Landgericht Kiel

Transcrição

Landgericht Kiel
Landgericht Kiel
Schützenwall 31-35
24114 Kiel
FAX: 0431/604-1830
Mein Zeichen:
2162/05WE
Bremen, den ^TgDatum
^DDNummer
B../.Strafsache
VII KLs 7/06
593 Js 60414/05
In der o.g. Strafsache erhebe ich folgenden Besetzungseinwand.
Das Gericht ist hinsichtlich seiner berufsrichterlichen Mitglieder und der Schöffen fehlerhaft
besetzt.
Richter am LG Dr. Wor., Richter Dr. Ba. und die Schöffen E. und F. sind nicht die gesetzlichen
Richter.
Die den Mangel begründenden Tatsachen:
Vorbemerkungen:
Der Verteidigung sind nur sehr schleppend oder gar keine Auskünfte zu der
Geschäftsverteilung des LG Kiel erteilt worden. Die Verteidigung dokumentiert insofern
zunächst die Bemühungen und die Bescheidung, da zu einzelnen Fragen der
Geschäftsverteilung nicht vorgetragen werden kann, weil der Strafkammervorsitzende bzw. der
Präsident weitere Auskünfte versagt hat.
Um den Spiegel vom 03.04.06 zu zitieren ein "Brüskierender Zustand".
Mit Schreiben vom 8.3.06 - nach Übergang des Verfahrens an die VII. Strafkammer- wurde der
Strafkammervorsitzende um Auskunft gebeten:
- interne Geschäftsverteilung nach § 21 g GVG und
- Präsidiumsbeschluss über die Änderung der GV 2006.
Anlage 1
Mit Schreiben vom 16.3.06 wurde daran erinnert (unter Nr.5).
Anlage 2
Mit Schreiben vom 17.03.06 wurde der Vorsitzende darum gebeten mitzuteilen, wann welche
Haftsachen bei der Kammer eingegangen sind und welche Verfahren durch die Änderung der
GV in die Zuständigkeit der VII. Kammer abgegeben wurden.
Anlage 3
Mit Schreiben vom gleichen Tage wurde die Anfrage an den Präsidenten des Landgericht
gerichtet und um Hergabe von Kopien nachfolgender Unterlagen gebeten:
"Im Rahmen der Besetzungsprüfung benötige ich den allgemeinen Geschäftsverteilungsplan
des KG Kiel 2006 sowie den internen GV-Plan der Strafkammer VII.
Das vorliegende Verfahren ist von der X.Strafkammer durch Präsidiumsbeschluss in die
Zuständigkeit der VII. Strafkammer übergegangen. Ich bitte um Hergabe von Kopien
nachfolgender Unterlagen:
- Überlastungsanzeige des Vorsitzenden der X. Strafkammer;
- Protokoll der Präsidiumssitzung, in der über die Überlastung und die Änderung der
Geschäftsverteilung beraten wurde;
- Beschluss des Präsidiums über die Änderung der Geschäftsverteilung.
Da bereits Termine zur HV anberaumt sind, bitte ich um kurzfristige Erledigung, auch per e-mail
oder fax."
Anlage 4
Der Präsident wurde am gleichen Tage erneut um ergänzende Auskünfte gebeten:
"Im Zusammenhang mit der Besetzungsprüfung für das o.g. Verfahren bitte ich vom
Vorsitzenden der VII. Strafkammer folgende dienstliche Auskünfte einzuholen und mir diese
mitzuteilen:
- die Geschäftslage der Kammer detailliert aufgelistet;
- wann sind welche Haftsachen mit welchen Haftdaten bei der Kammer eingegangen;
- welche davon wurden durch Präsidiumsbeschluss in die Zuständigkeit der
VII. Strafkammer abgegeben;
- wann sind für die jeweiligen Verfahren HV-Termine vorgesehen;
- welche sind davon mit den Verteidigern abgesprochen;
- welche sind bereits terminiert?"
