Aktuelle arbeitsrechtliche Entscheidungen

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Aktuelle arbeitsrechtliche Entscheidungen
 krz-Forum 2011
Aktuelle arbeitsrechtliche Entscheidungen
Entscheidungssammlung
zum Vortrag vom 17. 5. 2010
Rechtsanwalt Arndt Stückemann
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Fachanwalt für IT-Recht
Rechtsanwälte Stückemann & Sozien
Schloßstrasse 11
32657 Lemgo
05261 / 2222
[email protected]
www.stueckemann.com
Inhalt
Dauer einer innerbetrieblichen Ausschreibung
(BAG, Beschluss vom 6.10.10, Az.: 7 ABR 18/09) ............................................... 4
Entschädigungsanspruch eines nicht zum Bewerbungsgespräch
geladenen schwerbehinderten Bewerbers
(ArbG Heilbronn, Urteil vom 29.4.10, Az: 3 Ca 18/10) .................................... 9
Unzulässigkeit der Frage nach einer bestehenden Schwerbehinderung beim Einstellungsgespräch – Anfechtung des
Arbeitsvertrages
(Hessisches LAG, Urteil vom 24.3.10, Az: 6/7 Sa 1373/09) ............................13
Geschlechtsspezifische Benachteiligung wegen Schwangerschaft bei einer Stellenbesetzung
(BAG, Urteil vom 27.1.11, Az: 8 AZR 483/09) ..................................................26
(Unzulässige) Haushaltsbefristung bei der Bundesagentur für
Arbeit
(BAG, Pressemitteilung Nr. 17/11 vom 9.3.11 (zu 7 AZR 728/09)) .............35
Sachgrundlose Befristung und „Zuvor-Beschäftigung“
(BAG, Pressemitteilung Nr. 25/11 vom 6.4.11 (zu 7 AZR 716/09)) .............36
Berücksichtigung von befristeten Arbeitsverhältnissen für die
geforderte Mindestbeschäftigungsdauer bei Beförderungsstellen
(BAG, Urteil vom 12.10.10, Az: 9 AZR 518/09) ................................................37
Ein Seemann hat nicht ohne weiteres Anspruch auf eine tarifliche
Bereit-schaftsdienstvergütung
(LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 6.7.10, Az: 5 Sa 134/10) .....................44
Widerruf der Bestellung eines Datenschutzbeauftragten
(BAG, Pressemitteilung Nr. 22/11 vom 23.3.11 (zu 10 AZR 562/09)) .........61
§ 622 II 2 BGB verstößt gegen EU-Recht
(BAG, Urteil vom 9.9.10, Az: 2 AZR 714/08) ....................................................62
Personenbedingte Kündigung wegen längerer Freiheitsstrafe kann
gerechtfertigt sein
(BAG, Pressemitteilung Nr. 24/11 vom 24.3.11 (zu 2 AZR 790/09)) ...........68
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Auch nach der Neuregelung des Tarifrechts kann eine Kündigung
wegen des ausserdienstlichen Verhaltens gerechtfertigt sein
(BAG, Urteil vom 28.10.10, Az: 2 AZR 293/09) ................................................69
Kündigung eines Hornisten wegen Verkleinerung des Orchesters
(BAG, Pressemitteilung Nr. 12/11 vom 27.1.11 (zu 2 AZR 9/10))................73
„Jesus hat Sie lieb“
(LAG Hamm, Pressemitteilung vom 20.4.11 (zu 4 Sa 2230/10)) ...................74
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Dauer einer innerbetrieblichen Ausschreibung
(BAG, Beschluss vom 6.10.10, Az.: 7 ABR 18/09)
Tenor
Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des Landesarbeitsgerichts
München vom 18. Dezember 2008 - 4 TaBV 70/08 - wird zurückgewiesen.
Gründe
I. Die Beteiligten streiten über die gerichtliche Ersetzung der vom Betriebsrat verweigerten
Zustimmung zur Versetzung eines Arbeitnehmers.
Die zu 1. beteiligte Arbeitgeberin ist ein Unternehmen, das Sicherheitstechnologie
entwickelt
und
herstellt,
Banknoten
und
Wertpapiere
druckt
sowie
Banknotenbearbeitungsmaschinen und Chipkarten produziert. Sie beschäftigt im Betrieb M
etwa 2.200 Arbeitnehmer, die von dem zu 2. beteiligten Betriebsrat vertreten werden.
Am 31. Oktober 2007 schrieb die Arbeitgeberin die Stelle eines/einer „Projekt-PortfolioManagers/in“ im Zentralbereich/Informationssysteme mit näherer Beschreibung der
Stellenanforderung sowie einer vorgesehenen Einstufung im Vergütungsbereich als „AT“
aus. Die Ausschreibung wurde in das Intranet eingestellt und am Schwarzen Brett beim
Personalausgang ausgehängt. Alle Arbeitnehmer der Arbeitgeberin haben über ihren
dienstlichen PC oder Laptop jederzeit Zugang zum betriebsinternen Intranet. Eine Frist zur
Bewerbung setzte die Arbeitgeberin in der Ausschreibung nicht.
Mit Schreiben vom 16. November 2007 unterrichtete die Arbeitgeberin den Betriebsrat
über die zum 1. Dezember 2007 vorgesehene Versetzung des einzigen Stellenbewerbers S
auf die ausgeschriebene Stelle unter näherer Angabe dessen bisheriger Tätigkeit und
„Eingruppierung“. Der Betriebsrat verweigerte die Zustimmung zu der beabsichtigten
Versetzung mit Schreiben vom 19. November 2007, weil „andere interne Bewerber wegen
zu kurzer Ausschreibung der Stelle benachteiligt“ würden. Bereits seit längerem bestanden
zwischen den Beteiligten Differenzen über die erforderliche Dauer des Aushangs einer
innerbetrieblichen Stellenausschreibung nach § 93 BetrVG. Der Betriebsrat verweigerte
deshalb in der Vergangenheit seine Zustimmung zu beabsichtigten personellen Maßnahmen,
wenn die Stelle zuvor nicht länger als zwei Wochen ausgeschrieben war. In Einzelfällen
verlängerte die Arbeitgeberin daraufhin die Frist.
Die Arbeitgeberin hat in dem von ihr am 4. Dezember 2007 eingeleiteten
Beschlussverfahren die Ersetzung der vom Betriebsrat verweigerten Zustimmung zur
Versetzung des Arbeitnehmers S begehrt. Sie hat die Auffassung vertreten, der Betriebsrat
habe die Zustimmung zu Unrecht verweigert. Ein Zustimmungsverweigerungsgrund liege
nicht vor. Die Ausschreibung sei ordnungsgemäß erfolgt. Eine Ausschreibungszeit von zwei
Wochen sei ausreichend.
Die Arbeitgeberin hat, soweit für die Rechtsbeschwerde noch von Bedeutung, zuletzt
beantragt,
die vom Betriebsrat verweigerte Zustimmung zur Versetzung des Herrn S auf die
Stelle eines Projekt-Portfolio-Managers in den Bereich C-IT zu ersetzen.
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Der Betriebsrat hat beantragt, den Antrag abzuweisen. Er hat die Auffassung vertreten, er
habe seine Zustimmung nach § 99 Abs. 2 Nr. 5 BetrVG zu Recht verweigert, da die nach
§ 93 BetrVG erforderliche Ausschreibung unterblieben sei. Die von der Arbeitgeberin
gewählte Ausschreibungsfrist sei zu kurz gewesen.
Das Arbeitsgericht hat den ursprünglich von der Arbeitgeberin gestellten Hauptantrag,
festzustellen, dass die Zustimmung zur Versetzung des Arbeitnehmers S als erteilt gilt,
rechtskräftig abgewiesen. Auf den Hilfsantrag der Arbeitgeberin hat es die Zustimmung des
Betriebsrats zur Versetzung des Arbeitnehmers S ersetzt. Das Landesarbeitsgericht hat die
dagegen gerichtete Beschwerde des Betriebsrats zurückgewiesen. Mit der vom
Landesarbeitsgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde begehrt der Betriebsrat weiterhin die
Abweisung des Zustimmungsersetzungsantrags. Die Arbeitgeberin beantragt die
Zurückweisung der Rechtsbeschwerde.
II. Die zulässige Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg. Das Landesarbeitsgericht hat dem - in
der Rechtsbeschwerde noch anfallenden - Antrag der Arbeitgeberin auf Ersetzung der vom
Betriebsrat verweigerten Zustimmung zur Versetzung des Arbeitnehmers S auf die Stelle
eines Projekt-Portfolio-Managers im Bereich C-IT zutreffend nach § 99 Abs. 4 BetrVG
entsprochen. Der Betriebsrat hat keinen Grund, die Zustimmung nach § 99 Abs. 2 Nr. 5
BetrVG zu verweigern. Die Ausschreibung der Stelle genügte den Anforderungen des § 93
BetrVG.
1. Der auf Ersetzung der vom Betriebsrat verweigerten Zustimmung gerichtete Antrag ist
zulässig. Die Arbeitgeberin besitzt das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis. Die begehrte
Zustimmung des Betriebsrats zur Versetzung des Arbeitnehmers S gilt nicht etwa nach § 99
Abs. 3 Satz 2 BetrVG als erteilt. Nach der rechtskräftigen Abweisung des Hauptantrags
durch das Arbeitsgericht steht fest, dass der Betriebsrat seine Zustimmung fristgemäß
verweigert und sich dabei erkennbar gemäß § 99 Abs. 2 Nr. 5 BetrVG auf das Unterbleiben
einer nach § 93 BetrVG erforderlichen innerbetrieblichen Ausschreibung berufen hat.
2. Der Antrag auf Ersetzung der Zustimmung ist nach § 99 Abs. 4 BetrVG begründet. Die
Arbeitgeberin hat das Zustimmungsverfahren ordnungsgemäß eingeleitet. Dem Betriebsrat
steht kein Grund zur Seite, die Zustimmung nach § 99 Abs. 2 Nr. 5 BetrVG zu verweigern.
a) Die Arbeitgeberin hat das Zustimmungsverfahren ordnungsgemäß eingeleitet und den
Betriebsrat ausreichend unterrichtet.
aa) Die vom Betriebsrat verweigerte Zustimmung darf von den Gerichten nach § 99 Abs. 4
BetrVG nur ersetzt werden, wenn die Frist des § 99 Abs. 3 Satz 1 BetrVG in Gang gesetzt
wurde. Dazu muss der Arbeitgeber die Anforderungen des § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG
sowie bei Einstellungen und Versetzungen auch diejenigen des § 99 Abs. 1 Satz 2 BetrVG
erfüllt haben (BAG 17. Juni 2008 - 1 ABR 20/07 - Rn. 13 mwN, BAGE 127, 51). Vor jeder
Einstellung und Versetzung hat der Arbeitgeber den Betriebsrat deshalb zu unterrichten,
ihm die erforderlichen Bewerbungsunterlagen vorzulegen und Auskunft sowohl über die
Person der Beteiligten als auch - unter Vorlage der dazu erforderlichen Unterlagen - über
die Auswirkungen der geplanten Maßnahme zu geben (BAG 14. Dezember 2004 - 1 ABR
55/03 - zu B II 2 a der Gründe mwN, BAGE 113, 109).
bb) Danach hat die Arbeitgeberin den Betriebsrat ordnungsgemäß um seine Zustimmung zu
der beabsichtigten Versetzung des Arbeitnehmers S ersucht. Mit Schreiben vom
16. November 2007 hat sie dessen persönliche Daten, seinen bisherigen und den nach der
Versetzung vorgesehenen neuen Arbeitsbereich, die in beiden Tätigkeitsbereichen
vorgesehenen „Eingruppierungen“ (jeweils: „AT“), den Zeitpunkt der Versetzung am
1. Dezember 2007 sowie den Namen des bisherigen Inhabers der frei gewordenen Stelle
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angegeben. Sie hat ferner mitgeteilt, dass sich außer Herrn S keine weiteren Arbeitnehmer
um die ausgeschriebene Stelle beworben haben. Weitergehende Informationen oder
Unterlagen hat der Betriebsrat nicht verlangt.
b) Ein Zustimmungsverweigerungsgrund nach § 99 Abs. 2 Nr. 5 BetrVG liegt entgegen der
Auffassung der Rechtsbeschwerde nicht vor. Die Arbeitgeberin hat die nach § 93 BetrVG
erforderliche Ausschreibung vorgenommen. Die Dauer der Ausschreibung ist rechtlich
nicht zu beanstanden.
aa) Nach § 93 BetrVG kann der Betriebsrat verlangen, dass Arbeitsplätze, die besetzt
werden sollen, allgemein oder für bestimmte Tätigkeiten vor ihrer Besetzung innerhalb des
Betriebes ausgeschrieben werden. Nach § 99 Abs. 2 Nr. 5 BetrVG kann der Betriebsrat
seine Zustimmung verweigern, wenn eine nach § 93 BetrVG erforderliche Ausschreibung
unterblieben ist.
(1) Das Gesetz enthält keine ausdrücklichen Bestimmungen dazu, welche Anforderungen an
Inhalt, Form und Frist einer Ausschreibung sowie deren Bekanntmachung zu stellen sind.
Die konkrete Ausgestaltung obliegt dem Arbeitgeber. Näheres kann in einer
Betriebsvereinbarung geregelt werden; ein erzwingbares Mitbestimmungsrecht hat der
Betriebsrat insoweit nicht. Die Mindestanforderungen an Inhalt und Form einer
Ausschreibung ergeben sich aus ihrem Zweck. Dieser geht dahin, die zu besetzende Stelle
den in Betracht kommenden Arbeitnehmern zur Kenntnis zu bringen und ihnen die
Möglichkeit zu geben, ihr Interesse an der Stelle kundzutun und sich darum zu bewerben.
Aus der Ausschreibung muss daher hervorgehen, um welchen Arbeitsplatz es sich handelt
und welche Anforderungen ein Bewerber erfüllen muss. Außerdem muss die
Bekanntmachung so erfolgen, dass alle als Bewerber in Betracht kommenden Arbeitnehmer
die Möglichkeit haben, von der Ausschreibung Kenntnis zu nehmen. Eine bestimmte Form
der Bekanntmachung ist nicht vorgeschrieben. Regelmäßig erforderlich, aber auch
ausreichend ist es, wenn die Ausschreibung in der Weise bekannt gemacht wird, in der
Informationen üblicherweise an die Arbeitnehmer erfolgen (BAG 17. Juni 2008 - 1 ABR
20/07 - Rn. 32, BAGE 127, 51; vgl. ferner 10. März 2009 - 1 ABR 93/07 - Rn. 46, AP
BetrVG 1972 § 99 Nr. 127 = EzA BetrVG 2001 § 99 Nr. 12). In Betracht kommt etwa die
Bekanntmachung durch Aushang am Schwarzen Brett (BAG 17. Juni 2008 - 1 ABR 20/07 Rn. 33, aaO), durch Aufnahme in eine Betriebszeitung, durch Veröffentlichung im Intranet
oder durch Rundschreiben per E-Mail oder im Postwege (GK-BetrVG/Raab 9. Aufl. § 93
Rn. 24).
(2) Aus dem Gesetz ergibt sich danach keine bestimmte Mindestdauer für eine interne
Stellenausschreibung. Vielmehr obliegt es dem Arbeitgeber, den Zeitraum der
Bekanntmachung der Ausschreibung zu bestimmen und eine etwa einzuhaltende
Bewerbungsfrist festzulegen. Er muss allerdings wegen des Zwecks der Ausschreibung
darauf achten, dass geeignete Arbeitnehmer die Ausschreibung zur Kenntnis nehmen und
eine Bewerbung einreichen können. Dabei ist eine gewisse Überlegungszeit einzuplanen (vgl.
GK-BetrVG/Raab § 93 Rn. 18). Der Arbeitgeber darf bei der Bemessung von
Ausschreibungszeitraum und Bewerbungsfrist den betrieblichen Interessen an einer zügigen
Stellenbesetzung einschließlich der dadurch erforderlichen Nachbesetzung der
freiwerdenden Arbeitsplätze Rechnung tragen. Ein Ausschreibungszeitraum von zwei
Wochen ist im Regelfall nicht als unangemessen kurz anzusehen (vgl. auch GK-BetrVG/Raab
§ 93 Rn. 18; Richardi/Thüsing 12. Aufl. § 99 Rn. 235).
(a) Entgegen der Auffassung des Betriebsrats folgt aus § 7 Abs. 2 Satz 1 und 2 BUrlG nicht
die Notwendigkeit einer längeren Ausschreibungsfrist. Urlaub erfordert ebenso wenig wie
Zeiten der Abwesenheit bei Arbeitsunfähigkeit oder aufgrund sonstiger persönlicher
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Umstände (etwa bei Inanspruchnahme von Elternzeit, Sonderurlaub oder Freistellung) eine
generell längere Dauer der Stellenausschreibung. Grundsätzlich ist von dem - für alle
Arbeitnehmer gleichen - betrieblichen Normalzustand auszugehen, bei dem die
Arbeitnehmer im Betrieb anwesend sind und von Stellenausschreibungen durch
betriebsübliche Informationsquellen Kenntnis erhalten können. Abwesenheitszeiten von
Arbeitnehmern beruhen meist auf individuellen Umständen und sind von ganz
unterschiedlicher Dauer. Deshalb obliegt es den Arbeitnehmern in diesen Fällen, ihr
generelles Interesse an Ausschreibungen während der Urlaubs- und sonstigen
Abwesenheitszeiten bei der Geschäfts- bzw. Personalführung oder beim Betriebsrat zu
bekunden oder selbst oder durch Kollegen für eine zeitnahe Information Sorge zu tragen
(vgl. BAG 17. Juni 2008 - 1 ABR 20/07 - Rn. 33, BAGE 127, 51 für den Fall der Freistellung).
(b) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde lässt sich § 2 KSchG nicht die Wertung
entnehmen, dem Arbeitnehmer müsse grundsätzlich eine Überlegungsfrist von drei
Wochen zugestanden werden, bevor er sich zu einer Bewerbung entschließe. Anders als bei
der nach § 2 Satz 2 KSchG fristgebundenen Vorbehaltserklärung gehen von einer
Bewerbung keine rechtsgeschäftlichen Wirkungen aus. Der Arbeitnehmer kann sie vielmehr
jederzeit zurücknehmen. Außerdem ist der Arbeitgeber nicht gehindert, auch nach
Fristablauf eingehende Bewerbungen zu berücksichtigen (BAG 18. November 1980 - 1 ABR
63/78 - zu B II 1 der Gründe, AP BetrVG 1972 § 93 Nr. 1 = EzA BetrVG 1972 § 93 Nr. 1). Die
der Frist des § 2 Satz 2 KSchG zugrunde liegenden Wirkungen lassen sich daher nicht auf
die nach § 93 BetrVG erforderlichen Ausschreibungen übertragen.
(c) Der Streitfall verlangt keine nähere Auseinandersetzung mit der Frage, ob der Zweck
der Ausschreibung unter bestimmten Umständen - etwa bei Abwesenheit eines Großteils
der Belegschaft wegen Werksferien oder Kurzarbeit - eine längere Dauer der
Ausschreibung gebietet. Gleiches gilt für die Frage, ob und ggf. wann der Arbeitgeber seine
Pflicht zur Ausschreibung verletzt, wenn er durch deren Ausgestaltung unter Verstoß gegen
den Rechtsgedanken des § 162 BGB die Bewerbung bestimmter Arbeitnehmer zu
verhindern sucht.
bb) Hiernach hat das Landesarbeitsgericht die Ausschreibung vom 31. Oktober 2007 zu
Recht für ordnungsgemäß erachtet.
(1) Die Stellenausschreibung wurde am 31. Oktober 2007 an dem beim Personalausgang
angebrachten Schwarzen Brett sowie über das Intranet der Arbeitgeberin veröffentlicht.
Damit hatte die Betriebsöffentlichkeit in ausreichendem Maße die Möglichkeit, von der
Ausschreibung Kenntnis zu nehmen.
(2) Eine Betriebsvereinbarung oder Regelungsabrede über Form, Inhalt und Zeit der
Ausschreibung haben die Betriebsparteien nicht getroffen. Eine konkludente
Regelungsabrede ist nicht etwa dadurch zustande gekommen, dass die Arbeitgeberin auf
standardisierte Zustimmungsverweigerungen wegen zu kurzer Ausschreibung in der
Vergangenheit die innerbetriebliche Ausschreibungsdauer in Einzelfällen verlängert hat.
(3) Der zwischen der Bekanntmachung der Ausschreibung am 31. Oktober 2007 und der
Unterrichtung des Betriebsrats am 16. November 2007 liegende Zeitraum von fünfzehn
Tagen war für interessierte Bewerber ausreichend, um von der zu besetzenden Stelle
Kenntnis zu nehmen und sich auch unter Berücksichtigung einer gewissen Überlegungszeit
auf die Stelle zu bewerben. Es liegen keine besonderen Umstände vor, die Dauer der
Ausschreibung als nicht ausreichend zu erachten. Das Landesarbeitsgericht hat
insbesondere den Umstand, dass sich die Ausschreibungsfrist teilweise mit den bayerischen
Schulferien überschnitten hat und in der Ausschreibungswoche zusätzlich ein gesetzlicher
Feiertag (Allerheiligen) lag, der sich für ein verlängertes Wochenende anbot, zutreffend als
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unbeachtlich angesehen.
(4) Konkrete Anhaltspunkte für eine im Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung oder Zeitdauer
missbräuchlich kurze Ausschreibung sind nicht ersichtlich.
Linsenmaier
Kiel
Schuh
Kley
Quelle: Entscheidungsdatenbank des BAG
Schmidt
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Entschädigungsanspruch eines nicht zum Bewerbungsgespräch
geladenen schwerbehinderten Bewerbers
(ArbG Heilbronn, Urteil vom 29.4.10, Az: 3 Ca 18/10)
...
B. Die Klage ist in Höhe von Euro 4.500,— begründet. Dem Kläger steht gegenüber der
Beklagten ein Entschädigungsanspruch wegen Benachteiligung bei der Begründung eines
Arbeitsverhältnisses nach § 15 Abs. 2 AGG zu. Dieser wird auf Euro 4.500,— festgesetzt.
I. Dem Kläger steht nach § 15 Abs. 2 AGG ein Entschädigungsanspruch zu, den er
fristgerecht geltend gemacht hat.
Der Kläger hat die einzuhaltenden Ausschlussfristen der §§ 15 Abs. 4, 61b Abs. 1 ArbGG
beachtet.
Nach § 15 Abs. 4 AGG muss der Anspruch nach § 15 Abs. 2 AGG innerhalb einer Frist von
zwei Monaten schriftlich geltend gemacht werden. Der Fristbeginn ist im Falle der
Bewerbung der Zugang der Absage. Nach § 6lb Abs. 1 ArbGG muss eine Klage nach § 15
AGG innerhalb von drei Monaten, nachdem der Anspruch schriftlich geltend gemacht
worden ist, erhoben werden.
Nachdem die Beklagte die Bewerbung des Klägers mit E-Mail vom 29.10.2009 abschlägig
beschieden hatte, hat der Kläger mit Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom
13.11.2009 seine Ansprüche geltend gemacht. Die Klage ist beim ArbG Heilbronn am
14.1.2010 eingegangen und der Beklagten am 19.1.2010 zugestellt und damit innerhalb von
drei Monaten nach der schriftlichen Geltendmachung erhoben wurden.
II. Die Voraussetzungen des § 15 Abs. 2 AGG sind erfüllt.
1. Der Kläger ist als Bewerber für ein Beschäftigungsverhältnis gemäß § 6 Abs. 1 S. 2 AGG
Beschäftigter im Sinne der Norm. Er ist unstreitig schwerbehindert im Sinne des SGB IX und
damit behindert im Sinne des AGG. 2. Die Beklagte hat den Kläger wegen seiner
Behinderung benachteiligt. Die durch die Verletzung der Pflicht nach § 82 5.2 SGB IX
begründete Vermutung einer Benachteiligung wegen der Behinderung hat die Beklagte nicht
entkräftet.
a) Nach § 7 Abs. l AGG dürfen Beschäftigte nicht wegen eines in § 1 AGG genannten
Grundes — und damit u, a. wegen ihrer Behinderung — benachteiligt werden. Das Verbot
der Benachteiligung schwerbehinderter Beschäftigter regelt zudem § 81 Abs. 2 SGB IX. Nach
§ 3 Abs. 1 S. l AGG liegt eine Benachteiligung vor, wenn eine Person wegen der Behinderung
eine weniger günstige Behandlung als eine Person in einer vergleichbaren Situation erfährt,
erfahren hat oder erfahren würde. Nach den allgemeinen Darlegungs- und Beweislastregeln
muss der schwerbehinderte Bewerber, der eine Entschädigungszahlung wegen Verstoßes
gegen das Diskriminierungsverbot geltend macht, darlegen, dass er beim Auswahl- bzw.
Einstellungsverfahren wegen seiner Behinderung benachteiligt worden ist. Seiner Darlegungsund Beweispflicht genügt der schwerbehinderte Bewerber nach § 22 AGG, wenn er im
Streitfall Indizien beweist, die eine Benachteiligung wegen eines in § 1 genannten Grundes
vermuten lassen. Solche Indiztatsachen, die eine Benachteiligung wegen des u.a. in § l AGG
genannten Grunds der Behinderung eines Menschen vermuten lassen, können auch Verstöße
gegen die Verfahrensvorschriften des §§ 81 Abs. 1, 82 SGB IX sein. Das Gericht muss die
Überzeugung einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit für die Kausalität zwischen der
Behinderung und dem Nachteil gewinnen (BAG, v. 15.2.2005 — 9 AZR 635/03 — juris Rn
35; BAG, v. 5.2.2004 — 8 AZR 112/03 — juris). In diesem trägt die andere Partei die
Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung
vorgelegen hat. Hierzu hat sie Umstände darzulegen, welche den Schluss zulassen, dass die
Behinderung in dem Motivbündel, das die Entscheidung beeinflusst hat, nicht als negatives
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Merkmal enthalten ist (BAG, v. 18.11.2008 — 9 AZR 643/07 — juris Rn 43; BAG, v.
16.9.2008 — 9 AZR 791/07 — juris
Rn 62).
b) Nach diesen Grundsätzen ist von einer Benachteiligung wegen Behinderung auszugehen.
Die Beklagte hat entgegen ihrer Verpflichtung aus 5 82 S. 2 SGB IX den Kläger nicht zum
Vorstellungsgespräch eingeladen. Das begründet die Vermutung, dass die Beklagte den
Kläger wegen seiner Behinderung benachteiligt hat. Diese Vermutung hat die Beklagte nicht
entkräftet.
aa) Die Beklagte hat die Pflicht, den schwerbehinderten Kläger zu einem
Vorstellungsgespräch einzuladen (§ 82 S. 2 SGB IX), verletzt. Die Verletzung der Pflicht, den
schwerbehinderten Bewerber zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen (§ 82 S.2 SGB IX)
ist geeignet, die Vermutung einer Benachteiligung wegen der Behinderung zu begründen
(BAG, v. 12,9.2006 — 9 AZR 791/07 — juris Rn 23).
Nach § 82 S. 2 SGB IX haben öffentliche Arbeitgeber, zu denen die Beklagte als
Gebietskörperschaft zählt (§ 71 Abs. 3 Nr. 3 SGB IX), sich bewerbende schwerbehinderte
Menschen zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen. Diese Pflicht besteht nur dann nicht,
wenn dem schwerbehinderten Menschen die fachliche Eignung offensichtlich fehlt (§ 82 S. 3
SGB IX). Der schwerbehinderte Bewerber soll den Arbeitgeber im Vorstellungsgespräch von
seiner Eignung überzeugen können. Wird ihm diese Möglichkeit genommen, liegt darin eine
weniger günstige Behandlung, als sie das Gesetz zur Herstellung gleicher Bewerbungschancen
gegenüber anderen nichtbehinderten Bewerber für erforderlich hält. Der zugleich damit
verbundene Ausschluss aus dem weiteren Bewerbungsverfahren stellt sich als eine
Benachteiligung dar, die in einem ursächlichen Zusammenhang mit der Behinderung steht
(BAG, v. 12.9.2006 — 9 AZR 807/05 — juris Rn 24; BAG, v. 16.9.2008­ 9 AZR 791/05 —
juris Rn 44).
Ob ein Bewerber offensichtlich nicht die notwendige fachliche Eignung hat, ist anhand eines
Vergleichs des für die zu besetzende Stelle bestehenden Anforderungs- mit dem
Leistungsprofil des behinderten Bewerbers zu ermitteln.
Unter Beachtung der vorstehenden Grundsätze bestand eine Pflicht, den Kläger zu einem
Vorstellungsgespräch einzuladen. Dem Kläger fehlte nicht offensichtlich die fachliche Eignung
für die ausgeschriebene Stelle. Dies behauptet die Beklagte nicht. Sie stellt nur darauf ab,
dass die eingestellte Bewerberin besser qualifiziert sei. Aufgrund seines Abschlusses an der
FH in Kehl hatte der Kläger die in der Ausschreibung geforderte Befähigung zum gehobenen
nichttechnischen Verwaltungsdienst.
bb) Der Kläger kann sich zur Darlegung eines Verfahrensfehlers, der die Vermutung einer
Benachteiligung indiziert, dagegen nicht auf den Umstand berufen, dass die Beklagte ihn nicht
angehört und ihm im Ablehnungsschreiben oder unverzüglich danach nicht die Gründe für
die von ihm getroffen Entscheidung mitgeteilt hat. Die Regelungen zur Anhörung und
Unterrichtung in § 81 Abs. 1 S. 8 und 9 SGB IX beziehen sich — was sowohl aus ihrem
Wortlaut als auch aus dem Sinn und Zweck der Regelung folgt — nur auf den Tatbestand
des § 81 Abs. 1 S. 7 SGB IX und betreffen damit nur Fälle, in denen der Arbeitgeber seine
Beschäftigungspflicht nicht erfüllt und die Schwerbehindertenvertretung oder eine in § 95
SGB IX genannte Vertretung mit der beabsichtigten Entscheidung des Arbeitgebers nicht
einverstanden ist. Denn nur dann kommt es nach dieser Regelung zu einer Erörterung mit
den Vertretungen unter Darlegung der Gründe, bei der der betroffene schwerbehinderte
Mensch angehört wird (BAG, v. 15.2.2005­ 9 AZR 635/03 — juris). Dass dem so ist, hat der
Kläger nicht dargelegt.
