HVD - Humanistischer Verband Deutschlands

Transcrição

HVD - Humanistischer Verband Deutschlands
Publikumsleitfaden
Organisierte Suizidhilfe in Deutschland –
Praxis, Probleme, Perspektiven
Podiumsdiskussion
3. Juni 2015 | 18.30 – 20.30 Uhr
Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
Jägerstraße 22/23 (Einsteinsaal, 5. OG, barrierefrei)
10117 Berlin
Veranstalter
Humanistischer Verband Deutschlands
mit Unterstützung von Giordano-Bruno-Stiftung und Humanistischer Union
Podiumsdiskussion | 3. Juni 2015 | Berlin
„Organisierte Suizidhilfe in Deutschland – Praxis, Probleme, Perspektiven“
Problemlage
Im Deutschen Bundestag ist eine Gesetzgebung zur organisierten Suizidhilfe geplant.
Viele Stimmen sprechen sich für ein strafrechtliches Verbot von „organisierter Sterbehilfe“
aus. Zu bedenken ist dabei jedoch, dass die wenigen Menschen, die sich in für sie
alternativlosen Situationen aus freien Stücken für eine vorzeitige Beendigung ihres Lebens
entscheiden, dann meist keine Ansprechpartner mehr fänden. Sie wären auf riskante und
oft andere Personen mitbelastende Selbsttötungsversuche angewiesen. Nicht zuletzt
deshalb erwartet eine große Mehrheit in unserem Land, dass für sie im Ernstfall eine
solche Hilfe erreichbar ist und bleibt.
Basis der Argumente vieler Verbotsbefürworter ist eine vermeintlich „dubiose,
unqualifizierte und Menschen verleitende“ Tätigkeit von Sterbehilfe-Organisationen. Wir
finden jedoch, dass eine sachliche Debatte mit und über Sterbehilfe-Organisationen
bislang gar nicht geführt worden ist. Dies möchten wir mit unserer Podiumsdiskussion
ändern, bei der Sie mit den Vertretern aus Praxis und Politik in das Gespräch kommen
können.
Unsere Fragen an das Podium: Wie sieht die Praxis aus, die verboten werden soll?
Welche konkreten Missstände werden den Suizidhilfe-Vereinen vorgeworfen? Von wem
wurden die Angebote von Sterbehilfe Deutschland und DIGNITIAS Deutschland bislang in
Anspruch genommen? Welche Regularien bestehen bei diesen Vereinen, welche
Bedingungen müssen erfüllt sein? Bedarf es neuer Regelungen? Wo finden Menschen mit
Suizidabsichten in unserer Gesellschaft Hilfe? Was wären die Folgen eines Verbotes?
Unsere Empfehlung zur öffentlichen Diskussion
Insbesondere die Frage des assistierten
Suizids steht im Mittelpunkt der laufenden
politischen und gesellschaftlichen
Debatte. Profilierte Vertreter des
Humanistischen Verbandes Deutschlands
haben dazu Stellung genommen und
eigene Vorschläge unterbreitet. Dazu
gehört nicht nur – unter bestimmten
Voraussetzungen – die kontrollierte
Ermöglichung der ärztlichen Hilfe beim
Sterben, sondern auch die Einführung
einer qualifizierten Suizidkonfliktberatung,
um Selbsttötungen vorzubeugen.
Die Broschüre können Sie kostenfrei als
PDF-Dokument beziehen unter:
www.am-ende-des-weges.de
Humanistischer Verband Deutschlands | Wallstr. 61-65 – 10179 Berlin | [email protected] | www.humanismus.de
Podiumsdiskussion | 3. Juni 2015 | Berlin
„Organisierte Suizidhilfe in Deutschland – Praxis, Probleme, Perspektiven“
Kurz-Vitae der Podiumsgäste
Dr. iur. Roger Kusch studierte Rechtswissenschaften und war nach seiner Promotion bis
2006 in verschiedenen staatlichen Diensten tätig, zuletzt als Justizsenator der Freien und
Hansestadt Hamburg. Die von ihm 2006 gegründete Partei HeimatHamburg forderte u. a.
eine Liberalisierung der Sterbehilfe, vertrat aber ansonsten eher rechtskonservative
Positionen. 2008 gründete er Sterbehilfe e. V. und informierte die Öffentlichkeit am 29.
Juni 2008, dass er erstmals bei dem Suizid einer 79-jährigen Frau assistiert hatte. Im
Oktober 2009 gründete Roger Kusch den Verein SterbeHilfeDeutschland.
