Anl. 9 Nebentätigkeit des Arbeitnehmers 1
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Anl. 9 Nebentätigkeit des Arbeitnehmers 1
Nebentätigkeit des Arbeitnehmers Welche Grenzen darf der Arbeitgeber seinem Mitarbeiter setzen? Wenn das Geld nicht ausreicht, verdienen sich viele Arbeitnehmer etwas hinzu: Durch eine Nebentätigkeit, oft auch in der Form eines 400-Euro-Jobs (Minijob), die neben einer Hauptbeschäftigung ausgeübt wird. Unter welchen rechtlichen Voraussetzungen ist eine Nebentätigkeit zulässig? Muss der Arbeitnehmer seinen Arbeitgeber über die Nebentätigkeit informieren? Kann sie der Arbeitgeber generell verbieten? Auf diese Fragen gibt der folgende Beitrag eine Antwort. Formulierungsbeispiele für die Praxis runden das Thema ab. Gegenstand dieses Beitrags ist die Nebentätigkeit in einem Arbeitsverhältnis. I. Begriff und Rechtsgrundlagen Nebentätigkeit (auch als Nebenbeschäftigung bezeichnet) ist jede Tätigkeit, die der Arbeitnehmer außerhalb seines ersten bzw. Haupt-Arbeitsverhältnisses ausübt. Die Nebentätigkeit kann sowohl entgeltlich in einem Arbeitsverhältnis, als sonstiger Dienst- oder Werkvertrag oder auch unentgeltlich, z. B. in einem Ehrenamt, erfolgen. Üblich ist die Ausübung der Nebentätigkeit im Rahmen eines zweiten Arbeitsverhältnisses bei einem anderen Arbeitgeber, die Nebenbeschäftigung kann aber auch beim Hauptarbeitgeber verrichtet werden (z. B. Haupttätigkeit: Hausmeisterarbeiten; Nebenbeschäftigung: Dienstwagenfahrer in den Abendstunden). 1 Grds. gilt, dass der Arbeitnehmer frei ist in der Verwendung seiner Arbeitskraft. Wenn die Nebentätigkeit beruflich ausgeübt wird, kann sich der Arbeitnehmer auf Art. 12 GG , der die Berufsfreiheit garantiert, berufen (BAG, Urteil vom 11. 12. 2001 - 9 AZR 464/00 ,). Art. 12 GG schützt auch die Freiheit, eine nebenberufliche Tätigkeit zu ergreifen (BAG, Urteil vom 26. 6. 2001 - 9 AZR 343/00). Das bedeutet, dass der Arbeitnehmer sich mit dem Abschluss des Arbeitsvertrags nur verpflichtet, seine Arbeitskraft für die vereinbarte Zeit zur Verfügung zu stellen; wie er die darüber hinausgehende Zeit gestaltet, ist grds. seine Sache. Nicht berufliche Tätigkeiten, z. B. die Wahrnehmung eines Ehrenamts, sind durch das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit (Art. 2 Abs. 1 GG ) geschützt und stehen daher dem Arbeitnehmer ebenfalls als Nebentätigkeiten frei. Wird die Nebentätigkeit im Rahmen eines zweiten Arbeitsverhältnisses ausgeübt, gelten auch dort die allgemeinen arbeitsrechtlichen Vorschriften und Grundsätze. 2 Hieraus folgt, dass der Arbeitnehmer u. a. auch in dem Nebenarbeitsverhältnis Anspruch auf bezahlten Urlaub, Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und betriebliche Altersversorgung hat. Wirkt sich eine Krankheit oder ein nicht vom Arbeitnehmer verschuldeter Arbeitsunfall auch auf das Hauptarbeitsverhältnis aus, dann ist – neben dem Arbeitgeber des zweiten Arbeitsverhältnisses – auch der Arbeitgeber des Hauptarbeitsverhältnisses zur Lohnfortzahlung im Krankheitsfall verpflichtet. Dies gilt auch dann, wenn die Nebentätigkeit nicht genehmigt war (LAG Hamm, Urteil vom 8. 