Anlage 5
Mit Schreiben vom 29.03.06 teilte mir der Vorsitzende erstmalig mit, dass er keine Auskünfte
erteilen wolle. Die Verteidigung wird aufgefordert, entsprechende Auskünfte bei dem
Präsidenten des LG Kiel anzufordern.
Anlage 6
Mit Schreiben vom 27.03.06, hier eingegangen am 30.03.06, wurde die Ladung und die
Besetzung der Kammer mitgeteilt.
Anlage 7
Per e-mail teilte der Präsident des LG Kiel am 29.03.06 um 14:23 Uhr den allgemeinen
Geschäftsverteilungsplan des LG Kiel und das Protokoll der Präsidiumssitzung und den
Beschluss vom 6.3.06 mit.
Anlage 8
Da in diesem Anschreiben Herr Dr. Leh. als Ansprechpartner genannt wurde, richtete die
Verteidigung das Anschreiben vom 3.4.06 per e-mail an diesen, mit der Bitte um weitergehende
Auskünfte, betreffend den internen GV-Plan der VII. Strafkammer, die Einrichtung diverser
Hilfsstrafkammern und deren Geschäftslage.
Anlage 9
Herr Dr.Leh. leitete diese Anfrage nicht an den Präsidenten weiter, sondern beschied
Verteidigung dahingehend, einen "offiziellen" Antrag an den Präsidenten zu stellen.
Anlage 10
die
Diese Anfrage ging hier per fax am 4.4.06 13:05 raus. Der Inhalt des Schreibens entspricht der
e-mail an Dr. Leh. vom 3.4.06.
Anlage 11
Anlage 12
Am gleichen Tage wurde ergänzende Auskunft betreffend den zuständigen Richter Dr. Ba.
erbeten:
"Sehr geehrter Herr Präsident,
der VII. Strafkammer ist Herr Richter Dr. Ba. zugewiesen.
Ich bitte um Aufklärung, aufgrund welcher Zuweisung und für welche Dauer Herr Dr. Ba. dem
Landgericht Kiel zugewiesen wurde. Insoweit bitte ich um Hergabe einer Kopie der Zuweisung
durch das OLG, hilfsweise beantrage ich Einsichtnahme in die Personalakte von Dr. Ba..
Sollte mir eine Kopie nicht rechtzeitig zugehen, werde ich am 11.04.06 um 08:15 Uhr bei Ihnen
vorsprechen, um Einblick in die Personalakte nehmen zu können."
Anlage 13
Anlage 14
Eine Einsichtnahme in die Personalakte wurde der Verteidigung verweigert. Auskünfte über die
Zuweisung konnten nicht erlangt werden.
Mit Schreiben vom 10.04.06 teilte der Präsident des LG Kiel nunmehr mit, dass VRLG William
mit seiner restlichen Arbeitskraft in der Verwaltung des Landgerichts tätig ist. Weitere Auskünfte
kommen nicht in Betracht.
Anlage 15
Der Verteidigung sind damit ohne Rechtsgrund und entgegen § 222 b Abs. 3 StPO diverse
Unterlagen vorenthalten worden, um die ordnungsgemäße Besetzung der Strafkammer zu
prüfen.
Tatsachen -soweit bekannt- zur Begründung der Besetzungsrüge:
1. Durch Beschluss des Präsidiums vom 6.3.06 wurden die bei der X.Strafkammer im Jahre
2006 bis zum 6.3.06 eingegangen erstinstanzlichen Verfahren, in denen Untersuchungshaft
vollzogen wird, in die Zuständigkeit der VII. Großen Strafkammer übergeleitet.
a.) Die X. Strafkammer war von Anfang an nicht für das vorliegende Verfahren zuständig. Es
bestand keine Zuständigkeit des LG Kiel. Den schriftlich überlassenen Einwand der örtlichen
Unzuständigkeit vom heutigen Tage mache ich zum Gegenstand des vorliegenden
Besetzungseinwandes.
b.) Durch Beschluss des Präsidiums vom gleichen Tage, wurde zudem zur Entlastung der IX.
