luxusmarketing

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luxusmarketing
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REPORT
HORIZONT 45/2015
5. November 2015
www.horizont.net/report
LUXUSMARKETING
Halbe Kraft voraus
Von Bettina Sonnenschein
Der Luxusgütermarkt legt erneut
zu, wenn auch verhalten: Turbulenzen an den russischen und
chinesischen Finanzmärkten
verunsichern die Kunden
D
as Wachstum verlangsamt
sich: Währungsschwankungen sind der Hauptgrund dafür, dass der weltweite Luxusmarkt im vergangenen Jahr erneut nicht
mehr so stark zulegen konnte wie in den
Jahren zuvor. Laut dem jährlich veröffentlichten „Worldwide Luxury Report“
von Bain & Company wird die Umsatzsteigerung – nach Berücksichtigung aller
Währungsschwankungen – bis zum Jahresende auf etwa 5 Prozent geschätzt.
Der Gesamtmarkt würde damit dennoch mehr als eine Billion Euro erreichen. Den größten Anteil dieses Mark-
tes, in dem das Beratungsunternehmen
zehn Kategorien zusammenfasst, haben
Luxusautos. Allein durch sie werden
2015 rund 405 Milliarden Euro umgesetzt, eine Steigerung von 8 Prozent im
Vergleich zum Vorjahr. Die sogenannten
Personal Luxury Goods, also Produkte
wie Leder-Accessoires, Mode, Kosmetik
und Parfüm, legen nur ein bis zwei Prozent zu auf 253 Milliarden Euro.
Die Währungsabwertung in China
und die Russland- und Ukraine-Krise
dürften die wichtigsten Faktoren sein,
die den Kaufdrang derzeit etwas vermindern. Hinsichtlich des deutschen Marktes ist Petra-Anna Herhoffer, Leiterin des
Inlux Instituts für Luxus in München,
davon überzeugt, dass das momentan
verlangsamte Wachstum erst den Anfang einer Stagnationsphase darstellt:
„Ich bin sicher, dass es in den kommenden Jahren eine sichtbare Delle geben
wird. Angesichts der vielen Flüchtlinge
werden sich Luxuskäufer hierzulande
die Gewissensfrage stellen: Brauche ich
dieses Schmuckstück oder dieses Kleidungsstück wirklich?“
W
as nicht heißt, dass Luxusgüter generell nicht mehr gefragt sind: „Der Trend, sich
etwas Gutes zu tun, teuer zu reisen, wird
stärker werden“, so Herhoffer. Dort, wo
er zum Lebensstil dazugehört oder bewusste Belohnung ist, bleibt Luxus unangetastet. Das scheint auch eine weitere
Erkenntnis aus der Bain-Studie zu bestätigen: Im Food-Bereich, bei Wein,
Spirituosen und Wasser, bei Luxushotels
sowie im Kunstmarkt zieht der Konsum
an. Eine Art Besinnungsluxus sei das, so
Herhoffer. „Konsumenten werden mehr
Geld ausgeben, wenn es um Investments
in die eigene Leistungsfähigkeit geht.“
Rupert Wild, Inhaber und Gründer
des Münchner Unternehmens White
Communications, spricht von einer zunehmenden Volatilität der Märkte im
Luxussegment: „Diese stellt die Unternehmen vor große Herausforderungen“,
sagt er. „Einerseits entstehen immer wieder neue Märkte, etwa in aufstrebenden
Volkswirtschaften in Asien oder Lateinamerika. Andererseits brechen große,
etablierte Märkte oft von heute auf morgen aufgrund von Verwerfungen in der
Politik, an den Finanzmärkten oder an
den Börsen ein.“
Aus Zielgruppenperspektive steht das
Digitale derzeit bei ihm im Fokus: Dort
sieht Wild gerade die spannendste Entwicklung: Führt der Weg zum Kunden
über Online (siehe Seite 38)? Wie verändert der E-Commerce die Prachtboulevards der Metropolen? Wer hat die
Deutungshoheit bei der Imagebildung?
Das strategische Marketing oder das
Netz mit seiner Stilprägung durch
Trendsetter in Blogs und Postings? Diese
Fragen gilt es zu beantworten, wobei
Wild feststellt: „Die Herausforderungen
führen bei vielen Marktteilnehmern
eher zu Unsicherheit als zu Entschlossenheit.“ Sie bewegten sich zu oft „strategiefrei zwischen den Polen“.
FOTO: COLOURBOX
Leidet unter Stagnation: Die Nachfrage
nach Yachten aus
BRIC-Staaten lässt
spürbar nach
ZUM THEMA
Netz-Haptik
Um das Digitale kommen Luxusmarkenhersteller nicht herum, auch sie müssen
online präsent sein. Auf ihre Premiumfläche im stationären Handel können sie
dennoch nicht verzichten. Denn während
für viele „normale“ Produkte inzwischen
ein E-Commerce-Auftritt oder die Listung bei einem Onlinehändler genügt,
will der Luxuskäufer nach wie vor persönlich bedient werden. Verständlich, bezahlt er doch nicht nur für Marke, Qualität und Image, sondern auch für das ganz
besondere Gefühl, ein geschätzter Kunde
zu sein. Auch dann, wenn er sich das teure
Objekt bereits von allen Seiten im Internet besehen hat. Das haptische Erlebnis
und dazu ein Glas Champagner im Laden
– erst so wird der Luxuskauf perfekt.
Beim Online-Auftritt von Luxusherstellern muss also vor allem gelingen, mit
Information die Kauflust zu verstärken,
um dann den Umsatz in der eigenen
Wertschöpfungskette zu halten.
Bettina Sonnenschein
Ressort Specials
INHALT
Print: Magazine mit luxusaffinen Lesern
erweitern ihre multimediale Präsenz.
32
Apple Watch: Luxusuhrenhersteller ziehen
mit eigenen intelligenten Modellen nach. 34
Interview: Hublot-CEO Jean-Claude Biver
setzt auf Digitalmarketing und Fußball. 35
Kooperation: Maserati und Ermenegildo
Zegna bauen ihre Zusammenarbeit aus. 36
Know-how: Der „Luxury Fashion Report“
zeigt den Markt aus Konsumentensicht. 38
Anzeige
32 REPORT LUXUSMARKETING
HORIZONT 45/2015
5. November 2015
In jedem Fall
glamourös
Die luxusaffine Leserschaft nutzt eine große Auswahl an
Magazinen. Verlage versuchen, ihr auch online etwas zu bieten
Von Roland Karle
M
atteo Thun hat die Einrichtung der Münchner Edeldisko P1 entworfen, aber
auch Uhren für Bulgari und
Swatch, Gläser für Campari, Porzellan für
Rosenthal. Privat liebt der italienische
Stardesigner leere Räume, Anzüge von
Prada und handgenähte Schuhe mit
Kalbsledersohle.