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cc) Der Kläger kann sich nicht darauf berufen, dass über seine Bewerbung weder die
Schwerbehindertenvertretung noch der Personalrat informiert wurden. Bei der beklagten
Gemeinde gibt es weder Schwerbehindertenvertretung noch Personalrat. Dem
Beklagtenvortrag hierzu ist der Kläger nicht entgegengetreten.
dd) Der Kläger kann sich jedoch auch darauf berufen, dass entgegen § 82 S, 1 SGB IX die zu
besetzende Stelle nicht der Bundesagentur für Arbeit angezeigt wurde. Die unterlassene
Anzeige ist ein Indiz für die Benachteiligung des Bewerbers (vgl. BAG, v. 12.9.2006 — 9 AZR
807/05 — juris Rn 21). Dass eine solche Anzeige nicht erfolgt ist, räumt die Beklagte auf S. 3
des Schriftsatzes vom 2.3.2010 ein.
ee) Entgegen der Auffassung der Beklagte folgt aus der Verweisung in § 82 SGB IX auf § 73
SGB IX und dort insb. Auf § 73 Abs. 2 Nr. 7 SGB IX nicht, dass bei der Besetzung der
Mutterschafts-/Elternzeitvertretungsstelle die Vorgaben des 82 SGB IX nicht zu beachten
waren. Auf den Wortlaut des § 73 Abs. 2 Nr. 7 SGB IX abstellend zeigt sich, dass besetzte
Stellen nicht zu berücksichtigen sind; es geht jedoch nicht — wie vorliegend — um die zu
besetzende Stelle. Erst wenn die Stelle besetzt ist, stellt sich die Frage, ob sie nach § 73 SGB
IX zu berücksichtigen ist. § 73 Abs.2 bezieht sich nur auf die Anrechenbarkeit oder
Nichtanrechenbarkeit von Arbeitsplätzen bei der Berechnung der Pflichtzahl, also bei der
Feststellung wie viel schwerbehinderte Arbeitnehmer der Arbeitgeber beschäftigen muss (vgl
Neumann u.a., Sozialgesetzbuch IX, 10. Auf l., 5 73 Rn 3). Dagegen sollen nach Sinn und
Zweck des § 82 SGB IX Nachteile eines schwerbehinderten Bewerbers ausgeglichen werden.
Es geht um den individuellen Schutz des Schwerbehinderten. Dieser auszugleichende
Nachteil besteht unabhängig davon, ob die zu besetzende Stelle bei der Quotenermittlung
berücksichtigt wird oder nicht. Daher ist § 82 SGB IX auch bei der Besetzung von Stellen zu
berücksichtigen, die bei der Quotenermittlung unberücksichtigt bleiben.
3. Soweit sich der Kläger auf eine Altersbenachteiligung beruft, so hat er keine
ausreichenden Indiz-Tatsachen dargelegt. Insoweit gibt es nur das Lebensalter des Klägers.
Die auf Statistiken verweisenden Ausführungen sind vorliegend nicht ausreichend, da
allgemeiner Natur und ohne jeden Bezug zur Situation bei der Beklagten.
4. Die Beklagte hat die Vermutung einer Benachteiligung des Klägers wegen Behinderung
nicht entkräftet. Die Beklagte kann sich auf alle geeigneten objektiven Tatsachen berufen, um
eine Benachteiligungsvermutung zu widerlegen. Daran ist sie nicht dadurch gehindert, dass
sie ihre Ablehnung nicht begründet hat (BAG, v. 18.11.2008 — 9 AZR 643/07 — juris Rn
52). Die Beklagte hat zwar behauptet, dass die Schwerbehinderung des Klägers bei der
Auswahlentscheidung keine Rolle gespielt habe und dass sie die Entscheidung nach den
Grundsätzen der Bestenauslese getroffen habe. Dieser Vortrag ist jedoch unzureichend, da
die Beklagte sich da­ bei nicht auf eine dokumentierte Auswahlentscheidung beruft. Ob bei
der Auswahlentscheidung lediglich Eignung, Befähigung und fachliche Leistung maßgebend
waren, kann nicht festgestellt werden. Die Beklagte hat eine schriftliche Dokumentation der
Auswahlgründe nicht dargelegt. Weiter behauptet die Beklagte eine Vorauswahl anhand der
Qualifikation und Erfahrung sowie der Leistungsbeurteilungen getroffen zu haben, legt jedoch
nicht dar, welche 3 weiteren Bewerber (außer Frau J) dem Kläger aufgrund welcher im
Anforderungsprofil festgehaltenen Anforderungen vorgezogen wurden. Nur lediglich
hinsichtlich der ausgewählten Bewerberin (Frau J) werden hierzu Ausführungen gemacht.
Eine Auswahlentscheidung bei der die Schwerbehinderteneigenschaft des Klägers nicht auch
Motiv war, hat die Beklagte daher gerade nicht dargelegt. Weiter schließt die bessere
Eignung von Mitbewerbern eine Benachteiligung nicht aus. Das folgt schon aus § 15 Abs. 2 S.
2 AGG. Danach ist selbst dann eine Entschädigung zu leisten, wenn der schwerbehinderte
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Bewerber auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre.
5. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist die Klage nicht rechtsmissbräuchlich. Einer
Entschädigungsklage kann der Einwand des Rechtsmissbrauchs entgegengehalten werden,
wenn die Bewerbung nicht subjektiv ernsthaft, sondern nur zum Zweck des Erwerbs von
Entschädigungsansprüchen
erfolgt
ist.
Die
Vielzahl
von
Entschädigungsklagen/Entschädigungsforderungen ist nicht ausreichend. Für sich betrachtet
liegt darin kein ausreichendes Indiz. Ein abgelehnter Bewerber ist nicht gehindert, aus seiner
Sicht bestehende Rechte auszuüben (so auch BAG, v. 21.7.2009 — 9 AZR 431/08 — juris Rn
52). Auch aus den räumlich weit gestreuten Bewerbungen lässt sich nicht darauf schließen,
dass der Kläger nicht ernstlich an einer Anstellung interessiert war. Der ledige Kläger ist
räumlich nicht gebunden, so dass dieser Umstand genauso gut den Schluss zulässt, dass er
bereit war, überall eine Anstellung anzunehmen, um endlich in Lohn und Brot zu stehen.
Die Bewerbungsunterlagen sind ebenfalls nicht geeignet, die fehlende Ernsthaftigkeit der
Bewerbung zu belegen. Allein das Fehlen von Leistungsnachweisen sowie ein (aus
Beklagtensicht) wenig individuell gestaltetes Anschreiben begründen kein hinreichendes Indiz
dafür, dass der Kläger an der SteIle nicht interessiert war. Auch der Umstand einer E-Mail­
Bewerbung lässt nicht erkennen dass die Bewerbung nicht ernstgemeint war. Der Kläger hat
sich immerhin um die E­ Mail-Adresse des richtigen Ansprechpartners bemüht.
Für die Beurteilung der Ernsthaftigkeit der Bewerbung ist auf den Zeitpunkt der Bewerbung
abzustellen, so dass im Rechtsstreit geführte Telefonate mit der Prozessbevollmächtigten
und darin ausgesprochene Drohungen mit Entschädigungsklagen nicht geeignet sind, die
Ernsthaftigkeit der Bewerbung in Zweifel zu ziehen. Der Schluss auf fehlende Ernsthaftigkeit
ist nicht zwingend, da auch Verärgerung über das prozessuale Verhalten hierfür ursächlich
sein kann.
III. Die Beklagte ist daher verpflichtet nach § 15 Abs. 2 AGG eine Entschädigung zu zahlen.
Nach § 15 Abs. 2 AGG muss die Entschädigung angemessen sein. Das bestimmt sich nach
Art und Schwere der Benachteiligung, der Dauer und ihren Folgen, dem Anlass und dem
Beweggrund des Handelns, dem Grad der Verantwortlichkeit des Arbeitgebers, etwa
geleistete Wiedergutmachung oder erhaltene Genugtuung und dem Vorliegen eines
Wiederholungsfalls (BAG, v. 22.1.2009 — 8 AZR 906/07 —, Rn 82). Ferner ist der
Sanktionszweck der Norm zu berücksichtigen, so dass die Höhe auch danach zu bemessen
ist, was zur Erzielung einer abschreckenden Wirkung erforderlich ist. Dabei ist zu beachten,
dass die Entschädigung geeignet sein muss, eine abschreckende Wirkung gegenüber dem
Arbeitgeber zu haben und in jedem Fall in einem angemessenen Verhältnis zum erlittenen
Schaden stehen muss. Vorliegend ist daher zu berücksichtigen, dass die Beklagte gegen § 82
S.1 und S. 2 SGB IX verstoßen hat. Weiter ist jedoch nach Auffassung der Kammer auch zu
berücksichtigen, dass es eine auf ein Jahr befristete Stelle war, auf die sich der Kläger
beworben hat. Anhaltspunkte für frühere Diskriminierungen durch die Beklagte gibt es nicht.
Unter Sanktionsgesichtspunkten erscheint daher eine Entschädigung in Höhe von Euro 4.500,
was rund zwei Monatsgehältern entspricht, angemessen. Dagegen ist — entgegen den
Vorstellungen des Klägers — nach Kammerauffassung nicht zu berücksichtigen, dass die
Beklagte weiterhin an der Ernsthaftigkeit der Bewerbung des Klägers zweifelt und diese
bestreitet,
Quelle: Arbeitsrechtliche Entscheidungen (AE), Heft 01/11, Seite 81-83. Entscheidung mitgeteilt an
die AE durch RA Jochen Link, Niedere Straße 63, 78050 Villingen-Schwenningen
12
Unzulässigkeit der Frage nach einer bestehenden Schwerbehinderung
beim Einstellungsgespräch – Anfechtung des Arbeitsvertrages
(Hessisches LAG, Urteil vom 24.3.10, Az: 6/7 Sa 1373/09)
Leitsatz
Die tätigkeitsneutrale Frage nach einer anerkannten Schwerbehinderung oder
Gleichstellung ist unzulässig. Sie stellt eine sachlich nicht gerechtfertigte
Benachteiligung schwerbehinderter Menschen dar. Eine Anfechtung des
Arbeitsvertrages oder Kündigung ist wegen unwahrer Beantwortung dieser Frage
unzulässig.(Rn.41) Ein Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs 2 AGG kommt
grundsätzlich in Betracht, kann aber im Einzelfall ausgeschlossen sein, wenn der
materielle Schadensausgleich ausreichend ist.(Rn.49)
(Revision eingelegt unter dem Aktenzeichen 2 AZR 396/10)
Fundstellen
AE 2011, 39-42 (Gründe)
weitere Fundstellen
RDV 2010, 287 (Leitsatz)
AuA 2011, 48 (Kurzwiedergabe)
ArbuR 2011, 35 (Leitsatz)
ArbuR 2011, 127 (Leitsatz)
Behindertenrecht 2011, 66 (Leitsatz)
Verfahrensgang
vorgehend ArbG Frankfurt, 20. Mai 2009,
anhängig BAG, Az: 2 AZR 396/10, Termin: 2011-07-07
Az:
7
Ca
7633/08,
Urteil
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts in Frankfurt am
Main vom 20. Mai 2009 – 7 Ca 7633/08 – wird zurückgewiesen, soweit sich die
Beklagte gegen die Feststellung des Arbeitsgerichtes wendet, dass das
Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die Anfechtung der Beklagten
vom 08. Oktober 2008 und nicht durch die außerordentliche noch durch die
hilfsweise ordentliche Kündigung der Beklagten vom 22. Oktober 2008 aufgelöst
worden ist.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichtes in Frankfurt am Main
vom 20. Mai 2009 – 7 Ca 7633/08 – wird zurückgewiesen, soweit diese die
Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichtes und die Verurteilung der Beklagten zur
Zahlung einer in das Ermessen des Gerichtes gestellten Entschädigung, die jedoch den
Betrag von 96.000,00 € nicht unterschreiten sollte, begehrt.
Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.
13
Die Revision wird für beide Parteien zugelassen.
Tatbestand
1
Die Parteien streiten zunächst über den durch eine Anfechtungserklärung des
Arbeitgebers bzw. eine außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung des
Arbeitgebers angegriffenen Bestand des Arbeitsverhältnisses infolge der
wahrheitswidrig von der Klägerin in einem Personalfragebogen beantworteten Frage
nach dem Bestehen einer anerkannten Schwerbehinderung, sowie um einen
Entschädigungsanspruch gem. § 15 Abs. 2 AGG.
2
Die am … geborene, verheiratete und zwei Kindern zum Unterhalt verpflichtete
Klägerin ist bei der Beklagten seit 01. März 2007 im Vertrieb aufgrund eines
Arbeitsvertrages vom 31. Januar 2007 (Bl. 22 - 29 und 155 - 162 d. A.) beschäftigt.
Die Klägerin ist seit dem 23. Juli 1998 anerkannte Schwerbehinderte mit einem GdB
50. Das Jahreseinkommen der Klägerin (Zielgehalt 2008) belief sich auf € 80.000,04
brutto, wovon € 50.500,04 brutto Fixgehalt waren. Weiter stand der Klägerin ein
Dienstwagen zur privaten Nutzung zur Verfügung. Für die Privatnutzung ist steuerlich
ein Betrag von € 416,00 monatlich in Ansatz gebracht worden.
3
Die Beklagte ist ein Softwareunternehmen mit Sitz in xxx. Bei der Beklagten sind
bundesweit mehr als 1200 Arbeitnehmer, davon rund 20 anerkannt
Schwerbehinderte beschäftigt. Die Beklagte unterhält eine Niederlassung in xxx.
4
Die Klägerin war bei der Beklagten im Geschäftsbereich Business Unit Information
(BUI) schwerpunktmäßig mit IT-Servicemanagement betraut, was entsprechende
Reisen bzw. Dienstfahrten mit sich brachte. Sofern die Klägerin nicht im Außendienst
tätig war bzw. Kunden besuchte, kam sie ihrer Tätigkeit in der Niederlassung der
Beklagten in xxx nach.
5
In einem sog. Personalfragebogen zum Arbeitsvertrag (vgl. Bl. 116 - 119 d. A.), den
die Klägerin handschriftlich ausfüllte, antwortete sie wie folgt auf die Fragen der
Beklagten bzw. kreuzte folgende Antworten an:
6
„…
II. Persönliche Verhältnisse:
7
14
Sind Sie anerkannter Schwerbehinderter oder Gleichgestellter?
8
Ja [] Nein [x]
9
…
Gibt es gesundheitliche Beeinträchtigungen, die möglicherweise die Arbeitsleistung
einschränken können?
10
Ja [] Nein [x]
11
…
Sind Sie auch für eine Außendiensttätigkeit voll belastbar?
12
Ja
…“
[x]
Nein
[]
13
Ob und inwieweit die Klägerin ihre arbeitsvertraglichen Verpflichtungen während der
Dauer des Arbeitsverhältnisses anstandslos und zur Zufriedenheit der Beklagten
erbracht hat, ist zwischen den Parteien umstritten. Im Jahr 2007 lag der
Zielerreichungsgrad der Klägerin bezüglich der variablen Vergütung bei 70,74%.
Insoweit und auch hinsichtlich der Beurteilung der Klägerin insgesamt wird auf die
Niederschrift eines Mitarbeitergesprächs 2008 vom 07. April 2008 (Bl. 120 - 122 d.
A.) verwiesen.
14
Die Klägerin teilte der Beklagten am 07. Oktober 2008 ihre Anerkennung als
Schwerbehinderte mit, nachdem ihr unter Hinweis auf betriebsbedingte Gründe nahe
gelegt wurde, gegen Abfindung aus dem Arbeitsverhältnis auszuscheiden.
15
Mit Schreiben vom 08. Oktober 2008, der Klägerin zugegangen am 10. Oktober
2008, erklärte die Beklagte die Anfechtung des Arbeitsvertrages wegen arglistiger
Täuschung. Zur Begründung nahm die Beklagte Bezug auf die unwahre Beantwortung
der Frage nach einer anerkannten Schwerbehinderung in dem Personalfragebogen.
Mit Schreiben vom 22. Oktober 2008 (Bl. 12 d. A.), der Klägerin zugegangen am 23.
Oktober 2008, kündigte die Beklagte vorsorglich außerordentlich fristlos, hilfsweise
ordentlich zum nächstmöglichen Termin nach Zustimmung des Integrationsamtes zur
15
außerordentlichen
fristlosen,
Arbeitsverhältnisses.
hilfsweise
ordentlichen
Kündigung
des
16
Zuvor war die Klägerin am Abend des 07. Oktober 2008 von der Arbeitsleistung
freigestellt worden. Dabei wurde sie aufgefordert, ihre persönlichen Sachen aus
ihrem Büro zu entfernen und die Firmenkreditkarte und den Computer abzugeben.
Weiter wurden die Zugangsberechtigungen der Klägerin zu den betrieblichen
Kommunikationsmitteln, der EDV und den Kundendatenbanken sowie dem
Firmenkonto gesperrt. Nach Einlassung der Beklagten habe es sich dabei um bei jeder
streitigen Trennung von Mitarbeitern, insbesondere aber von solchen aus dem
Vertrieb, völlig normale und unbedingt angezeigte Maßnahme gehandelt.
17
Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 20. Mai 2009 der Klage insoweit stattgegeben,
als es festgestellt hat, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die
Anfechtungserklärung der Beklagten vom 08. Oktober 2008 und nicht durch die
außerordentliche fristlose, hilfsweise ordentliche Kündigung der Beklagten vom 22.
Oktober 2008 aufgelöst worden ist. Das Arbeitsgericht hat im Weiteren hinsichtlich
weiterer anhängigerer Kündigungsschutzanträge bezüglich außerordentlicher
fristloser und hilfsweise ordentlicher Kündigungen vom 05. und 14. Januar 2009
festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis aufgrund der hilfsweise ordentlichen
Kündigung vom 05. Januar 2009 mit dem 15. Februar 2009 geendet hat. Das
Arbeitsgericht hat dementsprechend der Klage der Klägerin auf Annahmeverzugslohn
bis zum 15. Februar 2009 stattgegeben und der Klägerin eine
Provisionsschlusszahlung in Höhe von € 15.600,00 brutto zugesprochen, bezüglich
derer die Beklagte Aufrechnung mit Vertragsstrafeversprechen gem. § 12 Nr. 1 des
Arbeitsvertrages der Parteien im Hinblick auf behauptete Pflichtverletzungen (vgl.
Schriftsatz der Beklagten vom 06. Februar 2009, S. 11, Bl. 278 d. A.) erklärt hat;
letzteres unter Zurückweisung der Aufrechnung der Beklagten. Das Arbeitsgericht
hat weiter einem Anspruch auf Entfernung einer Abmahnung vom 12. Dezember
2008 (Bl. 70, 71 d. A.) stattgegeben. Abgewiesen hat das Arbeitsgericht den
Entschädigungsanspruch der Klägerin nach § 15 Abs. 2 AGG, die Klage auf
Fortbestand des Arbeitsverhältnisses aufgrund Rechtsunwirksamkeit aller
angegriffenen Kündigungen, die Klage auf Weiterbeschäftigung und die Klage auf
Annahmeverzug auf Nutzungsausfallentschädigung für die private Nutzung des der
Klägerin überlassenen Dienstwagens, der dieser nicht bis zur Beendigung des
Arbeitsverhältnisses zur Verfügung gestellt wurde. Das Arbeitsgericht hat ferner eine
Klage auf Berichtigung bzw. Neuerteilung eines der Klägerin unter dem 10. Oktober
2008 (Bl. 166 d. A.) erteilten Zeugnisses abgewiesen. Wegen der weiteren
Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens, der dort gestellten Anträge sowie der
Erwägungen des Arbeitsgerichts wird auf die angegriffene Entscheidung Bezug
genommen.
18
Gegen dieses Urteil haben die Parteien innerhalb der zur Niederschrift der
Berufungsverhandlung vom 24. März 2010 festgestellten und dort ersichtlichen
Fristen Berufung eingelegt.
16
19
Die Klägerin greift dabei u.a. die Abweisung des Entschädigungsanspruchs an. Die
Klägerin meint, sie habe Indizien angeführt und unter Beweis gestellt, die eine
Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes vermuten lassen. Diese
Indizien würden darauf beruhen, dass sie wegen einer zulässigen Falschbeantwortung
der Frage nach ihrer Behinderung unmittelbar gekündigt worden ist und der
Arbeitsvertrag angefochten worden ist. Darüber hinaus habe sie Indizien dargelegt,
dass sie aufgrund dieser Falschbeantwortung auch noch unwürdig behandelt wurde.
Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts habe die Frage nach der anerkannten
Schwerbehinderung etwas mit § 1 AGG zu tun, da eine solche Frage diskriminierend
sei und daher unzulässig sei. Der Hinweis der Beklagten in § 14 des Arbeitsvertrages,
das falsche Angaben im Personalfragebogen zur Kündigung führen können, vermöge
demgegenüber keinen Rechtfertigungsgrund darzustellen. Auch die Zustimmung des
Integrationsamts zur Kündigung beweise nicht, dass die Kündigung des
Arbeitsverhältnisses wegen Falschbeantwortung der Frage nach einer anerkannten
Schwerbehinderung keine Diskriminierung sei. Nichts anderes als die
Schwerbehinderung der Klägerin sei Auslöser aller Maßnahmen, die die Beklagte
ergriffen habe. Die Diskriminierung der Klägerin ergebe sich auch aus der Art und
Weise, in der die Klägerin ihren Arbeitsplatz habe verlassen müssen. Im Übrigen
ergebe sich eine Diskriminierung auch aus dem Prozessverhalten der Beklagten, in
dem diese versuche, der Klägerin eine Behinderung aus psychischen Gründen zu
unterstellen.
20
Die Klägerin beantragt,
21
1. unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 20.
Mai 2009, Az.: 7 Ca 7633/98, festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen
den Parteien nicht durch die hilfsweise ordentliche Tatkündigung der Beklagten
vom 05. Januar 2009 aufgelöst ist (Ziffer 4 der Klageanträge 1. Instanz);
22
2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien weder durch die
fristlose noch durch die hilfsweise ordentliche Verdachtskündigung der Beklagten
vom 05. Januar 2009 aufgelöst ist (Ziffer 3 der Klageanträge 1. Instanz);
23
3. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die
hilfsweise ordentliche Verdachtskündigung der Beklagten vom 14. Januar 2009
aufgelöst ist (Ziffer 5 der Klageanträge 1. Instanz);
24
17
4. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die
hilfsweise ordentliche Tatkündigung der Beklagten vom 14. Januar 2009 aufgelöst
ist (Ziffer 6 der Klageanträge 1. Instanz);
25
5. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch
andere Beendigungstatbestände beendet wurde (Ziffer 7 der Klageanträge 1.
Instanz);
26
6. hilfsweise für den Fall des Obsiegens mit sämtlichen vorgehenden
Bestandsschutzanträgen die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin vorläufig bis zu
einer rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache als Senior Account
Managerin zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen entsprechend des
Arbeitsvertrages vom 31. Januar 2007 weiter zu beschäftigen;
27
7. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin € 1.950,00 brutto nebst Zinsen i. H.
v. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus jeweils € 650,00 seit
dem 01. März 2009 und aus € 1.300,00 seit dem 01. April 2009 zu zahlen (nicht
zugesprochener Anteil aus Ziffer 11 der Klageanträge);
28
8. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin € 6.312,51 nebst Zinsen in Höhe
von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus jeweils € 2.104,17
ab dem 01. März 2008 und aus € 4.208,34 ab dem 02. April 2008 zu zahlen (nicht
zugesprochener Anteil aus Ziffer 14 der Klageanträge);
29
9. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin weitere € 424,25 netto nebst
Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus
jeweils € 141,75 ab dem 02. März 2008 und aus € 283,50 ab dem 02. April 2008
zu zahlen (nicht zugesprochener Anteil aus Ziffer 15 der Klageanträge);
30
10. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin weitere € 2.361,81 brutto nebst
Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus €
281,81 seit dem 02. November 2008 und aus jeweils € 416,00 brutto seit dem
02. Dezember 2008, 02. Januar 2009, 02. Februar 2009, 02. März 2009 und 02.
April 2009 zu zahlen (begründete Zahlungsansprüche wegen Wegfall der
Nutzungsmöglichkeit des Kfz. - Ziffer 16 der Klageanträge);
31
18
11. die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin ein Zeugnis gemäß dem Klageantrag
Ziffer 17 zu erteilen;
32
12. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin eine in das Ermessen des Gerichts
gestellte Entschädigung, welche jedoch einen Betrag von € 96.000,00 nicht
unterschreiten sollte, nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem
Basiszinssatz seit dem 25. November 2008 zu zahlen.
33
Die Beklagte beantragt,
34
die Klage unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main
vom 20. Mai 2009 - 7 Ca 7633/08 - abzuweisen.
35
Die Beklagte meint, die Klagestattgabe im Hinblick auf die Verneinung einer
rechtswidrigen Täuschung im Sinne von § 123 Abs. 1 BGB und des Fehlens eines
wichtigen Grundes nach § 626 BGB und einer arbeitsvertraglichen Pflichtverletzung
im Sinne von § 1 Abs. 2 KSchG, sodass das Arbeitsverhältnis weder durch die
Anfechtung vom 08. Oktober 2008 noch durch die Kündigungen vom 22. Oktober
2008 aufgelöst worden sei, überzeuge nicht. Die Beklagte verweist darauf, dass das
Bundesarbeitsgericht noch in seiner Entscheidung vom 18. Oktober 2000 (- 2 AZR
380/99 -) die Frage nach einer anerkannten Schwerbehinderung des Bewerbers als
uneingeschränkt zulässig ansah; dies obwohl die EU-Gleichbehandlungsrichtlinie
2000/78/EG zu diesem Zeitpunkt bereits kurz vor ihrer Verabschiedung stand. Die
Beklagte verweist darauf, dass sie sich mit ihrem Fragebogen auf diese ständige
Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts verlassen habe und auch darauf verlassen
durfte. Das Vertrauen der Beklagten in die ständige Rechtsprechung des
Bundesarbeitsgerichts sei hier schützenswert. Die Beklagte meint weiter,
europarechtlich und im am 18. August 2006 in Kraft getretenen AGG werde nicht
zwischen Behinderung und anerkannter Schwerbehinderung unterschieden. Warum
dieser weitere Begriff der Behinderung aber nun zwingend bedeuten soll, dass jede
dahingehende Frage des Arbeitgebers unzulässig sein soll, sei nicht nachvollziehbar. In
Deutschland zumindest sei der gesetzliche Schutz von Schwerbehinderten, soweit es
die Anbahnung von Arbeitsverhältnissen angehe, durch das AGG nicht ausgeweitet,
sondern sogar abgebaut worden. Die Beklagte meint weiter, sie könne sich für die
Zulässigkeit der Frage nach der anerkannten Schwerbehinderung auf § 8 Abs. 1 AGG
berufen. Die Frage nach der anerkannten Schwerbehinderung oder Gleichstellung sei
in erster Linie erfolgt, weil die Beklagte ihre Schwerbehindertenquote habe erhöhen
wollen. Die Klägerin hätte bei wahrheitsgemäßer Antwort ihre Chancen auf
Einstellung sogar erhöht, sie wäre genauso eingestellt worden.
36
19
Hinsichtlich der Berufung der Klägerin zum abgewiesenen Entschädigungsanspruch
führt die Beklagte aus, dass die Beweiserleichterung des § 22 AGG voraussetze, dass
die Klägerin darlegt und den Vollbeweis für eine Benachteiligung erbringt. Dies sei
nicht geschehen. Die Beklagte verweist darauf, dass das Arbeitsgericht die Frage nach
der Schwerbehinderteneigenschaft (nur) „wertungsmäßig“ als diskriminierend
angesehen habe, weil erst die Nichteinstellung die eigentliche Diskriminierung bzw.
Benachteiligung gewesen wäre und die Frage nach der Schwerbehinderung diese nur
(vermeintlich) vorbereiten sollte. Die Beklagte wiederholt an dieser Stelle, dass
Grund für die Anfechtung und die Kündigung allein der Vertrauensverlust wegen der
Lüge der Klägerin war. Ganz im Gegensatz zum „Recht zur Lüge“ seien Offenheit und
Ehrlichkeit im Umgang miteinander seit jeher feste Bestandteile der
Unternehmenskultur der Beklagten. Bei einer Lüge auf jede andere gleich bedeutsame
Frage hätte die Beklagte ganz genauso reagiert. Über den Grund der
Schwerbehinderung der Klägerin habe man erst lange nach Anfechtung und
Kündigung und nur deshalb spekuliert, weil die Klägerin den Grund für ihre
Schwerbehinderung nicht bekannt geben wollte.
37
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf den
vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und den übrigen
Akteninhalt verwiesen.
Entscheidungsgründe
38
Die Berufungen der Parteien sind statthaft (§§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1, Abs. 2 lit. b) und c)
ArbGG), außerdem form- und fristgerecht eingelegt (§§ 66 Abs. 1 ArbGG, 64 Abs. 6
ArbGG i.V.m. §§ 519, 520 ZPO) und damit insgesamt zulässig.
39
Im entscheidungsreifen Umfang sind die Berufungen der Parteien jedoch unbegründet.
Das Berufungsgericht sieht den Rechtsstreit nur teilweise, nämlich hinsichtlich des
durch Anfechtungserklärung der Beklagten vom 08. Oktober 2008 und durch
Kündigung der Beklagten vom 22. Oktober 2008 angegriffenen Bestandes des
Arbeitsverhältnisses und hinsichtlich des von der Klägerin geltend gemachten
Entschädigungsanspruchs gem. § 15 Abs. 2 AGG als entscheidungsreif an, weshalb
insoweit gem. § 301 ZPO Teilurteil ergeht. Bezüglich der Kündigungen vom 05.
Januar und vom 14. Januar 2009 wird eine weitere Sachverhaltsaufklärung
(Beweisaufnahme) für erforderlich gehalten. Hiervon hängen die Klage auf Entfernung
der Abmahnung, im Weiteren die Klage auf Provisionszahlung im Hinblick auf
Aufrechnungserklärung der Beklagten wegen Vertragspflichtverletzungen und das
Zeugnis sowie zumindest teilweise auch Annahmeverzugslohnansprüche ab. Dieser
Teil des Rechtsstreits ist bis zur Entscheidungsreife über die zunächst
außerordentliche Kündigung vom 05. Januar 2009 daher ebenfalls nicht
entscheidungsreif.
40
20
Das Berufungsgericht folgt dem Arbeitsgericht darin, dass das Arbeitsverhältnis der
Parteien nicht durch die Anfechtungserklärung der Beklagen bzw. die auf die
Falschbeantwortung der Frage nach anerkannter Schwerbehinderung gegründeten
außerordentlichen Kündigung vom 22. Oktober 2008 geendet hat. Neben dem
Anfechtungsrecht kann bei Dauerschuldverhältnissen auch ein ordentliches bzw.
außerordentliches Kündigungsrecht bestehen. Das Anfechtungsrecht wird nicht durch
das Recht zur außerordentlichen Kündigung verdrängt; es besteht vielmehr ein
Wahlrecht. Anfechtung und Kündigung können auch zeitlich erklärt werden, wobei
allerdings wegen der stärkeren Wirkung der Anfechtung über diese zuerst zu
entscheiden ist. Im Streitfall ist dabei schon deshalb zunächst über die Anfechtung zu
entscheiden, weil diese für den Fall der Wirksamkeit zu einer früheren Beendigung
des Arbeitsverhältnisses führen würde. Kündigungsverbote des besonderen
Kündigungsschutzes (z. B. §§ 85 ff. SGB X) stehen der Anfechtung dabei nicht
entgegen. Die Kündigungsverbote oder -einschränkungen sollen nur das
rechtsfehlerhaft zustande gekommene Arbeitsverhältnis schützen. Im Weiteren setzt
die Täuschungsanfechtung voraus, dass eine Täuschung besteht. Eine Täuschung
besteht in der Erregung oder Aufrechterhaltung eines Irrtums bezüglich objektiv
nachprüfbarer Umstände, durch die der Erklärungsgegner zur Abgabe einer
Willenserklärung veranlasst wird (BAG, Urteil vom 05.10.1995 - 2 AZR 923/94 - AP Nr.