Großen Strafkammer die Hilfsstrafkammer XXV eingerichtet. Als Vorsitzender der weiteren
Hilfsstrafkammer wurde VRLG Wil. mit 3/10 seiner Arbeitskraft bestimmt, gleichzeitig von seiner
Tätigkeit in der X. Strafkammer in diesem Umfang entlastet.
Allein dadurch wurde nunmehr die X.Strafkammer mit dem Vorsitzenden und nur noch 2,5/10
seiner Arbeitskraft offensichtlich als überlastet eingeschätzt -der Beschluss des Präsidiums
verhält sich allerdings dazu nicht- und zur Entlastung der Übergang der 2006 bis zum 6.3.06
eingegangen Sachen mit vollstreckter Untersuchungshaft in die VII. Strafkammer beschlossen.
Das Präsidium beschließt in einem Zuge, einerseits die Entlastung der IX.Strafkammer durch
die Einrichtung einer Hilfsstrafkammer und besetzt diese Hilfsstrafkammer mit Richtern, die
dadurch die Geschäfte ihrer originären Kammer nicht mehr erledigen können und leiten einen
Teil der dort anhängigen Geschäfte einem weiteren Spruchkörper zu.
a.a. Hier hätte nahe gelegen, von Anfang die Mitglieder der VII. Strafkammer in die
Hilfsstrafkammer XXV. zu berufen. Da auch der Vorsitzende der X. Strafkammer nicht
erkennbar besondere Kenntnisse in Wirtschaftsstrafverfahren ausweist, steht ihm der
Vorsitzende der VII. Strafkammer insoweit gleich.
b.b. Das Präsidium hat nicht erörtert, welche sonstigen Entlastungsmöglichkeiten für die
Mitglieder der X. Strafkammer bestanden:
Denkbar wäre gewesen:
- Entlastung von den Aufgaben in der 25. Zivilkammer
- Entlastung von den Aufgaben in der 2. und 9. Kleinen StrafVollstreckungskammer
- Entlastung des Vorsitzenden von weiteren Aufgaben (4/10) in der Verwaltung des
Landgerichts;
c.) Das Landgericht Kiel ist hinsichtlich der richterlichen Planstellen ersichtlich seit Jahren
unterbesetzt. Die andauernde Einrichtung von Hilfsstrafkammern zur Bewältigung nicht nur
kurzfristiger Überlastungen wird schon mit dem Geschäftsverteilungsplan 2006 deutlich: Von
Beginn an werden 3 große Hilfsstrafkammern und 2 kleine Hilfsstrafkammern in die
Geschäftsverteilung mit einbezogen.
Die nicht nur kurzfristige Überlastung wird an folgenden Umständen deutlich:
- die XVII. Große Strafkammer bearbeitet alle
in der Zeit vom 1.10.2004 bis zum 31.10.04 bei der II. Großen Strafkammer
eingegangenen erstinstanzlichen Strafsachen;
- die XXI. Große Hilfsstrafkammer bearbeitet
- alle in der Zeit vom 05.04.2003 bis zum 30.11.2003 bei der III. gr.
Strafkammer eingegangenen Strafverfahren,
- alle in der Zeit vom 01.10.2001 bis zum 31.03.2002 bei der VI. gr.
Strafkammer eingegangenen Strafverfahren, in denen noch kein Termin zur
Hauptverhandlung bestimmt worden ist,
- alle bis zum 30.09.2002 bei der IX. gr. Strafkammer eingegangenen
Strafverfahren, die nicht bereits vorläufig eingestellt worden sind und in
denen noch kein Termin zur Hauptverhandlung bestimmt worden ist.
- die XXIV. große Hilfsstrafkammer (Jugend- und Jugendschutzkammer IV)
bearbeitet alle bei der II. großen Strafkammer bis zum 30.09.2004
eingegangenen nicht terminierten erstinstanzlichen Strafverfahren.