Diese Details seines persönlichen Luxuslebens hat der 63-Jährige gerade in
„Splendid“ gelüftet, dem Supplement des
„Manager Magazins“ (MM). 36 Seiten
umfasst es, ein Drittel davon ist Werbung.
„Wir werden das Anzeigengeschäft perspektivisch ausbauen“, sagt Norbert
Facklam, Leiter des Vermarkters Spiegel
QC. Im Frühjahr 2014 erstmals erschienen, sind für das kommende Jahr drei
Ausgaben angekündigt. Die Erlöse aus
dem Luxussegment seien beim „Manager
Magazin“ sehr stabil. „Werbekunden, die
eine hochkarätige Zielgruppe ansprechen
möchten, erreichen eine hohe Treffgenauigkeit“, so
Frauen- und Food-Themen dominieren Facklam.
Ein Argument, das er beLieblingslektüre der prestigeorientierten Luxus-Shopperin*
legen kann. Anerkannte
Zeitschriftensegment
Index** Anzahl in Mio.
Markt-Media-Studien, von
14-tägliche Frauenzeitschriften
264
0,80
der Allensbacher Markt- und
Ess-Zeitschriften
237
0,86
Werbeträgeranalyse (AWA)
Monatliche Frauenzeitschriften
223
1,37
bis zu Best for Planning
Aktuelle wöchentliche Frauenzeitschriften
193
1,18
(B4P), listen WirtschaftsmeWohn-/Gartenzeitschriften
182
1,30
dien wie „MM“, „WirtRegionale Sonntagszeitungen
172
0,03
schaftswoche“ und „Capital“
Tiermagazine
161
0,14
diesbezüglich ganz oben.
Elternzeitschriften
150
0,27
Was nicht weiter überrascht,
Unterhaltende wöchentliche Frauenzeitschriften
144
1,05
schließlich gehören die meisÖkologie und Umwelt
135
0,12
ten Leser zu den gebildeten
* bezogen auf Beauty-Produkte; innerhalb der Beauty-Frauen-Typologie zählen 11 Prozent
Gutverdienern, die sich „ger(3,97 Mio.) zur „prestigeorientierten Luxus-Shopperin”, für die u. a. folgende Attribute
charakteristisch sind: anspruchsvoll und ausgabefreudig, stark interessiert an Kosmetik,
ne teure Sachen leisten“ – so
selten ohne Make-up, verwöhnt sich ausgiebig mit kostbaren Produkten
** Vergleich Frauen zur Grundgesamtheit (Basis: Index 100)
lautet die Definition für LuGrundgesamtheit: 69,24 Mio., 30 177 Fälle
xusinteressierte in B4P – und
Quelle: Best for Planning 2015 / I
HORIZONT 45/2015
auch bezahlen können.
Das „Handelsblatt“ gibt seit
Herbst 2014 ein eigenes MagazinSupplement heraus, die „FAZ“ hat
ihres erweitert, „Süddeutsche Zeitung“ und „Die Zeit“ sind seit Jahren
jede Woche mit hochwertigen Beilagen präsent. Entscheidermedien – von
der Wirtschaftspresse bis zu den überregionalen Zeitungen – gehören im Mediaplan von Luxusmarken zu den festen
Größen. Gleichwohl: Stammplätze sind
selten, die Verlage müssen kämpfen, um
Werbungtreibende zu überzeugen.
Denn auch andere bieten ein passendes Umfeld. So haben Titel für Essen,
Wohnen und Garten Leser, denen Prestige überdurchschnittlich wichtig ist (siehe
Tabelle). Zu den favorisierten Segmenten
zählen zudem und vor allem gehobene
Frauenzeitschriften, insbesondere Premiumtitel wie „Vogue“, „Elle“ und „Madame“. Zum Frühjahrs- und Herbstbeginn wachsen deren Ausgaben häufig auf
Katalogstärke an. „Printtitel und ganz
speziell hochwertige Hochglanzmagazine
zählen nach wie vor zu den beliebtesten
Werbeformaten für Luxusmarken“, bekräftigt Dorina Geilenkirchen, Anzeigenleiterin von „Madame“.
D
as gilt noch mehr, wenn außergewöhnliche Anlässe hinzukommen, so wie gerade der 35. Geburtstag von „Cosmopolitan“. „Die Oktober-Ausgabe hat ein dickes Anzeigenplus erwirtschaftet. Von der erhöhten
Aufmerksamkeit profitieren auch die
Folgeausgaben. Das hebt unser 4. Quartal
über das Ergebnis des Vorjahres“, berichtet Monika Fendt, Verlagsgeschäftsführerin Bauer Premium. Kein Grund allerdings, sich auszuruhen. Denn im „Zeitalter der Unaufmerksamkeit“ sei es essenziell, die Leserin immer wieder aufs
Neue zu überraschen, betont „Cosmopolitan“-Chefredakteurin Anja Delastik.
„Durch den Einfluss digitaler Medien ist
der Anspruch an die Herangehensweise
und Umsetzung von Geschichten enorm
gestiegen.“ Print muss sich durch Qualität, Expertise und Opulenz von digitalen
Inhalten abgrenzen – und zugleich Brücken in die Onlinewelt bauen.
Darin sind sich die Verantwortlichen
der Premiummagazine einig. Und sie
handeln danach. So wurden bei „Elle“ im
Sommer vergangenen Jahres Print und
Online redaktionell zusammengelegt.
Seither sei die Zahl der Visits um 141 Prozent auf über 1,2 Millionen gestiegen.
„Wir erreichen digital knapp eine halbe
Million Menschen, das hilft uns natürlich
auch in der Vermarktung“, sagt Elfi Langefeld, Managing Director Burda Style
Luxury.
Die meisten Verlage bauen ihr redaktionelles und Vermarktungsangebot aus.
Es ist die logische Folge „einer immer
stärkeren Nachfrage nach kreativen, individuellen Konzepten“, erklärt „Madame“-Managerin Geilenkirchen. „Auch
im Luxussegment geht der Trend zur
ganzheitlichen Kommunikation.“ Condé
Nast beispielsweise hat eigens die „Condé
Nast Manufaktur“ geschaffen, eine auf
Premiummarken spezialisierte ContentMarketing-Unit. Zu ihr gehören VideoAbteilung, Fotostudio und die sogenannte Creative-Solutions-Einheit, die medi-
enübergreifende Konzepte für Kunden
entwickelt.
