Insulin-Antikörper: Nebenwirkung der (kurzwirkenden) Insulin
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Insulin-Antikörper: Nebenwirkung der (kurzwirkenden) Insulin
15. Juni 2014 G2813 Pressepostsendung - Entgelt bezahlt Euro 3,50 32. Jahrgang unabhängig-insulinabhängig Insulin-Antikörper: Nebenwirkung der (kurzwirkenden) Insulin-Analoga? 107 www.insuliner.de Information Ernste Nebenwirkung der (schnellen) Insulin-Analoga? Die Untersuchung von Dr. med. Bernhard Teupe, Bad Mergentheim, ‘Late revenge of analogue insulin among T1D-patients?’ mit 277 Typ 1-Diabetikern zeigt, dass eine gewisse Zahl von Insulin-Antikörpern im Blut die Wirkung des gespritzten Insulins verringert. Übersteigt die Zahl der Insulin-Antikörper eine bestimmte Grenze, ist ein Typ 1-Diabetes allein durch Insulininjektionen nicht mehr behandelbar. Die Wirkung von Insulin und alles, was darauf Einfluss hat, ist seit 32 Jahren Thema des INSULINERs. Als Typ 1-DiabetikerInnen spüren wir täglich, wie sehr wir auf eine zuverlässige Insulintherapie angewiesen sind, um als Menschen ohne eigene Insulinproduktion gut und zufrieden funktionieren zu können. Konsequenzen und Fragen, die sich durch die Arbeit von Dr. Teupe ergeben, müssen daher zügig, intensiv und unabhängig bearbeitet werden. In dem nachfolgenden Gespräch mit Dr. Teupe stellen wir seine Arbeit und die sich ergebenden Folgen vor. Was sind Insulin-Antikörper? Antikörper haben innerhalb des Immunsystems eines Lebewesens verschiedene Aufgaben. Eine bedeutende ist das Abwehren von Eindringlingen, also von körperfremden Stoffen. Die hier thematisierten Antikörper sind Eiweiße, die Insulin binden und es nach dem Massenwirkungsgesetz, also konzentrationsabhängig, wieder freisetzen. Das Massenwirkungsgesetz ist die Grundlage aller (chemischen) Bindungsreaktionen. Es beschreibt das konstante Verhältnis der Konzentrationen der Reaktionsprodukte und dem Produkt der Konzentrationen der Ausgangsstoffe. lin durch die Antikörper gebunden werden. Es kommt zu hohen BZ-werten, die mit noch mehr Insulin korrigiert werden... Wenn über längere Zeit - wie in der Nacht - kein Bolus- oder Korrekturinsulin gegeben wird, also weniger (meist nur basales) Insulin ins Blut gelangt, kommt es zu einer Freisetzung des vorher an die Antikörper gebundenen Insulins. Diese Insulin-Freisetzung verursacht schwere Unterzuckerungen. Es scheint, dass dabei weder die Eiweißstruktur des Insulins durch die Antikörperbindung und -freisetzung zerstört wird, noch weitergehende zerstörerische Immunprozesse ausgelöst werden. Damit ist zu erklären, warum DiabetikerInnen mit vielen Insulin-Antikörpern am Tag hohe Blutzuckerwerte und in der Nacht starke Hypoglykämien haben: Tagsüber, wenn viel Insulin zum Essen und Korrigieren gespritzt wird, kann viel Insu- Woher kommen Insulin-Antikörper? Es ist nicht normal, Insulin-Antikörper zu haben oder zu produzieren - aber es ist zunächst auch noch keine Krankheit, solche zu bilden. Es gibt vier Möglichkeiten, woher diese Antikörper kommen können: Information • aus dem Entstehungsprozess des Typ 1Diabetes, wobei die Menge an InsulinAntikörper im Laufe der Zeit wieder abnimmt, • durch die Insulin-Injektion unter die Haut als ein für das Insulin unnatürlicher und deshalb immunogen stimulierender Ort, • durch den nicht-humanen Ursprung (Fremdeiweiß) wie z.B. bei tierischem Insulin, • sehr selten durch eine bekannte Genetik bei Nicht-Diabetikern. Insulin-Insulinantikörper-Komplex: IgGMolekül, mit leichten und schweren Ketten und den Erkennungspeptiden, in dem sich ein Insulinmolekül (gelb) verfangen hat. Wie kann ich erkennen, dass es in meinem Körper Insulin-Antikörper gibt? Hinweise darauf können sein: • hohe Blutzuckerwerte am Tag bei vermehrter Insulinzufuhr (basales, Essensund Korrektur-Insulin) und starke