2. 2006 - 18 Sa 1083/05, NZA-RR 2006 S. 406). Die Entgeltfortzahlung entfällt nur dann, wenn der Arbeitnehmer seine Arbeitsunfähigkeit selbst verschuldet hat, d. h. wenn er „gröblich gegen das von einem verständigen Menschen im eigenen Interesse zu erwartende Verhalten verstoßen hat”. II. Allgemeine Grenzen für Nebentätigkeiten 3 Auch ohne besondere einzelvertragliche, tarifvertragliche oder betriebsvereinbarungsgemäße Regelung gelten für die Ausübung einer Nebentätigkeit Grenzen. Diese bestehen nach gesetzlichen Vorschriften sowie nach der arbeitsvertraglichen Treue- und Rücksichtnahmepflicht des Arbeitnehmers. 4 Die Arbeitszeithöchstgrenzen von acht Stunden bzw. zehn Stunden werktäglich und 48 Stunden wöchentlich dürfen nicht überschritten werden (§ 3 ArbZG ). Die Ruhezeit zwischen den Arbeitsschichten, z. B. abendliche Nebentätigkeiten und morgendliche Haupttätigkeit, muss mindestens elf Stunden betragen (§ 5 Abs. 1 ArbZG ). 5 Wird in einem solchen „Doppelarbeitsverhältnis” im zweiten Arbeitsverhältnis unter Berücksichtigung der im 1 Berufsausübungsfreiheit, Persönlichkeitsrecht Die arbeitsrechtlichen Vorschriften gelten auch für das Nebenarbeitsverhältnis 3 Einschränkende Vorschriften 4 ArbZG 5 Verstoß führt zur Nichtigkeit des Arbeitsverhältnisses 2 ersten Arbeitsverhältnis vereinbarten Arbeitszeit die gesetzlich zulässige Arbeitszeit ganz erheblich überschritten, ist das zweite Arbeitsverhältnis in vollem Umfang nichtig (BAG, Urteil vom 19. 6. 1959 - 1 AZR 565/57 , AP Nr. 1 zu § 611 BGB Doppelarbeitsverhältnis). Für die trotz Unwirksamkeit (Nichtigkeit) des Arbeitsvertrags vom Arbeitnehmer geleistete Arbeit hat dieser gegen den Arbeitgeber des zweiten Arbeitsverhältnisses einen Vergütungsanspruch nach den Grundsätzen des faktischen Arbeitsverhältnisses. Der Arbeitgeber, der vorsätzlich oder fahrlässig die Überschreitung der höchstzulässigen Arbeitszeit anordnet oder hinnimmt, begeht u. U. eine Ordnungswidrigkeit oder sogar eine Straftat (§§ 22 , 23 ArbZG). 6 Während des gesetzlichen Urlaubs ist dem Arbeitnehmer eine dem Urlaubszweck widersprechende Erwerbstätigkeit verboten (§ 8 BUrlG ). 7 Gemäß dem gesetzlichen Wettbewerbsverbot (§ 60 HGB ) ist es dem kaufmännischen Angestellten untersagt, ohne Einwilligung des Arbeitgebers eine Konkurrenztätigkeit, egal ob unselbständig oder selbständig, auszuüben. Für die übrigen Arbeitnehmer einschließlich der Auszubildenden gibt es keine vergleichbare 8 gesetzliche Regelung; gleichwohl besteht für diesen Personenkreis ein Wettbewerbsverbot aufgrund der Treuepflicht des Arbeitnehmers. Diese aus einem Schuldverhältnis erwachsende Verhaltenspflicht zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des Arbeitgebers ist nunmehr in § 241 Abs. 2 BGB normiert (BAG, Urteil vom 20. 9. 