Neue Hoffnung bei Lymphdrüsenkrebs

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Neue Hoffnung bei Lymphdrüsenkrebs
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Medical Tribune public · Dezember 2005/Januar 2006
Radio-Immuntherapie
Neue Hoffnung bei Lymphdrüsenkrebs
Beinahe hätte ich ihn nicht
wieder erkannt, den Mann
mit dem gesunden Teint und
dem festen Händedruck.
Denn das letzte Mal, als ich
ihm vor etwa einem Jahr begegnete, wähnte ich einen
Todgeweihten vor mir zu
haben. Fahl im Gesicht und
am Hals ein nicht zu übersehender Riesenknoten. Heute
aber macht René Graf einen
gesunden Eindruck, auf den
ersten Blick zumindest.
„Die Radio-Immuntherapie hat
mir das Leben gerettet“, sagt er mir
ohne Umschweife. René Graf leidet
an einer speziellen Art Lymphdrüsenkrebs, unter Fachleuten bekannt
als Mantelzell-Lymphom. Dieser
Krebstyp ist eigentlich nur mässig
aggressiv, die Erkrankung verläuft
häufig schleichend, ist aber gerade
deshalb schwer zu heilen. Was vorerst paradox erscheint, ist einfach
erklärt: Aggressive Lymphome werden massiv mit Chemotherapie angegangen und mit ein wenig Glück
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ein für allemal abgetötet. Bei den
schleichenden Non-Hodgkin-Lymphomen, sie machen in der Schweiz
die Hälfte aller der jährlich neu diagnostizierten 1700 Erkrankungen
aus, ist dies praktisch unmöglich.
Das neu entwickelte Zevalin®
könnte bei denen, die auf eine Behandlung mit den herkömmlichen
Mitteln nicht ausreichend ansprechen oder die einen Rückfall erlitten, eine weitere Chance darstellen.
Es ist weltweit das erste seiner Art
und kombiniert zwei klassische
Krebs-Therapieformen, die Strahlen- und die Immuntherapie, zur
Radio-Immuntherapie. Das Prinzip
ist sehr elegant: Man baue ein intelligentes Molekül, einen Antikörper, der sich dank seiner speziellen
Struktur an die Oberfläche der ins
Visier genommenen Krebszelle andocken kann. Solche Antikörper
werden schon seit einigen Jahren in
der Therapie von bösartigen Lymphomen eingesetzt. Binden sich diese Antikörper an die Andockstellen
von Lymphomzellen, so wird die
Tumorzelle zerstört. Wird nun dieser Antikörper zusätzlich mit einem
radioaktiven Element verknüpft, so
René G. hat im Verlauf seiner
Erkrankung schon viel mitgemacht.
kann die intensive, aber nur über
wenige Millimeter wirksame Strahlung auch noch weitere Zellen abtöten, selbst wenn sie sich ausserhalb
der Reichweite des Antikörpers befinden (sog. Kreuzfeuereffekt).
Das Prinzip scheint zu funktionieren. Laut publizierten Forschungsresultaten leben bereits
mehrere der so behandelten Patienten fünf und mehr Jahre ohne
Krankheitssymptome. So viel Glück
ist René Graf nicht beschieden.
Zwar bildeten sich auch bei ihm die
Lymphome nach dieser Behandlung
zurück, aber jetzt ist ihm seitlich
ein neuer Tumor gewachsen, der
auf die Lunge drückt und Mühe
beim Atmen macht. „Ich weiss noch
nicht, wie wir diese Situation meistern wollen“, gab Dr. med. Geoffrey
Delmore zu. Dr. Delmore ist Onkologe am Kantonsspital Frauenfeld
und betreut René Graf. „Vielleicht
versuchen wir’s nochmals mit einer
Bestrahlung oder einer ganz neuen
tumorhemmenden Substanz, die
allerdings noch nicht für diese Behandlung zugelassen ist.“
Noch keine Kostenübernahme
Auch eine zweite Radio-Immuntherapie wäre im Prinzip möglich,
aber auch eine Kostenfrage; denn
obwohl nicht viel teurer als die Behandlung mit einem „kalten“ Antikörper, wird die Radio-Immuntherapie von den Krankenkassen noch
nicht übernommen. Das mag auch
mit ein Grund dafür sein, dass seit
der Zulassung in der Schweiz im
vergangenen Frühling an den elf
Zentren erst ca. 20 Behandlungen
durchgeführt wurden.
René Graf nimmt es gelassen.
„Ich hab schon alles durchgemacht,
mich kann nichts mehr erschüttern.“ Statt zu hadern widmet er
sich dem Aufbau eines Netzwerks
von Selbsthilfegruppen, um die
neueren
Therapiemöglichkeiten
besser bekannt zu machen unter
Ärzten und Patienten. „Ich bin ein
starker Typ“, sagt er von sich. Tatsächlich ist sein Händedruck auch
beim Abschied kräftig.
UG
Mehr Informationen im Internet:
www.meb.uni-bonn.de/
cancernet/deutsch
Diese Seite bezieht sich auf das umfassende Informationssystem des National
Cancer Institute´s der USA über Krebs.
Die Physicians Data Query (PDQ) Datenbank enthält aktuelle Informationen
über Krebs, seine Vorbeugung, den
Nachweis, die Behandlung, unterstützende Massnahmen und alternative
Therapiemöglichkeiten.
www.lymphomainfo.net/
Die Seite eines überlebenden Betroffenen, der hier viele Informationen zusammenträgt.