Spuren des Lebens - Lokale Agenda 21 Wien

Transcrição

Spuren des Lebens - Lokale Agenda 21 Wien
„Spuren des Lebens“
Vorbereitung und Durchführung
eines Generationen übergreifenden Buchprojekts.
BORG „antonkriegergasse“
Projektmanagement 2011/12
Verfasserin: BEYER LISANN
Betreuer: Car Manfred
Inhaltsverzeichnis
Vorwort .................................................................................................................................. 2
1. Einleitung ........................................................................................................................... 3
2. Materialien und Methoden ............................................................................................... 4
2.1. Materialien .................................................................................................................. 4
2.2. Methoden ................................................................................................................... 5
3. Ergebnisse .......................................................................................................................... 6
3.1. Meine Interviews ........................................................................................................ 6
3.2. Die Buchpräsentation ............................................................................................... 20
3.3. Historische Hintergründe .......................................................................................... 22
4. Diskussion ........................................................................................................................ 25
4.1. Positives .................................................................................................................... 25
4.2. Negatives................................................................................................................... 27
5. Anhang ............................................................................................................................. 28
5.1. Bilder zu „Historische Hintergründe“ ....................................................................... 28
5.1.1. Sprengung der Überreste des Philipphofs ......................................................... 31
6. Verzeichnis der Literatur ................................................................................................. 33
7. Zusammenfassung ........................................................................................................... 35
8. Abstract............................................................................................................................ 35
9. Eigenständigkeitserklärung ............................................................................................. 35
10. Arbeitsprotokoll ............................................................................................................. 36
11. Projekthandbuch ........................................................................................................... 36
1
Vorwort
Das Projekt „Spuren des Lebens“ begleitete mich das gesamte Jahr 2011 und ich habe
sehr viel Mühe, Zeit und Arbeit investiert. Daher hatte ich die Idee, anhand einer
Fachbereichsarbeit diese Arbeit, und speziell das gelungene Ergebnis noch besser
präsentieren zu können und hervorzuheben.
Die Idee zu diesem Projekt entstand aufgrund von Vorgängerprojekten, wie
„Gemeinsam am Mühlengrund“1 oder „Kekse und Texte“2, die sehr gut bei Schülern als
auch Senioren ankamen und sehr erfolgreich waren.
Die Kernidee zu „Spuren des Lebens“ wurde von Herrn Professor Car in unserer Klasse
vorgestellt und gleich darauf bildeten wir ein Projektteam, von dem ich schließlich zur
Projektleiterin gewählt wurde. Zusätzliche Unterstützung hatten wir von der
Agenda 21 Plus, die bereits am vorher genannten Projekt beteiligt und mit unserer Schule
vertraut war. Unser erstes gemeinsames Ziel war, den BIPA Schulprojektwettbewerb3 zu
gewinnen, der unser Projekt finanzieren sollte. Anfang April begannen die
Projektteammitglieder mit den Senioren „Am Mühlengrund“ Interviews durchzuführen,
bei denen die Schüler die Gelegenheit hatten, sich in die jüngere Vergangenheit
hineinzuversetzen und etwas über den Krieg zu erfahren. Auch konnten wir große
Unterschiede zu unserer heutigen Gesellschaft und Generation feststellen. Aus den von
uns Schülern geschriebenen Berichten der verschiedenen Menschen gestalteten wir das
Buch „Spuren des Lebens“4.
Abgesehen von unserem literarischen Werk, dem Buch, hinterließ unsere gemeinsame
Arbeit einen ideellen Wert. Denn von diesem Projekt konnten wir Jugendliche profitieren,
aus jeder einzelnen Geschichte durften wir etwas lernen und wir sammelten Erfahrungen
für unser eigenes Leben.
Es ist schön, dieses Buch in Händen halten zu können, mit sehr verschiedenen und
einzigartigen Geschichten von genau 57 älteren Menschen, die nun nicht mehr verloren
gehen können.
Für eine leichtere Lesbarkeit wird bei Namen, Personen und Begriffen jeweils die
männliche Form des Wortes gewählt.
1
http://www.antonkriegergasse.at/docs/userwebs/index.php?seite=48
www.antonkriegergasse.at/docs/userwebs/index.php?seite=246
3
http://www.bipaschulprojekt.at/schulprojekte.html?task=view&id=90
4
BEYER und CAR, 2011
2
2
1. Einleitung
In dieser Fachbereichsarbeit handelt es sich um den Aufbau, den Verlauf und das
Endergebnis des Projekts „Spuren des Lebens“, das wir im Unterrichtsfach
Projektmanagement im Rahmen der Gruppe „Generationendialog“ der Agenda 21 Plus
durchgeführt haben.
Die Kernidee dieses Projekts war einerseits der Abbau häufig bestehender Vorurteile
zwischen Jung und Alt und andererseits die Darstellung dieser Interviews, die
die
Teenager mit den Protagonisten durchführten, in Form eines Buchs für die Nachwelt
festzuhalten.
Einige ausgewählte Geschichten aus den von mir persönlich durchgeführten Interviews
sind der Schwerpunkt dieser Arbeit. Außerdem werde ich auf einige geschichtliche Details
eingehen, deren Grundlagen aus den Erzählungen der Interviewpartner stammen.
3
2. Materialien und Methoden
2.1. Materialien
Die Menschen, also die von der Agenda 21 Plus vorgeschlagenen Bewohner vom Heim
„Am Mühlengrund“ und die von uns selbst ausgewählten, wie zum Beispiel unser
Direktor, sind das „Material“ des Projekts. Alle interviewten Personen lieferten mit ihren
Informationen die wichtigsten Grundlagen für das Buch.
Mit Hilfe einer Internetseite5 konnten wir uns optimal auf die Durchführung der
Interviews vorbereiten und wussten worauf zu achten war. Bei der Ausfüllung des
Projekthandbuchs, welches sich im Anhang befindet, verwendete ich als Hilfsmittel unser
Projektmanagementbuch6. Für die Layoutierung des Buchs „Spuren des Lebens“
benutzten wir Computer, ebenso wie für die Darstellung der Interviews.
Auch wurde eine große Zahl an technischen Geräten benötigt, wie zum Beispiel der
Spiegelreflexfotoapparat, der für einwandfreie Fotos für unser Buch sorgte, oder die
Handys und Aufnahmegeräte der Schüler. Für eine vollständige Dokumentation einzelner
Gespräche diente der Sony HDR-HC 1 HDV-Camcorder. Aus einigen Ausschnitten dieser
Aufnahmen und Fotos wurde ein Video auf einem iMac mittels iMovie und „Final Cut“
gestaltet.
Der Fernsehsender Okto TV (Okto TV7 ist ein österreichischer Fernsehsender, der
engagierten Menschen oder Communities die Möglichkeit gibt, verschiedene Themen und
Anliegen selbstproduziert und selbstbestimmt im Fernsehen auszustrahlen. Seit Herbst
2005 ist Okto in den Fernsehprogrammen zu finden. Dieser Sender stellt das
entsprechende Know-how und die gesamten technischen Ressourcen dem Produzenten
zur Verfügung. Auch werden die Programmplätze kostenlos verteilt, jedoch arbeiten die
Produzenten unentgeltlich.) sorgte dafür, dass das Projekt „Spuren des Lebens“ auch eine
öffentliche Präsentation erleben durfte und unterstützte uns mit einem kleinen Beitrag,
der gesendet wurde.
5
http://www.rhetorik.ch/Interviewtechnik/Interviewtechnik.html
Auchmann, Maria; Berger, Christoph; Feierfeil, Gerlinde; Panis, Alfred: Projekt-Management-Step By Step:
MANZ Verlag Schulbuch GmbH- Wien: 2007, 240pp
7
http://okto.tv/lesen/der-sender
6
4
2.2. Methoden
Für das Projekt „Spuren des Lebens“, hat sich die Methode der Interviewführung am
besten angeboten. Ein Interview8 ist eine Befragung durch Fragesteller mit dem Ziel,
persönliche Informationen zu ermitteln. Das Interview erfordert eine Vorbereitung und
ein Höchstmaß an Einfühlungsvermögen. Vor unserem ersten Termin hielten der
Projektcoach und ich ein kurzes Briefing für die Schüler, die als Interviewer tätig werden
sollten. Wir teilten Kopien aus, in denen sich ein Leitfaden für Fragen befand, um einen
Schwerpunkt der Geschichten erzielen zu können, wie den Krieg, die Schulbesuche und
das Berufsleben. Wichtig für das Einfühlungsvermögen gegenüber der interviewten
Person und für eine persönlichere Stimmung war es auch, Namen und Geburtsdatum des
Partners herauszufinden. Die jeweiligen Gespräche wurden von den Schülern
aufgenommen, um später beim Verfassen der Berichte manche Details erneut anhören zu
können.
Als Abschluss der Projektarbeit wurde die Präsentation des Buchs organisiert, bei der
auch ein selbstproduziertes Video gezeigt wurde.
