Saladin und die Kreuzfahrer
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Saladin und die Kreuzfahrer
02-07_reportage_b 15.12.2005 17:13 Uhr Seite 2 DIE REPORTAGE KONFRONTATION DER KULTUREN? Saladin und die Kreuzfahrer Im späten 11. Jh. landen die ersten Kreuzfahrer an der levantinischen Küste. Sie gründen Grafschaften, Fürstentümer und Königreiche. In der neuen Nachbarschaft, am Hof, im Handel und im Kampf begegnen sich nun Westeuropäer und Orientalen. Zwei Hauptakteure der Begegnung sind Sultan Saladin und Richard Löwenherz. Waren die arabisch-islamische und die abendländische Kultur „Wir waren uns schnell einig, dass die Ausstellung nicht kreuzfahrerlastig sein durfte, die Kreuzzüge sollten nicht als heldenhaft im Vordergrund stehen“, erzählt der Tübinger Professor für Orientalistik Heinz Gaube. „Orient und Abendland sollten vielmehr ausgewogen vorkommen und es war uns wichtig, dass die Ausstellung auf neutralem Boden stattfindet – nicht im kirchlichen Raum etwa.“ In den Wirren nach dem 11. September 2001 hatte Alfried Wieczoreck, Direktor der Reiss-Engelhorn-Museen in Mannheim, begonnen, seine Idee einer Kreuzfahrerausstellung zu realisieren. Er fand Partner – Mamoun Fansa, gebürtiger Syrer und Direktor des Landesmuseums für Natur und Mensch in Oldenburg, und Harald Meller, Direktor des Landesmuseums für Vorgeschichte in Halle. Für das wissenschaftliche Beratergremium gewann man zwei Heidelberger Pro- aber tatsächlich so unterschiedlich? Findet eine „Konfrontation der Kulturen“ statt? Die Ausstellung „Saladin und die Kreuzfahrer“, die in diesem Jahr in Halle, Oldenburg und Mannheim zu sehen ist, hat sich ein spannendes und heikles Thema zugleich gestellt. Wir haben Professor Dr. Heinz Gaube, einen der wissenschaftlichen Koordinatoren, dazu befragt. fessoren für die Geschichte des Mittelalters, Bernd Schneidmüller und Stefan Weinfurter, sowie Heinz Gaube. Als Orientalist trug er dazu bei, die eurozentristische Sicht der Kreuzfahrerzeit aufzulösen: „Orientalisten beherrschen neben Latein und Griechisch auch Hebräisch, Arabisch, Syrisch und Persisch – das verändert die Sicht auf diese Epoche.“ Welt und Umwelt der Bibel: Auf wen stießen die Kreuzfahrer im Orient? Prof. Dr. Heinz Gaube: Die Historiker gehen davon aus, dass die Ritter auf eine hoch entwickelte islamische Kultur gestoßen sind – die sich allerdings aus der Sicht des Orients seit dem faktischen Ende des Kalifenreichs um das Jahr 1000 in einem ungeheuren Tief befand. Sie war politisch zersplittert. Der Fernhandel, der den Orient reich gemacht hatte, war zusammengebrochen, Kriege ent- brannten zwischen lokalen Dynastien und die Karawanenstraßen wurden unsicher. Ein Händler konnte seine Ware aus dem Ostiran nicht mehr mit großem Gewinn in Kairo verkaufen. Waren die klimatischen Verhältnisse für Datteln in Kerman auch günstiger oder für Baumwolle im Südostiran – man konnte sie nicht mehr exportieren. Die Steuereinnahmen sanken, damit auch der Luxus, die militärische Expansion stoppte und es entstanden Kleinstaaten von bescheidenem Format – genau wie in Europa. Viele Kreuzritter wurden ja als arme Unterschichtler in den Osten abgeschoben. So stießen in der Levante unbedeutende, landhungrige europäische Adlige auf Araber in einer ähnlichen Situation. Die militärischen Erfolge der Raubritter, die in den Osten zogen, waren