2006 - 10 AZR 439/05, s. u.). Bei einer unmittelbaren Wettbewerbstätigkeit wird regelmäßig eine Gefährdung oder Beeinträchtigung der Arbeitgeberinteressen unterstellt werden können, nicht jedoch bei Hilfstätigkeiten beim Konkurrenzarbeitgeber ohne Wettbewerbsbezug. Beispiel 1 Eine Arbeitnehmerin arbeitet in der ersten Beschäftigung im Briefzentrum, außerdem in einer weiteren Beschäftigung als Zeitungszustellerin bei einer Firma, die neben der Zeitungszustellung auch die Briefzustellung betreibt (BAG, Urteil vom 24. 3. 2010 - 10 AZR 66/09). Beispiele für unzulässige Nebentätigkeiten wegen Konkurrenztätigkeit: Beispiel 2 Ein Krankenpfleger im Krankenhaus will nebenberuflich als Leichenbestatter arbeiten (BAG, Urteil vom 28. 2. 2002 - 6 AZR 357/01). Beispiel 3 Ein beim medizinischen Dienst der Krankenkasse beschäftigter Arzt will im Rahmen einer Nebentätigkeit Gutachten für eine private Krankenversicherung erstellen (BAG, Urteil vom 28. 2. 2002 - 6 AZR 33/01 , NZA 2002 S. 928). 9 Eine weitere gesetzliche Grenze besteht in der arbeitsvertraglichen Rücksichtnahmepflicht (§ 241 Abs. 2 BGB ). Die Vorschrift bestimmt, dass jede Vertragspartei zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen der anderen Vertragspartei verpflichtet ist. Wenn ein Arbeitnehmer trotz ärztlich bescheinigter Arbeitsunfähigkeit beim Hauptarbeitgeber nicht arbeitet, jedoch beim Arbeitgeber der Nebentätigkeit seine dort geschuldete Arbeitsleistung erbringt und damit die Genesung verzögert, liegt ein Pflichtverstoß vor, weil der Arbeitnehmer die Rücksichtnahmepflicht nicht beachtet hat, indem er seine „Restarbeitsfähigkeit” nicht bei seinem Hauptarbeitgeber verwertet hat, wozu er in einem solchem Fall verpflichtet ist (BAG, Urteil vom 26. 8. 1993 - 2 AZR 154/93 , NJW 1994 S. 2439 ). 10 Eine nicht gesetzlich geregelte Grenze ergibt sich schließlich aus dem Pflichtenkatalog des Arbeitnehmers aufgrund des für das erste bzw. Haupt-Arbeitsverhältnis geschlossenen Arbeitsvertrags. Die arbeitsvertraglichen Pflichten beinhalten, dass der Arbeitnehmer keine weitere Tätigkeit, auch keine Nebentätigkeit aufnehmen darf, die zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Arbeitskraft des Arbeitnehmers 6 BUrlG Gesetzliches Wettbewerbsverbot gem. § 60 HGB 8 Treuepflicht des Arbeitnehmers 9 Arbeitsvertragliche Rücksichtnahmepflicht 10 Hauptarbeitsverhältnis genießt erste Priorität 7 führt, so dass er seine geschuldete Arbeitsleistung im ersten Arbeitsverhältnis nicht mehr voll erfüllen kann (BAG 9 AZR 464/00). 11 Die Beeinträchtigung betrieblicher und damit von Arbeitgeberinteressen ist besonders eklatant, wenn Überschneidungen mit dem Hauptarbeitsverhältnis vorkommen. Hiervon ist auszugehen, wenn der Arbeitnehmer eine Nebentätigkeit während der Arbeitszeit im ersten Arbeitsverhältnis ausübt, Hauptbeschäftigung und Nebenbeschäftigung werden also zeitgleich ausgeführt. So hat ein als Rechtsschutzsekretär bei einer Gewerkschaft tätiger Angestellter keinen Anspruch auf Zustimmung zur Aufnahme einer Nebentätigkeit als Rechtsanwalt, wenn die Gefahr einer zeitlichen und gegenständlichen Überschneidung beider Tätigkeiten besteht (BAG, Urteil vom 21. 9. 