein, dabei "an den Menschen" und "nicht nur an den Themen orientiert':
Zumindest eine Figur müsse "Träger von Sympathie und/oder Mitleid der Zuschauer" sein. Es
sollten Hauptdarsteller "mit möglichst hohem
Bekanntheitsgrad" gewählt werden. Das Milieu
muss nach diesen Erfolgsvorgaben "attraktiv,
zumindest interessant, nicht abstoßend" sein.
Gefordert wird auch die "Vermeidung
von Negativ-Kriterien': Dazu zählt das Papier
exemplarisch "exzessive Gewaltdarstellungen,
Lehrhaftigkeit, vermeintlicher und verquaster
Tiefsinn, Unverständlichkeit, übertriebene formale Spielereien, Untertitelungen, komplizierte,
unverständliche und unattraktive Anfänge". Die
Titel sollen "einladend, anziehend, mit attraktivem und interessantem Assoziationsfeld" gestaltet werden (epd medien Nr. 43-44, 3.6.2000).
Ziel dieses bürokratischen Weges von
Selbsteinschätzung und Beurteilung von Fernsehkunstsoll die Optimierung des fiktionalen
Fernsehfilms sein, damit dieser auf seinen Sendeplätzen - vor allem am Mittwochabend zur
besten Sendezeit-. wenigstens den Marktanteil
. erreicht, den die ARD mit dem Ersten Programm
derzeit hält, also über 14 Prozent.
DRAMATURG 2{2000 I Seite 4
Reaktion der Öffentlichkeit auf das
Papier; "Komprimierte Klischees" (Uwe Kammann
von epd medien), "Süßstoff-Offensive" (RiehiHeyse in der Süddeutschen Zeitung), "Freie Fahrt.
für Pilcher" (FAZ), "Klippschule total" (Der Spie,
gel), "künstlerische Bankrotterklärung" (Regisseur Jo Baier). Also; Die Trivialisierung des Fernsehfilms und die Bevormundung der Regisseure
und Autoren wurden befürchtet und kritisiert.
Die ARD wiegelte ab; Jürgen Kellermeier, NDRProgrammdirektor und Fernsehfilm-Koordinator
erklärte: "Das Wort Quote ist ein anderer Begriff
für Zuschauer." Und: "Die Verachtung der Quote,
die ja in manchen Beiträgen der Diskussion an
Abscheu grenzt, halte ich für einen Ausdruck
elitärer Arroganz." Und; "Es wird nach wie vor
bei der inhaltlichen und formalen Vielfalt der·
ARD-Angebote bleiben." [Interview in epd
medien Nr. 67, 23.8.00)
Richtig ist, dass es auch weiterhin
·anspruchsvolle Fernsehfilme im öffentlich-rechtlichen und auch im privatrechtliehen Fernsehen
gibt und geben wird. Edgar Reitz' Fernsehfilm
"Heimat 1.11". Heinrich Breloers Film"Die Manns",
zeitkritische Filme der ARD wie "Stunde des
Wolfs", "Schande", die Verfilmung von Uwe
Johnsons "Jahrestage", ;,Axel Springer", "Willy
Brandt" usf. stehen als gern zitierte Beispiele
dafür. Und es gibt die nachdrücklich auf Qualität
setzende Fernsehfilmproduktion des ZDF unter
Hans Janke, die jedoch wenig öffentlich diskutiert wird, weil sie eher zurückhaltend und
wenig vön eigenen öffentlichen Statements
begleitet stattfindet.
Gleichwohl verweist die Diskussion
um das ARD-Papier aufTendenzen der Fernsehfilmentwicklung, die aufTrivialisierung u·nd
Standardisierung abzielen, auf eine Akkumulation von Effekten und inszenatorischen Reizen
sowie auf völlig neue dramaturgische Konzepte.
Das öffentliche Erstaunen über dieses
interne Papier der Programmplanung fällt vor
allem deshalb so auf, weil es seit Jahren keine
öffentliche Debatte über den Fernsehfilm, seine
Dramaturgie, seine Erzählweisen, sein Weltbild,
seine Zielsetzungen gegeben hat, die über die
Tageskritik einzelner Sendungen hinaus gelangt
ist. Eine grundsätzliche Erörterung der Ästhetik
des Fernsehfilm findet seit langem nicht mehr
statt.
Dabei hat sich in den letzten zehn
Jahren der Fernsehfilm in seiner Gestaltung
grundlegend verändert,. verändert haben sich
seine Produktionsweisen, verändert hat sich das
Fernsehen insgesamt in seinen Prinzipien.
2. Der Verlust des Kunstanspruchs
Lange Zeit, im Grunde seit Beginn des
Fernsehens, gehörte es für das Fernsehen zum
medialen Selbstverständnis, in seinem Programm
weltumfassend zu repräsentieren, und dazu
gehörte auch die Vermittlung und Herstellung
von Kunst. Der Fernsehfilm (als Fernsehspiel)
beanspruchte Eigenständigkeit, und dies bedeutete Eigensinn, Widerspruch gegen das restliche
Prog~amm ... Das Fernsehspiel ist nicht Fernsehen", meinte z.B. der damalige WDR-Fernsehspielchef Günter Rohrbach, und damit meinte er,
der Fernsehfilm habe sich den schnellen Konventionen des Fernsehprogramms insgesamt zu verweigern, sollte bewusst das P.ublikum irritieren,
ihm etwas Unerwartetes vorsetzen. Denn nur
damit könne der Fernsehfilm seinen künstlerisch.enAnspruch behaupten. Denn .Kunst ist Vor
wurden, um damit auf das wachsende Unterhaltungsbedürfniseines breiten Publikums zu
reagieren. Neben dem Fernsehfilm als Einzelfilm
etablierte sich die Serie als immer stärker
genutzte Form sowie die Film-Fernseh-Koprodukc
tion, die durch das Film-Fernseh-Abkommen zwischen den Anstalten und der Filmwirtschaft entstand: Filme, die zuerst im Kino laufen und·
anderthalb Jahre später im Fernsehen. Sie werden ha~ptsächlich durch Fernsehgelder finanziert, vom Publikum aber als Kinospielfilme
wahrgenommen, weil sie im Kino ihre marktbestimmende Aufmerksamkeit erfahren. Im Fernsehen erscheinen sie dann als Zweitabspiel eines
Kinofilms und nicht als eigenständiger Fernsehfilm. Wegen der größeren Publizität zog es deshalb zwangsläufig fast alle wichtigen Regisseure
- wenn sie nicht ohnehin wie Wenders, Schlöndorff, Dörrie und andere vom Kino kamen - nun
zur Koproduktion. Künstlerisch anspruchsvolle .
Fernsehfilme, die nur im Fernsehen zu seheri
waren, wurden immer weniger produziert.
Gleichzeitig verlor der Diskurs über den Fernsehfilm an Bedeutung, die Erörterung des Fernsehfilms ging weitgehend )n der allgemeinen Kinofilmdiskussion auf (vgl. Hickethier 1994).
3. Ausdifferenzierung des Fernsehfilms:
statt Gattungen und Genres jetzt .. Formate"
.liehen Anstalten bis Ende der achtziger Jahre die
Eigenständigkeil des fiktionalen Fernsehfilms zu
erhalten, Autoren zu interessieren und zu binden
und Regisseuren Raum für die Entwicklung einer
eigenen Handschrift zu geben. Fernsehspielredaktionen wie .. D~s kleine Fernsehspiel" des
ZDF ermöglichten vielen jungen Regisseuren,
ihren ersten Film zu produzieren. Ungeachtet oft
niedriger Einschaltquoten (die immer noch ein
größeres Publikum als im Kino bedeuten) wurde
damit für viele Filmemacher das Fernsehen zum
Serialisierung des Fernsehfilms auf
dereinen und die Verbindung mit dem
Kinospielfilm auf der anderen Seite haben ein
Geflecht unterschiedlicher dramaturgischer Formen der fiktionalen Unterhaltung im Fernsehen
entstehen lassen. Es gibt heute nicht mehr .,den
Fernsehfilm", sondern statt dessen eine Palette
unterschiedlicher fiktionaler Formen: den Kinospielfilm, der mit Fernsehgeld'finanziert wird,
die Film-Fernseh-Koproduktion, den Fernsehfilm
(der nur im Fernsehen und nicht im Kino zu
sehen ist), die Staffelserie (meist B Folgen, einmal in der Woche gesendet, Fortsetzungen sind
möglich). die Daily Soap (die auf Unendlichkeit
Ort künstlerischer Gestaltung.
Unterminiert wurde dieses Selbstverständnis des künstler.ischen Fernsehfilms von
den Fernsehspielredaktionen der öffentlich-
angelegte täglich gesendete Serie wie .. Gute Zeiten, schlechte Zeiten"), die Doku-Serie (wie z. B.
.,Die Fußbroichs") und die neue Form der Reality
Soap (z. B. .,Big Brother"). Alle haben ihre eige-
rechtlichen Anstalten selbst, als mit dem quantitativen Ausbau der Programme auch die Formen
der fiktionalen Fernsehunterhaltungvielfältiger
nen dramaturgischen Konzepte.
Diese Formen werden nicht mehr
.. Genres" genannt (weil damit eine inhaltlich
'allem Widerspruch.
..· Mit dieser Pö.51tion gelang es den
Fernseh'spklredaktionen der öffentlich-recht-
DRAMATURG 2/2000! Seite 5
RENATE AHRENS-KRAMER
WOODY ALLEN
BRIGITTE ATHEA
MARTIN BAUCKS
FOLKER BOHNET
DANIEL CALL
JIM CARTWRIGHT
ALEXANDER DJETKOW
XENIJA DRAGUNSKAJA
XAVIER DURRINGER
CURTH FLATOW
ANTON GLOBOSCHÜTZ
STEPHEN GREENHORN
JELENA GREMINA
BEATE HEINE
PEGGY HOHMANN
ISRAEL HOROVITZ
THOMAS JONIGK
PETER KOPER
STEFFEN KOPETZKY
GUIDO KOSTER
JEAN-LUC LAGARCE
Hardenbergstraße 6
VOLKER LÜDECKE
HERBEAT MEIER
UWE MENGEL
CONOR MCPHERSON
MARGARETH OBEXER
RALPH OEHME
WILFRIED OSCHISCHNIG
HORST PILLAU
DOROTHEA RENCKHOFF
EUGEN RUGE
THEODOR SCHÜBEL
ALEXANDER SEPLJARSKIJ
NICKY SILVER
LIONEL SPYCHER
EDWARD THOMAS
MICHAlL UGAROW
STEFAN VÖGEL
ENDA WALSH
ALEXIJ WARLAMOW
ANDREIJ WISCHNJEWSKIJ
. FELICIA ZELLER
(wird fortgesetzt)
!':~.1;\~ Jfi!:?.S!l .§~!!!'!'!'
10623 Bcrhn
Fon (030) 313 90 28
Fax (03.0) 312 93 34
www.felix-bloch-erben.de
theater-verlag
desch gmbh
Klugstraße 47a, 80638 München
Telefon (089) 15 30 11/12, Telefax (089) 157 81 04
.
Fernando Arrabal * Peter Bichsel * Mattbias Bock * Oliver Bukowski * Klaus
Chatten * David Edgar * Dominik Finkeide * Thomas Fritz * Gabriel Garcia
Marquez * Sven Gesse * Melanie Gieschen * Lotbar Gitzel * Günter Grass *
Christian Haller * Kai Hensel * Judith Herzberg * Silvio Huonder * Markus
Köbeli * Felicien Marceau * Margaret Mazzantini * Willfgang Mennel * David
Scott Milton * Jean-Michel Räber * Tadeusz Rozewicz * Kristo Sagor * Lutz
Schäfer* Murray Schisgal *·SiDJ.one Schneider·* Slobodali. Snajder * Christili.e
Sohn* David Spencer * George Tabori * Erik Uddenberg * Markus Weber*
Lida Winiewicz * Christa Wolf* Mattbias Zschokke
[email protected]
bestimmte Gruppe von Produktionen gemeint ist
konsequent sie erzählt wird, wie überzeugend
wie z. B. der Krimi, den es in allen diesen Formen
die Schauspieler sind, sondern darum, welche
geben kann), sondern statt dessen ist die Rede
Versatzstücke gebraucht werden, um eine
von "Formaten". Dieser Begriff stammt aus dem
bestimmte Zielgruppe anzusprechen, und wie sie
Lizenzeinkauf von Sendekonzepten (z. B. "Glücks-
zu kombinieren sind. Die Folge ist eine synthe-
rad"), bei dem die Rechtebesitzer Wert darauf
tische, nur auf die Einschaltquoten, also nach
legen, dass diese Sendung auch in ihrer lnsze-
ökonomischen Gesichtspunkten, ausgerichtete
nierungspraxis und ihren Themen und Inhalten
Dramaturgie.
nach dem geriau vorgegebenen Muster durchgeführt wird. Damit soll eine internationale Wie-
4. TV-Movie statt Fernsehfilm
dererkennbarkeit erzielt und der Erfolg garantiert werden, weil ein Misserfolg den internatioc
Bis Anfang der neunziger Jahre hatte
nalen Verkaufswert dieser Lizenzsendung verrin-
sich der öffentlich-rechtliche Fernsehfilm noch
gert. "Glücksrad" ist also ein "Format': Im fiktio-
dem Glauben hingeben können, er bleibe als
nalen Bereich ist der Begriff etwas unscharf und
Fernsehkunst eine originäre Leistung dem
wird vor allem bei Reihen und Serien ange-
öffentlich-rechtlichen System vorbehalten, weil
wandt. Der Begriff greift aber weiter um sich
sich i:lie privatrechtliChen Sender aus Kommerz-
und wird inzwischen ziemlich allgemein syno-
gründen Fernsehfilme und Serien doch nur auf
nym für "Sendeformen" verwendet.
dem amerikanischen Markt besorgten und nie
ln einer Marktübersicht unterscheidet
z. B. die Ufa Film und Fernsehen GmbH zwischen
selbstteure Eigenproduktionen herstellen würden. Ab 1992/93 wurden
si_e
durch RTL und bald
folgenden "Formaten" im fiktionalen Bereich:
darauf auch von SAT.1 und Pro7 eines Besseren
anthologies (z. B. "Tatort", "Polizei ruf 110"),
belehrt. ln diesen Jahren hatte der erfolgreichste
cinema movies (Kinospielfilme im Fernsehen),
privatrechtliche Sender RTL gerade mit Sexsen-
TV movies (Fernsehfilme neuerer Art, unterschie-
dungen wie "Tutti Frutti", Konfrontationsshows
den nach: comedy, crime, drama, literature/novel,
wie "Einspruch" und Sensationsprodukten wie
melodrama, thriller), mini series (mehrteilige
den Reality-TV-Reihen (..Notruf", "Lebensretter")
Fernsehfilme), series (in der Folgenzahl begrenz-
die Marktführerschaft vor den öffentlich-recht-
te Serien, die noch unterschieden werden in
Iichen Sendern erreicht und begann nun (um
Genres: animation, crime, doctor, family, science
den Marktanteil dauerhaft zu halten und weil er
fiction), sitcoms/comedy (z. B. "Roseanne"), soaps
dank sprudelnder Werbeeinnahmen Eigenpro-
(.. Lindenstraße") und daily soaps (z. B. "Verbote-
duktionen finanzieren konnte) mit der Produk-
ne Liebe"). Neu ist die reality soap (z. B. "Big
tion von eigenen deutschsprachigen Serien und
Brother", aber auch "lnselduell" usf.).
eigenen ~ernsehfilmen.
Diese "Formate" werden nach Reich-
Neben der Einführung neuer Serien-
weite (Haushalte, Zuschauer in Altersgruppen,
formate (den täglich ausgestrahlten Serien, den
Marktanteil). nach Zielgruppenstrukturen (Män-
"Daily Soaps") etablierten die kommerziellen
ner/Frauen, Alter, Bildung, Einkommen, Beruf
Sender 1993 auch eigenproduzierte Fernseh-
etc.) aufgeschlüsselt und beschrieben, so dass
filme, die sie - um sich von den öffentlich-
für einzelne Reihen, Serien oder Einzelfilme ver-
rechtlichen Fernsehspielen abzugrenzen-
wertbare Profile entstehen ..
"TV-Movies" nannten. Sie übernahmen damit
Dramaturgie bedeutet hier also: Wie
nicht nur den amerikanischen Begriff, sondern
können Fernsehfilme in ihren unterschiedlichen
auch die spezifischen Bestandteile der amerika-
Formen Profile erhalten, so dass sie sich gegen-
nischen Form des Fernsehfilms.
einander absetzen und für spezifische Zielgruppen attraktiv sfnd, weil.sich dadurch wiederum
Im -Gegensatz zum öffentlich-rechtlichen Fernsehfilm stellen sich die privatrecht-
Werbung, die im Umfeld dieses "Formats" an-
liehen TV-Movies als kleine Ausgabe eines Kino-
gesiedelt wird, spezifisch auf diese Zielgruppen
films dar, d. h. sie sind schneller geschnitten als
ausrichten lässt.
ein deutscher Fernsehfilm, effektvoller in der
Es geht nicht mehr in erster Linie
darum, wie originell eine Geschichte ist, wie
DRAMATURG 2/20ÜO I Seite 7
Lichtsetzung und in der Soundgebung, vom
Genre her zumeist melodramatisch angelegt und
mit zusätzlichen Elementen des Kriminalfilms
oder des Thrillers ausgestattet. .,Die visuellen
Effekte der N-Movies recyceln das alte Erfolgsrezept des Kinos- nämlich die Wechselwirkung
zwischen Effekt und Schaulust." Bleicher 1999,
S. 9). Häufig wurde in der Anfangszeit - darin
ähnlich der alten Tradition des Dokumentarspiels
- ein realer Sensationsfall aufgegriffen, der noch
nicht lange zurücklag (Kindesentführung, Amoklauf, Vergewaltigung einer Minderjährigen etc.).
Weiterhin wurde wenigstens ein bekannter
Schauspieler eingesetzt, um auf diese Weise eine
zusätzliche Zuschauerbindung zu erzielen.
Entscheidend war ein neug"1erig
machender Titel (..Du hast mir meine Familie
geraubt", .,Blutige Scheidung" oder .,Eine Mutter
kämpft um ihren Sohn"). Denn die Maxime galt
und gilt: in den ersten drei Minuten, so ein Essential der Macher, muss das Publikum .,gefesselt"
sein und begierig den Ausgang der Geschichte
erfahren wollen. Die daraus folgende Ausrichtung
auf Trivialsteries lässt sich an den Titeln der NMovies erkennen. Das neue .,Format" betrieb
deutlich eine .,Boulevardisierung" des Fernsehfilms. Zusätzlich wurden Reihentitel erfunden wie
. .,Der großeTV-Roman" oder .,Der große SAT.1Film", die Erwartungen wecken sollten.
Fernsehfilme werden gezielt auf ein
Publikum und dessen potenzielle Bedürfnisse hin
produziert. Alicia Remirez, Leiterin der Abteilung
EigenproduktionlN-Movie bei SAT.1: .,Auf der
Suche nach den frauenaffinen Geschichten hilft
es, sich ein Bild unserer Zuschauerin zu machen:
Unsere imaginäre Zuschauerin ist 25 - 45, arbeitet acht. Stunden, z. B. an der Kasse eines Supermarktes, hat zwei Kinder, die sie nach ihrem
Vollzeitjob versorgen muss, und ist abends zu
müde, um ins Kino zu gehen oder ein Buch zu
lesen. Sie sitzt vor dem Fernseher, um sich entspannen zu können - sie will eine Geschichte
erleben, die sie emotional und intellektuell
erfüllt, ohne sie allzu sehr anzustrengen, denn
der Alltag ist anstrengend genug. Unsere
Zuschauerin wird sich nicht unbedingt für einen
Film entscheiden, der das Alkoholproblem eines
60cjährigen Arbeitslosen· thematisiert. Die
Geschichte einer jungen Kommissarin, die ein
erotisches Verhältnis zu dem Hauptverdächtigen
eingeht und dadurch selbst in Gefahr gerät,
dürfte sie hingegen interessieren." (Aiicia
Remirez 2000, S. 176)
DRAMATURG 2/2000 I Seite 8
N-Movies sind synthetisch hergestellte Fernsehfilme, die eine Reizakkumulation
betreiben. Sie operieren mit .,Ausstattungswerten" und Schaueffekten, wobei sie sich nicht die
großen Ausstattungen des Kino-Biockbusters
Hollywoods leisten können, aber so tun, als
könnten sie es.
Ein gutes N-MoviecDrehbuch .,reflektiert gewöhnlich die wirtschaftlichen Ziele eines
Senders, das .heißt, es weckt und fesselt das
Interesse der Zielgruppe. Das gleiche gilt für
den entsprechenden Film. Ich betrachte das
N-Movie als die kommerziellste Filmart, in dem
das sehr starkam Kommerz orientierte Medium
Fernsehen um ,Käufer' wirbt. Anders als ein
Kinofilm, der verschiedenste Vermarktungs möglichkeiten im in- und Ausland besitztwie Kinoauswertung, Free- und Pay-N, Video,
sequels und spin-offs, Merchandising, die Herausgabe eines Romans zum Film, die Ausstrahlung auf Langstreckenflügen :, haben N-Movies
nur eine echte Chance: die Fernsehausstrahlung." (Sam Davis, ehemaliger RTL-Ressortleiter
N-Movie, 2000, S. 28)
Auch wenn es künstlerisch interessante N-Movies (z. B, Nico Hofmann .,Der Sandmann" bei RTL 2) gab und gibt, sind N-Movies
Gebrauchsware, zum sch~ellen und rückstandslosen Verbrauch bestimmt. Sam Davis: .,Das NMovie muss dem entsprechen, was es zu sein
vorgibt, nicht mehr und nicht weniger. Um dies
zu erreichen, arbeiten wir vom pitch bis zur Ausstrahlung mit Themen, die sich leicht in Filmtitel,
in drei bis vier Sätzen oder einem Standbild vermitteln lassen, sowie später in zehn, fünfzehn
oder dreißig Sekunden langen Trailern und
schließlich in einem N-Movie." (Sam Davis
2000, s. 31)
N-Movies werden also vom Titel her
konzipiert, diese müssen den Zuschauer neugierig machen. Danach werden sie weiterentwickelt
und mit Zuschauer-bindenden Reizen verkoRpelt. Die Inszenierung setzt oft schockartig wirkende Schnitte, überraschende Umbrüche und
grelle Gewaltszenen ein . .,Im Zeitalter des Zapping ersetzt dabei Kurzzeitspannung die großen
spannenden Geschichten. Doch di.e bisherige
Addition visueller Reize, die Wiederholung aufwendiger computersimulierter Explosionen,
nutzt sich schnell ab. Da nützt es wenig, wenn
dasselbe Auto oder Haus gleich viermal explo-
diert (gezeigt aus unterschiedlichen Kameraper-
nachhaltig durchgesetzt. dass die konventionelle
spektiven) oder das Blut des Opfers in Zeitlupe
Dramaturgie Grundvoraussetzung eines erfolg-
spritzt. Im Vergleich zu der Fülle visuell attrak-
reichen Unterhaltungsfilms sei.
tiver Sex- und Gewaltakte sind stringent erzähl-
Die WDR-Fernsehfilm-Lektorin Andrea
te spannende Handlungen und interessante, da
Hanke betont, dass solche Modelle wie die von
differenzierte Charaktere, selten geworden."