Prof. Dr. med. Dr. sc. Karl Lauterbach, seit 2005 Mitglied des Deutschen Bundestages,
Fraktion der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD), Mitglied im
Bundestagssauschuss für Gesundheit und Sprecher der Arbeitsgruppe Gesundheit der
SPD-Bundestagsfraktion. Seit 1998 Professor für Gesundheitsökonomie und Klinische
Epidemiologie an der Universität zu Köln, derzeit beurlaubt als MdB. Seit 2008 Adjunct
Professor an der Harvard School of Public Health, Boston, Department of Health Policy
and Management.
Dipl.-Psych. Gita Neumann. Studium der Sozialwissenschaften, Philosophie und
Psychologie. Seit 1993 Bundesbeauftragte des Humanistischen Verbandes Deutschlands
(HVD) für Patientenverfügungen / Humanes Sterben sowie Referentin Lebenshilfe im HVD
Berlin-Brandenburg. Autorin und Herausgeberin des Sammelbandes „Suizidhilfe als
Herausforderung“ (2012). Als Mitglied der Akademie für Ethik in der Medizin Mitverfasserin
der „Empfehlungen zum Umgang mit dem Wunsch nach Suizidhilfe“ (2013) für die Praxis.
Humanistischer Verband Deutschlands | Wallstr. 61-65 – 10179 Berlin | [email protected] | www.humanismus.de
Podiumsdiskussion | 3. Juni 2015 | Berlin
„Organisierte Suizidhilfe in Deutschland – Praxis, Probleme, Perspektiven“
RA Ludwig A. Minelli (*1932 in Zürich), Journalist, Schweizer Korrespondent des SPIEGELs
1964-1974 und zahlreicher deutscher Rundfunkanstalten, studierte 1976-1981 nach seiner
Begegnung mit der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) Jura an der
Universität Zürich und wurde mit 54 Jahren Rechtsanwalt. Er ist Gründer und
Generalsekretär
der
Schweizerischen
Gesellschaft
für
die
Europäische
Menschenrechtskonvention (SGEMKO) und des Vereins DIGNITAS – Menschenwürdig
leben – Menschenwürdig sterben, Forch-Zürich sowie Mitgründer des deutschen Vereins
gleichen Namens in Hannover, den er als erster Vorsitzender leitet.
Dr. Petra Sitte, seit 2005 für Halle/Saale Abgeordnete im Deutschen Bundestag (DIE LINKE,
u.a. Obfrau im Ausschuss für Bildung und Forschung); seit 2013 Erste Parlamentarische
Geschäftsführerin, Mitglied im Faktionsvorstand, Obfrau im Ausschuss für Wahlprüfung,
Immunität und Geschäftsordnung, Mitglied des Ältestenrats. Mitinitiatorin des
fraktionsübergreifenden Positionspapiers „Mehr Fürsorge statt mehr Strafrecht“ in der
Diskussion im Bundestag über den assistierten Suizid.
Moderation
Heike Haarhoff, gesundheitspolitische Redakteurin der Berliner tageszeitung (taz)
Humanistischer Verband Deutschlands | Wallstr. 61-65 – 10179 Berlin | [email protected] | www.humanismus.de
Podiumsdiskussion | 3. Juni 2015 | Berlin
„Organisierte Suizidhilfe in Deutschland – Praxis, Probleme, Perspektiven“
Stellungnahmen
Dr. Roger Kusch
Der Verein Sterbehilfe Deutschland e.V. (StHD) – gegründet im Jahr 2009 – ist
der einzige Verein, der seinen Mitgliedern Suizidassistenz in Deutschland
anbietet. Seit Vereinsgründung bis zum heutigen Tag (3. Juni 2015) haben
wir 193 Mitgliedern beim Suizid geholfen. Die Voraussetzungen unserer
Suizidhilfe sind in Ethischen Grundsätzen festgelegt, die auf unserer Website
www.sthd.ch veröffentlicht sind. Wir helfen Mitgliedern, die einsichts- und
willensfähig sind und deren Sterbewunsch unumstößlich, durchdacht und
nachvollziehbar ist. StHD kämpft nicht nur für seine 700 Mitglieder, sondern
für das Verfassungsrecht aller Menschen in Deutschland, bis zum letzten
Atemzug über das eigene Leben selbst zu entscheiden. Als Antwort auf die
ständigen Forderungen deutscher Politiker nach einem Verbot organisierter
Sterbehilfe haben wir im Jahr 2012 einen zweiten Verein mit Sitz in Zürich
gegründet, der nicht der deutschen Gesetzgebung und damit auch nicht
dem drohenden Verbot organisierter Sterbehilfe unterliegt. StHD ist der
einzige Sterbehilfeverein weltweit, der in einer eigenen Schriftenreihe alle
Suizidbegleitungen im Einzelnen dokumentiert.