Besondere Gespräche, wie mit der Jüdin Eva Brossmann, deren Vater Geheimarbeit
betreiben musste, oder der 101 jährigen Sportlerin Emma Böck, wurden mit einer
Filmkamera festgehalten. Dieses selbstproduzierte Video mit hinzugefügten Fotos der
Schüler zusammen mit ihren Interviewpartnern, wurde am Tag der Buchpräsentation
„Am Mühlengrund“ gezeigt, um den Leuten unsere Arbeitsweise zu zeigen.
Bei der Planung und Durchführung wurden alle Arbeitsmethoden und Tools, die vorher im
Unterrichtsfach „Projektmanagement“ erlernt wurden, angewandt. Außerdem haben wir
nach Anleitung unseres Projektmanagementbuchs gearbeitet.
Das ausgearbeitete Projekthandbuch, das die fertige Arbeit dokumentiert und teilweise
graphisch darstellt, ist in Punkt 11. angeführt.
8
http://de.wikipedia.org/wiki/Interview
5
3. Ergebnisse
3.1. Meine Interviews
Ein Auszug aus meinen persönlich geführten Interviews und geschriebenen Berichten ist
Teil dieser Fachbereichsarbeit. In der unten angeführten Tabelle sind meine gesamten
Interviews aufgelistet; um jedoch die Fachbereichsarbeit nicht zu sehr auszudehnen, habe
ich mich nur für einen Auszug aus meinen Arbeiten entschieden.
Interviewpartner
Geburtstag
Buchseite
In der FBA9
Dr. Breiner Ilse
30.05.1930
104
Ja
Brossmann Eva
26.03.1931
33
Nein
Giffinger Eduard
20.11.1940
108
Ja
23.05.1942
94
Ja
03.08.1919
36
Ja
Josefine und
26.11.1928
91
Nein
Josef Kreutzer
04.01.1926
92
Nein
Patocka Helga
22.06.1948
127
Nein
Rattay Frank
29.05.1945
120
Ja
Schmidt Herbert
03.04.1952
125
Nein
Stoiber Gertrud
28.11.1921
60
Ja
Stony Maximilian
05.10.1931
114
Nein
Hatzinger-Winkler
Ursel
Hirtenfelder
Gertrude
9
Fachbereichsarbeit
6
Dr. Breiner Ilse (geboren am 30.05.1930)
Zeugin der Errichtung unserer Schule „antonkriegergasse“:
Ilse Breiner wurde in ihrem Wohnhaus in Brunn am Gebirge geboren „weil sie damals zu
schnell war“. In genau diesem Haus wohnt sie auch heute noch. Ihr Vater, der aus dem
Sudetenland gekommen war, hatte das Haus, das 1910 erbaut wurde, 1929 gekauft.
Ihre hochintelligente Schwester starb leider schon mit 27 Jahren an der Zuckerkrankheit.
Zur Volksschule ging Ilse in Brunn am Gebirge bei den Schulschwestern. 1938 hatten die
Nationalsozialisten die Privatschulen aufgelöst und so musste sie die letzten zwei
Volksschuljahre in Perchtoldsdorf absolvieren. Dort waren 64 Schüler in einer Klasse. Das
führte dazu, dass Ilse die Hälfte ihrer Klasse nicht einmal kannte. Danach besuchte sie das
Gymnasium Eisentorgasse (heute Bachgasse) in Mödling. 1944 wurde das Gymnasium, so
wie alle anderen auch, wegen der vielen Fliegerangriffe geschlossen.
Sie kam mit der Kinderlandverschickung in die Hohe Tatra, Slowakei. Im Sommer 1944
kamen die Russen in die Slowakei und die Familie flüchtete nach Salzburg, dort vollendete
sie die Schulausbildung und maturierte 1948.
Kein Hunger… Auf die Frage, ob sie in den 40er Jahren, wie viele Österreicher hungern
musste und auf Lebensmittelkarten angewiesen war, antwortete sie: „Mein Vater, der aus
einer Bauernfamilie stammte, hatte im Garten eine Obst- und Gemüseplantage mit
Bienen, die Honig produzierten, Hühner, Hasen und Tauben. Wir versorgten uns selbst
mit Nahrung. Seit dieser Zeit ist meine Lieblingsspeise gebratene Taube.“
Hinterher meinte sie, so gute Tauben, wie sie sie hatten, gibt es heute nicht mehr.
Schule, Beruf, Mann… Ilse besuchte nach der Matura in Wien die Graphische Akademie
und studierte an der Universität Wien Kunstgeschichte und Archäologie. Während der
Besatzungszeit wohnte sie in Wien im Studentenheim, das war für ein Mädchen sicherer
als im von den Russen besetzten Brunn zu leben. Nach dem Studium, das sie mit dem
Doktorat abschloss, war sie als Führerin für die „Wien Aktion“ tätig. Bei einem
Studentenball lernte sie ihren Mann, Dr. Walter Breiner, kennen. In den nächsten Jahren
kamen die Söhne Matthias, Markus und die Tochter Ingeborg zur Welt. Als Mutter von
drei Kindern hatte Ilse keine Möglichkeit ihren Beruf Vollzeit auszuüben. So engagierte sie
sich ehrenamtlich im Verein „Brunner Heimathaus“.
7
Auf meine Frage, ob es eine glückliche Ehe war, erklärte sie mir, dass sie sehr oft
miteinander gestritten haben. Ilse ist der Meinung, dass Streiten wichtig ist. Sie meinte:
“Ohne Streiterei wäre das Leben fad!“. Sie hätte es nicht ertragen können, wenn ihr
Mann ununterbrochen dieselbe Meinung wie sie gehabt hätte. Über 50 Jahre war das
Ehepaar Breiner verheiratet, bis Walter Breiner, ein Direktor unserer Schule
„antonkriegergasse“, 2010 verstarb.
Bau unserer Schule… Direktor Dr. Walter Breiner war es, der die Schule
„antonkriegergasse“ als einzige Gesamtschule Österreichs an einem Gymnasium
aufgebaut hatte. Unterrichtsminister Fred Sinowatz überreichte ihm 1974 den
Schulschlüssel.
Um als AHS-Lehrer auch den Pflichtschulbetrieb kennenzulernen, hatte er zuvor an der
Hauptschule Dirmhirngasse unterrichtet. Im Frühjahr 1974, vor der Eröffnung der neuen
Schule, waren die Wege noch nicht asphaltiert. Rund um die Schule war noch alles voll
Erde und Schutt, sie stand mitten auf einem Feld. Außerdem gab es noch keine
Sekretärin, so unterstützte Ilse ihren Mann bei der Aufnahme der Schüler für die 1. und
5. Klasse. Vieles war noch nicht fertig, es gab keine eingerichtete Direktion. Die Schüler
der 2. Klasse hatte ihr Mann aus der Hauptschule Dirmhirngasse mehr oder weniger
„mitgenommen“. Anfangs gab es noch nicht einmal einen Schulwart, weil der erste
Bewerber gleich wieder heimgeschickt wurde, da er zum ersten Arbeitstag, gestärkt vom
Bauernmarkt, betrunken in die Schule gekommen war.
Ilse heute… Sie gestand mir, dass seit dem Tod ihres Mannes leider alles ein wenig bergab
mit ihr gehen würde. Ihr Rat für die Jugend von heute ist, dass sie viel lesen soll und
lernen sich gut auszudrücken und zu sprechen. Guter klarer Ausdruck ist im Berufsleben
wichtig.
8
Giffinger Eduard (geboren am 20.11.1940)
Eduard wurde kurz nach Kriegsbeginn als erstes Kind seiner Eltern Eduard und
Emilie Giffinger in Wien geboren. Seine Mutter ging damals mit ihm und seiner Tante, die
ebenfalls ein Kind in seinem Alter hatte, nach Oberösterreich. Dort gab es in einem
Gasthof einen Zufluchtsort für Mütter mit Kindern. Zusammen mit ungefähr 10 anderen
Frauen mit Kindern lebten sie auf diesem Hof, es war ihr Versteck vor dem Krieg. Obwohl
Eduard fast keine Erinnerungen behielt, wusste er ganz genau, dass er nie zu hungern
brauchte, er musste zum Glück nie das Gefühl kennenlernen, wie es ist, mit einem leeren
Magen schlafen zu gehen.
Bis zum fünften Lebensjahr von Eduard lebten sie in Oberösterreich und somit konnte er
eine gewöhnliche Kindheit mit Spiel und Spaß genießen, trotz Kriegszeit.
Ein besonderes Erlebnis behielt er ganz genau im Gedächtnis: Er stand damals als kleiner
Junge auf einem Hügel und spielte, als er plötzlich hunderte von Fliegern sah, die den
Himmel über ihm bedeckten. Als er seine Mutter fragte, was die Flieger da oben machen
würden, antwortete sie betroffen: „Die fliegen in Richtung Wien, um uns zu
bombardieren.“
Ein zweites Erlebnis behielt er auch in Erinnerung. Seine Mutter, seine Tante und er
waren noch in Wien und mussten bei einem Bombenangriff in einen provisorischen
Schutzkeller fliehen. Bei diesem handelte es sich um einen Keller, der sich unter der
damaligen Brauerei Liesing befand.