Syd Field -zur Überprüfung von Drehbüchern in
(Bleicher 1999, S. 9)
Die Geschichte selbst wird zumeist
den Sende;n angewendet werden und dass .. sich
gerade das weitverbreitete Drei-Akt-Modell nach
linear erzählt. Die Handlung entwickelt sich
Syd Field mit seinen präzisen Seitenangaben für
nach sehr formalisierten Mustern, für die es
die entscheidenden Wendepunkte der Geschich-
_inzwischen zahlreiche, immer gleiche Drehbuch-
te für eine rein mechanische Überprüfung"
anweisungen gibt. Verständlichkeit des Hand-
anbietet. Natürlich bleibe es nicht dabei, und es
lungsgeschehens- also das Befolgen stark
erscheint ihr auch nicht immer sin"nvoll, weil sie
konventionalisierter dramaturgischer Muster -
statt dessen eine andere Dramaturgie für besser
ist durchgängig erwünscht.
Ist von Dramaturgie im 1V-Movie die
hält, von der sie aber auch behauptet. sie sei
ähnlich grundlegend: "Differenzierter und stär-
Rede, ist nur noch die aristotelische (oder auch
ker inhaltlich angelegte Modelle wie die ,Hero's
tektonische) Dramaturgie des formalisierten,
Journey', die ein aus der Mythenforschung
weitgehend linearen Handlungsaufbaus gemeint,
abgeleitetes Konzept für die Entwicklung der
wie sie sich in zahlreichen Varianten von Aristo-
Hauptfigur anbietet, liefern. hier bessere
teles bis zu Gustav Freytag durch gehalten hat
Anhaltspunkte, um· über die reine Kritik hinaus
und nun in den Drehbuch-ManualszurNorm
auch noch zu konstruktiven Verbesserungsvor-
erklärt wird. Die verbreitetste Version stammt
schlägen zu gelangen." (Hanke 2000, S. 187)
von Syd Field ("Das Drehbuch"), dessen deutsche
Was meint Andrea Hanke mit .. Hero's
Version von den Fernsehfilmdramaturgen
Journey"? Im Jahr i949 schrieb Joseph Campbell
Gunther Witte, Gebhard Henke und Andreas
das Buch ..The Hero with a Thousand Faces", das
Meyer (schon in der 7. Auflage) herausgegeben
1978 auf Deutsch unter dem Titel "Der Heros in
wird.
tausend Gestalten" erschien. Darin wird im
Dramaturgie heißt hier im wesent-
Rückgriff auf C. G. Jung die These entwickelt,
lichen: Exposition, Wendepunkt, Steigerung,
dass alle großen Geschichten der Menschheit
Höhepunkt, erneuter Wendepunkt, Auflösung.
·letztlich einem einzigen Schema folgen, das aus
Syd Field ist beliebt, weil er klare und scheinbar
einer Reise eines Helden durch zwölf Stationen
erfolgreiche Anweisungen gibt: Die Exposition
besteht. Alle Erzählungen und Dramen ließen
(setup) umfasst die ersten 30 Seiten des Dreh-
sich letztlich auf dieses eine Schema zurück-
buchs (die ersten zehn Minuten des Films). auf
führen, da es letztlich mythischen Ursprungs
Seite 2S bis 27 muss der erste Wendepunkt
sei.
(plotpoint) eintreten. Die Steigerung oder Schür-
Weil hier der Anspruch erhoben wird,
zung des Knotens (confrontation) findet auf den
ein universales Modell für alle Geschichten
Seiten 30 bis 90 statt, der Höhepunkt wird zum
gefunden zu haben, hat es vor allem in der
midpoint, die Lösung durchbricht ein retardie-
Drehbuch-Branche Hollywoods Aufsehen erregt,
rendes Moment (plot point II), und die Katastro-
ließ sich doch damit auch eine Dramaturgie für
phe wird bei ihm zur Auflösung, die von Seite
den Film schaffen, die versprach, geradezu
90 bis 120zu dauern hat und als Untergang
zwangsläufig weltweit erfolgreich zu sein.
oder Happy Ending vor sich zu gehen hat. Das
Der Drehbuchberater Christopher
Modell ist stark schematisiert; Syd Field behaup-
Vageier hat aus Campbeils Ansatz ein Anwei-
tet apodiktisch: "Alle Drehbücher folgen dieser
sungsbuch für Drehbuchautoren gemacht: "The
gradlinigen Struktur." (Syd Field 2000, S. 13)
Writer's Journey. Mythic Structures for Writers",
Natürlich gibt es zahlreiche Beispiele
das 1997 auch auf Deutsch erschien: "Die Odys-
namhafter Filme, die Film- und Fernsehgeschich-
see des Drehbuchschreibers. Über die mythologi-
te gemacht haben und nicht diesem Muster
schen Grundmuster des amerikanischen Erfolgs-
folgen. Gleichwohl hat sich die Auffassung
kinos" (2. Aufl. 1998).
DRAMATURG 1/2000 I Seite 9
Das Konzept kann hier nur angedeutet werden: Der Held wird von einem Herold
zum Abenteuer aufgefordert und von einem
Mentor unterstützt; er trifft bei seiner aben-
wenig Wert gelegt; von diesen Konzepten grenzt
sich gerade der Fernsehfilm als TV-Movie entschieden ab.
teuerlichen Reise (Vorbild: das Abenteuer, die
Aventiure) auf einen Schwellenhüter, der ihm
den Zugang zu einem Geheimnis verwehrt. Er
wird von einer Schattenfigur, einem Gegenspie-
5.
TV~Movie:
Genrefilm statt Autorenkonzept
Das TV-Movie ist vor allem ein
Genrefilm. Es setzt auf .,Genreklarheit". (Remirez).
was einen Mix von Genreelementen nicht aus-
ler, herausgefordert, den er besiegt. Als weitere
Figuren gibt es den Gestaltwandler, der ihn in
Zweifel stürzt, und den Trickster, der den Helden
schließt, wenn sie als Reizakkumulation auftreten . .,Erotikthriller oder Thriller mit stark melo-
begleitet und oft komische Aspekte einbringt.
Die Stationen der Reise (die als Dramaturgie von Episoden zu denken ist, aber auch
dramatischen Momenten sind wesentlich erfolgreicher als kalte ,Serienkiller-Thriller:" (Remirez
2000, s. 178)
in einer Handlungsführung nach aristotelischem
.,Da es jede Woche ein neues Movie
Muster enthalten sein kann) sind:
geben und keine anhaltende Beziehung zwiAusgang ist(1) die gewohnteWelt, ·
schen Zuschauer und Darstellern entstehen
aus der der Held stammt. Er erhält (2) einen Ruf
würde, wie beispielsweise bei Serien, mussten
zum Abenteuer; der (3) meist mit einer Weigewir in den Köpfen der Zuschauer verankern, dass
rung des Helden beantwortet wird. Der Held
sich ein roter Faden. durch alle unsere Movies
begegnet (4) einem Mentor, der ihn berät und
ziehen würde: eine vorprogrammierte, positive
zur Reise rät. Die Reise beginnt, und es findet (5)
emotionale Erfahrung." (Sam Davis 2000, S. 33)
ein Überschreiten der ersten Schwelle statt, hinDer RTL-Ressortchef Sam Davis unter. ·scheidet folgende Genres der TV-Movies, die RTL
ter der es kein Zurück mehr gibt. Nun ereignen
sich (6) Bewährungsproben, der Held trifft auf
seit Mitte der neunziger Jahre im deutschen
Verbündete und Feinde. Er dringt dann (7) zur
Fernsehen etabliert und benutzt hat: Women in
tiefsten Höhle vor, in der er auf den Gegner
Jeopardy (Frauen in Gefahr) handelt von ganz
trifft; dort kommt es (8) zur entscheidenden Prünormalen Frauen, die in extreme Situationen
fung in der Konfrontation und Überwindung des
geraten (.,Du hast mir meine Familie geraubt",
Gegners. Der Held wird (9) belohnt (indem erz. B.
.,Blutige Scheidung"); das Melodrama: Eine
das Schwert ergreift, den Schatz oder das Elixier
Person versucht vergeblich, etwas Bestimmtes
raubt). Er macht sich (10) auf den Rückweg;
zu erreichen oder erkrankt tödlich usf. (.,Das
dabei kommt es zur Auferstehung des Helden
Schicksal der Lilian H."; .,Zwei Leben hat die
(11), da er durch das Abenteuer zu einerneuen
Liebe"); Disease of the Week (Krankheit der
Persönlichkeit gereift ist. Danach findet (12) eine
Woche), wozu Filme wie z. B. .,Das Baby der
Rückkehr mit dem Elixier statt (Vogeler 1998).
schwangeren Toten" oder .. Schlag weiter, kleines
Über den Kinofilm sind solche DramaKinderherz" gehören. Dieses Genre ist sicherlich
turgie-Rezepte auch zum Fernsehfilm gelangt,
das am meisten produzierte und erfolgreichste
wie Andrea Henkes Hinweis zeigt. Sicherlich lasGenre. Das Gesellschaftsdrama erörtert stärker
sen si~h zahlreiche filmische Geschichten auf ein
die sozialen Konflikte nach einem Schicksalssolches Schema beziehen, doch ist zu bezweischlag (..Vergewaltigt -·eine Frau schlägt
feln, ob damit wirklich alle .,guten" Filme, wie
zurück"). Der Thriller ist ebenfalls stark vertreten
behauptet wird, zu erfassen sind. Ganz sicher
und wird von Davis in den Kriminal-Thriller, den
gilt eine solche Dramaturgie nur für den unterFamilien-Thriller, den Erotik-Thriller und den
haltenden Mainstream-Film. Doch schon die
Science-Fiction-Thriller unterteilt. Weitere Gengroßen Filme des europäischen Kinos lassen sich
res sind der Actionfilm und der Katastrophendamit nicht erklären. Filme von Kluge, Godard,
film, die in der TV-Movie-Produktion aufgrund
Fellini, Bergman verweigern sieh einer solchen
der beträchtlichen Produktionskosten eher randc
ständig sind;
Dramaturgie. Aber auf derartige Autorenfilme
des europäischen Kinos und die in ihnen enthaltenen Dramaturgiekonzepte wird auch heute .
DRAMATURG 2/2000' I Seite ·10
Deutlich lässt sich an den von Davis
für RTL aufgezählten Genres erkennen, dass sie
Deutscher Bühnenverein
. . . · Bundesverband Deutscher Theater
•
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doch möcht' ich
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Frauen im Film- urid
· Fernsehgewerbe sind
massiven Vorurteilen
ausgesetzt: "Produktionsfirmen und Fernsehsender trauen· es
Frauen oft nicht zu,
sich am DrehOrt gegenüber Schauspielern
und anderen Mitarbeitern durchzusetzen",
heißt es in einer Studie des nordrheinwestfälischen Kulturministeriums und der
Filmstiftung NRW.
Deshalb könne nur bei
jeder fünften Produktion eine Frau Regie
führen. Dagegen
werde jede zweite
Redaktions- oder Pro- ·
·duktionsaufgabe von
Frauen erfüllt. Auch
suche man.an der
Spitze von Produktionsfirmen und· Fernsehsendern Frauen
meist vergeblich. Vierzig Prozent der Drehbücher für Kino- und
Fernsehfilme sowie
fiktionale Serien würden mittlerweile von
Frauen geschrieben.
Darin gehe es verstärkt
um .. Frauenstoffe",
weil die Hauptzielgruppe von Fernsehfilmen weiblich sei.
AP
so grundsätzlich nicht auseinander liegen, sondern sich auch sehr gut unter das Stichwort
.,Sex and Crime" bündeln lassen.
Entscheidender ist, dass sich mit dem
N-Movie überhaupt das Genreprinzip nachhaltig durchgesetzt hat Darin liegt vor allem die
Differenz zum Fernsehfilm älterer und vor allem
öffentlich-rechtlicher Provenienz, dass das Autorenkonzept, das eben auch im deutschen Fernsehfilm lange Zeit dominant und von der Kritik
immer wieder in der Forderung nach erkennbaren stilistischen .,Handschriften" der Regisseure
eingeklagt worden war, jetzt durch die GenreDominanz abgelöst wurde. Hierin liegt der
konzeptionelle Bruch, der sich in den neunziger
Jahren vollzogen hat Deshalb Jassen sich auch
so schwer Traditionslinien zurück zum Fernsehfilm ziehen.
Und dass für viele Funktionen und
Formen inzwischen englische Begriffe verwendet
werden, hat seinen Grund nicht nur darin, dass
diese modischer und dynamischer klingen als
vergleichbare deutsche Begriffe, sondern vor
allem auch darin, dass sich das Genreprinzip mit
seinen in den USA vorher bereits deutlich herausgebildeten Formen durchgesetzt hat
Sicherlich gibt es auch heute noch
Regisseure, die eigenwillige Handschriften zeigen. Sie haben sich kraft ihres Kunstwillens trotz
der Genre-Orientierung durchgesetzt Sie wird es
auch weiterhin geben. Uwe Kammann von epd
medien zum Fernsehfilm: .,Gegen befürchtete
Simplizität ?tehen, damals wie heute, Namen.
Von Verantwortlichen, von Machern. Auf allen
Ebenen. Nehmen wir heutige Regisseure: Hartmut Schoen, Adolf Winkelmann, Wolfgang
Becker, Uwe Frießner, Hermine Huntgeburth,
Bernd Schadewald, Christian Görlitz, Jo Baier,
Ralf Huettner, Yüksel Yavuz, Heinrich Breloer,
Max Färberböck, Andreas Dresen, Nico Hofmann,
Dominik Graf- ein paar Nall)en in lockerer
Reihe, so wie sie mir gerade einfallen." (Kammann 2000)
.. Bei ·den N-Movies lässt sich auch
eine inhaltliche Verschiebung gegenüber den
Fernsehfilmen öffentlich-rechtlicher Herkunft
erkennen, und die öffentlich-rechtlichen AnstiJIten sind inzwischen auch zu Teilen auf das NMovie-Konzept umgestiegen: Grundsätzlich hat
sich auch die Haltung des Fernsehfilms gegenüber seinen Figuren und seinen Sujets gewanDRAMATURG 2/2000 I Seite 12
delt Das Fernsehspiel der sechziger Jahre mit
seiner Erkundung der bundesdeutschen Realität
hat sich· noch vor allem auf ctie Seite der kleinen
Leute geschlagen, hat den Benachteiligten des
Lebens und den in der Gesellschaft zu kurz"
Gekommenen seine ganze Anteilnahme und
Aufmerksamkeit geschenkt Der Kritik der Karrieremacher stand die Sympathie für die Looser
gegenüber. in den neunziger Jahren gilt das
Interesse den Erfolgreichen, denen, die sich
irgendwie durchschlagen, die sich gegen bessere
Einsicht frech behaupten, die auf Normen pfeifen, aber dennoch oben auf sind. Die poetische
Gerechtigkeit gilt den Jungen und Aufbruchbereiten, gilt den ganz schrägen Figuren und
denen der gehobenen Mittelklasse, die sich als
Trendsetter verstehen. Die kleinen Verkäuferinnen und Angestellten sind dem Fernsehfilm
heute eher wieder suspekt Graue Mäuse sind im .
Fernsehfilm - schon gar im N-Movie der kommerziellen Anbieti"- unbeliebt Der Fernsehfilm
ist schon längst eingeschwenkt in die schöne
neue Konsumwelt der Giltzerfassaden und Großstadt-Highways. Als unterhaltsam gilt nicht der
Alltag in der Bergarbeitersiedlung, sondern das
Surfen durch die Szenerien der Passagen, der
Fernsehstudios, das Leben in den Urlaubswelten
·und in den exotischen Kreuzfahrtmilieus."
(Hickethier 1996, S. 26)
Problemgeschichten mit Autoren-·
handschriftsind-zumindest als Tendenz- in
den Sendern weniger gefragt, statt dessen mehr
Genregeschichten mit Neugier weckenden Sensationsan reizen.
6. Struktuelle Verschiebungen:
vom Dramaturgen zum Producer
Das Berufsbild des Dramaturgen im
Fernsehen (Fernsehspiel/Fernsehfilm) war immer
schon umstritten. Der Fernsehkritiker Claudius
Seid I 1991: .,Überhebliche Regisseure, größenwahnsinnige Pieduzenten und selbstgefällige
Kritiker haben das Kino zur Strecke gebracht (. .. )
in den Spielfilmredaktionen des Fernsehens
hocken die Schreibtischtäter. Könnten sie inszenieren, wären sie Regisseure geworden. Könnten
sie schreiben, hätten sie sich als Drehbuchautoren oder Journalisten versucht Könnten sie
reden, hätten sie längst ihre eigene Talkshow.
Immerhin: Das Leben des Fernsehredakteurs hat
einen Sinn, wenn er einem Autor erklären kann,
warum sein Drehbuch nichts taugt. Wenn er am
Set herumstolzieren und dem Regisseur ins
Handwerk pfuschen kann. Wenn er in langen
Briefen erläutern darf, warum dieser oder jener
Aspekt <noch klarer herausgearbeitet werden>
muss. Und wenn er schließlich ein Filmprojekt
von allen provokanten und leidenschaftlichen
Momenten befreit hat, braucht er auch nicht zu
befürchten, dass der Vorgesetzte zürnen .könnte.
Schließlich will er ja selbst Abteilungsleiter
werden. Die Korrespondenzen junger deutscher
Filmemacher mit den zuständigen Fernsehredakteuren lesen sich wie Protokolle des galoppierenden Schwachsinns." (Ciaudius Seid I: Tödliche Kicks. ln: Tempo 1991)
Solche Kritik an Dramaturgen. hat es
immer schon gegeben, sie stößt sich nicht
zuletzt daran, dass der Dramaturg gegenüber
Autor und Regisseur auch das Interesse des produzierenden und Geld gebenden Senders und
des Gesamtprogramms vertreten muss. Die Dramaturgen in den Fernsehfilmredaktionen der
Fernsehanstalten und der Sendeunternehmen
nennen sich häufig Redakteure, weil sie ähnliche
Aufgaben erfüllen wie die Redakteure, die für
nichtfiktionale Programmbereiche, also für
Dokumentationen, Nachrichten, Sportsendungen, Kindersendungen, Ratgeber, Shows usf.
zuständig sind. Sie betreuen Sendeplätze,
organisieren die Produktion von Sendungen,
engagieren Regisseure und Autoren, reden beim
Casting mit, begleiten die Herstellung des Films,
setzen diese intern für einzelne Sendepl~tze
durch, schreiben Presseankündigungen, organisieren "Making of..."-Sendungen und vieles
mehr.
Gebhard Henke, heute Fernsehfilmchef des WDR, schätzte die Zahl der für den
Fernsehfilm zuständigen Dramaturgen/Dramaturginnen auf 90 bis 100. Eine Umfrage unter 30
von ihnen ergab, dass sie fast alle Germanistik,
Philosophie und Theaterwissenschaft studiert
haben und zwischen 31 und 63 Jahre (im Durchschnitt 45 Jahre) alt sind. Henke: "Das hohe
Durchschnittsalter überrascht und verweist auf
die hoh.e lmmobilität des ,Dramaturgenstandes:"
(Henke 1991, S. 9)
Henkes Bild stammt aus der Zeit,
bevor die privatrechtliehen Sender wie RTL,
SAT.1 und Pro7 anfingen, selbst Fernsehfilme
DRAMATURG 2/2000 I Seite 13
herzustellen. Inzwischen hat sich das Bild des
Berufsstands verschoben. Viele - vor allem jüngere - Fernsehfilm-Dramaturgen sind aus den
Sendeanstalten zu kommerziellen Fernsehfilmproduzenten abgewandert.
Die Ursache liegt darin, dass die
Sendeunternehmen (öffentlich-rechtlich und
privatrechtlich) die Produktion von nicht-aktualitätsbezogenen Sendungen aus ihren Häusern
ausgelagert und an privatrechtliche Produktionsfirmen abgegeben haben, die diese dann
eigenverantwortlich herstellen. Dieses aus der
industriellen Produktion bekannte "Outsourcing"
hat auch in den Medien Platz ergriffen und
dient der Ökonomisierung der Programmplanung
und -produktion. (Die öffentlich-rechtlichen
Anstalten kennen dieses Verfahren ansatzweise
und ·weniger radikal seit den sechziger Jahren
mit der sogenannten Auftragsproduktion).
Diese Entwicklung folgt einem generellen Trend, deutlicher zwischen den programmproduzierenden und den programmausstrahlend.en Unternehmen zu unterscheiden. Die Programmproduzenten sind zwar ebenso wie die
Sender häufig in ein Konglomerat von Firmen
eingebunden, die einer Konzerngruppe angec
hören, dennoch wirtschaften sie jeweils auf
eigene Rechnung und werden dadurch zu einem
konzerninternen Wettbewerb angeregt. Auch die
öffentlich-rechtlichen Fernsehunternehmen
haben sich auf diese Weise in ein.e Vielzahl einzelner Firmen aufgespalten, die von Holdings
wiederum zusammengehalten werden (so z. B.
bei Studio Hamburg, Bavaria, aber auch bei
Studio Babelsberg). Die Fernsehfilmproduzenten
entwickeln jetzt selbst Stoffe und Geschichten,
die sie dann den einzelnen Redaktionen sowohl den öffentlich-rechtlichen als auch den
privatrechtliehen -anbieten.
