Anl. 9 Nebentätigkeit des Arbeitnehmers 1

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Anl. 9 Nebentätigkeit des Arbeitnehmers 1
Nebentätigkeit des Arbeitnehmers
Welche Grenzen darf der Arbeitgeber seinem Mitarbeiter setzen?
Wenn das Geld nicht ausreicht, verdienen sich viele Arbeitnehmer etwas hinzu: Durch eine Nebentätigkeit,
oft auch in der Form eines 400-Euro-Jobs (Minijob), die neben einer Hauptbeschäftigung ausgeübt wird.
Unter welchen rechtlichen Voraussetzungen ist eine Nebentätigkeit zulässig? Muss der Arbeitnehmer seinen
Arbeitgeber über die Nebentätigkeit informieren? Kann sie der Arbeitgeber generell verbieten? Auf diese
Fragen gibt der folgende Beitrag eine Antwort. Formulierungsbeispiele für die Praxis runden das Thema ab.
Gegenstand dieses Beitrags ist die Nebentätigkeit in einem Arbeitsverhältnis.
I. Begriff und Rechtsgrundlagen
Nebentätigkeit (auch als Nebenbeschäftigung bezeichnet) ist jede Tätigkeit, die der Arbeitnehmer außerhalb
seines ersten bzw. Haupt-Arbeitsverhältnisses ausübt. Die Nebentätigkeit kann sowohl entgeltlich in einem
Arbeitsverhältnis, als sonstiger Dienst- oder Werkvertrag oder auch unentgeltlich, z. B. in einem Ehrenamt,
erfolgen. Üblich ist die Ausübung der Nebentätigkeit im Rahmen eines zweiten Arbeitsverhältnisses bei einem
anderen Arbeitgeber, die Nebenbeschäftigung kann aber auch beim Hauptarbeitgeber verrichtet werden (z. B.
Haupttätigkeit: Hausmeisterarbeiten; Nebenbeschäftigung: Dienstwagenfahrer in den Abendstunden).
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Grds. gilt, dass der Arbeitnehmer frei ist in der Verwendung seiner Arbeitskraft. Wenn die Nebentätigkeit
beruflich ausgeübt wird, kann sich der Arbeitnehmer auf Art. 12 GG , der die Berufsfreiheit garantiert, berufen
(BAG, Urteil vom 11. 12. 2001 - 9 AZR 464/00 ,). Art. 12 GG schützt auch die Freiheit, eine nebenberufliche
Tätigkeit zu ergreifen (BAG, Urteil vom 26. 6. 2001 - 9 AZR 343/00). Das bedeutet, dass der Arbeitnehmer sich
mit dem Abschluss des Arbeitsvertrags nur verpflichtet, seine Arbeitskraft für die vereinbarte Zeit zur
Verfügung zu stellen; wie er die darüber hinausgehende Zeit gestaltet, ist grds. seine Sache. Nicht berufliche
Tätigkeiten, z. B. die Wahrnehmung eines Ehrenamts, sind durch das Recht auf freie Entfaltung der
Persönlichkeit (Art. 2 Abs. 1 GG ) geschützt und stehen daher dem Arbeitnehmer ebenfalls als Nebentätigkeiten
frei. Wird die Nebentätigkeit im Rahmen eines zweiten Arbeitsverhältnisses ausgeübt, gelten auch dort die
allgemeinen arbeitsrechtlichen Vorschriften und Grundsätze.
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Hieraus folgt, dass der Arbeitnehmer u. a. auch in dem Nebenarbeitsverhältnis Anspruch auf bezahlten
Urlaub, Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und betriebliche Altersversorgung hat. Wirkt sich eine Krankheit
oder ein nicht vom Arbeitnehmer verschuldeter Arbeitsunfall auch auf das Hauptarbeitsverhältnis aus, dann ist
– neben dem Arbeitgeber des zweiten Arbeitsverhältnisses – auch der Arbeitgeber des
Hauptarbeitsverhältnisses zur Lohnfortzahlung im Krankheitsfall verpflichtet. Dies gilt auch dann, wenn die
Nebentätigkeit nicht genehmigt war (LAG Hamm, Urteil vom 8. 2. 2006 - 18 Sa 1083/05, NZA-RR 2006 S. 406).