Prof. Dr. Karl Lauterbach
Viele Ärzte fühlen sich von ihrem Kammerpräsidenten bevormundet. Der
Protest gegen ihn scheint mir berechtigt zu sein. Viele Ärzte wünschen sich
für ihre Patienten einen rechtssicheren Rahmen für eine Sterbehilfe unter
bestimmten Umständen und aus humanitären Gründen. Wäre ich
praktizierender Arzt, würde ich mir auch eine Regelung dazu wünschen.
Ludwig A. Minelli
Seit 1999 behaupte ich, jeder Mensch besitze das Recht auf den „Tod von
eigener Hand“; dies sei ein Menschenrecht. Am 20. Januar 2011 bestätigte
dies der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte. Menschen müssen
zur Ausübung dieses Rechts Zugang zum dafür geeignetsten Medikament
über eine helfende Organisation erhalten. Dieses Recht soll vorbereitet,
begleitet und ungefährdet ausgeübt werden können. Dies ist die
Bedingung dafür, die grosse Anzahl gescheiterter Suizidversuche – in
Deutschland täglich bis zu 1.350! – massgeblich zu verringern: Wer sich über
die von ihm gewünschte Leidens- und Lebensbeendigung mit anderen
ergebnisoffen beraten kann, bevor er einen Suizidversuch unternommen
hat, gewinnt die grosse Chance, eine Lösung seines Problems zum Leben
hin zu finden. DIGNITAS hat seit Gründung 1998 bis heute 2.000 Menschen
bei der Beendigung ihrer Leiden und ihres Lebens geholfen. Die Zahl jener,
die dank DIGNITAS ihre Suizidalität überwinden konnten, beträgt davon ein
Vielfaches..
Humanistischer Verband Deutschlands | Wallstr. 61-65 – 10179 Berlin | [email protected] | www.humanismus.de
Podiumsdiskussion | 3. Juni 2015 | Berlin
„Organisierte Suizidhilfe in Deutschland – Praxis, Probleme, Perspektiven“
Gita Neumann
Der Umgang mit Suizidhilfe-Wünschen muss, wie die Verhütung von
Selbsttötungen (und -versuchen), als Herausforderung für alle Einrichtungen,
v. a. im Sozial- und Gesundheitsbereich, begriffen werden. Die Ausprägung
und
Ergebnisoffenheit – auch was letztendlich eine mögliche
Suizidbegleitung betrifft – wird vom jeweiligen Leitbild des Trägers
abhängen. Mit ihren Kompetenzen einzubeziehen sind sowohl
Suizidhilfevereine als noch zu entwickelnde Suizidkonfliktberatungsstellen.
Ein besonderes Recht auf ein geregeltes Verfahren sollte unerträglich und
schwerstleidenden Patienten zugebilligt werden. Für deren Ärztinnen und
Ärzte ist im Betäubungsmittelgesetz für den Zweck der Suizidhilfe das
verlässliche, human und schnell wirkende Medikament Pentobarbital
zuzulassen. Weiteren Regulierungsbedarf seitens des Staates gibt es derzeit
nicht. Allenfalls wäre umgekehrt eine strafrechtliche Klarstellung sinnvoll: Die
Normierung
der
bestehenden
Straflosigkeit
der
Beihilfe
zur
selbstverantwortlichen und in eigener Tatherrschaft vorgenommenen
Selbsttötung als auch deren Nichthinderung und Begleitung bis zum Tod.
Dr. Petra Sitte
Einige Abgeordnete im Bundestag planen, die Hilfe zur Selbsttötung ganz
oder zumindest größtenteils zu verbieten. Ich teile diese Meinung nicht. Ich
meine weiterhin: Wir brauchen mehr Fürsorge statt mehr Strafrecht.
Deswegen erarbeite ich – gemeinsam mit Renate Künast und Kai Gehring –
derzeit einen Gesetzentwurf. Er soll die Rechtslage im Wesentlichen so
belassen, wie sie derzeit ist: Die Hilfe zur Selbsttötung bleibt demnach
straffrei. Aber wir wollen die gewerbsmäßige Hilfe – also die
Kommerzialisierung solcher Hilfsangebote – verbieten. Denn mit Hilfe in der
Not darf kein Profit gemacht werden und es soll auch niemand in den Tod
gedrängt werden. Wer aber Hilfe zur Selbsttötung ohne Profitabsicht und
nach einer ergebnisoffenen Beratung und dem Aufzeigen von Alternativen
leistet, bekommt nach unseren Vorstellungen Rechtssicherheit – als
Nahestehende, als Ärztin oder Arzt und auch als Organisation.
Ihre Ansprechpartner
bei weiteren Fragen rund um das Thema der Podiumsdiskussion
Kontakt
Kontakt
Kontakt
[email protected]
[email protected]
[email protected]
030 613904 – 32
0651 9679503
030 204502-56
Humanistischer Verband Deutschlands | Wallstr. 61-65 – 10179 Berlin | [email protected] | www.humanismus.de