Bartenwale (Mysticeti)

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Bartenwale (Mysticeti)
,
Factsheet
Bartenwale
(Mysticeti)
Blauwal (Balaenoptera musculus) natureplan.com / David Fleetham - WWF
Ordnung
Wale
Cetacea
Unterordnung
Bartenwale
Mysticeti
Familien
Grauwale, Furchenwale, Glattwale und Zwergglattwale
Factsheet Bartenwale (Mysticeti)
Bartenwale
Systematik
Bartenwale werden in vier Familien mit insgesamt 15
Arten untergliedert: Grauwale (Echrichtiidae) mit einer Art, Furchenwale (Balaenopteridae) mit neun
Arten, Glattwale (Balaenidae) mit vier Arten und
Zwergglattwale (Neobalaenidae) mit einer Art.
Merkmale
Bartenwale besitzen keine Zähne, sondern hunderte
bis zu vier Metern lange Barten im Oberkiefer. Barten bestehen, wie unsere Haare und Fingernägel, aus
der Hornsubstanz Keratin und werden auch als
'Fischbein' bezeichnet.
Die Bartenplatten liegen ein bis drei Zentimeter auseinander, sind auf der Innenseite mit haarigen Fasern gesäumt und bilden zusammen eine Art Sieb.
Zur Nahrungsaufnahme öffnen Wale ihr Maul, Wasser und Nahrung strömen ein und anschliessend
wird das Wasser zwischen den Bartenplatten hindurch wieder ausgedrückt. Ihre Nahrung bleibt gefiltert im Maul zurück: Krill, Plankton und andere
Kleinorganismen. Manche Wale können auch mit geöffnetem Maul schwimmen und dabei ständig Nahrung filtern. Im Gegensatz zu den Zahnwalen, wachsen die 'Fresswerkzeuge' der Bartenwale ihr Leben
lang weiter, was aufgrund der Abnutzungserscheinungen auch notwendig ist.
Bartenwale haben im Gegensatz zu den Zahnwalen
zwei Blaslöcher, welche häufig einen V-förmigen Blas
erzeugen.
Bartenwale sind ausschliesslich marine Säuger. Diese
Grosswale sind alle mindestens sechs Meter lang.
Der Blauwal ist das grösste heute lebende Tier der
Erde. Er kann bis zu 33 Meter lang und bis zu 120
Tonnen schwer werden. Allein seine Zunge wiegt 2,7
Tonnen. Der kleinste Bartenwal ist der Zwergwal oder Minkwal, der immerhin eine Länge bis zu acht
Metern erreichen kann.
Eine grosse Familie bilden die Furchenwale, zu denen die grössten Wale wie Blauwal, Finnwal, Buckelwal und Seiwal, aber auch der kleinste Bartenwal
(Zwergwal) gehören. Ihren Namen tragen die Tiere
aufgrund der Furchen am Hals, die sich beim Wassereinsaugen zur Nahrungsaufnahme wie ein Akkordeon ausdehnen und dabei eine rosa Haut zeigen. Im
Gegensatz zur Familie der Glattwale, zu der die
Nord- und Südkaper zählen, besitzen Furchenwale
eine Rückenflosse und sind deutlich schlanker.
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Sozialverhalten und Fortpflanzung
Eine Besonderheit der Bartenwale sind ihre langen
Wanderungen durch die Ozeane. Im Sommer halten
sich die Wale in kalten, nährstoffreichen Gebieten
auf. Zur Paarung, zur Geburt und Aufzucht der Jungen ziehen sie im Herbst in wärmere Regionen.
Grauwale gehen auf die längsten Wanderungen aller
Säugetiere. Manche legen dafür bis zu 20‘000 km zurück. Bartenwale leben einzeln, paarweise oder in
kleinen Familiengruppen, zu Paarungszeiten oder auf
ihren Wanderungen können es schon einmal bis zu
100 Tiere sein (z.B. beim Finnwal).
Bartenwale bringen in der Regel nach einer Tragzeit
von durchschnittlich einem Jahr ein Junges zur Welt.