Unterzuckerungen in der Nacht bei meist deutlich geringerer Insulinzufuhr (oft nur basales, kaum Essens- oder KorrekturInsulin) • eine ständig steigende Dosis des täglichen Insulinbedarfs, • intravenös (i.v.) gespritztes Insulin wirkt wie subcutan (s.c.) verabreichtes Insulin im Normalfall wirkt. Was ist erforderlich, um die Insulin-Antikörperzahl zu messen? Jeder Arzt kann Blut abnehmen und es in einem Labor auf Insulin-Antikörper untersuchen lassen. Für Diabetiker ist die Insulin-Antikörperbestimmung, die etwa € 35,kostet, Kassenleistung - ohne Auswirkung auf das Budget des Arztes. In Karlsruhe gibt es das Labor Volkmann, das sich auf die Bestimmung von Antikörper spezialisiert und entsprechende Methoden dafür entwickelt hat. Dieses Labor hat einen deutschlandweiten Abholdienst eingerichtet. Jeder Arzt kann also diesen Abholdienst bestellen. Bevor man allerdings bei deutlich erhöhten Insulin-Antikörper-Konzentrationen davon ausgehen kann, dass bei vorliegenden Symptomen diese auf die Insulin-Antikörper zurückzuführen sein könnten, sollten erst andere Therapiefehler ausgeschlossen werden, wie z.B. eine chaotische Insulintherapie, Spielen mit Insulin, psychische Auffälligkeiten ... . Ab welcher Anzahl von Insulin-Antikörpern kommt es zu den beschriebenen BZHoch-Tief-Symptomen? Nach meinen bisherigen Erfahrungen macht eine nachgewiesene Anzahl von Insulin-Antikörpern bis etwa 6.000 nU/ml keine Therapieschwierigkeiten. Bei einer Konzentration bis 15.000 nU/ml haben schon einige Diabetiker Probleme. Allerdings gibt es unter meinen PatientInnen auch solche mit etwa 20.000 nU/ml Insulin-Antikörpern, die noch keine der dargestellten Symptome haben. Information Zusätzlich zu der Untersuchung wird seit etwa eineinhalb Jahren bei allen PatientInnen des Diabetesdorfes Althausen eine Insulin-Antikörper-Untersuchung durchgeführt. Welche Ergebnisse gibt es bisher? Auffällig ist, dass knapp doppelt so viele DiabetikerInnen, die das Insulinanalogon NovoRapid benutzen, Insulin-Antikörper produzieren (über 60%) und dass auch deren Menge an Insulin-Antikörpern durchschnittlich deutlich und signifikant höher ist (2635,6 nU/ml zu 1789,3 nU/ml). Dagegen steht, dass Jasmin (siehe Seite ) nie NovoRapid, sondern lange Zeit das Analogon Humalog gespritzt hat. Auch bei Manuel (siehe Seite ) kam es nach Umsetzen auf Humalog zu einem starken Wiederanstieg der Antikörper nachdem die Antikörper nach Absetzen von NovoRapid und der Behandlung mit Humaninsulin drastisch abgefallen waren. Bei wenigen Typ 1-DiabetikerInnenn, die sich nur gelegntlich NovoRapid spritzen, haben wir allerdings Insulin-AntikörperSpiegel gemessen, die sich in ihrer Höhe zwischen den beiden Gruppen: "Noch nie Analoga" und "Ausschließlich Analoginsulin" befinden. Da bei keinem unserer mit Analoginsulinen behandelten Typ 2- und MODY-Diabetikern Insulin-Antikörper nachweisbar waren, spricht das dafür, dass eine gewisse spezifische Autoimmunität Voraussetzung für die Produktion von Insulin-Antikörpern sein müsste. Da diese Vergleichsgruppe klein war, ist dies nicht sicher. Welche Faktoren wurden in der Arbeit neben der Insulin-Antikörper-Bestimmung noch untersucht? Natürlich haben wir ausführlich nach Zusammenhängen mit anderen Autoimmunerkrankungen gesucht, aber keinerlei Anhalt gefunden. Die ursprüngliche Vermutung, dass es eine Verbindung mit der Hashimoto-Thyreoiditis, der chronischen Schilddrüsenentzündung gibt, hat sich nicht bestätigt. Nach der dargestellten Antikörperstudie habe ich bei 183 weiteren DiabetikerInnen Antikörpermessungen und etwa 50 Nachmessungen an beiden Kollektiven durchgeführt, die die Studienergebnisse bestätigen. Die Arbeit ist in englisch verfasst. Üblicherweise werden solche Untersuchungen zuerst einem wissenschaftlichen Fachpublikum vorgestellt. Warum wählst Du