Das führt dazu, dass sich die traditionelle Dramaturgenrolle im Fernsehfilm verändert: Sie spaltet sich auf zwischen dem Redakteur im Sender, der nun mehr Produktionen
digen, tritt mit dem Outsourcing auseinander:
Der Sender-Redakteur vertritt gegenüber dem
· Firmen-Producer die Senderinteressen und der
Producer gegenüber dem Redakteur die Firmeninteressen. Dramaturgie droht damit, zum Verkaufsgespräch zu werden.
"Produzent und Redakteur sind wie
zwei Schiffe in der Nacht. Der Produzent hat
eine ganze Ladung Geschichten an Bord, und der
Redakteur ist der Freibeuter. Wenn sie zueinan. derfinden, beginnt eine seltsame, eiriem Tan·go
nicht unähnliche Beziehung mit fatalistischen,
·romantischen Gesten. (... ) in etwa 99 Prozent der
Fälle versenkt der Redakteur das Schiff des Produzenten und segelt weiter, auf der Suche nach
einem anderen Schiff, dessen Ladung ihn wirklich
interessiert. in dem besagten einen Prozent der
Fälle, in dem ein Projekt akzeptiert wird, wird der
Tango hitzig und schweißtreibend ... und dennoch ist zu diesem Zeitpunkt noch keineswegs
sicher, ob auch tatsächlich ein Film aus dieser
Verbindung entsteht." (Sam Davis "2000, S. 77)
Die Dramaturgen, die im Auftrag des
Produzenten arbeiten, heißen jetzt Producer und
sind .für die Entwicklung von Stoffen und ihre
Konzeptionierung (developmentL aber auch für
die Realisierung 'durch Drehbuchautoren und
Regisseure zuständig. Die Exposes werden den
Redaktionen angeboten und dann in deren
Auftrag weiter realisiert.
Die Verlagerung der Dramaturgie ·zu
den Filmproduktionsfirmen führte auch dazu,
dass die Dramaturgien (bzw. die Filmproduzenten'mit ihren Producern) zueinander.in Konkurrenz treten, um von den Sendern Aufträge zu
erhalten. Dadurch wird zwangsläufig auch eine
Tendenz zum Spektakulären in der Gestaltung
der Filme gefördert, die Reizakkumulation wird
durch den Kampf um den Auftrag .noch erhöht.
in der Entwicklung von Stoffen, die in
den· Filmproduktionsfirmen stattfindet, richten
sich die Producer und die Filmproduzenten
duktionsfirllla, der den Stoff entwickelt, ihn zur
"Produktreife" bringt und auch seine Realisierung überwacht. Die früher einmal vom Drama-
schon auf die jeweiligen Progra.inme aus, orientieren sich an deren Sendeplätzen und den hier
anvisierten Zuschauergruppen. Dennoch bieten
sie ihre Projekte grundsätzlich sowohl den
öffentlich-rechtlichen als auch den privatrechtliehen Redaktionen an. Von der Kritik wird viel-
turgen verkörperte Doppelfunktion, dem Autor
gegenüber die Senderinteressen zu vertreten
und im Sender die Autoreninteressen zu vertei-
fach davon gesprochen, dass hier eine "Konvergenz" zwischen den öffentlich-rechtlichen und
den privatrechtliehen Sendern stattfinile. Die
"betreut", weil sich sein Aufgabenbereich reduziert, und dem Producer bei der Fernsehfilmpro-
DRAMATURG 2/2000 I Seite 14
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Gegenposition formulierte der ehemalige NDR. Programmdirektor Dietrich Schwarzkopf: Gerade
der Fernsehfilm sei "systemneutral" (also nicht
entweder dem öffentlich-rechtlichen oder dem
privatrechtliehen Rundfunksystem zuzurechnen).
weil er eben doch noch von Autoren und Regisseuren geprägt werde. Das wiederum zeigt, dass
der Trend zum TV-Movie eben kein rein privatrechtlicher ist, sondern mit der allgemeinen Entwicklung des Mediums Fernseher> zusammenhängt.
. 7. Daily Soap statt Serie
Das Überangebot amerikanischer
Kinofilme und Serien in den Kommerzsendern
wie RTL, SAT.l, Pro7 u. a. hatte Anfang der
neunziger Jahre Überdruss bei den Zuschauern
erzeugt. 'Die durchschnittlichen Einschaltquoten
für .amerikanische Serien und Filmproduktionen
lagen unter denen deutschsprachiger Produktionen, so dass sich RTL zur Eigenproduktion
entschloss. RTL konnte auch nicht wie der KirrhSender SAT.l auf einen Lagerbestand preiswerter
Produktionen zurückgreifen. so dass RTL neue
Programmideen produzieren musste, um die
Marktführerschaft längerfristig zu erhalten.
Mit der Produktion der ersten deutschen täglich ausgestrahlten Serie, einer so
genannten Daily Soap, gelang es RTL, ein neues
Format im Angebotsmarkt zu etablieren. "Gute
Zeiten, schlechte Zeiten" erwies sich als dauerhaft erfolgreiche Serienform.
Wie unterschieden sich die Daily ·
Soaps von den bis dahin staffelweise produzierten öffentlich-rechtlichen Serien?
Eine für das deutsche Fernsehen völlig
neue Form der Dramaturgie entstand. Es gab
nicht mehr eine durchkonzipierte Handlung.
deren Ende schon zu Beginn bekannt war und
die kunstvoll längerfristig angelegte Handlungsformen entfaltete, sondern jetzt wurden Erfolgsmotive synthetisch zusammengefügt und aktuell
- nach Bedarf der Quotenentwicklung -variiert.
Zwar wendeten dieses Prinzip schon die ZDF"Schwarzwaldklinik" und auch die "Lindenstraße"
erfolgreich an, aber die Daily Soaps radikalisierten das Verfahren, weil es der Produktionsweise
eines täglich neu (wenn auch zeitlich versetzt
mit der Ausstrahlung) produzierenden Apparats
entsprach.
DRAMATURG 2/2000 I Seite 16
Dramaturgisches Modell ist die sogenannte Zopfdramaturgie: ln einer halbstündigen
Folge werden drei verschiedene Handlungsstränge zusammengeführt und- zopfartig- miteinander verflochten. Dabei ist in der Regel ein
Handlungsstrang dominant, ein anderer wird
beende! oder auch ein neuer angefangen. Diese
Handlungsstränge werden in. 20 bis-22 Sequenzen unterteilt, so dass eine Sequenz kaum zwei
Minuten dauert (vgl. Geißendörfer 1990). Der
ständige Wechsel erzeugt ein rasches Erzähltempo und den Eindruck ständigen Geschehens.
Damit wird gleichzeitigverdeckt, dass sich
zumeist keine Handlungen wirklich ereignen,
sondern nur über sie gesprochen wird. Diese
Dramaturgie ist aufgrundder dann komplexen
Verflechtung artifiziell, weil sie auf Anschlüsse
und glaubwürdige Parallelführungen achten
muss und (so bei der "Lindenstraße") oft noch .
in der einzelnen Folge eine thematische Verklammerung der verschiedenen Handlungs·stränge kennt.
Von der Genregestaltung her dientvor allem in den privatrechtliehen Daily Soapszumeist eine melodramatische Grundstruktur als
Basis. Sie wird· mit Krimi-Elementen angereichert,
die Handlung zum einem durch kurzfristige
Höhepunkte beschleunigt, zum anderen aber
auch zerdehnt, weil in den Folgen von Tag zu
Tag ständig alles noch einmal beredet werden
muss. Die "Zopfdramaturgie" aus mehreren parallel geführten Handlungssträngen schafft eine
sehr kleinteilige Episodenstruktur mit pointenhaft gesetzten Kleinsthöhepunkten, wobei sich
die Episoden b_eliebig oft durch Werbung unterbrechen lassen. Von langer Hand vorbereitete
Entwicklungen sind hier nicht angesagt und
auch bei den meist jugendlichen Zuschauern
nicht erwünscht: Es ging und geht um schnelles
Reagieren auf alle möglichen neuen Einfälle und
Überraschungen.
Wird "Lindenstraße" einmal wöchentlich (Weekly Soap)·ausgestrahlt, so erscheint
eine DailySoap fünfmal die Woche. Das aus dem
angelsächsischen Raum übernommene Konzept
dieser Serienform wurde abgewandelt: Richteten
sich die Daily Soaps in den USA, Australien und
Großbritannien vornehmlich an Hausfrauen, so
wandte sich die deutsche Version vor allem an
Jugendliche, indem die Geschichten in jugendliche Milieus gelegt und von jugendlichen Laien-
darsiellern gespielt wurden. Die erste Soap .,Gute
zepte (etwa im Sinne von Treatments) fertig,
Zeiten, schlechte Zeiten" handelt von einer
werden sie an einen Scripteditor weitergegeben,
Gruppe von Jugendlichen auf dem Wege zum
der an Autoren diese Treatments weiterreicht;
Erwachsensein, ein Teil hatte gerade das Abitur
sie stellen daraus fertige Drehbücher (..Dialog-
hingeworfen und laviert sich nun durch eine
bücher") her, die wiederum von einem Head-
undurchsichtige Welt, mit viel Intrigen, Kata-
.writer überwacht werden, er stimmt die Bücher
strophen und ständigem Sichdurchschlagen. Das
init den Redakteuren ab, gibt Änderungswün-
traf offenbar die Weltsicht der damaligen
sche weiter und sorgt für eine möglichst genaue
Jugendlichen und hatte einen entsprechend
Abstimmung zwischen der Senderseite und dem
großen Erfolg. Dabei ergab sich ein paradoxer
produzierenden Unternehmen. Der Autor (rich-
Effekt: Die zumeist aufgrund fehlender Ausbil-
tiger die Autoren) der Serie sind nun ·die mehr
dung laienhaft gespielte Darstellung wurde von
oder weniger ausführenden Hilfskräfte einer
vielen Zuschauern als lebensecht empfunden,
redaktionell bis in Details vorstrukturierten
ebenso auch die oft unverhofften Wendungen
Gesamt- und Folgenkonzeption. Das einmal
der Handlung. Die Ballung der Sensationen und
bestehende Gegenüber von Dramaturg und
Katastrophen gab vielen jugendlichen Zuschau-
Autor hat sich zu einer arbeitsteiligen Textpro-
ern das Gefühl von Realitätsnähe, weil ihnen
duktion entwickelt, die zahlreiche Zwischen-
auch die Wirklichkeit als zunehmend wider-
schritte·enthält. .. Bei einem logistischen Wun-
sprüchlich, unberechenbar und bedrohlich
derwerk einer Soap Opera kann es nicht anders
erschien.
sein, als dass auch die Herstell~ng der Dreh.,Gute Zeiten, schlechte· Zeiten" wurde
bücher einer streng geordneten und zu befol-
zum dramaturgischen Erfolgsmodell, nicht
genden Logistik unterliegt." (Michael Esser,
zuletzt auch, weil es sich sehr viel kostengüns-
Soap-Autor 2000, S. 155)
tiger als eine normale Staffelserie produzieren
Eine durchkomponierte Geschichte,
lässt. Zwar sind die Einstandsinvestitionen durch
einen im Kunstraum aufscheinenden, in allen
die Schaffung eines kontinuierlich nur für die
seinen Teilen aufeinander bezögenen Kosmos
Soap genutzten Studios hoch, doch zahlt sich·
gibt es hier nicht mehr, weil eine in sich von
die Investition rasch aus, weil dann kaum noch
Anfang bis Ende gestaltete Geschichte, die vor
Veränderungen vorgenommen werden müssen.
Das quotenorientierte Produzieren
Drehbeginn im Drehbuch vorliegt, nicht existiert.
Dramaturgie versteht sich hier als.Konstruktion
von Soaps hat das dram,aturgische Denken in
einer Parallelwelt, die sich neben der Realität
den Sendern nachhaltig verändert, denn auch
der Zuschauer befindet, mit diesen altert, viele
die Öffentlich-Rechtlichen zogen bald mit eige-
Zufälligkeiten, Brüche und Ungereimtheiten
nen Soaps (..Marienhof", .,Verbotene Liebe")
besitzt, die sich zwangsläufig einstellen. So wie
nach. Entwickelt wird dabei eine Gesamtkonzep-
auch das Leben ist bzw. zu sein vorgibt. Für ein-
tion (storyline), innerhalb der die einzelnen Fol-
zelne Zuschauergruppen wird diese Parallelwelt
gen sich zu bewegen haben. Die fortlaufende
häufig zum Teil der eigenen Welt, weil sie mit
Produktion der Geschichten führt dazu, dass·
den Figuren so umgehen, als seien sie reale
Figuren und Konflikte auch quotenorientiert
Nachbarn im gleichen Mietshaus.
weiterentwickelt werden, d. h. über Fan-Clubs,
Hier hat sich also eine völlig neue
Fanzines, Befragungen der Zuschauer etc. wird
Dramaturgie entwickelt, die aufregelmäßige
erkundet, welche Darsteller ankommen und wel-
Produktion und Präsentation einer Abfolge
che nicht, und danach wird die weitere Produk-
unterschiedlicher Episoden angelegt ist. Es·
tion gesteuert
handelt sich um ein ständig weiter laufendes
Damit hat sich auch das Tätigkeitsfeld
Geschichtenband, das .,die" einmalige und
des Dramaturgen verändert und mit dem der .
begrenzte Geschichte eines Fernsehfilms in zahl-
Autoren vermischt. Denn ·zum einen gibt es den
lose Szenen auflöst. Die Szenen streben immer
Storyeditor und die Storyliner, die die einzelnen
wieder neuen Höhepunkten zu, bewältigen diese
Folgen konzipieren und entwerfen, die Figuren-
aber o'ft nicht, sondern setzen wieder. neu an
entwicklung planen und mit dem Gesamtkon-
und streben neuen Höhepunkten zu. Für den
zept der Serie abstimmen. Sind die Folgenkon-
Zuschauer ergibt sich daraus eine ständig neue
DRAMATURG 2{2000 I Seite 17
Stimulation durch Situationen, unerwartete
Begebenheiten,' Konflikte etc.
(Ein solches ästhetisches Konzept ist
Literatur
Joan ·Kristin Bleicher:
TV-Movies - What's
natürlich nicht wirklich neu -Vergleichbares
gab es schon bei der in Fortsetzung erscheinen-
the Difference.
den Kolportageliteratur und ihrer Lektüre durch
Dienstmädchen, Verkäuferinnen und Hausfrauen
der Jahrhundertwende, jetzt hat sich dieses
Muster auf alle Bevölkerungsschichten ausgedehnt).
Der zunehmende Zwang zum Realitätsanschein (Realität als das, was der Zuschauer als solche ansieht) bedeutet nicht. dass auf
die traditionellen Konstellationen und Erzählmuster, die das Gebrauchsdrama schon längst
entwickelt hat, verzichtet wird. Ihr Einsatz und
die Verwendung zahlreicher Darstellungsstereotypen ermöglicht ja erst das beschleunigte
Erzeugen von Konflikten und ihren Lösungen.
Beziehungskonflikte, Dreieckssituationen, Verzögerungen von Lösungen, unerwartete Begegnungen - das dramaturgische Repertoire wird
auch hier heftig geplündert. Der Realitätsanschein wird dadurch erzeugt, dass man für das
Spiel Laiendarsteller einsetzt. oft Bezüge zu
aktuellen Themen in die Drehbücher einbaut und
dass der Gegenwartsalltag der Großstädte und
ihrer Szenen nachgeahmt und auf wenige Handlungserle reduziert wird Uür jeden von uns ist
es sicher so, dass ein großer Teil dieses Alltags
sich eben genau so abspielt: als eine Geschichte
mit immer wiederkehrenden Orten, an denen·
ln: epd medien v.
5.4,1997, 3-4.
s.
Joan Kristin Bleicher:
Das kleine Kino.
Deutsche TV-Movies
der neunziger Jahre.
ln: epd medi.en Nr. 89
V. 13.11.1999, S. 5-10.
Joan Kristin Bleicher:
Zwischen Menschenzoo, Panopticon und
Dauerthe<iter. Inszenie-
rungsstrategien im
"Big Brother"-Haus
und ihre gesellschaftliche Funktionen.
ln: Medien und Kom-
munikationswissen-
schaft 48. Jg. (2000)
H. 4 (hier im Manuskript zitiert).
Joseph CampbeH:
The Hero with a Thousand Faces. New York
1949 (deutsch: Der
Heros in tausend
Gestalten,
Frankfurt/M. 1978).
Sam Davis:
Quotenfieber. Das
Geheimnis erfolgreicher TV-Movies.
Bergisch-Giadbach
2000.
,.Ein bisschen Kerstin
ist in jedem_ von uns".
"Big Brother" -·ein Talk:
Sighard Necke!, Detlef
Kuhlbrodt, Peter Körte
und HarryNuttim
Gespräch.
ln: Frankfurter Rundschau v. 8.6.2000, S. 20.
Michael Esser:
Die Daily Sriap.
ln: Syd Field u. a.: Drehbuchschreiben für Film
und Fernsehen. München 2000, S. 152-162.
Muster einer fiktionalen Serie inszeniert, war das
Ergebnis: die WDR-Serie "Die Fußbroichs" - und
von hier war es nur noch ein kleiner Schritt bis
zur Erfindung des neuen Formats: der Reality
Soap.
Das erfolgreichste Beispiel in
Deutschland ist bislang (aber inzwischen auch in
zahlreichen anderen Ländern, deren Fernsehsender dieses "Format" von der Produktionsfirma
Endemol in 'Lizenz erworben haben) "Big Brother': Eine Gruppe von Menschen wird in einen
Container gesperrt und von einer Vielzahl von
Kameras 24 Stunden am Tag beobachtet. Aus
den Aufnahmen wird eine tägliche Folge von
einer Stunde zusammengeschnitten. Die Figuren
sind nicht mehr nur Ergebnis der Inszenierung
der Urheber der Serie, sondern inszenieren selbst
mit- und das Publikum entscheidet am Ende,
wer sich am besten gehalten hat.
Für die Dramaturgie und den Beruf
des Dramaturgen bedeutet ein solches Fernseh'formal eine grundsätzliche Veränderung: Nicht
mehr .eine vorher konzipierte Geschichte wird in
Szene gesetzt und damit eine fn sich stimmige
eine begrenzte Anzahl von Figuren in immer
wieder neuen Varianten ähnl.iche Geschichten
erlebt." Michael Esser, Soap-Autor 2000, S. 155).
Das anhaltende Publikumsinteresse legt nahe,
dass es dafür offenbar einen Bedorf gibt.
c
8. Das neue Format: die Reality Soap
(.,Big Brother")
Der rasche "Verbrauch" von Geschich-.
ten in den Serien und Soaps erzeugte bei den
Sendern einen lnnovationsdruck, der zur Suche
nach neuen Ideen führte. Weil das Publikum
durch den großen Output an immer neuen Folgen und Geschichten nach und nach um die
Konstruktion solcher Muster weiß, wächst der
Druck auf die Erzeugung eines noch größeren
Realitätsanscheins. Eine Serie, die das reale
. Leben einer Familie zeigte, natürlich nach dem
.DRAMATURG 2/2000 I Seite 18
c
und kohärente Gestaltung erzeugt, es wird auch
keine Endlos-Fortsetzungsgeschichtevon
Storylinern, Skriptautoren etc. in Handlungsführung und Dialogen erfunden, sondern die
Figuren, die sich selbst spielen, erfinden ihre
Dialoge selbst, die Handlung ergibt sich aus dem,
was die Figuren innerhalb des Arrangements
selbst tun. Der Realitätsanschein hat sich
gegenüber den Soaps noch einmal verstärkt.
Denn auch hier geht es um Alltag, der dargestellt und inszeniert wird, wie in zahlreichen
Fernsehserien und Fernsehfilmen zuvor. Der
erhöhte Realitätsanschein lässt das hier Gezeigte
als Natur, als "bloßen Selbstlauf des Alltäglichen" (Sighard Necke!) erscheinen, obwohl die
Mehrzahl der Zuschauer weiß, dass dies inszeniert ist und sich die Figuren auch selbst inszenieren.
Vorgegeben ist wieder eine GesamtkonLerLiün, in der die ~us einer Vielzahl von
Bewerbern ausgewählten Darsteller sehr genau
in ihren gewünschten Eigenschaften festgelegt
werden. Außerdem gibt es Vorgaben, was die
Figuren in den Tagen und Wochen zu tun haben,
sie erhalten Aufgaben, es wird auch schon eingegriffen, wenn sich das Geschehen nicht wie
gewünscht entwickelt. Die Gesamtkonzeption
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Syd Field, Andreas
Meyer, Bunther Witte,
Gebhard Henke u. a.:
Drehbuchschreiben für
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München 2000
(7. Aufl.).
Hans W. Geißendörfer:
Wie Kunstfiguren zum
Leben erwachen - zur
Dramaturgie der "Lindenstraße':
ln: Rundfunk und Fernsehen 38. Jg. (1990)
Nr. 1, 5. 48-66.
Andrea Hanke:
Der Lektor.
· ln: Syd Field u. a.: Drehbuchschreiben für Film
und Fernsehen. München 2000, 5. 183-187.
Gebhard Henke:
Geheime Figur.
Der Dramaturg ein Ständebild.
ln: epd Kirche und
Rundfunk Nr. 35
v. 8.5.1991, 5. 7-10.
Knut Hickethier (1994):
Das Fernsehspiel oder
Der Kunstanspruch der
Erzählmaschinc; Fernsehen.
ln: Helmut Schanze/
Bernhard Zimmermann
(Hrsg): Das Fernsehen
und die Künste.
(Geschichte des Fernsehens der Bundesrepublik Deutschland, hrsg.
v. Helmut Kreuzer und
Christian W. Thomsen,
Bd. 2) München, Fink
Verlag 1994,
5. 303-348.