weder heroisch noch verwunderlich. Wir haben Berichte, dass man sich gegenseitig Schafe und Kühe stahl – von der einen Burg, DOLCH mit christlichen und islamischen Motiven, Syrien/Palästina, 13. Jh. Die zweischneidige Klinge ist leicht gekrümmt, der Griff und die reich verzierte Scheide sind silbern. Möglicherweise wurde der Dolch von einem Kreuzfahrer bei einem muslimischen Handwerker in Auftrag gegeben. Die arabische Inschrift in Thuluth an der Scheide ist bislang ungelesen. Links oben zeigt die Hand Gottes auf einen Reiter mit Heiligenschein, der eine Schlange bekämpft. Während alle anderen Motive im Islam bekannt sind (Greif, Jagd, auch der Drachenkämpfer), ist die Hand Gottes nur aus der Hl.-Georgstradition bekannt. © Vaduz, Furusiyya Art Foundation, Foto: Philippe Maillard 2 welt und umwelt der bibel 1/2006 reportage 02-07_reportage_b 15.12.2005 17:14 Uhr Seite 3 DIE ZITADELLE VON ALEPPO war zuerst Residenz von Saladins Vorgänger, des syrischen Herrschers Nureddin (gest. 1174), mit Moschee und Palast. Der Fels ist geglättet und mit Steinen gepflastert, das Portal und der umlaufende Graben zeugen von höchster Festungsbaukunst. © Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt auf der ein Muslim lebte zur anderen, auf der ein orientalisierter Kreuzritter residierte. Syrien und die Levante waren, wie schon so oft in ihrer Geschichte, in der Zange zwischen zwei Großmächten, den ägyptischen Fatimiden und den Seldschuken in Isfahan. Lokale Generäle nutzten die Gelegenheit, sich in diesem Niemandsland kleine Territorien zu sichern. Es gab keinen zentralen starken Staat, auf den die Kreuzfahrer stießen und es war ihnen ein Leichtes, hier militärisch etwas auszurichten. Dass man es dennoch mit einer überragenden orientalischen Kultur zu tun hatte, bleibt indes unangefochten. In seinen Memoiren beschreibt Ussama Ibn Munkes, ein Kleinherrscher in Syrien, wie Kreuzritter Krankheiten behandeln – er hielt das für reichlich hinter dem Mond. Wie ist das Gefälle zu erklären? Im Orient hatte man spätestens seit Anfang des 9. Jh. durch die Absorption der antiken Philosophie und Wissenschaften einen enormen naturwissenschaftlichen Vorsprung. Der Arzt Ibn Sina ist einer der herausragenden Forscher. Bis ins 17. Jh. wurde nach seinen Studien in Europa Medizin betrieben. Die Kenntnisse waren viel umfangreicher als im prüden Europa, wo man keine Körper sezieren durfte. Aber nicht nur naturwissenschaftlich waren die muslimischen Reiche überlegen, auch in der Kunst zeigt sich der weitere Horizont. Man nutzte virtuos alle großen hellenistischen und persischen Motive und kombinierte sie mit arabischen Inschriften. Das Ungleichgewicht gründet darin, dass der mittelalterliche Orient die Antike stärker bewahrt hat als der Okzident. Die Kreuzzüge brachten ein wenig Antike nach Europa zurück, aber erst in der Renaissance kam sie wieder zu tragender Bedeutung. Das Mittelalter – hier wie dort – hatte also etwas mit dem Maß der Bewahrung der Antike zu tun? Zunächst: Was ist eigentlich das Mittelalter? Offensichtlich das Zeitalter „in der Mitte“, zwischen Antike und Neuzeit. Leider übersehen wir oft, dass es ebenso wie ein europäisches ein orientalisches Mittelalter gab. In den Kernländern des Islam brach die Antike genauso zusammen! Wir haben im Orient allerdings eine Variante von Mittelalter, in der neben den