Bei Bartenwalen ist bisher, im Gegensatz zu Zahnwalen, keine Echolotpeilung nachgewiesen worden. Vermutlich reicht ihr Sehvermögen aus, um die Plankton- und Krillschwärme aufzuspüren. Allerdings
können sie sehr laute, niederfrequente Töne ausstossen, die hunderte von Kilometern weit zu hören sind
und der Kommunikation untereinander dienen.
Bartenwale können sehr alt werden. Sie haben
durchschnittlich eine Lebenserwartung von mindestens 30 bis 70 Jahren.
Buckelwal (Megaptera novaeangliae) Natalie Bowes /
WWF Canada
Geographische Verbreitung und Lebensraum
Bartenwale kommen in allen Weltmeeren vor. Alle
Arten unternehmen jahreszeitliche Wanderungen.
Im Sommer halten sie sich zur Nahrungsaufnahme in
kühlen Gewässern der hohen Breiten auf und wandern im Herbst in wärmere Gewässer, wo sie sich
paaren und die Jungen gebären
Nahrung
Bartenwale fressen im Allgemeinen nur während eines Zeitraums von vier oder fünf Monaten im Jahr.
Dazu begeben sie sich in den Sommermonaten der
jeweiligen Erdhalbkugel in die kühleren, nahrungsreicheren Gewässer rund um die Pole der Erde, wo
ein grosser Wal jeden Tag bis zu zwei Tonnen Nahrung aufnehmen kann, vor allem Krillkrebse. Solche
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Mengen werden zum Aufbau einer dicken Fettschicht, dem Blubber, benötigt. Die Energiereserven
benötigen Wale für ihre jährlichen, langen Wanderungen zu ihren Fortpflanzungsgründen in subtropischen und tropischen Breiten, welche sie den Winter
über aufsuchen.
Buckelwale (Megaptera novaeangliae), Tim Irvin / WWF
Canada
Bestandsgrösse und Gefährdungsstatus
Das Verhältnis der Menschen zu Walen und Delfinen
ist durch Gegensätze gekennzeichnet: Es reicht von
Verehrung, Zuneigung und kultureller Bedeutung bis
hin zu einem der dunkelsten Kapitel in der Geschichte der Ausbeutung wild lebender Arten. Nur
wenige Tierarten auf dem Land oder im Meer erwecken so viel Ehrfurcht wie die Wale, und kaum andere Arten wurden so massiv durch den Menschen
bedroht. Über die Bestände vieler Bartenwalarten
gibt es keine sicheren Angaben. Da die meisten saisonal wandern, ist es mithilfe der heutigen Beobachtungsmethoden nicht möglich, genaue Informationen
über ihre Bestandsgrössen zu bekommen.
In der Roten Liste der Weltnaturschutzunion (IUCN)
werden die Arten Pazifischer Nordkaper (Eubalaena
japonica) mit weniger als 500 Individuen und Atlantischer Nordkaper (Eubalaena glacialis) mit 300 –
350 Individuen als “stark gefährdet“ eingestuft. Die
Subpopulation im Ostpazifik werden mit höchstens
30 – 50 adulten Tieren als „vom Aussterben bedroht“
eingestuft ist. Die westpazifische Population des
Grauwals (Eschrichtius robustus) mit weniger als
200 Individuen ist ebenfalls als „vom Aussterben bedroht“ eingestuft. Blauwal (Balaenoptera musculus),
Seiwal (Balaenoptera borealis) und Finnwal (Balaenoptera physalus) sind ebenfalls als „stark gefährdet“ eingestuft.
Bedrohung
Walfang
Die Bestände fast aller Grosswalarten sind heute auf
einem sehr niedrigen Niveau. Hauptursache dafür ist
der verheerende kommerzielle Walfang der vergangenen zwei Jahrhunderte. Allein in der Antarktis
wurden im 20. Jahrhundert mehr als zwei Millionen
Wale getötet. Grosswalarten wie Blau-, Finn- und
Seiwal haben über die letzten drei Generationen 70 –
80 Prozent Verluste erlitten. Als langlebige Säugetiere mit langsamen Fortpflanzungszyklen brauchen
Wale mehrere Jahrzehnte des Schutzes, bis sich die
Bestände von der übermässigen Jagd erholt haben.