A
ll das funktioniert natürlich nur,
wenn die Magazine multimedial
präsent sind. „Ob gedruckt, online, in Social Media oder auf Events – wir
bauen die Touchpoints unserer Marken
kontinuierlich aus“, sagt Susanne FörgRandazzo, Publisher „Vogue“ und „AD
Architectural Digest“. Einen willkommenen Nebeneffekt der digitalen Auftritte
nennt „Madame“-Chefredakteurin Petra
Winter: „Dadurch erreichen wir jüngere
Zielgruppen.“
Doch „die Quelle an Inspiration bleibt
Print“, ist Alexander Geringer überzeugt.
„Die lokale Informationsvernetzung
kann dann gut über Internet aufgelöst
werden.“ Der Ahead-Media-Verleger hat
2013 die von Klambt nach einem Jahr
eingestellte deutsche „Flair“ wiederbelebt. Zusammen mit dem österreichischen Heft kommt die deutschsprachige Ausgabe im 3. Quartal 2015 auf
rund 20000 Abos und 25000 verkaufte
Exemplare im Einzelhandel. Die Entwicklung versetzt Geringer in Jubellaune:
„Im Einzelverkauf ist das eine Punktlandung, im Abo sogar ein Volltreffer, und
im Anzeigenmarkt ist das Comeback von
,Flair‘ das Wunder von Berlin.“
Im Fokus: Zeitschriften
HORIZONTREPORT
ist ein Sonderteil von HORIZONT,
Zeitung für Marketing, Werbung und Medien
Chefredaktion: Dr. Uwe Vorkötter (V.i.S.d.P.),
Volker Schütz, Jürgen Scharrer
Ressortleitung: Dr. Jochen Zimmer
Telefon 069/7595-2695
E-Mail: [email protected]
Redaktion: Bettina Sonnenschein,
Anna Lisa Lüft, Giuseppe Rondinella
Laut der Markt-Media-Studie „Best for Planning“ zählen 20,7 Millionen Menschen hierzulande zu den „Luxusorientierten“, also Personen, die sich gern teure Sachen leisten. Nach
Geschlechtern betrachtet zeigt sich: Fast jeder
dritte Mann (32 Prozent) mag Luxus, bei den
Frauen sind es 28 Prozent. Es gibt Zeitschriften,
deren Leserschaft überproportional zu dieser
Zielgruppe gehört. Wer zum Beispiel „Madame“
liest, ist 3,5 Mal luxusaffiner als der Durchschnitt der Bevölkerung (Index). Bei „Myself“,
„Elle“, „Joy“ und „Vogue“ liegt der Faktor um
etwa das Dreifache höher. Aus der aktuellen
„Outfit-Studie 9.0“ des Spiegel-Verlags lässt
sich unter anderem herauslesen, welche Titel
von Männern gelesen werden, die gehobene
Markenkleidung besitzen. Bei ihnen kommen
besonders Business-Blätter an: Mit „Wirtschaftswoche“, „Manager Magazin“ und
„Handelsblatt“ liegen drei Titel aus diesem
Segment vorn, unter den Top 10 finden sich
zudem „Capital“ und „Focus Money“. Aber auch
Lifestyle-Männermagazine wie „Men’s Health“
und „GQ“ liegen im Spitzenfeld.
ROL
Das Führungstrio: Madame, Myself und Elle
Bestgekleidete Leser
Die von luxusinteressierten Frauen* meistgelesenen Titel
Titel mit dem höchsten Anteil an Männern, die Luxusmarken tragen*
Titel
Index**
Anzahl in Mio.
Titel
Index**
Anzahl in Mio.
Madame
346
0,19
Wirtschaftswoche
265
Myself
315
0,19
Manager Magazin
256
0,58
0,46
Elle
308
0,30
Handelsblatt
250
0,29
Joy
Vogue
304
0,38
0,76
0,43
Men's Health
GQ
247
297
240
0,38
Women's Health
295
0,18
Capital
240
0,50
Cosmopolitan
290
0,63
Auto Motor und Sport
238
1,28
Shape
286
0,11
Focus Money
234
0,35
Jolie
283
0,30
Auto Bild
219
1,48
Maxi
282
0,27
Kicker Sportmagazin
219
1,60
Instyle
280
0,56
Playboy
216
0,56
Glamour
275
0,48
Sport Bild
214
2,00
Brigitte Woman
268
0,33
Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung
196
0,37
Elle Decoration
257
0,25
Frankfurter Allgemeine Zeitung
184
0,29
OK!
256
0,22
National Geographic Deutschland
182
0,58
* Statement zum Konsum: „Ich leiste mir gerne teure Sachen” - trifft „voll und ganz” oder „eher” zu
** Vergleich Frauen zur Grundgesamtheit (Basis: Index 100)
Grundgesamtheit: 69,24 Mio., 30177 Fälle
Quelle: Best for Planning 2015 / I
HORIZONT 45/2015
* Armani, Boss/Hugo Boss, Brioni, Burberry, Calvin Klein, Chanel, Dior, Dolce & Gabbana, Escada, Gucci,
Guess, Hermès, Joop, Louis Vuitton, Prada, Ralph Lauren, René Lezard, van Laack, Windsor, Zegna
** Lesebeispiel „Men's Health”: 77 Prozent der Leser besitzen Kleider der genannten Marken, das sind 2,47
Mal so viele (Index 247) wie in der gesamten männlichen Bevölkerung mit einem Anteil von 31
Quelle: Outfit 9, Spiegel-Verlag
HORIZONT 45/2015
34 REPORT LUXUSMARKETING
HORIZONT 45/2015
Aus dem Takt
geraten
Die Apple Watch mischt auch den Luxusuhrenmarkt auf. Die Traditionsfirmen wappnen
sich mit eigenen Smartwatch-Lösungen
Von Giuseppe Rondinella
M
it rotem Kopf und wild gestikulierend steht JeanClaude Biver vor rund drei
Dutzend Medienvertretern
und brüllt sie nahezu an: „Das ist meine
wichtigste Ankündigung aller Zeiten.“
Auf der diesjährigen Baselworld, einer der
wichtigsten Messen für die Uhren- und
Schmuckindustrie, hat der Chef des
Schweizer Luxusherstellers Tag Heuer zu
einer Sonderankündigung geladen. Zwei
junge, verschmitzt lächelnde Männer bittet Biver zu sich auf die Bühne, zusammen enthüllen sie unter Blitzlichtgewitter
eine große Schriftwand. Die Logos von
Tag Heuer, Google und Intel kommen
zum Vorschein. Die Bühnengäste: Vertreter der beiden US-Tech-Giganten. Das
Publikum klatscht, vereinzelt sind Jubelschreie zu hören.