1999 - 9 AZR 759/98 , BB 2000 S. 1473). III. Beschränkung der Berufsausübungsfreiheit durch einzelvertragliche oder kollektivvertragliche Regelung Für den Arbeitgeber kann es, je nach den konkreten Umständen des Einzelfalls, wichtig sein, dem Arbeitnehmer, der eine Nebentätigkeit aufnehmen will, im eigenen Interesse (Unternehmensinteresse) Grenzen setzen zu können. Unter Berücksichtigung der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG ) kann das Recht des Arbeitnehmers, einer Nebenbeschäftigung nachzugehen, nur ausnahmsweise durch Einzelarbeitsvertrag, Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung verboten werden. 12 Ein Nebentätigkeitsverbot kann vom Arbeitgeber nur in den Fällen ausgesprochen werden, in denen ein berechtigtes Interesse seinerseits besteht (BAG, Urteil vom 26. 8. 1976 - 2 AZR 377/75 , AP Nr. 68 zu § 626 BGB). Ein solches Unternehmensinteresse liegt z. B. vor, wenn durch die Nebentätigkeit die im ersten Arbeitsverhältnis vertraglich geschuldete Leistung beeinträchtigt wird (BAG, Urteil vom 18. 1. 1996 6 AZR 314/95 , AP Nr. 25 zu § 242 BGB Auskunftspflicht). Nach BAG 9 AZR 343/00 ist die Vereinbarung eines Nebentätigkeitsverbots in Tarifverträgen ebenfalls möglich, z. B. im Fall des Verbots von Nebentätigkeiten, die mit dem Lenken von Kraftfahrzeugen verbunden sind. 13 Nebentätigkeitsverbote werden üblicherweise in Arbeitsverträgen, insbesondere in Formulararbeitsverträgen vereinbart. Diese Verbotsregelungen können jedoch der arbeitsgerichtlichen Inhaltskontrolle unterzogen werden (§ 307 Abs. 1 BGB ). Eine Vertragsklausel, die dem Arbeitnehmer jede vom Arbeitgeber nicht genehmigte Nebentätigkeit verbietet, ist dahin auszulegen, dass nur solche Nebentätigkeiten verboten sind, an deren Unterlassung der Arbeitgeber ein berechtigtes Interesse hat. Aus diesem Grund kann die Ausübung einer Nebentätigkeit eine Kündigung nur dann rechtfertigen, wenn die im ersten Arbeitsverhältnis vertraglich geschuldeten Arbeitsleistungen durch die Nebentätigkeit beeinträchtigt werden (BAG 2 AZR 377/75; BAG, Urteil vom 13. 3. 2003 - 6 AZR 585/01 , AP Nr. 7 zu § 11 BAT). 14 Ein generelles Nebentätigkeitsverbot, ohne dass der Arbeitgeber hierfür ein berechtigtes Interesse geltend machen kann, ist unwirksam, weil der Arbeitnehmer hinsichtlich seiner Freizeitgestaltung nicht beschränkt werden darf. Auch eine spätere Umdeutung eines generell vereinbarten Nebentätigkeitsverbots scheidet aus, weil eine solche Handhabung auf eine geltungserhaltende Reduktion hinauslaufen würde, was unzulässig ist. IV. Mögliche Vertragsgestaltungen 15 Es bestehen verschiedene Möglichkeiten, dem Arbeitnehmer bezüglich der Aufnahme oder weiteren Ausübung einer Nebentätigkeit im Arbeitsvertrag von vornherein oder in einer späteren arbeitsvertraglichen Zusatzvereinbarung Grenzen zu setzen. Dabei ist darauf zu achten, dass die vereinbarten Vertragsklauseln sowohl den Interessen des Arbeitnehmers als auch den Interessen des Arbeitgebers gerecht werden. 