40 zu § 23 BGB, unter I. 1. d.Gr.) . Im Weiteren setzt die Anfechtung wegen arglistiger
Täuschung Rechtswidrigkeit voraus. Ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal der
Täuschung nach § 123 Abs. 1 BGB ist wie bei der Drohung deren Rechtswidrigkeit.
Das BGB geht davon aus, dass die arglistige Täuschung stets rechtswidrig ist. Den Fall
rechtmäßiger Täuschung - vor allem im Arbeitsverhältnis - sieht das Gesetzt nicht.
Diese Lücke des Gesetzes wird nach herrschender Meinung durch teleologische
Reduktion geschlossen. Die Norm des § 123 BGB ist insofern zu weit gefasst, als sie
die Fälle einer an sich arglistigen, aber rechtlich erlaubten Täuschung mitumfasst (vgl.
BAG, Urteil vom 21.02.1991 - 2 AZR 449/90 - AP Nr. 35 zu § 123 BGB, unter I. b) d.Gr.) .
Somit stellt im Bereich der Fragerechte des Arbeitgebers nur eine falsche Antwort
auf eine zulässigerweise gestellte Frage eine arglistige Täuschung dar (BAG, Urteil vom
19.05.1983 - 2 AZR 171/81 - AP Nr. 25 zu § 123 BGB, unter A. I. 3. c) d.Gr.) . Schließlich
setzt die Anfechtung voraus, dass die Täuschung für die Begründung des
Arbeitsverhältnisses ursächlich geworden ist. Das ist der Fall, wenn der Getäuschte
die Willenserklärung anderenfalls nicht oder mit einem anderen Inhalt abgegeben
hätte. Es reicht aus, wenn die Täuschung zumindest mitursächlich für den Entschluss
des Getäuschten von Bedeutung war (BAG, Urteil vom 11.11.1993 - 2 AZR 467/93 - AP
Nr. 38 zu § 123 BGB, unter II. 1. b) ee) d.Gr.) .
41
Vorliegend streiten die Parteien zunächst über die Zulässigkeit der Frage der
Beklagten in ihrem Personalfragebogen nach einer anerkannten Schwerbehinderung
oder einer Gleichstellung. Beantwortet ein schwerbehinderter Bewerber zulässige
Fragen des Arbeitgebers in einem Einstellungsgespräch vorsätzlich falsch, kann der
später geschlossene Arbeitsvertrag wegen arglistiger Täuschung nach § 123 Abs. 1
BGB anfechtbar sein. Ob die „tätigkeitsneutrale“ Frage des Arbeitgebers als zulässig
angesehen werden kann, war lange Zeit heftig umstritten. Nach der bisher noch nicht
aufgegebenen Rechtsprechung des 2. Senats des Bundesarbeitsgerichts ist sie zulässig
(vgl. zuletzt BAG, Urteil vom 18.10.2000 - 2 AZR 380/99 - AP Nr. 59 zu § 123 BGB) . Als
tätigkeitsneutral wird diese Frage bezeichnet, weil sie keinen Bezug zur vorgesehenen
Beschäftigung hat, sondern nur darauf zielt zu erfahren, ob eine Schwerbehinderung
21
festgestellt ist, und zwar unabhängig davon, welche Auswirkungen die
Schwerbehinderteneigenschaft oder die Gleichstellung sowie die zugrunde liegende
Behinderung konkret für die in Aussicht genommene Tätigkeit hat (vgl. BAG, Urteil
vom 01.08.1985 - 2 AZR 101/83 - AP Nr. 30 zu § 123 BGB, unter II. 3. a) d.Gr. und BAG,
Urteil vom 05.10.1995 - 2 AZR 923/94 - AP Nr. 40 zu § 123 BGB, unter B. II. 2. d.Gr.) .
Seit In-Kraft-Treten des § 81 SGB IX zum 01. Juli 2001 ging jedoch die ganz
überwiegende Meinung im Schrifttum von der Unzulässigkeit einer tätigkeitsneutralen
Frage des Arbeitgebers nach einer anerkannten Schwerbehinderung aus. Begründet
wurde dies u.a. damit, dass das Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung vom 05.
Oktober 1995 (- 2 AZR 923/94 -) seine Auffassung zur Zulässigkeit der Frage u.a.
damit begründet hatte, die Aufnahme des Verbots der Benachteiligung Behinderter in
das Grundgesetz (Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG) rechtfertige keine andere Bewertung. Ein
Vergleich mit der Zulässigkeit der Frage nach der Schwangerschaft, die als
diskriminierend angesehen wird, sei unstatthaft, denn während der Gesetzgeber in §
611 a BGB ein ausdrückliches geschlechtsspezifisches Diskriminierungsverbot bei der
Begründung von Arbeitsverhältnissen normiert habe, fehle es im Fall der Behinderten.
Da nunmehr aber ausdrücklich in § 81 SGB IX ein derartiges Benachteiligungsverbot § 611 a a.F. BGB nachgebildet - vorgesehen sei, könne diese Argumentation nach
Auffassung von Düvell BB 2001, 1529 ff.; Messingschlager NZA 2003, 301 ff.; Thüsing,
Wege, FA 2003, 296 ff.; von Koppenfels-Spies, AuR 2004, 43 ff.; Brecht-Heinzmann, ZdR
2006, 639 ff. nicht mehr greifen; offen gelassen: Dörner in Handbuch des Fachanwalts,
Arbeitsrecht, 8. Aufl., Kapitel 2, Rn 291.
42
§ 81 Abs. 2 SGB IX in der bis zum In-Kraft-Treten des AGG lautenden Fassung
bestimmte in Satz 2 Nr. 1:
43
„Ein schwerbehinderter Beschäftigter darf bei einer Vereinbarung oder einer
Maßnahme, insbesondere bei der Begründung des Arbeits- oder sonstigen
Beschäftigungsverhältnisses, beim beruflichen Aufstieg, bei einer Weisung oder einer
Kündigung nicht wegen seiner Behinderung benachteiligt werden. Eine
unterschiedliche Behandlung wegen der Behinderung ist jedoch zulässig, soweit eine
Vereinbarung oder eine Maßnahme die Art von dem schwerbehinderten
Beschäftigten auszuübenden Tätigkeit zum Gegenstand hat und eine bestimmte
körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit wesentliche und
entscheidende berufliche Anforderung für diese Tätigkeit ist.“
44
In der derzeit gültigen Fassung lautet § 81 Abs. 2 SGB IX wie folgt:
45
„Arbeitgeber dürfen schwerbehinderte Beschäftigte nicht wegen ihrer Behinderung
benachteiligen. Im Einzelnen gelten hierzu die Regelungen des allgemeinen
Gleichbehandlungsgesetzes.“
46
22
Nach Auffassung des Berufungsgerichts ist sowohl nach § 81 Abs. 2 SGX IX a.F. wie
nach § 81 SGB IX n.F. die Zulässigkeit einer tätigkeitsneutralen Frage des
Arbeitgebers nach einer Schwerbehinderteneigenschaft im Hinblick auf das Verbot
der Ungleichbehandlung behinderten Menschen nicht mehr aufrechterhalten.
47
Im Streitfall ist auch davon auszugehen, dass die Frage nach anerkannter
Schwerbehinderung und Gleichstellung im Personalfragebogen der Beklagten
tätigkeitsneutral ist. Dies folgt schon daraus, dass die Beklagte ausdrücklich nach
einer anerkannten Schwerbehinderung fragt und nicht allgemein nach dem Vorliegen
einer Schwerbehinderung. Darüber hinaus ergibt sich dies daraus, dass die Beklagte,
um die gesundheitliche Eignung der Klägerin für die zu besetzende Stelle zu
gewährleisten, bereits gesondert nach gesundheitlichen Beeinträchtigungen, die
möglicherweise die Arbeitsleistung einschränken können, ebenso fragt wie, ob der
Bewerber auch für Außendiensttätigkeit voll belastbar sei.
48
Aber auch unter dem Aspekt einer fehlenden Kausalität kann im Streitfall die
Anfechtung der Beklagten die Auflösung des Arbeitsverhältnisses der Parteien nicht
begründen. Wie bereits ausgeführt, muss zwischen der Täuschungshandlung und der
Willenserklärung eine Kausalität bestehen. Die Täuschungshandlung muss zu einem
Irrtum des Getäuschten führen, und der Irrtum muss für eine Willenserklärung
ursächlich sein, die der Getäuschte ohne die Täuschung nicht, mit einem anderen
Inhalt oder jedenfalls nicht zu diesem Zeitpunkt abgegeben hätte (vgl. BAG, Urteil vom
11.11.1993 - 2 AZR 467/93 - AP Nr. 38 zu § 123 BGB, unter II. 1. b) ee) d.Gr.) . Die
Beklagte hat insoweit vorgetragen, dass ihre Frage nach einer anerkannten
Schwerbehinderung dem Ziel gedient habe, durch Einstellung anerkannter
schwerbehinderter Bewerber ihre Schwerbehindertenquote zu erhöhen. Weiter hat
die Beklagte vorgetragen, dass die Klägerin bei wahrheitsgemäßer Antwort ihre
Chancen auf Einstellung sogar erhöht hätte. Der Irrtum der Beklagten über die
Schwerbehinderteneigenschaft der Klägerin war danach für deren Willenserklärung
nicht ursächlich. Die Beklagte hat die Klägerin in Unkenntnis deren
Schwerbehinderteneigenschaft als „beste“ Bewerberin ausgewählt und eingestellt. Die
Beklagte hat ferner explizit erklärt, dass bei positiver Beantwortung der Frage nach
der Schwerbehinderung die Klägerin erst recht eingestellt worden wäre. Dass die
Einstellung der Klägerin auf einer arglistigen Täuschung der Beklagten seitens der
Klägerin beruht, kann damit nicht festgestellt werden. Zu diesem Ergebnis kommt
auch Düvell (BB 2006, 1741, 1743) , indem er ausführt, dass der Arbeitgeber das
Recht hat zur tätigkeitsneutralen Frage nach dem Status der Schwerbehinderung oder
nach einem laufenden Feststellungsverfahren, wenn das Ziel der Frage die
Eingliederung von Behinderten oder die Steigerung des Ist-Satzes der
Beschäftigungspflicht nach § 71 Abs. 1 SGB IX ist, allerdings im Weiteren es für
angebracht hält darauf hinzuweisen, dass derjenige, der vorgibt, er wolle positiv die
Einstellung von Behinderten fördern, keinen Anfechtungsgrund hat, wenn er
unerkannt einen behinderten Bewerber als „Besten“ ausgewählt und eingestellt hat.
Erklärt er nach Kenntniserlangung von der Behinderung die Anfechtung (so Düvell)
wegen Verschweigens der Behinderung, so ist das nach § 242 BGB unbeachtlich.
Diese Überlegungen greifen auch hinsichtlich der von der Beklagten unter Berufung
auf die Falschbeantwortung der Frage nach der Schwerbehinderteneigenschaft
23
ausgesprochene außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung vom 22.
Oktober 2008.
49
Das Berufungsgericht folgt dem Arbeitsgericht auch darin, dass die Klägerin keine
Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG (Berufungsantrag Ziffer 12) beanspruchen kann.
Die Klägerin hat - wie das Arbeitsgericht richtig festgestellt hat - zunächst die
gesetzlichen (Ausschluss-)Fristen für die Geltendmachung des Anspruchs gem. § 15
Abs. 2 AGG gewahrt. Die Klageerweiterung gemäß Schriftsatz vom 17. November
2008, mit der der Entschädigungsanspruch geltend gemacht wurde, ist der Beklagten
am 25. November 2008 zugestellt worden. Damit ist die Frist des § 15 Abs. 4 AGG
gewahrt. Hiermit ist gleichzeitig auch die Frist des § 61 b ArbGG eingehalten.
Ergänzend wird insoweit gem. § 69 Abs. 2 ArbGG auf die zutreffenden Ausführungen
des Arbeitsgerichts verwiesen. Das Berufungsgericht geht auch von der
grundsätzlichen Anwendbarkeit des § 15 Abs. 2 AGG aus. Ob die
Ausschließlichkeitsanordnung des § 2 Abs. 4 AGG unabhängig von der Erhebung
einer Kündigungsschutzklage und ungeachtet der Unwirksamkeit einer
diskriminierenden Kündigung darüber hinaus auch den Entschädigungsanspruch nach
§ 15 Abs. 2 AGG sperrt, ist in der Literatur umstritten (vgl. insoweit die Nachweise im
Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 22. Oktober 2009 - 8 AZR 642/08 - NZA 2010, 280
- 283, unter II. 1. b) d.Gr.) . Die Ausschließlichkeitsanordnung des § 2 Abs. 4 AGG
würde im Übrigen ohnehin für die ebenfalls als diskriminierend angegriffene
Anfechtungserklärung der Beklagten nicht greifen. Obwohl das Bundesarbeitsgericht
in der bereits angeführten Entscheidung die Anwendbarkeit des § 15 Abs. 2 AGG
offen gelassen hat, hat es insoweit jedoch darauf verwiesen, dass seine Anwendung
jedenfalls nicht systemwidrig erscheine. Dahingestellt lassen möchte das
Berufungsgericht auch, ob der Anspruch verschuldensunabhängig ausgestaltet ist,
wobei schon die systematische Auslegung dafür spricht, weil nur in Abs. 1 des § 15
AGG über den Ersatz materieller Schäden im Wortlaut das Verschuldenserfordernis
formuliert ist, nicht hingegen in Abs. 2 des § 15 AGG über den Ersatz immaterieller
Schäden. Auch im Übrigen unterstellt das Berufungsgericht, dass die
Tatbestandsvoraussetzungen des § 15 Abs. 2 AGG erfüllt sind. Jedoch erscheint unter
dem Blickwinkel des Schadensausgleichs des Weiteren zu berücksichtigen, ob die
Persönlichkeitsrechtsverletzung bereits durch den materiellen Schadensersatz
ausgeglichen wurde. Bei der Entschädigungsbemessung sind weiter auch die Schwere
des Verstoßes sowie Folgen für den Arbeitnehmer und das Ausmaß des Verschuldens
zu berücksichtigen (für § 81 SGB X: BAG, Urteil vom 12.09.2006 - 9 AZR 807/05 - BAGE
119, 262 = AP Nr. 13 zu § 81 SGB IX) . Da im Streitfall eine materielle Einbuße durch
Bestandsschutzverlust nicht eingetreten ist, ist nach Dafürhalten des
Berufungsgerichts die Persönlichkeitsrechtsverletzung bereits durch den materiellen
Schadensersatz ausgeglichen. Des Weiteren berücksichtigt das Berufungsgericht bei
der Bemessung der Entschädigung auch das Ausmaß des Verschuldens der Beklagten.
Es ist hier nicht von einem Vorsatzfall auszugehen. Vielmehr war über Jahrzehnte in
der Rechtsprechung anerkannt, dass auch eine tätigkeitsneutrale Frage nach der
Schwerbehinderteneigenschaft zulässigerweise gestellt werden kann. Das
Berufungsgericht geht auch des Weiteren von der Richtigkeit der Einlassung der
Beklagten aus, dass nämlich nicht der Umstand dass die Klägerin anerkannte
Schwerbehinderte ist, sondern der Umstand dass sie eine Frage im
Personalfragebogen falsch beantwortet hat, der Grund für die Anfechtung und die
Kündigung des Arbeitsverhältnisses ist. Weitere Vertragspflichtverletzungen der
24
Beklagten diskriminierender Art sind substantiiert nicht vorgetragen. Die Beklagte hat
sich auf das beschränkt, was mit der sofortigen Beendigung eines Arbeitsverhältnisses
durch Anfechtungserklärung und außerordentliche Kündigung einhergeht.
50
Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.
51
Die Zulassung der Revision folgt aus § 72 Abs. 2 Ziffer 1 ArbGG wegen
grundsätzlicher Bedeutung der hier entschiedenen Rechtsfragen.
Quelle: Juris GmbH
25
Geschlechtsspezifische Benachteiligung wegen Schwangerschaft bei
einer Stellenbesetzung (BAG, Urteil vom 27.1.11, Az: 8 AZR 483/09)
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg
vom 12. Februar 2009 - 2 Sa 2070/08 - aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des
Revisionsverfahrens - an eine andere Kammer des Landesarbeitsgerichts zurückverwiesen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über einen Entschädigungsanspruch der Klägerin
geschlechtsspezifischer Benachteiligung bei einer Beförderungsentscheidung.
wegen
Die Klägerin war seit dem 1. April 2002 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin
beschäftigt, zuletzt als „Marketing Director International Division“ bei einer
Bruttomonatsvergütung von etwa 8.700,00 Euro.
Die Beklagte ist ein Unternehmen der Musikbranche, das im Jahr 2005 aufgrund eines Joint
Ventures zwischen der S und der B AG durch Verschmelzung der M GmbH und der R
GmbH entstanden ist. Die Klägerin arbeitete in dem Bereich „International Marketing“, dem
der Vizepräsident der Beklagten E vorstand. Sie war als „Director Pop“ Abteilungsleiterin.
In dem Bereich gab es außerdem zwei männliche Abteilungsleiter, die Mitarbeiter L und G.
Letztgenannter war vor dem Joint Venture bei der R GmbH beschäftigt. Zu dieser Zeit
vertrat die Klägerin den damaligen Bereichsleiter E in aller Regel allein. Nach dem Joint
Venture waren alle drei Abteilungsleiter jedenfalls fachlich im Rahmen ihrer
Aufgabengebiete zur Vertretung berechtigt. Der Klägerin war die Befugnis eingeräumt, bei
Abwesenheit des Herrn E Marketingpläne freizuschalten, was eine Budgetverantwortung
iHv. 150.000,00 Euro einschloss. Zeitlich später als der Klägerin wurde auch dem
Mitarbeiter G diese Befugnis eingeräumt.
Die Stelle des Bereichsvorstands „International Marketing“, welche nach Beförderung des
Herrn E zum „Senior Vice President Music Division“ frei geworden war und auf der Ebene
der Hauptabteilungsleiter angesiedelt ist, wurde im Herbst 2005 dem Mitarbeiter G
übertragen. Zu diesem Zeitpunkt war die Klägerin schwanger, was Herrn E und den
anderen für die Beförderungsentscheidung maßgeblichen Vorgesetzten bekannt war. Ihr war
die Beförderungsstelle jedenfalls auch - wie konkret ist streitig - in Aussicht gestellt worden,
ohne dass ihr mitgeteilt worden wäre, dass einer ihrer beiden männlichen Kollegen ebenfalls
als Nachfolger in Betracht komme oder dass bei der Beförderungsentscheidung
Proporzgesichtspunkte betreffend die ehemaligen Unternehmen S und B zu berücksichtigen
seien. Der frühere Bereichsleiter E teilte der Klägerin am 13. Oktober 2005 mit, dass nicht
sie, sondern der Mitarbeiter G zu seinem Nachfolger bestimmt worden sei. Am
14. Oktober 2005 fand ein weiteres Gespräch zwischen ihm und der Klägerin statt. Im
Rahmen dieser Gespräche äußerte Herr E gegenüber der Klägerin, diese solle sich auf ihr
Kind freuen.
Zum Zeitpunkt der Beförderungsentscheidung überwog der Frauenanteil an der
Gesamtbelegschaft der Beklagten. Die Positionen des Präsidenten und des Vizepräsidenten
waren zum Zeitpunkt der Beförderungsentscheidung jeweils mit einem Mann besetzt. Als
Hauptabteilungsleiter waren eine Frau und im Übrigen Männer tätig. Nach dem Vorbringen
26
der Klägerin gab es 10 Hauptabteilungsleiter.
Auf den insgesamt 17 Abteilungsleiterpositionen waren zum Zeitpunkt der
streitgegenständlichen Beförderung 12 Männer und 5 Frauen tätig, darunter die Klägerin.
Mit ihrer am 13. März 2006 beim Arbeitsgericht eingegangenen, der Beklagten am 22. März
2006 zugestellten Klage hat die Klägerin Entschädigung begehrt. Sie macht geltend, im
Hinblick auf ihr Geschlecht bei der Beförderungsentscheidung benachteiligt worden zu sein.
Bereits die Tatsache ihrer Schwangerschaft sei geeignet, eine überwiegende
Wahrscheinlichkeit für eine Benachteiligung bei der Stellenbesetzung wegen ihres
Geschlechts zu erbringen. Sie behauptet, Herr E habe ihr mehrfach mitgeteilt, dass sie seine
Nachfolgerin werde. Bei der Bekanntgabe, dass nicht sie, sondern der Mitarbeiter G
befördert werde, habe er ihr gegenüber geäußert, sie habe sich für die Familie entschieden
und solle sich auf ihr Kind freuen. Außerdem habe er gefragt, warum sie sich so aufrege;
immerhin sei sie noch in der „Job-Description“ enthalten, sonst würde man
wiederkehrenden Müttern geringerwertige Arbeiten zuweisen.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie eine angemessene, in das Ermessen des Gerichts
gestellte Entschädigung in Geld, mindestens jedoch 17.062,50 Euro nebst Zinsen
hieraus iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu
zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie ist der Ansicht, die Klägerin habe keine hinreichenden Indiztatsachen für eine
Benachteiligung wegen ihrer Schwangerschaft vorgetragen. Für die Beförderung des
Mitarbeiters G hätten seine erstklassigen Kundenkontakte und Proporzgesichtspunkte
betreffend den S-Unternehmensbereich und den Unternehmensbereich B gesprochen. Herr
E habe der Klägerin lediglich erklärt gehabt, dass sie eine Chance auf Beförderung habe.
Das Arbeitsgericht hat der Klage auf Entschädigung in Höhe des von der Klägerin
geforderten Mindestbetrags von 17.062,50 Euro nebst Zinsen stattgegeben. Auf die
Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht die Klage abgewiesen. Nach Zulassung
der Revision hat der Senat mit Urteil vom 24. April 2008 (- 8 AZR 257/07 -) das Urteil des
Landesarbeitsgerichts aufgehoben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und
Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Die Klägerin hat in der erneuten Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht ua. die Ansicht
vertreten, Indiz für die Diskriminierung wegen ihres Geschlechts sei auch die mangelnde
Repräsentation von Frauen in den Führungspositionen der Beklagten. Die tatsächliche
Besetzung der Führungspositionen mache deutlich, dass bei der Beklagten eine „gläserne
Decke“ bestehe, Frauen also ab einer bestimmten Hierarchiestufe keine Chance mehr
hätten, befördert zu werden.
Die Beklagte hat behauptet, die von der Klägerin dargelegten statistischen Daten könnten
keine Indizwirkung für deren geschlechtsbedingte Benachteiligung bei der
Beförderungsentscheidung entfalten.
Das Landesarbeitsgericht hat nach Beweiserhebung durch Vernehmung des Zeugen E und
Vernehmung der Klägerin als Partei die Klage erneut abgewiesen. Mit der vom Senat
zugelassenen Revision begehrt die Klägerin weiterhin die Wiederherstellung der
erstinstanzlichen Entscheidung, während die Beklagte die Zurückweisung der Revision
27
beantragt.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und
zur Zurückverweisung der Sache an eine andere Kammer des Landesarbeitsgerichts (§ 563
Abs. 1 ZPO iVm. § 72 Abs. 5 ArbGG).
A. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:
Die Klägerin habe keinen Entschädigungsanspruch gegen die Beklagte, weil sie keine
ausreichenden Indiztatsachen für eine geschlechtsspezifische Benachteiligung vorgetragen
habe. Hierfür reiche es weder aus, dass sie zum Zeitpunkt der Beförderungsentscheidung
schwanger war noch dass sie Abwesenheitsvertreterin des Herrn E war oder dass dieser
bei ihr den Eindruck erweckt habe, als seine Nachfolgerin vorgesehen zu sein. Selbst wenn
man ihr die Beförderung konkret in Aussicht gestellt haben sollte, würde hierdurch die
Beförderungsentscheidung nicht präjudiziert. Die Bemerkung des „Senior Vice President“ E,
die Klägerin solle sich auf ihr Kind freuen, sei dahingehend zu würdigen, dass dieser sie
lediglich habe trösten wollen. Bei einer anderen Bewertung wäre jedes persönliche
Gespräch zwischen Vorgesetztem und Mitarbeiter unmöglich. Die behauptete Bemerkung
des Herrn E über die Behandlung wiederkehrender Mütter habe sich in der
Beweisaufnahme nicht bestätigt. Die Begründung der Auswahlentscheidung durch die
Beklagte mit Proporzgesichtspunkten erst im Laufe des Rechtsstreits sei nicht als Indiz zu
werten, weil der Arbeitgeber nicht verpflichtet sei, nicht berücksichtigte Bewerber über die
Gründe ihrer Ablehnung zu informieren. Den von der Klägerin angeführten statistischen
Daten zur mangelnden Repräsentation von Frauen auf Führungsebenen komme keine
Indizwirkung zu, weil sich eine solche nur aus dem Zahlenverhältnis von Bewerbungen
beider Geschlechter einerseits und deren Berücksichtigung andererseits ergeben könne.
Die Gesamtbetrachtung der von der Klägerin vorgebrachten Hilfstatsachen erbringe keine
Vermutung für eine geschlechtsspezifische Benachteiligung, weil es am inneren
Zusammenhang der jeweils für sich allein keine Vermutung begründenden Umstände fehle,
da diese unterschiedliche Teilbereiche des Vorgangs beträfen. Die angebliche auf die „JobDescription“ bezogene Äußerung des Herrn E könnte, auch wenn sie so gefallen sein sollte,
nicht im Rahmen einer Gesamtbetrachtung unterstützend für eine Indizwirkung
herangezogen werden, weil gerade der Klägerin unstreitig keine schlechtere Position habe
zugewiesen werden sollen.
B. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung
nicht stand.
I. Die Revision ist begründet. Die Würdigung des Berufungsgerichts, die von der Klägerin
vorgetragenen Hilfstatsachen lösten die Vermutungswirkung des § 611a Abs. 1 Satz 3 BGB
in der bis 17. August 2006 geltenden Fassung (im Folgenden: § 611a BGB aF) nicht aus,
verstößt gegen § 563 Abs. 2 ZPO und gegen § 286 Abs. 1 ZPO.
II. Ob die Klage begründet ist, kann der Senat nicht abschließend entscheiden, weil die
Sache noch nicht zur Entscheidung reif ist, § 563 Abs. 3 ZPO.
Die Begründung, mit der das Landesarbeitsgericht einen Entschädigungsanspruch der
Klägerin gem. § 611a Abs. 2 und 5 BGB aF verneint hat, ist rechtsfehlerhaft.
1. Zutreffend beurteilt das Landesarbeitsgericht den geltend gemachten, auf einer möglichen
Benachteiligungshandlung im Herbst 2005 gründenden Entschädigungsanspruch nach § 611a
BGB aF. Gem. § 33 AGG ist diese Vorschrift weiterhin maßgeblich für mögliche
28
Benachteiligungen des Beschäftigten wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes, die
zeitlich vor dem Inkrafttreten des Gesetzes am 18. August 2006 stattgefunden haben.
2. Die Ausschlussfristen der § 611a Abs. 4 Satz 3 BGB aF und § 61b Abs. 1 ArbGG in der
bis zum 17. August 2006 geltenden Fassung sind eingehalten (vgl. Senat 24. April 2008 8 AZR 257/07 - AP AGG § 33 Nr. 2 = EzA BGB 2002 § 611a Nr. 6).
3. Hinsichtlich eines Verstoßes gegen das in § 611a Abs. 1 BGB aF geregelte
Diskriminierungsverbot ist das Berufungsgericht im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen,
dass die Klägerin als Arbeitnehmerin von der Beklagten als Arbeitgeberin gegenüber dem
Mitarbeiter G bei ihrem beruflichen Aufstieg benachteiligt wurde, indem diesem als
Nachfolger von Herrn E die gegenüber der Abteilungsleiterposition höherwertige Position
des Bereichsvorstands „International Marketing“ übertragen wurde.
4. Ebenfalls zutreffend geht das Berufungsgericht mit der vorausgegangenen Entscheidung
des Senats (24. April 2008 - 8 AZR 257/07 - AP AGG § 33 Nr. 2 = EzA BGB 2002 § 611a
Nr. 6) davon aus, dass es für die Benachteiligung des Anspruchstellers wegen seines
Geschlechts ausreicht, wenn in einem Motivbündel, das die Entscheidung beeinflusst hat, das
Geschlecht als Kriterium enthalten gewesen ist. Die Revision rügt aber zu Recht, das
Landesarbeitsgericht habe rechtsfehlerhaft angenommen, der Klägerin sei es nicht gelungen,
Hilfstatsachen darzulegen und unter Beweis zu stellen, die eine solche Mitursächlichkeit
vermuten lassen.
a) Die zweistufige Regelung des § 611a Abs. 1 Satz 3 BGB aF lässt die Beweislastverteilung
unberührt, senkt aber das Beweismaß dahingehend, dass der klagende Arbeitnehmer
lediglich Tatsachen vortragen muss, die eine Benachteiligung wegen des Geschlechts als
überwiegend wahrscheinlich erscheinen lassen (vgl. Senat 5. Februar 2004 - 8 AZR 112/03 BAGE 109, 265 = AP BGB § 611a Nr. 23 = EzA BGB 2002 § 611a Nr. 3). Solche
Vermutungstatsachen können in Äußerungen des Arbeitgebers bzw. anderen
Verfahrenshandlungen begründet sein, welche die Annahme einer Benachteiligung wegen
des Geschlechts nahe legen (Senat 5. Februar 2004 - 8 AZR 112/03 - aaO). Werden vom
Arbeitnehmer Hilfstatsachen vorgetragen, die für sich genommen nicht zur Begründung der
Vermutungswirkung ausreichen, ist vom Tatrichter eine Gesamtbetrachtung dahingehend
vorzunehmen, ob die Hilfstatsachen im Zusammenhang gesehen geeignet sind, die
Vermutungswirkung zu begründen (Senat 24. April 2008 - 8 AZR 257/07 - AP AGG § 33 Nr. 2
= EzA BGB 2002 § 611a Nr. 6).
b) Die durch das Berufungsgericht vorgenommene Würdigung, die Vermutungswirkung sei
durch den Vortrag der Klägerin nicht ausgelöst, ist revisionsrechtlich nur beschränkt
überprüfbar. Ob der Anspruchsteller der durch § 611a Abs. 1 Satz 3 BGB aF modifizierten
Darlegungslast genügt hat, unterliegt ebenso der freien Überzeugung des Tatsachengerichts
nach § 286 Abs. 1 ZPO wie dies hinsichtlich der Erbringung des „Vollbeweises“ durch die
darlegungs- und beweispflichtige Partei der Fall ist. Eine vom Berufungsgericht gem. § 286
Abs. 1 ZPO vorgenommene Würdigung ist revisionsrechtlich nur darauf überprüfbar, ob sie
möglich und in sich widerspruchsfrei ist, gegen Denkgesetze, Erfahrungssätze oder andere
Rechtssätze verstößt und ob alle vernünftigerweise in Betracht kommenden Umstände in
sich widerspruchsfrei beachtet worden sind (Senat 24. April 2008 - 8 AZR 257/07 - AP AGG
§ 33 Nr. 2 = EzA BGB 2002 § 611a Nr. 6).
c) Diesem eingeschränkten Überprüfungsmaßstab hält die Würdigung des Berufungsgerichts
nicht stand.
aa) Nicht zu beanstanden ist die Annahme des Berufungsgerichts, aus dem von der Klägerin
vorgetragenen Zahlenmaterial ergäben sich keine Indizien dafür, dass ihre Beförderung
29
wegen ihres Geschlechts unterblieben ist.