Die Kooperation von Silicon Valley
und Alpenrepublik verdeutlicht, dass die
Smartwatch, der Trend schlechthin in der
Uhrenindustrie, nun endgültig auch das
noble Segment erreicht hat. Allein die
Ankündigung von Tag Heuer – einer
der größten Schweizer Hersteller
–, eine smarte Luxusuhr zu
bauen, wirbelte die Branche
gehörig auf. Denn noch
dominieren die ehrwürdigen
Schlachtrös-
ser der Branche von Rolex und Patek Philippe. Von 219 Schweizer Uhrenmarken,
die auf der Schau vertreten waren, fanden
sich nur zehn Modelle mit interaktiven
Zusatzfunktionen.
Einen Auslöser für das wachsende Interesse der Luxusuhrenbauer an technischen Gimmicks haben Branchenkenner
schnell ausgemacht: Die Apple Watch.
Zwar gab es schon vorher ähnliche Modelle von Samsung, Motorola oder LG,
doch seit Markteinführung im April dieses Jahres greift der intelligente Chronometer aus Cupertino in der Nobel-Edition für bis zu 18000 Euro erstmals im Luxusbereich an – auch wenn das Unternehmen nach wie vor detaillierte Verkaufszahlen in seinen Geschäftsberichten
unter „Sonstiges“ versteckt.
Die Traditionsfirmen wappnen sich
derweil, präsentierten in den vergangenen Monaten neue Modelle und versuchen dabei klassische Uhrmacherkunst
mit Technologie zu verbinden, ohne die
angestammte Kundschaft zu verschre-
Nico Gerard
Klassische Uhr und
Apple Watch in
einem: Die „Pinnacle“
kombiniert beide
Welten, ist wasserdicht und kommt in
drei Varianten daher.
Für die teuerste (mit
rotem Ziffernblatt) ist
ein sechsstelliger
Betrag fällig.
cken. Die zur Schweizer RichemontGruppe gehörende Marke Montblanc etwa brachte im Januar die „E-Strap“ auf
den Markt, eine Art Wearable mit intelligentem Armband. Nico Gerard verblüffte
mit einer Kombi-Lösung aus Luxusuhr
und originaler Apple Watch. Frédérique
Constant, Mondaine und Alpina haben
sich gar mit der Firma „Fullpower“ aus
dem Silicon Valley zu einem Gemeinschaftsunternehmen namens MMT zusammengetan, das die „Horological
Smartwatch“ entwickelte und an Lizenznehmer verkauft.
D
och das Bemühen kommt zu
spät, sagt Frank Müller: „Viele
klassische Luxusuhrenhersteller
haben den Smartwatch-Trend ganz klar
verschlafen“, so der Experte von der Beratungsgesellschaft „The Bridge To Luxury“. Dem Markt geht es mittlerweile immer schlechter. Laut Schweizer Uhrenverband sind die Exporte eidgenössischer
Unternehmen im 3. Quartal 2015 so stark
gesunken wie zuletzt 2009, allein im September um 9,9
Prozent. Eine eindeutige Korrelation zur
Markteinführung der Apple Watch gebe
es aber nicht,
so Müller. Sowieso sieht er in der
Apple Watch keine Gefahr für die Luxusuhrenhersteller. Lediglich
im Segment von 500 bis
1500 Euro könnten etwa ge-
schätzte 5 bis10 Prozent Marktanteile verloren gehen. Trotzdem seien die smarteren Luxus-Chronometer eine sinnvolle
Ergänzung, allein um jüngere Käufer zu
erreichen.
Für Albert Fischer gibt es einen klaren
Grund, warum die Apple Watch keine
Gefahr ist: „In diesen hochpreisigen Dimensionen gibt es keine Entweder-oderFrage. Wir wissen aus Umfragen, dass
drei Viertel der Luxusuhrenkäufer eine
Smartwatch als Zusatz kaufen würden.“
Der Vizepräsident des Zentralverbands
für Uhren, Schmuck und Zeitmesstechnik hat zahlreiche Vorträge auf Tagungen,
Messen und Seminaren zu diesem Thema
gehalten. Er beobachtet derzeit, dass sich
die Aufregung im Markt zu legen scheint,
nun, da unter anderem Analysten schätzen, dass sich die Apple Watch wohl doch
nicht so gut verkauft wie erwartet. „Für
einige Marken hat es sich also gelohnt,
abzuwarten“, so Fischer. Die Rede ist etwa
von Traditionsfirmen wie Rolex und Patek Philippe, die dem Hype-Thema bislang keine Beachtung schenken und sich
weiterhin voll und ganz auf traditionelle
Familienwerte besinnen. Laut Branchenkenner Frank Müller eine legitime Entscheidung.
S
ein Namensvetter Frank-Michael
Müller vom Responsio Institute –
einem Beratungsunternehmen bei
München, das den sogenannten UhrenMonitor veröffentlicht – warnt indes vor
Herausforderungen im Marketing.
Montblanc und Co müssten dem Konsumenten erst einmal klarmachen, dass
man beides kann, traditionelles Uhrenhandwerk und innovative Technik.
„Wenn ich dem Kunden einen Ball zuwerfe, fängt er ihn. Wenn ich ihm zwei
Bälle zuwerfe, fängt er keinen. Das ist
das Problem.“
Dass der prestigeträchtige Uhrenstandort Schweiz durch die
Anbandelungen einiger Hersteller mit US-Firmen
Imageprobleme bekommt,
sieht der Marketingexperte
nicht. In einem Interview
mit dem Schweizer „Tagesanzeiger“ im August hatte
Nick Hayek, Chef der
Swatch-Gruppe, dem TagHeuer-Besitzer LVMH vorgeworfen, nicht in die heimische
Produktion investieren zu wollen und stattdessen lieber den
Schulterschluss mit Google
und Intel zu suchen.
Tag-Heuer-Chef Biver sieht
das anders (siehe Interview S.
35). Und er geht sogar einen
Schritt weiter: Er hofft, dass Apple
möglichst viele seiner Uhren verkauft, eben weil sie nach ein paar Jahren aus technischer Sicht obsolet sein
werden. „Deshalb macht die Smartwatch
meiner Ansicht nach Produkte umso begehrter, die für die Ewigkeit sind, wie etwa
unsere Uhren.“
Seinen ersten intelligenten Chronometer will Biver nun am 9. November in
New York vorstellen. Auf der eigens dafür
eingerichteten Website läuft bereits der
Countdown. Ein digitaler Countdown.