Knut Hickethier:
Das Fernsehspiel zwischen lV-Movie und
Fernsehdramatik. Zur
Situation einer Proar;~mmsparte Mitte der
neunziger Jahre.
ln: Birgit Peulings/
Rainer Maria Jacobs-
stellt eine Art Versuchsanordnung dar, in der
sich die Figuren zu bewegen haben.
Autoren im eigentlichen Sinne gibt es
nicht mehr (weil keine Dialoge geschrieben und
Handlungen entwickelt werden), aber es gibt
. den Konzeptionisten: Er ist Dramaturg im
vorgeführt wurden und Höhepunkte, Konflikte,
Katastrophen erlebten, jetzt über inzwischen
schon mehr als 15 Jahre hinweg. Ihre Urheber:
ein Regisseur als Produ.zent, Storyliner, Story-
eigentlichen Sinne. Hinzu kommen zusätzliche
Betreuer wie Psychologen etc., die den Verlauf
der Reality Soap begleiten. Sie geben offen und
verdeckt neue Impulse in das Geschehen, um die
Figuren· zu mehr Intensität, zu unerwartetem
Verhalten etc. zu stimulieren. So wurde z. B. in
..Big Brother" (I) Sabrina als neue Figur eingeschleust •. um mehr Sexverhalten bei einzelnen
Figuren zu provozieren, oder Verona Feldbusch
bekam einen Auftritt, um die öffentliche Aufmerksamkeit wieder stärker auf diese Reality
Soap zu richten. Der Dramaturg braucht Fähigkeiten wie ein Show-Redakteur. Wichtiger ist" ein
.. feeling" dafür, was das Publikum an überraschenden Aktionen, an Sexdarstellung und
Konfliktmanagement erwartet und wie diese
Erwartung innerhalb der Versuchsanordnung zu
bedienen ist. Literarische Kenntnisse - einst Voraussetzungen für die Dramaturgentätigkeit sind hier eher störend.
.. Der. Thrill von ,Big Brother' lag (. ..) in
der Inszenierung einer banalen sozialen Norma-
autoren, Dramaturgen. ln .. Big Brother" erleben ·
wir heute eine mit dramaturgischem Kalkül ausgewählte Darstellermannschaft. die zusammen-.·
gesperrt wird, dort Lebensgemeinschaft spielt
und dabei Höhepunkte, Konflikte und Katastrophen erlebt. ..,Big Brother' führt uns das soziale
Miteinander als einen einzigen großen Ausscheidungskampf vor." (Neckel 2000)
Szenen und Szenengefüge folgen
letztlich - wenn auch nicht so beziehungsreich
ineinandergefügt-im Grundmuster der Erzählstruktur der Serie. Aus den Aufnahmen täglichen
. Zusammenlebens der Selbstdarsteller im Container werden noch am gleichen Tag Szenen herausgeschnitten, digital gespeichert und zu einer
Folge zusammengebunden. Die Szenen werden
in der abendlichen Sendung (Dauer: eine Stunde
inklusive Werbung) jeweils durch einen Jingle
voneinander getrennt und miteinander verbunden. Dadurch entsteht eine komprimierte Handlungsabfolge, wie sie aus der Fiktion dem Publi-
lität begründet. Den Zuschauern bot mandabei
die gottähnliche Position an, von außen alles
durchschauen zu dürfen, die Schachzüge der
Akteure wie ein Analytiker mit gleichschwebender Aufmerksamkeit zu verfolgen. Aber eben mit
dem Webfehler, dass sich die Dramaturgen selbst
viel zu stark sichtbar gemacht haben." (Sighard
Neckel in .. Ein bisschen Kerstin ... " 2000)
Auch hier gibt es also·eine Dramaturgie, weil die jeweiligen eine Stunde dauernden
Zusammenschnitte der Aufnahmen des Tages,
.die am Abend gesendet werden, dem traditionellen Soap-Muster der Aneinanderreihung von
Szenen entsprechen. Hier wird das Konzept des
Fernsehfilms, die Realität der Zuschauer zu thematisieren und zu reflektieren, öufyeyriffen und
erneut radikalisiert.
.. Die Unverbesserlichen", eine NDR-
Ende der Euphorie. Das
deutsche Fernsehspiel
nach der Einigung.
Harnburg 1996,
Serie mit jährlich nur einer Folge, zeigte in den
sechziger Jahren den Alltag einer Familie, von
einem Drehbuchautor genau komponiert, mit
Höhepunkten, Konflikten, Katastrophen. Bei
5.
.. Lindenstraße" in den achtziger Jahren war es
Peulings (Hrsg.): Das
11-28.
ein ähnliches Konzept (die Mietshausgeschich.te),
bei der Familien und Lebensgemeinschaften
.DRAMATURG 2{2000 I Seite 20
kum vertraut ist. .. Die Sendungsfolgen kennzeichnet die gleichbleibende Handlungsabfolgen:
Gespräche, Essen, Garten, Tagesaufgabe, Haushalt, Körperpflege" (Bleicher 2000). Es wird viel
Alltag gezeigt, aber der Zuschauer erwartet, dass
ständig etwas passiert- und·irgendwann passiert es auch. Es ist die Erwartung, dass aus dem
Alltag herallseine Katastrophe entsteht, dass es
·zu .,hautnahen" Konflikten und Streitereien
kommt, und vor allem: dass sich zwei zusammenfinden, miteinander ins Bett steigen (wie
·Kerstin und Alex in ,,Big Brother") und dabei von
einer Infrarot-Kamera gefilmt werden.
Die Alltagsdarstellung wird dadurch
beschleunigt, dass das Geschehen mit ShowPrinzipien verbunden wird: Die Zuschauer können einzelne Mitglieder herauswählen, bis am
Ende ein Mitglied der Gruppe übrig bleibt, das
dann den ausgelobten Preis (250 000 DM)
erhält. Das schafft Konkurrenz zwischen den
Figuren, Span.nung und für die Zuschauer eine
finale Struktur der 100 Folgen. Das neue .. Format" ist also Resultat einer Mischung vorhandener Programmgattungen (Serie und Show), und
Uwe Kammann:
Der Quoten-Jäger. Wer
verachtet das Publikum: und wie? ·
ln: epd medien Nr. 70 v.
2.9.2000.
Harald Keller (1995):
Spielwiese der Stars.
TV-Movies - ein gattu ngsgesch ich tl ieher
Streifzug.
ln: Jah.rbuch Fernsehen
1994/95,5.9-18.
Jürgen Kellermeier:
"Stimmungsmac~e".
epd-lnterview.
ln: epd medien Nr. 67,
23.8.2000.
Fred Kogel:
Fernsehen als Puppenstube. Zum Erfolg von
"Big Brother". Interview.
ln: Der Tagesspiegel
15.7.2000.
Egon Netenjakob:
Vom Fernsehspiel zum
TV-Movie. Kritischer
· Rückblick auf die Karriere eines Genres.
ln: Tilmann P. Gangloff/
Stephan Abarbanell
(Hrsg.): liebe, Tod und
lottozahlen. Fernsehen
in Deutschland. Hamburg/5tuttgart 1994,
5. 359-368.
Alicia Remirez:
Schreiben für die
Privaten.
'ln: Syd Field u. a.: Drehbuchschreiben für Fe"rnsehen und Film. München 2000,5. 174-183.
Claudius Seid!:
Tödliche Kicks.
ln: Tempo 1991. ·
Christopher Vogeler:
Die Odyssee des
Drehbuchschreibers.
Über di~ mythologischen Grundmuster
d.es amerikanischen
Erfolgskinos.
Frankfurt/M. 1998.
es kennt im Hintergrund die Praxis der im Internet vorhandenen Webcams, die das Alltagsverhalten beliebiger Menschen 24 Stunden lang
täglich im Netz präsentieren, weil diese sich auf
diese Weise .. aufmerksamkeitsgeil" selbst präsentieren. Dass damit die Zuschauer zu einem
Voyeurismus angehalten werden, liegt auf der
Hand und ist in der öffentlichen Debatte ein
anhaltendes Thema.
Mit der Reality Soap ist also ein neues
.. Format" entwickelt worden, das ganz offensichtlich (sieht man auf die Nachfolgeproduktionen und die Zuschauerzahlen) sehr erfolgreich
ist. Hier ist eine neue Form des Fernseherzählens
gefunden worden. Eine, die sowohl narrativ ist,
als auch als Show funktioniert: Das macht ihre
Bedeutung aus, so dass sie auch von den Sendern so aufmerksam beobachtet wird, aber auch
deshalb weil diese Form der Fernsehunterhaltung in der Herstellung außerordentlich preiswert ist. Mehr als 120 Stunden Programm (wenn
man die Begleitsendungen dazu rechnet) werden
hier für den Preis von vier bis sechs Fernsehfilmen mit maximal 12 Stunden Programmumfang
produziert. So billig sind auf anderem Wege
kaum publikumsattraktive neue Sendungen zu
bekommen.
SAT.1-Chef Fred Kogel: .. Der Erfolg
von ,Big Brother' hat nicht nur mit der Trivialisierung des Fernsehens zu tun. Das hatten wir in
den Talk- und Gameshows auch schon. Möglicherweise hängt es mit einer völlig neuen Einstellung des Zuschauers zum Medium Fernsehen
zusammen." Und: .. ,Big Brother' zeigt den Wandel des Fernsehens zum absoluten Begleitmedium: Fernsehen läuft immer. Es ist reiner Konsum.
Wichtig ist dann nur; dass irgendetwas möglichst
Entspannendes läuft. Im Gegensatz zur fiktionalen Reizüberflut~ng, wo du jeden Arzt, jeden
Kommissar dieser Weit schon gesehen hast, hat
man hier das Einfache. Sich vor dem Fernsehen
nicht konzentrieren zu müssen, das boomt jetzt."
(Tagesspiegel15.7.00)
9. Die Dramaturgie des Fernsehfi.lms am Ende?
Die Ausdifferenzierung der Dramaturgie des Fernsehfilms zwischen Soap-Dramaturgie
und Kinofilmdramaturgie hat nicht dazu
geführt, dass der Fernsehfilm nicht mehr exisDRAMATURG 2{2000 I Seite·21
tiert und er auch nicht durch das TV-Movie restlos ersetzt wurde: Sicherlich hat er an Bedeutung verloren, weil der Fernsehfilm nicht mehr
die einzige fiktionale Form des Fernsehens ist.
Die anderen Fiktionsformen mit ihren unterschiedlichen dramaturgischen Konzepten sind im
öffentlichen Bild vom Fernsehen dominanter,
weil sie selbst- aus der Ökonomie heraus geboren - marktschreierischer und plakativer wirken.
Den Fernsehfilm, der mit anspruchsvollen,
sorgfältigen Inszenierungen eine individuelle
Geschichte außerhalb von Genre-Normierungen
erzählen will, gibt es aber weiterhin. Und er
findet auch sein Publikum. Denn .es ist nicht so,
dass anspruchsvolle Fernsehfilme - man denke
nur an den Mehrteiler .. Der Laden" 1999 - nicht
auch ein breites Publikum finden.
Die Dramaturgie des Fernsehfilms ist
deshalb nicht am Ende, es wird die spezifische
Form des Erzählens von Geschichten im Fernsehen in einer langsameren, einfühlsamen und
kunstvollen Dramaturgie und Komposition weiterhin geben. Doch sie ist nicht gratis zu haben,
sie muss auch gewollt. gefördert und entwickelt
werden. Fernsehfilme wie sie z. B. Heinrich Breloer (.. Die Staatskanzlei", .. Wehner" und demnächst .. Die Manns") dreht, sind Highlights des
deutschen Fernsehens. Breloer. hat eine spezifische Form gefunden, auf eine ganz fernseheigene Weise große Filme zu drehen. Mit derartigen
Highlights kann das Fernsehen in ganz anderer
Weise sein Image pflegen als mit der täglichen
Verbrauchsware der Soaps und TV-Movies.
. Breloer ist aber letztlich singulär im
deutschen Fernsehen. Das Fernsehen - und hier
besonders die öffentlich-rechtlichen Anstalten müssen auch andere Regisseure in der Entwicklung derartiger eigener Stile und Dramaturgien
ermutigen und fördern. Ansätze sind dazu vorhanden, Namen wurden schon genannt.
· Die Fernsehfilmredaktionen müssen
ihre Leistungen und ihre Erfolge auch offensiver
und deutlicher herausstellen. Dass.heute mehr
vom TV-Movie als vom Fernsehfilm in der
Öffentlichkeit geredet wird, hängt vor allem
damit zusammen, dass die privatrechtliehen
Sender für ihre Produktionen ein besseres Marketing entwickeln. Davon jedenfalls .könnten
auch die Öffentlich-Rechtlichen lernen.
Das Forum junge Dramaturgie
und die Workshops mit Autoren
Seit Januar 1997 gibt es innerhalb
Aufnahme in den
Adressverteiler
des Forums
junge Dramaturgie
per t-buck@web"de
der Dramaturgischen" Gesellschaft das Forum
junge Dramaturgie" Die Idee war, einen
Gesprächsraum zu schaffen, der jungen Dramaturgen und anderen Interessierten die Gelegenheit bietet, jenseits von pragmatischen Entscheidungen des Theaterbetriebs neue Stücke zu
" lesen und diese gemeinsam mit den Autoren zu"
diskutieren. Inzwischen kommen Verlags- und
Schauspieldramaturgen, Regisseure und Studierende aus ganz Deutschland, Österreich und der
Schweiz zu den Gesprächen, die alle acht
Wochen stattfinden (Termine kann man erfragen unter 0171/803 87 08). Die Auswahl eines
Autors bzw. eines Stücks folgt dem Vorschlag
eines Forumsmitglieds. Einziges Kriterium ist
dabei das eigene Interesse für einen Text und
die Bereitschaft, diesen in der Diskussion als
"Pate" zu vertreten. Offenheit für erste, für
experimentelle oder schwierige Stücke ist dabei
ausdrücklich erwünscht. Folgende Autorinnen
und Autoren waren bisher eingeladen: Martin
Baucks, Klaus Chatten, Gesine Danckwart,
Werner Fritsch, Katharina Gericke, Jens Groß,
Lutz Hübner; Christoph Klimke, Jörg-Michael
Koerbl, Andreas Laudert, Anna Momber, Albert
Ostermaier, Arm in Petras, Thilo Reffert, Falk
Richter, R.obert Schimmelpfennig, Sirnone
Schneider, Roland Spranger, Ulrich Zieger.
Auf der Jahrestagung der Dramaturgischen Gesellschaft in Basel 1998 stellten wir
darüber hinaus Stücke von Wolfgang-Maria
Bauer, Katharina Gericke (Kreist-Förderpreis
1998) und Tim Staffel vor. 1999 entschieden wir
uns für Werke von John von Düffel, Uwe Gössel
und - erstmals eines nicht-deutschsprachigen
Autors - Tim Etchells. Hinzu kam der Träger des
Kreist-Förderpreises 1999, Dirk Dobbrow."Auch
die Workshops auf der diesjährigen Jahrestagung
werden wieder von uns gestaltet (weitere Informationen s. u.). Das Forum junge Dramaturgie ist
durch Mitglieder im Vorstand der Dramaturgischen Gesellschaft vertreten. Wir arbeiten darüber hinaus mit dem TNT (Theater neuen Typs)
Berlin, dem Uraufführungstheater Dresden, der
Banner Biennale und dem Volkstheater Raslock
zusammen.
DRAMATURG 2/2000 l Seite 22
Die diesjährige Auswahl des Forums
für die Workshops der Jahrestagung der Dramaturgischen Gesellschaft lässt sich erstmals unter
einem Überbegriff zusammenfassen: politisches
Theater. Einen solchen passenden Überbegriff zu
finden, war von uns erhofft, aber nicht Voraussetzung oder gar Auswahlkriterium, als sich im
Mai 2000 eine Arbeitsgruppe des Forums erstmals zusammensetzte, um aus ungefähr zwanzig
Vorschlägen auszuwählen. Es galt vielmehr, Texte
herauszufinden, die in besonderem Maße diskussionswürdig sein würden. Diskussionswürdig darunter verstehen wir: Stücke," die entweder
aufgrund ihres Themas, ihrer Form oder ihrer
Sprache auf hoherri Niveau Verstörung, Erstaunen und Widerspruch auslösen und zur Auseinandersetzung anregen. Alle drei ausgewählten
Texte erfüllen diese Voraussetzung. Darüber
hinaus sind wir über die sich damit ergebende
Autorenauswahl glücklich: ein noch eher unbekannter, junger Autor, ein vergleichsweise etablierter (..junger") Dramatiker und ein Autorenkollektiv, das sich gemeinsam hinter einem
erfundenen Namen "versteckt': Und drei völlig
verschiedene formale Ansätze ...
Ebenfalls vorgestellt wird, wie jedes
Jahr, der (bzw. hier die) Träger des Kreist-Förderpreises für junge Dramatik, Andreas Sauter und
Bernhard Studlar. Der Preisjury gehörten neben
Manfred Weber (Kieistfesttage und Vorstand der
DG) und Alexander Suckel (Städtische Bühnen
Chemnitz) auch zwei Mitglieder des Forums
junge Dramaturgie, Petra Thöring (Vereinigte
Bühnen Krefeld-Mönchengladbach) und Florian
Vogel (Staatstheater Stuttgart). an.
Die jeweiligen Texte werden bei der
Jahrestagung jeweils von zwei Workshop-Leitern
vorgestellt. Es gibt zwei Veranstaltungsteile an
zwei Tagen (s. Veranstaltungsübersicht), beim
zweiten wird dann aucil uer Aulur (luw. ein
Vertreter der Autoren im Fall "Soeren Voima")
zur Diskussion zur Verfügung stehen. Da die
Workshops zeitgleich stattfinden, ist es notwendig, sich für einen Workshop zu entscheiden.
Die Texte können über die jeweiligen Bühnenverlage bezogen werden; wir bitten sehr, sie vor
der Workshop-Teilnahme zu lesen.
Workshop 1, vorgestellt von Anne-Sylvie
bleiben. Sie stellen sich uns vor und
König, Schleswig-Holsteinisches
Landestheater
berichten in einzelnen Ausschnitten von
I Marianne Wendt.
ihrem Leben, ihrer momentanen Gefühls-
Deutsches Theater Berlin:
lage, ihren Zukunftswünschen.
Mare Becker .,U.S.AmoK" Fragmente
und Probleme artikuliert werden und
Obwohl Sehnsüchte formuliert
obwohl die Figuren die neuralgischen
Punkte ihrer Zeit vermeintlich erkennen,
scheinen ihre Aussagen den Antworten
Im Theater werden immer noch
auf Fragen in einer Talkshow oder einem
tröstlich. Also gibt es doch einen konsta-
Mare Becker
wurde am 7.12.1969 in Bremen geboren. Nach dem Zivildienst verschlug ihn
tierbaren Zusammenhang, eine sinnstif-
sein Studium bis auf weiteres in den
Faden des ganzen Textes ist der Bomben-.
tende Einheit, die auf die Bühne gebracht
Süden Deutschlands, nach Erlangen,
wo er heute noch lebt. Hi'er studierte
leger. Er ist der Einzige, der mit einer
werden muss? Mare Becker erzählt in sei-
Mare Becker Theaterwissenschaften,
inneren Logik Kontinuität gewährleistet.
nem Stück .. U.S.-AmoK" auch Geschich-
Politikwissenschaften, Neuere deutsche
Literaturgeschichte und schloss 1997 ·
mit dem "Magister Artium" ab.
Seine praktische Theatererfahrung
sammelte Mare Becker seit 1991 im
studentischen Rahmen als freier Regisseur, mit der Theatergruppe "Theater
der geringfügigen Kultiviertheit", wo
er "Leonce und Lena" (Büchner),
"Edmond" und "Sexual Perversity in
Chicago" (Mamet) inszenierte. Sein
erstes eigenes Stück entstand während
des Proben"prozesses: .. N!e wieder Sex"
(1996). Es folgten weitere Regiearbeiten eigener .Stücke/Texte: "Das linke
und das rechte Ei Gottes" (1997) und
.,Jazzcafe" (1998).
1998 war Mare Becker zunächst
Regieassistent dann freier Regisseur
am .,ensemble theater erlangen': Hier
entstanden seine Inszenierungen "Bier
und Sex und Bier. Ein netter Abend",
.,U.S.-AmoK" (11/99) von Mare Becker
und ,.Don Gil von den grünen Hosen"
von Tirso de Molina (05/00). Er bereitet gerade seine nächste Regiearbeit
"Volksvernichtung oder meine Leber ist
sinnlos" von Werner Schwab vor
(Premiere: 01/01).
Er scheint sich die Sehnsucht zu erfüllen,
und wieder Geschichten erzählt, das ist
ten, doch in Schlaglichtern und Auszügen, kurz: .in Form einer Materialsammlung (..Material Koma Rückwärts"),
die er als .. Fragmente" verstanden wissen
will.
Der Text besteht aus personenbezogenen Passagen und biographisch
notierten Lebensstationen von .. ER" sowie
Sequenzen, di.e Nachrichten, Gedanken,
Songtexte und Feststellungen umfassen.
in der Summe erreicht Mare
Becker damit die Abbildung eines gesellschaftlichen Zustandes.
Angelehnt an das .. Una-Bomber-Manifest" von Theodore Kaczynski,
des 1996 in den USA gefassten Bombenattentäters, nummeriert Mare Becker die
einzelnen Textpassagen von 1 bis 198
(232) durch und betont damit ihre
Gleichwertigkeit. Als .,Anhang" bezeichnet, setzt er, der Nummerierung folgend,
einen Fragen-/Umfragekatalog nach, der
. den Figuren auch als Folie für ihre Antworten im Vorfeld vorgelegt hätte sein
können.
Während die Biographie des
Amokläufers dokumentarisch notiert
wird, konstruiert sich das Leben der Protagonisten anhand kleiner eingestreuter
Monologe. Betty (Studentin, 26), Dave
(Gärtner, 30), Eve (Unternehmerin, 29)
und Jim (Hilfskellner, 25) bedienen sich
einer Alltagssprache, in der die möglichen
Figuren trotzder Aussagen über sich
selbst merkwürdig amorph und fleischlos
"U.S.-AmoK" wurde Anfang 2000 ins
Programm des Vertags der Autoren
aufgenommen. Die Uraufführung fand
im Frühjahr 1999 unter dem Titel.