Heimkehr nach Wien: 1945 kamen sie wieder zurück nach Wien. Sie hatten extremes
Glück, ihr Wohnhaus hatte den Krieg tatsächlich überstanden und ihre Wohnung war
noch voll intakt. Als die russischen Soldaten bei ihnen einen Besuch in der Wohnung
abstatteten, hat einer von ihnen das Spielzeugauto von Eduard weggenommen, der
andere Soldat jedoch war so warmherzig, dass er es dem kleinen Jungen zurückgab. Das
freute Eduard unheimlich und hinterließ einen guten Eindruck von den Russen bei ihm.
Auch nach dem Krieg achtete seine Mutter immer darauf, dass ihr kleiner Junge nicht an
Hunger leiden musste. Als sie einmal frische Orangen vom Markt mitbrachte, wunderte
sich Eduard was das war, und wie man das essen sollte. Er kannte keine Orangen, für ihn
war das aber nichts Schlimmes, weil er eben von ihrer Existenz nichts wusste. Jedoch für
9
seine Mutter war das nicht so einfach zu begreifen, dass ihr eigener Sohn in seinem Leben
noch keine einzige Orange zu Gesicht bekommen hat.
Vater kehrt auch zurück: 1947 stieg eines Tages ein fremder Mann durch das Fenster in
die Wohnung. Es war sein Vater, der aus dem Krieg heimkehrte und der für ihn damals ein
fremder Mann war.
Als ich Eduard fragte, ob ihm sein Vater aus dem Krieg erzählt hat, verneinte er die Frage,
fügte aber hinzu, dass bevor sein Vater 1962 an einem Nierenversagen starb, er in seinen
letzten Lebenstagen ein wenig über den Krieg zu sprechen begann. Jedoch handelte es
sich hierbei um keine Heldengeschichten, sondern nur um Menschliches. Zum Beispiel,
dass er einem seiner Gegner einen Verband geschenkt hat. Kurz nachdem der Krieg zu
Ende war, wurde sein kleiner Bruder geboren, mit dem er immer ein enges Verhältnis
hatte.
Schule, Ausbildung, Beruf,… Eduard besuchte mit fünf Jahren sein erstes Volksschuljahr,
er ging in die Dirmhirngasse, weil seine für ihn vorgesehene Schule zerbombt worden
war. Dort hatten sie einen sogenannten „Wechselunterricht“, das bedeutet, sie hatten
eine
Woche
Vormittagsunterricht
und
in
der
darauf
folgenden
Woche
Nachmittagsunterricht und dann wieder umgekehrt. Das war deshalb so, weil jeder
Lehrer zwei Klassen unterrichten musste. Eduard besuchte die Schule mit Begeisterung.
Allerdings hatte sein zu früher Schulbeginn einen großen Nachteil: Weil er zu jung war,
durfte er nach Ende des letzten Schuljahres noch nicht mit seiner Lehre beginnen.
Deshalb wurde Eduard wieder heimgeschickt und meldete sich bei dem Institut „Jugend
am Werk“ an, welches sich um Jugendliche, die keine Lehrstelle bekommen, kümmert.
Dort erlernte er bereits einige Dinge, die ihn dann auf sein späteres Berufsleben
vorbereiteten. Seine Lehrstelle wurde ihm glücklicherweise freigehalten und so konnte er
nach einem halben Jahr, mit bereits gesammelter Erfahrung, seinen Beruf Schlosser
erlernen. Er schloss seine Lehre ab und führte den Beruf um die 25 Jahre lang aus.
Als er viele Jahre später nach Oberösterreich zurückkehrte um nach dem Gasthof seiner
Kindheit zu suchen, traf er dort die Großmutter des Hauses, die früher eine junge Wirtin
war. Sie konnte sich an ihn noch erinnern und erzählte ihm einiges aus dieser Zeit.
Über einen gemeinsamen Freundeskreis lernte Eduard seine zukünftige Frau Mathilde
kennen und lieben. Sie heirateten und bekamen miteinander zwei Kinder.
10
Nach einigen Jahren Ehe beschlossen beide einvernehmlich sich voneinander zu trennen
und sich scheiden zu lassen. Seine heutige Ex-Frau gehört jedoch immer noch zu seiner
großen Familie. Eduard heiratete ein zweites Mal in einem kleineren Kreis und ist bis jetzt
immer noch glücklich mit seiner Frau Elisabeth.
Mit 38 Jahren bekam er noch einmal die Chance in die Schule zu gehen, um sich
fortzubilden und eine gewerkschaftliche Ausbildung zu machen. Ab 1987 arbeitete er
dann beim
Österreichischen
Gewerkschaftsbund
als Sekretär
für
Klein- und
Mittelbetriebe, bis zu seiner Pensionierung im Jahre 2001. Bei diesem Beruf begann sein
großes Interesse an Integrationsarbeit. Eduard hatte ein gutes Verhältnis zum
Bezirksvorsteher, der ihm vorschlug zu einem Treffen zu kommen, wo über das Thema
„Zusammenleben“ diskutiert wurde. Es ging um den Globalen Hof, wo 50%
„Alte Österreicher“ und 50% „Neue Österreicher“ wohnen. Dort hörte er zum ersten Mal
von der Agenda. Sein Interesse galt immer schon den Menschen anderer Kulturen. Er war
sogar
schon
in
den
80er
Jahren
Mitglied
in
dem
türkischen
Verein
„Österreich Türkische Freundschaft“.
2006 wurde er schließlich Mitglied der Agenda 21 Plus bei der Integrationsgruppe. Er
genießt es endlich das machen zu können, was ihm Spaß macht.
Mittlerweile hat Eduard drei Enkelkinder und zwei Urenkel. Mir scheint es, dass seine
große Familie ein sehr wichtiger Bestandteil seines Lebens ist. Heute lebt er zusammen
mit seiner Frau Elisabeth im Wohnpark in Alt Erlaa und genießt jeden einzelnen Tag.
Hatzinger- Winkler Ursel (geboren am 23.05.1942)
Ursel ist in Marburg an der Drau, als erstes von sechs Kindern, geboren worden. Während
der Kriegszeit wurde Ursel bei ihren Großeltern in Kärnten untergebracht. Sie war noch zu
klein um sich Kriegserinnerungen zu behalten. Trotz des Krieges konnte sie eine schöne
und zufriedene Kindheit in Kärnten genießen. In ihrer Erinnerung ist geblieben, dass heftig
mit den Bauern in der umliegenden Gegend Nahrung getauscht wurde. Außerdem bekam
man monatlich Lebensmittelmarken zugeteilt, mit denen man das Nötigste einkaufen
konnte. Ihre Familie und sie brauchten niemals zu hungern, denn zusätzlich hatten sie das
Glück, dass ihre Großeltern einen großen Garten besaßen, in dem sie selber Salate,
Zwiebeln und anderes Gemüse pflanzten.
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Kindheit, Schule, Beruf… Ihre Mutter arbeitete als Lehrerin und ihr Vater als Richter.
Zusammen lebten sie fast 10 Jahre in Wolfsberg in einer Einzimmer-Notunterkunft mit
Küche. Dort kamen noch drei Geschwister zur Welt. Diese Wohnsiedlung befand sich in
einem riesigen Park, der sich am Nachmittag hervorragend zum Spielen eignete. In
Wolfsberg besuchte sie auch die Volksschule. Ihr erstes Hauptschuljahr schloss sie
ebenfalls dort ab. Danach zog die Familie, wegen eines Stellenangebotes für den Vater,
nach Völkermarkt in eine riesige Wohnung. In Völkermarkt machte sie anschließend auch
ihre Pflichtschule fertig und absolvierte die Ausbildung zur Lehrerin. Dort kam auch ihre
jüngste Schwester zur Welt. Ihre Familie wohnte dort bis zur Pensionierung ihres Vaters.
Ursel fuhr täglich mit dem Bus nach Klagenfurt um dort die Matura zu machen. Nachdem
sie sie bestanden hatte, begann sie als Lehrerin im Lavanttal in einer Versuchsschule zu
arbeiten. An den eigentlichen Versuch dieser Schule kann sie sich nicht mehr erinnern,
jedoch an eine Konfrontation mit ihrem Direktor. Die Reibungen zwischen den beiden
wurden immer gröber, bis sie vom Schulinspektor abgezogen und in eine Schule nach
Wolfsberg versetzt wurde. Dort blieb sie ein Jahr, danach ging es weiter nach
Bad St. Leonhard, wo sie ihre Schulzeit besonders genießen konnte.
Mann in einer Zeitschrift, Ehe, Familie… Bei einem Frisörbesuch hat sie zum ersten Mal
ihren zukünftigen Mann gesehen. Während sie auf ihre Dauerwelle wartete, blätterte sie
eine Zeitung sorgfältig durch und entdeckte durch Zufall eine Kontaktannonce, in der ein
netter und attraktiver Mann abgebildet war. Nach einigen Briefen kam es zu ihrem ersten
Treffen und kurz darauf folgte die Hochzeit, danach der Umzug nach Wien. Heutzutage
wären sie die perfekte Patchwork Familie gewesen, er brachte zwei Kinder mit in die Ehe
und sie eines. Ursel zog insgesamt vier Kinder groß, da sie später noch ein gemeinsames
Kind zur Welt brachte. Sie blieb vier Jahre zuhause um sich um die Kinder kümmern zu
können. Jedoch verspürte sie nach kürzester Zeit den Wunsch wieder in einer Schule zu
arbeiten.