- die XIV. kleine Strafkammer (kleine Jugendkammer) bearbeitet
- Berufungen gegen Urteile der Jugendrichter (§ 26 Abs. 1 GVG),
- Entscheidungen in Wiederaufnahmeverfahren (in Jugend- und
Jugendschutzsachen) nach § 140 a GVG, soweit sich der Antrag auf
Wiederaufnahme des Verfahrens gegen die Entscheidung einer kleinen
Jugendkammer oder einer großen Strafkammer als Jugendstrafkammer im
Verfahren über die Berufung gegen ein Urteil des Jugendrichters richtet.
Die XV. kleine Hilfswirtschaftsstrafkammer bearbeitet:
-
alle bei der IV. kleinen Strafkammer in der Zeit vom 01.03.2000 bis
30.05.2000 eingegangenen Berufungen gegen Urteile der Schöffengerichte
in Wirtschaftsstrafsachen,
-
alle bei der V. kleinen Strafkammer in der Zeit vom 10.02.1999 bis
10.09.2000 eingegangenen, zum Zeitpunkt des Präsidiumsbeschlusses vom
17.07.2001 nicht terminierten Berufungen gegen Urteile der Schöffengerichte
und der Strafrichter in Wirtschaftsstrafsachen.
- Die XXV. große Hilfsstrafkammer bearbeitet alle in der Zeit vom
01.01.2003 bis zum 30.06.2004 bei der IX. großen Strafkammer
eingegangenen erstinstanzlichen Strafverfahren.
Damit wird deutlich:
Die Überlastung der einzelnen Kammern ist nicht neu, nicht unverhersehbar und
nicht kurzfristig. Da das Präsidium der Verteidigung mitgeteilt hatte, weitere
Unterlagen als der allgemeine Geschäftsverteilungsplan und das Protokoll vom
6.3.06 könne leider nicht zur Verfügung gestellt werden, bezieht sich die
Verteidigung hinsichtlich dieses Themas auf das einzuholende Zeugnis des LG
Präsidenten Sch., dessen Ladung und Vernehmung ich beantrage.
Auf das Anschreiben vom 29.03.06 (Anlage 8) und 10.04.06 (Anlage 15) nehme ich
insoweit ausdrücklich Bezug.
2. Ich beantrage den Richter Dr. Ba. als Zeugen zu hören und zu vernehmen. Der
Zeuge wird bekunden, dass er dem Landgericht Kiel bis auf weiteres zugewiesen
wurde.
Eine nicht befristete Zuweisung ist unzulässig und führt zu einer fehlerhaften Besetzung
der Strafkammer.
3. Ich beantrage den VRLG Wil. zu laden und in der Hauptverhandlung zu hören. Der
Zeuge wird bekunden,
a.) dass lediglich die aus dem vorliegenden Komplex -Festnahme am 1.11.05
in Hamburg - entstandenen Verfahren im bewussten und gewollten
Zusammenwirken mit den Präsidiumsmitgliedern in die Zuständigkeit der VII.
Strafkammer verschoben wurden. Es handelte sich dabei um die Verfahren B.,
Ko., Kemal Ö. und Kadir Ö.. Den Präsidiumsmitgliedern war aber klar, dass es
sich bei dieser Zuweisung um eine unzulässige Einzelzuweisung gehandelt
hat, da sämtliche Verfahren auf dem gleichen Sachverhalt beruhen.
b.) dass eine Überlastung weder hinsichtlich seiner Person noch der Kammer
insgesamt bestand. Die Übertragung der Verfahren auf die VII. Strafkammer
beruhte auf sachfremden Erwägungen.
Rechtslage:
1. Vorbemerkungen
Die Gesetzmäßigkeit der Aufstellung und Abänderung der Geschäftsverteilung unterliegt
grundsätzlich auch der Nachprüfung durch das Revisionsgerichts (BGHSt 3, 353, 355).