griechisch-römischen Wurzeln die Verbindung mit der alten Kultur des persisch-mesopotamischen Raumes hinzukam. Doch sind die Grenzen fließend: In der Stauferkirche in Schwäbisch-Gmünd finden Sie in der Dekoration viele persischorientalische Elemente. Gemeinsame Wurzeln haben die Kulturen seit der Antike verbunden – und genauso im Mittelalter. In der Diskussion darum, wann das Mittelalter be- INSCHRIFTENRING aus Paußnitz, 13. Jh. Der mystische Text ist in frühgotischen Majuskeln und Buchstaben der irisch-angelsächsischen Zierkapitalis abgefasst. Dechiffriert ist mittelhochdeutsch zu lesen: NAINE MI XPS „Verneine mich Christus“ im Sinne von „Vernichte mich, Christus“. Das eigene Ich soll ausgelöscht werden, um daraufhin vollständig vom Geiste Christi durchdrungen zu werden – eine mystische Spiritualität mit vorderorientalischen Einflüssen, die besonders bei Kreuzfahrern zu finden war. Der Ring birgt zudem einige Hinweise aus der Zahlenmystik. © Halle, Landesmuseum für Vorgeschichte reportage welt und umwelt der bibel 1/2006 3 02-07_reportage_b 15.12.2005 17:14 Uhr Seite 4 DIE REPORTAGE ginnt, brachte Henri Pirenne vor 70 Jahren die These auf, es beginne mit dem Aufkommen des Islam – als der verbindende Mittelmeerraum in einen christlichen Norden und einen islamischen Süden auseinander fiel. Doch die hellenistische Prägung beider Kulturräume bleibt und dadurch behält ihre Weiterentwicklung auch Ähnlichkeiten. Während der hellenistisch-römischen Zeit und bereits früher unter den persischen Achämeniden hatte der Orient rege Beziehungen zu den Mittelmeerkulturen. Die Kunst zeigt das: Grundelemente wie den Akanthus oder die Palmette finden Sie überall. Selbst eine Buddhastatue mit ihrem griechischen Faltenwurf wäre ohne Alexander d. Gr. nicht denkbar. Wann und wie kam Saladin ins Spiel? Unter Saladins Vorgänger Nureddin entstand in der zersplitterten Levante, Syrien und Nordmesopotamien eine religiöse, sunnitische Einheit – zumindest in den tieferen Lagen. Auf den Bergen lebten kleine Gruppen von Maroniten, Alawiten oder Drusen. Parallel dazu fand eine kulturelle Renaissance statt – ein classical revival. Nun entstanden Bauten, in denen bewusst lokale antike Formen aufgegriffen wurden. An einer Moschee in Aleppo etwa wurde ein römisch anmutender, aber arabischer Architrav mit arabischer Inschrift eingebaut. Die Hochfassade der Hauptmoschee in Diyarbakir sieht byzantinisch aus, Münzen mit den Abbildern Alexanders d. Gr. oder antiker persischer Könige wurden geprägt. Erstmals im arabisch-islamischen Reich verwurzelte man sich lokal und wollte alles aus dem eigenen Territorium hinausdrängen, was nicht dorthin gehörte – und das waren die Kreuzfahrer, denen Nureddin die ersten großen Verluste beibrachte. Saladin setzte seine Politik fort, konnte das schiitisch-fatimidische Ägypten dazugewinnen und sein Reich bis in den Jemen ausdehnen. Die Kreuzfahrer standen erstmals einem starken Gegner gegenüber. Die BURG VON MASJAF in Syrien überragt den modernen Ort auf einer Felshöhe. Von 1140 bis 1290 war die arabische Burg ein Hauptsitz der ismailitischen Nizariten, die durch ihre religiös-politischen Morde und Selbstmordattentate im Orient gefürchtet und im Westen als Assassinen bekannt waren. Ihr Führer war der „Alte vom Berg“. Legendär werden sie aufgrund der Bezeichnung „haschischijja“ mit Haschischkonsum