5. November 2015
Apple
Die Nobel-Variante der Watch
kommt mit einem Gehäuse
aus 18-karätigem Gelbgold
sowie Saphirglas daher und
geht für einen unteren fünfstelligen Betrag über die
Ladentheke. Die Funktionen
sind dieselben wie in der
günstigsten Variante.
Frédérique Constant
Außen analog, innen digital.
Die „Horological Smartwatch“
sieht aus wie eine gewöhnliche Uhr, besitzt aber einen
Sensor, der Bewegungen des
Trägers registriert und sie per
Bluetooth ans Handy weitergibt. Mit zwei Jahren hält
die Batterie relativ lange.
Mondaine
Auch die „Helvetica No. 1
Smart“, eine Art Wearable, hat
einen Activity-Tracker, der mit
einer App verbunden ist. Ob
man sich ausreichend bewegt,
zeigt das kleine Ziffernblatt
auf einer Skala von 0 bis 100.
Montblanc
Über das Armband der E-Strap
ist ein Mini-PC mit Touchscreen gestülpt und mit dem
Handy gekoppelt. Die „FindMe“-Funktion lokalisiert
zudem das Smartphone.
HORIZONT 45/2015
REPORT LUXUSMARKETING 35
5. November 2015
„Auffallen
kostet fast
nichts“
Jean-Claude Biver,
CEO von Hublot, setzt
auf den digitalen
Kanal – und Fußball
Der Manager
D
urch Jean-Claude Biver hat
die Uhrenmarke Hublot eine
Wiedergeburt erfahren: Innerhalb von vier Jahren steigerte er den Umsatz von 25 Millionen
Schweizer Franken auf 200 im Jahr 2008.
Im selben Jahr wurde Hublot an den Luxuskonzern LVMH verkauft. Auftritte
rund um Fußball und die Formel 1 gehören zum Kern der Markenstrategie.
Herr Biver, was bedeutet es, wenn jemand eine Hublot trägt?
Das bedeutet Modernität und Tradition.
Mit Hublot drücke ich aus, dass ich individuell bin und Vertrauen in mich habe.
Es ist Ausdruck dessen, nicht jedem
Trend zu folgen. Hublot bedeutet aber
auch, an die Zukunft zu denken, eine Vision zu haben. Menschen mit Visionen
haben oft Erfolg im Leben. Und dann
heißt eine Hublot eben auch, dass ich
einen gewissen Wohlstand erreicht habe.
Tradition, Moderne , Handwerk – mit
diesen Werten haben Sie die Marke ge-
Das bedeutet, dass Sie auch Ihre Marketingentscheidungen selbst treffen? Soweit ich weiß, sind Sie der Ansicht: Wer
auffallen will, muss investieren.
Nicht unbedingt. Er kann auch nackt
durch die Frankfurter Goethestraße laufen. Was ich damit meine: Um aufzufallen, muss man Mut haben. Geld benötigt
man dafür nicht immer. Motiviert zu
sein, kostet kein Geld.
Ihre werblichen Aktivitäten kosten aber
doch trotzdem einiges?
Leider kann man heute nichts verkaufen, ohne zu kommunizieren.
Wenn ich die einzig heilende Pille
gegen Hepatitis C besitze, es aber
keinem verrate, werde ich sie
nicht verkaufen. Dank des Internets ist der Aufwand für Kommunikation aber längst nicht mehr so
hoch wie früher. Man benötigt keine Millionen,
um im Internet
einen Buzz aufzubauen.
Häufig
wird
Luxus-
FOTO: HUBLOT
Der gebürtige Luxemburger
Jean-Claude Biver hat den
Schweizer Uhrenmarkt entscheidend geprägt. Er verfügt
nicht nur über Managementund Marketingfähigkeiten,
sondern hat auch Kenntnisse
in der Kunst der Uhrmacherei.
Dem Label Blancpain verhalf er
nach Jahren der Inaktivität zu
neuem Glanz, als CEO von
Hublot sorgte er für rasantes
Wachstum. Seit 2008 gehört
die Marke zum Luxusmarktführer LVMH, der heute
66-jährige Biver wurde 2014
Leiter des Geschäftsbereichs
Uhren der Gruppe und verantwortet die Marken TAG Heuer,
Hublot sowie Zenith.
Von Bettina Sonnenschein
prägt. Inwiefern mussten Sie sie neu definieren, als Hublot unter das Dach der
LVMH-Gruppe gerutscht ist?
Dadurch hat sich überhaupt nichts verändert. Den meisten Kunden ist es noch
nicht einmal bewusst, dass wir zu einem
Konzern gehören. Und LVMH hat nie
verlangt, irgendetwas an der Strategie zu
verändern. Nicht, weil Hublot eine Ausnahme ist, sondern weil das die Regel des
Konzerns ist. LVMH ist kein Uhrenkonzern, sondern ein Luxuskonzern, mit unzähligen Marken, vom Parfüm über Mode bis hin zu Champagner. Das könnte
niemals zentralisiert geführt werden.
marken vorgehalten, das Internet nicht
optimal zu nutzen. Welchen Stellenwert
hat denn der digitale Kanal für Sie?
Er ist der wichtigste. Viel wichtiger als
alles andere. Social Media hat für unseren
heutigen Bekanntheitsgrad die größte
Rolle gespielt.
Luxusuhren und Social Media – auch
das ist nicht gerade ein Begriffspaar,
das oft miteinander genannt wird.
Stimmt, und genau deswegen haben wir
es gemacht. Weil es niemand sonst macht.
Hublot war vielleicht die erste Luxusmarke, die so stark auf Social Media gesetzt
hat und vor allem so früh. Seit 2005 investieren wir in diesen Kanal, aus der
Überlegung heraus, die Jugend anzusprechen und damit an die Kunden von morgen zu denken. Jugendliche, die heute 15
Jahre alt sind, müssen die Marke von Zeit
zu Zeit wahrnehmen, um in zehn Jahren,
wenn sie das Geld haben, eine Hublot zu
kaufen. Kleine Buben spielen mit einem
Ferrari. Wenn sie erwachsen sind, erfüllen sie sich diesen Traum. Genauso soll es
mit einer Hublot sein.
Junge Menschen interessieren sich auch
sehr für Fußball und die Formel 1. Ich
nehme an, das Sponsoring dieser
Sportarten zielt ebenfalls auf diese
Zielgruppe ab?
Sportsponsoring in Verbindung
mit Social Media arbeitet perfekt
zusammen. Wir investieren in das
eine, um es im anderen, im
Digitalen, weiterzuspielen. Gerade
beim Fußball
sprechen wir
drei Gruppen
Jean-Claude Biver,
an: DiejeniChairman of the
gen, die nie
Board LVMH-Gruppe
im
Leben
eine Hublot
besitzen werden – sie sind aber nicht weniger wichtig: Eine Luxusmarke lebt auch
davon, bei denen bekannt zu sein, die sie
sich nicht leisten können. Die zweite
Gruppe sind bereits unsere Kunden: Spieler, Trainer, Fans, die Tausende für eine
Loge ausgeben. Und dann kommen diejenigen dazu, die eines Tages genug Geld
verdienen werden, um Kunde zu werden.