Die Entgeltfortzahlung entfällt nur dann, wenn der Arbeitnehmer seine Arbeitsunfähigkeit selbst verschuldet
hat, d. h. wenn er „gröblich gegen das von einem verständigen Menschen im eigenen Interesse zu erwartende
Verhalten verstoßen hat”.
II. Allgemeine Grenzen für Nebentätigkeiten
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Auch ohne besondere einzelvertragliche, tarifvertragliche oder betriebsvereinbarungsgemäße Regelung
gelten für die Ausübung einer Nebentätigkeit Grenzen. Diese bestehen nach gesetzlichen Vorschriften sowie
nach der arbeitsvertraglichen Treue- und Rücksichtnahmepflicht des Arbeitnehmers.
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Die Arbeitszeithöchstgrenzen von acht Stunden bzw. zehn Stunden werktäglich und 48 Stunden wöchentlich
dürfen nicht überschritten werden (§ 3 ArbZG ). Die Ruhezeit zwischen den Arbeitsschichten, z. B. abendliche
Nebentätigkeiten und morgendliche Haupttätigkeit, muss mindestens elf Stunden betragen (§ 5 Abs. 1 ArbZG ).
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Wird in einem solchen „Doppelarbeitsverhältnis” im zweiten Arbeitsverhältnis unter Berücksichtigung der im
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Berufsausübungsfreiheit, Persönlichkeitsrecht
Die arbeitsrechtlichen Vorschriften gelten auch für das Nebenarbeitsverhältnis
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Einschränkende Vorschriften
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ArbZG
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Verstoß führt zur Nichtigkeit des Arbeitsverhältnisses
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ersten Arbeitsverhältnis vereinbarten Arbeitszeit die gesetzlich zulässige Arbeitszeit ganz erheblich
überschritten, ist das zweite Arbeitsverhältnis in vollem Umfang nichtig (BAG, Urteil vom 19. 6. 1959 - 1 AZR
565/57 , AP Nr. 1 zu § 611 BGB Doppelarbeitsverhältnis). Für die trotz Unwirksamkeit (Nichtigkeit) des
Arbeitsvertrags vom Arbeitnehmer geleistete Arbeit hat dieser gegen den Arbeitgeber des zweiten
Arbeitsverhältnisses einen Vergütungsanspruch nach den Grundsätzen des faktischen Arbeitsverhältnisses.
Der Arbeitgeber, der vorsätzlich oder fahrlässig die Überschreitung der höchstzulässigen Arbeitszeit anordnet
oder hinnimmt, begeht u. U. eine Ordnungswidrigkeit oder sogar eine Straftat (§§ 22 , 23 ArbZG).
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Während des gesetzlichen Urlaubs ist dem Arbeitnehmer eine dem Urlaubszweck widersprechende
Erwerbstätigkeit verboten (§ 8 BUrlG ).
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Gemäß dem gesetzlichen Wettbewerbsverbot (§ 60 HGB ) ist es dem kaufmännischen Angestellten untersagt,
ohne Einwilligung des Arbeitgebers eine Konkurrenztätigkeit, egal ob unselbständig oder selbständig,
auszuüben. Für die übrigen Arbeitnehmer einschließlich der Auszubildenden gibt es keine vergleichbare
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gesetzliche Regelung; gleichwohl besteht für diesen Personenkreis ein Wettbewerbsverbot aufgrund der
Treuepflicht des Arbeitnehmers. Diese aus einem Schuldverhältnis erwachsende Verhaltenspflicht zur
Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des Arbeitgebers ist nunmehr in § 241 Abs. 2 BGB
normiert (BAG, Urteil vom 20. 9. 2006 - 10 AZR 439/05, s. u.).