in Verbindung gebracht. Saladin hatte die Burg vergeblich belagert. © Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt SCHALE mit sitzendem Herrscher, Syrien, Mitte 12. Jh. Das Motiv scheint zum Themenkreis des „höfischen Lebens“, einem der beliebtesten der mittelalterlichen, islamischen Kunst, zu gehören – man genießt das luxuriöse Leben. Die Figur mit Glorie, umrahmt von einem Palmettenkranz, blickt auf einen Gegenstand in ihrer rechten Hand, wahrscheinlich einen Becher. In der linken hält sie vielleicht einen Ring. © Kopenhagen, Davids Samling, Inv. Nr. Isl. 195, Foto: Ole Woldbye ASTROLABIUM, arabisch, 1086. Es wurde zur Messung der Höhe von Gestirnen, der Stellung der Fixsterne zum Horizont und zu den Planeten und auch zur Zeitmessung sowie zur Navigation benutzt. Dieses astronomische Weltmodell war schon in der griechischen Antike bekannt, wurde aber in der islamischen Welt ständig weiterentwickelt. Über Spanien wurde das Astrolab in Europa verbreitet. © Staatliche Museen Kassel, Foto: A. Hensmanns 4 welt und umwelt der bibel 1/2006 reportage 02-07_reportage_b 15.12.2005 17:14 Uhr Seite 5 MAMELUCKISCHER TÜRFLÜGEL mit auf Unendlichkeit angelegten, geometrischen Systemen, basierend auf komplexen Sternenmotiven. Die mystischen Arabesken erinnern an die großartige göttliche Schöpfung. Holz mit Elfenbeineinlagen, Ägypten, Anfang 14. Jh. © bpk, Berlin, Museum für Islamische Kunst, Foto: Georg Niedermeiser Was für ein Mensch war Saladin? Er muss ein sehr asketischer und nüchterner Typ gewesen sein. Am Abend hat er mit seinen Leuten geredet, gebetet oder über theologische Fragen diskutiert. Er muss tief gläubig gewesen sein – und modern in seiner Zeit, was seine Toleranz angeht, die nicht nur ein literarischer Topos, sondern eine Tatsache ist. Er hat sich wesentlich menschlicher verhalten als die Kreuzfahrer. Gefangene wurden nicht einfach zu Hunderten geköpft, was bei den Kreuzfahrern vorkam, sondern immer wieder wurden Gefangene freigelassen. Saladin hat oft versucht, Konflikte auf dem Verhandlungsweg zu lösen. Daher kommt auch sein Ruf in der westlichen Rezeption bis zu Lessing, wo er als toleranter Herrscher auftritt. Schon zu Saladins Lebzeiten muss sich in Europa die Kunde gefestigt haben, dass im Osten ein Herrscher lebt, der in einer Situation des Krieges zu Toleranz fähig ist. Natürlich sah er es als seine Aufgabe an, das Territorium für den MOSCHEEAMPEL aus Syrien, 14. Jh. Die Gebetsräume großer Moscheen waren durch eine Vielzahl solch gläserner Lampen angenehm ausgeleuchtet und drückten Würde und Pracht aus. Ihre Form ist die antiker Vasen. © bpk, Berlin, 2004, Museum für Islamische Kunst SPK reportage welt und umwelt der bibel 1/2006 5 02-07_reportage_b 21.12.2005 10:23 Uhr Seite 6 DIE REPORTAGE Islam zurück zu gewinnen. Wilhelm von Tyrus sagte, Saladin sei zwar ein Gegner, aber ein sehr anständiger. Vielleicht, weil er in Syrien in einem Milieu aufgewachsen ist, das nicht sehr zu Gewalt tendierte. Welche Erkenntnisse kann ein Ausstellungsbesucher mitnehmen? Besucher können feststellen, dass auf der islamischen Schale die gleichen Ornamente wie auf der mittelalterlichen Kreuzfahrerschale sind – und das nicht, weil die Künstler voneinander abgeschaut haben, sondern weil beide dieselben Wurzeln besitzen. Wer genau hinsieht, stellt fest, dass die islamische und die