11 Überschneidungen mit dem Hauptarbeitsverhältnis Schlüssel für den Hauptarbeitgeber: berechtigte Interessen 13 Inhaltskontrolle durch die Arbeitsgerichte 14 Unwirksames Nebentätigkeitsverbot 15 Wichtig ist der Interessenausgleich 12 1. Anzeigepflicht 16 Eine „Lösung auf niedriger Stufe” ist die Vereinbarung einer Anzeigepflicht. Der Arbeitnehmer muss dem Arbeitgeber frühzeitig die Aufnahme einer Nebentätigkeit anzeigen. Der Arbeitgeber wird dadurch in die Lage versetzt nachzuprüfen, ob durch die beabsichtigte Nebentätigkeit berechtigte betriebliche Interessen beeinträchtigt werden. Formulierungsbeispiel nach BAG, Urteil vom 24. 3. 2010 - 10 AZR 66/09 Nebentätigkeit Will der Arbeitnehmer einer entgeltlichen oder unentgeltlichen Nebentätigkeit nachgehen, hat er diese rechtzeitig vor Aufnahme der Tätigkeit dem Arbeitgeber unter Angabe der Art der Tätigkeit, des zeitlichen Umfangs und des Arbeitgebers schriftlich anzuzeigen. Diese Art Nebentätigkeitsklausel als abschließende vertragliche Regelung ist nicht zu empfehlen, weil der Arbeitgeber damit die Aufnahme oder die weitere Ausübung einer Nebentätigkeit nicht verhindern kann. Häufig wird diese Anzeigepflicht mit einer Rechtsfolgenklausel verbunden, um dem Arbeitnehmer mögliche Auswirkungen deutlich zu machen. Formulierungsbeispiel Der Arbeitgeber kann die Nebentätigkeit untersagen, wenn infolge übermäßiger Beanspruchung des Arbeitnehmers durch die Nebentätigkeit die geschuldete vertragliche Arbeitsleistung beeinträchtigt werden kann, Gründe des unmittelbaren Wettbewerbs dagegen sprechen oder durch die Nebentätigkeit die Höchstarbeitszeiten nach dem ArbZG überschritten werden. 2. Nebentätigkeitsverbot mit Erlaubnisvorbehalt 17 Von der Anzeigepflicht zu unterscheiden ist die Vereinbarung eines absoluten Nebentätigkeitsverbots verbunden mit einem Erlaubnisvorbehalt. In diesem Fall darf der Arbeitnehmer eine Nebentätigkeit nur mit Erlaubnis des Arbeitgebers ausüben, er muss also die Nebentätigkeit vom Arbeitgeber genehmigen lassen. Dieses absolute Nebentätigkeitsverbot wird mit einem Erlaubnisvorbehalt kombiniert. Um Willkür oder andere sachfremde Elemente bei der Erlaubniserteilung auszuschalten und dem Verdacht einer Diskriminierung von vornherein zu begegnen, ist es zweckmäßig, die Klausel um eine für den Arbeitgeber verbindliche Regelung zum Zustimmungsverfahren zu erweitern. Eine arbeitsvertragliche Klausel mit dem Inhalt, dass eine Nebenbeschäftigung der Zustimmung des Arbeitgebers bedarf, stellt die Aufnahme einer weiteren beruflichen Tätigkeit (Nebenbeschäftigung) unter Erlaubnisvorbehalt. Der Arbeitnehmer hat Anspruch auf Zustimmung, wenn die Aufnahme der Nebentätigkeit betriebliche Interessen nicht beeinträchtigt (BAG 9 AZR 464/00). Formulierungsbeispiel Nebentätigkeitsverbot mit Erlaubnisvorbehalt Nebentätigkeiten sind zustimmungspflichtig. Die Erlaubnis wird erteilt, wenn die Nebentätigkeit die Wahrnehmung der dienstlichen Aufgaben nicht oder allenfalls unwesentlich behindert oder sonstige berechtigte Interessen des Unternehmens nicht beeinträchtigt werden. Noch mehr Transparenz und damit