Bei einer unmittelbaren Wettbewerbstätigkeit wird regelmäßig eine Gefährdung oder Beeinträchtigung der
Arbeitgeberinteressen unterstellt werden können, nicht jedoch bei Hilfstätigkeiten beim
Konkurrenzarbeitgeber ohne Wettbewerbsbezug.
Beispiel 1
Eine Arbeitnehmerin arbeitet in der ersten Beschäftigung im Briefzentrum, außerdem in einer weiteren
Beschäftigung als Zeitungszustellerin bei einer Firma, die neben der Zeitungszustellung auch die Briefzustellung
betreibt (BAG, Urteil vom 24. 3. 2010 - 10 AZR 66/09).
Beispiele für unzulässige Nebentätigkeiten wegen Konkurrenztätigkeit:
Beispiel 2
Ein Krankenpfleger im Krankenhaus will nebenberuflich als Leichenbestatter arbeiten (BAG, Urteil vom
28. 2. 2002 - 6 AZR 357/01).
Beispiel 3
Ein beim medizinischen Dienst der Krankenkasse beschäftigter Arzt will im Rahmen einer Nebentätigkeit
Gutachten für eine private Krankenversicherung erstellen (BAG, Urteil vom 28. 2. 2002 - 6 AZR 33/01 , NZA
2002 S. 928).
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Eine weitere gesetzliche Grenze besteht in der arbeitsvertraglichen Rücksichtnahmepflicht (§ 241 Abs. 2 BGB
). Die Vorschrift bestimmt, dass jede Vertragspartei zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen
der anderen Vertragspartei verpflichtet ist. Wenn ein Arbeitnehmer trotz ärztlich bescheinigter
Arbeitsunfähigkeit beim Hauptarbeitgeber nicht arbeitet, jedoch beim Arbeitgeber der Nebentätigkeit seine
dort geschuldete Arbeitsleistung erbringt und damit die Genesung verzögert, liegt ein Pflichtverstoß vor, weil
der Arbeitnehmer die Rücksichtnahmepflicht nicht beachtet hat, indem er seine „Restarbeitsfähigkeit” nicht bei
seinem Hauptarbeitgeber verwertet hat, wozu er in einem solchem Fall verpflichtet ist (BAG, Urteil vom 26. 8.
1993 - 2 AZR 154/93 , NJW 1994 S. 2439 ).
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Eine nicht gesetzlich geregelte Grenze ergibt sich schließlich aus dem Pflichtenkatalog des Arbeitnehmers
aufgrund des für das erste bzw. Haupt-Arbeitsverhältnis geschlossenen Arbeitsvertrags. Die
arbeitsvertraglichen Pflichten beinhalten, dass der Arbeitnehmer keine weitere Tätigkeit, auch keine
Nebentätigkeit aufnehmen darf, die zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Arbeitskraft des Arbeitnehmers
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BUrlG
Gesetzliches Wettbewerbsverbot gem. § 60 HGB
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Treuepflicht des Arbeitnehmers
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Arbeitsvertragliche Rücksichtnahmepflicht
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Hauptarbeitsverhältnis genießt erste Priorität
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führt, so dass er seine geschuldete Arbeitsleistung im ersten Arbeitsverhältnis nicht mehr voll erfüllen kann
(BAG 9 AZR 464/00).
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Die Beeinträchtigung betrieblicher und damit von Arbeitgeberinteressen ist besonders eklatant, wenn
Überschneidungen mit dem Hauptarbeitsverhältnis vorkommen. Hiervon ist auszugehen, wenn der
Arbeitnehmer eine Nebentätigkeit während der Arbeitszeit im ersten Arbeitsverhältnis ausübt,
Hauptbeschäftigung und Nebenbeschäftigung werden also zeitgleich ausgeführt. So hat ein als
Rechtsschutzsekretär bei einer Gewerkschaft tätiger Angestellter keinen Anspruch auf Zustimmung zur
Aufnahme einer Nebentätigkeit als Rechtsanwalt, wenn die Gefahr einer zeitlichen und gegenständlichen
Überschneidung beider Tätigkeiten besteht (BAG, Urteil vom 21. 9. 1999 - 9 AZR 759/98 , BB 2000 S. 1473).