Das heißt, Sie halten nichts vom Bild
des sehr knappen Luxusprodukts?
Nein, wenn ich die Wahl habe zwischen
einem sehr exklusiven Sponsoring und
der breiten Masse, wähle ich die breite
Masse. Das muss allerdings auch unbedingt zur Marke passen. Es muss kohärent bleiben.
Eine Luxusmarke, die in internationalen Fußballstadien auftritt – ist das angesichts des seit Monaten anhaltenden
Fifa-Skandals nicht auch riskant?
Das ist überhaupt kein Problem. Denn
erstens ist Hublot kein Sponsor der Fifa,
sondern „Offical Timekeeper“. Das bedeutet, die Marke erscheint auf der Anzeigentafel, auf der Schiedsrichter Wechsel oder die Verlängerung anzeigen. Wir
bezahlen lediglich für das Recht, auf dieser Tafel abgebildet zu werden, die ein
Instrument des Schiedsrichters ist. Das ist
eine Rolle, die weniger mit der Fifa als mit
dem Spiel zu tun hat.
Aber wenn sich herausstellt, dass bei
den vergangenen Turnieren Spiele manipuliert wurden? Dass ein Spiel unrechtmäßig in die Verlängerung ging
oder der Sieger schon zuvor feststand?
Dann wäre es schon ein Problem. Wenn
herauskäme, dass Deutschland die Austragung der WM 2006 nur gewonnen hat,
weil Schmiergeld bezahlt wurde – dann
wäre das natürlich ein Schaden, sowohl
für das Land als auch für den Fußball.
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36 REPORT LUXUSMARKETING
HORIZONT 45/2015
5. November 2015
Eleganter Doppelpass
Maserati und Ermenegildo Zegna bauen ihre
Zusammenarbeit aus und zeigen den Mehrwert
von Markenkooperationen im Luxussegment
FOTOS: LORENZO MARCINNO / MASERATI
Handwerkskunst::
Zegnas Stoffexpertise
zeigt sich in der Entwicklung einer autositztauglichen Seide, die
auch bei der in ZegnaShops verkauften
Maserati-Kollektion zum
Einsatz kommt
Von Jochen Zimmer
W
enn ein Land einen exzellenten Ruf in Sachen Mode, Design und Luxus hat,
dann ist es Italien. Armani, Ferrari, Maserati, Poltrona Frau, Zegna – die Liste der klangvollen Namen in
der Fashion-, Möbel- und Autowelt ist
lang. Was liegt da näher, als die jeweiligen
Stärken in verschiedenen Disziplinen zu
bündeln? Und so haben Markenkooperationen insbesondere im Automobilbereich in Italien eine lange Tradition. Fiats
Cinquecento etwa ließ sich bereits Sondermodelle von den Premiumlabels Diesel und Gucci veredeln. Die Luxusmarke
Maserati hat ebenfalls bereits Übung im
Doppelpass – beispielsweise mit der argentinischen Polo-Marke La Martina sowie den Möbelmarken Poltrona Frau und
Zanotta, mit Bulgari und Ermenegildo
Zegna in Italien.
Insbesondere die Zusammenarbeit
mit dem Nobelherrenschneider Zegna
wird seit 2013 vertieft: Sergio Marchionne, CEO der FCA Group, und Gildo Zeg-
na, Chef des Luxusschneiders, unterzeichneten im April 2013 einen vorerst
auf drei Jahre angelegten Kooperationsvertrag. „Die Partnerschaft der beiden
namhaften Traditionsmarken bringt Vorteile für beide Unternehmen“, ist sich
Giulio Pastore, Managing Director Maserati Europe, sicher. Und sie sei auch nicht
mit einer auf bloße Zulieferung beschränkten Zusammenarbeit vergleichbar, sondern mit langfristiger Perspektive. Schließlich ist Gildo Zegna der FCA
Group als Aufsichtsrat verbunden.
Nach der Präsentation eines Concept
Cars auf der IAA 2013 rollte 2014 eine auf
100 Fahrzeuge begrenzte Sonderedition
Ermenegildo Zegna des Modells Quattroporte in den Handel, die mit einer
Eventreihe in Shanghai, New York, Dubai
und Mailand sowie mit einem Fotoprojekt des italienischen Starfotografen Fabrizio Ferri begleitet wurde. Seit der IAA
2015 ist die Zegna-Edition neben dem
Quattroporte auch für die Oberklasse-Limousine Ghibli erhältlich – nun als nicht
mehr limitierte Top-Ausstattungsvariante, die mit einem Aufpreis von etwa 5000
Euro zu Buche schlägt.
Auffälligstes Merkmal der Zegna-Edition ist die speziell entwickelte, besonders
strapazierfähige Seide, die sowohl in den
Autositzen als auch in den Türpanelen,
Dachsäulen, Dachhimmel und Sonnenblenden verarbeitet wird – mit dezentem
Zegna-Branding. Der kürzlich eröffnete
Maserati-Showroom in der Frankfurter
Schillerstraße nahe der Börse (HORIZONT
16/2015) präsentiert Ghibli und Quattroporte in der Zegna-Version bereits live
und in (Sonder-)Farbe, als erster Händler
in Deutschland, wie Verkaufsleiter Udo
Kandel betont.
D
ie Maserati-City-Boutique wird
nicht nur wegen der Autos, sondern auch wegen der ausgestellten Accessoires frequentiert. Schlüsselanhänger, Lederwaren, Schuhe, Bekleidung,
Uhren – entsprechende Produkte gehören inzwischen zum Must-have nicht nur
von Luxusmarken, wie Pastore erläutert:
„Sie sind für uns ein wichtiges Kundenbindungsinstrument und liefern auch einen nennenswerten Deckungsbeitrag.“
Kein Wunder, dass es auch eine Capsule-Collection von Ermenegildo Zegna
für Maserati gibt. Wer die mit dem Maserati-Dreizack gebrandeten Handschuhe,
Brillen, Lederjacken, Schuhe oder Schals
erwerben will, muss jedoch vom AutoShowroom einige Ecken weiter in die noble Frankfurter Goethestraße gehen. Im
dortigen Zegna-Flagshipstore hat die
Kollektion eine eigene Verkaufsfläche.