hier einen anderen Weg? Weil diese Beobachtungen beunruhigend sind, habe ich die Untersuchung, die den wissenschaftlichen Standards entspricht, den industrieunabhängigen Zeitschriften The Lancet1 und Diabetes-Care2 zur Veröffentlichung vorgelegt. Diese bekommen viele „Paper“-Zusendungen, von denen sie nur ca. 5 % veröffentlichen können – meine Arbeit war nicht dabei. Da es aber um die Typ 1-DiabetikerInnen, geht und erst in zweiter Linie um die verschlungenen Pfade wissenschaftlicher Veröffentlichungen, ist es für mich naheliegend, auf unsere Beobachtungen im INSULINER aufmerksam zu machen. Nachdem eineinhalb Jahre vergangen sind, ist jetzt wichtig, dass diesen Fragen mit wesentlich mehr Power nachgegangen wird. Dies versuche ich u. a. auch dadurch zu erreichen, dass wir diese Beobachtungen den Zulassungsbehörden melden. älteste medizinische Fachzeitschrift der Welt, erscheint seit 1823 wöchentlich 2 wissenschaftliche Fachzeitschrift der amerikanischen Diabetesgesellschaft - ADA 1 Information Ohnehin bin ich nach Berufsrecht verpflichtet, schon den Verdacht einer Nebenwirkung eines Medikamentes der Arzneikomission der deutschen Ärzteschaft zu melden. Welche weiteren Untersuchungen müssen jetzt folgen mit dem Ziel Insulin-Antikörper zu vermeiden? Die erste zu klärende Frage ist, ob InsulinAnaloga tatsächlich häufiger und stärker als andere Insuline eine gefährliche Insulin-Antikörper-Produktion auslösen. Dann wird es um den Einfluss der täglichen Dosis und die Anwendungsdauer mit Insulinanaloga gehen und weiter um die Bedeutung der Konzentration der Antikörper. Welche Diabetiker stärker, gar nicht oder kaum betroffen sind, wird sich nur durch umfangreiche Untersuchungen klären lassen. Diabetiker gibt es genug! Wenn bei einem Diabetiker, einer Diabetikerin Insulin-Antikörper nachgewiesen werden, besteht die Möglichkeit, diese wieder loszuwerden? Auf die Frage, ob sich die Antikörper nach Weglassen der Insulin-Analoga zurückbilden, können Manuels Erfahrungen eine vorsichtige Antwort geben. Bei ihm sind die Antikörper in zwei Versuchen und jeweils nach Wechsel auf Humaninsulin wieder deutlich unter 6000 gesunken. Manuel hat es zuvor mit täglich mehrfachen i.v.-Insulininjektionen geschafft, einen guten HbA1c-Wert zu erreichen. Eine Methode, die aber auf Dauer nicht praktikabel ist. Bei Jasmin hat dies nicht funktioniert. Welche anderen Möglichkeiten gibt es dann noch, um eine berechenbare Insulinwirkung zu erreichen? Es gibt medikamentöse Therapien, die die Immunantwort des Körpers unterdrücken zum Beispiel mit Cortison und anderen Immunsuppressiva und deren Kombinationen. Das haben wir bei Jasmin über jeweils mehrere Wochen probiert, waren aber damit nicht erfolgreich. Sie überlebt derzeit durch die Immunadsorption, einem dialyseähnlichen Verfahren bei dem nach einem operativ angelegten Shunt - ein Kurzschluss zwischen dem venösen und arteriellen Gefäßsystem - aus dem Blut bestimmte Fraktionen der Antikörper maschinell entfernt werden. Das ist sehr aufwändig und während und nach der Behandlung komplikationsanfällig. Eine weitere Patientin benutzt eine andere Strategie. Sie führt viel Basalrateninsulin gleichmäßig über den Tag und in der Nacht zu. Für mehrere kleine Essensmengen gibt sie nur wenig Insulin dazu. Dadurch verhindert sie größere Anstiege des Insulinspiegels mit einer Erhöhung der InsulinAntikörper-Bindung und ebenso die resultierende Freisetzung des Insulins bei geringerer Insulinzufuhr nachts. Wenn alle diese Möglichkeiten zu keinem befriedigenden Ergebnis führen, könnte dieses Krankheitsbild eventuell durch den Einsatz neuer monoklonaler Antikörper, die gezielt die verantwortlichen Plasmagedächtniszellen zerstören, und durch die Rück-Übertragung eigener Knochenmarks-Stammzellen in absehbarer Zeit ursächlich behandelbar