"Unabombing" (Regie: Michael Bandt)
in Harnburg auf Kampnaget. statt. Die
zweite Inszenierung erfolgte 03/00 in
Groningen, Holland, Regie führte Koos
Terpstra. Lesungen des Stückes wurden
05/00 am Renaissance.Theater, Bertin
und 06/00 im Theater Oberhausen, eingerichtet.
Mare Becker überarbeitet gerade sein
Stück ,.Die Spassmacher", welches im
UAT in Dresden. 05/00 szenisch geiesen wurde.
DRAMATURG 2/2000 I Seite 23
Zeitungsinterview zu gleichen.
Die Klammer und der vitale
Sprengkraft im wahrsten Sinne des Wortes zu entwickeln, ein Handeln zu sichern.
Die vier Figuren beziehen sich
immer wieder auf die Geschichte des
Amokläufers. Sie reflektieren über mögliche Motivationen, vergleichen den Täter
mit der eigenen Haltung und Bereitschaft
zu Radikalität und Gewalt und b·eurteilen
den moralischen Stellenwert der Amokaktion.
Parallel zum unaufhörlich voranschreitenden Radikalisierungsprozess
des Attentäters lassen sie die Hülle ihrer
political correctness sukzessive fallen.
Eve berichtet vom lustvollen Biss in einen
Kaninchennacken bis das Blut spritzt,
Dave reflektiert über die treibende Kraft
des Hasses und zertrümmert sein Mobiliar,
Betty pumpt sich mit Tabletten voll, und
Jim ,.muss extremer werden·:
Sie selbst allerdings befinden
sich in einer Art Lähmung innerhalb. eines
durch das Absterben von moralischen
Maßgaben und metaphysischen Werten
entstandenen Vakuums. Sie treten nicht
in Beziehung zueinander, aber alle sind
durch die Medien über die Attentate
informiert. Sie r~flektieren auf der Folie
des gleichen gesellschaftlichen Systems:
Momentaufnahmen einer Generation,
deren Beschäftigung um die gleichen
Konflikte und Sehnsüchte kreist.
Das merkantile Postulat der
Leistungsgesellschaft bestimmt ihrer aller
Leben: Die .. Angst davor, dass das Leben
Theodore Kaczynski:
Das UnabomberManifestDie industrielle
Gesellschaft und
ihre Zukunft
1. Die Folgen der
Industriellen Revolution haben sich für die
Menschheit als eine
Katastrophe erwiesen.
Unsere Lebenserwartung ist dadurch in
den "fortgeschrittenen
Ländern" bedeutend
gestiegen, gleichzeitig
aber trat infolgedessen eine Destabilisie-
rung der Gesellschaft
ein, das Leben wurde
unerfüllt, die Menschen gerieten in ·eine
Unwürdige Abhängig-
nichts weiter ist als die Sorge ums Geld': Allen
gemeinsam ist ein tiefgreifender Sinnverlust,
eine .,Angst vor dem Hungertod ohne hungrig
zu sein", deren Kompensation jedoch schon
ausreichend durch die Beschäftigung mit dem
Phänomen des Amokläufers gewährleistet zu
sein scheint.
Mare Beckers Form ist die adialogische. Wenn Peter Handke seiner .,Publikumsbeschimpfung" voranstellte: .,Wir erzählen Ihnen
nichts, kein Dialog bahnt·sich an. Wir stehen
nicht im Dialog", so kann dies auch für Mare
Beckers Protagonisten gelten. Doch während vor
dreißig Jahren die dramatische Form politisches
Manifest war, bildet Mare Becker in .,U.S.-AmoK"
mit seiner Aneinanderreihung von Textblöcken
heutige Kommunikationsmuster ab. Oder ironisiert er sie? Das Sprechen in Klischees, ohne
noch wirkliche Mitteilung und Kommunikation
zu erreichen, wird zum Klischee seiner selbst.
Aus dem Text:
keit. ...
Die kontinuierliche
Entwicklung der Tech-
47. HERHÖREN
Helfersyndrom und Verantwortungslosigkeit
wechseln· sich ab, und unter der Oberfläche des
.,sensiblen Gärtners" liegt ein großes Potentia_l an
Gewaltbereitschaft Durch die Attentate erinnert
er sich, dass er als Fünfzehnjähriger Terrorist
werden wollte.
72. DAVE
Ich bin gegen Ausbeutung.
Ich bin gegen Gewalt.
Aber ich bin mir nicht sicher,
ob das zusammenpasst.
Aber gegen Ausbeutung und
gegen Gewalt bin ich trotzdem.
·Ich bin gegen Atomkraft.
Es ist ein erhabenes Gefühl
vor einem Atomtransporter zu liegen
und diesen am Transport
radioaktiven Abfalls zu hindern.
Einsatz. Symbolisches Opfer.
Betty definiert sich über ihr Äußeres; lebt aber
in ihrem Mikrokosmos der studentischen Weit
mit Prüfungsängsten, Beziehungsalltag und
Konfrontation mit Professoren. Große Angst hat
sie vor Einsamkeit und davor, von anderen nicht
mehr gesehen zu werden. Sie fragt sich nach der
Motivation des Bomben Iegers.
nologie wird die Lage
weiter verschlimmern.
Konzentrieren Sie sich auf das Wesentliche!
So bleiben Sie konzentriert beim Wesentlichen.
Strengen Sie sich an! Strengen Sie sich wenigstens on! Haben Sie Erfolg! Denn nur Erfolg hat
4. Deshalb treten wir
für eine Revolution
gegen das industrielle
System ein. Diese
Erfolg ...
Die Geschichte des Attentäters wird als einziges
in indirekter Rede erzählt: Urteilslos werden Tat-
"ich habe keine Angst vor der Zukunft.
sachen hintereinandergereiht
89. ER
Er bombte und er bombte weiter.
Jim ist der klassische Verlierer und erklärt: .,Das
Leben ist schön': Doch dieser Satz drückt keine
Empfindung aus, sondern wird von einer Produktpackung abgelesen. Jims Traum ist es, sich
der .,Normalität" des Jetzt zu entziehen, und
Dass ich übersehen werde. Dassmich niemand
mehr wahrnimmt, egal was ich mache.
Dass niemand mehr da ist. Dass alle mich
vergessen haben. Dass ich ganz allein bin.
Um ihr Leben zu hinterfragen, fehlt Eve die Zeit,
und ihre materielle Situation gibt keinen Anlass
zu klagen. Sie ist sich bewusst, wie deckungsgleich sie mit dem Bild der jungen, erfolgreichen
Generation ist, und versucht sich mit dem Satz
.,ein Klischee bin ich aber nicht" davor zu schützen. Eve ist sich sicher: .,Wenn es überhaupt so
Revolution kann mit
oder ohne Gewalt
durchgeführt werden,
sie kann plötzlich auftreten oder sich in
einem längeren Prozess über mehrere
Jahrzehnte vollziehen
... Es handelt sich
dabei nicht um eine
POLITISCHE Revolution. Das Ziel wird
nicht darin bestehen,
Regierungen zu stürzen, sondern die wirt-
schaftliche und
technologische Basis
der geg~nwärtigen
Gesellschaft zerstören.
umso größer ist seine Faszination an den Taten
des Amokläufers.
63. JIM
Neulich früh morgens aufgewacht
Und den ersten Gedanken gehabt
So kunn dus niehl weilergehen
So eine kleine Wohnung
Keinen festen Job
Du bist nicht glücklich ...
Dave erscheint als verspätetes Exemplar der
engagierten Alt-68er-Generation. Er hat von
allem ein wenig: politisches Engagement,
Umweltbewusstsein und Verständnis für Frauen.
DRAMATURG 2/2000 I Seite 24
69. BETTY
Außer vielleicht, dass ich eines Morgens.
aufwache und mich keiner mehr kennt.
etwas wie einen Sinn für das Leben gibt, so muss
er in der Durchsetzung persönlicher Bedürfnisse
"liegen."
70. EVE
Ich bin immer ein einzelnes Kind gewesen. Ein
Einzelkind.
Der Text ist beim Verlag der Autoren, Frankfurt am
Main, zu beziehen.
boten sein sollte, erotisiert. Dann -gehe
Workshop 2, vorgestellt von lnge·Zeppenfeld, Städtische Bühnen Osnabrück
I
ich dem einfach nach, indem ich .ein
Peter Spuhler, Volkstheater Rostock:.
Stück erfinde, wo Figuren mir zeigen,
Klaus Chatten
.,Deutschland ruft",
ein pornographisches
Märchen von Gut und
Böse
ein krankhafter Impuls in mir? Oder, ob
erotisiert mich.das wirklich oder ist das
dieser krankhafte Impuls mitteilenswert
ist. Oder, ob noch viele andere Leute diesen krankhaften Impuls haben und dann,
wenn es ausgesprochen ist. vielleicht
Den schlepp ich durch das wilde Leben.
Goethe
Klaus Chatten
geboren 30.4.1963 in.lennestadt /NRW
1982 Abitur
1982/83 Studium an der FU Berlin
1983/84 Studium Schauspiel- Max-
1997 zitiert Klaus Völker im
Vorwort zum Programm des von ihm
etwas damit anfangen können. Das ist
für mich eigentlich die Hauptmotivation
. beim Schreiben."
Ebenfalls in dieser Zeit beginnt
die Arbeit an .. Deutschland ruft", einem
Reinhardt-Seminar Wien
1984/85 Studium Schauspiel, Regie und
Text, an dem man nicht vorbei kann,
Szenisches Schreiben- HB Studio New
ohne an der einen oder anderen Stelle
York
1985/92 Schauspieler- Schiller-Thea-
von Ekel gepackt-zu werden, ohne sich
verantworteten Stückemarkts des Ber-
ter, Theater am Kurfürstendamm,
innerlich oder anderen öffentlich zu ver-
liner Theatertreffens de Chirico: .. Das
Stadttheater Würzburg, Theater der
sichern, dass man sich von ihm distan-
mittelmäßige Kunstwerk läuft kein Risiko
Dramatischen Kunst Moskau, Kampnagelfabrik Hamburg, Winterhuder Fährhaus Harnburg
1989/91 Arbeit mit Anatolij Wassiljew
Moskau
1991 Erwähnung als Nachwuchsschauspieler der Saison - Jahrbuc~ Theater
heute
1992/93 Theaterregisseur- Freie Volksbühne Berlin, Kampnagelfabrik Harnburg
1993 .. Unser Dorfsoll schöner werden",·
23 Inszenierungen
1994 Mehrfache Erwähnung als
Nachwuchsdramatiker der Saison Jahrbuch Theater heute
Erster Preisträger des Wettbewerbs
Sze'nisches Schreiben am Literarischen
Co!!oquium Ber!in
1995 Drehbuch .. Stille Nacht" - Deutscher Wettbewerbsbeitrag Berlinale
1996 - Alfred-Bauer-Preis
1995 Alfred-Döblin-Stipendium der
Akademie der Künste Berlin
1995 "Wir lagen vor Madagaskar",
2 Inszenierungen
1996 "Sugar Dollies", 18 Inszenierungen
1997 Erwähnung als Nachwuchsdramatiker der Saison -Jahrbuch Theater
heute
1997/98 Fernsehserie "Pension Silo
Ranch" WDR
1998199 Drehbuch .. Sonne" mit Wolfgang Becker
1999 "Muttis Liste!- Ein Volksstück mit
Musik", 1 Inszenierung
2000 "Hause of Shame - A private
moment", 1 Inszenierung
2000 Playwright-in-residence in der ·
Villa Aurora Los Angeles
2000 "Deutschland ruft", UA frei
200ci "Klassentreffen", UA frei
mehr. Den Künstlern ging die echte Leidenschaft verloren." und schreibt dann
. weiter: .. Der Eifer, mit dem die ewig ,jungen' Künstler von 20-55 einander den
Rang ablaufen, kennt nur ein Ziel, sie
wollen originell sein, eine Persönlichkeit
vorstellen und sich einen Namen -machen
... Offenbar sind Stücke
a Ia ,Mordslust',
,Sugar Dollies' oder ,Gärten des Grauens'
auf der Höhe der Zeit und geeignet, zur
Standortbestimmung junger Dramatik
beizutragen. Mir sind. die diffizilen, sensibleren, weniger kopflosen und vor allem
weniger herzlosen Versuche von so
unterschiedlichen Autoren wie zum Beispiel Werner Fritsch, Albert Ostermeier,
Roland Schimmelpfennig oder Matthias
Zschokke lieber." Die Autoren der zuerst
erwähnten Texte, Wilfried Happel, Klaus
Chatten und Daniel Call, verschweigt
Völker.
Im gleichen Jahr äußert Klaus
Chatten in einem Interview in der Zeitschrift des Stuttgarter Theaters .. Die
Rampe": .. Ich will eine eigene Position
herausbekommen. Eine Haltung zu Themen. Es ist bei mir oft so, dass ein Gefühl
vorhanden ist, das mir sagt, ich habe eine
amoralischere Position zu einer Sache als
die allgemeine Öffentlichkeit. Ich merke
zum Beispiel, dass mich etwas, das ver-
DRAMATURG 2/2000
J
Seite 25
ziert oder, bestenfalls, dass man ihm mit
distanziertem Interesse folgen könne.
Und der krankhafte Impuls?
Inwiefern trifft er hier die Allgemeinheit? Eben zur gleichen Zeit. als
.. Deutschland ruft" fertiggestellt, vom
Verlag angenommen "nd damit einer
breiteren Öffentlichkeit zur Verfügung
gestellt wird, häufen sich- einmal wieder - die Ausschreitungen Deutscher
gegen Ausländer, werden Verbote rechter
Gruppierungen diskutiert, wetteifern die
öffentlichen Medien mit Analysen,
war~m das so (und vor allem im Osten
so) ist, und befleißigen sich die Theater
in Veranstaltungen
a Ia .. Es geht schon
wieder los!':
Was gehtschon wieder los?
Was ist schon immer da?
.. Ich heiße Tom Hansen", sagt
der Mann und stellt, während er von
sechs deutschen Polizisten mit Clownsnasen brutal zusammengeschlagen ;vird,
klar, dass wir ihn und seinen Anteil ander,Geschichte nicht mögen werden und
dass wir vor allen Dingen kein.Mitleid
mit ihm haben müssen, denn er ist
bereits tot. Sein Anliegen ist es, uns die
.,Initiation" seines Bruders Frank zu
erzählen. Frank, der ein Jahr jünger als
Tom ist und ihm-verblüffend ähnlich
sieht, ist ein kühler norddeutscher
Geschäftsmann, der gemeinsam mit der
den darf dabei nicht, dass schon sein Erfolgs-
Großmutter Charlotte das vom Großvater auf-
stück "Sugar Dollies", inzwischen 18-mal insze-
gebaute Firmenimperium für Märchenkassetten
niert und damit eines der erfolgreichsten zeit-
leitet. Charlotte, die graue Eminenz im Hinter-
genössischen deutschen Stücke, mehrere Jahre
grund, will, dass Frank seinen verschollenen
gemieden wurde und sich erst nach der Urauf-
Bruder Tom ausfindig macht, der von seinem
führung im Ausland in. Deutschland durchsetzte
Erbteil zurücktreten soll. Tom war als der
(mit durch Zeitablauf deutlich gemilderter Ver-
"bekannteste Neo-Nazi Deutschlands" unter
letzungskraft). Schon dieser Text ist eine unge-
anderem wegen gestandener (aber nicht began-
wöhnliche, interessante Faschismus-Analyse, die
gener) Lustmorde an Kindern und wegen
· "Gewaltverherrlichung und Anstachdung zum
ursprünglich den Untertitel "Regieanweisungen
für Hitler" trug. Und'dass die Berührung mit der
Rassenhass" zu vier Jahren Gefängnis verurteilt
Fortsetzung "Muttis Liste!", nach heftigen Dis-
worden, hatte-sich jedoch während der Haft
kussionen 1999 uraufgeführt, weiterhin vermie-
von der "Bewegung" losgesagt und war nach
. den wird.
seiner Entlassung untergetaucht. Frank nimmt
Chattens jüngster Text ist vergleich-
Toms Spur auf, er trifft sich mit dessen letzter
bar mit Pasolinis "Die 120 Tage von Sodom". Die
Freundin Angie. Obwohl schrill und durchge-
voraussehbaren und bereits geäußerten Vorbe-
•
knallt, beeindruckt sie Frank und gibt ihm vor
allen Dingen den entscheidenden Tipp, Tom sei
halte gegen den Text legen vermutlich mehr
über die Lebenslügen, Verklemmungen und Vor-
in der New Yorker Schwulenszene zu finden.
urteile der Lesenden offen als über den Text
Frank fliegt in die Metropole, begegnet SAM (.,S
selbst.
and M"), Toms neuer und letzter Liebe. Sam
Um den Bogen zu Völker und dessen
zwingt Frank, in eine ihm zutiefst fremde Weit
fatalem Missverständnis zu schlagen: Chatten
sexueller Exzesse einzutauchen, in der er sich
setzt seine Linie, die einfachen Wege zu vermei-
völlig verliert. Schließlich erfährt er in einem
den, verschärft fort. Diese hatte mit "Wir lagen
von Tom effektvoll-größenwahnsinnig insze-
vor Madagaskar" und "Unser Dorf soll schöner
nierten Finale- das in seiner faschistoid-porno-
werden" bereits recht kompromisslos begonnen
graphischen Brutalität und seiner.Bedingungs-
und führte zuletzt, im Januar und September
losigkeit dem Leben gegenüber kaum zu über-
2000, konsequenterweise dazu, dass er sich
treffen ist - die eigentlichen Hintergründe von
seinem eigenen Text "Hause of Shame" im
Toms Existenz.
Chatten versucht eine eigene Faschis-
. Maxim-Gorki-Theater und im Deutschen Theater Berlin auch als Darsteller zur Verfügung
mus-Analyse. Da ist zuerst das erwähnte Hin-
steli'te und·damit unmittelbar angreifbar mach-
einhören in sich, da ist dann die intellektuelle
te. Der Vorwurf der mangelnden persönlichen
Ausdeutung, die jedem Leser als "Anmerkungen"
Investition- von "Herz und Kopf'- trifft auf
mit dem Text zur Verfügung gestellt wird, ver-
ihn nicht zu, Chatten weigert sich, sich hinter
mutlich auch, um Missverständnissen vorzubeu-
Künstlerturn und Künstlichkeil zu verstecken:
gen: "ln der Definition des Stückes ist Faschis-
"Ich versuche, in dieser Arbeit kollektive Dämo-
mus zum Religiösen hin stilisierte und subli-
nen zu veröffentlichen und in Liebe zu verab-
mierte homophob-homosexuelle Gewaltporno-
schieden ... Faschismus ist meiner Meinung nach
graphie", heißt es dort. Und in einer früheren
nicht durch Dämonisierung, sondern nur durch
Variante: "Ziel meiner Auseinandersetzung mit
Identifikation und einem Grenze ziehenden Mit-
Faschismus ist nicht der Wunsch zu schockieren
gefühl beizukommen." (Aus nicht publizierten
oder zu provozieren, sondern dem schockieren-
Anmerkungen zum Text)
den Aspekt dieses Themas gerecht zu werden."
(Aus nicht publizierten Anmerkungen zum Text)
Die Theater könnten sich jetzt eigentlich auf den Chatten-Text stürzen- und werden
dies vermutlich nicht tun, trotz des derzeitigen
Uraufführungs-Booms und der vergleichsweise
hohen Bekanntheil des Autors. Vergessen wer-
DRAMATURG 2/2000 l Seite 26
Die Herausforderung dieser Behauptung verlangt nach einer Antwort, auch auf der
Bühne.
Workshop 3, vorgestellt von Berit Schuck,
DER DEUTSCHE POLIZIST ohrfeigt ihn links und
rechts
TOM locht
Der POLIZIST will abtreten kommt zurück und
ohrfeigt TOM noch einmal
Diesmal heftiger
TOM rührt sich nicht und sieht ins Publikum
DER POLIZIST tritt ab
Stille
TOM
Es gibt Schäferhunde und Schäferhundhalter
Pause
Es gibt Schauspieler und ihre Rollen
Pause
Es gibt Tollwütige und es gibt Anarchisten
Pause
Es gibt gute Schauspieler die halten ihre Rolle
an der Leine wie ein Schäferhundhalter seinen
Hund
Mal kurz mal lang
Der Hund ist die Rolle und der Schäferhundhalter ist der Schauspieler
Sie spielen
Bei schlechten Schauspielern sitzt der Schäferhund auf dem Kopf des Schauspielers
Pause
Es gibt tollwütige Menschen und es gibt
Anarchisten
98 Prozent aller Menschen sind tollwütig
Weil sie glauben sie sind sie selbst und nicht ihre
Seele die sie spielt
Anarchie ist gespielter Missbrauch
Es kommen sechs DEUTSCHE POLIZISTEN mit
Clownsnasen und mit Gummiknüppeln auf die
Bühneundschlagen TOM ins Gesicht
Studentin und frei.e Dramaturgin I Jan Linders,
freier Dramaturg und Regisseur:
,.Das Kontingent" von Soeren
Voima (Text) /Matteo Fargion
(Musik)
.
"Das Kontingent" ist kein Drama,
sondern ein Lehrstück. ln einem Vorspiel stellen
zehn .. Spieler" zehn Menschen im ~lter von
30 bis 40 Jahren vor, die ihre individuelle und
nationale Identität für eine besondere Aufgabe·
aufgegeben haben. Sie haben sich - wir schreiben das Jahr 2035 - einer militärischen Elitetruppe angeschlossen, dem Kontingent, das die
Menschenrechte durchsetzt. Doch sie stehen nun
vor einem Kontrollorgan, dargestellt von einem
Chor. Denn bei einem "humanitären Einsatz" im
Kaukasus hat eine Soldatin des Kontingents
einen Mitkämpfer getötet, einen jungen Amerikaner. ln Form einer Befragung zeigt und schildert das Stück, wie der Amerikaner aus Mitleid
mit den Opfern des Krieges viermal die Einsatzregeln des Kontingents brach. Wie er, um für
Gerechtigkeit zu kämpfen, gegen das internationale Recht verstieß. Wie er die Politik der Weltbank bloßstellte, statt auf sie zu bauen. Wie er
die Bilder der Presse verdammte und deren
Macht nicht nutzen wollte. Wie er die Kultur
eines Volkes über das Völkerrecht stellte. Wie er
aus Menschlichkeit das Prinzip der Nichteinmischung schließlich verletzte und wie die
Soldatin ihn tötete, als Sicherheit und Ansehen
des Kontingents gefährdet waren.