Karriere… Durch Zufall erfuhr sie über ihre Schwester, die damals auch Lehrerin war, dass
es in Wien einen Lehrermangel gab und dringend Arbeitskräfte gesucht wurden. Bei
ihrem Besuch beim Stadtschulrat wurde sie von einem Personalchef zuerst abgewiesen.
Dank ihres starken Willens blieb sie stur sitzen und bestand auf ein Gespräch mit dem
Präsidenten, der ihr dann auch wirklich eine Stelle im 20.Bezirk gab. Dank ihres Fleißes
schaffte sie es sich immer wieder weiter zu bilden und immer wieder neue Kurse zu
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belegen. Besonders interessierte sie sich für Gastschüler und Immigranten und leistete
erste Integrationsarbeiten. Neben Beruf und Familie machte sie auch noch die Prüfung
zur Hauptschullehrerin. Sie wurde sogar Stellvertreterin des Direktors, bis sich die
Gelegenheit ergab, sich selber für diesen Posten zu bewerben.
Die Direktorin und ihre Startprobleme… Ursel wurde Direktorin in der Dirmhirngasse im
23. Bezirk. In ihrem ersten Jahr als Direktorin geschah etwas Ungewöhnliches. Die Schule
erhielt von nur sieben Kindern eine Anmeldung für das nächste Schuljahr. Als Ursel das
hörte, bekam sie einen Schock und begann nachzuforschen. Sie erfuhr, dass das
Inspektionsamt die Dirmhirngasse mit der Bendagasse zusammenlegen wollte, da sie ein
neues Gebäude für ein Amt brauchten und sich das Schulgebäude dazu gut eignete. Das
Inspektionsamt erzählte jedem Elternteil, der sein Kind in der Dirmhirngasse anmelden
wollte, dass diese bereits voll sei und schickte sie in die Bendagasse. Sie erfuhr, dass die
benachbarte Schule „antonkriegergasse“ einen tollen Schulversuch hatte, den sie auch
unbedingt haben wollte. Es handelte sich um die „Neue Mittelschule“. Ursel machte sich
einen
privaten
Termin
mit
dem
damaligen
Direktor
Herrn
Fröhlich
der
„antonkriegergasse“ in einem Café aus, um das Problem zu besprechen. Die Situation
war, dass die Dirmhirngasse zu wenig Schüler hatte und die „antonkriegergasse“ viel zu
viele. Zusammen konnten sie das Problem schnell lösen und bildeten sogar
Arbeitsgruppen um ein Verbesserungskonzept auszuarbeiten. Am nächsten Tag wurde
sie vom Stadtschulrat aufgefordert sofort zu kommen. Anfangs dachte sie ein Lob zu
bekommen, weil sie ihre Schule gerettet hatte, jedoch stellte es sich schnell heraus, dass
sie mehr oder weniger angeklagt wurde. Sie wurde damals im Café bei dem Gespräch mit
dem Direktor belauscht und gemeldet. Als sie zusammen mit Direktor Fröhlich die
Missverständnisse klarstellen konnte, wurde der neue Schulversuch auch an ihrer Schule
zugelassen. Sie entwickelten ein Konzept, das einen Zusammenhalt zwischen allen
Schulen im 13. und 23. Bezirk bewirken sollte. Anfangs wurden sie von den anderen
Schulen ausgelacht, jedoch wurde das eingereichte Konzept bewilligt und kam zustande.
Unterstützung des Finanzministers… Bei dem Versuch von dem Finanzminister
unterstützt zu werden, passierte den drei auserwählten Frauen ein recht amüsantes
Erlebnis. Weil sich die Damen von dem Portier des Finanzministeriums nicht abwimmeln
ließen, wurden sie hinauf in ein wunderschönes Besprechungszimmer geführt. Nach
kurzer Zeit kam ein Herr, ohne ein Wort von sich zu geben, brachte auf einem Tablett
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eine Flasche Sekt mit Gläsern und verschwand wieder. Die Damen hatten keine Lust auf
den Sekt und ließen ihn unberührt stehen. Nach einer Weile kam der Mann wieder und
bat die Damen ihm zu folgen. Er begleitete sie wieder ohne Worte hinaus, also vor die
Türe. Als der Mann wieder hineinging und die Türe schloss, schauten sich die drei Damen
an und mussten einfach herzlich lachen.
Der restliche Verlauf… Den Erfolg ihres hart ausgearbeiteten Konzeptes erklärte Ursel so,
dass die Lehrer davon so begeistert waren, weil sie selber an dem Konzept mitarbeiteten
und so jeder seine Meinung miteinfließen lassen konnte. Nach diesen ganzen
Diskrepanzen und Problemen hatte Ursel sechs erste Klassen an ihrer Schule, worauf
noch viele folgten. Deshalb bekam die Schule auch das neue Gebäude gesponsert und
wurde zur Brückenschule.
Leider war das Unternehmen zu teuer und wurde deshalb von Jahr zu Jahr immer mehr
gekürzt, bis es am Schluss einen Finanztod erlitt. Fast genau 20 Jahre war Ursel Direktorin
an der Dirmhirnschule und sie liebte ihren Beruf bis zu ihrer Pensionierung im Jahre 2008.
Es fiel ihr wirklich schwer ihre Schule zu übergeben und sich zurückzuziehen. In ihrer
ganzen Karriere betrachtete sie Schule, Schüler und Lehrer als „Ihres“. Also ihre Schüler,
ihre Schule und ihre Lehrer. Jedoch achtete sie stets darauf, dass ihr Familienleben nicht
unter ihrem starken Einsatz litt. Nach 23 Jahren Ehe ließen sie und ihr Mann sich
scheiden, sie hatten sich über die Jahre leider auseinandergelebt.
Ursel heute… Ihren Rat an uns Schüler: Lernen, lernen, lernen!
Sie empfindet es vor allem wichtig Sprachen zu erlernen, nämlich schon von Kindesbeinen
an. Als Vergleich zu Österreich nannte sie mir Amerika, wo ein großer Teil der
Bevölkerung zwei- bis dreisprachig ist. Das würde sie sich auch für Österreich wünschen.
Als sie mir das erzählte, bekam ich sofort den Eindruck, dass sie Lust hätte sich weiter für
die Schüler und deren Bildung einzusetzen und weiterzukämpfen. Als ich nachfragte,
bestätigte sie mir das auch. Ich fand das bemerkenswert.
Sie versicherte mir auch, dass Lehrer kein Beruf sei, sondern eine Berufung.
Ursel Hatzinger- Winkler hat für „ihre“ Schule und „ihre“ Schüler, für „ihre“ Lehrer und
die Familie gelebt.
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Hirtenfelder Gertrude (geboren am 03.08.1919)
Gertrude erzählte von ihrer ärmlichen Jugend. Dazu kam, dass sie mit 17 Jahren
gezwungenermaßen einen damaligen sehr guten Freund namens Franz Hirtenfelder
heiratete. Gezwungenermaßen deshalb, weil ihre Mutter nach der Scheidung von ihrem
Vater, einen neuen Mann heiratete und mit diesem „neuen“ Vater kam sie einfach nicht
zurecht. Sie wohnte in Atzgersdorf und genierte sich so sehr dafür, dass sie jedes Mal
behauptete, wenn sie nach ihrem Wohnort gefragt wurde, sie käme aus Liesing. Auf
unsere Frage, wieso sie sich genierte, antwortete sie präzise: „Weil’s früher anders war!“.
Familiengründung… Nachdem die kurze und kinderlose Ehe mit Franz endete, heiratete
sie ein zweites Mal. Anton Eder heiratete sie aus Liebe und Gertrude brachte in dieser Ehe
zwei Buben zur Welt.
Kindheitserlebnis… Ein gut in Erinnerung gebliebenes Kindheitserlebnis war, dass sie
Scheitelknien musste. Sie erzählte uns, dass Ostersonntag war und alle ihre schönsten
Kleider und Trachten trugen. Gertrude trug in der Kirche ihr weißestes Kleid mit einer
roten Masche, an die sie sich heute noch genau erinnern kann. Nach der Kirche ging sie
mit einer Freundin Radfahren ohne sich vorher umzuziehen. Gertrude fiel genau mit dem
Fahrrad auf eine frisch geteerte Straße und das weiße Kleid war nun komplett schwarz.
Ängstlich versteckte sie es. Als ihre Mutter jedoch das Kleid fand, wurde Gertrude bestraft
und ihre Knie waren nach dem Scheitelknien schmerzhaft blau!
Krieg… Als die schwierige Zeit begann, kam Hitler und wurde populär. Anfang September
bekam ihr Mann den Einberufungsbefehl und Anton musste Gertrude zwei Jahre lang mit
ihren gemeinsamen Kindern alleine lassen. Das System mit den Stempelkarten bewährte
sich nicht wirklich, Gertrude musste öfters stehlen gehen, um sich und ihre Familie
ernähren zu können. Sie erzählte von gestohlenen Erdäpfeln und drei „Happeln“ Salat.