III. Beschränkung der Berufsausübungsfreiheit durch einzelvertragliche oder kollektivvertragliche
Regelung
Für den Arbeitgeber kann es, je nach den konkreten Umständen des Einzelfalls, wichtig sein, dem
Arbeitnehmer, der eine Nebentätigkeit aufnehmen will, im eigenen Interesse (Unternehmensinteresse)
Grenzen setzen zu können.
Unter Berücksichtigung der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG ) kann das Recht des Arbeitnehmers, einer
Nebenbeschäftigung nachzugehen, nur ausnahmsweise durch Einzelarbeitsvertrag, Tarifvertrag oder
Betriebsvereinbarung verboten werden.
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Ein Nebentätigkeitsverbot kann vom Arbeitgeber nur in den Fällen ausgesprochen werden, in denen ein
berechtigtes Interesse seinerseits besteht (BAG, Urteil vom 26. 8. 1976 - 2 AZR 377/75 , AP Nr. 68 zu § 626
BGB). Ein solches Unternehmensinteresse liegt z. B. vor, wenn durch die Nebentätigkeit die im ersten
Arbeitsverhältnis vertraglich geschuldete Leistung beeinträchtigt wird (BAG, Urteil vom 18. 1. 1996 6 AZR 314/95 , AP Nr. 25 zu § 242 BGB Auskunftspflicht).
Nach BAG 9 AZR 343/00 ist die Vereinbarung eines Nebentätigkeitsverbots in Tarifverträgen ebenfalls möglich,
z. B. im Fall des Verbots von Nebentätigkeiten, die mit dem Lenken von Kraftfahrzeugen verbunden sind.
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Nebentätigkeitsverbote werden üblicherweise in Arbeitsverträgen, insbesondere in
Formulararbeitsverträgen vereinbart. Diese Verbotsregelungen können jedoch der arbeitsgerichtlichen
Inhaltskontrolle unterzogen werden (§ 307 Abs. 1 BGB ). Eine Vertragsklausel, die dem Arbeitnehmer jede vom
Arbeitgeber nicht genehmigte Nebentätigkeit verbietet, ist dahin auszulegen, dass nur solche Nebentätigkeiten
verboten sind, an deren Unterlassung der Arbeitgeber ein berechtigtes Interesse hat. Aus diesem Grund kann
die Ausübung einer Nebentätigkeit eine Kündigung nur dann rechtfertigen, wenn die im ersten
Arbeitsverhältnis vertraglich geschuldeten Arbeitsleistungen durch die Nebentätigkeit beeinträchtigt werden
(BAG 2 AZR 377/75; BAG, Urteil vom 13. 3. 2003 - 6 AZR 585/01 , AP Nr. 7 zu § 11 BAT).
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Ein generelles Nebentätigkeitsverbot, ohne dass der Arbeitgeber hierfür ein berechtigtes Interesse geltend
machen kann, ist unwirksam, weil der Arbeitnehmer hinsichtlich seiner Freizeitgestaltung nicht beschränkt
werden darf. Auch eine spätere Umdeutung eines generell vereinbarten Nebentätigkeitsverbots scheidet aus,
weil eine solche Handhabung auf eine geltungserhaltende Reduktion hinauslaufen würde, was unzulässig ist.
IV. Mögliche Vertragsgestaltungen
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Es bestehen verschiedene Möglichkeiten, dem Arbeitnehmer bezüglich der Aufnahme oder weiteren
Ausübung einer Nebentätigkeit im Arbeitsvertrag von vornherein oder in einer späteren arbeitsvertraglichen
Zusatzvereinbarung Grenzen zu setzen. Dabei ist darauf zu achten, dass die vereinbarten Vertragsklauseln
sowohl den Interessen des Arbeitnehmers als auch den Interessen des Arbeitgebers gerecht werden.