Der junge Amerikaner: Wusstet ihr keinen anderen Weg?
Oie Soldotin: Hilflos
Ohne Hass
Und ohne Reue,
Voll Sympathie für sein Gefühl
Doch wissenll um die Forderung
des Rechts.
Antworteten wir:
Oie Soldatin: Nein.
Oie Soldotin: Dann starb er, und wir
Gingen zurück auf unsere
Posten am Fluss
DRAMATURG 2{2000 I Seite 27
Soeren Voima wurde
Mitte der 90er Jahre.
bekannt als kollektives
Pseudonym einer Gruppe von Autoren und
Dramaturgen aus dem
Umfeld des Regieteams
Tom Kühnei/Robert
Schuster. Neben verschiedenen, sehr unterschiedlich geschriebenen Stücken publii1erte
er zu Beginn der ersten
Spielzeit des neuen TAT
[1999/2000) ein Manifest gegen das ,.kritische
Theater·: Voima ist der-·
zeitdurchschnittlich
30 Jahre alt und arbeitet überwiegend in
Frankfurt am Main.
Stücke und
Übertragungen:
"Der Drache" [1996)•
von Yevgenij Schwarz,
Bearbeitung
von Soeren Voima
.. Aiice im Wunderland"
(1997)• von lewis
Carroll, Bühnenfassung
von Soeren Voima unter
del)l Titel "Aiice's Adventures Underground"
,,Antigone" (1997)" von
Sophokles, aus dem
·Griechischen von
Soeren Voima
"Die jammervollste
römische Tragödie von
Titus Andronicus"
[1998)•von William
Shakespeare, Übersetzung und Bearbeitung
von Soeren Voima
,.Deutsch für Ausländer"
[1999)
"Das Kontingent"
[1999)•
.. Welttheater"
[1999/2000) Teil1 und 2
"Vertreten durch
henschel SCHAUSPIEL
Theaterverla·g Berlin
Chor:
Und euren Auftrag erfülltet ihr gilt.
Die nicht gemeinsam leben konnten,
Trenntet ihr glücklich.
Sein Tod füllte mit Leben
Erst euer Gesetz.
Vorbehaltlos gegen jeden
Setztet ihr es durch für alle.
Langsam trat, doch unaufhaltsam
An Steile von Gewalt und Willkür
Das eine Menschenrecht.
"Das Kontingent" erprobt nach fast
siebzig Jahren noch einmal Form und Sprache
von Brechts umstrittenstem Lehrstück, der
jungen Mitkämpfer die nationale Identität eines
Amerikaners. Schlussfolgerungen aus diesen
Unterschieden zu ziehen, bleibt dem Zuschauer
überlassen. ·
Brechts "Maßnahme" entwirft eine
Form politischen Theaters, die "Das Kontingent",
eine Wiederaufnahme, ein Laborexperiment, nur
simuliert. Brechts Stück ruft nicht zu politischen
Handlungen auf, sondern diskutiert politische
Überzeugungen. "Das Kontingent" stellt diesen
Entwurf politischen Theaters. zur Debatte.
7. Glauben Sie, dass eine solche Veranstaltung
politischen Lehrwert für den Zuschauer hat?
2. Glauben Sie, dass eine solche Veranstaltung
"Maßnahme" aus dem Jahr 1930/31. Dieser
Bezug war für die Zuschauer und Kritiker der
Uraufführung leicht erkennbar, auch wenn das
Stück selbst ihn nicht ausweist. Nun ist die
politischen Lehrwert für den Ausführenden
Übermalung, Bearbeitung, Übertragung eines
älteren Stücks eine schon erprobte Schreibstrategie Soeren Voimas. Bei diesem Verfahren ist
nicht so sehr der Vorläufer, sondern die Bedeu-
4. Glauben Sie, dass die Form unserer Veranstal-
tung interessant, die ein Stück durch den dramen-und theatergeschichtlichen Bezug
gewinnt. Im Fall des "Kontingents" erzwingt er
einen Vergleich der titelgebenden Militäreinheit,
die den Blauhelmtruppen der UNO nachempfunden ist, mit der kommunistischen Partei der Zeit
des Stalinismus. Dieser Vergleich wirft Fragen
auf: Erfüllt das Kontingent eine ähnliche Funktion wie die kommunistische Partei? Ist die
Erklärung der Menschenrechte das Kommunistische Manifest von heute?
Doch "Das Kontingent" ist keine
"Maßnahme': Breclits Lehrstück ist 1930 entstanden und nimmt zu dieser Zeit Stellung,
"Das Kontingent" wurde im Jahr 1999 geschrieben und imaginiert die Zukunft. Die "Maßnahme"
beginnt mit dem Auftritt der vier Agitatoren
und des Chores, "Das Kontingent" inszeniert ein
Vorspiel, das die Mitglieder des Kontingents einzeln vorstellt. Brecht rückt die Entscheidung für
die Maßnahme ins Zentrum, Voima lenkt das
Augenmerk auf das Wesen des Kontingents.
Brecht lässt die Agitatoren gemeinsam töten, ·
Voima eine einzelne Soldatin des Kontingents
den Mord begehen. ln der "Maßnahme" stirrimt
·das Opfer dem Mord selbst zu, im "Kontingent"
stirbt der junge Amerikaner als Deserteur. Brecht
entwirft den jungen Genossen als herkunftslosen
bürgerlichen Intellektuellen, Voima verleiht dem
DRAMATURG 2/2000.~ Seite 28
(also Spieler und Chor) hat?
3. Gegen welche in der "Maßnahme" enthaltenen
Lehrtendenzen haberi Sie politische Einwände?
tung für ihren politischen Zweck die richtige ist?
Könnten Sie uns noch andere Formen vorschlagen?
Bertolt Brecht, 1931
"Das Kontingent" wurde in der vergangenen Saison in·der Regie von Tom Kühne!
und Robert Schuster uraufgeführt, als vierte und
letzte Premiere der Schaubühne am Lehniner
Platz Berlin. Die Aufführung war eino Koproduktion der Schaubühne und des TATFrankfurt am
Main, acht Schauspieler und Schauspielerinnen
des TAT sowie zwei des Schaubühnen-Ensembles
standen gemeinsam auf der Bühne. Von 26. bis
29. Oktober 2000 ist die Inszenierung nochmals
am TAT in Frankfurt zu sehen. Außerdem gastiert
sie am 12. November in New York- im Hauptgebäude der UNO.
8.5.
Der Text ist über den henschel SCHAUSPIEL Theaterverlag Berlin zu beziehen.
wig, genannt Bongo, Anfang 30, Gerds
Workshop 4, vorgestellt von Petra
Thöring, Vereinigte Städtische Bühnen
best.er Freund; Nina.-A:s beste Freundin,
Mitte 20, Medizinstudentin und Joseph
Pheres, A:S Vater, Anfang 60, Bonsai-
Krefeld und Mönchengladbach, und
Florian Vogel, Schauspiel Staatstheater
Stu.ttgart:
spezialist.
Liest man das Personenver-
,.A. ist eine Andere"
von Andreas Sauter und
Bernhard Studlar
zeichnis, dann taucht man mit einer
Kenntnis über die Personen in das Stück
ein, als ob man sie schon irgendwo einmal kennen gelernt hat, man glaubt es
jedenfalls zu meinen. Sie reden in der
Vergangenheit über den Tod von A. Wie
sieht es eigentlich mit dem Begräbnis
aus? Wie werden diese vier Personen sich
einig über eine gemei!1same Trauerfeier?
Je ne t'aime plus mon amour
Je ne t'aime plus tous les jours
Manu Chao
Die Verse ..Je ne t'aime plus
mon amour. Je ne t'aime plus tous les
jours" wurden von den Preisträgern des
diesjährigen Kleist-Förderpreises für
junge Dramatik, dem Autorenteam
Andreas Sauter und Bernhard Studlar,
quasi als Assoziationszitat ihrem Stück
.. A. ist eine Andere" vorangestellt.
Die Verse verweisen in ihrer
Schlichtheit schon thematisch und formal
auf die besonderen Qualitäten des Stückes.
Das Zitat ist simpel und eindringlich und
wirkt keineswegs chic ... Je ne t'aime plus
mon amour. Je ne t'aime plus tous Ies
jours. /Ich liebe dich nicht mehr, mein
Liebster. Ich liebe dich nicht mehr jeden
Tag." Obwohl der kausale Bezug zwischen
den beiden Versen - nämlich .. weil" unausgesprochen bleibt, erzählen diese
zwei Verse etwas sehr Heutiges, sehr
Einfaches: Es ist die Angst vor dem Nachlassen und Scheitern großer Gefühle. Die
Angst vor dem Alltag, die Angst, keine
Illusionen mehr zu haben, die Angst vor
dem Verlust. Oder wie es im Stück heißt:
..Vielleicht wäre es das Beste, wenn wir
alle nur zwei Stunden leben, wie im
Kino".
Ihren sichersten und lebendigsten Platz haben Illusionen in Geschichten,
im Glauben an Geschichten, im Erzählen
von Geschichten. Die 5 Personen in .. A. ist
eine Andere" sind solche Geschichtenerzähler: Es sind A., eine Frau, Ende 20;
Gerd, ihr Mann, Ende 20, Architekt; Her-
Andreas Sauterund Bernhard Studfor
Foto Koroline Botinger
Andreas Sauter
geboren am 19. August 1974 in Zürich
1995 Grundschullehrerdiplom
Danach freischaffend im Theater als
Autor, Schauspieler und Regisseur
1997 ein Semester SChauspiel Akademie Zürich
Seit April 1998 Studium ar1 der Hochschule der Künste Berlin
,.Szenisches Schreiben"
Lebt in Berlin
Gerd:
Wir waren zusammen beim Bestattungsinstitut. Bongo hat sogar eine neue Krawatte gekauft. Grün mit Blumen. Irgendwelche weißen. Scheußlich.
Der Bestotter war nett wie am Telefon.
Hat sich gleich an mich erinnert. ..Ah,
Herr Pides. Sie kommen wegen Ihrer Frau .
Ich erinnere mich."
Herwig:
Für die ist das ganz normal;
Gerd:
Er wollte am liebsten alles im Stehen abwickeln. Dann haben wir uns doch gesetzt. Bongo hat geredet. Ganz feierlich.
Bernhard Studlar
geboren am 27. November 1972 in
Wien
1991-96 Studium an der Universität
Wien
(Theaterwissenschaft, Philosophie, Germanistik, Publizistik)
1995-9_8 Dramaturg und Regieassistent
am Theater der Jugend in Wien
Seit April1998 Studium an der Hochschule der Künste Berlin
"Szenisches Schreiben"
Lebt in Berlin
Werkbiographie Sauter
a: Studlar
"Zimmer im Pa_radies", Stück 1998
"Veronika oder die Tragödie einer Jungfrau", Groschenlibretto 1999
"A. ist eine Andere", Stück 1999
.. Büffelgras", Stück 199912000
,.ALLABOUT MARY LONG", Trashlibretto 199912000
DRAMATURG 2/2000 l Seite 29
Herwig:
Unglaublich was das kostet. 10.000. Für
ein Durchschnittsbegräbnis. Es war nicht
einfach. Wir hatten beide keine Ahnung.
Die hinter der Trennwand haben den Text
für die Todesanzeige besprochen. Parte
heißt das .. Also haben wir damit angefangen. Sag ich: Was kommt da so drauf.
Sagt er: Das ist ganz individuell.
Gerd:
Und schaut mich an. Ich wusste ja nicht.
Sollte man das mit dem Selbstmord
erwähnen?
Herwig:
.. Haben Sie eine Vorlage?" Gabs nicht.
Wir schauten uns die Beispiele in der Auslage
an ... "Nar:h langem schwerem Leiden."
Gerd:
Das kann man nicht nehmen.
Herwig·:
"Sanft entschlafen" geht auch nicht.
Gerd sah Scheiße aus. Ganz .bleich. Ich hab mich
dann für "Völlig unerwartet qus dem Leben
gegangen" entschieden. Das fand der Bestotter
auch gut." Nur nicht die Wahrheit erzählen.
Dieses Thema ist uns irgendwie vertraut und gleichzeitig sehr fremd und nicht
wirklich in unserer Gesellschaft- der Tod. wird
meist versteckt. Aber dann passiert etwas sehr
Merkwürdiges im Stück: Das eigentliche Vertrautsein mit den Figuren, diese fast zärtliche
Nähe, löst sich in eine Art Kriminalfall auf: Man
ist einerseits A. auf der Spur, verfolgt andererseits Lebensspuren derer, die A. kannten -ihr
Freundeskreis. Und so ist A. immer da, immer
präsent, in den Köpfen und im Stück.
Die wohl merkwürdigsten Spuren, die
A. im Stück hinterlässt, sind ihre Briefversuche
an ihren Mann Gerd. Das Stück ist durchwoben
von diesen Briefversuchen - sind es Rückblenden?- sie kommen immer wieder, und in ihrer
Skizzenhaftigkeit verunsichern sie uns- es ist
unmöglich, A. zu durchschauen:
Briefversuch 7
A.:
Liebster Gerd.
Ich weiß, wie blöd sich diese Anrede in unserem
Alter anhört.
Aber es ist so.
Gerd. Ich habe heute kapiert, dass ich dich nie
mehr so lieben werde wie jetzt.
Scheißdreck.
Briefversuch 2
A:.
Ich machs aus Liebe.
Wie soll ich das alles sogen, Gerd?
Gerd. Gerd. Gerd.
Gerd:
Wir haben uns zufällig auf der Straße getroffen.
Ich dachte; sie kommt nicht mehr. Problem arabesque. Den ganzen Abend redeten wir darüber.
A.:
Weißt du, wie sein Klang. Arabesque.
Gerd:
Ist das ein Spiel?
A.:
Nein mehr. Die Suche nach dem Schlüssel, den
niemand hat. Aber da ist ein Spiegel dazwischen. Du siehst dich und willst zu dir.
Briefversuch 6
A.:
Ich liebe dich nicht mehr mein Liebster.
Ich liebe dich .nicht mehr jeden Tag.
Manchmal möchte ich sterben, um nichts mehr
zu haben.
Die Angst, Dich nie mehr wieder zu sehen.
Ich liebe Dich.
Manchmal möchte ich sterben, um nichts mehr ·
zu wissen.
Durch diese Erzählstruktur entsteht
e.ine Kriminalistik des Erzählens, die durch die
Bruchstückhaftigkeit der Erinnerungen Lust
zur Kombination, zur Vervollständigung und
Ergänzung in uns weckt. Jede Figur befindet
sich in ihrem ganz eigenen Erzählkosmos und
erscheint zunächst als ein isoliertes Individuum,
unfähig, in direkten Kontakt mit seinem
Gegenüber zu treten. Singles. Aber nicht einsam, denn die besondere Qualität des Stückes
liegt darin, Geschichten und Bruchstücke von
Geschichten aus unterschiedlichen Perspektiven·
miteinander zu vernetzen, dabei ein kausallogisches Netz zu spannen, das aber selbst
unausgesprochen bleibt und "in. den Köpfen der
Zuschauer entstehen kann . .Das Netz als virtuelle Größe.
Die dialogische Form Ist weitgehend
ausgespart, statt dessen werden die einzelnen
Geschichten und Erinnerungen der Figuren auf
eine raffinierte und subtile Art gegenüber
gestellt oder in scheinbar dialogische Beziehung
gesetzt. Einzelne Geschichten beg·mnen dann
miteinander in einen Dialog zu treten und
DRAMATURG 2/2000 I Seite 30
trösten~
führen in ihrer Vernetzung eben zu jenem
Trugschluss, A. habe sich das Leben genommen
Das Bild, das sich aus den unterschiedlichen
alle sind schließlich irgendwie miteinander vernetzt
(Rede von Petra Thöring und Florian Vogel
perspektivischen Erzählsplittern, aus den Erinnerungen der Figuren zusammengesetzt hat, ist
falsch, die Frau, die sie beerdigt haben, ist eine
Andere, und "A. ist eine Ani:lere" - A. hat überlebt, sie spriCht zu uns, uns Zuschauern, und
erzählt am Ende des Stückes, was wirklich
geschah.
·Bei allden Erinnerungen tritt.bei
den Figuren immer mehr zum Vorschein, d'ass
A. in ihrem Leben uns· einen ganz bestimmten
Ausschnitt beschreibt. Es gibt ein Leben vor A.,
und es wird auch ohne A. weiter gehen. Das
Stück ist ein bestimmter Ausschnitt aus einer
bestimmten Zeit, behauptet nicht mehr. Und
das macht die Qualität des Stückes aus. Es ist
kein formales Herumspielen mit Ästhetikeh
und Zeitäußerungen. Es ist ein Stück Anatomie,
oder wie es die Autoren Sauter und Studlar
im Stück selbst beschreiben, in einer der
wenigen wirklich dialogischen Passagen:
an lässlich der Verleihung der Kleist-Förderpreises
am 29. Juli 2000 in Frankfurt/Oder)
Gerd:
Fischschnitt Man schneidet ein Trapez in den
Oberkörper, um den Brustkorb anzuheben.
Herwig: .
Wie bei einer Motorhaube.
Nina:
Das kann man nicht vergleichen.
Herwig:
Sicher. Die Zylinder sind die Organe. Und das
Herz ist die Batterie. Logisch.
Durch die ganz eigene Erzählform, die
in ihrer Struktur an die moperne irische Dramatik erinnert, wie etwa Conor McPherson, erzeugen die beiden Autoren Sauter und Studlar eine
besondere Spannung durch Auslassung von Bindegliedern zwischen den einzelnen Geschichten.
Es ist die kriminalistische Lust, Mosaiksteine zu
einem Bild zusammenzusetzen. Die Geschichten
verbinden sich, scheinen auch ein Stück weit
über den Verlust der totgeglaubten A. hinweg zu
DRAMATU~G 2/2000 I Seite 31
Die Uraufführung findet am 10. März 2001 im
Städtischen Theater Chemnitz statt.
Der Text kann über den henschel SCHAUSPIEL
Theat.erV~rlag Berlin bezogen werden.
V 0 N DER SZ ~.N I SCH EN LES U N G
ZUR URAUFFUHRUNG: DAS UAT IN DRESDEN
von Heike Müller-Merten
Dr. Heike Müller-Merten, Chefdramaturg in
des Staatsschauspiels
Dresden und Vorstandsmitglied der
Dramaturgischen
Gesellschaft, berichtet
hier in eigener Sache -.
und zur Vorbereitung
der Schlussveranstaltung unserer
Jahrestagung am
Sonntag, 3,12. ab 14
Uhr: "Wie gewinnt das
Theater dauerhaft
neue Autoren?" Auch
die darauffolgenden
Hinweise auf vier weitere Unternehmungen
zur Autorentindung
und -förderung
gehören zum Thema.'
UAT- Das Kürzel ist schnell erklärt:
Ura uffüh ru ngstheater.
Dahinter verbirgt sich ein Modell, das
bereits in den sechziger Jahren in England
erfunden wurde und insbesondere seit den
Neunzigern Blüten getrieben hat. Viele bemerkenswerte neue Stücke aus der Feder bis dato
unbekannter englischer und irischer Autoren
eroberten die Bühnen, zunächst in den Vereinigten Königreichen, dann in anderen Ländern
Europas.
"Write A Play!" -so schallte der Aufruf des Royal Court-Theaters in die Industriemetropolen und Kleinstädte, flatterte per Flyer
ebenso in Kneipen wie in Schulen und Universitäten. Und es fanden sich Leute, die dem Ruf
folgten. Sie schrieben Stücke mit einer Perspektive auf die Weit, die sich von jener der (Literatur-)lnsider erheblich unterschied. Manche dieser Autoren haben noch nie in ihrem Leben ein
Theater von innen gesehen; nie ein Stück gelesen. Sie leben anders und sehen folglich anders
und Anderes; sie haben neben ihren eigenen,
uns fremden Denksystemen eine andere Sprache
und Schreibe.
Als die Wellen der New British Plays
über den Teich geschwappt kamen, war da
plötzlich eine Dramatik "in", die von den Rändern der Gesellschaft kam und von eben diesen
erzählte. Die Stücke von Connor McPherson,
Sarah Kane oder Mark Ravenhill wurden auch in
Deutschland viel gespielt.