Aus Statistiken können sich grundsätzlich Indizien für eine Geschlechtsdiskriminierung
ergeben (zu § 22 AGG: Senat 22. Juli 2010 - 8 AZR 1012/08 - NZA 2011, 93). Ausreichend
sind auf der ersten Stufe des § 611a Abs. 1 Satz 3 BGB aF Indizien, die aus einem regelhaft
einem Geschlecht gegenüber geübten Verhalten auf eine geschlechtsspezifisch (mit)motivierte Entscheidung schließen lassen. Eine Vermutung für ein derart regelhaft Frauen
benachteiligendes Verhalten kann sich aus statistischen Daten aber nur dann ergeben, wenn
sie sich konkret auf den betreffenden Arbeitgeber beziehen und im Hinblick auf dessen
Verhalten einem Geschlecht gegenüber aussagekräftig sind. Gegen die Berücksichtigung von
Statistiken spricht nicht, dass damit möglicherweise von in der Vergangenheit erfolgten
Diskriminierungen auf die Gegenwart geschlossen wird. Ein regelhaft dem Geschlecht
gegenüber geübtes Verhalten kann nämlich gerade nur durch die Betrachtung der
Vergangenheit ausgemacht werden (vgl. Senat 22. Juli 2010 - 8 AZR 1012/08 - aaO).
Zulässigerweise hat das Berufungsgericht weder das zahlenmäßige Geschlechterverhältnis in
der Belegschaft der Beklagten einerseits und auf den Führungsebenen andererseits noch das
zahlenmäßige Geschlechterverhältnis auf der Abteilungsleiterebene einerseits und der
Hauptabteilungsleiterebene andererseits noch das Absinken des Frauenanteils ab der Ebene
der Abteilungsleiter als Indiz für die geschlechtsbezogene Benachteiligung der Klägerin
gewertet. Die dargelegten Zahlen indizieren keine so genannte „gläserne Decke“ zwischen
der Hierarchieebene der Abteilungsleiter und der der Hauptabteilungsleiter und lassen auch
kein generell frauenfeindliches Klima bei der Beklagten vermuten. Der Schluss auf eine
regelhafte Nichtberücksichtigung von Frauen bei Beförderungsentscheidungen ab einer
bestimmten Ebene setzt zwar nicht, wie das Berufungsgericht annimmt, voraus, dass die
Bewerbersituation bei den einzelnen Beförderungsentscheidungen dargelegt wird. Eine
Benachteiligung kann nämlich auch bereits in der Gestaltung des Auswahlverfahrens liegen
(Senat 22. Juli 2010 - 8 AZR 1012/08 - NZA 2011, 93). Gerade, wenn wie hier mangels
Ausschreibung gar kein Bewerbungsverfahren durchgeführt worden ist, ist die Gefahr
diskriminierender Entscheidungen mangels Transparenz besonders hoch. Darüber, ob im
Sinne einer „gläsernen Decke“ bei der Beklagten regelhaft der Aufstieg von Frauen in
bestimmte Führungspositionen verhindert wurde, kann jedoch nur die statistische
Betrachtung der Beförderungspolitik bzgl. derjenigen Ebenen Aufschluss geben, zwischen
denen die gläserne Decke vermutet wird. Um nämlich beurteilen zu können, ob signifikant
weniger Frauen als Männer die Hierarchiestufe oberhalb einer angenommenen „gläsernen
Decke“ erreichen, muss festgestellt werden, wie viele Frauen unterhalb dieser angekommen
sind. Hierüber sagt der Anteil von Frauen an der Gesamtbelegschaft nichts aus (Senat 22. Juli
2010 - 8 AZR 1012/08 - aaO).
Auch der Vergleich des aktuellen Frauenanteils auf der Ebene der Abteilungsleiter einerseits
und der Hauptabteilungsleiter andererseits ergibt nicht, dass zwischen beiden Ebenen
regelhaft der Aufstieg von Frauen verhindert wird. Dabei weist das Berufungsgericht
zutreffend darauf hin, dass vorliegend das Zahlenverhältnis schon nicht signifikant ist. Einem
Frauenanteil von 10 % bei den Hauptabteilungsleitern (bei angenommenen zehn Stellen auf
dieser Ebene) steht ein Frauenanteil von 29,4 % auf der Ebene der Abteilungsleiter
gegenüber. Bereits die Beförderung der Klägerin bei Nachrücken eines Mannes führte dazu,
dass der Frauenanteil auf der Hauptabteilungsleiterebene dem auf der Abteilungsleiterebene
fast entspräche. Außerdem ist unklar, von welchen Abteilungsleiterpositionen tatsächlich
eine Beförderung zur Hauptabteilungsleiterin denkbar ist, ob also überhaupt für die
Hauptabteilungsleiterstellen ein Reservoire von 17 Abteilungsleiterstellen existiert und wie
lange die jeweiligen Frauen bereits Abteilungsleiterpositionen inne haben.
Dementsprechend bildet auch das Absinken des Frauenanteils oberhalb der Ebene der
30
Abteilungsleiter kein Indiz für eine „gläserne Decke“. Die Besetzung der Position des
Präsidenten und des Vizepräsidenten mit jeweils einem Mann hat, worauf das
Berufungsgericht zu Recht hinweist, keinerlei statistische Signifikanz.
Die fehlende Repräsentation von Frauen auf der Führungsebene entsprechend ihrem Anteil
an der Gesamtbelegschaft lässt auch entgegen der Revision nicht auf allgemein in Bezug auf
Frauen aufstiegsfeindliche und damit diskriminierende Strukturen, Denk- oder
Verhaltensweisen bei der Beklagten schließen. Zum einen müsste hierfür feststehen, welche
Beförderungspositionen bei der Beklagten existierten und existieren, von welchen
Positionen eine Beförderung denkbar ist und wie sich der Frauenanteil bezogen auf diese
darstellt. Es ist nämlich nicht zwingend, dass für jede von Frauen besetzte Position
überhaupt eine Beförderungsmöglichkeit auf eine höhere Ebene besteht. Aber selbst unter
der Prämisse, es existiere tatsächlich ein größeres Reservoire für die Beförderung von
Frauen als für die von Männern, ergibt sich nichts Abweichendes. Statistiken über die
Geschlechterverteilung in Gesamtbelegschaft und auf Führungsebenen sind nur
Momentaufnahmen, die keine Aussage etwa über die Betriebszugehörigkeitsdauer der
Geschlechter treffen. Auch die bloße Abbildung (diskriminierender) gesellschaftlicher
Verhältnisse im Unternehmen stellt keine rechtlich relevante Diskriminierung dar. Ein
Arbeitgeber ist nämlich nicht in der Lage, geschweige denn verpflichtet, gesellschaftliche
Gegebenheiten, die der Erwerbstätigkeit und/oder dem beruflichen Aufstieg von Frauen
entgegenstehen, durch seine Personalpolitik auszugleichen. Es entspricht allgemeiner
Lebenserfahrung, dass ein beruflicher Aufstieg häufig eine nicht unerhebliche Flexibilität
voraussetzt
(zB Bereitschaft zur Leistung von Überstunden, Teilnahme an
Fortbildungsmaßnahmen
und
Tagungen,
Durchführung
von
Dienstreisen
und
Versetzungsbereitschaft an andere Standorte), welche sich mit der häufig von Frauen
ausschließlich oder überwiegend wahrgenommenen Kindererziehung nicht oder nur
schlecht vereinbaren lässt. Auch wirken sich längere Unterbrechungen der Erwerbstätigkeit
wegen Arbeitsfreistellungen infolge von Schwangerschaft, Mutterschutz und (bislang
überwiegend von Frauen in Anspruch genommener) Elternzeit negativ auf die Chancen zum
beruflichen Aufstieg aus, obwohl der Arbeitsplatz als solcher während dieser Zeiten der
Arbeitnehmerin grundsätzlich garantiert ist. Dabei müssen Aufstiegsvoraussetzungen bzw. hindernisse durchaus nicht ihrerseits immer verbotene Diskriminierungen von
Arbeitnehmerinnen darstellen. Häufig können diese sogar durch sachliche Gründe iSd.
§ 611a Abs. 1 Satz 3 BGB aF gerechtfertigt sein (vgl. Senat 22. Juli 2010 - 8 AZR 1012/08 NZA 2011, 93).
bb) Ebenfalls frei von Rechtsfehlern ist die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, allein die
Kenntnis von der Schwangerschaft der Klägerin begründe keine Vermutung der
Benachteiligung der Klägerin durch die Beklagte wegen des Geschlechts. Zwar liegt eine
unmittelbare geschlechtsbezogene Benachteiligung bei richtlinienkonformer Auslegung des
§ 611a BGB aF auch dann vor, wenn negativ auf Auswahlkriterien abgestellt wird, die
ausschließlich von den Angehörigen eines Geschlechts erfüllt werden können, wie dies bei
der Schwangerschaft der Fall ist. Dies stellt nunmehr § 3 Abs. 1 Satz 2 AGG ausdrücklich
klar. Der Senat hat bereits im Rahmen des vorliegenden Rechtsstreits in seinem
vorangegangenen Urteil vom 24. April 2008 (- 8 AZR 257/07 - AP AGG § 33 Nr. 2 = EzA BGB
2002 § 611a Nr. 6) darauf hingewiesen, dass allein die Kenntnis des Arbeitgebers von der
Schwangerschaft der Klägerin zum Zeitpunkt der Personalentscheidung die
Vermutungswirkung des § 611a Abs. 1 Satz 3 BGB aF nicht auslöst.
Auch die Wertung des Berufungsgerichts, es führe für sich genommen nicht zu der
Vermutung einer geschlechtsbezogenen Benachteiligung, dass die Beklagte erstmals im
Rahmen des vorliegenden Rechtsstreits die Beförderung des Mitarbeiters G mit
31
Proporzgesichtspunkten begründet habe, lässt weder einen revisionsrechtlich relevanten
Verstoß gegen § 286 ZPO erkennen noch verletzt diese Wertung § 563 Abs. 2 ZPO. Der
Senat hat in der aufhebenden Entscheidung vom 24. April 2008 lediglich ausgeführt, das
Berufungsgericht hätte dieser Behauptung nachgehen und prüfen müssen, ob hieraus die
Vermutungswirkung des § 611a Abs. 1 Satz 3 BGB aF folge. Dieser Vorgabe des Senats ist
das Berufungsgericht mit revisionsrechtlich nicht zu beanstandendem Ergebnis gefolgt.
cc) Die vom Berufungsgericht im Rahmen des § 611a Abs. 1 Satz 3 BGB aF vorzunehmende
Gesamtbewertung aller Umstände (Senat 24. April 2008 - 8 AZR 257/07 - AP AGG § 33 Nr. 2
= EzA BGB 2002 § 611a Nr. 6) hält der revisionsrechtlichen Überprüfung jedoch nicht stand.
Die berufungsrichterliche Würdigung, der Hinweis des Zeugen E im Rahmen der
Bekanntgabe der „schon längst getroffenen Beförderungsentscheidung“ an die Klägerin,
diese solle sich auf ihr Kind freuen, könne keine Indizwirkung dafür entfalten, dass die
Entscheidung etwas mit ihrer Schwangerschaft zu tun habe, verstößt gegen die
Bindungswirkung des § 563 Abs. 2 ZPO. Die Ausführungen des Berufungsgerichts sind
dahingehend zu verstehen, dass es dieser Äußerung keinerlei Indizwirkung beimisst, sie also
als geschlechtsneutral betrachtet. Der Senat hat zwar in seiner aufhebenden Entscheidung
nicht die Würdigung des Berufungsgerichts beanstandet, diese Äußerung habe ein
Trostpflaster sein sollen und keine Erklärung für die getroffene Personalentscheidung,
weshalb sich nicht schon aus ihr allein die Vermutung einer geschlechtsbezogenen
Benachteiligung ergebe. Er hat aber darin einen Verstoß gegen § 286 Abs. 1 ZPO gesehen,
dass das Berufungsgericht die Äußerung nicht im Rahmen einer Gesamtbetrachtung in seine
Würdigung miteinbezogen hat. Damit hat der Senat seiner Entscheidung für das
Landesarbeitsgericht bindend (§ 563 Abs. 2 ZPO) zugrunde gelegt, dass es sich nicht um eine
geschlechtsneutrale Bemerkung gehandelt hat. Dem widerspricht es, wenn das
Berufungsgericht der Äußerung jegliche Indizwirkung abspricht. Zudem ist die Würdigung
des Berufungsgerichts nicht frei von Denkfehlern, weil auch tröstende Worte nach der
Beförderungsentscheidung Hinweise auf deren Motive geben können, wenn sie nämlich auf
diskriminierende Vorverständnisse des Entscheidungsträgers schließen lassen. Der Senat hat
in der aufhebenden Entscheidung ausdrücklich ausgeführt, eine Äußerung, die auf eine im
Unternehmen der Beklagten übliche Frauendiskriminierung hinweise, könne die Vermutung
der gesetzeswidrigen Benachteiligung der Klägerin aufgrund ihrer Schwangerschaft
begründen. Die Nichtbeachtung des § 563 Abs. 2 ZPO durch das Berufungsgericht war
ohne Rücksicht auf eine Revisionsrüge von Amts wegen zu berücksichtigten (zu § 565 Abs. 2
ZPO idF bis 31. Dezember 2001: BGH 23. Juni 1992 - XI ZR 227/91 - NJW 1992, 2831).
dd) Ebenfalls gegen § 563 Abs. 2 ZPO und gegen § 286 Abs. 1 ZPO verstößt die Würdigung
des Berufungsgerichts, es könne - das diesbezügliche Vorbringen der Klägerin als zutreffend
unterstellt - keine Indizwirkung entfalten, dass die Klägerin Abwesenheitsvertreterin des
Herrn E war und wenn ihr gegenüber der Eindruck erweckt worden sei, sie sei als dessen
Nachfolgerin vorgesehen. Der Senat hat in der aufhebenden Entscheidung ausdrücklich
festgestellt, es sei nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht dies nicht als
ausreichendes Indiz gewertet habe, dass es das Vorbringen der Klägerin aber im Rahmen
der erforderlichen Gesamtschau hätte berücksichtigen müssen. Damit hat er seiner
Entscheidung bindend iSd. § 563 Abs. 2 ZPO zugrunde gelegt, dass der Tatsache der
Abwesenheitsvertretung eine - wenn auch allein nicht ausreichende - Indizwirkung
zukommt. Er hat weiter bindend festgestellt, dass das behauptete konkrete Inaussichtstellen
der Nachfolge ein im Rahmen der Gesamtschau zu würdigendes Indiz darstellt. Das
Berufungsgericht führt im Widerspruch hierzu aus, der Arbeitgeber sei bis zur Grenze der
Willkür auch bei weitreichenden Zusagen in seiner späteren Personalentscheidung frei und
verneint mit diesem Argument letztlich jegliche Indizwirkung. Dies verstößt gleichzeitig
32
gegen § 286 Abs. 1 ZPO. Für die Frage der Vermutungswirkung des § 611a Abs. 1 Satz 3
BGB aF kommt es nämlich nicht darauf an, ob der Arbeitgeber sich mit seiner Ankündigung
einer (möglichen) Beförderung im Sinne einer rechtsgeschäftlichen Zusicherung gebunden
hat. Vielmehr ist entscheidend, ob eine von der ursprünglichen Planung abweichende
Personalentscheidung bei Schwangerschaft der für die Beförderungsstelle ursprünglich
vorgesehenen Arbeitnehmerin die Vermutung für deren geschlechtsspezifische
Benachteiligung, gegebenenfalls in Zusammenschau mit anderen Indizien, begründet.
ee) Schließlich verstößt es gegen § 563 Abs. 2 ZPO und gegen § 286 Abs. 1 ZPO, wenn das
Berufungsgericht zwar im Rahmen des § 611a Abs. 1 Satz 3 BGB aF eine
Gesamtbetrachtung der vorgebrachten Indizien für notwendig hält, jedoch dabei für die
Annahme von Indizien für eine geschlechtsspezifische Benachteiligung zur Voraussetzung
macht, dass den „vorgebrachten Argumenten“ ein „roter Faden“ inne wohnen müsse.
Diesen verneint das Landesarbeitsgericht, weil die „herangezogenen Umstände“ jeweils
andere „Teilbereiche“ des gesamten Vorgangs beträfen. Dies widerspricht der bindenden
rechtlichen Beurteilung des Senats, wonach alle von der Klägerin glaubhaft gemachten
Tatsachen zu berücksichtigen sind und zwar insbesondere ihre Funktion als
Abwesenheitsvertreterin, die Behauptung, ihr sei konkret die Nachfolge in Aussicht gestellt
worden, die Äußerung des Herrn E, sie solle sich auf ihr Kind freuen und gegebenenfalls
dessen streitige Äußerung darüber, wie ansonsten bei der Beklagten mit Müttern verfahren
werde. Damit hat der Senat gerade nicht zur Bedingung gemacht, dass die für die
Glaubhaftmachung einer Benachteiligung vorgetragenen Tatsachen denselben Bereich
betreffen müssen.
Sinn der Gesamtbetrachtung ist, Indizien, die für sich genommen den Tatrichter nicht von
der überwiegenden Wahrscheinlichkeit geschlechtsdiskriminierender Motive überzeugen
konnten, darauf zu überprüfen, ob sie in der Gesamtschau eine entsprechende Überzeugung
erbringen. Aus welchen Bereichen diese Indizien stammen, ist hierfür nicht von Bedeutung.
Gerade wenn die Vermutung im konkreten Fall mit einer diskriminierenden Grundhaltung
des Arbeitgebers begründet wird, ist dem immanent, dass die einzelnen Umstände aus
verschiedenen Teilbereichen stammen und sich weder zeitgleich ereignen noch von
denselben Personen gesetzt worden sind. Der innere Zusammenhang der vorgebrachten
Tatsachen ist nicht Voraussetzung der Vermutung einer gesetzwidrigen Benachteiligung.
Vielmehr kann sich gerade erst aus diesen Tatsachen eine „Benachteiligungskultur“ im
Unternehmen ergeben.
5. Der Senat kann nicht selbst in der Sache entscheiden, § 563 Abs. 3 ZPO. Zum einen darf
er seine Würdigung der vorgebrachten Indizien für eine Benachteiligung der Klägerin nach
§ 286 ZPO nicht an die Stelle der Würdigung des Tatsachengerichts setzen. Zum anderen
könnte der Beklagten entsprechend ihrer diesbezüglichen Darlegungs- und Beweislast
(§ 611a Abs. 1 Satz 3 BGB aF) der Nachweis gelingen, dass ausschließlich nicht auf die
Schwangerschaft der Klägerin bezogene sachliche Gründe ihre Auswahlentscheidung
gerechtfertigt haben, wenn das Berufungsgericht von einer Vermutung für eine
geschlechtsspezifische Benachteiligung der Klägerin ausgehen sollte.
Sofern das Landesarbeitsgericht dem Grunde nach einen Entschädigungsanspruch der
Klägerin gegen die Beklagte bejaht, wird es auch über die Höhe dieses Anspruchs zu
befinden haben, wobei die Obergrenze im Hinblick darauf, dass die Klägerin gegen das
Urteil des Arbeitsgerichts Berlin keine Berufung eingelegt hat, bei dem dort ausgeurteilten
Betrag liegt.
C. Wegen des Erfordernisses einer einheitlichen Kostenentscheidung war diese dem
Schlussurteil vorzubehalten. Dabei wird das Landesarbeitsgericht auch über die
33
Kostentragung für die Revision mitzuentscheiden haben.
Hauck
Böck
Hermann
Pauli
Quelle: Entscheidungsdatenbank des BAG
Breinlinger
34
(Unzulässige) Haushaltsbefristung bei der Bundesagentur für Arbeit
(BAG, Pressemitteilung Nr. 17/11 vom 9.3.11 (zu 7 AZR 728/09))
Die Bundesagentur für Arbeit kann die Befristung von Arbeitsverhältnissen nicht damit
rechtfertigen, ein von ihr aufgestellter Haushaltsplan sehe Haushaltsmittel für befristete
Arbeitsverträge vor. Sie kann sich nicht auf § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 des Teilzeit- und
Befristungsgesetzes (TzBfG) berufen. Das gebietet die verfassungskonforme Auslegung der
Vorschrift.
Nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG liegt ein sachlicher Grund für die Befristung eines
Arbeitsverhältnisses vor, wenn der Arbeitnehmer aus Haushaltsmitteln vergütet wird, die
haushaltsrechtlich für eine befristete Beschäftigung bestimmt sind, und er entsprechend
beschäftigt wird. Damit eröffnet der Gesetzgeber für den öffentlichen Dienst eine
Möglichkeit zur Befristung von Arbeitsverhältnissen, die der Privatwirtschaft nicht zur
Verfügung steht. Die damit verbundene Ungleichbehandlung der Arbeitnehmer in ihrem von
Art. 12 Abs. 1 GG gewährleisteten Bestandsschutz ist nicht mit dem Gleichheitssatz des Art.
3 Abs. 1 GG vereinbar, wenn das den Haushaltsplan aufstellende Organ und der Arbeitgeber
identisch sind. Das ist bei der Bundesagentur für Arbeit der Fall. Ihr Vorstand stellt den
Haushaltsplan auf und vertritt zugleich die Bundesagentur als Arbeitgeber. Bei
Anwendbarkeit des § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG könnte er daher durch die Ausgestaltung
des Haushaltsplans den Sachgrund für die Befristung der von ihm geschlossenen
Arbeitsverträge selbst schaffen. Für eine solche Privilegierung der Bundesagentur für Arbeit
in ihrer Doppelrolle als Haushaltsplangeber und Arbeitgeber gibt es keine hinreichende
sachliche Rechtfertigung.
Der Kläger hat sich gegen die Befristung seines Arbeitsverhältnisses zum 31. Dezember 2008
gewehrt. Die Bundesagentur für Arbeit hat sich zur Begründung der Befristung auf § 14 Abs.
1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG gestützt und sich darauf berufen, dass ihr Haushaltsplan für 2008
Haushaltsmittel für 5800 befristete Stellen vorsah und der Kläger aus diesen Mitteln vergütet
wurde.
Der Kläger hatte - wie bereits beim Landesarbeitsgericht - mit seiner Klage vor dem Siebten
Senat des Bundesarbeitsgerichts Erfolg. Die Befristung des Arbeitsverhältnisses war
unwirksam.
Bundesarbeitsgericht,
Urteil
vom
9.
März
2011
7
AZR
728/09
Vorinstanz: Hessisches Landesarbeitsgericht, Urteil vom 31. Juli 2009 - 3 Sa 1657/08 Der Siebte Senat hat mit denselben Erwägungen der Klage einer Arbeitnehmerin gegen die
Befristung ihres Arbeitsverhältnisses bei der Bundesagentur für Arbeit stattgegeben, die auf
den Haushaltsplan für 2007 gestützt wurde (- 7 AZR 47/10 -).
Quelle: Pressemitteilungen des BAG
35
Sachgrundlose Befristung und „Zuvor-Beschäftigung“
(BAG, Pressemitteilung Nr. 25/11 vom 6.4.11 (zu 7 AZR 716/09))
Der Möglichkeit, ein Arbeitsverhältnis ohne Sachgrund bis zu zwei Jahre zu befristen, steht
eine frühere Beschäftigung des Arbeitnehmers nicht entgegen, wenn diese mehr als drei
Jahre zurückliegt.
Nach § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG ist die Befristung eines Arbeitsvertrags ohne Vorliegen eines
sachlichen Grundes bis zur Dauer von zwei Jahren zulässig. Das gilt nach § 14 Abs. 2 Satz 2
TzBfG nicht, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein befristetes oder
unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat. Eine „Zuvor-Beschäftigung“ im Sinne dieser
Vorschrift liegt nicht vor, wenn ein früheres Arbeitsverhältnis mehr als drei Jahre
zurückliegt. Das ergibt die an ihrem Sinn und Zweck orientierte, verfassungskonforme
Auslegung der gesetzlichen Regelung. Diese soll zum einen Arbeitgebern ermöglichen, auf
schwankende Auftragslagen und wechselnde Marktbedingungen durch befristete
Einstellungen zu reagieren, und für Arbeitnehmer eine Brücke zur Dauerbeschäftigung
schaffen. Zum andern sollen durch das Verbot der „Zuvor-Beschäftigung“ Befristungsketten
und der Missbrauch befristeter Arbeitsverträge verhindert werden. Das Verbot kann
allerdings auch zu einem Einstellungshindernis werden. Seine Anwendung ist daher nur
insoweit gerechtfertigt, als dies zur Verhinderung von Befristungsketten erforderlich ist. Das
ist bei lange Zeit zurückliegenden früheren Beschäftigungen typischerweise nicht mehr der
Fall. Hier rechtfertigt der Gesetzeszweck die Beschränkung der Vertragsfreiheit der
Arbeitsvertragsparteien und die damit verbundene Einschränkung der Berufswahlfreiheit des
Arbeitnehmers nicht. Die Gefahr missbräuchlicher Befristungsketten besteht regelmäßig
nicht mehr, wenn zwischen dem Ende des früheren Arbeitsverhältnisses und dem
sachgrundlos befristeten neuen Arbeitsvertrag mehr als drei Jahre liegen. Dieser Zeitraum
entspricht auch der gesetzgeberischen Wertung, die in der regelmäßigen zivilrechtlichen
Verjährungsfrist zum Ausdruck kommt.
Die Klägerin war beim beklagten Freistaat aufgrund eines befristeten Arbeitsvertrags vom
1. August 2006 bis 31. Juli 2008 als Lehrerin beschäftigt. Während ihres Studiums hatte sie
vom 1. November 1999 bis 31. Januar 2000 insgesamt 50 Stunden als studentische Hilfskraft
für den Freistaat gearbeitet. Mit ihrer Klage hat sie sich gegen die Befristung ihres
Arbeitsverhältnisses gewandt.
Die Klage hatte vor dem Siebten Senat - ebenso wie schon in den Vorinstanzen - keinen
Erfolg. Die mehr als sechs Jahre zurückliegende frühere Beschäftigung der Klägerin stand der
sachgrundlosen Befristung ihres Arbeitsvertrags nicht entgegen.
Bundesarbeitsgericht,
Urteil
vom
6. April
2011
- 7 AZR
716/09 Vorinstanz: Sächsisches Landesarbeitsgericht, Urteil vom 15. September 2009 - 7 Sa 13/09 –
Quelle: Pressemitteilungen des BAG
36
Berücksichtigung von befristeten Arbeitsverhältnissen für die geforderte
Mindestbeschäftigungsdauer bei Beförderungsstellen
(BAG, Urteil vom 12.10.10, Az: 9 AZR 518/09)
Leitsätze
Es ist mit dem Leistungsgrundsatz nach Art. 33 Abs. 2 GG unvereinbar, wenn der öffentliche
Arbeitgeber bei der Entscheidung über die Besetzung von Beförderungsstellen
Beschäftigungszeiten, die im Rahmen von befristeten Arbeitsverträgen zurückgelegt wurden,
für die geforderte Mindestbeschäftigungsdauer nicht berücksichtigt.
Tenor
Die Revision des beklagten Landes gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf
vom 27. Mai 2009 - 12 Sa 299/09 - wird zurückgewiesen.
Das beklagte Land hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Teilnahme der Klägerin am Beförderungsverfahren um eine
Stelle der Entgeltgruppe 14 TV-L.
Die 1960 geborene Klägerin absolvierte beide Staatsprüfungen für das Lehramt der
Sekundarstufe II, Fächerkombination Deutsch/Geschichte. Sie war bei dem beklagten Land
zunächst vom 1. August 1999 bis zum 17. Juli 2002 unbefristet in Vollzeit als Lehrerin an
einer Gesamtschule beschäftigt. Nach einer Unterbrechungszeit arbeitete sie erneut ab dem
22. August 2005 als Lehrerin an einem Weiterbildungskolleg des beklagten Landes. Dabei
war das Arbeitsverhältnis mit zwei aufeinanderfolgenden Verträgen vertretungsbedingt
kalendermäßig befristet, zwischen dem 22. August 2005 und dem 31. Januar 2006 mit
verringertem Stundendeputat von 19 Unterrichtsstunden sowie anschließend bis zum
31. Oktober 2006 in Vollzeit. Seit dem 1. November 2006 ist das Arbeitsverhältnis
unbefristet. Die Klägerin erhält die Vergütung nach der Entgeltgruppe 13 TV-L. Eine
Übernahme in das Beamtenverhältnis zum 1. November 2006 war wegen Überschreitung
der Höchstaltersgrenze nicht möglich.
Nachdem die Schulleitung des B Kollegs im September 2007 bei der Bezirksregierung
Düsseldorf die Beförderungsfähigkeit seiner Lehrkräfte erfragt und die Antwort erhalten
hatte, dass ua. die Klägerin beförderungsfähig sei, bewarb sich diese - mit Schreiben vom
28. Januar 2008, dem beklagten Land am 31. Januar 2008 zugegangen - auf eine von zwei
ausgeschriebenen Stellen. Diese betreffen die Mitarbeit bei der Betreuung von Beratungsund Fördermaßnahmen am B Kolleg in W (Besoldungsgruppe A 14 BBesO/LBesO bzw.
Entgeltgruppe 14 TV-L) mit der laufbahnrechtlichen Voraussetzung 㤠10 LVO, analog
Erfüller“.
Als Bewerbungsschluss war der 18. Februar 2008 angegeben. In den Hinweisen „zur
Stellenausschreibung der Bezirksregierung Düsseldorf vom 07.01.2008 bis 18.02.2008 für
Planstellen bzw. Stellen der Bes.-Gr. A 14 BBesO bzw. Entg.-Gr. 14 TV-L“ heißt es ua.:
„5.
Alle Voraussetzungen für eine zulässige Bewerbung müssen spätestens am
37
letzten Tag der Bewerbungsfrist (hier: 18.02.2008) vorliegen. Dies gilt
insbesondere für die einjährige Wartefrist nach der Anstellung für eine
Bewerbung auf eine Stelle des 1. Beförderungsamtes.“
Am 11. März 2008 lehnte die Bezirksregierung Düsseldorf die Zulassung der Bewerbung mit
der Begründung ab, die Klägerin erfülle nicht die nötigen laufbahnrechtlichen
Anforderungen. Mit Schreiben vom 15. April 2008 erläuterte sie, es sei eine fiktive
Laufbahnnachzeichnung vorzunehmen und eine einjährige Beförderungssperre zu beachten.
Zu berücksichtigen sei nur die Beschäftigungszeit seit der letzten unbefristeten Einstellung
ab 1. November 2006. Auf der Grundlage dieses maßgeblichen Anstellungsbeginns sei trotz
Verkürzung der dreijährigen Anwärterprobezeit wegen bestandener Laufbahnprüfung mit
der Note „sehr gut“ und der weiteren Anrechnung von Vorbeschäftigungszeiten unter
Berücksichtigung der einjährigen Mindestdauer die Beförderungsreife erst zum
1. November 2008 und damit nach Ausschreibungsende eingetreten. Die der Schulleitung
erteilte anderslautende Auskunft beruhe auf einem Versehen.
Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, sie habe ein Recht auf chancengleiche Teilnahme am
Auswahlverfahren gemäß Art. 33 Abs. 2 GG. Die Bestenauslese dürfe bei Angestellten nicht
unter laufbahnrechtlichen Anforderungen erfolgen, wie sie etwa nach der Verordnung über
die Laufbahnen der Beamten im Lande Nordrhein-Westfalen idF vom 23. November 1995
(GV NRW 1996, 1; im Folgenden: LVO NRW) allein auf Beamte zugeschnitten sei. Es sei auch
fehlerhaft, befristete Einstellungen nicht mit Einstellungen im beamtenrechtlichen Sinn
gleichzusetzen.
Die Klägerin hat beantragt,
das beklagte Land zu verurteilen, die Klägerin in das Auswahlverfahren um die
ausgeschriebene Stelle einer Mitarbeiterin bei der Betreuung von Beratungs- und
Fördermaßnahmen am B Kolleg in W, Besoldungsgruppe A 14 Fn. 2 LBesO bzw.
Entgeltgruppe 14 TV-L mit einzubeziehen.
Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen. Es hat gemeint, dass aus Gründen
der Gleichbehandlung von angestellten und verbeamteten Bewerbern eine (fiktive)
Laufbahnnachzeichnung nach der LVO NRW stattfinden müsse. Dies entspreche der
Erlasslage bezüglich der Höhergruppierung von Angestellten. Mit Zeiten im
Beamtenverhältnis seien allein unbefristete Beschäftigungen vergleichbar. Befristete
Beschäftigungen gingen nämlich beiden Tätigkeitsformen in ähnlicher Weise voraus und
würden bereits durch Bonifizierungen in der Ordnungsgruppe berücksichtigt, die neben der
Fächerkombination für die spätere Verbeamtung maßgeblich sei. Zudem könnten befristete
Beschäftigungen nach laufbahnrechtlichen Vorgaben im Rahmen der Probezeitanrechnung
berücksichtigt werden.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung
des beklagten Landes zurückgewiesen. Das beklagte Land verfolgt seinen
Klageabweisungsantrag im Revisionsverfahren weiter. In der mündlichen Verhandlung vor
dem Senat haben die Parteien unstreitig gestellt, dass eine der beiden ausgeschriebenen
Stellen immer noch nicht besetzt ist.
Entscheidungsgründe
38
Die zulässige Revision des beklagten Landes ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat
die Berufung des beklagten Landes gegen das klagestattgebende Urteil des Arbeitsgerichts
zu Recht zurückgewiesen. Die Klägerin durfte nicht vom Bewerbungsverfahren für die
Besetzung der Beförderungsstelle ausgeschlossen werden.
A. Die zulässige Klage ist begründet.
I. Die Klage ist zulässig.
Sie ist hinreichend bestimmt. Gemäß § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO muss die Klageschrift die
bestimmte Angabe des Gegenstands und des Grundes des erhobenen Anspruchs sowie
einen bestimmten Antrag enthalten. Hiernach müssen der Streitgegenstand und der Umfang
der gerichtlichen Prüfung und Entscheidungsfindung klar bezeichnet sein (vgl. Senat
19. Februar 2008 - 9 AZR 70/07 - Rn. 16, BAGE 126, 26). Im Konkurrentenstreitverfahren
genügt das Begehren, das Auswahlverfahren um ein öffentliches Amt unter „Einbeziehung“
oder „Berücksichtigung“ der klagenden Partei ohne bestimmte Einstellungs- oder
Beförderungshindernisse vorzunehmen (vgl. Senat 7. September 2004 - 9 AZR 537/03 - zu A
der Gründe, BAGE 112, 13; 18. Januar 2001 - 9 AZR 410/00 - zu I der Gründe, BAGE 99, 67).
Das Vollstreckungsgericht kann bei einem solchen Antrag anhand des Urteilsspruchs und
der zur Auslegung heranzuziehenden Gründe beurteilen, ob der in Streit stehenden
Leistungspflicht iSd. § 888 ZPO genügt wurde (vgl. Senat 18. September 2001 - 9 AZR
410/00 - zu I der Gründe, aaO). Hinsichtlich der von der Klägerin erstrebten Einbeziehung in
das Auswahlverfahren gilt das gleichermaßen. Es kann im Vollstreckungsweg nachvollzogen
werden, ob eine Berücksichtigung wegen Erfüllung der fiktiven laufbahnrechtlichen
Beförderungsvoraussetzungen stattfand.
II. Die Vorinstanzen haben der Klage zu Recht stattgegeben. Die Klägerin hat entgegen der
Auffassung des beklagten Landes gemäß Art. 33 Abs. 2 GG Anspruch auf Teilnahme am
Bewerbungsverfahren für die noch zu besetzende Stelle. Zudem verstößt die Handhabung
des beklagten Landes, befristete Beschäftigungen laufbahnrechtlich nicht zu berücksichtigen,
gegen § 4 Abs. 2 Satz 3 TzBfG.
1. Die Klägerin hat gemäß Art. 33 Abs. 2 GG Anspruch auf Teilnahme am fortbestehenden
Bewerbungsverfahren.
a) Gemäß Art. 33 Abs. 2 GG hat jeder Deutsche nach seiner Eignung, Befähigung und
fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt. Jede Bewerbung muss nach
diesen Kriterien beurteilt werden (Senat 2. Dezember 1997 - 9 AZR 445/96 - Rn. 22,
BAGE 87, 165). Öffentliche Ämter in diesem Sinne sind nicht nur Beamtenstellen, sondern
auch solche Stellen, die von Arbeitnehmern besetzt werden können (Senat 19. Februar 2008
- 9 AZR 70/07 - Rn. 23, BAGE 126, 26; 18. September 2007 - 9 AZR 672/06 - Rn. 19, BAGE
124, 80). Verfassungsrechtlich ist ebenso der Zugang zu Beförderungsämtern geschützt (vgl.
Senat 24. März 2009 - 9 AZR 277/08 - Rn. 15, BAGE 130, 107). Beamte und Angestellte
haben nach Art. 33 Abs. 2 GG bei der Besetzung von Ämtern des öffentlichen Dienstes den
grundrechtsgleichen Anspruch auf sachgerechte und zeitnahe Entscheidung über ihre
Bewerbung. Dabei folgt aus der Festlegung der Kriterien Eignung, Befähigung und fachliche
Leistung in Art. 33 Abs. 2 GG ein subjektives Recht jedes Bewerbers auf chancengleiche
Teilnahme am Bewerbungsverfahren (7. September 2004 - 9 AZR 537/03 - zu B I 1 der
Gründe, BAGE 112, 13). Erweist sich die vom öffentlichen Arbeitgeber getroffene
Auswahlentscheidung vor dem Hintergrund dieser Kriterien als rechtsfehlerhaft und ist die
ausgeschriebene Stelle nicht schon besetzt oder das Auswahlverfahren rechtmäßig
abgebrochen, kann die Wiederholung der Auswahlentscheidung unter Beachtung der
gerichtlichen Vorgaben verlangt werden (vgl. Senat 24. März 2009 - 9 AZR 277/08 - Rn. 15,
39
17, BAGE 130, 107).
b) Das vorliegende Bewerbungsverfahren unterfällt dem Schutzbereich des Art. 33 Abs. 2
GG. Die zu besetzende Stelle ist ein öffentliches Amt gemäß Art. 33 Abs. 2 GG. Das
Verfahren betrifft ein Beförderungsamt in Gestalt der Mitarbeit bei der Betreuung von
Beratungs- und Fördermaßnahmen am B Kolleg, bemessen nach der Besoldungsgruppe
A 14/Entgeltgruppe 14 TV-L. Das Kolleg wird von dem beklagten Land als
Gebietskörperschaft des öffentlichen Rechts betrieben.
c) Die von dem beklagten Land getroffene Entscheidung, die Klägerin vom
Auswahlverfahren auszuschließen, widerspricht dem Leistungsgrundsatz aus Art. 33 Abs. 2
GG und verstößt gegen das Verbot der Diskriminierung aus § 4 Abs. 2 Satz 3 TzBfG.
aa) Grundsätzlich steht es dem öffentlichen Arbeitgeber frei, für die geschaffenen Stellen ein
Anforderungsprofil aufzustellen, dessen Erfüllung Voraussetzung für die Teilnahme am
Bewerbungsverfahren ist. Durch die Bestimmung eines Anforderungsprofils für einen
Dienstposten legt der Dienstherr die Kriterien für die Auswahl der Bewerber fest. Anhand
dieses Anforderungsprofils hat er dann festzustellen, welcher Bewerber diesem am besten
entspricht. Die rechtlichen Anforderungen an den öffentlichen Arbeitgeber entsprechen
denen, die er als Dienstherr anzuwenden hat, wenn sich (auch) Beamte um eine Stelle
bewerben (BAG 7. September 2004 - 9 AZR 537/03 - zu B I 1 der Gründe, BAGE 112, 13). Es
ist auch zulässig, dass der öffentliche Arbeitgeber in seinem Anforderungsprofil für eine
Stelle eine Mindestbeschäftigungsdauer für Bewerber fordert. Dies steht dann mit Art. 33
Abs. 2 GG im Einklang, wenn es zB einer sachgerechten Anwendung des
Leistungsgrundsatzes dient. Die Wartezeit, die mit dem Erfordernis einer
Mindestbeschäftigungszeit zwangsläufig verbunden ist, muss geeignet und erforderlich sein,
um eine zuverlässige Beurteilung des Leistungsvermögens und eine fundierte Prognose über
die voraussichtliche Bewährung des Bewerbers in einem höheren Amt zu ermöglichen
(Senat 15. März 2005 - 9 AZR 142/04 - zu III 2 b aa der Gründe, BAGE 114, 80).
bb) Das beklagte Land beruft sich vorliegend allein auf die nach seiner Auffassung gemäß
Art. 33 Abs. 2 GG gebotene „völlige Gleichstellung“ zwischen tarifbeschäftigten und
verbeamteten Bewerbern. Es kann vorliegend dahinstehen, ob die einjährige
Mindestprobezeit des § 39 Abs. 4 LVO NRW und die weitere einjährige
Beförderungssperre gemäß § 25 Abs. 2 Landesbeamtengesetz NRW idF vom 9. Oktober
2007 (LBG NRW aF) iVm. § 10 Abs. 2 Buchst. b LVO NRW im Hinblick auf den
Leistungsgrundsatz des Art. 33 Abs. 2 GG überhaupt zulässig sind (vgl. zur Zulässigkeit
BVerwG 28. Oktober 2004 - 2 C 23.03 - zu 1 und 2 der Gründe, BVerwGE 122, 147); denn die
Klägerin hat diese Wartezeiten zurückgelegt. Entgegen der Auffassung des beklagen Landes
ist nicht nur die Zeit der unbefristeten Beschäftigung ab dem 1. November 2006, sondern
auch die Zeit der befristeten Beschäftigung vom 22. August 2005 bis zum 31. Oktober 2006
auf die Erfüllung der Mindestprobezeit anzurechnen. Damit hat die Klägerin die verkürzte
einjährige Mindestprobezeit am 23. August 2006 und die sich daran anschließende
Wartezeit der weiteren einjährigen Beförderungssperre am 23. August 2007 erfüllt. Die in
den Hinweisen zur Stellenausschreibung unter Nr. 5 zum Stichtag 18. Februar 2008
verlangten Voraussetzungen für die Bewerbung lagen somit vor.
(1) Die vom beklagten Land vorgenommene Gleichstellung von angestellten mit
verbeamteten Bewerbern verkennt die rechtlichen Besonderheiten dieser unterschiedlichen
Rechtsverhältnisse. Im Beamtenverhältnis gibt es keine vergleichbaren befristeten
Beschäftigungsverhältnisse. Indem das beklagte Land befristete Beschäftigungen von
Angestellten für die Erfüllung der Laufbahnvoraussetzungen vollständig unberücksichtigt
lässt, legt sie für angestellte Bewerber weniger günstige Anforderungen zugrunde. Das steht
40
im Widerspruch zu dem in Art. 33 Abs. 2 GG enthaltenen Gebot des gleichen Zugangs zum
Amt für Angestellte und Beamte. Darin liegt eine Ungleichbehandlung zulasten der
angestellten Bewerber.
(2) Das beklagte Land zeigt keinen Grund auf, warum gerade im Übergang vom befristeten
zum unbefristeten Beschäftigungsverhältnis ein punktuelles Ereignis liegen sollte, das im
Hinblick auf Eignung, Befähigung und fachliche Leistung von Bedeutung ist. Die vom
beklagten Land gesetzte Erlasslage bezieht unterschiedslos alle „vom BAT erfassten“
Arbeitsverhältnisse von Lehrerinnen und Lehrern in die „Richtlinien für die dienstliche
Beurteilung“ ein (RdErl. des Ministeriums für Schule, Jugend und Kinder vom 2. Januar 2003 122-1 18.07.03-15026/02 - BASS 21-02 Nr. 2, Ziff. 6.2). Die Differenzierung ist auch nicht
mit dem Gesichtspunkt der laufbahnrechtlich verankerten Kontinuität zu rechtfertigen. Das
Laufbahnrecht strukturiert den beruflichen Werdegang allein vor dem Hintergrund
fortlaufend bekleidbarer Ämter, die im kontinuierlichen Karriereverlauf nach Stadien der
Einstellung, Anstellung, Beförderung, des Aufstiegs und des Wechsels von Laufbahnen
unterschieden sind (vgl. §§ 2, 12 LVO NRW). Berufsperspektivische Unterschiede, wie sie für
Angestellte in befristeten und unbefristeten Arbeitsverhältnissen bestehen, kennt das
beamtenbezogene Laufbahnrecht hingegen nicht. Indem das beklagte Land die
beamtenrechtlich selbstverständliche Kontinuität bei Angestellten in Phasen befristeter und
unbefristeter Anstellung aufteilt, vermengt es die angestellten- und beamtenrechtlichen
Berufsverläufe und überzeichnet damit zugleich den fiktiven beruflichen Werdegang der
Angestellten.
(3) Soweit das beklagte Land davon ausgeht, dass bei einer fiktiven Laufbahnnachzeichnung
grundsätzlich nur Beamte und (kalendermäßig) unbefristet Beschäftigte einander
gegenübergestellt werden dürften, misst es der befristeten Beschäftigung im Rahmen der
Bestenauslese den Wert eines zusätzlichen Differenzierungskriteriums bei. Das ist nicht
sachgerecht.
(a) Allein deshalb, weil eine Tätigkeit im (kalendermäßig) befristeten und nicht im
unbefristeten Arbeitsverhältnis ausgeführt wird, ist sie nicht automatisch im Hinblick auf die
Kriterien Eignung, Befähigung und fachliche Leistung schlechter oder weniger aussagekräftig.
Die vom Befristungsrecht ausgehenden Besonderheiten sind gemäß § 620 Abs. 1 und 3 BGB
iVm. § 15 TzBfG im Wesentlichen solche des Bestands- und nicht des Inhaltsschutzes. Die
konkreten Beschäftigungsbedingungen richten sich nach der Ausübung des
arbeitgeberseitigen Direktionsrechts, das für befristet Beschäftigte jedoch nicht grundlos
anders gehandhabt werden kann als für unbefristet Beschäftigte (§ 4 Abs. 2 TzBfG; vgl.
APS/Preis 3. Aufl. § 4 TzBfG Rn. 5). Das gilt umgekehrt auch für den Anspruch des
Arbeitnehmers auf vertragsgerechte Beschäftigung. Das beklagte Land sieht das letztlich
nicht anders. So wird der Klägerin die Anrechnung vorangegangener befristeter
Beschäftigungszeiten im Rahmen von § 52 und § 7 LVO NRW eröffnet. Das setzt nach § 39
Abs. 3 LVO NRW voraus, dass die Tätigkeit „nach Art und Bedeutung mindestens der
Tätigkeit in einem Amt der Laufbahn entsprochen hat“. Abweichendes dürfte auch nicht bei
typisierender Betrachtung der vom Landesarbeitsgericht nicht einzeln festgestellten
Beschäftigungsinhalte folgen. Die Lehrtätigkeit der Klägerin fand im befristeten wie im
unbefristeten Arbeitsverhältnis im Eingangsamt der Lehrerlaufbahn nach § 50 Abs. 1 Nr. 9
LVO NRW (Sekundarstufe II) statt und vermittelte typischerweise ein gleichförmiges
Erfahrungswissen durch Unterrichtsplanung, Unterrichtsgestaltung, fachliche Fundierung des
Unterrichts, allgemeines Interaktionsverhalten, Wertevermittlung und Hinwirken auf die
vorgegebenen Erziehungsziele (vgl. zu diesem Beschäftigungsinhalt im Rahmen fiktiver
Lehrerlaufbahnnachzeichnungen BAG 19. März 2003 - 7 AZR 334/02 - zu A II 2 b cc der Gründe,
BAGE 105, 329). Ein Unterschied zu Lehrkräften im unbefristeten Anstellungsverhältnis
41
besteht insoweit nicht.
(b) Der Vorhalt einer zeitweiligen Befristung der Beschäftigung wird auch nicht dadurch
sachlich gerechtfertigt, dass die Erlasslage eine Erfüllung der für entsprechende Lehrkräfte
im Beamtenverhältnis bestehenden notwendigen Voraussetzungen für eine Beförderung
verlangt (vgl. Ziff. 5.1 Var. 2, Ziff. 6.1 Var. 2, Ziff. 7.1 Var. 2 RdErl. des Kultusministeriums vom
16. November 1981 „Eingruppierung der im Tarifbeschäftigungsverhältnis beschäftigten
Lehrerinnen und Lehrer an allgemeinbildenden Schulen und Berufskollegs mit den fachlichen und
pädagogischen Voraussetzungen zur Übernahme in das Beamtenverhältnis“, GABl. NRW 1982
S. 5, BASS 21-21 Nr. 52 - sog. Erfüllererlass - … bzw. Ziff. 2.2 Satz 1 4. Spiegelstrich sowie
Ziff. 5.1 RdErl. des Kultusministeriums vom 2. Juli 1993 „Richtlinien zur Stellenausschreibung“,
GABl. NRW I S. 138, BASS 11-12 Nr. 1). Für die Auslegung ministerieller Erlasse ist der Wille
des Hoheitsträgers entscheidend, der sich aus dem Erlass samt der zugehörigen
Schriftstücke ergibt, wobei nicht am buchstäblichen Sinn einzelner Begriffe zu haften,
sondern auf den systematischen und teleologischen Zusammenhang abzustellen ist (vgl. BAG
5. Juli 2006 - 4 AZR 555/05 - Rn. 27, AP BAT §§ 22, 23 Lehrer Nr. 103; 18. Oktober 2000 10 AZR 568/99 - zu II B 2 a cc der Gründe, ZTR 2001, 226; 30. Mai 1990 - 4 AZR 40/90 - AP
BAT 1975 §§ 22, 23 Nr. 149; 6. September 1989 - 4 AZR 302/89 - ZTR 1990, 26). Die
Erfüllung laufbahnrechtlicher Erfordernisse kann vom Erlassgeber für angestellte Lehrkräfte
schon deshalb nicht im buchstäblichen Sinn des § 10 Abs. 2 LVO NRW gemeint sein, weil
angestellte Lehrkräfte keine „Anstellung“ iSv. § 24 LBG NRW aF und § 3 Abs. 2 LVO NRW
erfahren und auch kein „Amt“ im statusrechtlichen Sinn gemäß § 17 Abs. 1 LBG NRW aF
bzw. § 4 Abs. 1 LVO NRW bekleiden. Bei sinn- und zweckentsprechender Auslegung sowie
systematischer Betrachtung zielt das Erfordernis der Erfüllung laufbahnrechtlicher
Voraussetzungen vielmehr auf eine Parallelisierung der Werdegänge verbeamteter und nicht
verbeamteter Beförderungsbewerber, die ein gleichförmiges Gefüge von Vergütungs- und
Besoldungsgruppen nach Höhe und Abfolge sicherstellen wollen (vgl. Ziff. 1 bis 7 des sog.
Erfüllererlasses bzw. Ziff. 5.2 der „Richtlinien zur Stellenausschreibung“). Eine unterschiedliche
Behandlung von befristeten und unbefristeten Beschäftigungszeiten rechtfertigt das schon
deshalb nicht, weil diese beiden Beschäftigungsformen allein im Anstellungsverhältnis
vorkommen. Zudem spielt auch die etwaige Verfügbarkeit von Planstellen während der
Beschäftigung im Eingangsamt erlassrechtlich keine Rolle, denn der sog. Erfüllererlass setzt
die Verfügbarkeit von entsprechenden Planstellen nur für den zu besetzenden
Beförderungsdienstposten voraus. Sie hat für die Bewertung von Vordienstzeiten im
Eingangsamt bzw. der Eingangstätigkeit keine Bedeutung (vgl. Ziff. 5.1 Var. 2, Ziff. 6.1 Var. 2,
Ziff. 7.1 Var. 2). Im Übrigen lassen die Differenzierungsmerkmale des Art. 33 Abs. 2 GG
(Eignung, Befähigung, fachliche Leistung) keinen unterscheidenden Rückgriff auf fiskalische
oder schulpolitische Gesichtspunkte zu, aufgrund derer länger- bzw. kürzerfristige
Budgetierungen für durchgehend ausgeübte Beschäftigungen bestanden.
(c) Entgegen der Ansicht des beklagten Landes folgt aus der vollständigen Einbeziehung
befristeter Beschäftigungszeiten in die fiktive Laufbahnnachzeichnung auch keine
Besserstellung angestellter Beförderungsbewerber. Beamten- und Anstellungsverhältnisse
gehören unterschiedlichen Ordnungs- und Regelungsbereichen an, die eine vollständige
Gleichbehandlung ausschließen (vgl. näher Senat 15. November 2005 - 9 AZR 209/05 - zu II 5
der Gründe, AP BAT § 50 Nr. 18). Wie bereits dargelegt, gibt es für Beamte keine befristeten
Arbeitsverhältnissen entsprechende Gestaltungsmöglichkeiten.
(d) Entgegen der Ansicht der Revision folgt aus einer herangezogenen Entscheidung des
Landesarbeitsgerichts Hamm nichts anderes. Sie betraf eine andere Rechtsfrage. Das
Landesarbeitsgericht Hamm hat lediglich angenommen, der öffentliche Arbeitgeber dürfe
den Bewerberkreis auf Beamte auf Lebenszeit und auf unbefristet angestellte Lehrkräfte
42
beschränken. Der befristet beschäftigte Bewerber könne keine Neueinstellung
beanspruchen, die der Organisationsentscheidung des Staats über die beschränkte Zahl der
Stellen/Arbeitsplätze im öffentlichen Dienst entgegenstehe (3. Mai 2007 - 11 Sa 2/07 - zu 2
der Gründe). Die Klägerin dagegen war zum Zeitpunkt ihrer Bewerbung unbefristet beim
beklagten Land beschäftigt.
2. Das beklagte Land verstößt zudem gegen das Schlechterstellungsverbot des § 4 Abs. 2
Satz 3 TzBfG, indem es bei seiner Laufbahnnachzeichnung befristete Beschäftigungszeiten
gänzlich ausschließt. Wäre die Klägerin bereits ab dem 22. August 2005 nicht erst befristet,
sondern schon unbefristet beschäftigt gewesen, hätte das beklagte Land sie am
Bewerbungsverfahren teilnehmen lassen. Das gesetzliche Schlechterstellungsverbot dient
gerade dem Schutz des beruflichen Fortkommens befristet Beschäftigter. Das kommt
besonders durch § 19 TzBfG zum Ausdruck. Danach ist dem Arbeitgeber sogar
ausdrücklich die Pflicht auferlegt, die berufliche Entwicklung befristet beschäftigter
Arbeitnehmer zu fördern. Diese Pflichtenstellung lässt nur unter sachlichen Gründe
Ausnahmen zu (vgl. BT-Drucks. 14/4374 S. 13, 21; DFL/Schüren 3. Aufl. § 4 TzBfG Rn. 24, § 19
TzBfG Rn. 1; KR/Bader 9. Aufl. § 19 TzBfG Rn. 1, 4). Solche sind hier weder dargelegt noch
erkennbar. Der Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot des § 4 TzBfG führt zur
uneingeschränkten Anwendung der die Klägerin begünstigenden Regelung (vgl. zu § 4 Abs. 1
TzBfG BAG 24. September 2003 - 10 AZR 675/02 - zu II 4 der Gründe, BAGE 108, 17).
3. Dem Bewerbungsverfahrensanspruch der Klägerin stehen keine weiteren Einwände
entgegen. Die Beklagte hat die begehrte Stelle noch nicht abschließend besetzt. Das
Bewerbungsverfahren ist auch nicht zulässigerweise abgebrochen. Die Klägerin hatte ihre
Bewerbung auch fristgerecht am 31. Januar 2008 bei dem beklagten Land eingereicht und
damit - entgegen der Mutmaßung der Revision - die Bewerbungsfrist gewahrt. Es bedarf
mithin keiner weiteren Erörterung, ob und inwieweit die bei der Besetzung öffentlicher
Ämter gesetzten Bewerbungsfristen als materielle Ausschlussfristen gelten.
4. Bei der gebotenen Laufbahnnachzeichnung ergibt sich - unter Berücksichtigung der
gesamten Beschäftigungszeit der Klägerin im Lehrerverhältnis für die Sekundarstufe II bei
dem beklagten Land - eine kontinuierliche Laufbahn seit Aufnahme der Beschäftigung am
22. August 2005. Entsprechend den Annahmen des beklagten Landes konnte aufgrund der
hervorragenden Laufbahnprüfung der Klägerin eine Verkürzung der Probezeit auf bis zu
18 Monate (§ 52 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 Satz 1 Buchst. a iVm. § 50 Abs. 1 Nr. 9, § 39 Abs. 2
Satz 2 LVO NRW) und unter Anrechnung der zwischen 1999 und 2002 im gleichen
Laufbahnamt erbrachten Vorbeschäftigungszeiten eine Verkürzung der Probezeit auf ein
Jahr eintreten (§ 52 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 Buchst. a iVm. § 39 Abs. 3 LVO NRW). Die zunächst
mit 19/22 erbrachte Teilzeitbeschäftigung (vgl. zum Stundendeputat von 22 Unterrichtsstunden
an Weiterbildungskollegs § 2 Abs. 1 Nr. 9 der VO vom 18. März 2005 zu § 93 Abs. 2 SchulG, GV
NRW S. 218, BASS 11-11 Nr. 1) blieb laufbahnrechtlich unschädlich (§ 7 Abs. 5 LVO NRW).
Mit der anschließenden einjährigen Beförderungssperre (§ 25 Abs. 2 LBG NRW aF; § 10
Abs. 2 Buchst. b LVO NRW) war ab 23. August 2007 eine Beförderungsmöglichkeit eröffnet
(§ 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 BGB). Die Klägerin war mithin bei Ablauf der Ausschreibungsfrist
am 18. Februar 2008 beförderungsfähig und durfte somit von dem beklagten Land nicht
ausgeschlossen werden.
Quelle: Entscheidungsdatenbank des BAG
43
Ein Seemann hat nicht ohne weiteres Anspruch auf eine tarifliche Bereitschaftsdienstvergütung
(LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 6.7.10, Az: 5 Sa 134/10)
Leitsatz
1. Eine konkludente Anordnung der Anwesenheit an Bord i. S. v. § 46 Nr 11 Abs 2
TVöD-BT-V folgt noch nicht aus dem faktischen Zwang, während des Aufenthalts auf
See auch außerhalb der Arbeitszeit an Bord bleiben zu müssen (BAG Urteil vom
28.05.2009 - 6 AZR 141/08).
2. Wenn ein Seemann (hier: Fachkraft Bord / Schiffsmechaniker), für den
Vertretungskräfte an Bord vorhanden sind, Bereitschaftsdienstvergütung nach § 46
Nr 11 Abs 2 TVöD-BT-V für sämtliche Zeiten außerhalb seiner regulären Arbeitszeit,
angeordneter Überstunden und angeordneter Anwesenheit an Bord geltend macht,
muss er konkrete Umstände vortragen, die die Annahme rechtfertigen, er befinde
sich während des gesamten Zeitraums seiner arbeitsfreien Anwesenheit an Bord in
"konkludent angeordneter Anwesenheit an Bord" im tariflichen Sinne.
(Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt unter dem Aktenzeichen 6 AZN 839/10)
Verfahrensgang
vorgehend ArbG Kiel, 15. Februar 2010, Az: 2 Ca 1287 c/08, Urteil
nachgehend BAG, 23. September 2010, Az: 6 AZN 839/10, Beschluss: Zurückweisung (nicht
dokumentiert)
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kiel vom 15.
Februar 2010, Az.: ö. D. 2 Ca 1287 c/08, wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
1
Die Parteien streiten in der Berufung noch darüber, ob der Kläger für die Zeit vom
01.11.2005 bis zum 30.06.2007 gegen die beklagte Bundesrepublik Anspruch auf
Bereitschaftsdienstvergütung hat wegen angeordneter Anwesenheit an Bord seiner
Einsatzschiffe außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit sowie ausdrücklich angeordneter
Arbeitseinsätze.
2
Der Kläger ist seit dem 01.07.1980 bei der wehrtechnischen Dienststelle für Schiffe
und Marinewaffen (WTD 71) der Beklagten beschäftigt. Vorgesetzter des Klägers war
der jeweilige Bootsmann. Kraft einzelvertraglicher Vereinbarung findet auf das
Arbeitsverhältnis der TVöD-BT-V-Bund Anwendung. Der Kläger erhält Vergütung
44
nach der EntgGr. 6 Stufe 6 in Höhe eines monatlichen Grundgehaltes von € 2.285,00
brutto. Bei einer monatlichen Arbeitszeit von 169,57 Stunden beträgt sein
Bruttostundenlohn € 13,48.
3
Im streitgegenständlichen Zeitraum war er eingesetzt als Fachkraft Bord auf dem
Wehrforschungsschiff „P.“, auf den Mehrzweckbooten Mittel „H.“, „K.“, „S.“ sowie
den Mehrzweckbooten Klein „B.“, „M.“, „S.“. Der Kläger leistete auf den
vorgenannten Schiffen seinen Dienst in folgenden Zeiträumen:
4
2005:
01.10.
31.10.
14.11.
18.11. – 31.12. H.
–
–
–
28.10.
11.11.
17.11.
H.
S.
M.
24.02.
30.04.
19.05.
14.07.
21.07.
11.08.
15.09.
22.09.
23.10.
H.
P.
H.
B.
H.
B.
H.
S.
M.
B.
09.03.
16.03.
04.05.
11.05.
H.
K.
P.
H.
K.
5
2006:
01.01.–
13.02.
27.02.
01.05.
22.05.
17.07.
24.07.
14.08.
18.09.
25.09.
24.10. – 31.12. H.
10.02.
–
–
–
–
–
–
–
–
–
6
2007:
01.01.–
28.02.
12.03.
19.03.
07.05.
14.05. – 30.06. H.
27.02.
–
–
–
–
7
Der Einsatz des Klägers vollzog sich in dem streitgegenständlichen Zeitraum sowohl
im Hafen- als auch im Seedienst.