Laut Matthias Lorenz, Operation Manager des Stores, erfreuen sich die aus der
speziellen Seide und Poltrona-Frau-Leder hergestellten Produkte guter Nachfrage, sodass nur noch wenige Stücke zu
haben sind. Nachbestellungen sind nicht
vorgesehen, Nachschub wird es erst mit
der nächsten Kollektion geben.
Für Pastore ist die Präsenz von Maserati-Produkten jenseits der Autoshowrooms ein wichtiger zusätzlicher Touchpoint mit der Marke, der im Zegna-Store
auf die adäquate Zielgruppe treffe: „Beide
Marken definieren sich über Tradition
und italienisches Design.“ Und richten
sich mit ihrer Preispositionierung an eine
eher zahlungskräftige Klientel. Die Chancen, dass sich Kunden eines Zegna-Events
für Maserati interessieren – und vice versa
– stehen demnach gut.
NochintensivereBandealsMaseratihatderPremiumhersteller Mercedes-Benz mit der Modeszene
geknüpft. Die Stuttgarter haben seit 1996 ihre
Partnerschaften mit Modeevents schrittweise ausgebaut. Inzwischen erstreckt sich das Engagement
auf fast 50 Veranstaltungen weltweit, wobei die
diversen Fashion Weeks in Berlin, Sydney und
Istanbul dank Namenssponsoring eine herausragende Rolle spielen. Auf Mbfashionweek.com
betreibt das Unternehmen zudem intensives Content Marketing. Jens Thiemer, Leiter Markenkommunikation Mercedes-Benz Cars, begründet die
Intensität mit der zentralen Rolle von Design so-
Der gute Name des schwäbischen Sportwagenbauers sorgt auch jenseits des Autogeschäfts für gute Umsätze. Die von Ferdinand Alexander Porsche 1972 gegründete unabhängige Firma Porsche Design
mit Sitz in Zell am See gehört seit 2003
zwar wieder zur Porsche AG, sie ist aber
nach wie vor auf vielfältige Weise eigenständig im Design- und Modebusiness unterwegs. Das Portfolio reicht von
hochpreisiger Bekleidung und Schuhen, die
in eigenen Stores verkauft werden,
über Reisegepäck, Kleinlederwaren, Zeit für Le Mans
Mercedes-Rennfahrer Nico Rosberg trägt Boss
wohl in der Mode- als auch in der Autowelt (HORIZONT 28/2014). Besonders kurz scheint der Draht
zum Modelabel Hugo Boss im benachbarten Metzingen. So wurde der neue SUV GLC im Juni 2015
bei Hugo Boss in Metzingen präsentiert. Seit April
2014 wird die internationale Zusammenarbeit
nochmalsintensiviert.Zweimaljährlichgibteseine
neue „Boss for Mercedes-Benz Kollektion“ im BereichCasualwear,dieinausgewähltenBossStores,
bei den größten Handelspartnern sowie online
präsentiertwird.AuchimSportsponsoring,etwain
der Formel 1 und im Segeln, üben sich die beiden
Unternehmen im Doppelpass.
Schreibgeräte, Düfte, Schmuck und sonstige Accessoires bis zu Uhren, Brillen und
Küchengeräten. In Frankfurt entsteht derzeit der Porsche Design Tower, ein Wohnhochhaus. Zudem bestehen zahlreiche
Markenkooperationen, etwa mit Adidas im Sportbereich. Den Bezug zur
Automarke bildet die Porsche Driver’s
Selection mit einem umfangreichen
fahrzeugbezogenen Produktprogramm
für Fahrer und Fans. Die Accessoires gibt
es nur bei Porsche-Händlern und im
Onlineshop.
FOTO: PORSCHE DESIGN
Porsche Design: Markenikone jenseits von Autos
FOTO: MERCEDES BENZ
Mercedes-Benz: Gemeinsam mit Hugo Boss gute Figur machen
38 REPORT LUXUSMARKETING
Gesurft wird in jedem Alter
Mediennutzung mehrmals pro Woche
L
A
uch im digitalen Zeitalter bleiben Luxuskäufer dem stationären Handel treu. Zu diesem Ergebnis kommt die „Digitale
Luxus Studie 2015“, die White Communications mit Unterstützung von Burda
Style, Seven-One Media und dem VKEKosmetikverband durchgeführt hat. Das
Marktforschungsinstitut GfK analysierte
hierfür das Such-, Informations- und
Kaufverhalten von 617 luxusaffinen Konsumenten im Internet. Laut der Studie
nutzen die Kunden zur Information über
Luxus alle ihnen zur Verfügung stehenden Kanäle und Mediengattungen. Obwohl die Online-Affinität der Zielgruppe
steigt, bleibt der Point of Sale (PoS) bei
Luxuskunden relevant für ein emotionales Einkaufserlebnis.
Drei Viertel aller Käufer verbinden danach das Fachgeschäft mit einem positiven Erlebnis. Das gilt sowohl für HeavyKäufer, die in der Vergangenheit bereits
regelmäßig oder ausschließlich Artikel
hochpreisiger Premiummarken erworben haben, als auch für Light-Käufer, die
Ältere Luxusmodekäufer
86
Im Internet surfen
91
70
Fernsehen
84
64
Radio hören
Videos/Fernsehen im Internet
43
Zeitung lesen
43
75
21
69
30
Zeitschriften lesen
37
Basis: Junge Luxusmodekäufer 20 bis 39 Jahre, n = 375; Ältere Luxusmodekäufer 40 bis 69 Jahre, n = 669
Quelle: Luxury Fashion Report 2015
HORIZONT 45/2015
Luxuskäufer jeden Alters surfen mehrmals in der Woche im Internet. Online könnte dem
Markt somit einen zusätzlichen Aufschwung bereiten. In puncto Recherche haben sich diese Hoffnungen bereits erfüllt: Mittlerweile informieren sich 74 Prozent der Befragten vor einem Kauf im
Netz. Vergleicht man die Gruppe der jungen Luxusmodekäufer mit der jungen Gesamtbevölkerung,
so fällt auf, dass die Luxuskäufer stärker auf Printmedien zugreifen (Zeitungen 43 Prozent, Zeitschriften 30 Prozent) als ihre Altersgenossen (Zeitungen 27 Prozent, Zeitschriften 11 Prozent).