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Überschneidungen mit dem Hauptarbeitsverhältnis
Schlüssel für den Hauptarbeitgeber: berechtigte Interessen
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Inhaltskontrolle durch die Arbeitsgerichte
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Unwirksames Nebentätigkeitsverbot
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Wichtig ist der Interessenausgleich
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1. Anzeigepflicht
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Eine „Lösung auf niedriger Stufe” ist die Vereinbarung einer Anzeigepflicht. Der Arbeitnehmer muss dem
Arbeitgeber frühzeitig die Aufnahme einer Nebentätigkeit anzeigen. Der Arbeitgeber wird dadurch in die Lage
versetzt nachzuprüfen, ob durch die beabsichtigte Nebentätigkeit berechtigte betriebliche Interessen
beeinträchtigt werden.
Formulierungsbeispiel nach BAG, Urteil vom 24. 3. 2010 - 10 AZR 66/09
Nebentätigkeit
Will der Arbeitnehmer einer entgeltlichen oder unentgeltlichen Nebentätigkeit nachgehen, hat er diese
rechtzeitig vor Aufnahme der Tätigkeit dem Arbeitgeber unter Angabe der Art der Tätigkeit, des zeitlichen
Umfangs und des Arbeitgebers schriftlich anzuzeigen.
Diese Art Nebentätigkeitsklausel als abschließende vertragliche Regelung ist nicht zu empfehlen, weil der
Arbeitgeber damit die Aufnahme oder die weitere Ausübung einer Nebentätigkeit nicht verhindern kann.
Häufig wird diese Anzeigepflicht mit einer Rechtsfolgenklausel verbunden, um dem Arbeitnehmer mögliche
Auswirkungen deutlich zu machen.
Formulierungsbeispiel
Der Arbeitgeber kann die Nebentätigkeit untersagen, wenn infolge übermäßiger Beanspruchung des
Arbeitnehmers durch die Nebentätigkeit die geschuldete vertragliche Arbeitsleistung beeinträchtigt werden
kann, Gründe des unmittelbaren Wettbewerbs dagegen sprechen oder durch die Nebentätigkeit die
Höchstarbeitszeiten nach dem ArbZG überschritten werden.
2. Nebentätigkeitsverbot mit Erlaubnisvorbehalt
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Von der Anzeigepflicht zu unterscheiden ist die Vereinbarung eines absoluten Nebentätigkeitsverbots
verbunden mit einem Erlaubnisvorbehalt. In diesem Fall darf der Arbeitnehmer eine Nebentätigkeit nur mit
Erlaubnis des Arbeitgebers ausüben, er muss also die Nebentätigkeit vom Arbeitgeber genehmigen lassen.
Dieses absolute Nebentätigkeitsverbot wird mit einem Erlaubnisvorbehalt kombiniert. Um Willkür oder andere
sachfremde Elemente bei der Erlaubniserteilung auszuschalten und dem Verdacht einer Diskriminierung von
vornherein zu begegnen, ist es zweckmäßig, die Klausel um eine für den Arbeitgeber verbindliche Regelung
zum Zustimmungsverfahren zu erweitern.
Eine arbeitsvertragliche Klausel mit dem Inhalt, dass eine Nebenbeschäftigung der Zustimmung des
Arbeitgebers bedarf, stellt die Aufnahme einer weiteren beruflichen Tätigkeit (Nebenbeschäftigung) unter
Erlaubnisvorbehalt. Der Arbeitnehmer hat Anspruch auf Zustimmung, wenn die Aufnahme der Nebentätigkeit
betriebliche Interessen nicht beeinträchtigt (BAG 9 AZR 464/00).
Formulierungsbeispiel
Nebentätigkeitsverbot mit Erlaubnisvorbehalt
Nebentätigkeiten sind zustimmungspflichtig. Die Erlaubnis wird erteilt, wenn die Nebentätigkeit die
Wahrnehmung der dienstlichen Aufgaben nicht oder allenfalls unwesentlich behindert oder sonstige berechtigte
Interessen des Unternehmens nicht beeinträchtigt werden.