Dieser Nachprüfung sind Grenzen gesetzt, die aus der eigenverantwortlichen Stellung des Präsidiums als Gremium verwaltungsunabhängiger Selbstorganisation der Gerichte und aus der
Besonderheit der ihm übertragenen Aufgaben folgen. Der Beurteilung durch das Präsidium
muss wegen der Notwendigkeit flexibler, an die konkrete Situation angepasster und auf wesentliche Veränderungen zeitnah reagierender Entscheidungen schon deshalb ein gewisser
Vorrang zukommen, weil es mit den persönlichen und sachlichen Gegebenheiten im Gericht
sowie mit den örtlichen Verhältnissen im Gerichtsbezirk, insbesondere was den Anfall von
Strafverfahren und anderen Rechtssachen angeht, aufgrund längerer Erfahrung besonders
vertraut ist. Aus diesen Gründen ist die Regelung der Geschäftsverteilung, soweit es an bindenden rechtlichen Regeln fehlt, dem pflichtgemäßen Ermessen des Präsidiums überlassen.
Im Bereich rechtlicher, Einzelnormierung muss den dargelegten Besonderheiten dadurch Rechnung getragen werden, dass dem Präsidium bei der Anwendung unbestimmter Rechtsbegriffe
ein weiter Beurteilungsspielraum zugebilligt wird. Um einen solchen unbestimmten Rechtsbegriff handelt es sich bei der Voraussetzung vorübergehender Überlastung der ordentlichen (institutionellen) Strafkammer, von der die im Gesetz nicht ausdrücklich vorgesehene, aber nach
allgemeiner Meinung in der Rechtsprechung (auch im Bereich der Spezialspruchkörper wie
dem Schwurgericht) zulässige Einrichtung einer Hilfsstrafkammer abhängt (vgl. u.a. BGHSt
41, 175, 178; 33, 303, 304; 31, 389, 390/391; 10, 179, 181, jew. m.w.Nachw.).
Die Zubilligung eines Beurteilungsspielraums zwingt gleichwohl zu prüfen, ob die tatsächlichen
Grundlagen einer solchen Änderungsentscheidung vorgelegen haben (vgl. BGH NJW 1956,
111; BGH NJW 1976, 60; Schäfer in Löwe/Rosenberg StPO 23. Aufl. § 21 e GVG Rdn. 42; Hanack in Löwe/Rosenberg StPO 24. Aufl. § 338 Rdn. 22; KMR-Paulus § 338 Rdn. 35).
Ein durchgreifender Rechtsmangel ist jedenfalls dann begründet, wenn offen zutage liegt, dass
die der Entscheidung über die Bildung der Hilfsstrafkammer zugrunde liegenden Tatsachen
offensichtlich fehlerhaft waren und die Entscheidung damit als objektiv willkürlich erscheint
(BGHSt 31, 389, 392; vgl. auch BGH bei Holtz MDR 1981, 455; BGH, Urt. vom 9. Mai 1961 - 1
StR 103/60 -, UA S. 5; vom 7. November 1979 - 2 StR 398/79 -, UA S. 617 und vom 11. April
1979 - 1 StR 752/77 -, UA S. 7; Kissel GVG 2. Aufl. § 60 Rdn. 13; a.A. Frisch NStZ 1984, 86;
zweifelnd Katholnigg JR 1983, 520).
Ersichtlich glaubt das Präsidium durch die Einrichtung diverser Hilfsstrafkammer dem
andauernden hohen Geschäftsanfall unter Umgehung der Aufstockung richterlicher Planstellen
noch gerecht zu werden. Die hier festzustellende Mängelverwaltung im Bereich richterlicher
Planstellen ist mit dem Gesetz nicht mehr vereinbar.
2.
Die Strafkammer X war nicht vorübergehend überlastet. Wenn überhaupt eine Überlastung angenommen werden sollte, dann war es keine "vorübergehende".
Soweit in dem Protokoll der Präsidiumssitzung mitgeteilt wird, dass die Erörterung über die
Belastung der IX. Strafkammer aus der Präsidiumssitzung vom 13.01.2006 fortgesetzt wird, dokumentiert dies ebenfalls die Dauerhaftigkeit der Überlastung.