8
45
Bei der „P.“ handelt es sich ausweislich des Schiffsbesatzungszeugnisses vom
10.04.2008 um ein Forschungsschiff – Klasse 751 – für das Fahrtgebiet „Große
Fahrt“. Ausweislich des Schiffsbesatzungszeugnisses zählen zur Mindestbesatzung der
„P.“ neben dem Kapitän, dem Ersten Offizier und dem Bootsmann 16 weitere
Besatzungsmitglieder, u. a. sieben Schiffsmechaniker/Facharbeiter Deck (Bl. 80 d. A.).
Bei der „P.“ handelt es sich um ein sogenanntes 3-Wachen-Schiff, sodass jeder
Wachgänger, so auch der Kläger, pro Tag zwei Mal vier Stunden zum Wachdienst
eingeteilt war.
9
Bei den Forschungs- und Erprobungsschiffen „H.“, „K.“ sowie „S.“ handelt es sich um
sogenannte Mehrzweckboote Mittel, die für den Fahrtbereich „Mittlere Fahrt“
eingesetzt werden. Die Schiffsbesatzungszeugnisse vom 29.06.2007 (Bl. 81 - 83 d. A.)
schreiben eine Mindestbesatzung von 12 Seeleuten vor. Neben dem Kapitän, dem
Ersten Offizier und dem Bootsmann müssen in der Regel drei Schiffsmechaniker
anwesend sein. Eine Fachkraft Deck zählt nicht zur Mindestbesatzung. Es handelt sich
um so genannte 2-Wachen-Schiffe. Das bedeutet, dass bei einem mehrtägigen
Seebetrieb zwei Teams jeweils zwei Mal sechs Stunden im Wechsel arbeiten.
10
Die Mehrzweckboote Klein „B.“, „M.“, „S.“ werden im Fahrtgebiet „Kleine Fahrt“
eingesetzt. Ausweislich der Schiffsbesatzungszeugnisse vom 29.06.2007 (Bl. 84 - 86 d.
A.) zählen neben dem Kapitän und Ersten Offizier fünf weitere Seeleute zur
Mindestbesatzung, u. a. drei Schiffsmechaniker. Es handelt sich – ebenso wie die
Mehrzweckboote Mittel – um so genannte 2-Wachen-Schiffe.
11
Gemäß der Tätigkeitsdarstellung vom 25.08.2008 wird der Kläger als „Facharbeiter
Deck“ mit folgender Aufgabenbeschreibung eingesetzt:
12
- Ausführen aller anfallenden Maschinen- und Decksarbeiten, dabei Durchführen von
Reinigungs-, Wartungs- und Pflegearbeiten an Einrichtungen und Anlagen des
Gesamtschiffsbetriebes
13
- Reinigen, Warten, Pflegen und Instandhaltung von schiffstechnischen Einrichtungen
und Anlagen im Hafen
14
Aus dem Sicherheits-Management Handbuch der WTD 71 ergeben sich folgende
Aufgabenbereiche des Klägers:
15
46
- Durchführung von Wartungsarbeiten an allen technischen Geräten im Decksbereich
und in den Aufbauten
16
- Durchführung von Reinigung, Wartung, Pflege, Instandhaltung von schiffstechnischen
Anlagen im Maschinenbereich
17
- Wachdurchführung nach Anweisung von Vorgesetzten
18
- Arbeiten mit Werkzeugen und Arbeitsmaterialien in Werkstätten
19
- Kontrolle wasserdichter Türen, Luken, Lukendeckel und anderer Öffnungen an
Deck
20
- Abteilungs- und Raumkontrolle
21
- Ablesen und Aufzeichnen der Betriebsdaten von Schmieröl, Kraftstoff,
Temperaturen, Drücke, Füllstände schiffstechnischer Anlagen im Maschinenbereich,
Erkennen von Betriebsstörungen
22
- Bedienen von Winden, Kränen, Aussetzungsvorrichtung, Erprobungsgerät nach
Anweisung der Vorgesetzten
23
- Hafen- und Seewache/Brückenwache
24
Der Kläger kann als „Fachkraft Deck“ jeweils von den Schiffsmechanikern und dem
Bootsmann vertreten werden. Die Aufgabenfelder eines Facharbeiters Deck und
eines Schiffmechanikers entsprechen sich. In dem Schiffsbesatzungszeugnis der „P.“
wird zwischen Schiffsmechaniker und Facharbeiter Deck nicht unterschieden.
25
Wurde der Kläger außerhalb seiner regulären Arbeitszeiten (Schichten) zum
tatsächlichen Arbeitseinsatz herangezogen, vergütete die Beklagte die dann geleistete
47
Zeit als Überstunde oder gewährte einen entsprechenden Freizeitausgleich.
Gegenstand dieses Rechtsstreits sind die Stunden, die der Kläger im
streitgegenständlichen Zeitraum (November 2005 bis Juni 2007) während der
Seediensttage außerhalb seiner regulären Arbeitsschichten an Bord verbrachte und
während derer er nicht zum Arbeitseinsatz herangezogen wurde. Die Parteien
streiten darüber, ob es sich bei diesen Zeiten um angeordnete „Anwesenheit an
Bord“ handelte, die tarifvertraglich zu 50 % zu vergüten sind. Bis zum 30. September
2005 vergütete die Beklagte Zeiten der Anwesenheit an Bord außerhalb der
regelmäßigen Arbeitszeit als Bereitschaftsdienstzeiten mit 50 %, um sie anschließend
als vergütungsfreie „Gewährung von Freiwachen“ i. S. v. § 46 Nr. 11 Abs. 2 TVöDBT-V-Bund zu qualifizieren.
26
§ 46 Nr. 11 Abs. 2 TVöD-BT-V-Bund
27
Außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit angeordnete Anwesenheit an Bord wird bei
der Bemessung des Entgelts zu 50 v. H. als Arbeitszeit gewertet, es sei denn dass
Freiwache gewährt wird oder dass Arbeit angeordnet ist.
28
In an alle Kapitäne und Schiffsbesatzungen gerichtetem Fax-Schreiben vom 26.10.
2005 teilte die Beklagte Folgendes mit (Bl. 64 d. A.):
29
„Der neue Tarifvertrag ist nicht Anlass, die bislang praktizierte Lohnstunden- und
Zulagenverschreibung zu ändern.
30
Jeder begründet seinen Anspruch, indem er wie bisher Lohnstunden und Zulagen
verschreibt.
31
Dadurch bleiben die Ausschlussfristen gewahrt.
32
Notwendige Änderungen werden von der Verwaltung eingearbeitet.
33
Dies ändert sich erst dann, wenn die Durchführungshinweise des neuen
Tarifvertrages erlassen werden.“
34
48
Mit Schreiben vom 12.12.2005 machte der Kläger „seine Ansprüche im Rahmen der
Ausschlussfrist (§ 37 TVöD) für die Zeit vom 01.10.2005 bis lfd. geltend“ (Bl. 114 d.
A.). Zur Begründung verwies er auf „Auswärtszulage, Verpflegungsgeld, Sonntag in
fremden Häfen“ (Bl. 114 d. A.). Mit Anwaltsschreiben vom 06.09.2007 beanspruchte
er für die Zeit von Oktober 2005 bis Juni 2007 für auf See insgesamt verbrachte
1.825,5 Stunden, die nicht als Arbeitszeit vergütet worden seien, unter Fristsetzung
bis zum 20.09.2007 Zahlung von insgesamt € 12.303,87 brutto (Bl. 65 - 66 d. A.). Die
Beklagte lehnte diese Forderungen ab.
35
Mit der am 18.07.2008 bei dem Arbeitsgericht erhobenen Klage hat der Kläger seine
Ansprüche weiterverfolgt.
36
Der Kläger hat behauptet,
37
er sei auch außerhalb der regulären Arbeitszeiten zur Arbeit herangezogen worden.
Abhängig von der Erprobungsintensität der jeweiligen Fahrten könne es vorkommen,
dass er bis zu sechs Mal außerhalb seiner Schichten zur Arbeit herangezogen werde.
Es handele sich dabei insbesondere um das Ein- und Ausbringen von
Erprobungsgeräten, d. h. um sog. Allhands-Manöver, bei denen – unstreitig – die
gesamte Besatzung, d. h. auch er, auf dem Achterdeck arbeiten müsse. Er müsse
mithin zum regulären Dienst rund um die Uhr für Erprobungseinsätze zur Verfügung
stehen. Die außerhalb seiner regulären Arbeitsschichten angeordneten
Arbeitseinsätze seien nicht vorhersehbar und könnten von ihm nicht abgelehnt
werden. Vor diesem Hintergrund könne nicht von gewährter Freiwache bzw. Freizeit
gesprochen werden. Von der Möglichkeit über seine Freizeit ohne Einschränkung
selbstgestaltend verfügen zu können, sei nämlich nur dann auszugehen, wenn er – von
Notfallsituationen abgesehen – nicht damit rechnen müsse, zu Arbeitseinsätzen
herangezogen zu werden. Dies sei während der Seediensttage indessen nicht
gewährleistet. Der Kläger hat insoweit die Auffassung vertreten, dass die Zeiten
außerhalb der regulären Arbeitszeit als angeordnete Anwesenheit an Bord, d. h. als
Bereitschaftsdienst, zu werten seien mit der Folge, dass sie gemäß § 46 Nr. 11 Abs. 2
zu § 7 TVöD-BT-V-Bund zu 50 % als Arbeitszeit zu vergüten seien. Danach sei die
außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit angeordnete Anwesenheit an Bord bei der
Bemessung des Entgelts zu 50 % als Arbeitszeit zu werten, es sei denn, dass
Freiwache gewährt oder Arbeit angeordnet werde. Freiwachen seien indessen
unstreitig nicht gewährt worden.
38
Der Kläger hat die aus seiner Sicht von ihm geleisteten Bereitschaftsdienststunden für
die Zeit von Februar 2006 bis Oktober 2007 in einer Tabelle (Bl. 11 - 15 d. A.) wie
folgt errechnet:
39
49
24
./.
tatsächliche
./.
anerkannte
= konkludente Bereitschaftszeit
Stunden/Tag
Arbeitszeit
Bereitschaftszeit
40
Insgesamt sei er nach dieser Berechnung 1.835,5 Stunden an Bord gewesen, in denen
er nicht zur Arbeit herangezogen und bei denen keine Freiwache angeordnet worden
sei. Ausgehend von seinem Grundgehalt von € 2.285,00 brutto errechne sich bei
einer monatlichen Arbeitszeit von 169,57 Stunden ein Stundenlohn von € 13,48
brutto, sodass ihm noch eine 50 %ige Bereitschaftsdienstvergütung von insgesamt €
12.371,27 brutto zustehe.
41
Der Kläger hat beantragt,
42
1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn € 12.371,27 brutto zu zahlen;
43
2. festzustellen, dass seine Anwesenheit als Decksmann an Bord der Schiffe P., S., K.,
H., B., M. sowie S. im Rahmen der Ausübung seiner Tätigkeit, die nicht Arbeitszeit ist,
zu 50 % als Arbeitszeit zu werten ist.
44
hilfsweise
45
1. die Beklagte zu verurteilen, ihm 917,75 Stunden Freizeitausgleich zu gewähren;
46
2. festzustellen, dass die Beklagte ihm für jede Stunde Anwesenheit als
Decksmann an Bord der Schiffe P., S., K., H., B., M. sowie S., die nicht Arbeitszeit
ist, eine halbe Stunde Freizeitausgleich zu gewähren hat.
47
Die Beklagte beantragt,
48
die Klage abzuweisen.
49
50
Die Beklagte hat bestritten,
50
dass der Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum rund um die Uhr für
Erprobungseinsätze habe zur Verfügung stehen müssen. Die Erprobungsaufgaben, bei
denen es sich um Allhands-Manöver handele, seien im Vorfeld planbar, lediglich
zeitlich nicht konkret bestimmbar, sodass nur in diesen Fällen „angeordnete
Anwesenheit“ an Bord vorgelegen habe, die dann auch jeweils entsprechend vergütet
worden sei. Sofern keine Allhands-Manöver anstünden, könne der Kläger von den
Schiffsmechanikern vertreten werden. Grundsätzlich sei mithin davon auszugehen,
dass der Kläger die ihm obliegenden Arbeiten in der regulären Arbeitszeit erledigen
könne. Es gebe keine Ereignisse – ausgenommen Notfälle -, die eine unverzügliche
Arbeitsaufnahme des Klägers erforderten. Weder der Kläger noch die übrigen
Besatzungsmitglieder müssten ständig einsatzbereit sei. Vor diesem Hintergrund
könne gerade nicht von einer konkludenten permanenten Anordnung der
Anwesenheit an Bord ausgegangen werden. Im Übrigen habe der Kläger nicht
substantiiert dargelegt, an welchen Tagen zu welchen Zeiten außerhalb der regulären
Arbeitszeit Tätigkeiten angefallen seinen, die zwingend durch seine Person hätten
wahrgenommen werden müssen. Die bloße Notwendigkeit, während der
Seediensttage Freizeit an Bord eines Schiffes verbringen zu müssen, stelle keine –
auch nicht konkludent – angeordnete Anwesenheit an Bord dar. Im Übrigen
bestreitet die Beklagte auch die Forderungshöhe. Die vom Kläger geltend gemachten
„Bereitschaftsstunden“, die weder reguläre Arbeitszeit noch Überstunden gewesen
seien, stimmten oftmals nicht mit den von ihr erfassten tatsächlichen Arbeitszeiten,
Überstunden und ausgeglichenen Überstunden überein. Die Beklagte hat sich zudem
auf die tariflichen Ausschlussfristen berufen.
51
Wegen des weiteren Sach- und Streitstands, insbesondere des streitigen
Parteivorbringens wie er in der ersten Instanz vorgelegen hat, wird auf den
Tatbestand des angefochtenen Urteils einschließlich der Inbezugnahmen verwiesen, §
69 Abs. 2 ArbGG.
52
Das Arbeitsgericht hat die Klage vollumfänglich mit Urteil vom 15.02.2010
abgewiesen. Die Anwesenheitszeiten des Klägers als Decksmann an Bord der Schiffe
außerhalb seiner regulären Arbeitszeiten und geleisteter Überstunden könnten nicht
als konkludent angeordnete Anwesenheit im Tarifsinne gewertet werden. Eine
konkludente Anordnung der Anwesenheit an Bord eines Schiffes folge nicht schon
aus dem faktischen Zwang, während des Aufenthalts auf See auch außerhalb der
normalen Wachdienste an Bord bleiben zu müssen. Die ständige Anwesenheit der
Besatzungsmitglieder an Bord ergebe sich vielmehr aus der Natur der Sache und sei
zwangsläufige Folge der arbeitsvertraglichen Verpflichtung. Dies sei auch den
Tarifvertragsparteien bekannt gewesen. Hätten diese auch solche Zeiten der
Anwesenheit an Bord von der Vergütungsregelung des § 46 Nr. 11 Abs. 2 TVöD-BTV-Bund erfassen wollen, hätte es der Statuierung „Anordnung der Anwesenheit“
nicht bedurft. Folge aber aus dem faktischen Zwang, während der Seediensttage
außerhalb der regulären Wachen das Schiff nicht verlassen zu können, noch nicht die
51
konkludent angeordnete Anwesenheit an Bord, so hätte der Kläger bei einer
derartigen Fallkonstellation über die reine tatsächliche Notwendigkeit hinaus
konkrete Umstände darlegen müssen, die den Schluss begründeten, er habe sich
während des reklamierten Zeitraums seiner Anwesenheit an Bord in „konkludent
angeordneter Anwesenheit an Bord“ befunden. Diesem Substantiierungsgebot habe
der Kläger nicht entsprochen.
53
Gegen dieses ihm am 24.02.2010 zugestellte Urteil hat der Kläger am 23.03.2010
beim Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Berufung eingelegt und diese am
22.04.2010 begründet.
54
Der Kläger trägt vor,
55
zwar habe die Beklagte für die hier streitgegenständlichen Bordzeiten keine
ausdrückliche Anwesenheit an Bord angeordnet, indessen habe das Arbeitsgericht
verkannt, dass seine Anwesenheit an Bord konkludent angeordnet worden sei. Dies
ergebe sich daraus, dass die von der Beklagten an Bord geschaffenen
Arbeitsumstände und die gewünschte Arbeitsweise dazu führten, dass er als Fachkraft
Deck faktisch ständige Arbeitsbereitschaft an den Tag habe legen müssen und somit
außerhalb seiner Arbeitszeit Bereitschaftsdienst geleistet habe. Die Beklagte habe von
ihm erwartet, dass er sich auch außerhalb seiner Schichten für den Arbeitseinsatz bei
Bedarf bereit gehalten habe und habe auch außerhalb seiner Schichten
Arbeitsleistungen von ihm abgerufen. Der Kläger verweist insofern auf die
Legaldefinition des Bereitschaftsdienstes in § 9 Abs. 1 S. 1 TVöD-AT. Die
konkludente Anordnung von Bereitschaftsdienst werde bereits daran sichtlich, dass
er nahezu an jedem Seediensttag Überstunden geleistet habe. Hätte er
demgegenüber Freiwachen in Anspruch genommen, so wären nicht in dem Maße
Überstunden angeordnet worden. Dies wäre nur in Notfällen geschehen. Es sei auch
nicht notwendig, dass er regelmäßig oder in einer bestimmten Häufigkeit zur
Arbeitsleistung außerhalb des regulären Schichtdienstes zur Arbeit herangezogen
werde. Denn Fakt sei, dass er sich – ebenso wie die übrigen Seeleute – habe bereit
halten müssen. Auf die faktische Vertretbarkeit durch seinen Vorgesetzten, den
Bootsmann, komme es nicht an. Dieser könne ihn nicht vertreten, da er selbst in den
Wachdienst eingebunden sei. Auch auf die Vertretungsmöglichkeit durch andere
Besatzungsmitglieder komme es nicht an. Entscheidend sei, dass solche Vertretungen
nicht stattgefunden hätten. Gerade aus dem Umstand, dass alle Besatzungsmitglieder
während der Seediensttage ständig verfügbar gewesen seien, werde bei Bedarf, egal
zu welcher Zeit, auch auf diese zurückgegriffen. Seine Tätigkeit sei mit dem
Bereitschaftsdienst eines Arztes oder Feuerwehrmannes vergleichbar. Vor diesem
Hintergrund bedürfe es keiner weitergehenden Konkretisierung seines
Sachvortrages, wann er als Fachkraft Deck konkret welche Tätigkeit – außerhalb
seiner Schichten – aufgenommen habe. Dies sei ihm nach dieser langen Zeit auch
nicht mehr möglich. Ungeachtet dessen unterlägen jedoch die Störungsprotokolle der
Geheimhaltung. Zudem habe das Arbeitsgericht das im Tarifvertrag geschaffene
Regel-Ausnahme-Prinzip verkannt. Danach sei angeordnete Anwesenheit an Bord
52
gegeben, es sei denn, dass Arbeit angeordnet oder Freiwache gewährt werde. Daraus
werde deutlich, dass angeordnete Anwesenheit der Regelfall und eine Freiwache die
Ausnahme sei.
56
Der Kläger beantragt,
57
unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Kiel, Az.: 2 Ca 1287 c/08, vom
15.02.2010 die Beklagte zu verurteilen, € 12.371,27 brutto an ihn zu zahlen.
58
Die Beklagte beantragt,
59
die Berufung zurückzuweisen.
60
Die Beklagte meint,
61
der Kläger habe keinen Anspruch auf Vergütung seiner reinen Anwesenheitszeiten als
Fachkraft Deck an Bord der genannten Schiffe, d. h. ohne reguläre Arbeitsleistung
während der Schichten, ohne geleistete Überstunden und ohne angeordnete
Anwesenheit an Bord. Unstreitig habe sie in dem streitgegenständlichen Zeitraum
nicht durchgängig ausdrücklich die Anwesenheit des Klägers an Bord angeordnet. Sie
habe auch keine Umstände an Bord geschaffen, aus denen auf eine faktische
permanente Anordnung der Anwesenheit an Bord hätte geschlossen werden können.
Keineswegs habe sie von dem Kläger erwartet, dass er sich auch außerhalb seiner
Arbeitszeit für den Arbeitseinsatz bei Bedarf bereithielt. Sie habe auch keine Situation
geschaffen, in der sie jederzeit auf den Kläger habe zurückgreifen können und habe
dies auch nicht beabsichtigt. Der Kläger sei auch nicht jederzeit, d. h. auch außerhalb
seiner Schichten, zur Arbeit herangezogen worden. Außerhalb seiner Arbeitszeit
habe der Kläger – ausgenommen in Notfällen und bei angeordneter Anwesenheit an
Bord – die Arbeit verweigern können, da seine Funktionen durch die
Schiffsmechaniker und die übrigen Matrosen (Facharbeiter Deck und Fachkräfte
Deck) hätten wahrgenommen werden können und auch tatsächlich wahrgenommen
worden seien. Diese Seeleute seien nicht so ausgelastet, dass eine Vertretung nicht
möglich gewesen sei. Der Kläger habe auch nicht rund um die Uhr für
Erprobungseinsätze zur Verfügung stehen müssen. Diese hätten von vornherein
festgestanden und seien in der regulären Arbeitszeit eingeplant gewesen. Sollte dies
ausnahmsweise nicht der Fall gewesen sein, sei die Anwesenheit des Klägers an Bord
ausdrücklich angeordnet und auch vergütet worden. Nach Ablauf der Erforschungsund Erprobungseinsätze sei der Kläger nicht außerhalb seiner regulären Schichten zur
Arbeit herangezogen worden. Der klägerische Vortrag entbehre im Übrigen auch
53
jedweder Anhaltspunkte zur Art und Häufigkeit seiner Einsätze außerhalb seiner
regulären Arbeitszeit. Der Kläger habe nicht substantiiert vorgetragen, wann, wo,
von wem und zu welchem Zweck er im Einzelnen außerhalb seines Schichtdienstes an
den Seediensttagen zur Arbeit herangezogen worden sei. Etwaige Überstunden an
den Seediensttagen ließen allein noch keinen Rückschluss darauf zu, dass konkludent
Anwesenheit an Bord angeordnet worden sei. Der klägerische Hinweis auf § 9 Abs. 1
S. 1 TVöD-AT sei verfehlt. § 46 Nr. 11 Abs. 2 TVöD-BT-V beziehe sich nicht auf § 9
Abs. 1 S. 1 TVöD-AT, sondern nur auf § 7 TVöD-AT. Entgegen der Auffassung des
Klägers sei nach dem Tarifvertrag eine ausdrückliche Anordnung von Freiwachen
nicht erforderlich. Der Kläger habe die Darlegungs- und Beweislast im Entgeltprozess
verkannt. Die Beklagte erhebt zudem den Erfüllungseinwand, zudem habe der Kläger
einen falschen Stundenlohn zugrunde gelegt. Richtigerweise sei vorliegend gemäß § 8
Abs. 1 S. 1 TVöD-AT der Stundenlohn für Überstunden lediglich nach dem Entgelt
der EntgGr E6 Stufe 4 zu berechnen, mithin € 12,71 brutto zugrunde zu legen. Die
Beklagte hält an dem Erfüllungseinwand fest und beruft sich weiterhin auf die
tarifliche Ausschussfrist.
62
Der Kläger hat im Berufungstermin seinen Feststellungsantrag mit Zustimmung der
Beklagten zurückgenommen.
63
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien im Berufungsverfahren wird auf den
mündlich vorgetragenen Inhalt der zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst
Anlagen sowie den Inhalt des Sitzungsprotokolls vom 6.7.2010 verwiesen.
Entscheidungsgründe
64
Die Berufung des Klägers ist zulässig. Sie ist dem Beschwerdewert nach statthaft
sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 64 Abs. 2 lit. b; 66
Abs. 1 ArbGG; § 519 ZPO.
65
In der Sache selbst hat die Berufung keinen Erfolg. Sie ist unbegründet.
66
Das Arbeitsgericht hat die Zahlungsklage sowohl im Ergebnis als auch in der
Begründung zu Recht abgewiesen. Die Angriffe der Berufung rechtfertigen keine
hiervon abweichende Entscheidung. Der Kläger hat gegenüber der Beklagten keinen
Anspruch auf Zahlung von € 12.371,27 brutto. Ihm steht für die im Zeitraum von
November 2005 bis Juni 2007 geltend gemachte (reine) Anwesenheitszeit an Bord
der Schiffe, in denen er weder Wachdienst, noch Überstunden leistete, noch
Anwesenheit an Bord angeordnet war, keine 50 %ige Vergütung nach § 46 Nr. 11
Abs. 2 TVöD-BT-V-Bund zu.
54
67
1. Die Anwesenheitsstunden, für die der Kläger als Decksmann an Bord des
Wehrforschungsschiffes sowie der Mehrzweckboote Mittel und Klein Vergütung
verlangt, obwohl er nicht zur Arbeit eingeteilt war, sind keine „angeordnete
Anwesenheit an Bord“ im Sinne des § 46 Nr.11 Abs. 2 TVöD BT-V Bund.
68
a) In § 46 Nr.11 Abs. 2 TVöD BT-V Bund heißt es zur außerhalb der regelmäßigen
Arbeitszeit angeordneten Anwesenheit an Bord:
69
„Nr. 11: Zu § 7 – Sonderformen der Arbeit –
70
(2) Außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit angeordnete Anwesenheit an Bord wird
bei der Bemessung des Entgelts zu 50 v. H. als Arbeitszeit gewertet, es sei denn, dass
Freiwache gewährt oder dass Arbeit angeordnet ist.“
71
Diese Vorschrift findet auf das Arbeitsverhältnis des Klägers grundsätzlich
Anwendung, denn er gehört gemäß § 46 Nr. 8 Satz 1 TVöD-BT-V-Bund zu einer im
Bereich des Bundesministeriums der Verteidigung beschäftigten Besatzung eines
Schiffes.
72
b) Die Sonderregelung § 46 Abs. 2 Nr. 11 TVöD BT-V-Bund verdrängt in ihrem
Anwendungsbereich die Regelungen über die Vergütung von Bereitschaftsdienst in § 8
Abs. 4 TVöD-AT (vgl. BAG vom 28.05.2009 – 6 AZR 141/08 –, zit. n. Juris m. w. N.,
Rz. 14 - 16). § 46 Nr. 11 Abs. 2 TVöD-BT-V-Bund ist wortlautidentisch mit der
Vorgängervorschrift der SR 2 g BAT Nr. 3. Abs. 6 Satz 1. Zum Verständnis der
Vorgängerregelung wird auf die hierzu ergangene Entscheidung des BAG vom
14.10.1993 - 6 AZR 221/92 - verwiesen. Die Tarifvertragsparteien haben in Kenntnis
dieser Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts die früheren Tarifregelungen
inhaltsgleich übernommen und damit die Rechtsprechung gebilligt. Das ist von den
Gerichten zu respektieren (vgl. BAG vom 28.05.2009 – 6 AZR 141/08 -, Rz. 22 und
Rz. 27, a. a. O.).
73
Auch der Hinweis des Klägers auf die Legaldefinition des Bereitschaftsdienstes in § 9
Abs. 1 Satz 1 TVöD-AT verfängt nicht, da § 46 Nr. 11 Abs. 2 TVöD BT-V-Bund nicht
eine Sonderregelung zu § 9 TVöD-AT, sondern zu § 7 TVöD-AT enthält. Dies ergibt
sich bereits aus der Überschrift zu § 46 Nr. 11 Abs. 2 TVöD BT-V-Bund.
74
55
2. Ausgehend von dieser Tariflage sind die bloßen Anwesenheitszeiten des Klägers als
Fachkraft Deck an Bord der genannten Schiffe keine vergütungsrelevante
„angeordnete Anwesenheit“.
75
a) Die Beklagte hat für den streitgegenständlichen Zeitraum gegenüber dem Kläger
dessen durchgehende Anwesenheit an Bord der Schiffe während der Seediensttage
unstreitig nicht ausdrücklich angeordnet. Das hat auch der Kläger nicht behauptet.
76
b) Entgegen der Auffassung des Klägers kann im vorliegenden Fall aber auch nicht von
einer konkludent angeordneten Anwesenheit an Bord der Schiffe während der
Seediensttage ausgegangen werden.
77
aa) Es bedarf nicht zwingend einer ausdrücklichen Anordnung der Anwesenheit an
Bord. Eine konkludente Anordnung ist für das Vorliegen der Voraussetzungen des §
46 Nr. 11 Abs. 2 TVöD BT-V Bund ausreichend. Das hat der 6. Senat in seinem
Urteil vom 28.05.2009 – 6 AZR 141/08 - bestätigt (so schon Urteil vom 14.10.1993 6 AZR 221/92 -). Von einer konkludenten Anordnung geht die Kammer im
vorliegenden Fall aus.
78
Eine konkludente Anordnung der Anwesenheit an Bord der Schiffe folgt für die
Besatzung nicht schon aus dem faktischen Zwang, während des Aufenthalts auf See
auch außerhalb der Arbeitszeit an Bord bleiben zu müssen. Der 6. Senat hat in
seinem Urteil vom 28.05.2009 (6 AZR 141/08) ausgeführt, dass dann, wenn sich das
Schiff auf See befinde, sich die ständige Anwesenheit der Besatzung an Bord des
Schiffs im Regelfall aus der Natur der Sache ergebe. Die Anwesenheit – so der Senat
- sei zwangsläufige Folge der arbeitsvertraglichen Verpflichtungen der
Besatzungsmitglieder eines Seeschiffs. Hätten die Tarifvertragsparteien auch solche
Zeiten der Anwesenheit an Bord von der Vergütungsregelung des § 46 Nr. 11 Abs. 2
TVöD BT-V Bund erfassen wollen, so hätte es des ausdrücklich normierten
Erfordernisses einer „Anordnung der Anwesenheit“ nicht bedurft (vgl. BAG vom
28.5.2009 – Rz. 22 m. w. N.). Der Senat weist darauf hin, dass davon ausgegangen
werden könne, dass den Tarifvertragsparteien die bisherige Senatsrechtsprechung bei
der Neuregelung des Tarifrechts für den öffentlichen Dienst bekannt gewesen sei.
Wenn die Tarifvertragsparteien dann die früheren Tarifbestimmungen inhaltsgleich
und lediglich sprachlich überarbeitet in den TVöD-BT-V-Bund übernommen hätten,
so spreche dies dafür, dass sie auch die vom Senat vorgenommene Tarifauslegung
gebilligt hätten.
79
Auch aus der Tatsache, dass die Beklagte für den Kläger Freiwache nicht ausdrücklich
angeordnet hat, ergibt sich nichts anderes. Nach dem ausdrücklichen Wortlaut des §
46 Nr. 11 Abs. 2 TVöD-BT-V-Bund muss Freiwache nicht ausdrücklich angeordnet
56
werden. Sie muss nur „gewährt“ werden. Das geschieht regelmäßig dadurch, dass von
der Befugnis, Arbeitszeit festzusetzen und zu bestimmen, kein Gebrauch gemacht
wird. Eines nach außen tretenden Verhaltens, das den Beginn der Freiwache
kennzeichnet, bedarf es nicht. Nach dem jeweiligen Ende der regulären Arbeitszeit, d.
h. des regulären Wachdienstes, beginnt die Freiwache, sofern nicht Überstunden
oder Anwesenheit an Bord angeordnet werden.