Noch mehr Transparenz und damit Sicherheit für den Arbeitnehmer und Arbeitgeber wird erreicht, wenn der
Vorbehalt (Erlaubnisvorbehalt) mit einer Zustimmungsfiktion verbunden wird.
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Formulierungsbeispiel
Zustimmungsvorbehalt mit Zustimmungsfiktion
Jede Nebentätigkeit, gleichgültig, ob sie gegen Bezahlung oder unentgeltlich ausgeübt wird, darf nur mit
Genehmigung des Arbeitgebers ausgeübt werden. Zu diesem Zweck ist der im Unternehmen übliche Vordruck
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Formulierungshilfen
Öffnung des Nebentätigkeitsverbots durch Erlaubnisvorbehalt
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Zustimmungsfiktion
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„Genehmigung einer Nebentätigkeit” zu verwenden, dieser ist der Personalabteilung vor Aufnahme der
Nebentätigkeit vorzulegen.
Die Zustimmung wird von dem Arbeitgeber erteilt, wenn die Nebentätigkeit die Wahrnehmung der dienstlichen
Aufgaben zeitlich nicht behindert und sonstige berechtigte Interessen des Unternehmens nicht beeinträchtigt
werden. Das Unternehmen hat die Entscheidung über den Antrag des Arbeitnehmers innerhalb von vier Wochen
nach Eingang des Antrags zu treffen. Wird innerhalb dieser Frist von dem Unternehmen die Entscheidung über
den Antrag nicht getroffen, gilt die Zustimmung als erteilt.
Das Verfahren der Erlaubniserteilung kann auch unter expliziter Nennung der gesetzlichen Grenzen erfolgen.
Formulierungsbeispiel
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Genehmigung von Nebentätigkeiten
Vor Aufnahme einer entgeltlichen oder unentgeltlichen Nebentätigkeit muss der Arbeitnehmer die Erlaubnis des
Arbeitgebers einholen. Die Erlaubnis wird versagt, wenn
•
•
die Höchstarbeitszeitgrenzen nach dem ArbZG durch die Nebentätigkeit überschritten werden;
der Arbeitnehmer mit der Nebentätigkeit zum Unternehmen gem. § 60 HGB bzw. § 60 HGB analog in
Konkurrenz tritt;
•
der Arbeitnehmer während des Erholungsurlaubs (§ 8 BUrlG ) eine dem Urlaubszweck widersprechende
Erwerbstätigkeit ausübt;
•
im Übrigen, wenn durch die Nebentätigkeit die berechtigten Interessen des Arbeitgebers nicht
unwesentlich behindert oder beeinträchtigt werden (z. B. wenn die vertraglich geschuldete Leistung vom
Arbeitnehmer nicht erbracht wird).
Sind diese Hinderungsgründe nicht gegeben, wird die Erlaubnis erteilt.
Zweckmäßig ist auch, die Zustimmung mit einem Widerrufsvorbehalt zu verbinden, um späteren
Überschreitungen bzw. Verstößen begegnen zu können. Dabei ist zu beachten, dass auch ein ausdrücklich
vereinbarter Widerrufsvorbehalt den Arbeitgeber nicht berechtigt, von diesem Vorbehalt nach freiem
Ermessen Gebrauch zu machen. Damit keine Unklarheiten über die Voraussetzungen eines Widerrufs durch
den Arbeitgeber bestehen, müssen in der Widerrufsklausel die Widerrufsgründe im Einzelnen aufgeführt sein.
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Formulierungsbeispiel
Die Zustimmung kann jederzeit widerrufen werden, wenn das Interesse des Unternehmens auch unter
Berücksichtigung der Interessen des Arbeitnehmers dies rechtfertigt. Das ist insbesondere der Fall, wenn der
Arbeitnehmer die Höchstarbeitszeitgrenzen überschreitet, gegen das Wettbewerbsverbot verstößt, dem
Urlaubszweck zuwiderhandelt oder sonstige schutzwerte berechtigte Interessen des Arbeitgebers verletzt.