Begabte Theaterautoren, die sich
abseits der gängigen Schreibmuster bewegen
und deren Talentproben noch nicht mal den
Weg in die Schubladen de"r Theater finden, gibt
es, wenngleich unter wesentli.ch anderen Vorzeichen, auch in Deutschland. Das behauptete eine
Gruppe von Künstlern um den bereits "durchgesetzten" und viel gespielten ostdeutschen
Dramatiker Oliver Bukowski und den Regisseur
Harald Siebler. Im Jahre 98 unternahmen
DRAMATURG 2/2000 I Seite 32
Bukowski Et Co. den Versuch, das englische
Modellkleid nachzuschneidern bzw. es deutschen
Verhältnissen anzupassen. Noch vor einem Jahr
behauptete Bukowski:
"Anders als in gegenwärtigen Pressetendenzen beschrieben (vor allem Ostermeier im
,Jahrbuch Theater heute'), gibt es keine Konjunktur neuer deutscher Dramatik an den Schauspielhäus-ern des Landes. Nach der Mode, vor
allem britische Autoren landauf landab zu spielen, widersetzen sich bundesweit eine Reihe von
Initiativen dem Pauschalvorwurf, der neuen
deutschen Dramatik mangele es an Bühnenfahigkeit. Wie die Spielpläne beweisen, scheiterten diese Interessenverbände fast ausnahmslos
noch vor den Türen des Theaters. Wenn überhaupt, hat neue deutsche Gegenwartsdramatik
weiterhin nur eine Feigenblattfunktion gegenüber Subventionsgebern und Presse. Oftmals
durch unerfahrene Regisseure mit ,Notfallbesetzungen' (welche/r Schauspieler/in ist denn noch
frei?) schnell und billig auf Nebenbühnen inszeniert, spärlich beworben und bald wieder abgesetzt, sollen neue Autoren und Stücke vor allem
nicht stören, nicht die feuilletonträchtige Klassikerinterpretation, schon gar nicht den Binnenbetrieb des Theaters selbst. Wiewohl alle anderen
Theaterschaffenden von öffentlichen- Mitteln
leben und arbeiten, bleibt der Autor auf die
Erlöse des Kartenverkaufs angewiesen und
zudem noch ohne Stim~e; der eigentliche
Urheber des Gegenstandes allen Bühnengeschehens ist, wie Enzensberger scharfsinnig bemerkte, der ,überflüssigste aller Außenseiter. Er hat
im Thenter nichts zu sagen; man nimmt an, dass
er das Seinige schon gesagt hat. Er ist das fünfte
Rad am Wagen und wird nur aus Gutmütigkeit
geduldet, auch wenn die meisten Regisseure zu
höflich sind, um ihm diese Tatsache unter die
Nase zu reiben:"
Inzwischen ist der Stellenwert der
Gegenwartsdramatik in Deutschland zwar im
Die letzte Herbst-
Wachsen begriffen, und ein paar Bühnen halten
turgin und ein Journalist beurteilen die ein-
kollektion des UAT
sich sogar wieder ihren "Hausautor", der seinen
gesandten Texte.
fand in Dresden am
28./29. Oktober statt.
Im März 2001 startet
die neue 'Frühjahrskollektion. Einsendungen
werden permanent
Brötchengeber exklusiv mit zeitgenössischen
Circa acht Autoren werden pro Jahr
Stücken versorgt. (Womit sich eine neue Proble-
mit ihren Texten ausgewählt für eine szenische
matik verknüpft, auf die hier nicht näher einge-
Lesung am Dresdner StaatsschauspieL Im Diskurs
gangen werden kann, nämlich schreiben für
mit Schauspielern, einem Mentor und einem
einen Auftraggeber.)
erfahrenen Regisseur können diese Autoren ihre
Aber im Großen und Ganzen be-
entgegen.genommen.
Stücke weiterentwickeln. Schließlich werden die
schränkt sich Autorenförderung in Deutschland
im Ergebnis eines mehrtägigen konzentrierten
nach wie vor auf wenig mehr als Preis- und Sti-
Arbeitsprozesses überarbeiteten Texte einem
Szenisches Schreiben,
pendienvergaben ohne Anbindung an das Thea-
Publikum, bestehend aus Theatermachern, Ver-
Oliver Bukowski,
ter oder reduziert sich.auf eben jene Hausauto-
legern, der Fachpresse und den interessierten
renschaften, welche Theater und Autor wechsel-
Zuschauern präsentiert: Jeweils im Frühjahr und
seitig nur auf die eine "Ehe" festlegen.
im Herbst gibt es Uraufführungen in Form von
Kontaktadressen:
HdK Berlin
I
Ernst-Reuter.,.Piatz 10,
10587 Berlin;
Heike Müller-Merten,
Postfach 120752,
01008 Dresden,
Tel.: 0351-49 13 936,
Fax:'0351-49 13 951.
Es braucht neue Anstrengungen,
Autoren zu suchen, zu finden und zu fördern.
knapp geschnittenen szenischen Lesungen: Bei
bewusstem Verzicht auf das Vorführen von
Und es braücht neue Vermittlungstechniken, um
großer Theatermaschinerie und bei Vermeidung
die Stücke auf ökonomisch vertretbare und den-
von Regie-Arabesken soll die Sprache bzw. die
noch wirkungsvolle Weise einem interessierten
Dramaturgie, also die klare Linienführung, die.
Publikum vorzustellen bzw. langfristig ein Publi-
Aufmerksamkeit bestimmen. Es gilt das Werk-
kum zu i'nteressieren.
Hier setzten 1998 die praktischen
statt-, nicht das Premierenprinzip. Szenisch gele.sen wird folglich ein Text im weiter fortgeschrit-
Bemühungen der Berliner um das UAT an. Ins
tenen Arbeitsstadium, nur selten die Endfassung.
Zentrum der Aufmerksamkeit rückte der unbe-
Wie die erfolgreiche Erprobung des Modells
kannte zeitgenössische deutsche bzw. deutsch-
durch das UAT in Berlin und Dresden bewies, ist
sprachige Autor, der noch nicht im großen Lite-
dazu ein hohes Maß an Streitkultur und Kompe-
raturbetrieb verankert ist und weder über einen
tenz vonnöten, vor allem jedoch das Bewusst-
Verlag noch über die Option einer Bühne ver-
sein,.im Dienste des Autors zu stehen. Jede Art
fügt.
Profilierungsambition Einzelner gefährdet das
Über den zunächst erfolgversprechen-
Ergebnis. Die zeitliche Konzentration der Proben
den Transfer der Royal-Court-Methode institu-
wirkt bewusst allen verständlichen Neigungen
tionalisierte sich das UAT in Berlin; Es gab eine
zur "Über"-lnszenierung entgegen. Dem Autor
erste Serie von Uraufführungen in Berliner
hingegen sind während der Arbeitsproben jeder-
Spielstätten; Autoren machten mobil, Verlage
zeit verbindliche Änderungen seiner Vorlage
und Theater begannen zu reagieren. Dann
gestattet; er erläutert diese, berät und probt mit
jedoch scheiterte das Projekt am Geld bzw. an
dem Regisseur und Darstellern möglicherweise
der Kulturpolitik der Metropole.
auch Versionen und wird dabei von einem Men-
1999 bot das Staatsschauspiel Dres-
tor unterstützt [ein erfahrener Dramatiker, Dra-
den dem UAT eine neue Heimstatt an. Ein sub-
maturg, Fachdozent oder Regisseur). Während
ventionierter Staatsbetrieb übernahm die finan-
die Darsteller sich vor allem aus der Perspektive
zielle und künstlerische Mitverantwortung für
ihrer jeweiligen Rolle äußern, hat der Regisseur
die kontinuierliche Entwicklung neuer Dramatik.
darüber hinaus den gesamten Meinungsbil-
Permanent werden junge Schreiber
dungsprozess so theaterpraktisch wie ergebnis-
ermuntert, ihre Texte einzusenden. (Einzugs-
orientiert zu lenken; er inszeniert nicht im her-
bereich für neue Texte ist der gesamte deutsch-
kömmlichen Sinne, er richtet beratend ein.
sprachige Raum. Aus diesem sollen auch die
Autoren stammen.) Sie übergeben ihre dramati-
(Die Szenische Lesung als· eigenständige Form der Bühnenkunst ist in Deutschland
schen Arbeiten einer Fach-Jury zur Lektüre. Die
noch kaum entwickelt. Sie als solche zu etablie-
Jury zur Lesereihe setzt sich aus Vertretern eines
ren, könnte ein lohnender Nebeneffekt dieser
breiten Spektrums zusammen: Zwei Dramatiker,
Veranstaltungsreihe werden. Dazu hat Jörg
zwei Regisseure, ein Schauspieler, eine Drama-
Mihan auf dem Ende September stattfindenden
DRAMATURG 2/2000 I S!!ite 33
Berliner Symposium "Die SZENISCHE LESUNG Wie kann weniger mehr sein?" ein interessantes
Nina Achminow arbei-
Statement abgegeben.)
Die Präsentation in einer szenischen
Lesung,von Schauspielern getragen, hatte in
Dresden großen Erfolg. Drei der fünf vorgestell-
Theater als lnspizienti.n
ten Autoren sind mit ihren Stücken bei Theaterverlagen, und alle drei werden bereits gespielt.
Eine Bilanz, die positiv stimmt.
Aber erst Kontinuität ermöglicht es,
gemachte Erfahrungen umzusetzen. Deshalb
setzen die UAT-Veranstalter auf mehrjährige
Zusammenarbeit mit. der Theaterinstitution.
Die Initiative UAT Berlin-Dresden
bleibt dabei offen und flexibel genug, um mit
vielen verschiedenen Autoren zu arbeiten, und
sie ist so ausgerichtet, dass sie dem einzelnen
Dramatiker ein intensives und ausdauerndes
Zusammenwirken mit dem Theater garantiert.
Das Staatsschauspiel Dresden und
das UAT Berlin planen ab dem zweiten Jahr
ihrer Zusammena.rbeit auch eine Kooperation
bei jährlich mindestens einer Uraufführung am
Haus.
Für die Zeit der Inszenierung ist der
Autor wieder mitproduzierendes Ensemblemitglied. Bei dieser Arbeit werden sich Regisseur
tet am Renaissanceund organisiert die
lunatischen· Lesungen.
Ihr Stück "Pawelke",
erschienen 1999 im
BERLINER
LUNATISCHE
LESUNGEN
von Nina Achminow
Per H. Lauke Verlag,
wurde für den LenzPreis 2000 nominiert . .
und Darsteller in vergleichbarer Weise wie bei
der Vorbereitung einer Szenischen Lesung mit
dem Autor auseinandersetzen, aber dessen Einflussmöglichkeiten beschränken sich verständlicherweise. Ein Beistand von Sponsoren und·
Mäzenen (Kulturstiftung Dresden der Dresdner
Bank und der mit 10 000 DM dotierte Förderpreis für Autoren der Jürgen Ponto-Stiftung) ist
nahezu unverzichtbar. Nur so kann beispielsweise die Anwesenheit von Mentoren, Schauspielern, Regisseuren und vor allem Autoren im
künstlerischen Erarbeitungsprozess finanziert
werden.
Seit 1998 veranstaltet die Autoreninitiative Theater Neuen Typs im RenaissanceTheater ihre Lunatischen Lesungen. ln VollmondNächten zeigt das TNT in szenischen Lesungen
auf der Bühne und im Studio des RenaissanceTheaters Texte junger deutschsprachiger Theaterautoren und -autorinnen.
Als vor zwei Jahren beinahe zeitgleich
zwei Autoreninitiativen, das Theater Neuen Typs
unter der Leitung von Daniel Ca II, Sirnone
Schneider und Thomas Oberender und das
Uraufführungstheater unter der Leitung von
Oliver Bukowski und Harald Siebier mit Lesungen zeitgenössischer deutscher Theatertexte, an
die Öffentlichkeit traten, freute sich Petra Kohse
in der taz über "Leute, die Augen im Kopf haben
und schreiben können" und konstatierte: "Die
Figur des Jahres im deutschsprachigen Theater
ist der Dramatiker. (... ) Wo früher mit Strauß Handke - Müller - Jelinek alles angedeutet war,
weiß man jetzt gar nicht, wohin man sich wenden soll. (...) schiere Masse ist über)Vältigend."
Während damals der Blick auf neue deutsche
Theatertexte noch die Ausnahme schien,
gehören mittlerweile szenische Lesungen zeitgenössischer Theatertexte zum Programm vieler·
Bühnen. Die Form reicht dabei von der schlichten Lesung am Tisch bis zur Autorennacht mit
Event-Charakter.
Die Lunatischen Lesungen des TNT im
. Renaissance-Theater, das uns den Raum zur Verfügung stellt und uns, soweit möglich, durch
Sachmittel unterstützt, sind in diesen zwei Jahren zu einem festen Begriff geworden. Unter
den Autoren, deren Texte hier vorgestellt wurden, stehen neben bekannteren Namen wie Theresia Walser, Moritz Rinke, Lutz Hübner, Beate
Heine, Jenny Erpenbeck, Alexej Schipenko,
Daniel Ca II und Sirnone Schneider auch Newcomer wie Gesine Danckwart, Melanie Gieschen
und Mare Becker, die inzwischen ihren Weg in
die Spielpläne zahlreicher Theater gefunden
haben.
DRAMATURG 2/2000 I Seite 34
Um die Sensation der Uraufführung
geht es uns bei unserer Auswahl nicht. in erster
Linie teilen wir unsere Lust am Theatertext Die
Beschränkung auf einfache szenische Mittel ist
dabei pragmatische Notwendigkeit und programmatischer Anspruch zugleich, und die Auswahl der Projekte bleibt subjektiv begeistert
statt objektiv abgesichert. Die Lunatische Lesung
im Juli 2000 zum Beispiel, die AlexejSchipenko
mit seinen Studenten des Studiengangs Szenisches Schreiben an der HdK gestaltete, knüpfte
an den ursprünglichen Gedanken eines Labors
an, in dem Texte. sich im Austausch der Autoren
mit Regisseuren, Schauspielern und Musikern
entwickeln. Herausgekommen ist dabei keine
Lesung, sondern ein dichter, sinnlicher Theaterabend.
Und wie geht es weiter? Das Theater
Neuen Typs, ein virtuelles Autorentheater, ein
Netzwerk Theaterschaffender? Viele Ideen und
Entwürfe lassen sich ohne finanzielle Absicherung nichfweiterentwickeln .. Mit den Lunatischen Lesungen jedoch, als von einem von Autoren organisierten Forum für Autoren, geht es
weiter- diesmal mit einem brandneuen Text:
Interesseriten an der
Dra matiker-Werkstat(
·die nichtälter als 35 ·
sein sollten, bewerben
GOTTINGER
DRAMATIKER
WERKSTATT
sich mit einem noch
nicht aufgef.ührten
Text (keine Monologe!)
bis zum 15. November
2000 am Deutschen
Theater in Göttingen,
. Stichwort
cc Dra mati kerwerksta ttll,
Theaterplatz 11,
37073 Gött!ngen.
Rückfragen und
weitere Informationen:
Bernhard GloCksin,
Chefdramaturg
Deutsches Theater
in Göttingen,
Theaterplatz 11,
37073 Göttingen,
Tel.: 0551-496934,.
Fax: 0551-496958
Am ~0. November stellen wir das neue .Stück
von Thomas Oberender vor.
DER KLEIST -FÖRDERPREIS FÜR JUNGE
DRAMATIK 2001
Im Jahr 2001 wird der Kielst-Förderpreis für junge Dramatik zum 6. Mal von der
. Dramaturgischen Gesellschaft Berlin und der
Kleist-Stadt Frankfurt (Oder) vergeben. Der Preis
ist mit 15 000 DM dotiert. Mit diesem Preis ist
eine Uraufführungsverpflichtung verbunden.
Theater, die an der Übernahme der Uraufführung interessiert sind, melden sich bitte bis Ende
November bei der Dramaturgischen Gesellschaft.
Über die Vergabe der Uraufführung entscheidet
die Mitgliederversammlung am 2. Dezember 2000.
Das prämierte Stück "A. ist eine Andere" der Kleist-Förderpreisträger 2000 Sauter und
Studlar wird vom Theater Chemnitz am 10. März
2001 uraufgeführt.
DRAMAT~RG.
..
2{2000 I Seite 35
Sie lädt "zwei Generationen" von Dramatikern zur Zusammenarbeit und Praxiserkundung ins Deutsche Theater Göttingen (DT) ein:
einen bereits "durchgesetzten" sowie zwei junge
Autoren zu Beginn ihrer Laufbahn.
Die Werkstatt umfasst zwei Phasen. ln
der ersten schreibt der "arrivierte" Autor als
Auftragswerk ein StUck, das sich thematisch auf
den Ort Göttingen und/oder das DT-Ensemble
bezieht. Mit di~sem Stück, dilS das DT umgehend
aufführt, ist er als Autor im Spielplan präsent. ln
der zweiten, anschließenden Phase wählt er als
Mentor zwei junge Kollegen aus und ·erarbeitet
in verschiedenen Phasen eine szenische Präsentation der Texte.
Die erste Göttinger Dramatiker Werkstatt wurde wesentlich durch John von .Düffel
geprägt. Als Auftragswerk schrieb er über den
"ewigen Studenten" die Farce "Das lOOste
Semester oder Shooting Sense': .Für die Spielzeit
2000/2001 wird Lutz Hübner, ausgehend von
intensiven Recherchen, einen Theatertext über
den Tod der Göttinger Studentin Conny W. im
Jahre 1989 verfassen. Das bis heute hochbrisante Thema lädt zur öffentlichen Diskussion nicht ..
nur der Göttinger Lokalgeschichte (politische
"Krawalle" verwandeln die Stadt in den Ausnahmezustand), es wirft zugleich einen Blick auf
deutsche Verhältnisse am Ende der 80er Jahre.
Im zweiten Teil der Göttinger Dramatiker Werkstatt stehen die jungen Autoren im
Zentrum. Aus den Bewerbungen einer bundesweite~ Ausschreibung wählt Hübner zwei Dramatikerinnen aus, die als Gäste am DT in mehreren Arbeitsphasen ihre Texte mit Schauspielern
szenisch überprüfen und abschließend der
Öffentlichkeit in einer Werkstatt-Inszenierung
vorstellen. Geplant ist diese Präsentation für
Anfang Juni 2001.
Lutz Hübner, Jahrgang 1961, ist als
Autor des Stückes "Das Herz eines Boxers" sowie
· der oben genannten Auftragsarbeit mit dem
Titel "Ausnahmezustand" in unterschiedlichen
Genresam DT zu Gast.
DIE LESUNG
am Volkstheater
Rostock
ln der Spielzeit 1998/99 initiierte und
gestaltete der freie Dramaturg und Autor Axel
Preusz am Volkstheater Rostock DIE LESUNG.
Mittlerweile geht die Reihe szenischer Lesungen
in ihre 3. Spielzeit. Vorgestellt werden unbekannte wie schon namhafte Autorlnnen, deren
Stücke zum Zeitpunkt der Lesung noch nicht zur·
Uraufführung gekommen sind. Gelesen werden
die Texte vom Ensemble des Volkstheaters und
Studenten der Hochschule für Musik und Theater Rostock. Die öffentliche Premiere eines noch
frischen Textes sowie die Möglichkeit für Ensemble, Autorln und Publikum, nach jeder Lesung
miteinander zu diskutieren, schaffen einen
Laborcharakter, der Anregung mit Kritik und
Diskussion mit Unterhaltung verbindet.
Merlin Verlag
21397 Gifkendorf Nr. 38
fon 04137·7207
fax 04137-7948
www.merlin-verlag.de
"Wir haben die Wirklichkeit,. brauchen
wir denn die Gegenwart auf der Bühne?"; "Ist
dieses Theaterstück mehr als nur ein künstlerisches Experiment?"; ",nteressiert dieses Stück
überhaupt genügend Zuschauer?" - unter Fragestellungen wie diesen sind bisher folgende
Autorinnen vorgestellt worden: Axel Preusz,
Beate Heine, Uwe Gössel, Klaus Chatten, Kajetan
Dyrlich, Daniel Ca II, Thilo Reffert, David Gieselmann, Klaus Pohleder, Torsten Buchstein er,
Andreas Laudert, Margareth Obexer, Katharina
Schlender, Oliver Hohlfeld, Marjo Eick und Kristo
Sagor.
Seit der Spielzeit 1999/2000 bringt
das Volkstheater jährlich mindestens einen der
vorgestellten Texte zur Uraufführung. So hob
sich bisher der Premierenvorhang für "CRASH"
von Klaus Rohleder in der Volkstheater-Werkstatt sowie für Uwe Gössels "Kutteln" im Ateliertheater. ln der Kritik beider Uraufführungen
schrieb "Theater der Zeit" (9/2000): ",Kutteln.
Gericht. Vier Gänge' von Uwe Gössel in der Regie
von Uli Jäckle ist in gewisser Weise ein Gegenentwurf zu ,CRASH: Hier erzeugt der Text nicht
ein abstraktes Gebilde zur assoziativen Antizipation einer individuellen Geschichte, sondern thematisiert eine reale Begebenheit als dramatische
Voriage ... Die Texte markieren in ihrer Unter-
schiedlichkeit die Spannbreite der deutschen
Studiengang Szenisches Schreiben der Berliner
Gegenwartsdramatik." DIE LESUNG kooperiert
mit dem Forum Junge Dramaturgie der Dramaturgischen Gesellschaft, dem Uraufführungstheater (UAT) am Staatsschauspiel Dresden, dem
Theater Neuen Typs (TNT), Berlin, und dem
Hochschule der Künste.
Interessierte Autoren und Dramaturgen wenden sich
bitte an Peter Spuhler oder Uwe Gössel. Volkstheater
Rostock: [email protected]
AUS DER REGELSAMMLUNG:
Zum Aufführungsvertrag zwischen Verlagen
und Theatern
Der Deutsche Bühnenverein und der Ver-
band deutscher Bühnenverleger haben
sich auf eihe Regelsammlung verständigt,
die allerd.ings - schon
aus kartellrechtlichen
Gründen - keine Ver-
bindlichkeit besitzt.
sonqern nur. eine Art
Handreichung darstellt. Wir drucken hier
·Auszüge daraus- als
Material zur Debatte
am Samstag, 2. Dezember vormittags.
Diese Sammlung enthält unverbindliche Feststellungen darüber, wie sich zur Zeit die·geschäft-
Annahme des Vertragsangebotes im Besitz des
Verlages befindet. Wenn von der Bühne Ände-
lichen Beziehungen zwischen den Theatern und
Verlegern abwickeln, ohne dass eine Verpflichtung bestünde, diese Regeln allgemein oder im
Einzelfall anzuwenden. [...] Es ist die Sache jedes
einzelnen Theaters und jedes einzelnen Verlages,
·ob und inwieweit bei Vertragsabschlüssen, etwa
aus Gründen der Geschäftsvereinfachung und
zur Vermeidung umfangreichen Schriftwechsels,
die Regelsammlung oder Teile davon zum
Gegenstand der Einzelvereinbarung gemacht
werden sollen.
[,,,]
rungen an dem Vertragsangebot des Verlages
angebracht werden, wird der Vertrag erst wirksam, wenn der Verlag entweder die von ihm
unterzeichnete geänderte Vertragsfassung
zurückgesandt oder sich innerhalb einer Frist
von 14 Tagen nicht geäußert hat.