80
bb) Hieran gemessen kann auch nicht aufgrund der Umstände an Bord des Schiffes
davon ausgegangen werden, die ständige Anwesenheit des Klägers als Fachkraft Deck
an Bord der Schiffe sei konkludent angeordnet worden.
81
(1) Hierbei ist zu beachten, dass „Anordnen“ im allgemeinen Sprachgebrauch
„befehlen, bestimmen, festsetzen“ heißt (Wahrig, Deutsches Wörterbuch, 8. Aufl.
2006, S. 154). Die auch nur konkludente „Anordnung“ zur Arbeitsleistung setzt daher
ein ausdrückliches, bestimmendes Verhalten voraus, dem der Adressat mit
hinreichender Bestimmtheit einen Befehl oder eine bestimmende Festsetzung
entnehmen kann (LAG Schleswig-Holstein, Urt. v. 15.04.2010 – 4 Sa 492/09 -). Eine
solche befehlsähnliche, nicht mit Worten, aber durch eindeutiges Handeln erfolgte
konkludente Anordnung des Kapitäns gegenüber dem Kläger, sich als Fachkraft Deck
auch außerhalb der bereits abgeleisteten Arbeitszeit an Bord stets für den gesamten
streitgegenständlichen Zeitraum zur Verfügung zu halten, hat der Kläger nicht
dargelegt.
82
(2) Sofern der Kläger behauptet, seine Anwesenheit an Bord sei sozusagen
permanent angeordnet worden, differenziert er nicht zwischen einzelnen
Zeitabschnitten bzw. einzelnen Ereignissen oder einzelnen Fahrtverläufen. Vielmehr
stellt er generell darauf ab, dass er sich während aller Seediensttage zwischen
November 2005 und Juni 2007 außerhalb seiner regulären Arbeitszeit in konkludent
angeordneter Anwesenheit an Bord befunden habe. Der von ihm geltend gemachte
Anspruchszeitraum ist daher deckungsgleich mit seiner tatsächlichen Anwesenheit an
Bord während der Seediensttage, die sich indessen bereits aus der Natur der Sache
eines Dienstes auf See ergibt. Allein aus dem faktischen Zwang, während des
Seeaufenthaltes außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit an Bord bleiben zu müssen,
folgt noch nicht die konkludent angeordnete Anwesenheit i. S. v. § 46 Nr. 11 Abs. 2
TVöD-BT-V-Bund.
Wenn
mithin
ein
Seemann
(hier:
Fachkraft
Bord/Schiffsmechaniker), für den Vertretungskräfte an Bord vorhanden,
Bereitschaftsdienstvergütung nach § 46 Nr. 11 Abs. 2 TVöD-BT-V-Bund für sämtliche
Zeiten außerhalb seiner regulären Arbeitszeit, angeordneter Überstunden und
angeordneter Anwesenheit an Bord geltend macht, muss er über diesen bloßen
faktischen Zwang hinaus Umstände vortragen, die die Annahme rechtfertigen, er
befinde sich während des gesamten Zeitraumes seiner arbeitsfreien Anwesenheit an
Bord in „konkludent angeordneter Anwesenheit an Bord“ im tariflichen Sinne.
Diesem Erfordernis wird auch sein zweitinstanzlicher Vortrag nicht gerecht.
83
57
(3) Der Kläger meint, die konkludente Anordnung seiner Anwesenheit ergebe sich
daraus, dass die von der Beklagten an Bord geschaffenen Arbeitsumstände und die
gewünschte Arbeitsweise dazu führten, dass er als Decksmann ständige
Arbeitsbereitschaft an den Tag legen müsse, von ihm also erwartet werde, jederzeit
bei Bedarf die Arbeit aufzunehmen. Wann Arbeitseinsätze anfielen, sei auf den
Forschungs- und Erprobungsschiffen aus der Natur der Sache heraus nicht im Voraus
planbar.
84
Dieser Vortrag begründet nicht schlüssig das Vorliegen konkludent angeordneter
Anwesenheit an Bord während der Seediensttage. Zu beachten ist nämlich – worauf
das Arbeitsgericht schon zutreffend hingewiesen hat -, dass der Kläger durch die
übrigen Fachkräfte Deck und Schiffsmechaniker und letztlich auch den Bootsmann als
seinen Vorgesetzten vertreten werden kann. Dies wird von dem Kläger auch nicht in
Abrede gestellt. Aufgrund der von ihm zu erledigenden Aufgaben ist die Kammer
zudem davon überzeugt, dass auch die teilweise an Bord befindlichen Motorenwärter
und Maschinisten die dem Kläger als Fachkraft Bord obliegenden Aufgaben erledigen
können. Es waren im streitgegenständlichen Zeitraum mithin jeweils mehrere
Vertretungskräfte für den Kläger mit an Bord der jeweiligen Schiffe. Wenn der Kläger
angesichts dieser Bedingungen dennoch meint, er habe sich - ähnlich dem
Bereitschaftsdienst eines Feuerwehrmannes oder Krankenhausarztes – zur
Arbeitsaufnahme ständig bereit halten müssen, so hätte er im Einzelnen über
verschiedene – gegebenenfalls repräsentative – Zeitabschnitte, Ereignisse und
Fahrtabläufe substantiiert darlegen müssen, dass er sich trotz der stets vorhandenen
Vertretungsregelung habe ständig zur Verfügung halten müssen.
85
Allein der Umstand, dass sich der Kläger möglicherweise – ebenso wie die anderen
Besatzungsmitglieder an Bord der Schiffe - im Sinne einer „Schicksalsgemeinschaft“
rund um die Uhr für die Erledigung seiner Aufgaben verantwortlich gefühlt hat und
dementsprechend im Bedarfsfalle die Arbeit auch außerhalb seiner Schichten
aufgenommen hat, belegt noch nicht die konkludente Anordnung der Anwesenheit an
Bord durch die Beklagte im Sinne von „bestimmen oder befehlen“. Der Kläger
verkennt an dieser Stelle, dass während seiner Freischichten andere Fachkräfte Deck
und Schiffsmechaniker an Bord vorhanden waren, die ihn vertreten haben. Der
Kläger hat gerade nicht behauptet, dass er die Arbeitsaufnahme während seiner
arbeitsfreien Zeit, d. h. außerhalb der regulären Schichten und angeordneter
Überstunden oder Anwesenheit an Bord, nicht ohne arbeitsrechtliche Konsequenzen
hätte verweigern dürfen. Dem steht auch nicht entgegen, dass die Beklagte bzw. der
Kapitän die Arbeitsleistung des Klägers jeweils auch entgegengenommen und im
Nachhinein auch vergütet oder durch Freizeitausgleich abgegolten hat.
86
Auch der Hinweis darauf, dass die Arbeitsaufnahme rund um die Uhr von ihm
„erwartet“ worden sei und er auch tatsächlich nahezu an jedem Seediensttag
Überstunden geleistet habe, reicht zur schlüssigen Begründung einer angeordneten
Anwesenheit an Bord nicht. Der Kläger hat zwar die Arbeitszeitjournale zur Akte
gereicht, es ist indessen nicht Sache des Gerichts, sich aus den Anlagen möglichen
58
anspruchsrelevanten Sachvortrag herauszusuchen. Ungeachtet dessen belegen die
hierin an Seediensttagen vermerkten Arbeits-/Überstunden (insgesamt 11 - 14
Stunden) noch nicht, dass es sich hierbei um reguläre Arbeitseinsätze außerhalb
seiner Wachen handelte, in denen er die von ihm geschuldeten Wartungs-,
Reinigungs- und Instandhaltungsarbeiten eines Decksmannes erledigte. Die Art der
Arbeitseinsätze (normaler Wachdienst, angeordnete Überstunden, Notfälle)
erschließt sich hieraus nicht. Die Beklagte weist insoweit zutreffend darauf hin, dass
der Kläger detailliert hätte vortragen müssen, wann, wo und zu welchem Zweck er
im Einzelnen außerhalb seiner regulären Dienstzeit zur Arbeit herangezogen wurde.
Aus der Art der auszuführenden Aufgaben, bei denen es sich allerdings nicht um
Notfälle handeln darf, und der Häufigkeit und den entsprechenden Hinweisen zur
Unvorhersehbarkeit des Ereignisses hätte das Gericht dann gegebenenfalls schließen
können, dass für diesen Zeitraum außerhalb der regulären Arbeitszeit nicht von
einem Zustand ausgegangen werden kann, der Voraussetzung für die
Inanspruchnahme einer Freiwache ist. Wegen eines fehlenden substantiierten
Vortrages hat deshalb auch eine „pauschale“ Beweisaufnahme über „die Verhältnisse
an Bord“ zu unterbleiben.
87
Dies gilt insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass der Kläger ausweislich des
Anlagenkonvoluts K 2 gerade nicht zu jeder Tages- und Nachtzeit zur Arbeitsleistung
herangezogen worden ist. In der Regel schlossen sich die Überstunden an die
regulären Wachen an oder wurden unmittelbar vor den Wachdiensten geleistet.
Grundsätzlich leistete der Kläger arbeitstäglich (nur) zwei (längere) Schichten, sodass
er die dazwischenliegende Zeit ungestört war. Zumindest einmal am Tag hatte er
eine zumindest sechsstündige arbeitsfreie Zeit.
88
Der Kläger kann sich zur Anspruchsbegründung bzw. zum Nachweis konkludent
angeordneter Anwesenheit an Bord auch nicht mit Erfolg auf die Erprobungseinsätze
berufen, bei denen es sich – unstreitig – um sog. Allhands-Manöver handelt. Die
Beklagte hat unbestritten vorgetragen, dass diese Einsätze von vornherein feststehen
und arbeitstechnisch (während der regulären Arbeitszeit, durch Anordnung von
Überstunden und ggf. durch Anordnung von Anwesenheit an Bord) vom Leiter der
Erprobung und dem Kapitän am Vorabend eingeplant werden. So hat die Beklagte
zudem
unwidersprochen
erstinstanzlich
vorgetragen,
dass
in
dem
streitgegenständlichen Zeitraum für den Kläger an diversen Tagen Anwesenheit an
Bord angeordnet worden sei, die dann mit der Hälfte der Arbeitszeit auch vergütet
worden sei. Dies steht in Einklang mit der Behauptung der Beklagten, dass die
Erprobungseinsätze geplant werden.
89
(4) Es ist mithin gerade im Falle der Allhands-Manöver denkbar, dass im Einzelfall
aufgrund der konkreten Umstände (z. B. die konkrete Wetterlage, die die zeitliche
Festlegung der Einsätze im Einzelfall nicht planbar macht) auch außerhalb der
regelmäßigen Arbeitszeit für den Kläger von konkludent angeordneter Anwesenheit
an Bord ausgegangen werden muss. Insoweit hat der Kapitän einen sich aus seiner
Verantwortung für Schiff und Mannschaft ergebenden Beurteilungsspielraum, wann er
59
für die Mannschaft oder einzelne Besatzungsmitglieder Anwesenheit anordnet oder
anzuordnen hat. Dazu bedarf es aber eines substantiierten Vortrages im Einzelfall,
woran es hier fehlt.
90
(5) Entgegen der Auffassung des Klägers hat das Arbeitsgericht auch nicht die
Darlegungslast im Hinblick auf das Vorliegen der „Anordnung von Anwesenheit an
Bord“ verkannt. § 46 Nr. 11 Abs. 2 TVöD-BT-V-Bund enthält nicht in Form eines
Regel-Ausnahme-Prinzips den Grundsatz, dass außerhalb der regelmäßigen
Arbeitszeit grundsätzlich von vergütungspflichtiger angeordneter Anwesenheit an
Bord ausgegangen werden muss. Dies ergibt sich insbesondere nicht aus den Worten
„es sei denn, dass Freizeit gewährt oder Arbeit angeordnet wird“. Im Gegensatz zur
vergütungspflichtigen Arbeit und Anwesenheit an Bord (in Form eines
Bereitschaftsdienstes), die ausdrücklich oder konkludent angeordnet werden müssen,
wird die Freiwache schlicht faktisch gewährt. Zur Gewährung der Freiwache bedarf
es weder einer Anordnung noch einer Genehmigung durch den Arbeitgeber.
Vielmehr wird die Freiwache regelmäßig dadurch gewährt, dass die Arbeitszeit, d. h.
der
Wachdienst,
endet.
Sofern
ein
Seemann
indessen
die
Bereitschaftsdienstvergütung für angeordnete Anwesenheit an Bord beansprucht,
muss er – den allgemeinen prozessualen Darlegungs- und Beweislastregelungen
folgend – vortragen, aufgrund welcher konkreten Umstände davon ausgegangen
werden musste, dass die Anwesenheit an Bord nach dem regulären Wachdienst und
sich ggf. anschließend angeordneter Überstunden konkludent angeordnet war.
91
2. Nach alledem war die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
92
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO i. V. m. § 64 Abs. 6 ArbGG. Der Kläger
trägt auch die Kosten für den unzulässigen, jedenfalls aber unbegründeten erledigten
Feststellungsantrag.
93
Anlass zur Zulassung der Revision besteht nicht. Zweifel hinsichtlich der Auslegung
der hier streitgegenständlichen Tarifvorschrift bestehen nicht, nachdem das
Bundesarbeitsgericht zuletzt mit Urteil vom 28.05.2009 nochmals seine Auffassung zu
dem inhaltsgleichen § 47 Nr. 3 Absatz 1 TVöD-BT-V bestätigt hat. Im Übrigen beruht
die Entscheidung auf den Besonderheiten des Einzelfalles unter Berücksichtigung des
pauschalen klägerischen Vortrages.
Quelle: Juris GmbH
60
Widerruf der Bestellung eines Datenschutzbeauftragten
(BAG, Pressemitteilung Nr. 22/11 vom 23.3.11 (zu 10 AZR 562/09))
Nach § 4 f Abs. 3 Satz 4 BDSG kann die Bestellung zum Beauftragten für den Datenschutz in
entsprechender Anwendung von § 626 BGB aus wichtigem Grund widerrufen werden.
Weder die Entscheidung des Arbeitgebers, zukünftig die Aufgaben eines Beauftragten für den
Datenschutz durch einen externen Dritten wahrnehmen zu lassen, noch die Mitgliedschaft
im Betriebsrat stellen einen solchen wichtigen Grund für den Widerruf dar.
Die seit 1981 bei der Beklagten zu 1) beschäftigte Klägerin wurde im Jahr 1992 zur
Datenschutzbeauftragten der Beklagten zu 1) und deren 100%iger Tochtergesellschaft, der
Beklagten zu 2), berufen. Diese Aufgabe nahm ca. 30 % ihrer Arbeitszeit in Anspruch. Seit
1994 ist die Klägerin auch Mitglied im Betriebsrat bei der Beklagten zu 1). Am 12. August
2008 beschlossen die Beklagten, die Aufgaben des Beauftragten für den Datenschutz
zukünftig konzernweit einheitlich durch einen externen Dritten wahrnehmen zu lassen. Sie
widerriefen deshalb die Bestellung der Klägerin. Die Beklagte zu 1) sprach zudem gegenüber
der Klägerin eine Teilkündigung dieser Aufgabe aus. Die Klägerin hat sich mit ihrer Klage
gegen diese Maßnahmen gewandt.
Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Die Revision der Beklagten hatte vor dem
Zehnten Senat des Bundesarbeitsgerichts keinen Erfolg.
Die gesetzliche Regelung der § 4 f Abs. 3 Satz 4 BDSG, § 626 BGB gewährt dem
Beauftragten für den Datenschutz einen besonderen Abberufungsschutz. Damit soll dessen
Unabhängigkeit und die weisungsfreie Ausübung des Amtes gestärkt werden. Eine
Abberufung ist nur aus wichtigem Grund möglich, wenn eine Fortsetzung des
Rechtsverhältnisses für den Arbeitgeber unzumutbar ist. Zwar ist der Arbeitgeber bei der
erstmaligen Bestellung frei, ob er einen internen oder externen Datenschutzbeauftragten
bestellt. Hat er hingegen einen internen Beauftragten bestellt, kann er nicht dessen
Bestellung allein mit der Begründung widerrufen, er wolle nunmehr einen Externen
konzernweit
mit
dieser
Aufgabe
beauftragen.
Allein
in
einer
solchen
Organisationsentscheidung liegt kein wichtiger Grund. Ebenso wenig rechtfertigt die bloße
Mitgliedschaft im Betriebsrat, die Zuverlässigkeit eines Beauftragten für den Datenschutz in
Frage zu stellen. Auf konkrete Pflichtenverstöße haben sich die Beklagten nicht berufen.
Bundesarbeitsgericht,
Urteil
vom
23. März
2011
- 10 AZR
562/09 Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 28. Mai 2009 - 5 Sa 425 und
434/09
Quelle: Pressemitteilungen des BAG
61
§ 622 II 2 BGB verstößt gegen EU-Recht
(BAG, Urteil vom 9.9.10, Az: 2 AZR 714/08)
Leitsätze
§ 622 Abs. 2 Satz 2 BGB ist mit Unionsrecht unvereinbar und für Kündigungen, die nach dem
2. Dezember 2006 erklärt wurden, wegen des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts nicht
mehr anzuwenden.
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom
31. Juli 2008 - 10 Sa 295/08 - aufgehoben.
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern Auswärtige Kammern Pirmasens - vom 9. April 2008 - 4 Ca 801/07 - teilweise abgeändert
und zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:
Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis weder durch die ordentliche Kündigung der
Beklagten vom 28. November 2007 zum 31. Dezember 2007, noch durch die
außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 20. Dezember 2007 mit sofortiger Wirkung
aufgelöst worden ist, sondern bis zum 31. März 2008 fortbestanden hat.
Die Klägerin hat 3/5 der Kosten erster Instanz zu tragen, die Beklagte 2/5.
Die Kosten der Berufung und der Revision hat die Beklagte zu tragen.
Tatbestand
Die Parteien streiten noch über den Zeitpunkt der Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses
aufgrund ordentlicher arbeitgeberseitiger Kündigung vom 28. November 2007.
Die im Jahr 1979 geborene Klägerin war seit dem 15. September 1998 bei der Beklagten
zunächst im Rahmen einer dreijährigen Berufsausbildung und unmittelbar anschließend als
Einzelhandelskauffrau tätig. Ihr Bruttomonatsverdienst betrug zuletzt 1.857,00 Euro.
Mit Schreiben vom 28. November 2007, der Klägerin zugegangen am 1. Dezember 2007,
kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis „zum 31.12.2007 fristgerecht, hilfsweise zum
nächstmöglichen Zeitpunkt … wegen Geschäftsschließung“. Mit weiterem Schreiben vom
20. Dezember 2007 kündigte sie das Arbeitsverhältnis „fristlos und hilfsweise zum nächst
zulässigen Termin“.
Die Klägerin hat gegen beide Kündigungen Klage erhoben. Hinsichtlich der Kündigung vom
28. November 2007 hat sie im Verlauf des erstinstanzlichen Verfahrens nur noch geltend
gemacht, die Beklagte habe die maßgebende Kündigungsfrist nicht eingehalten. Diese
betrage drei Monate zum Monatsende. Bei der Berechnung der Beschäftigungsdauer sei
auch die Zeit vor Vollendung ihres 25. Lebensjahrs zu berücksichtigen. Einen ursprünglich
angekündigten allgemeinen Feststellungsantrag und einen Antrag auf Erteilung eines
Arbeitszeugnisses hat sie schon erstinstanzlich nicht mehr verfolgt.
Die Klägerin hat - sinngemäß - beantragt,
62
1.
festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom
28. November 2007 nicht zum 31. Dezember 2007 aufgelöst worden ist,
sondern - so der erstinstanzlich gestellte Antrag - bis zum 29. Februar 2008
bzw. - so der zuletzt gestellte Antrag - bis zum 31. März 2008 fortbestanden
hat;
2.
festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die fristlose,
hilfsweise ordentliche Kündigung vom 20. Dezember 2007 aufgelöst worden
ist.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Das Arbeitsverhältnis habe - aufgrund der
Kündigung vom 28. November 2007 - spätestens am 31. Januar 2008 geendet. Bei der
Berechnung der Kündigungsfrist sei lediglich eine dreijährige Betriebszugehörigkeit der
Klägerin zu berücksichtigen. Die Regelung des § 622 Abs. 2 Satz 2 BGB sei wirksam.
Jedenfalls genieße sie entsprechenden Vertrauensschutz. Zeiten der Berufsausbildung
zählten bei der Berechnung der Frist nicht mit.
Das Arbeitsgericht hat dem Klageantrag zu 2. stattgegeben und auf den Antrag zu 1.
festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 28. November 2007 nicht
zum 31. Dezember 2007 aufgelöst worden ist, sondern bis zum 31. Januar 2008
fortbestanden hat. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat
die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr noch
rechtshängiges Feststellungsbegehren weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist begründet. Die auf das Arbeitsverhältnis anzuwendende
gesetzliche Kündigungsfrist betrug nach § 622 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB drei Monate zum
Monatsende. Bei der Berechnung der Beschäftigungsdauer iSv. § 622 Abs. 2 Satz 1 BGB sind
auch die Zeiten zu berücksichtigen, die vor der Vollendung des 25. Lebensjahrs der Klägerin
liegen.
I. Die Klage ist mit dem zuletzt gestellten Antrag zu 1. zulässig. Dabei kann offenbleiben, ob
dessen Erweiterung in der Berufungsinstanz als Klageänderung iSv. § 263 ZPO oder in
Anbetracht der Klagebegründung als ein Fall des § 264 Nr. 2 ZPO anzusehen ist. Die
Beklagte hat sich iSv. § 267 ZPO vorbehaltlos auch auf den erweiterten Antrag eingelassen.
II. Die Klage ist begründet.
1. Der Klägerin ist es materiell-rechtlich nicht verwehrt, sich auf einen Fortbestand des
Arbeitsverhältnisses bis zum 31. März 2008 zu berufen.
a) Der Arbeitnehmer kann auch nach der zum 1. Januar 2004 in Kraft getretenen
Neufassung des § 4 KSchG durch das Gesetz zu Reformen am Arbeitsmarkt vom
24. Dezember 2003 (BGBl. I S. 3002) die Nichteinhaltung der Kündigungsfrist außerhalb der
fristgebundenen Klage gemäß § 4 Satz 1 KSchG geltend machen. Das gilt zumindest in
solchen Fällen, in denen dem Kündigungsschreiben - ggf. im Wege der Auslegung - zu
entnehmen ist, dass der Kündigende eine ordentliche Kündigung unter Wahrung der
objektiv einzuhaltenden Kündigungsfrist erklären wollte. Liegt diese Voraussetzung vor und
rügt der Arbeitnehmer lediglich (noch) die Nichteinhaltung der Kündigungsfrist, greift er
damit die Wirksamkeit der Kündigung nicht an. Sein Klageziel ist dann nicht (mehr) auf eine
63
„Nichtauflösung“ des Arbeitsverhältnisses iSv. § 4 Satz 1 KSchG gerichtet (Senat 6. Juli 2006
- 2 AZR 215/05 - Rn. 15, AP KSchG 1969 § 4 Nr. 57; 15. Dezember 2005 - 2 AZR 148/05 Rn. 14 ff., BAGE 116, 336; so im Grundsatz auch BAG 1. September 2010 - 5 AZR 700/09 Rn. 20, NZA 2010, 1409).
b) Im Streitfall entsprach es dem erklärten Willen der Beklagten, die Kündigung vom
28. November 2007 unter Wahrung der objektiv zutreffenden Kündigungsfrist
auszusprechen. Das ergibt sich eindeutig aus der Formulierung, wonach die Erklärung
„hilfsweise zum nächstmöglichen Zeitpunkt“ wirken solle.
c) Konnte die Klägerin danach die Nichteinhaltung der Kündigungsfrist außerhalb der Frist
des § 4 KSchG geltend machen, war es ihr mit Blick auf § 7 KSchG nicht verwehrt, ihr
Feststellungsbegehren noch im Berufungsverfahren auf die Zeit bis zum 31. März 2008
auszudehnen. Das gilt umso mehr, als sie im Rahmen ihrer binnen Dreiwochenfrist
erhobenen Klage von Anfang an die Nichteinhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist von
drei Monaten zum Monatsende gerügt hat. Unter diesen Umständen kommt auch eine
Verwirkung des Rechts, sich auf einen späteren Beendigungstermin als den 29. Februar 2008
zu berufen (vgl. dazu Senat 15. Dezember 2005 - 2 AZR 148/05 - Rn. 32, BAGE 116, 336),
nicht in Betracht.
2. Die Kündigung vom 28. November 2007 hat das Arbeitsverhältnis erst zum 31. März
2008 beendet. Zwar wäre der 31. Januar 2008, bis zu dem die Vorinstanzen den
Fortbestand des Arbeitsverhältnisses festgestellt haben, der sich auf der Grundlage von
§ 622 Abs. 2 Satz 2 BGB errechnende Kündigungstermin. Die Vorschrift ist aber mit
Unionsrecht nicht zu vereinbaren und im Streitfall nicht anzuwenden.
a) Der Gerichtshof der Europäischen Union hat erkannt, dass das Unionsrecht,
insbesondere das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters in seiner Konkretisierung
durch die Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines
allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und
Beruf dahin auszulegen ist, dass es einer Regelung wie § 622 Abs. 2 Satz 2 BGB
entgegensteht, nach der vor Vollendung des 25. Lebensjahrs liegende Beschäftigungszeiten
des Arbeitnehmers bei der Berechnung der Kündigungsfrist nicht berücksichtigt werden
(19. Januar 2010 - C-555/07 - [Kücükdeveci] Rn. 43, AP Richtlinie 2000/78/EG Nr. 14 = EzA EGVertrag 1999 Richtlinie 2000/78 Nr. 14). Dabei obliegt es dem nationalen Gericht, bei dem
ein Rechtsstreit über das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters in seiner
Konkretisierung durch die Richtlinie 2000/78/EG anhängig ist, im Rahmen seiner
Zuständigkeiten den rechtlichen Schutz, der sich für den Einzelnen aus dem Unionsrecht
ergibt, sicherzustellen und die volle Wirksamkeit des Unionsrechts zu gewährleisten, indem
es erforderlichenfalls jede diesem Verbot entgegenstehende Bestimmung des nationalen
Rechts unangewendet lässt (EuGH 19. Januar 2010 - C-55/07- [Kücükdeveci] Rn. 51, aaO;
22. November 2005 - C-144/04 - [Mangold] Rn. 77, Slg. 2005, I-9981).
b) Daran ist der Senat gebunden (vgl. BAG 1. September 2010 - 5 AZR 700/09 - Rn. 18,
NZA 2010, 1409). Die Entscheidung des Gerichtshofs beruht auf der ihm zukommenden
Auslegung des Unionsrechts (Art. 19 Abs. 1 EUV, Art. 267 AEUV) und hält sich im Rahmen
der ihm zugewiesenen Kompetenzen. Das betrifft sowohl die Herleitung eines allgemeinen
Grundsatzes des Verbots der Altersdiskriminierung als auch die Bestimmung des
Anwendungsbereichs des Verbots durch die Richtlinie, zu deren effektiver Umsetzung die
Mitgliedstaaten mit Ablauf der Umsetzungsfrist gemäß Art. 288 Abs. 3 AEUV iVm. Art. 4
Abs. 3 EUV verpflichtet waren (vgl. BVerfG 6. Juli 2010 - 2 BvR 2661/06 - Rn. 71, 78, EzA
TzBfG § 14 Nr. 66; BAG 26. April 2006 - 7 AZR 500/04 - Rn. 19, 24, BAGE 118, 76; Krois Anm.
EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2000/78/EG Nr. 14 S. 17, 28; Preis/Temming NZA 2010, 185,
64
187; Pötters/Traut ZESAR 2010, 267, 274). Dass § 622 Abs. 2 Satz 2 BGB vom deutschen
Gesetzgeber nicht zur Umsetzung der Richtlinie, sondern weit früher erlassen wurde, ist
angesichts der durch die Richtlinie vermittelten Geltung des unionsrechtlichen Verbots der
Altersdiskriminierung unbeachtlich.
c) Der Anwendungsvorrang des Unionsrechts (BVerfG 6. Juli 2010 - 2 BvR 2661/06 - Rn. 53,
EzA TzBfG § 14 Nr. 66; 18. November 2008 - 1 BvL 4/08 - Rn. 12, EzA BGB 2002 § 622 Nr. 6)
führt dazu, dass sich die Kündigungsfrist allein nach § 622 Abs. 2 Satz 1 BGB berechnet.
§ 622 Abs. 2 Satz 2 BGB ist unanwendbar.
aa) Der Streitfall liegt im Anwendungsbereich des Unionsrechts. Die in Rede stehende
Kündigung ging der Klägerin am 1. Dezember 2007 zu. Zu diesem Zeitpunkt war die für die
Bundesrepublik Deutschland ua. hinsichtlich des Diskriminierungsmerkmals „Alter“ bis zum
2. Dezember 2006 verlängerte Frist zur Umsetzung der Richtlinie 2000/78/EG abgelaufen.
bb) § 622 Abs. 2 Satz 2 BGB ist einer unionsrechtskonformen Auslegung, die grundsätzlich
den nationalen Gerichten vorbehalten ist (EuGH 19. Januar 2010 - C-555/07 - [Kücükdeveci]
Rn. 48 mwN, AP Richtlinie 2000/78/EG Nr. 14 = EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2000/78
Nr. 14), nicht zugänglich (so schon LAG Düsseldorf in seinem Vorlagebeschluss vom
21. November 2007 - 12 Sa 1311/07 - LAGE BGB 2002 § 622 Nr. 3). Der Wortlaut der
Vorschrift ist, was die ausnahmslos angeordnete Nichtberücksichtigung vor Vollendung des
25. Lebensjahrs liegender Beschäftigungszeiten anbelangt, eindeutig. Eine dem
entgegenstehende Auslegung wäre nicht zulässig (vgl. BVerfG 24. Mai 1995 - 2 BvF 1/92 zu D I der Gründe, BVerfGE 93, 37; BAG 18. Februar 2003 - 1 ABR 2/02 - zu B IV 3 b dd (1) der
Gründe, BAGE 105, 32).
cc) Die Nichtanwendung des § 622 Abs. 2 Satz 2 BGB beseitigt die mit der Regelung
verbundene Altersdiskriminierung. Die Kündigungsfristenregelung des § 622 Abs. 2 BGB ist
nicht insgesamt unanwendbar. Es entfällt lediglich die in § 622 Abs. 2 Satz 2 BGB enthaltene
Einschränkung ihres Anwendungsbereichs, die Arbeitnehmer benachteiligt, die vor
Vollendung des 25. Lebensjahrs in den Betrieb eingetreten sind. Dies führt mittelbar zu
einer „Anpassung nach oben“, nämlich zur ausschließlichen Anwendung von § 622 Abs. 2
Satz 1 BGB (vgl. Bauer/v.Medem ZIP 2010, 449, 453; Krois Anm. EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie
2000/78/EG Nr. 14 S. 17, 40; Preis/Temming NZA 2010, 185, 188; Thüsing ZIP 2010, 199,
201 f.). Eine Aussetzung des Rechtsstreits wegen der Nichtanwendbarkeit von § 622 Abs. 2
Satz 2 BGB bis zu einer etwaigen Neuregelung durch den Gesetzgeber kommt nicht in
Betracht. Die gegenteilige Auffassung (Wackerbarth/Kreße EuZW 2010, 252) überzeugt
schon deshalb nicht, weil sie mit der Bindung der Mitgliedstaaten an das Unionsrecht und
der Verpflichtung zu dessen effektiver Umsetzung in Widerspruch stünde. Im Übrigen
bestehen angesichts der Gesetzessystematik keine Zweifel an einem mit § 622 Abs. 2 Satz 1
BGB verbundenen eigenständigen gesetzgeberischen „Anwendungsbefehl“.
dd) Dieses Ergebnis widerspricht nicht Art. 20 Abs. 3 GG. Der Anwendungsvorrang des
Unionsrechts ist verfassungsrechtlich durch Art. 23 Abs. 1 GG legitimiert und Teil des vom
Grundgesetz gewollten Integrationsauftrags (BVerfG 30. Juni 2009 - 2 BvE 2/08 ua. - Rn. 331
ff., BVerfGE 123, 267; 18. November 2008 - 1 BvL 4/08 - EzA BGB 2002 § 622 Nr. 6).
ee) Der Nichtanwendung von § 622 Abs. 2 Satz 2 BGB steht kein der Beklagten zu
gewährender Vertrauensschutz entgegen.