Sicherheit für den Arbeitnehmer und Arbeitgeber wird erreicht, wenn der Vorbehalt (Erlaubnisvorbehalt) mit einer Zustimmungsfiktion verbunden wird. 18 Formulierungsbeispiel Zustimmungsvorbehalt mit Zustimmungsfiktion Jede Nebentätigkeit, gleichgültig, ob sie gegen Bezahlung oder unentgeltlich ausgeübt wird, darf nur mit Genehmigung des Arbeitgebers ausgeübt werden. Zu diesem Zweck ist der im Unternehmen übliche Vordruck 16 Formulierungshilfen Öffnung des Nebentätigkeitsverbots durch Erlaubnisvorbehalt 18 Zustimmungsfiktion 17 „Genehmigung einer Nebentätigkeit” zu verwenden, dieser ist der Personalabteilung vor Aufnahme der Nebentätigkeit vorzulegen. Die Zustimmung wird von dem Arbeitgeber erteilt, wenn die Nebentätigkeit die Wahrnehmung der dienstlichen Aufgaben zeitlich nicht behindert und sonstige berechtigte Interessen des Unternehmens nicht beeinträchtigt werden. Das Unternehmen hat die Entscheidung über den Antrag des Arbeitnehmers innerhalb von vier Wochen nach Eingang des Antrags zu treffen. Wird innerhalb dieser Frist von dem Unternehmen die Entscheidung über den Antrag nicht getroffen, gilt die Zustimmung als erteilt. Das Verfahren der Erlaubniserteilung kann auch unter expliziter Nennung der gesetzlichen Grenzen erfolgen. Formulierungsbeispiel 19 Genehmigung von Nebentätigkeiten Vor Aufnahme einer entgeltlichen oder unentgeltlichen Nebentätigkeit muss der Arbeitnehmer die Erlaubnis des Arbeitgebers einholen. Die Erlaubnis wird versagt, wenn • • die Höchstarbeitszeitgrenzen nach dem ArbZG durch die Nebentätigkeit überschritten werden; der Arbeitnehmer mit der Nebentätigkeit zum Unternehmen gem. § 60 HGB bzw. § 60 HGB analog in Konkurrenz tritt; • der Arbeitnehmer während des Erholungsurlaubs (§ 8 BUrlG ) eine dem Urlaubszweck widersprechende Erwerbstätigkeit ausübt; • im Übrigen, wenn durch die Nebentätigkeit die berechtigten Interessen des Arbeitgebers nicht unwesentlich behindert oder beeinträchtigt werden (z. B. wenn die vertraglich geschuldete Leistung vom Arbeitnehmer nicht erbracht wird). Sind diese Hinderungsgründe nicht gegeben, wird die Erlaubnis erteilt. Zweckmäßig ist auch, die Zustimmung mit einem Widerrufsvorbehalt zu verbinden, um späteren Überschreitungen bzw. Verstößen begegnen zu können. Dabei ist zu beachten, dass auch ein ausdrücklich vereinbarter Widerrufsvorbehalt den Arbeitgeber nicht berechtigt, von diesem Vorbehalt nach freiem Ermessen Gebrauch zu machen. Damit keine Unklarheiten über die Voraussetzungen eines Widerrufs durch den Arbeitgeber bestehen, müssen in der Widerrufsklausel die Widerrufsgründe im Einzelnen aufgeführt sein. 20 Formulierungsbeispiel Die Zustimmung kann jederzeit widerrufen werden, wenn das Interesse des Unternehmens auch unter Berücksichtigung der Interessen des Arbeitnehmers dies rechtfertigt. Das ist insbesondere der Fall, wenn der Arbeitnehmer die Höchstarbeitszeitgrenzen überschreitet, gegen das Wettbewerbsverbot verstößt, dem Urlaubszweck zuwiderhandelt oder sonstige schutzwerte berechtigte Interessen des Arbeitgebers verletzt. 