christliche Kultur zwei Seiten einer Medaille sind. Es gibt – auch jenseits des Monotheismus – viele gemeinsame Wurzeln. Etwa philosophisch: Hier wie dort ticken wir sozusagen nach Aristoteles: in unserem Verständnis von Logik, von Zeit, von Argumentation ... Die islamische Theologie ist auf den Grundlagen der antiken Philosophie aufgebaut. Die Theologen im iranischen Qom sind großartige PlatonKenner, der Philosoph gehört zum Lerngrundstoff. Das zeigt sich in der auf Logik aufbauenden, manchmal ins Sophistische gehenden Weise, das islamische Recht weiterzuentwickeln. Was war für Sie spannend an der Arbeit im wissenschaftlichen Kuratorium? Es war der Anspruch, die Ausstellung so zu machen, dass sie einen gebildeten Menschen aus dem Orient nicht vor den Kopf stößt. Die Zeit um Saladin wird auf beiden Seiten verzerrt dargestellt. In syrischen Schulbüchern werden die Kreuzzüge mit dem historisch viel späteren Kolonialismus und Imperialismus in Verbindung gebracht, durch den europäische Mächte den Orient tatsächlich unter ihre Kontrolle brachten. In den Übergriffen der Kreuzfahrer entdeckte man Kolonialismus und Imperialismus bereits im Mittelalter. Das ist verständlich, historisch aber nicht ganz sauber. Und unsere Geschichtsbücher sind ebenso tendenziös. Der Untertitel der Ausstellung „Konfrontation der Kulturen“ ist mit Fragezeichen versehen – Konfrontation ja oder nein? Ist es wirklich eine? Die These vom „Clash of civilisations“ halte ich für Unfug. Wir haben so viele gemeinsame Wurzeln, die wir zur Abwechslung einmal betonen müssen. Diese Wurzeln waren im Mittelalter ebenso da, nur hat man hat die Geschichte – auch zur Kreuzfahrerzeit – sehr selektiv betrachtet. Die Fragen stellte Helga Kaiser. SCHATZ VON TIBERIAS, Ende 11. Jh. Der Hortfund befand sich in einem kleinen Tonkrug und umfasste 16 arabische Dinare und sieben Schmuckstücke aus Gold, die Ohrringform war im byzantinischen wie im arabischen Gebiet bekannt. Evtl. versteckte ein/e Muslim/in den Schatz bei der Invasion der Seldschuken 1068. © Jerusalem TERMINE UND ORTE: Bis 12.2.2006: Halle/Saale, Landesmuseum für Vorgeschichte, Tel. 0345-5247 363, www.archlsa.de/saladin 5.3.-2.7.2006: Oldenburg, Landesmuseum für Natur und Mensch, Tel. 0441-9244 300, www.NaturundMensch.de 23.7.-5.11.2006: Mannheim, Reiss-Engelhorn-Museen, Tel. 0621-293 3150, www.rem.mannheim.de LESETIPPS Saladin und die Kreuzfahrer Katalog zur Ausstellung, hg. v. Alfried Wieczorek/ Mamoun Fansa/Harald Meller, von Zabern 2005, ISBN 3-8053-3513-X, EUR 39,– Konfrontation der Kulturen? Saladin und die Kreuzfahrer, hg. v. Heinz Gaube/Bernd Schneidmüller/Stefan Weinfurter, von Zabern 2005, ISBN 3-8053-3466-4, EUR 24,90 GRABPLATTE des Richard Löwenherz, Klosterkirche Sainte-Marie, Fontevrault, 13. Jh. © WUB SALADIN UND RICHARD LÖWENHERZ obald er von der Niederlage der christlichen Truppen bei Hattin gehört hatte, machte sich der englische Thronfolger Richard Löwenherz mit Stab und Sack als Zeichen der Pilgerschaft auf den Kreuzzug. Er konnte Akko und den Küstenstreifen erobern und dadurch erneut ein Kreuzfahrerkönigreich installieren. In Akko ließ er laut Quellen 3000 gefangene Einwohner der Stadt hinrichten, als Saladin eine Lösegeldzahlung und die Rückgabe des Heiligen Kreuzes nicht einhielt. Vor dem geplanten Angriff auf Jerusalem kam es zu Verhandlungen mit Saladin, bei