Einmal war Gertrude mit einem ihrer Kinder sechs Wochen lang zuhause eingesperrt. Der
Grund dafür war, dass ihr Sohn an Scharlach erkrankt war und sie ihn nicht alleine im
Spital lassen wollte. Eingesperrt deshalb, weil Scharlach sehr ansteckend ist.
Familie… Ihre Mutter war mittlerweile Filialleiterin von Hammerbrot geworden, der
damalige „Anker“, und ihr Stiefvater Franz hatte „zwei Gesichter“. Nach dem Krieg wurde
er Inspektor.
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Gertrude erinnert sich genau daran, dass jeder Freitag ein besonderer Tag war, es gab
nämlich Familienessen. Nun konnte ihre Familie ein wenig Wohlstand genießen. Das
bedeutete des Öfteren eine Flasche Wein und sie konnten die übriggebliebenen
Essensreste ihren ärmeren Nachbarn geben. Ihre Mutter schien laut ihren Erzählungen
eine sehr lebensfreudige und hübsche Frau gewesen zu sein, die es liebte zu lachen. Aber
leider schien sie nicht allzuviel für die Familie übrig zu haben und genoss rücksichtslos ihr
Leben.
Die heutige Jugend… Gertrude Hirtenfelder fragte uns, ob die Jugend heutzutage
glücklicher ist, weil sie frei ist. Mit ruhigem Gewissen konnten wir mit einem „JA“
antworten.
Rattay Frank (geboren am 29.05.1945)
Frank Rattay ist in Tirol in Hopfgarten, nahe Kitzbühel, geboren. Dort lebte er ungefähr
ein Jahr zusammen mit seinen Eltern und seinem Bruder, der einige Monate vor ihm
geboren war. Leider trennten sich seine Eltern und Frank zog zusammen mit seinem
Bruder und seinem Vater, der von nun an ihre einzige Bezugsperson war, nach Wien in
den 15. Bezirk. Zu seiner Mutter gab es leider von da an keinen Kontakt mehr.
Er erzählte uns, dass sein Vater ein wenig Angst hatte, denn sie zogen genau in der
Nachkriegszeit nach Wien und es gab damals viele Gerüchte, beziehungsweise herrschte
die Angst, dass die Russen einige schlechte Absichten mit Wien hätten, das stellte sich
zum Glück nur als Gerücht heraus. Sein Vater sorgte dafür, dass sie nicht zu hungern
brauchten, auch wenn das bedeutete, dass es eine Woche lang immer dasselbe zum
Essen gab. Als Frank Rattay neun Jahre alt wurde, zogen sie zusammen nach Atzgersdorf,
wo sein Vater mit viel Mühe ein Haus baute.
Schule, Studium, Beruf… In seiner neuen Ortschaft, also in Atzgersdorf, schloss er dann
sein letztes Volksschuljahr ab. Danach besuchte er die Hauptschule, wobei sich
herausstellte, dass diese Schule nicht gut genug für seine Ausbildung war. Deshalb
wechselte er in die Mittelschule und absolvierte die Externistenmatura. Er studierte
Vermessungswesen und Mathematik und unterrichtete bereits während seines Studiums
an der Universität. Er übte sein ganzes Leben bis in die Pension hinein den Beruf eines
16
Universitätsprofessors aus. Frank unterrichtete zusätzlich Computersimulationen,
Biologie, Chemie und Physik.
Frau, Kinder, Haus… Renate Rattay lernte er bei einem Ferienjob in der Schweiz am Hafen
kennen. Seine zukünftige Frau war in der Nähe des Hafens im Gastgewerbe tätig und
durch Zufall trafen sie aufeinander und verliebten sich. Renate lebte und arbeitete in
Wien als Lehrerin. Einige Monate nachdem sie wieder nach Wien zurückgekommen
waren, heirateten sie. Sie bauten zusammen im Süden Wiens ein Haus, wo sie einige
Jahre wohnten und langsam begannen eine Familie zu gründen. Als Franks Vater
gestorben war, zog er mit seiner Frau und den Kindern nach Atzgersdorf in das Haus des
Vaters. Die gesamte Familie arbeitete mit, das Haus nach ihrem Geschmack zu gestalten,
zu vergrößern und ein wenig zu restaurieren. Ein paar Erfahrungen konnte Frank schon als
Student sammeln, er arbeitete nämlich manchmal am Bau um nebenbei ein wenig Geld
zu verdienen. Er erzählte uns, dass seine Nachbarn ihn und seine Familie immer als
Künstler bezeichneten, weil sie aus dem alten Haus ein echtes Kunstwerk gemacht hatten.
Mit ihren eigenen Händen haben sie das gesamte Haus umgebaut. Schon der vierjährige
Sohn hat an dem Schornstein mitgearbeitet. Anstatt in der Sandkiste zu spielen, hat er
Stein über Stein gelegt. Sogar den Zaun haben sie selber aus Schmiedeeisen gemacht. Der
Zaun ist auch deshalb so besonders, weil er die Elemente aus allen Weltregionen
beinhaltet.
Dieses einzigartige Haus hat den Namen „Haus-Drachen-Haus“ bekommen, weil an jeder
Ecke des Hauses ein Drachenwasserspeier steht. Insgesamt bekamen Renate und Frank
fünf Kinder, zwei Buben und drei Mädchen. Wobei die jüngste Tochter die
„antonkriegergasse“ besuchte.
Pension, Agenda, Forschung… Sogar heute noch, zwei Jahre nach seiner Pensionierung,
hält Frank hin und wieder Vorlesungen an der Uni und hat Spaß daran, die Studenten zu
unterrichten. Durch Zufall gelangten er und seine Tochter zu einem Projekt der
Agenda 21 Plus. Er widmete sich der Kunstgruppe, die das große Projekt „Kunstmeile“
hatte. Das Ziel war den Weg neben der Liesing zu verschönern. Beim Projekt „Baumart“
wurden zur Verfügung gestellte Baumstämme zu riesigen Schnitzfiguren bearbeitet. Diese
wurden dann neben der Liesing bei Alt Erlaa aufgestellt. Rattay übernahm mehr oder
weniger die Leitung des Projekts, da er bereits Erfahrungen und die dazu nötigen
Maschinen besaß. Danach wollte die Gruppe etwas mit Metall machen, jedoch ohne
17
Vorkenntnisse. Auch in diesem Projekt zeigte Frank ihnen was zu beachten war und so
wurde er zum Leiter der Kunstgruppe der Agenda 21 Plus. Neben all diesen
Beschäftigungen galt sein Interesse in erster Linie der Forschung. Sein derzeitiges Projekt
ist es zu erforschen, wie ein Blinder mit Hilfe der Technik seine visuelle Fähigkeit wieder
erlangen könnte.
Er lebt zufrieden, glücklich und immer engagiert für sämtliche Projekte zusammen mit
seiner Frau in dem kunstvollen Haus und genießt jeden Tag aufs Neue!
Stoiber Gertrud (geboren am 28.12.1921)
Gertrud Stoiber wurde als eines von fünf Kindern geboren und hatte eine recht
angenehme und schöne Kindheit mit ihren Brüdern und Schwestern.
Sie ging im 1.Bezirk in der Hegelgasse zur Kaufmännischen Wirtschaftsschule, die
zwei Jahre lang dauerte. Nach dem 13. März 1938 wurde ihre Schule von heute auf
morgen für ungefähr 14 – 21 Tage einfach geschlossen. Als die Schüler das Lehrgebäude
wieder betreten durften, bemerkte Gertrud sofort einige Veränderungen. Die auffälligste
und beängstigendste war, dass viele Lehrer, Professoren und Schüler einfach
verschwunden waren. Ihre Klasse bestand nur mehr aus der Hälfte der Kinder. Die
verschwundenen Lehrer und Schüler sahen sie nie wieder: Alle Juden waren einfach fort.
Die Lehrer wurden durch neue ersetzt. Gertruds ältester Bruder musste beim
österreichischen Heer einrücken und ihr zweiter musste die Matura abbrechen und
danach in Deutschland einrücken. Gertrud schloss ihre zweijährige Schule ab und begann
bei einem Großhandel für Getreide zu arbeiten. Sie arbeitete zuerst für einen
österreichischen Chef, danach für einen deutschen, mit dem sie sich auch gut verstanden
hat. Zu dieser Zeit marschierten die Deutschen in Österreich ein. Der Krieg begann!
Mir kam es so vor, dass Gertrud am meisten die vielen Fliegerangriffe in Erinnerung
geblieben sind. Sie erzählte mir von den grellen Kuckuckssirenen, die jeder fürchtete.
Wenn man eine zu hören bekam, hieß es schnell sein. Sie warnten nämlich vor den
tödlichen Fliegerbomben und zwangen alle Menschen so schnell wie nur möglich in einem
Luftschutzkeller Schutz zu suchen.