Von einigen Arten, wie dem Atlantischen Nordkaper
(Eubalaena glacialis) und der westpazifischen Population des Grauwals (Eschrichtius robustus), leben
nur noch wenige hundert Tiere. Trotz jahrzehntelangen Fangstopps (seit 1986) erholen sich diese Bestände nicht. Das weltweite Fangverbot wird leider
von Japan, Norwegen und Island boykottiert. Island
jagte bisher vor allem die stark gefährdeten Finnwale. Während in Island 2015 noch 155 Finnwale getöt wurden, hat das Land 2016 die Finnwaldjagd eingestellt. Norwegen hatte für die Saison 2014 eine
kommerzielle Fangquote von 1‘286 Walen, das Ziel
dabei sind vor allem die Minkwale. Seit 1993 wurden
nicht mehr so viele Wale in Norwegen gejagt wie bis
im August 2014, wo in dem Jahr bereits 729 Wale getötet wurden. Im Gegensatz zu Norwegen und Island
praktiziert Japan den Walfang unter dem Deckmantel der Wissenschaft zu angeblichen Forschungszwecken. Im Südpolarmeer lebten 200‘000 Südliche
Blauwale, bevor sie im 20. Jahrhundert massiv bejagt
wurden. Derzeit wird die geschrumpfte Population
auf etwa 2‘300 Tiere geschätzt. Das internationale
Moratorium für kommerziellen Walfang trat 1986 in
Kraft, sieben Jahre später wurde das Walschutzgebiet im Südpolarmeer ausgewiesen. Trotzdem hat Japan hier seitdem mehr als 10'000 Wale gejagt. Neben
den stark gefährdeten Seiwalen sind dort besonders
die ebenfalls stark gefährdeten Finnwale bedroht.
Rund 725‘000 Finnwale sind dem internationalen
Walfang bisher insgesamt zum Opfer gefallen. Ihre
Anzahl wird heute auf etwa 18‘000 bis 20‘000 Tiere
geschätzt. Der Internationale Gerichtshof in Den
Haag entschied 2014, dass Japan seine umstrittene
Waljagd im Südpolarmeer beenden müsse, da sie
keine wissenschaftlichen Forschungszwecke erfülle.
Japan hat jedoch gegen diese Resolution Einspruch
erhoben und nach einjähriger Jagdpause einen Forschungsplan vorgelegt, welcher für folgenden 12
Jahre die Tötung von jährlich 333 Zwergwalen
(Minkwale) vorsieht.
Weitere Bedrohungen
Beifang und Entzug der Nahrungsquelle durch Überfischung stellen auch eine Gefahr für Bartenwale dar.
Es kommt vor, dass sie sich in Treibnetzen oder riesigen Stellnetzen verfangen, welche zusammengeknüpft bis zu drei Kilometer lang werden können.
Auch der Klimawandel kann Wanderung, Fortpflanzung und Ernährungsgrundlage einiger Walarten
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empfindlich stören, besonders in den Polarregionen.
Betroffen sind vor allem die Grönlandwale. Das Futterplankton reagiert sehr empfindlich auf Wärmeunterschiede: je wärmer das Gewässer, desto weniger
Plankton ist vorhanden.
Weitere Gefahren gehen von der Meeresverschmutzung durch giftige Substanzen wie DDT und PCBs
aus, die das Immunsystem und die Fortpflanzungsfähigkeit der Tiere schädigen.
Lärm, Erschütterungen und Verschmutzungen verursachende Öl- und Gasförderung in ihren Nahrungsgründen, kann die Wale aus ihrem Futtergebieten
vertreiben. Dazu gehören die letzten Westpazifischen
Grauwale, die sich jedes Jahr in den Frühlingsmonaten an der Küste der Insel Sachalin im Osten Russlands versammeln. Sie sind darauf angewiesen, sich
während des Sommers grosse Fettreserven zuzulegen, damit sie auf ihren weiten Wanderungen durch
die Ozeane die Winter überstehen. Seit 1998 entsteht
vor der Ostküste der Insel Sachalin ein gigantisches
Öl- und Gasförderungsprojekt. Von insgesamt fünf
geplanten Ausbaustufen zur Ausbeutung der Bodenschätze sind bereits zwei Bohrinseln errichtet und
miteinander und mit dem Land durch eine Pipeline
verbunden worden. Die Lärmbelastung durch Baumassnahmen und Ölbohrungen sowie potentiell ausfliessendes Öl gefährden die gesamte Artenvielfalt in
der Region, darunter die vom Aussterben bedrohte
Population Westpazifischer Grauwale. Der Lärmpegel während der Konstruktionsarbeiten der zweiten
Plattform entsprach der Lautstärke eines Presslufthammers, was das Verhalten der äusserst lärmempfindlichen Wale, die sich per Schallwellen orientieren
und kommunizieren, nachweislich änderte. Sie hielten sich während der Konstruktionsphase signifikant
weniger in dieser Region auf, obwohl hier ihre Nahrungsgründe liegen.