werden. Eine noch radikalere Behandlungsmöglichkeit stellt eine Knochenmark-Transplantation dar. Dabei müsste das körpereigene Knochenmark durch Chemotherapie vernichtet und fremdes Spendermark eingesetzt werden. Information Die beiden zuletzt genannten Möglichkeiten sind jedoch sehr invasiv und wurden bisher in dieser Indikation noch nicht versucht. Herzlichen Dank für das große medizinische, wissenschaftliche und menschliche Engagement im Interesse der Diabetiker! Was muss jetzt geschehen? Wie können wir erreichen, dass unabhängige Forschungseinrichtungen und Insulinhersteller diesen Hinweisen nachgehen und klärende Untersuchungen durchführen? Die Untersuchung mit 277 Typ 1-Diabetikern ist abgeschlossen und im Original nachzulesen auf den Homepages: www.DiabetesDorfAlthausen.de www.insuliner.de Ich bin überzeugt, dass das Thema der Insulin-Antikörper seriös untersucht werden muss. Diese Veröffentlichungen sollen dazu anstoßen. Zu einer größeren wissenschaftlich einwandfreien Untersuchung reichen meine strukturellen und finanziellen Möglichkeiten nicht aus. Für bemerkenswert halte ich in diesem Zusammenhang eine andere Therapie-Entwicklung: Bei der Autoimmunerkrankung Morbus Addison3, deren Häufigkeit bei circa 1 : 50.000 liegt - bei Diabetes etwa 1 : 200 - erfolgt die Behandlung ausschließlich mit natürlichem Cortisol und nicht mit einem der vielen künstlichen AlternativHormone. Hier scheint zumindest auf ärztlicher Seite das Gefühl für die Notwendigkeit einer artgerechten Therapie erhalten zu sein. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Diabetiker auch an Morbus Addison erkrankt, liegt bei 1 : 5.000 , im Patientengut des Diabetes-Dorfes Althausen bei etwa 1 : 500. siehe unter Erste Hilfe - Heftmitte - und INSULINER 104, Seite 46 3 Anmerkung der Redaktion: Mit Erscheinen dieses INSULINERs werden die Originalarbeit von Dr. med. Bernhard Teupe und die vorliegende INSULINER-Ausgabe sowohl an die deutschen Niederlassungen der Insulin-Hersteller Lilly Deutschland GmbH, Novo Nordisk Pharma GmbH und Sanofi-Aventis Deutschland GmbH als auch an die Meldebehörden (FDA, EMEA, Arzneimittelkomission der deutschen Ärzteschaft, BfArM) geschickt. Mit einem beiliegenden Schreiben fordern wir auf, schnellstmöglich geeignete Untersuchungen zur Insulin-Antikörperentwicklung unter der Therapie mit Analoginsulinen und deren klinische Folgen durchzuführen. Portrait S’trifft Jasmin Wahrscheinlich ist Jasmin derzeit weltweit die einzige Diabetikerin, bei der durch eine regelmäßige Immun-Adsorption spezielle InsulinAntikörper entfernt werden müssen, um eine zuverlässige Insulinwirkung zu erzielen und ihr Leben zu erhalten. Jasmin, Sie haben viele Jahre mit extremen Blutzuckerschwankungen verbracht. War das schon zu Beginn Ihres Diabetes so? Diabetikerin wurde ich mit 7; kompliziert wurde die Insulintherapie als ich zehn oder elf Jahre alt war. Das war um die Jahrtausendwende. Natürlich hat jeder Arzt die Blutzuckerschwankungen auf die Pubertät geschoben, obwohl die Werte sehr krass waren, ganz plötzlich sehr hoch oder extrem niedrig. Und sie waren über einen langen Zeitraum nicht zu korrigieren. Die Ärzte haben mir als Lösung angeboten: Essen falsch eingeschätzt, Insulinspritze vergessen. Ich war bei vielen Ärzten bis sich herausstellte, dass intravenös gespritztes Insulin am zuverlässigsten wirkt. Mein damaliger Kinderarzt und Diabetologe hat sich sehr um mich bemüht und Dr. Teupe nach seiner Meinung gefragt. So bin ich ins Diabetesdorf gekommen. Welche Insuline haben Sie gespritzt? Humaninsulin hatte ich am Anfang des Diabetes. Im August 2006 bekam ich eine Insulinpumpe und da war das Insulinanalogon Humalog drin. Sie sind dann viele Wochen im Diabetesdorf bei Dr. Teupe gewesen. Was war dort anders hinsichtlich der Diabetestherapie? Bis dahin hatte ich viel Misstrauen gegenüber Ärzten aufgebaut; ich wurde etwa zehn Jahre von einem Arzt zum anderen geschickt und keiner hatte eine Lösung für meinen ‘schweren Diabetes’. 