Dann kam die Zeit der Russen. Die Stoiber-Familie hatte in Mauer ein wunderschönes
Haus, das ihnen die Russen einfach wegnahmen, damit ihr höchster General ein für ihn
geeignetes und passendes, schönes Haus bekam. Die Familie durfte sich ihre Papiere und
18
ein paar persönliche Wertsachen mitnehmen, die aber auf das Genaueste kontrolliert
wurden. Sie wurden in derselben Gasse ein paar Häuser weiter einquartiert, wo die
Vormieter, genau wie sie, einfach weiter ziehen mussten und nur wenige Sachen
mitnehmen durften. In der Nacht hörten sie die Russen aus ihrem ehemaligen Haus laut
feiern, singen und tanzen. Außerdem berichtete sie, dass die Russen versuchten die
Skulpturen in ihrem Garten mit Glasflaschen abzuschießen.
Am 8. April 1945 passierte etwas Schreckliches. Ihr Bruder kam voller Heimkehrfreude
von seinem letzten Feldzug aus Polen nach Hause. Er war voller Glück und Stolz. Ohne
schwere körperliche Beeinträchtigungen hatte er alles überstanden, den Krieg überlebt
und wollte einfach nur wieder zu seiner Familie. Doch die Russen nahmen nicht nur
Gertruds Haus, sondern auch ihren Bruder. Genau als er vor der Haustüre stand und an
nichts anderes mehr als an seine Familie dachte, erwischten ihn die Russen in der letzten
Minute. Gnadenlos erschossen sie ihn.
Ein Jahr lang verbrachte Gertrud im Krankenhaus, da sie an einer schweren
Lungenentzündung erkrankte. Oft musste sie tage- und nächtelang auf dem Balkon liegen,
sogar im Winter und das nur aufgrund ihres schweren Hustens.
Von Wien ging sie eine Zeit lang nach Oberösterreich, nach Lambach auf einen Bauernhof,
wo sie zwei Jahre lang als Magd mitarbeitete. In der Nähe von Lambach liegt
Mauthausen, das damalige Konzentrationslager. Eines Tages, als die Überlebenden
freigelassen wurden, kamen unzählige Menschen, verhungert, abgemagert und
misshandelt auf den Bauernhof und bettelten sehnlichst um Essen. Diesen Anblick wird
sie niemals vergessen können.
1947 begann sie bei der Justiz im Justizpalast zu arbeiten. Ihr Bruder, der mittlerweile
zum Rechtsanwalt geworden war, verschaffte ihr die Stellung als Justizbeamtin, den sie
mit voller Leidenschaft und Freude ausübte. Ihre Aufgabe war es auf der Schreibmaschine
alles zu dokumentieren und zu stenographieren. 1985 ging sie zufrieden und
wohlverdient in Pension. Sie arbeitete ihr Leben lang immer brav, fleißig und gerne.
Heute lebt sie „Am Mühlengrund“ und kann immer lachen, sie genießt ihr Leben!
19
3.2. Die Buchpräsentation
Die
Buchpräsentation
fand
am
24.11.2011
„Am
Mühlengrund“
im
großen
Veranstaltungssaal statt. Weil diese Präsentation der vorläufige Abschluss des
Buchprojekts war, zählt dieser Nachmittag zu einer wichtigen und bedeutenden
Projektphase.
Bei einer gemeinsamen Besprechung mit der Agenda 21 Plus über den Ablauf der
Präsentation beschlossen wir einen Flyer zu gestalteten, der als Einladung und Werbung
für die Veranstaltung an alle Beteiligten verteilt wurde.
Es war ein erneutes Beisammensein von jungen und alten Menschen, die gemeinsam an
Tischen saßen und neugierig den Ablauf der Veranstaltung verfolgten. Beim Eingang zum
Saal stand ein Verkaufstisch, der von zwei Mädchen aus der Schule betreut wurde, an
dem jeder Besucher die Möglichkeit hatte, ein Buch um 10,00€ zu erwerben.
Um 15 Uhr begann das vorgesehene Programm, welches die Agenda 21 Plus und das
Projektteam fertig ausgearbeitet hatten. Es sprachen unter anderen der Vertreter des
Bezirksvorstehers
Manfred
Wurm,
der
Direktor
des
Seniorenwohnhauses
„Am Mühlengrund“ Herr Helmut Hempt, die Agenda 21 Plus wurde vorgestellt, der
Projektcoach Manfred Car sprach generell über die Schulprojekte mit Generationen und
schließlich auch ich. Ich präsentierte unser Projekt „Spuren des Lebens“. Zwischendurch
wurden zwei Lieder von einer kleinen Chorgruppe aus unserer Schule gesungen, die uns
hierbei gerne unterstützten. Die gesamte Präsentation wurde von Sabine Steinbacher,
Vertreterin der Agenda, hervorragend moderiert. Am Ende des Programms wurde noch
unser selbstproduziertes Video mit Ausschnitten und Fotos unserer Arbeit, unterlegt mit
schöner Musik auf eine Leinwand projiziert. Ein sehr stimmiger und rührender Moment
für alle Beteiligten. Abschließend wurden die druckfrischen Bücher „Spuren des Lebens“
an die beteiligten Personen ausgeteilt.
Aufgrund des bereits bestehenden Kontakts der Agenda 21 Plus zu Okto TV und des
Interesses des Senders für unser Projekt, wurden wir an diesem Präsentationsnachmittag
von einem Kamerateam begleitet. Sie filmten die gesamte Präsentation und führten im
Anschluss
noch
einzelne
Interviews
mit
20
Schülern
und
Bewohnern
des
Seniorenwohnhauses „Am Mühlengrund“. Zwei Wochen später wurde die gelungene
Zusammenfassung10 auf Okto TV ausgestrahlt.
10
http://okto.tv/agenda21
21
3.3. Historische Hintergründe
Bei einigen Interviews sind die Senioren auf interessante historische Details eingegangen,
bei denen ich denke, dass sie einen geschichtlichen Wert haben und ich habe begonnen
darüber zu recherchieren.
Hirtenfelder Gertrude
Sie erzählte bei ihrem Interview, dass ihre Mutter damals zur Filialleiterin der Bäckerei
Hammerbrotwerke, dem heutigen „Anker“, befördert wurde…
Die Hammerbrotwerke11 waren Fabriken einer Großbäckerei der Wiener Arbeiterschaft,
die von 1909 bis 1969 in Wien und deren Umgebung existierte.
Das Unternehmen drohte vor dem Ersten Weltkrieg in eine finanzielle Katastrophe zu
stürzen. Aufgrund des Kriegs und der beginnenden Lebensmittelknappheit wurde die
Pachtung von 24 kleineren Bäckereien in Wien gefördert. Es wurde ein eigener MilitärZwieback in die Produktpalette aufgenommen, um verarmten Soldaten und Familien ein
billiges, jedoch qualitätsreiches Produkt bieten zu können. Dank dieser zusätzlichen
Einnahmen, konnte das Unternehmen der finanziellen Katastrophe entgehen.
Im Jahre 1919 konnte ein zweites Backwerk in Floridsdorf in der Schwaigergasse
eröffnet
werden.
Kurz
darauf
folgte
ein
drittes
Werk
im
ehemaligen
Militärverpflegungsetablissement in der Leopoldstadt.
1937 zwang die allgemeine wirtschaftliche Lage erst zu einer Personalreduktion, dann
sogar zu einer Stilllegung des Unternehmens. Die zwei neueröffneten Werke mussten
verkauft werden. Der „Schoeller-Konzern“ wurde schließlich der Eigentümer des
Unternehmens Hammerbrotwerke und fusionierte es 1970 mit dem ebenfalls neu
übernommenen Ankerbrot12 unter dem Namen „Vereinigte Nahrungsmittel Industrie
AG“.
In dem ehemaligen Werk in Floridsdorf befindet sich heute eine Tanzschule namens
„Tanzsportclub- blaugrün Wien“13 und das Militärverpflegungsetablissement14 wurde
entsprechend dem Denkmalschutz restauriert und als Bürogebäude adaptiert.
11
http://de.wikipedia.org/wiki/Hammerbrotwerke
http://de.wikipedia.org/wiki/Ankerbrot
13
http://www.tanzsport-wien.at/tsc_blau_gruen_wien.html
12
22
Das
Hammerbrot-Schlaraffenland15:
Der
Konzern
hatte
eine
firmeneigene
Kinderwerbezeitschrift, die meistens monatlich erschien. Das kreativ gestaltete Heft
bestand immer aus acht Seiten, die mit zahlreichen Rätseln, Comics und fortlaufenden
Geschichten versehen waren. Manchmal gab es auch eine Bastelanweisung mit
Ausschneidebögen oder andere ausgedachte Spiele. Da keine Belegexemplare der Serie
nach Anfang 1939 zu finden waren, vermutet man, dass nach dem „Anschluss“ kein
Papier mehr für Werbung zu Verfügung gestellt wurde. Mitte 1951 wurde die
Hammerbrot-Kinderwerbezeitung
neu
gegründet
und
kam
mit
dem
Namen
„Kleine Hammer-Welt“ auf den Markt. (Im Anhang befinden sich zwei Bilder der
Kinderzeitungen.)