2.2 Der Verlag steht der Bühne gegenüber für
die Aufführungsrechte ein und stellt sie von
berechtigten Ansprüchen Dritter frei.
2.3 Der Verlag haftet nicht für Nachteile der
Bühne aus unberechtigten Aufführungen. Er
wird jedoch gegen von ihm nicht genehmigte
Aufführungen Dritter vorgehen, falls erforderlich
auch gerichtlich.
2 AUFFÜHRUNGSVERTRAG ·
2.1 Über die Vergabe und den Erwerb von Aufführungsrechten an dramatischen Werken wird
ein Aufführungsvertrag geschlossen.
2.1.1 Der Verlag übersendet derBühne ein
2.4 Im Aufführungsvertrag soll ferner geregelt
werden,
2.4.1 bis zu welchem Termin sich die Bühne späC
testens zur Aufführung des Werkes verpflichtet,
2.4.2 zu welchem frühesten Termin die Bühne
zur Aufführung des Werkes berechtigt ist,
Vertragsangebot
2.1.2 Mit Übersendungdes Vertragsangebots
teilt der Verlag der Bühne eine angemessene
Frist mit, während der er sich an sein Vertragsangebot gebunden hält.
2, 1.3 Abgeschlossen ist_ der Aufführungsvertrag,
wenn sich die mit der Unterschrift der Bühne
versehene Vertragsausfertigung oder eine
·schriftliche (auch telegrafische) Bestätigung der
DRAMATURG 2/2000 I Seite 37
2.4.3 welche Laufzeit der Vertrag hat,
2.4.4 welcher Gerichtsstand für das Vertragsverhältnis zwischen Verlag und Bühne Gültigkeit hat.
2.5 Die Bühne ist verpflichtet, das Werk in den
vertraglich vereinbarten Spielstätten und
Gastspielorten sowie innerhalb der vertraglich
festgelegten Fristen zur Aufführung zu bringen.
2.6 Der Verlag kann der Bühne unentgeltlich ein
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Das Gipfeltreffen der beiden deutschen Diven Marlene
Dietrich Und Leni Riefenstahl: Ein nächtlicher Ringkampfwird
zu einem Vexierspiel zwischen Hausfrau und Amazone,
androgynem Vamp und asexuellem Naturkind.
LANGE NICHT MEHR
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161,~/sFr 20,~.
ISBN 3-88661-231-7
Walsers neues Stück fängt mit Witz und Feinsinn
ein Lebensgefühl ein, das in der glitzernden Warenweit keinen
Platz hat.
Zwei S/ück11. Broschur. DM 26,~/öS
190,~ /sFr 24,~./S~N 3-88661-229-5
Arne Sierens ist einer der bedeutendsten Theatermacher
der jüngeren Generation in Belgien. Die beiden Stücke dieses
Bandes stehen exemplarisch für sein Werk .
PER H. LAUKE VERLAG
Neue Stücke - Eine Auswahl
. NEUE STÜCKE- EINE AUSWAHL
Peter Ackerman
. SAG'S NICHT NACH
MITTERNACHT
Deutsch von Udo Schürmer
20,4HI1 Oek.
Claude d'Anna/Laure Bonin
EIN ECHTER ROSSINI
2 0, 5 H I 1 Oek.
Jean Barbier
MEINE FRAU IST VERRÜCKT
40,4HI1 Oek.
Sam Bobrick
KENNST OU MICH NOCH?
Deutsch von Wolfgang Spier
20,2HI1 Oek.
Ben Elton
BLAST FROM THE PAST
Deutsch Von Frank-Themas·
Mende
1 D, 1 H I 1 Dek.
Heinz-Dieter Herbig
EIN KLITZEKLEINER
TANTENMORD
2D,3H/1 Dek.
William Link/Richard Levinson
COLUMBO: MORD AUF REZEPT
Deutsch von Wolfgang Spier
3D, 4 H 12 Dek.
Horst Pillau
DIE ANDERE SEITE
2 D. 6 H I 1 Dek.
Paul Rudnik
DIE TOLLSTE GESCHICHTE
ALLER ZEITEN
Deutsch von Herbert Schäfer
4 D, 5 H I 1 Dek.
Lawrence Roman
HEIRAT WIDER WILLEN
Deutsch von Wolfgang Spier
2D,3HI1 Dek.
Pierre Sauvil
EINMAL SONNE FÜR ZWEI
Deutsch von Manfred Langner
1 D, 1 Hl1 Dek.
James Sherman
VON HAUS ZU HAUS
Deutsch von Manfred Langner
3D I var. Di3k.·
Bernard Slade
VIELLEICHT, VIELLEICHT
AUCH NICHT
Deutsch von Herbart Bötticher
2D,2HI2Dek.
Gerold Theobalt
BELAMI
4 D, 4 Hlvar. Dek.
kll Baron
M UTI'Eim\ (;
Dl'ubch von Ingl' Grl'iffcnhagl'n
und lktliJl:l nm Lt'tljll\.'chting
6 IJ. I H I var. DcL
Brian Friel
EIN MONAT AUF DEM LANDE
Dl'utsdl von Frank (ilimher
5 D. 7 H /2 Dek.
Janust. Glowad:i
DIE VIERTE SCHWESTER
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-J. D. 10 H (i'vkhrfachhesert.g.J I
var. Dek.
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2 D, :1 H I I Dt:k.
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befristetes Optionsrecht für weitere zu benen-
rung und unberechnet einzusenden;
nende Gastspielorte einräumen. Die Option ist
3,6 dem Urheber und dem Verlag auf Verlangen
innerhalb der festgelegten Frist schriftlich aus-
je zwei gute Plätze zu jeder Aufführung unent-
zuüben.
geltlich zur Verfügung zu stellen. Die Anforde-
2.7 Die Bühne ist nicht berechtigt, die Auffüh-
rung soll bis spätestens 12 Uhr mittags des
rung des Werkes durch Bildschirm, Lautsprecher
Aufführungstages bei der.Bühne eingegangen
oder ähnliche technische Einrichtungen öffent-
sein. Das Recht auf Freikarten entfällt für Frei-
lich wahrnehmbar zu machen. Gestattet ist der
tag, Sonnabend und alle gesetzlichen Feiertage,
Bühne jedoch die Wahrnehmbarmachung der
nicht aber bei Voraufführungen und Premieren.
Aufführung des Werkes für betriebsinterne
Die Plätze dürfen von dem Urheber und dem
Zwecke, einschließlich der Wahrnehmbarma-
Verlag nicht missbräuchlich, insbesondere nicht
chung für zu spät kommende Besucher, die im
Besitz einer gültigen Eintrittskarte sind. Dies ist
jedoch stets nur innerhalb des Theaters zulässig.
·Soweit hierbei Rechte in Anspruch genommen
· gegen Entgelt weitergegeben werden;
3.7das Bühnenwerk rechtzeitig anzukündigen
und angemessen zu propagieren. in Programmheften/ aufTheaterzetteln, Ankündigungen und
werden, die nicht in der Verfügungsbefugnis des
bei sonstiger Werbung ist das Werk mit vollem
Verlages liegen oder die den Rahmen des Aufc
Titel unter Nennung aller Urheber, ggf. des/der
führungsvertrages überschreiten, werden sie
Bearbeiters, zu bezeichen, sofern nicht von
durch diese, Regel nicht berührt.
Einzelangaben, auch der mitwirkenden Personen,
ganz oder überwiegend abgesehen wird. Im Pro-
3
BESONDERE PFLICHTEN DER BÜHNE
grammheft bzw. auf dem Theaterzettel ist auch
der Verlag zu nennen.
Die Bühne ist verpflichtet,
3.8 Ankündigungen der Aufführung eines Büh-
3.1 die Aufführung angemessen vorzubereiten
nenwerkes sollen vorher dem Verlag mitgeteilt
und das Werk angemessen im Spielpfan auszu-
werden.
nutzen;
3.2 Änderungen des Werkes und seines Titels ·
4
BESONDERE PFLICHTEN DES VERLAGES
ohne vorherige schriftliche Einwilligung des Verlages zu unterlassen, es sei denn, dass der Verlag
Der Verlag ist verpflichtet,
seine Einwilligung dazu nach Treu und Glauben
4.1 das Werk aufführungsreif zur Verfügung zu
nicht versagen kann. in Zweifelsfällen hat die
stellen, sofern nicht anders vereinbart;
Bühne die Änderung dem Verlag mitzuteilen;
4.2 auf Änderungsvorschläge der Bühne unver-
3.3 die geplante Besetzung der Hauptrollen und
züglich zu antworten.
den Namen des Regisseurs und des Dirigenten
[...]
auf Wunsch dem Verlag mitzuteilen; bei Urund wichtigen Erstaufführungen sind etwaige
Gegenvorschläge nach Möglichkeit in Betracht
zu ziehen;
3.4 dem/den Urheber/n, dem Verlag oder deren
Vertreter/n die Teilnahme an den Proben in
angemessenem Umfang und in angemessener
Weise zu ermöglichen und ihnen zu diesem
Zweck auf Wunsch den Probenplan mitzuteilen;
3.5 dem Verlag den Termi~ der ersten Aufführung, sobald er angesetzt ist, rl)öglichst aber
acht Tage vor der ersten Aufführung, mitzuteilen und am Aufführungsorterscheinende Tageszeitungen einzuladen und deren Berichte über
die Aufführung mit Quellenangaben sowie drei
Programmhefte und -soweit vereinbart- zwei
Plakate unverzü~lich ohne besondere Aufforde-
DRAMATURG 2/2000 I Seite 39
IN HALT
EDITORIAL/ ZUR TAGUNG
2. Umschlagseite
DRAMATURGIE IM SPANNUNGSFELD ZWISCHEN
AUTOR, VERLAG UND THEATER
Material: Aus det Regelsammlung
PROGRAMM DER BERLINER TAGUNG
Seite 1
zum Aufführungsvertrag
Seite 37
OFFENSIVE DRAMATURGIE?
von Dagmar Borrmann
Seite 2
FERNSEHFILM? TV-MOVIE? REALITY-SOAP?
Gibt es noch eine Dramaturgie des
deutschen Fernsehfilms?
von Knut Hickethier
Seite 4
DASFORUM JUNGE DRAMATURGIE
UND DIE WORKSHOPS MIT AUTOREN
Seite 22
Mare Becker .,U.S.-AmoK"
Klaus Chatten .,Deutschland ruft"
EINLADUNG ZUR MITGLIEDERVERSAMMLUNG
Seite 25
der Dramaturgischen Gesellschaft
Soeren Voima .,Das Kontingent"
Samstag, 2. Dezember, 17 Uhr, .
Seite 27
in den Clubräumen der Akademie der Künste
Andreas Sauter und Bernhard Studlar
Berlin, Hanseatenweg 2
Seite 23
IMPRESSUM
Dramaturgische
Gesellschaft (OG)
Geschäftsstelle:
Tempelherrenstraße 4
10961 Berlin
Telefon:
030-693 24 82
Telefax:
030-693 26 54
Geschäftsführung:
Henning Rischbieter
Vorstand:
Manfred Beilharz
(Vorsitzender)
Anne Schöfer (stel!ver- .
tretende Vorsitzende)
Dr. Heike Müller-Merten
Wolf Bunge
Horst Busch
Peter Spuhler
Manfrcd WcbciRedaktion:
Henning Rischbieter
.,A. ist eine Andere"
Seite 29
WIE GEWINNT DAS THEATER DAUERHAFT NEUE
STÜCKE?
Tagesordnung:
1) Berichte von Vorstand und Geschäftsführung
Hinweis auffünf Initiativen:
2) Bericht der Kassenprüfer ·
Von der szenischen Lesung zur
3) Entlastung des Vorstands
Uraufführung: das UAT in Dresden
4) Entlastung der Geschäftsführung
von Heike Müller-Merten
5) Kleist-Förderpreis für junge Dramatik-
Seite 32
Ausschreibung für 2001,
Berliner Lunatische Lesungen
Ort der Uraufführung
Seite 34
Kleist-Förderpreis für junge Dramatik
6) Was sollte die Dramaturgische Gesellschaft
tun? Pläne und Initiativen .
Seite 35
7) Ort der nächsten Jahrestagung
Grafische Gestaltung:
Marion Meyer,
Büro für Gestaltung,
Berlin
Göttinger Dramatiker Werkstatt
8) Mitgliedsbeiträge
Seite 35
9) Wahl des Vorsitzenden
ISSN Nr. 1432-3966
Seite 36
Die Lesung am Volkstheater Rostock
DRAMATURG 2/2000 I Seite 40
1O) Wahl der übrigen Vorstandsmitglieder
Zielsetzungen
Dramaturgische Gesellschaft
Die Dramaturgische Gesellschaft
(dg) ist ein Zusammenschluss der
im Bereich der Darstellenden
Künste und ihrer Medien Theater,
Film, Fernsehen, Hörfunk u. a.
Tätigen und Interessierten.
Ihre Aufgabe ist die Diskussion und
Formulierung künstlerischer und
gesellschaftspolitischer Vor- ·
stellunge~ und die Wahrung und
Durchsetzung beruflicher Interessen.
Sie versucht, möglichst viele der in
diesem Bereich arbeitenden und
interessierten Personen und Gruppen zu sammeln, ihren Austausch
untereinander zu fördern und ihre
Arbeit zu dokumentieren.
Arbeitsweisen
Die Zielsetzung der Dramaturgischen Gesellschaft soll erreicht
werden u. a. durch:
-die Förderung des Erfahrungsaustausches und des Zusammenwirkens der Mitglieder und anderer
Interessierter:
- durch die Veranstaltung von
Jahrestagungen, die abwechselnd in
verschiedenen Theaterstädten
Deutschlands, Österreichs und der
Schweiz stattfinden,
-durch die Veranstaltung von
Dramaturgischen Tagen, die jeweils
unter einem bestimmten Thema
stehen,
-durch Diskussions- und Vortrags-
veranstaltungerl zu grundsätzlichen
und aktuellen Problemen,
- durch die Heraus~abe der
Zeitschrift "Dramaturg"
(Nachrichtenbrief der dg) und
durch die Herausgabe der Schriftenreihe der Dramaturgischen
Gesellschaft;
-sowie durch:
die Bildung von Arbeitsgruppen,
in denen Mitglied_er und andere
lntere.ssierte dramaturgische Teilbereiche bearbeiten;
- die Veröffentlichung von
Stellungnahmen zu kulturpolitischen und dramaturgischen Entwicklungen;
- die Vermittlung von Auskünften
Die Dramaturgische Gesellschaft
versteht Dramaturgie im weitesten
Sinne des Wortes als Vermittlung
zwischen .Darstellender Kunst und
ihren Produktionsformen. Sie befasst
sich mit dramatischer Literatur, mit
Theater- und Medientheorie, mit
Publikum und Öffentlichkeit.
Die Darstellenden Künste und ihre
Medien unterliegen einem Veränderungsprozess. Neue technologisch
bedingte lnfo(mations- und
Kommunikationssysteme etablieren
sich und treten in Konkurrenz zu
den bisherigen. Die ökonomischen
und k_ulturpolitischen Bedingungen
für die Darstellenden Künste ver-
zu dramaturgischen Fragen;
-die Zusammenarbeit mit anderen
Institutionen und Verbänden.
Arbeitsgruppen
Zu einzelnen Fragen und
Problemfeldern können von den
Mitgliedern Arbeitsgruppen
gebildet werden, die sowohl ad
hoc als auch langfristig Themen
erarbeiten und öffentlich wirksam
machen.
Forum Junge Dral!'aturgie
Seit Januar 1997 gibt es innerhalb
der Dramaturgischen Gesellschaft
Schärfen sich. Zugleich fordern
neue, teilweise alternative Formen
der Theater-, Film-, Videoproduktion die Künste und i~re bestehenden Institutionen heraus. ln der
ästhetischen und kulturpolitischen
Diskussion stehen jedoch dramaturgische, ästhetisch-konzeptionelle
und künstlerisch-ges~llschafts­
pOiitische Fragen bislang noc~ allzu
oft im Hintergrund und Werden von
technischen und parteipolitischen
Interessen überdeckt Die Dramaturgische Gesellschaft will sie stärker- ins öffentliche Bewusstsein·
rücken.
das Forum junge Dramaturgie. Die
Idee war, einen ?esprächsraum zu
schaffen, der jungen Dramaturgen
und anderen -Interessierten die
Gelegenheit b.ietet, jenseits von
pragmatischen Entscheidungen des
Theaterbetriebs neue Stücke zu
1eser1 und diese gemeinsam mit den
Autoren zu diskutieren. Inzwischen
kommen Verlags- und
Schauspieldramaturgen, Regisseure
und Studierende aus ganz
Deutschland, Österreich und der
Schweiz zu den Gesprächen, die
alle acht Wochen stattfinden (Termine kann man erfragen unter
0171/803 87 08).
Dramatu1g1sclle Gesellschaft
Antrag auf Mitgliedschaft
Einzugsermächtigung
Ich möchte der Dramaturgischen Gesellschaft
beitreten.
lcll ermächtige die Dramaturgische Gesellschaft
widerruflich, den von mir zu entrichtenden
Jahresbeitrag in Höhe von :_:__ ··-.. __ 'bei
Fälligkeit zu Lasten meines KontOs eillZuziellen.
Weist mein Konto die erforderliche Deckung nicht
auf, bestellt seitens des kontoführenden Instituts
keine Verpflichtung zur Einlösung.
Name, Vorname
Mitgliedsbeitrag
Der Jahresbeitrag beträgt seit
dem 16.11.1993:
Alte Bundesländer
persönliche Mitglieder DM 120,(ermäßigt 42,-)
korporative Mitglieder DM 415,Neue Bundesländer
persönliche Mitglieder DM 72,(ermäßigt 36,-)
korporative Mitglieder DM 249,-
Telefon/Telefax
Österreich
persönliche Mitglieder öS 842,(ermäßigt 295,-)
E-mail
korporative Mitglieder ÖS 2919,Schweiz
persönliche Mitglieder- SFr 143,(ermäßigt 50,-)
korporative Mitglieder SFr 494,-
Bitte in Druckschrift ausfüllen .
• • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • -:.•.• •. :o . :o. ·~-~ ": ......... "'- .............. •.• •:• •••• -"'-"' .• 'f'_ •,• "',• •.• -·. -~ !".
Dram~turgische
Gesellschaft
•"' -:-.-.• .... -: ·-~- "·" •.• .. _.._. •.:-.•. '!.• .•. -:-·-"'- ••••• "'.
'!"'. '":.•. •.
Mitglieder
Vorstand (seit November 1998):
Dr. Manfred Beilharz, Bann (Vorsitzender)·
Anne Schäfer, Leipzig {stellv. Vorsitzende)
Dr. Heike Müller-Merten, Dresden
Wolf Bunge, Magdeburg
Horst Busch, Münster
Peter Spuhler, Rostock
Manfred Weber, Frankfurt/Oder
Geschäftsführung: Henning Rischbieter_
Geschäftsstelle:
Dramaturgische Gesellschaft
Tempelherrenstraße 4, D- 10961 Berlin
Telefon 030/693 24 82
Telefax 030/693 26 54
Postbank Berlin BlZ 100 100 10
Kto Nr. 7769 100
Die Dramaturgische Gesellschaft
ging 1956 aus dem 1953 entstandenen Dramaturgischen Arbeitskreis hervor. Von der Gründung
an vesteh(sie sich als eine Gesellschaft, die keine parteipolitischen
und gewerblichen Ziele verfolgt.
Waren in ihr zunächst nur die
auf dem Gebiet der Dramaturgie
tätigen Personen vereinigt, so
versteht sich die Gesellschaft
seit ihrer Satzungsänderung im
Jahr 1972 als eine Vereinigung
von Praktikern und Theoretikern
und versucht verstärkt, nicht nur
diejenigen anzusprechen, die aus
beruflicher Tätigkeit, sondern
auch die, die aus persönlichen
Gründen an Fragen der
Dramaturgie interessiert sind.
Die Gesellschaft hat gegenwärtig
ca. 400 persönliche und 50 korporative Mitglieder.
Mitglied kann jede natürliche
oder juristische Person werden,
die im Sinne der Gesellschaft
tätig ist. Die Mitgliedschaft sollte
schriftlich beantragt werden.
············································································~··········!························································
Lieferbare Publikationen
Schriften
ci DM 70,t-:s Tournee-Theater, 1975
Frredrich Schultze, 1975
, Steuerreform und Theaterfinanzierung, 1976
!'~·:J 25 Jahre Dramaturgische
Gesellschaft, 1978
Theater von heute - Räume
von gestern, 1979
;;:.:; Sprache und Sprechen, 1979
?;\;' Ist das Theater noch zu
retten?- Politische Wende""'
Theaterwende?, 1984
Unlust ~n Erstarrung - Lust auf
Veränderung (Schauspiel Musiktheater), 1985
i~~J
Bestellung
i';:~
Brauchen Fernsehspiel und
Hörspiel eine neUe Dramaturgie?, 1986
Deutsche Dramaturgieals Beispiel?, 1986
Hfinrr Miillf'r /I Jnterh::~ltuna
im Theater, 1987
::\1 Tanztheater I MOrdsweiber I
Koltes, 1990
e.: Sturz vom Sockel?
Künstlerische Arbeit in den
Medien der DDR, 1991
Theaterarbeit Ost/West, 1994
Dramaturgie heute, 1996/97
Herausforderungen zu
Grenzüberschreitungen, 1998
:::·:i Jahrestagung Dresden 1999 ·
· Einzelveröffentlichungen
ci DM 8,Theater in Berlin nach 1945,
1984
Frauen im Theater {FiT):
J)okumentation 1984
Frauen im Theater (FiT):
Dokumentation 1985
·c:'} Frauen im Theater (FiT):
Bitte schicken Sie mir die
angekreuztein Veröffentlichung/en
zuzüglich Versandkosten
an folgende Adresse:
Anschrift
Dokumentation 1986/87
Nachrichtenblatt
i5 DRAMATURG
lieferbar ab 1985
Einzelheft ci DM 5,Doppelheft ci DM 70,-
Ort, Datum
Unterschrift
Bitte in Druckschrift ausfüllen.