2009 haben wir es im Diabetesdorf zuerst mit Schema B1 versucht und wollten nach zwei Wochen weiter schauen. Das ging eher schlecht als recht. War ein Blutwert seltsam, haben wir an dieser Stelle weiter gesucht, unter anderem auch, ob es genetische Faktoren gibt, die eine Rolle spielen könnten. Dabei stellte sich heraus, dass ich nicht nur einen Typ 1-Diabetes habe, sondern auch einen MODY 3, also eine genetische Variante des Typ 2-Diabetes, die eher bei jüngeren Menschen auftritt. Irgendwann waren dann die Antikörper dran. Im dritten Kurs, also nach etwa einem Vierteljahr, lautete die Diagnose: viele Insulin-Antikörper. Im vierten Kurs, also nach wieder drei bis vier Wochen, wurde die erste Immunadsorption durchgeführt. Dabei werden die Antikörper ähnlich dem Dialyseverfahren aus dem Blut entfernt. Mir wurde ein zentralvenöser Katheter über die Halsvene gelegt, der bis in den Herzvorhof geschoben wird. Wir hatten die Hoffnung, dass nach diesem Eingriff mein InsulinAntikörperproblem gelöst ist. Wie lange hat es gedauert, bis die Antikörper wieder vermehrt nachweisbar waren? siehe INSULINER 99, ab Seite 68, und INSULINER 100, ab Seite 102 1 Portrait Sechs Wochen. Auch immunsuppressive Therapien mit verschiedenen Medikamenten(kombinationen) konnten die Produktion dieser Antikörper nicht unterdrücken. Insgesamt wurden die Antikörper 18mal über einen Shaldon-Katheter entfernt. Und wie ist das heute? Jetzt habe ich einen Zugang am linken Unterarm. Mit dem Shunt wird das arterielle mit dem venösen Gefäßsystem verbunden. Alle vier Wochen bin ich für zwei bis fünf Tage im Krankenhauses, zuerst in Bad Mergentheim, jetzt in Karlsruhe. Zwei Krankenschwestern wurden dort speziell ausgebildet für diese Antikörper-Adsorption. Dabei werden dem Körper natürlich auch einige andere, auch wichtige Antikörper entzogen und manchmal gibt es eine allergische Reaktion. Sie sind 21 Jahre alt. Die Alternative zu dieser Therapie wäre eine KnochenmarkTransplantation. Dennoch höre ich aus Ihren Worten sehr viel Lebensfreude und Lebensmut. Woher nehmen Sie beides? Ich habe gelernt, für einfache Dinge dankbar zu sein. Ich wußte lange Zeit nicht, was am nächsten Tag mit mir passieren wird. Ich bin dankbar für das bisschen Alltag, das ich jetzt erfahren darf. Ich habe Freunde, Familie und das Vertrauen in die mich behandelnden Ärzte. Auch mein Glaube gibt mir Kraft. Wie hat Ihre Familie in den vergangenen Jahren auf die vielen Blutzuckerentgleisungen reagiert und wie ist das heute? Jeder ist damit anders umgegangen. Meine Mutter hat sich wohl die meisten Sorgen gemacht, aber viele andere auch. Mein Vater ist eher der schweigsame, aber immer da, wenn er gebraucht wird. Er wusste als Ruhepol und Chauffeur auch über alles Bescheid. Meine zehn Jahre ältere Schwester war oft bei mir im Krankenhaus und hat stundenlang am Bett gesessen. In dieser Zeit haben wir uns gut kennengelernt. Ich habe noch zwei Brüder, von denen der eine schon lange nicht mehr Zuhause wohnt. Ich bin das Nesthäkchen und dankbar, wenn man mich normal behandelt. Ich habe auch Ärger bekommen, wenn ich Mist gebaut habe; wir haben uns gestritten und hatten Spaß miteinander. Sie studieren zur Zeit für das Lehramt der Sekundarstufe 1. Welche Pläne haben Sie? In meiner Oberstufenzeit habe ich zwei Drittel des Unterrichts versäumt und nach dem Abitur ein Jahr Pause eingelegt. Daher dauert das Studium mit den Fächern Alltagskultur und Gesundheit, Mathematik und Ethik/Philosophie noch zweieinhalb Jahre. Ich überlege gerade, ob ich die Qualifikation bzw. die Didaktik für die Grundschule noch dazu nehme. Am Wochenende bin ich