Eine weitere Bedrohung für Meeressäuger ist das
steigende Risiko von Schiffskollisionen. Weil es in
den Ozeanen immer lauter wird, hören die Wale immer weniger. Oft nehmen sie Schiffe viel zu spät
wahr und können ihnen nicht mehr ausweichen. Besonders betroffen sind Blauwale, Finnwale, Buckelwale und Nordkaper.
WWF-Engagement
Seit seiner Gründung setzt sich der WWF weltweit
dafür ein, die Bedrohungen der Wale zu verringern.
So unterstützt er die Einrichtung von Meeresschutzgebieten für Wale und andere Arten und arbeitet an
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nationalen und internationalen Konventionen und
Vereinbarungen zum besseren Schutz der Wale mit.
Ausserdem setzt er sich für die strikte Kontrolle des
Walfangs durch die Internationale Walfangkommision (IWC) ein.
Mit seinem Action Plan 2012-2020 setzt sich der
WWF das Ziel, bis 2020 dazu beizutragen, den Beifang in der modernen Fischerei zu reduzieren bzw. zu
eliminieren, Schiffskollisionen zu vermeiden, Wale
vor Umweltgiften zu schützen, den Lärm in den Ozeanen (verursacht durch Schiffe, Abbau von Bodenschätzen und militärische Aktivitäten) zu reduzieren,
die Auswirkungen des Klimawandels auf die Wale so
gering wie möglich zu halten und die Lebensweise
der Wale weiter zu erforschen.
In der südlichen Hemisphäre leben noch höchstens
1‘400 Blauwale. Vor der chilenischen Küste wurde
mit Unterstützung des WWF 2014 ein neues 87‘500
Hektaren grosses Meeresschutzgebiet ausgewiesen.
Dieses Gebiet ist existenziell für die Erholung der Bestände des Blauwals. Denn dort ziehen sie ihre Jungen auf und fressen sich die nötigen Fettreserven für
ihre jahreszeitbedingten Wanderungen bis an den
Äquator an.
Dank gezielter Kampagnen des WWF und anderer
Organisationen wurde erreicht, dass vor der Ostküste
der russischen Insel Sachalin der Entscheid zum Bau
einer geplanten, dritten Ölplattform vorläufig verschoben wurde (mind. bis 2017). Damit gewann der
WWF Zeit, um das Sakhalin Energy Konsortium davon zu überzeugen, ganz vom Ölplattformprojekt zu
lassen.
Der WWF fördert ausserdem die Entwicklung von
Wal- und Meeresschildkröten-freundlichen Fanggeräten. Auch nachhaltiges und kontrolliertes «Whale
watching» wird vom WWF in verschiedenen Ländern
unterstützt. Diese sanfte «Nutzung» der Wale ist
wirtschaftlich gesehen viel einträglicher als der kommerzielle Walfang.
Ein weiteres Beispiel ist das Engagement des WWF
für die Buckelwale im nördlichen Indischen Ozean
vor den Küsten Omans, Irans, Pakistans und Indiens.
Diese Population ist die kleinste und am meisten bedrohte Buckelwalpopulation der Welt. Diese Wale
wandern nicht jahreszeitlich sondern bleiben im Arabischem Meer. In einem gemeinsamen Workshop
mit der Emirates Wildlife Society und der Wildlife
Conservation Society wurde ein Forschungs- und
Schutzprogramm für diese Wale vereinbart.
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