Dr. Herta Feith
Sie erzählte zwei Projektteammitgliedern, dass sie mit eigenen Augen sah, wie die
Wiener Staatsoper16 abbrannte…
Bereits 1944 wurde der Betrieb aller Veranstaltungshäuser und Wiener Theater
eingestellt. Es entstanden erhebliche Schäden an den Wiener Kulturbauten aufgrund der
starken Bombardierungen. Am 12.03.1945 wurde die Wiener Staatsoper von einer
amerikanischen Bombe getroffen, der gesamte Bühnentrakt und der Zuschauerraum
wurden zerstört und die Oper brannte (siehe Foto im Anhang) fast vollkommen aus.
Abgesehen von dem Schaden an dem Gebäude selber, entstand ein Verlust des gesamten
Dekorations- und Requisitenbestandes und den rund 150.000 Kostümen. Zum Glück
wurden einige Räumlichkeiten und Treppen von dem Feuer verschont, wie zum Beispiel
das Foyer, die Loggia und der Teesalon.
Im Jahre 1948 begann Wien die zerstörte Oper originalgetreu wieder aufzubauen und
komplett zu restaurieren. In der Zwischenzeit fanden einige Aufführungen der Staatsoper
auf Ersatzbühnen, wie im Theater an der Wien oder an der Volksoper statt. Was in einer
einzigen Nacht zerstört wurde, brauchte sieben Jahre bis zur Wiedereröffnung.
14
http://de.wikipedia.org/wiki/Milit%C3%A4rverpflegungsetablissement
http://home.arcor.de/hitlerjugendzeitung/hammerbrot.htm
16
http://gym.scp.ac.at/web-aktiv/geschichte-im-sacre-coeur/Kulturchronik2.htm
http://www.planet-vienna.com/spots/Staatsoper/staatsoper.htm
15
23
Die Staatsoper wurde am 05.11.1955 mit „Fidelio“ von Ludwig van Beethoven unter der
Leitung von Karl Böhm wiedereröffnet.
Auch erzählte Dr. Herta Feith von dem Anschlag auf den Philipphof17, wo rund
200-300 Menschen ums Leben kamen…
Wie die Staatsoper wurde auch der Philipphof vor der Albertina am 12.03.1945 völlig
zerstört. Dabei war unter dem Philipphof ein Luftschutzbunker angelegt, der als sehr
sicher galt und für über 300 Personen Platz bot. Dieser Bunker sollte für die gesamten
Bewohner der umliegenden Wohngegend, als Schutz gegen die Bomben dienen. Bei der
Bombardierung Wiens wurde das Gebäude jedoch so schwer beschädigt, dass die
gesamte Gebäudestruktur über dem Luftschutzkeller in sich zusammenbrach.
Die 200-300 Menschen, die in dem Bunker Schutz gesucht hatten, wurden unter dem
Schutt begraben. Bei dieser entsetzlichen Katastrophe wurde die höchste Zahl an zivilen
Todesopfern in Wien gezählt. Die Bergung der verschütteten Opfer konnte leider
aufgrund der Instabilität des Geländes nicht durchgeführt werden. Diese Opfer ruhen bis
zum heutigen Tag in den verschütteten Kellern des ehemaligen Philipphofes.
Nach Kriegsende wurden die gesamten Überreste des Gebäudes gesprengt (siehe Fotos
im Anhang), um den Platz neu asphaltieren zu können.
1988 errichtete Alfred Hrdlicka ein Mahnmal (siehe Foto im Anhang) gegen Krieg und
Faschismus auf dem Platz vor der Albertina.
17
http://www.timetraveller.eu/index.cfm?objectid=5DE936AA-D1A2-AC81-0F437401D7C24570#arch
http://de.wikipedia.org/wiki/Bombardierung_Wiens_im_Zweiten_Weltkrieg#Schwerster_Angriff_am_12._
M.C3.A4rz_1945
24
4. Diskussion
Auffallend war das Verhalten der Menschen. Die meisten Erinnerungen waren
hauptsächlich positive Dinge, was vielleicht daran liegt, dass der Mensch automatisch
versucht die unangenehmen und negativen Geschehnisse zu verdrängen. In manchen
Fällen, wenn sie ein tiefes Trauma bewirken, können die gespeicherten Gedanken sogar
vollkommen gelöscht beziehungsweise überschrieben werden, so dass derjenige nicht
mehr weiß, was er selber getan hat oder was passiert ist.
4.1. Positives
„Am Mühlengrund“: Sehr erfolgreich war unsere Zusammenarbeit mit dem
Herrn Direktor Helmut Hempt vom Seniorenwohnhaus „Am Mühlengrund“. Er half uns
die Informationen an die Senioren weiterzuleiten und sie an die nächsten Termine zu
erinnern. Einen großen Vorteil hatte das Seniorenwohnhaus, denn es sind viele Senioren
auf einem Fleck und so konnten an einem Tag bis zu 10 Personen interviewt werden.
Außerdem fühlten sich die älteren Menschen sehr wohl, weil sie sich an einem vertrauten
Ort befanden. Dadurch kam es zu keinen angespannten Situationen.
Agenda 21 Plus18: Die Agenda unterstützte uns in jeder Hinsicht. Schon am Anfang des
Projekts,
als
es
darum
ging
genügend
Stimmen
für
den
Gewinn
des
BIPA Schulprojektwettbewerbs zu bekommen, voteten die Mitarbeiter fleißig mit. Auch
brachten sie uns mit interessanten Persönlichkeiten aus dem 23. Bezirk in Verbindung
und waren eine große Unterstützung bei der Organisation der Buchpräsentation. Die
Agenda druckte ohne Verrechnung von Kosten Flyers und machte uns auf
Veranstaltungen rund um den Generationendialog aufmerksam. So kam es, dass unsere
Projektgruppe im Rathaus bei einer Art „Speed Dating“ mitmachen konnte, wo sich
Menschen über Projekte in Wien informierten. Auch vertrat unser Projekt
„Spuren des Lebens“ eine Stelle bei einer Podiumsdiskussion rund um die Generationen,
was eine sehr beeindruckende Erfahrung war.
Zum Abschluss unseres Projekts lud die Agenda das Projektteam zu einem Essen ein, wo
noch einmal grob besprochen wurde, was gut funktionierte und was man besser hätte
machen können.
18
http://la21wien.at/Plone/die-la-21-bezirke/23-bezirk/aktuelles/#spuren
25
Manfred Baumann19: Eine Besonderheit unseres Buchs ist mit Sicherheit das Cover. Das
darauf abgebildete Foto stammt nämlich von dem österreichischen Starfotografen
Manfred
Baumann.
Dieses
Foto
ist
aus
seiner
neuen
Ausstellung
„LIFE - Unretuschiert & Unzensiert“. Für diese hat er Menschen im Alter um die 100 Jahre
unretuschiert fotografiert. Durch Zufall wurde diese Ausstellung kurz vor der Gestaltung
des Covers präsentiert. Nach meiner Anfrage mit genauer Beschreibung unseres Projekts,
stellte Manfred Baumann uns dieses ausdrucksvolle Foto unentgeltlich zur Verfügung.
Die Aufnahme des Gesprächs: Dass die Interviews mit Handys oder Aufnahmegeräten
aufgenommen worden sind, diente für eine spätere Kontrolle und vor allem als
Hilfsmittel. Beim Verfassen des Berichts konnte auf diese Hilfestellung zurückgegriffen
werden, um sich spezielle Details erneut anzuhören und somit eine ziemlich fehlerlose
Arbeit zu leisten.
Die Buchpräsentation: Die Buchpräsentation entwickelte sich sehr gut und ist ohne
Probleme und Pannen abgelaufen. Noch am selben Abend erhielten wir von vielen Leuten
großes Lob und es war schön, dass die Menschen so begeistert unsere Arbeit zu schätzen
wussten. Einige waren sehr darüber verblüfft, was aus ihrer eigenen Lebensgeschichte
gemacht werden konnte. Es war ein sehr netter und schöner Nachmittag.
19
http://blog.statravel.at/life-manfred-baumann/
26
4.2. Negatives
So wie bei den meisten Projekten, verlief auch unseres nicht völlig ohne Probleme.
Typisch Schüler: Die Verlässlichkeit untereinander war ein wichtiger Punkt, der leider
nicht von allen eingehalten worden ist. So musste vielen Schülern nachgelaufen werden,
um die fertigen Berichte zu erhalten, damit alles zur rechten Zeit fertig werden konnte.
Was ein wenig verständlich ist, wenn man bedenkt, dass dieses Projekt neben der
Schulzeit stattfand und auch viel Freizeit in Anspruch genommen hat.
Der Tod: Leider passierte auch etwas sehr Unangenehmes, mit dem man zu rechnen hat,
wenn man mit älteren Menschen zusammenarbeitet. Einer unserer Interviewpartner
starb leider noch bevor das Buch gedruckt werden konnte. In Gedanken an ihn und in
Trauer fügten wir einen kleinen Kommentar auf seiner Buchseite hinzu und umrandeten
die Seite schwarz.
Depressive Menschen: Einige Jugendliche haben sich sehr schwer damit getan, dass es
auch Menschen gab, die sich nicht mehr am Leben freuen konnten und sich intensiv mit
dem Tod auseinandersetzten. Obwohl die meisten Lebensgeschichten recht erheiternd
waren und die Gespräche auch lustig und nett sein konnten, gab es auch Personen, die
sehr grantig und depressiv waren. Aber zum Glück kam das nur sehr selten vor, denn die
meisten Leute kamen aus Neugierde zu uns und hatten gute Laune.