Zuhause. Mein Verlobter wohnt auch noch hier. Sie sind verlobt? Ja, tatsächlich! Seit zwei Jahren. Wir haben uns während meiner Härtezeit kennengelernt und schon viel erlebt. Er musste einmal in meine Wohnung einbrechen, weil ich wegen einer Azidose nicht mehr in der Lage war, die Tür zu öffnen... Ich versuche trotzdem so normal als möglich zu leben, mich mit Freunden zu treffen. Natürlich stelle ich mir dabei auch die Frage, was ich mir zutrauen kann. Und ich bin schon oft auf die Nase gefallen. Ist Ihr Leben, sind die Tage und Wochen für Sie planbarer geworden durch die Immunadsorption? Portrait Ja, ich habe jetzt einen relativ normalen Diabetes. Wenn das Insulin nicht mehr gut wirkt, ist es immer wie eine schlechte Therapie. Unplanbar wird es, wenn ich eine Infektion oder auch nur einen Abszess habe. Davon hatte ich in den letzten drei Jahren zehn. Mit einem Infekt oder Abszeß ist auch eine Immunadsorption nicht möglich. Wie macht sich eine Infektion bemerkbar? Ich habe nicht mehr so deutliche Symptome wie früher. Am Blutzucker kann ich es merken, ich fühle mich schlapp, eventuell durch Husten. Sobald ich den Verdacht auf eine Infektion habe, gehe ich ins Krankenhaus und lasse die Entzündungswerte bestimmen. Auch bei einem Abszeß nehme ich gleich Antibiotika. Das macht die Kuh auch nicht mehr dick. Hilft Ihnen ein Gerät zur kontinuierlichen Glukosemessung? Haben Sie es probiert? Ich habe schon verschiedene Systeme probiert. Da der Blutzuckerwert etwa mit einer Verzögerung von einer halben Stunde angezeigt wird, ist das für mich nicht hilfreich. Haben Sie einen GdB beantragt? Ich wollte in der Schule keine Bevorzugung und möchte das auch jetzt nicht! Allerdings habe ich einen GdB von 70, besonders wegen der steuerlichen Vorteile. Meine Eltern müssen viel selbst finanzieren, wie z.B. Fahrtkosten. Mein Arzt möchte, dass mir ein GdB von 100 mit einem G oder H anerkannt wird, da ich oft auf die Hilfe anderer angewiesen bin. Gibt es Schwierigkeiten bei der Kostenübernahme durch die Krankenkasse für die eher ungewöhnliche Diabetestherapie? Es gibt mittlerweile ein Sozialgerichtsur- teil, wodurch die Finanzierung meiner Behandlung durch die Krankenkasse gesichert ist. Aber das ist ein Einzelfall-Urteil und kann nicht auf andere übertragen werden. Das war ein Kampf mit der Bürokratie! Ich hatte einen guten Rechtsanwalt und große Unterstützung durch viele Menschen. Kranksein ist teuer. Allein für den zwei- bis fünftägigen Krankenhausaufenthalt zur Adsorption zahle ich jeweils € 10,pro Tag und viele Rezeptgebühren bis zur Befreiung. Was löst die Vermutung, dass Insulinanaloga für die Entstehung von Insulin-Antikörper (mit-)verantwortlich sind, bei Ihnen aus? Huh, das ist schwer! Es wäre gelogen zu sagen, dass ich mir noch nie überlegt hätte, wie alles gelaufen wäre, wenn das alles schon früher bekannt gewesen wäre und ich diese vielen Antikörper nicht entwikkelt hätte. Viel mehr aber freue ich mich, dass man das JETZT weiß und es JETZT viele andere besser machen können! Ich bin heute die, die ich bin, weil ich erlebt habe, was ich erlebt habe - und dafür bin ich dankbar. Ich will nicht mit einem hätte und wäre zurückschauen - auch wenn ich manches Mal mit meiner Situation gekämpft habe. Portrait S’trifft Manuel Hektisch, aufgeregt und gleichzeitig müde, manchmal fordernd oder traurig klingen Manuels Worte. Spannung, Hoffnung und ein Sich-Ergeben sind gleichzeitig zu hören, wenn er die Buchstaben aneinander reiht: Ich will an die Maschine! Manuel wurde mit sieben Jahren Diabetiker, das war 1996. Angefangen hat er mit der klassischen konventionellen Insulintherapie und einem strikten Plan. Seit etwa elf Jahren spritzt er das Insulinanalogon NovoRapid. Für die basale Insulinversorgung hat er es mit den Analoga Lantus und Levemir probiert; funktioniert