3. Rechtsfolgenregelung
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Verstöße gegen vertragliche Nebentätigkeitsverbote sind Pflichtverletzungen, die vom Arbeitgeber mit einer
Sanktion geahndet werden können und ggf. auch zu einem Schadensersatzanspruch des Arbeitgebers führen
können. Arbeitsrechtliche Sanktionen sind z. B. die Abmahnung sowie die Kündigung. Eine Kündigung kommt z.
B. in Betracht bei erheblicher Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten – im Regelfall nach Abmahnung – durch
Konkurrenztätigkeit, Ausübung der Nebentätigkeit während der Arbeitszeit im Hauptarbeitsverhältnis oder
Überschreiten der Höchstarbeitszeit nach dem ArbZG oder wenn – z. B. wegen Überbeanspruchung in der
Nebentätigkeit – im Hauptarbeitsverhältnis die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung vom Arbeitnehmer nicht
mehr erbracht wird. Eine außerordentliche fristlose Kündigung verlangt als Voraussetzung jedoch einen ganz
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erheblichen Verstoß des Arbeitnehmers gegen seine gesetzlichen oder vertraglichen Pflichten. Das ist z. B. der
Fall, wenn der Arbeitnehmer trotz ärztlich attestierter Arbeitsunfähigkeit einer Nebentätigkeit nachgeht, die
genesungswidrig wirkt (BAG 2 AZR 154/93; LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 19. 12. 2006 - 5 Sa 288/06 , NZARR 2007 S. 240). Besteht ein Verstoß lediglich in einer Verletzung der Anzeigepflicht, dürfte wegen der geringen
Tragweite des Verstoßes regelmäßig eine Kündigung nicht gerechtfertigt sein.
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Explizite Nennung der gesetzlichen Grenzen
Widerrufsvorbehalt
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Arbeitsrechtliche Sanktionen
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Verstoß gegen Anzeigepflicht begründet keine Kündigung
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Bei Wettbewerbsverstößen kann für den Arbeitgeber außerdem ein Unterlassungsanspruch in Betracht
kommen, der ggf. einzuklagen ist. Um Wettbewerbsverstöße von vornherein zu unterbinden, empfiehlt sich für
diesen Fall die Vereinbarung einer Vertragsstrafe im Arbeitsvertrag.
FAZIT
Die Ausübung einer Nebenbeschäftigung bzw. Nebentätigkeit ist in Teilen der Arbeitnehmerschaft sehr
verbreitet. Für den Arbeitgeber im Hauptarbeitsverhältnis können jedoch damit nachteilige
Auswirkungen verbunden sein. Da Nebentätigkeiten grds. nicht verboten sind und grds. vom
Arbeitgeber nicht generell verboten werden können, empfiehlt sich die vertragliche Einführung eines
Nebentätigkeitsverbots mit Erlaubnisvorbehalt. Eine Nebentätigkeitsklausel im Arbeitsvertrag oder in
einer Zusatzvereinbarung muss jedoch sowohl die Interessen des Arbeitgebers als auch die Interessen
des Arbeitnehmers angemessen berücksichtigen.
Autoren
Dieter Hold,
Oberregierungsrat a. D. und Referent, war langjährig im Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung in den
Referaten „Arbeitsgesetzbuch”, „Betriebsverfassung” und „Recht des Arbeitsverhältnisses” tätig.
Georg Kleinsorge,
Ministerialrat, ist nach dem Jurastudium in Köln seit 1990 im Bundesministerium für Arbeit und Soziales tätig.
Seine Arbeitsgebiete sind das individuelle und kollektive Arbeitsrecht.
Fundstelle(n):
NWB 42/2012 S. 3384
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Vereinbarung einer Vertragsstrafe