Von Anna Lisa Lüft
Von Anna Lisa Lüft
in Prozent
Junge Luxusmodekäufer
Der „Luxury Fashion Report
2015“ zeigt den Luxusmarkt
aus Sicht der Konsumenten
von heute und morgen
uxus hat einen festen Stellenwert
in der Gesellschaft – und der
Markt wächst weiter. Persönliche
Luxusartikel im Bereich Bekleidung, Kosmetik, Schmuck und Parfüm
werden der Facit Gruppe zufolge immer
häufiger gekauft. Um die Konsumenten
und ihr Handeln besser zu verstehen, befragte das Marktforschungs- und Beratungsinstitut über 1000 luxus- und premiumaffine deutsche Modekäufer. Der
„Luxury Fashion Report“ gibt Auskunft
über ihre Einstellung, ihre Vorstellungen
und die Rolle, die Luxusprodukte in ihrem Leben spielen. Er zeigt den Markt aus
der Sicht der Konsumenten in der Gegenwart und der Zukunft und konzentriert
sich auf die Fashion-Branche mit Fokus
Deutschland. Neben einem rapiden Einstellungswandel bei den Konsumenten
sind es insbesondere junge Käufer, die als
Markttreiber für einen deutlichen Zuwachs im Luxusbereich sorgen. Obwohl
der Begriff Luxus heute extrem facettenreich ist, sind sich die im Rahmen der
Studie befragten deutschen Käufer im
Hinblick auf das, was ihnen an materiellen Luxusprodukten besonders wichtig
ist, einig: Im Vordergrund stehen Zeitlosigkeit und die Liebe zum Detail. Der immaterielle Wert besteht für sie darin, sich
etwas zu gönnen oder sich oder andere zu
belohnen.
5. November 2015
FOTO: COLOURBOX
Das
gönne
ich mir
jetzt
HORIZONT 45/2015
Am liebsten wird offline geshoppt
Woher beziehen Sie üblicherweise Informationen oder Kaufanreize für die Luxusmodemarken, die Sie kaufen?
Wo kaufen Sie üblicherweise die Marken?
Angaben in Prozent
Kaufrecherche
Kaufverhalten
Fachgeschäft/Boutique
52
Onlineshop der Marke
Online-Versandhändler (z. B. Zalando, Amazon, Asos)
16
40
Zeitschriften/Magazine
Hauptsache authentisch
38
42
Aspekte, die im Bezug auf Luxusmodemarken wichtiger werden in Prozent
21
35
Filiale/Einkaufsstätte
34
Eigene Markenshops der Hersteller (z. B. Flagship Stores)
33
15
Einkaufszentrum
33
14
Katalog / Prospekte / Beilagen
32
Direktverkauf beim Hersteller / Factory Outlets
31
Empfehlungen von Bekannten / Familie (Word of mouth)
31
Online Designer Outlets (z. B. Dressforless, Designermode)
29
Online Shopping Club (z. B. Brands4friends, Buyvip)
29
46
Authentizität
38
Kaufhaus (z. B. Galeria Kaufhof, Karstadt, Oberpollinger)
29
17
6
Entstehung (z.B. Herkunft, Geschichte der Firma)
40
Zusätzlicher Zweck (z.B. Nachhaltigkeit, Umweltschutz,
Unterstützung von sozialen Projekten)
Verborgener Glanz (Luxus ist nicht
sofort als solcher erkennbar)
39
Individualisierung (z.B. durch Initialien)
19
33
Onlinekommunikation (z.B. Websites, Blogs, Apps)
14
12
29
Exklusivität (z.B. Wartelisten oder VIP Areas)
28
27
17
TV
16
Reduktion auf das Wesentliche
Zeitungen
16
Inszenierung (z.B. exklusive Launch-Events)
Soziale Netzwerke
16
Printmedien-Kommunikation
(z.B. Zeitschriften, Zeitungen)
TV-Kommunikation (z.B. Werbung,
Sponsoring von Sendungen)
14
Persönlich adressierte Anschreiben / Direct Mails
14
Foren / Blogs
Quelle: Luxury Fashion Report 2015
9
10
Basis: n = 1044
Quelle: Luxury Fashion Report 2015
14
Fachgeschäfte ziehen nach wie vor
Käufer an. Die Verknüpfung von Point of
Sale und Online ist dennoch wichtig
„Käufer, die
Kontakt mit
einem
Fachgeschäft/
Boutique/
Markenstore
hatten, bewerten
dies positiv.“
HORIZONT 45/2015
Für deutsche Luxuskäufer werden in Zukunft vor allem zwei Werte
noch wichtiger sein, als sie es heute schon sind: Echtheit und
Authentizität. Unternehmen sollten in Zukunft also noch
mehr darauf achten, ihrem Markenkern treu zu bleiben beziehungsweise den unverfälschten Charakter zu bewahren. Das gilt insbesondere für die Kommunikation.
Anfassbar gut
Heavy-Käufer
n = 375
18
16
Basis: n = 1044
HORIZONT 45/2015
Die Mehrheit der Befragten recherchiert und kauft am liebsten in Boutiquen oder
Fachgeschäften. Die Onlineshops der Marken und Versandhändler wie Zalando spielen
zwar eine wichtige Rolle. Grundsätzlich aber gilt für Luxusmode das Prinzip „Research online,
purchase offline“. Dass sich Online als Einkaufsweg noch nicht durchgesetzt hat, zeigt sich auch an
der geringeren Umwandlung von Recherchen in Käufe: 91 Prozent der offline recherchierten Artikel
werden auch offline gekauft, beim Online Path to Purchase liegt dieser Wert nur bei 61 Prozent.
75%
31
Begrenztheit (z.B. Limited Editions,
Raritäten-Status)
Internetauktionshaus (z. B. Ebay)
Plakate
39
71%
Light-Käufer
n = 375
schon einmal oder öfter hochpreisige
Markenware gekauft haben oder den
Kauf planen. Am PoS erwarten Kunden
allerdings immer öfter auch begleitende
Informations- und Service-Zusatzangebote, wie sie auf Websites von Luxusmarken und in Hochglanz-Magazinen zu finden sind.
Die Analyse liefert zudem Erkenntnisse hinsichtlich der Verknüpfung der
Onlineshopping-Welt mit dem stationären Handel und ermöglicht unter anderem Rückschlüsse darüber, wie eine zunehmend hybride Kundenansprache in
den Geschäften von morgen idealerweise
aussehen sollte.
„Future-Stores, die Online- und Offline-Einkaufserlebnisse klug und attraktiv miteinander verknüpfen, treffen sehr
genau die Interessen von Luxuskunden“,
so Martin Ruppmann, Geschäftsführer
des VKE-Kosmetikverbandes. Gerade
Luxuskäufer seien offen für Neues wie
etwa aktuelle Produkt- und Sonderangebotsinformationen auf ihrem Smartphone oder Tablet. Auch die mobile InstoreNavigation sowie spielerische und unterhaltsame Aktivitäten rund um die Luxusproduktwelten kämen gut an.

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