hat es mit beiden nicht. Im April 2011 bekam er eine Insulinpumpe, in die er NovoRapid füllt. Durch die Pumpentherapie haben Sie erfahren, dass zum Diabetes mehr gehört als Insulin und Blutzucker testen. Mit dem Diabetes ging es mir gut; ich hatte einen HbA1c-Wert von 5 bis 5,4%. Unzufrieden war ich, wenn der Blutzuckerwert manchmal stärker anstieg. Durch die Berichte anderer Diabetiker über die Fett- und Eiweiß-Wirkung habe ich mich mit dem verzögerten Bolus beschäftigt und bei den entsprechenden Lebensmitteln vorgesorgt. Dabei wurde mir klar, dass Diabetes ein bisschen komplexer ist, als es mir bis dahin vermittelt worden war. zuckerverlauf an, komisch zu werden. Mit meiner sehr strengen Einstellung zum Diabetes lief es bis zum Sommer gut allerdings habe ich täglich Essens- oder Korrekturinsulin i.v. (intravenös) gespritzt und bin damit für mich den Weg des geringsten Widerstandes gegangen. Insulininjektionen in die Vene, das kann und will nicht jeder. Warum haben Sie das angefangen? Ich esse gern und viel. Zu dieser Zeit habe ich täglich Kraftsport gemacht und die Kalorien gut verarbeitet. Durch die schnelle und zeitlich eng begrenzte Wirkung war das für mich die einfache und passende Lösung. Ich bin ein Therapie-Freak, ich will die Behandlung im Griff haben. Ich bin einer, der will! Der Diabetes muss funktionieren, denn er bestimmt meine Leistungsfähigkeit. Die Basalrate muss passen und die Essensfaktoren ebenso. Dann stimmt auch das Ergebnis. Wie ging es dann weiter? Ab September/Oktober 2012 hatte ich Probleme mit der Basalrate und dachte an eine Resistenz, an selbst verschuldete Therapiefehler, an Überanstrengung ... . Das Basalraten-Insulin schien nicht zu wirken. Bis Dezember wurde diese Situation immer schlechter und ich habe viel mit i.v.-Insulin kompensiert. Der Blutzuckeranstieg kam von ganz alleine, trotz Mit dem Bedürfnis, mehr wissen zu wollen, sind Sie ins Diabetesdorf Althausen gefahren. Was ist da passiert? Im März 2012 war ich Kursteilnehmer. Mein HbA1c hat sich nicht verändert, aber ich bin mit der Hälfte des täglichen Insulinbedarfs nach Hause gefahren. Im Laufe der nachfolgenden Monate fing der Blut10 Portrait Basalratenerhöhung und ohne dass ich etwas gegessen hatte oder sonst etwas passiert wäre. Um den HbA1c-Wert zu halten, habe ich am Tag etwa sieben Mal i.v. gespritzt. Eine stabile Therapie war nicht mehr möglich. Im Dezember hatte ich einen komischen, sehr intensiven Geschmack nach Insulin auf der Zunge - ähnlich dem Geruch, wenn Insulin ausläuft. Selbst beim Essen war dieser Geschmack nur ganz kurz zu überdecken. Ich brauchte immer mehr Insulin, die i.v.Injektionen wurden mehr; um den Blutzucker von 140mg/dl (7,8mmol/l) auf 80mg/dl (4,4mmol/l) zu kriegen, waren selbst intravenös 10 IE und mehr nötig. Damit hat der Diabetes mein Leben bestimmt, ich habe mich mit nichts Anderem mehr beschäftigt. körper binden nach dem Massenwirkungsgesetzt Insulin. Dieses Gesetz sagt, dass das Ergebnis immer konstant ist. Tagsüber kommt für das Essen Insulin dazu; nachts fehlt das zusätzliche Insulin. Daher wird nach diesem Gesetz das durch Antikörper gebundene Insulin freigesetzt. Das führt zur heftigen Unterzuckerung. Es kommt vor, dass ich nachts ein Kilogramm Haribos brauche, also BEs ohne Ende. Danach kommt dann irgendwann ein Blutzuckerwert von weit über 500 mg/dl (21,6 mmol/l), eine starke Übelkeit ... und der Teufelskreis beginnt wieder von vorne. Psychisch wirst du dabei zum Wrack, körperlich bist du schlapp, völlig ko. Soziale Kontakte brechen ab, kein Sport mehr, ich hab deutlich an Gewicht zugenommen ... Sie haben die Insulintherapie geändert. Hatte das Auswirkungen auf die Stoffwechsellage oder die Zahl der Antikörper? Ich habe bis Januar diesen Jahres Humaninsulin gespritzt, U100-Insulin in der