denen beide einen freien Zugang der heiligen Stätten in Jerusalem, Betlehem und Nazaret für Pilger vereinbarten. Richard wurde im Westen zur Idealgestalt des ritterlichen Königs, als tapferer Edler tritt er noch heute in Filmen und Romanen auf. S 6 welt und umwelt der bibel 1/2006 reportage 02-07_reportage_b 15.12.2005 17:14 Uhr Seite 7 Denkmal Saladins in Damaskus, 1992. © WUB SALADIN, DER EDLE HEIDE aladin wurde in Europa zum Inbegriff des weisen und edlen Heiden, besonders durch die Kunde seiner Milde bei der Einnahme Jerusalems 1187. Im Mittelalter kam sogar das Gerücht auf, er habe eine christliche Mutter gehabt. Offenkundig ließ er sich auch im Krieg nicht von Rache und Vergeltung bestimmen, auch wenn es strategische Gründe gehabt haben mag, wenn er freien Abzug gewährte. Lessings Schauspiel „Nathan der Weise“ hat Saladin 1779 ein besonderes Denkmal gesetzt: Der Sultan tritt als Vorläufer des aufklärerischen Toleranzgedankens auf (wobei man nicht vergessen darf, dass Saladin in seiner Zeit als frommer Muslim handelte, nicht als aufgeklärter Freigeist). Der weise Jude Nathan verliert bei einem Pogrom zur Kreuzritterzeit seine Familie. Als er durch den Patriarchen von Jerusalem in Gefahr gerät, rettet ihn der Gerechtigkeitssinn des Sultans Saladin, der Jerusalem erobert hatte. In der bekannten Ringparabel geht es darum, dass nicht zu entscheiden ist, welche der Weltreligionen die Wahre sei (welcher der drei Söhne den wahren Ring vom Vater erhalten habe). So dürfen alle von ihrer Religion als der Wahren überzeugt sein: „Es strebe von euch jeder um die Wette“ nach dem Guten und Juden, Christen und Muslime mögen leben „mit innigster Ergebenheit in Gott“ als dem einenden Impuls aller Religionen. Das Bild des Islam war das einer gewalttätigen Religion – auch in der Aufklärungszeit blieb es negativ – und so stach Saladin besonders hervor. Kaiser Wilhelm II. rühmt in einer Rede 1898 nach dem Besuch der Grabkammer Saladins in Damaskus (deren Renovierung er spendierte) „einen der ritterlichsten Herrscher aller Zeiten“, den „Ritter ohne Furcht und Tadel“. In der islamischen Welt wurde Saladin besonders populär, als die europäischen Besatzer die Macht nach dem Zusammenbruch des Osmanischen Reichs übernahmen: Der Widerstand in Palästina berief sich auf Saladin, der seinerzeit Jerusalem und Palästina von den Besatzern befreit hatte. Die Pläne der Zionisten und der spätere Staat Israel wurden parallel zu den Kreuzfahrerstaaten gesehen, die der bewunderte Saladin aus dem Land verjagt hatte. (H.K./WUB) WICHTIGE DATEN: 1096 Erster Kreuzzug trifft im Orient ein 1099 Franken erobern Jerusalem 1138-1193 Saladin 1187 Sieg Saladins bei den Hörnern von Hattin 1187 Muslime erobern unter Saladin Jerusalem zurück 1191 Richard Löwenherz trifft ein und erobert Akko 1192 Vertrag zwischen Richard und Saladin: Zugang zu Jerusalem für christliche Pilger 1291 Letzte Territorien der Kreuzfahrer fallen S reportage Szenen aus dem Leben in einem christlichen Kloster auf einer syrischen Glasflasche, 13. Jh. Ein Esel trägt Früchte und ein Kreuz identifiziert das Gebäude als Kirche. Mit Sicherheit haben muslimische Handwerker das Gefäß hergestellt. War es das Geschenk eines muslimischen Gouverneurs an seine christlichen Nachbarn? © Vaduz, Furusiyya Art Foundation, Foto: Philippe Maillard welt und umwelt der bibel 1/2006 7