3. Rechtsfolgenregelung 21 Verstöße gegen vertragliche Nebentätigkeitsverbote sind Pflichtverletzungen, die vom Arbeitgeber mit einer Sanktion geahndet werden können und ggf. auch zu einem Schadensersatzanspruch des Arbeitgebers führen können. Arbeitsrechtliche Sanktionen sind z. B. die Abmahnung sowie die Kündigung. Eine Kündigung kommt z. B. in Betracht bei erheblicher Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten – im Regelfall nach Abmahnung – durch Konkurrenztätigkeit, Ausübung der Nebentätigkeit während der Arbeitszeit im Hauptarbeitsverhältnis oder Überschreiten der Höchstarbeitszeit nach dem ArbZG oder wenn – z. B. wegen Überbeanspruchung in der Nebentätigkeit – im Hauptarbeitsverhältnis die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung vom Arbeitnehmer nicht mehr erbracht wird. Eine außerordentliche fristlose Kündigung verlangt als Voraussetzung jedoch einen ganz 22 erheblichen Verstoß des Arbeitnehmers gegen seine gesetzlichen oder vertraglichen Pflichten. Das ist z. B. der Fall, wenn der Arbeitnehmer trotz ärztlich attestierter Arbeitsunfähigkeit einer Nebentätigkeit nachgeht, die genesungswidrig wirkt (BAG 2 AZR 154/93; LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 19. 12. 2006 - 5 Sa 288/06 , NZARR 2007 S. 240). Besteht ein Verstoß lediglich in einer Verletzung der Anzeigepflicht, dürfte wegen der geringen Tragweite des Verstoßes regelmäßig eine Kündigung nicht gerechtfertigt sein. 19 Explizite Nennung der gesetzlichen Grenzen Widerrufsvorbehalt 21 Arbeitsrechtliche Sanktionen 22 Verstoß gegen Anzeigepflicht begründet keine Kündigung 20 23 Bei Wettbewerbsverstößen kann für den Arbeitgeber außerdem ein Unterlassungsanspruch in Betracht kommen, der ggf. einzuklagen ist. Um Wettbewerbsverstöße von vornherein zu unterbinden, empfiehlt sich für diesen Fall die Vereinbarung einer Vertragsstrafe im Arbeitsvertrag. FAZIT Die Ausübung einer Nebenbeschäftigung bzw. Nebentätigkeit ist in Teilen der Arbeitnehmerschaft sehr verbreitet. Für den Arbeitgeber im Hauptarbeitsverhältnis können jedoch damit nachteilige Auswirkungen verbunden sein. Da Nebentätigkeiten grds. nicht verboten sind und grds. vom Arbeitgeber nicht generell verboten werden können, empfiehlt sich die vertragliche Einführung eines Nebentätigkeitsverbots mit Erlaubnisvorbehalt. Eine Nebentätigkeitsklausel im Arbeitsvertrag oder in einer Zusatzvereinbarung muss jedoch sowohl die Interessen des Arbeitgebers als auch die Interessen des Arbeitnehmers angemessen berücksichtigen. Autoren Dieter Hold, Oberregierungsrat a. D. und Referent, war langjährig im Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung in den Referaten „Arbeitsgesetzbuch”, „Betriebsverfassung” und „Recht des Arbeitsverhältnisses” tätig. Georg Kleinsorge, Ministerialrat, ist nach dem Jurastudium in Köln seit 1990 im Bundesministerium für Arbeit und Soziales tätig. Seine Arbeitsgebiete sind das individuelle und kollektive Arbeitsrecht. Fundstelle(n): NWB 42/2012 S. 3384 23 Vereinbarung einer Vertragsstrafe