U40er-Spritze - über 200 IE täglich i.v. und etwa 120 IE s.c. . Damit sind die Antikörper von 15.000 auf 4.900 gesunken. Danach habe ich erstmals Humalog gespritzt, anfangs etwa 80 IE pro Tag. Nach drei Tagen stieg der Bedarf wieder und nach etwa zwei Wochen war ich wieder bei 300 IE/Tag. Ende März, also innerhalb von knapp acht Wochen haben sich die Antikörper unter Humalog wieder auf 7.900 verdoppelt. Sie haben dann eine Diagnose gehört, für die es noch keine Standardtherapie gibt, die aber auch gerade mit Ihrer Einstellung nicht zu fassen ist. Wie war das? Ich war im März 2013 im Diabetesdorf Althausen, auch mit der Frage, ob es bei mir ein Katheterproblem gibt. Dr. Teupe hat mir nach Vorliegen der Laborwerte gesagt: Du hast ein Antikörper-Problem! Mit dieser Aussage war erst einmal alles zerstört. Ich lebe nur noch für diesen Scheiß-Diabetes. Ich will nur noch, dass diese völlige Unberechenbarkeit der Insulinwirkung aufhört! Was haben Sie in dem vergangenen Jahr ausprobiert? Wie haben Sie das erlebt? In den darauf folgenden Monaten kamen nachts die Unterzuckerungen. Nach den hohen Insulindosen tagsüber - zum Korrigieren und Essen - kommt es nachts zu einem starken Blutzuckerabfall. Die Anti- Welche Pläne haben Sie für die nächsten zwei, drei Monate? Jetzt verwende ich wieder Humaninsulin und nach etwa sechs Wochen, also Ende Mai, werden die Antikörper noch einmal bestimmt mit der Vorstellung, dass sie 11 Portrait Insuliner-Verlag BErechenbar BErechenbar weniger geworden sind. Die Hoffnung, dass die Antikörper auf eine therapeutisch unwirksame Zahl zurückgehen, steht dahinter. Dann hätte ich gerade noch so Glück gehabt. Seit Anfang des Jahres führe ich ein besonders ausführliches Protokoll. Das wird auch wichtig sein, um zum Beispiel gegenüber der Krankenkasse zu argumentieren wenn es um irgendwelche Kostenübernahmen geht. Eine Insulinadsorption1 als mögliche Lösung baut mich zur Zeit psychisch auf. Das ist wie ein bißchen Licht am Ende des Tunnels. Insuliner-Verlag Ich möchte wieder mit dem Sport anfangen - Montainbiking, sicherheitshalber mit zwei Kilogramm Gummibärchen im Rucksack, Fußball und Kraftsport ... - das krieg ich wieder hin. Extrem belastend ist für mich, dass man ohne Insulin nicht lebensfähig ist und es gibt niemand, mit dem ich über diese Situation reden kann. Ein normaler Typ 1-Diabetiker kann das nicht nachvollziehen. Ich habe bisher keine Folgeschäden und durch diese Antikörper total die Kontrolle über den Diabetes verloren, die Therapie ist nicht mehr berechenbar und gesellschaftliches Leben unmöglich. neue Titelseite BErechenbar ien BE, KE und Kalor kerem in Süßem, Lec und Exotischem im Alltag, Restaurant und Urlaub 25.09.2013 07:37:06 Glykämischer Index ................................................ 7 Grundnahrungsmittel-Tabelle ................................ 8 BE-Tabelle Küche international ............................................... Fast Food .............................................................. McDonalds ................................... Burger King .................................. 15 18 18 21 Zucker und Zuckeraustauschstoffe ....................... Süßigkeiten .......................................................... Haribo .......................................... Bärentreff .................................... Gepa ............................................ 24 25 29 31 31 Schokolade, Kuchen und Gebäck ......................... Alnatura ...................................... Bahlsen ....................................... Bofrost ........................................ Ferrero . 32 36 38 41 kernig und 1 Aldi .. ............ Lidl .... .... 74 ........ 7 knuspri 4 g ...... Kellogg .... 76 ’s ... 77 Nestlé ....... 78 siehe ab Seite 6 und ab Seite 14 12 Bestellformular am Heftende