(1) Urteile des Gerichtshofs der Europäischen Union, die in Vorabentscheidungsverfahren
ergehen, wirken im Grundsatz auch für die Vergangenheit unbegrenzt. Die Auslegung einer
Bestimmung des Unionsrechts durch den Gerichtshof beschränkt sich darauf zu erläutern
und zu verdeutlichen, wie die Regelung seit ihrem Inkrafttreten zu verstehen und
65
anzuwenden ist. Daraus folgt, dass die innerstaatlichen Gerichte die Vorschrift in dieser
Auslegung auch auf Rechtsverhältnisse, die vor der fraglichen Entscheidung entstanden sind,
anwenden müssen (vgl. EuGH 15. März 2005 - C-209/03 - [Bidar] Rn. 66, Slg. 2005, I-2119).
Der Gerichtshof kann die Möglichkeit, sich auf die Auslegung zu berufen, die er einer
unionsrechtlichen Bestimmung gegeben hat, nur ausnahmsweise mit Wirkung für alle
Betroffenen zeitlich beschränken (EuGH 12. Februar 2009 - C-138/07 - [Cobelfret] Rn. 68,
Slg. 2009, I-731; 15. März 2005 - C-209/03 - [Bidar] Rn. 67, aaO; BAG 23. März 2010 - 9 AZR
128/09 - Rn. 74, AP SGB IX § 125 Nr. 3 = EzA BUrlG § 7 Abgeltung Nr. 16).
(2) Für die Entscheidung über die zeitliche Begrenzung der Unanwendbarkeit einer gegen
Primärrecht verstoßenden Norm ist mit Blick auf den Anwendungsvorrang des
Unionsrechts und die nötige einheitliche Anwendung in den Mitgliedstaaten allein der
Gerichtshof zuständig. Äußert er sich im Rahmen eines Vorabentscheidungsersuchens zu
der Frage der Rückwirkung oder zeitlichen Begrenzung seiner Antwort nicht, schließt er
damit unionsrechtlichen Vertrauensschutz regelmäßig aus (BAG 23. März 2010 - 9 AZR
128/09 - Rn. 77 mwN, AP SGB IX § 125 Nr. 3 = EzA BUrlG § 7 Abgeltung Nr. 16).
(3) Der Gerichtshof hat den Tenor seiner Entscheidung vom 19. Januar 2010 (- C-555/07 [Kücükdeveci] AP Richtlinie 2000/78/EG Nr. 14 = EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2000/78
Nr. 14) zeitlich nicht begrenzt und damit keinen Vertrauensschutz gewährt (BAG
1. September 2010 - 5 AZR 700/09 - Rn. 19, NZA 2010, 1409). Dafür spricht zudem, dass das
Landesarbeitsgericht in seinem Vorabentscheidungsersuchen ausdrücklich danach gefragt
hat, ob § 622 Abs. 2 Satz 2 BGB bei anzunehmendem Verstoß gegen Unionsrecht
unangewendet zu lassen ist oder ob dem Vertrauen der Normunterworfenen in die
Anwendung innerstaatlicher Gesetze durch eine zeitliche Begrenzung dieser Folge
Rechnung getragen werden kann (LAG Düsseldorf 17. Februar 2010 - 12 Sa 1311/07 - LAGE
BGB 2002 § 622 Nr. 5). Da der Gerichtshof die Frage klar in ihrer ersten Alternative
bejahte, hat er zugleich gegen den nachgesuchten Vertrauensschutz erkannt.
(4) Ein sekundärer Vertrauensschutz durch Ersatz eines Vertrauensschadens (dazu und zu
möglichen Voraussetzungen BVerfG 6. Juli 2010 - 2 BvR 2661/06 - Rn. 84 f., EzA TzBfG § 14
Nr. 66) ist nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits. Die Beklagte hat nicht geltend
gemacht, im Vertrauen auf die Regelung des § 622 Abs. 2 Satz 2 BGB Dispositionen
getroffen zu haben, die sie im Wissen um ihre Unanwendbarkeit überhaupt nicht oder in
anderer Form getätigt hätte.
d) Hat danach § 622 Abs. 2 Satz 2 BGB wegen des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts
unangewendet zu bleiben, kommt es auf die vom Landesarbeitsgericht aufgeworfene Frage
der Vereinbarkeit der Regelung mit Art. 3 Abs. 1 GG nicht mehr an.
e) Bei Anwendung von § 622 Abs. 2 Satz 1 BGB und ausgehend von einer neunjährigen
Beschäftigungsdauer der Klägerin beträgt die Kündigungsfrist drei Monate zum Monatsende,
§ 622 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB. Dass die ersten drei Beschäftigungsjahre in einem
Ausbildungsverhältnis zurückgelegt wurden, steht dem nicht entgegen.
aa) Der Senat hat bereits entschieden, dass Zeiten der Berufsausbildung im Rahmen von
§ 622 Abs. 2 Satz 1 BGB zu berücksichtigen sind, soweit die Ausbildung nach Vollendung
des 25. Lebensjahrs des Auszubildenden erfolgte (BAG 2. Dezember 1999 - 2 AZR 139/99 AP BGB § 622 Nr. 57 = EzA BGB § 622 nF Nr. 60). Die verlängerten Kündigungsfristen
honorieren letztlich die Betriebs- bzw. Unternehmenstreue und sollen der damit
typischerweise einhergehenden Verminderung der Flexibilität des Arbeitnehmers Rechnung
tragen. Insoweit macht es keinen Unterschied, ob die Zeit im Betrieb bzw. Unternehmen in
einem reinen Arbeitsverhältnis oder - sei es auch nur teilweise - in einem
Ausbildungsverhältnis verbracht wurde.
66
bb) Diese Überlegungen treffen gleichermaßen auf Zeiten zu, die ein Arbeitnehmer vor
Vollendung seines 25. Lebensjahrs in einem Ausbildungsverhältnis zurückgelegt hat.
III. Die Parteien haben die Kosten des Rechtsstreits im Umfang ihres jeweiligen Obsiegens
und Unterliegens in den Instanzen zu tragen (§ 92 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO).
Dementsprechend hat die Beklagte die Kosten der Berufung und die der Revision zu tragen.
Was die erste Instanz anbelangt, trifft die Klägerin mangels Kostenprivilegierung der
Teilrücknahme der Klage (vgl. GMP/Germelmann ArbGG 7. Aufl. § 12 Rn. 18) eine Kostenlast
insoweit, als sie anhängig gemachte Anträge nicht mehr weiterverfolgt hat. Das gilt auch für
die Beschränkung ihres ursprünglich unbegrenzten Kündigungsschutzantrags auf die
Einhaltung der Kündigungsfrist. Danach entfallen auf die Klägerin, ausgehend von einem
erstinstanzlichen Gerichtsgebührenwert von 9.285,00 Euro, 3/5 und auf die Beklagte 2/5 der
Kosten erster Instanz.
Kreft
SchmitzScholemann
Krichel
Berger
Pitsch
67
Personenbedingte Kündigung wegen längerer Freiheitsstrafe kann
gerechtfertigt sein
(BAG, Pressemitteilung Nr. 24/11 vom 24.3.11 (zu 2 AZR 790/09))
Die Verbüßung einer mehrjährigen Freiheitsstrafe ist grundsätzlich geeignet, die ordentliche
Kündigung des Arbeitsverhältnisses zu rechtfertigen. Haben die der strafgerichtlichen
Verurteilung zugrunde liegenden Taten keinen Bezug zum Arbeitsverhältnis, kommt
regelmäßig nur eine personenbedingte Kündigung in Betracht. Sowohl bei den
Anforderungen an den Kündigungsgrund als auch bei der einzelfallbezogenen
Interessenabwägung ist
zu
berücksichtigen,
dass
der
Arbeitnehmer
seine
Leistungsunmöglichkeit und die damit einhergehende Störung des Arbeitsverhältnisses selbst
zu vertreten hat. Dem Arbeitgeber sind deshalb zur Überbrückung der Fehlzeit
typischerweise geringere Anstrengungen und Belastungen zuzumuten als bei einer
Verhinderung des Arbeitnehmers etwa wegen Krankheit. Zudem ist auf die voraussichtliche
Dauer der Leistungsunmöglichkeit Bedacht zu nehmen. Jedenfalls dann, wenn gegen den
Arbeitnehmer rechtskräftig eine Freiheitsstrafe von mehr als zwei Jahren verhängt worden
ist, kann der Arbeitgeber den Arbeitsplatz in der Regel dauerhaft neu besetzen.
In Anwendung dieser Grundsätze hat der Zweite Senat des Bundesarbeitsgerichts - anders
als die Vorinstanz - die Kündigungsschutzklage eines Arbeitnehmers abgewiesen. Der Kläger
war bei der Beklagten seit 1992 als Industriemechaniker beschäftigt. Im November 2006
wurde er in Untersuchungshaft genommen. Im Mai 2007 wurde er - bei fortbestehender
Inhaftierung - zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sieben Monaten verurteilt.
Gleichzeitig wurde die zur Bewährung erfolgte Aussetzung einer Freiheitsstrafe von einem
Jahr und zehn Monaten widerrufen. Laut Vollzugsplan war die Möglichkeit eines offenen
Vollzugs zunächst nicht vorgesehen. Eine dahingehende Prüfung sollte erstmals im Dezember
2008 erfolgen. Die Beklagte besetzte den Arbeitsplatz des Klägers dauerhaft mit einem
anderen Arbeitnehmer und kündigte das Arbeitsverhältnis im Februar 2008 ordentlich.
Die Kündigung ist aus einem in der Person des Klägers liegenden Grund gerechtfertigt. Der
Beklagten war es unter Berücksichtigung der Dauer der Freiheitsstrafe nicht zumutbar, an
dem Arbeitsverhältnis festzuhalten.
Bundesarbeitsgericht,
Urteil
vom
24.
März
2011
2
AZR
790/09
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Niedersachsen, Urteil vom 27. Mai 2009 - 2 Sa 1261/08 –
Quelle: Pressemitteilungen des BAG
68
-
Auch nach der Neuregelung des Tarifrechts kann eine Kündigung wegen
des ausserdienstlichen Verhaltens gerechtfertigt sein
(BAG, Urteil vom 28.10.10, Az: 2 AZR 293/09)
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 12. Februar
2009 - 17 Sa 1567/08 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer fristgemäßen Kündigung.
Der Kläger ist 1981 geboren, verheiratet und zwei Kindern zum Unterhalt verpflichtet. Er
war nach Abschluss seiner im September 1998 begonnenen Ausbildung seit dem 21. Juli
2001 als Straßenbauarbeiter bei der beklagten Stadt beschäftigt. Aufgrund vertraglicher
Verweisung findet auf das Arbeitsverhältnis der Parteien der Tarifvertrag für den
öffentlichen Dienst (TVöD-AT und TVöD-BT-V) Anwendung.
Vom 1. bis zum 25. Februar 2008 befand sich der Kläger wegen des Vorwurfs der
Zuhälterei und des Menschenhandels in Untersuchungshaft. Nach Erhebung der Anklage
wegen Zuhälterei, vorsätzlicher Körperverletzung, erpresserischen Menschenraubs,
Erpressung, schweren Menschenhandels und sexueller Nötigung hörte die beklagte Stadt
den Kläger am 8. April 2008 zu diesen Vorwürfen an. Er bestritt deren Berechtigung. Mit
rechtskräftigem Urteil vom 21. April 2008 verurteilte das Landgericht den Kläger wegen
gemeinschaftlicher Zuhälterei und Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von
einem Jahr und zehn Monaten auf Bewährung. Diese Verurteilung basierte ua. auf der
Feststellung, dass der Kläger „mit seinem Gehalt, das er bei der [Beklagten] erzielte, nicht
zufrieden (war) und einen zusätzlichen Verdienst (benötigte), um seine Familie zu
ernähren“, und deshalb zusammen mit einem weiteren Täter den Entschluss gefasst hatte,
„im Wege der Zuhälterei Geld zu verdienen“. Dazu hatten die Täter im März 2007 eine
18 Jahre alte tschechische Staatsbürgerin mit deren Einverständnis in Chemnitz abgeholt
und nach B gebracht. Die junge Frau ging sodann in Essen und Dortmund der Prostitution
nach. Im Januar 2008 beschloss der Kläger, sie nach Tschechien zurückzubringen. Als sie
sich weigerte, schlug er sie mit einem Gürtel gegen ihre Unterschenkel.
Im April 2008 waren an mehreren Tagen Presseberichte über den Prozess und die
Verurteilung des Klägers erschienen, in denen auch über das Tatmotiv des Klägers berichtet
worden war.
Mit Schreiben vom 24. April 2008 hörte die beklagte Stadt den bei ihr gebildeten
Personalrat zur beabsichtigten Kündigung des Klägers an. Der Personalrat erhob keine
Bedenken. Mit Schreiben vom 2. Mai 2008 kündigte die beklagte Stadt das Arbeitsverhältnis
der Parteien zum 30. September 2008.
Der Kläger hat Kündigungsschutzklage erhoben. Er hat die Auffassung vertreten, er habe
seine arbeitsvertraglichen Pflichten nicht verletzt. Sein außerdienstliches Fehlverhalten habe
keinen Bezug zum Arbeitsverhältnis. Als Straßenbauer habe er keine dienstlichen Kontakte
zu den Bürgern der Stadt.
Der Kläger hat beantragt
festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom
69
2. Mai 2008 nicht aufgelöst worden ist.
Die beklagte Stadt hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, der
frühere § 8 Abs. 1 Satz 1 BAT habe einen allgemeinen Grundsatz des öffentlichen Dienstes
verdeutlicht, der weiterhin gelte. Begingen Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes Straftaten
von einem gewissen Gewicht oder Taten, die die öffentliche Sicherheit und Ordnung
gefährdeten, liege darin eine grobe Verletzung ihrer arbeitsvertraglichen Pflichten. Durch
die intensive und umfangreiche Prozessberichterstattung über die Taten des Klägers und
seine Motive sei ihr Ruf erheblich geschädigt worden. Der Kläger habe seine Straftaten
unmittelbar mit seinem Arbeitsverhältnis verknüpft, indem er die nach seiner Meinung zu
niedrigere Vergütung als Motiv öffentlich gemacht habe.
Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht
zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers hat keinen Erfolg. Die Vorinstanzen haben die Klage zu Recht
abgewiesen. Die Kündigung ist sozial gerechtfertigt iSv. § 1 Abs. 2 KSchG.
I. Sie ist durch Gründe im Verhalten des Klägers bedingt.
1. Eine Kündigung ist aus Gründen im Verhalten des Arbeitnehmers gemäß § 1 Abs. 2
KSchG sozial gerechtfertigt, wenn der Arbeitnehmer seine Vertragspflichten erheblich
verletzt hat, das Arbeitsverhältnis dadurch auch künftig konkret beeinträchtigt wird, eine
zumutbare Möglichkeit einer anderen, eine weitere Störung zuverlässig ausschließenden
Beschäftigung nicht besteht und die Lösung des Arbeitsverhältnisses in Abwägung der
Interessen beider Vertragsteile billigenswert und angemessen erscheint (Senat 10. September
2009 - 2 AZR 257/08 - Rn. 12, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 60 = EzA
KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 77; 31. Mai 2007 - 2 AZR 200/06 - Rn. 14, AP
KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 57 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte
Kündigung Nr. 71). Der Arbeitnehmer muss dazu keine Hauptpflicht aus dem
Arbeitsverhältnis verletzt haben. Auch die erhebliche Verletzung einer vertraglichen
Nebenpflicht kann eine Kündigung aus verhaltensbedingten Gründen sozial rechtfertigen
(Senat 10. September 2009 - 2 AZR 257/08 - Rn. 12, aaO; 2. März 2006 - 2 AZR 53/05 Rn. 21, AP BGB § 626 Krankheit Nr. 14 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 16).
2. Der Kläger hat seine vertragliche Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen der
Beklagten erheblich verletzt (§ 241 Abs. 2 BGB).
a) Nach der Neuregelung des Tarifrechts besteht für die Beschäftigten des öffentlichen
Dienstes nicht mehr die besondere Pflicht, ihr gesamtes privates Verhalten so einzurichten,
dass das Ansehen des öffentlichen Arbeitgebers nicht beeinträchtigt wird.
aa) Die außer Kraft getretenen Regelungen des § 8 Abs. 1 Satz 1 BAT und des § 8 Abs. 8
Satz 1 MTArb sahen für Angestellte und Arbeiter vor, dass sie sich auch außerdienstlich so
zu verhalten hatten, wie es von Angehörigen des öffentlichen Dienstes erwartet werden
konnte. Eine außerdienstlich begangene Straftat von einigem Gewicht oder verbunden mit
einer Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung konnte auf dieser Grundlage die
Kündigung eines Mitarbeiters des öffentlichen Dienstes grundsätzlich rechtfertigen (Senat
21. Juni 2001 - 2 AZR 325/00 - zu B I 2 a der Gründe, AP BAT § 54 Nr. 5 = EzA BGB § 626 nF
Nr. 189; 8. Juni 2000 - 2 AZR 638/99 - zu B I 2 a der Gründe, BAGE 95, 78).
70
bb) Diese Regelungen sind in die seit dem 1. Oktober 2005 geltenden Tarifwerke für den
öffentlichen Dienst nicht übernommen worden. § 41 TVöD-BT-V hat den früheren
Verhaltensmaßstab aufgegeben (Senat 10. September 2009 - 2 AZR 257/08 - Rn. 17, AP KSchG
1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 60 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung
Nr. 77). Nach Satz 1 der Bestimmung ist nunmehr lediglich „die im Rahmen des
Arbeitsvertrags geschuldete Leistung gewissenhaft und ordnungsgemäß auszuführen“. Nach
Satz 2 der Regelung müssen sich Beschäftigte des Bundes und anderer Arbeitgeber, in deren
Aufgabenbereich auch hoheitliche Tätigkeiten wahrgenommen werden, überdies „durch ihr
gesamtes Verhalten zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung im Sinne des
Grundgesetzes“ bekennen. Darüber hinausgehende Anforderungen an die private
Lebensführung stellt der TVöD nicht mehr, auch nicht an anderer Stelle (Senat
10. September 2009 - 2 AZR 257/08 - Rn. 17, aaO; Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese TVöD
Stand August 2010 § 41 BT-V Rn. 2; Bröhl ZTR 2006, 174, 175, 177).
Mit der Neuregelung haben sich die Tarifvertragsparteien von ihrer bisherigen Orientierung
am Beamtenrecht entfernt und das Arbeitsverhältnis im öffentlichen Dienst als eine
„normale Leistungsaustauschbeziehung“ (Bredendiek/Fritz/Tewes ZTR 2005, 230, 237)
ausgestaltet (Senat 10. September 2009 - 2 AZR 257/08 - Rn. 17, AP KSchG 1969 § 1
Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 60 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 77).
Die Tarifvertragsparteien - und damit auch die Arbeitgeber - haben für die Arbeitnehmer
des öffentlichen Dienstes außer der Pflicht nach § 41 Satz 2 TVöD-BT-V ersichtlich keine
weitergehenden Verhaltenspflichten mehr begründen wollen, als diese auch für Beschäftigte
in der Privatwirtschaft gelten (Senat 10. September 2009 - 2 AZR 257/08 - aaO).
b) § 241 Abs. 2 BGB gilt dagegen auch für die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes. Die
daraus folgende Pflicht, auf die Interessen der Beklagten Rücksicht zu nehmen, hat der
Kläger durch sein außerdienstliches strafbares Verhalten erheblich verletzt.
aa) Nach § 241 Abs. 2 BGB ist jede Partei des Arbeitsvertrages zur Rücksichtnahme auf die
Rechte, Rechtsgüter und Interessen ihres Vertragspartners verpflichtet. Diese Regelung
dient dem Schutz und der Förderung des Vertragszwecks (Senat 10. September 2009 - 2 AZR
257/08 - Rn. 20, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 60 = EzA KSchG § 1
Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 77; 23. Oktober 2008 - 2 AZR 483/07 - Rn. 44, AP BGB § 626
Nr. 218; 2. März 2006 - 2 AZR 53/05 - Rn. 21, AP BGB § 626 Krankheit Nr. 14 = EzA BGB
2002 § 626 Nr. 16). Der Arbeitnehmer hat seine Verpflichtung aus dem Arbeitsverhältnis
so zu erfüllen und die im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehenden Interessen
des Arbeitgebers so zu wahren, wie dies von ihm unter Berücksichtigung seiner Stellung
und Tätigkeit im Betrieb, seiner eigenen Interessen und der Interessen der anderen
Arbeitnehmer des Betriebs nach Treu und Glauben billigerweise verlangt werden kann
(Senat 26. März 2009 - 2 AZR 953/07 - Rn. 24, AP BGB § 626 Nr. 220; 2. März 2006 - 2 AZR
53/05 - Rn. 21, aaO). Er ist auch außerhalb der Arbeitszeit verpflichtet, auf die berechtigten
Interessen des Arbeitgebers Rücksicht zu nehmen (Senat 10. September 2009 - 2 AZR
257/08 - Rn. 20, aaO; 23. Oktober 2008 - 2 AZR 483/07 - Rn. 44, aaO). Allerdings kann ein
außerdienstliches Verhalten des Arbeitnehmers die berechtigten Interessen des
Arbeitgebers oder anderer Arbeitnehmer grundsätzlich nur beeinträchtigen, wenn es einen
Bezug zur dienstlichen Tätigkeit hat, wenn etwa der Arbeitnehmer die Straftat unter
Nutzung von Betriebsmitteln oder betrieblichen Einrichtungen begeht (Senat 10. September
2009 - 2 AZR 257/08 - Rn. 21, aaO). Ein solcher Bezug kann auch dadurch entstehen, dass
sich der Arbeitgeber oder andere Arbeitnehmer staatlichen Ermittlungen ausgesetzt sehen
oder in der Öffentlichkeit mit der Straftat in Verbindung gebracht werden (Senat
27. November 2008 - 2 AZR 98/07 - Rn. 21, AP KSchG 1969 § 1 Nr. 90 = EzA KSchG § 1
Verdachtskündigung Nr. 4; 23. Oktober 2008 - 2 AZR 483/07 - Rn. 58, aaO). Fehlt hingegen ein
71
solcher Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis, scheidet eine Verletzung der
vertraglichen Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen des Arbeitgebers regelmäßig aus
(Senat 10. September 2009 - 2 AZR 257/08 - Rn. 21, aaO; SPV/Preis 10. Aufl. Rn. 690).
bb) Das Landesarbeitsgericht hat im Ergebnis zutreffend angenommen, dass der Kläger
seine Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen der Beklagten verletzt hat. Ungeachtet
des Charakters der von ihm begangenen Straftat besteht der erforderliche Zusammenhang
mit dem Arbeitsverhältnis. Der Kläger hat die Beklagte mit seiner Tat in Beziehung
gebracht. Durch seine - auch in der Presse wiedergegebenen - Äußerungen im
Strafverfahren hat er eine Verbindung zwischen seiner angeblich zu geringen Vergütung
durch die Beklagte und seinem Tatmotiv hergestellt. Auf diese Weise hat er die Beklagte für
sein strafbares Tun „mitverantwortlich“ gemacht. Er hat damit deren Integritätsinteresse
erheblich verletzt. Ein Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes, der in besonderem Maße an
Recht und Gesetz gebunden ist und in dieser Hinsicht einer besonders kritischen
Beobachtung durch die Öffentlichkeit unterliegt, hat ein berechtigtes und gesteigertes
Interesse daran, in keinerlei - und sei es auch abwegigen - Zusammenhang mit Straftaten
seiner Bediensteten in Verbindung gebracht zu werden.
3. Einer vorherigen Abmahnung bedurfte es nicht. Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht
angenommen, dass der Kläger angesichts der Schwere seiner Pflichtverletzung nicht damit
rechnen durfte, die Beklagte werde diese hinnehmen (zu diesem Maßstab Senat 23. Juni 2008
- 2 AZR 103/08 - Rn. 33, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 59 = EzTöD
100 TVöD-AT § 34 Abs. 2 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 17; 15. November 2001 - 2 AZR
605/00 - zu II 4 der Gründe, BAGE 99, 331, 336). Die Revision greift diese Wertung nicht an.
4. Die notwendige Interessenabwägung des Landesarbeitsgerichts ist revisionsrechtlich nicht
zu beanstanden. Das Landesarbeitsgericht hat alle wesentlichen, für und gegen die
Unzumutbarkeit einer dauerhaften Weiterbeschäftigung des Klägers sprechenden Aspekte
berücksichtigt und vertretbar gegeneinander abgewogen. Rechtsfehlerfrei konnte es zu dem
Ergebnis gelangen, dass aufgrund der Schwere der Pflichtverletzung auch die persönlichen
Lebensumstände des Klägers es nicht rechtfertigen, das Arbeitsverhältnis dauerhaft
fortzusetzen. Einen Abwägungsfehler hat die Revision nicht aufgezeigt.
II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.
Kreft
Schmitz-Scholemann
Eylert
Söller
A. Claes
Quelle: Entscheidungsdatenbank des BAG
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Kündigung eines Hornisten wegen Verkleinerung des Orchesters
(BAG, Pressemitteilung Nr. 12/11 vom 27.1.11 (zu 2 AZR 9/10))
Kündigt der Arbeitgeber einem Orchestermusiker, weil er das Orchester verkleinern will, so
können die Arbeitsgerichte diese Entscheidung nicht auf ihre künstlerische Zweckmäßigkeit
hin überprüfen.
Der Kläger ist Hornist. Er war seit dem Jahr 1991 als Orchestermusiker bei der Beklagten
beschäftigt. Nachdem der Freistaat Thüringen mitgeteilt hatte, er wolle die bisher gewährten
Zuwendungen erheblich kürzen, entschloss sich die Beklagte, das Orchester - ua. durch
Streichung aller Hornistenstellen - zu verkleinern und das verbliebene Rumpforchester bei
Bedarf zu ergänzen. Sie kündigte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger nach Anhörung des
Betriebsrats zum 31. Juli 2008. Ob, wie § 5 des einschlägigen Tarifvertrags vorsieht, der
Orchestervorstand vor der Kündigung beteiligt wurde, ist streitig. Der Kläger hat die
Unwirksamkeit der Kündigung geltend gemacht. Die Besetzung eines Kammerorchesters
ohne Horn bzw. Waldhorn sei unsinnig und willkürlich, weil für zahlreiche Werke der
Orchestermusik das Horn essentiell sei - so könne das Stück „Peter und der Wolf“ nur noch
als „Peter ohne Wolf“ aufgeführt werden.
Die Klage blieb vor dem Zweiten Senat des Bundesarbeitsgerichts - wie schon in den
Vorinstanzen - ohne Erfolg. Die Verkleinerung des Orchesters erfolgte aus
nachvollziehbaren wirtschaftlichen Erwägungen. Ob sie - an musikalischen Maßstäben
gemessen - richtig war, hatte der Senat nicht zu beurteilen. Jedenfalls war sie nicht
missbräuchlich und zielte nicht darauf, einzelne, etwa unliebsame, Musiker aus dem
Arbeitsverhältnis zu drängen. Ein Unterbleiben der Beteiligung des Orchestervorstands führt
nach dem Tarifvertrag nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung.
Bundesarbeitsgericht,
Urteil
vom
27. Januar
2011
- 2 AZR
Vorinstanz: Thüringer Landesarbeitsgericht, Urteil vom 25. August 2009 - 1 Sa 1/09 –
Quelle: Pressemitteilungen des BAG
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9/10 -
„Jesus hat Sie lieb“
(LAG Hamm, Pressemitteilung vom 20.4.11 (zu 4 Sa 2230/10))
Das Landesarbeitsgericht (4 Sa 2230/10) hat heute die Berufung der Beklagten gegen das
Urteil des Arbeitsgerichts Bochum vom 08.07.2010 (4 Ca 734/10, siehe Pressemitteilung Nr.
13-2011) verhandelt. Anders als das Arbeitsgericht war das Berufungsgericht der Auffassung,
die außerordentliche Kündigung der Beklagten sei gerechtfertigt. Der mit 6 Stunden im CallCenter der Beklagten teilzeitbeschäftigte Kläger habe sich arbeitsvertragswidrig verhalten,
indem er trotz einer ausdrücklich erteilten Anweisung der Beklagten nicht habe darauf
verzichten wollen, sich am Ende eines jeden Verkaufsvorgangs von den Gesprächspartnern
mit den Worten „Jesus hat Sie lieb, vielen Dank für Ihren Einkauf bei QVC und einen
schönen Tag“ zu verabschieden. Das Berufungsgericht hat auf das Spannungsfeld zwischen
Glaubensfreiheit und unternehmerischer Betätigungsfreiheit hingewiesen und die Grundsätze
aufgezählt, die im Rahmen dieses Abwägungsprozesses anzustellen seien.
In tatsächlicher Hinsicht hat es sodann festgestellt, dass der tiefgläubige Kläger in nicht
ausreichendem Maße hat darlegen können, warum er in innere Nöte gekommen wäre, hätte
er im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit bei der Beklagten darauf verzichtet, die ansonsten
bei der Beklagten übliche Grußformel um die Worte „Jesus hat Sie lieb“ zu ergänzen. Nach
Auffassung der Berufungskammer muss ein Arbeitnehmer, der sich darauf beruft, dass die
Befolgung einer Arbeitsanweisung ihn in seiner Glaubensfreiheit beeinträchtigt,
nachvollziehbar darlegen, dass er ohne innere Not nicht von einer aus seiner Sicht
zwingenden Verhaltensregel absehen könne. Für das Berufungsgericht war in diesem
Zusammenhang von Bedeutung, dass der Kläger der Beklagten anlässlich eines nachfolgenden
Streitverfahrens angeboten hatte, im Rahmen einer sogenannten Prozessbeschäftigung für die
Beklagten tätig zu werden – und sich zugleich für diese Beschäftigung verpflichtet hatte, auf
die Ergänzung der Grußformel zu verzichten.
Die Revision hat das Landesarbeitsgericht nicht zugelassen.
Quelle: Pressemitteilungen des LAG Hamm vom 20.4.2011
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