Das Präsidium hätte diesen Mangel dann aber nicht mit der Einrichtung einer weiteren Hilfsstrafkammer begegnen dürfen, schon gar nicht, wenn diese zu einer Überlastung der
Strafkammermitglieder führt, die dann die Zuweisung bestimmter Verfahren in die
Zuständigkeit einer anderen Kammer notwendig macht.
3.
Tatsächlich lag eine Überlastung aber nicht vor. Zumindest der Vorsitzende ist erkennbar mit
4/10 seiner Arbeitskraft einer Beschäftigung im Landgericht Kiel nicht zugewiesen. Die
Geschäftsverteilung schweigt über die insoweit bestehende "Belastung".
Durch welche anderen Verfahren und durch welche Hauptverhandlungstermine die Kammer
überlastet sein soll, auch darüber schweigt das Protokoll, weitergehende Auskünfte konnten
nicht erlangt werden. Das Präsidium hat ersichtlich derartige Überlegungen gar nicht angestellt.
Das Präsidium hat zudem versäumt, über eine Entlastung der Kammermitglieder in anderen
Dezernaten nachzudenken.
Die Beurteilung des Sachverhalts erscheint insofern grob fehlerhaft. Die verschiedenen Möglichkeiten sind in der Präsidiumssitzung nicht diskutiert worden; dies macht die Entscheidung
des Präsidiums im Sinne objektiver Willkür unvertretbar und ist geeignet, eine Verletzung des
Rechts auf den gesetzlichen Richter zu begründen.
4.
Die Formulierung im Protokoll vom 6.3.06 hinsichtlich der in die Zuständigkeit der VII.
Strafkammer übergehenden Verfahren entspricht der revisionrechtlichen Rechtsprechung.
Tatsächlich handelt es sich aber um eine unzulässig Einzelzuweisung von lediglich 4 Verfahren
aus einem Ermittlungskomplex.
Es trifft zwar zu, dass das Präsidium den Geschäftsverteilungsplan im Laufe des Geschäftsjahres ändern darf, wenn dies wegen Überlastung eines Spruchkörpers nötig wird (§ 21e Abs. 3
GVG).
Eine solche Notwendigkeit folgt bereits aus dem Gebot der beschleunigten Verfahrensförderung in Haftsachen und aus dem Umstand, dass eine von der Justiz zu verantwortende Verfahrensverzögerung rechtsstaatswidrig sein kann (vgl. BGHSt 30, 371).
Allerdings dürfen mit Rücksicht auf das bei der Zuweisung zu beachtende Abstraktionsprinzip
(Kissel GVG 2. Aufl. § 21e Rdn. 82) nicht einzelne Sachen ohne objektive und sachgerechte
Kriterien einer anderen Strafkammer zugewiesen werden (vgl. BGHSt 7, 23; BGHR StPO § 338
Nr. 1 Geschäftsverteilungsplan 2). Wird hiergegen verstoßen, wird die Zuweisung nicht dadurch zulässig, dass sie durch eine allgemein gehaltene Klausel erfolgt (BGHR StPO § 338 Nr.
1 Geschäftsverteilungsplan 2 m.w.N.).
Die Übertragung der umzuverteilenden Geschäfte muss unter möglichst weitgehender Beachtung generell - abstrakter Merkmale erfolgen, wie sie im Jahresgeschäftsverteilungsplan vorgegeben sein müssen, damit eine steuernde Auswahl und Manipulation bei der Zuteilung der zu
erledigenden Aufgaben verhindert wird.
Gerade in einem Fall wie dem vorliegenden, der sich dadurch auszeichnet, dass das Präsidium
der Strafkammer nur Verfahren aus einem Ermittlungskomplex abgenommen hat, bedarf es einer besonders kritischen Überprüfung der Sachgerechtigkeit der Auswahlkriterien. Das ist unterblieben.
Es kann auch nicht sein, dass sehenden Auges eine unzulässige Zuweisung dadurch rechtmäßig werden soll, dass lediglich die Formulierung der Zuständigkeitsänderung allgemein und
abstrakt gehalten wird.
Wesemann/Rechtsanwalt

Documentos relacionados