Der Rauswurf: Bei einem Hausbesuch in Mauer, wo wir einen sehr netten und
engagierten
Mann interviewen wollten, passierte etwas sehr Ungewöhnliches und
Uncharmantes. Johanna Schagerl und ich saßen zum ausgemachten Termin gemeinsam
mit dem Mann in seinem Garten und hatten soeben mit dem Interview begonnen.
Plötzlich kam die Frau des Befragten heim und hat uns beinhart und dazu sehr unhöflich
hinausgeworfen. Bei dem Versuch der Frau höflich zu erklären, warum wir hier sind,
beziehungsweise, dass der Termin ja mit ihrem Mann ausgemacht war, scheiterten wir
komplett. Sie unterbrach uns und meinte bloß, dass sie uns nicht einmal hineingelassen
hätte, denn sie habe heute Geburtstag und ihr Mann habe auch heute Geburtstag und
dass sie sich nicht weiter mit uns ärgern möchte. Sie sprach sehr unfreundlich, wenn nicht
abwertend mit uns und sagte, dass wir jetzt sofort verschwinden sollten. Wir packten
unsere Sachen, verabschiedeten uns bei dem Mann und gingen.
27
5. Anhang
5.1. Bilder zu „Historische Hintergründe“
Abbildung 120: ©Herr Walter Mayrhofer
Ein Titelblatt der Kinderwerbezeitschrift „Das Hammerbrot- Schlaraffenland“
20
http://home.arcor.de/hitlerjugendzeitung/hammerbrot.htm
28
Abbildung 221: ©Herr Walter Mayrhofer
Titelblatt der neuen Auflage „Kleine Hammer- Welt“ (März 1953)
21
http://home.arcor.de/hitlerjugendzeitung/hammerbrot.htm
29
Abbildung 322: Die Wiener Staatsoper wurde am 12.03.1945 zerbombt
und brannte fast vollständig aus.
22
http://gym.scp.ac.at/web-aktiv/geschichte-im-sacre-coeur/Kulturchronik2.htm
30
5.1.1. Sprengung der Überreste des Philipphofs23
23
Aus dem Archiv der Firma „Marx Media GmbH“
31
Abbildung 424: Das Mahnmal gegen Krieg und Faschismus auf dem Platz an dem
der Philipphof stand.
24
http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Datei:Mahnmal_Albertinaplatz_Vienna_Oct._2006_002.jpg&fil
etimestamp=20061014122651
32
6. Verzeichnis der Literatur
Bücher:
-
Beyer, Lisann und Car, Manfred: Spuren des Lebens –Wien: Eigenverlag, 2011,
133pp
-
Auchmann, Maria; Berger, Christoph; Feierfeil, Gerlinde; Panis, Alfred: ProjektManagement-Step By Step: MANZ Verlag Schulbuch GmbH- Wien: 2007, 240pp
Internet:
-
„antonkriegergasse”: Generationenprojekte.
http://www.antonkriegergasse.at/docs/userwebs/index.php?seite=48, 06.02.2012
www.antonkriegergasse.at/docs/userwebs/index.php?seite=246, 06.02.2012
-
Bipa Schulprojektwettbewerb: Spuren des Lebens.
http://www.bipaschulprojekt.at/schulprojekte.html?task=view&id=90, 06.02.2012
-
Knill+Knill Kommunikationsberatung: Interview führen-aber wie?
http://www.rhetorik.ch/Interviewtechnik/Interviewtechnik.html, 10.02.2012
-
Okto Community: Der Sender. http://okto.tv/lesen/der-sender, 09.02.2012
-
Wikipedia: Interview. http://de.wikipedia.org/wiki/Interview, 06.02.2012
-
Wikipedia: Hammerbrotwerke. http://de.wikipedia.org/wiki/Hammerbrotwerke,
08.02.2012
-
Wikipedia: Ankerbrot. http://de.wikipedia.org/wiki/Ankerbrot, 08.02.2012
-
Das Hammerbrot Schlaraffenland.
http://home.arcor.de/hitlerjugendzeitung/hammerbrot.htm, 08.02.2012
-
Wikipedia: Militärverpflegungsetablissement.
http://de.wikipedia.org/wiki/Milit%C3%A4rverpflegungsetablissement,
08.02.2012
-
ÖTSV: TSC Blau-Grün Wien http://www.tanzsportwien.at/tsc_blau_gruen_wien.html, 08.02.2012
-
Kulturchronik. http://gym.scp.ac.at/web-aktiv/geschichte-im-sacrecoeur/Kulturchronik2.htm, 09.02.2012
-
Planet-vienna: Staatsoper. http://www.planetvienna.com/spots/Staatsoper/staatsoper.htm, 09.02.2012
33
-
Time: Traveller: visualisierung albertinaplatz.
http://www.timetraveller.eu/index.cfm?objectid=5DE936AA-D1A2-AC810F437401D7C24570#arch, 09.02.2012
-
Wikipedia: Schwerster Angriff am 12. März 1945.
http://de.wikipedia.org/wiki/Bombardierung_Wiens_im_Zweiten_Weltkrieg#Sch
werster_Angriff_am_12._M.C3.A4rz_1945, 09.02.2012
-
Lokale Agenda: Agenda 21 Plus. http://la21wien.at/Plone/die-la-21-bezirke/23bezirk/aktuelles/#spuren, 09.02.2012
-
Okto: Agenda 21 in Action. http://okto.tv/agenda21, 09.02.2012
-
Blog: Manfred Baumann. http://blog.statravel.at/life-manfred-baumann/,
04.02.2012
Bilder:
-
Mahnmal:
http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Datei:Mahnmal_Albertinaplatz_Vienna
_Oct._2006_002.jpg&filetimestamp=20061014122651, 09.02.2012
-
Kulturchronik. http://gym.scp.ac.at/web-aktiv/geschichte-im-sacrecoeur/Kulturchronik2.htm, 09.02.2012
-
Das Hammerbrot Schlaraffenland.
http://home.arcor.de/hitlerjugendzeitung/hammerbrot.htm, 08.02.2012
-
Philipphof: Sprengung. Aus dem Archiv der Firma „Marx Media GmbH“, 1230
Wien: Speisinger Straße, 13.02.2012
34
7. Zusammenfassung
Im Rahmen der Projektgruppe „Generationendialog“ der Schule „antonkriegergasse“ und
der Agenda 21 Plus wurde ein neues Projekt namens „Spuren des Lebens“ gestaltet. Man
führte von Anfang April bis Ende Oktober 2011 Interviews mit 57 verschiedenen Personen
aus dem Bezirk Wien Liesing. Diese 57 Geschichten wurden im Eigenverlag zu dem Buch
„Spuren des Lebens“ publiziert.
In dieser Arbeit wird die Projektvorbereitung, Durchführung und die Präsentation
beschrieben. Auch wurde auf einige geschichtliche Details eingegangen, deren
Grundlagen aus den Erzählungen der Interviewpartner stammen.
8. Abstract
A team of students from the school “antonkriegergasse” fulfilled in 2011 a new and real
special project called “Spuren des Lebens”. The main idea was to interview senior citizens
at the retirement home “Am Mühlengrund” and some other interesting people living in
the 23rd district of Vienna.
The students did the interviews and asked the senior citizens questions about the
wartime, their working lives and their childhoods. The next step was to write down these
interesting stories from our interview notes.
These stories and the photos, which we made from each interviewee, are the contents of
the book “Spuren des Lebens” we published ourselves.
9. Eigenständigkeitserklärung
Ich, BEYER Lisann, erkläre hiermit, dass ich die vorliegende Fachbereichsarbeit selbständig
und ohne fremde Hilfe verfasst und nur die im Literaturverzeichnis angegebenen Quellen
benützt habe.
Wien,
Unterschrift:
35
10. Arbeitsprotokoll
Datum
Art der Besprechung
Thema der Besprechung
08.09.2011 (13:00-13:30)
Persönliches Treffen
Kontrolle des Rohentwurf
15.09.2011 (15:00-16:00)
Persönliches Treffen
Grobdisposition und Einleitung
besprochen
10.10.2011 (17:00)
Telefonat
Besprechung des Anhangs
24.10.2011 (9:50-10:00)
Persönliches Treffen
Geschichtliche Recherche und
Buchpräsentation
13.12.2011 (13:13)
E-Mail
BIPA Schulprojektwettbewerb
15.12.2011 (14:00-15:00)
Persönliches Treffen
Planungsgespräch
21.12.2011 (14:40-15:30)
Persönliches Treffen
Kontrolle
12.01.2012 (13:00-14:00)
Persönliches Treffen
Überprüfung von den ersten
Seiten der FBA
24.01.2012 (11:05)
E-Mail
Projekthandbuch
26.01.2012 (13:00-14:00)
Persönliches Treffen
Fragen wegen des
Literaturverzeichnisses
11. Projekthandbuch
Auf den nächsten 24 Seiten ist das ausgearbeitete Projekthandbuch, das das Projekt
„Spuren des Lebens“ dokumentiert und teilweise graphisch darstellt, angeführt.
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