Modell zur Gestaltung von Build4to4Order4Produktionsnetzwerken
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Modell zur Gestaltung von Build4to4Order4Produktionsnetzwerken
67877*$57(5%(,75g*(=85352'8.7,216)256&+81* -5*0$1'(/ 0RGHOO]XU*HVWDOWXQJYRQ %XLOGWR2UGHU3URGXNWLRQVQHW]ZHUNHQ 67877*$57(5%(,75g*(=85352'8.7,216)256&+81* %$1' +HUDXVJHEHU 8QLY3URI'U,QJ7KRPDV%DXHUQKDQVO 8QLY3URI'U,QJ'UKF$OH[DQGHU9HUO 3URI'U,QJ3URIHK'U,QJHK'UKFPXOW(QJHOEHUW:HVWNÃPSHU -ùUJ0DQGHO 0RGHOO]XU*HVWDOWXQJYRQ %XLOGWR2UGHU3URGXNWLRQVQHW]ZHUNHQ )5$81+2)(59(5/$* Kontaktadresse: Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA, Stuttgart Nobelstraße 12, 70569 Stuttgart Telefon 0711 9 70-00, Telefax 0711 9 70-13 99 [email protected], www.ipa.fraunhofer.de STUTTGARTER BEITRÄGE ZUR PRODUKTIONSFORSCHUNG Herausgeber: Univ.-Prof. Dr.-Ing. Thomas Bauernhansl Univ.-Prof. Dr.-Ing. Dr. h. c. Alexander Verl Prof. Dr.-Ing. Prof. e. h. Dr.-Ing. e. h. Dr. h. c. mult. Engelbert Westkämper Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA, Stuttgart Institut für Industrielle Fertigung und Fabrikbetrieb (IFF) der Universität Stuttgart Institut für Steuerungstechnik der Werkzeugmaschinen und Fertigungseinrichtungen (ISW) der Universität Stuttgart Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. ISBN: 978-3-8396-0434-2 D 93 Zugl.: Stuttgart, Univ., Diss., 2011 Druck: Mediendienstleistungen des Fraunhofer-Informationszentrum Raum und Bau IRB, Stuttgart Für den Druck des Buches wurde chlor- und säurefreies Papier verwendet. © by FRAUNHOFER VERLAG, 2012 Fraunhofer-Informationszentrum Raum und Bau IRB Postfach 80 04 69, 70504 Stuttgart Nobelstraße 12, 70569 Stuttgart Telefon 0711 9 70-25 00 Telefax 0711 9 70-25 08 E-Mail [email protected] URL http://verlag.fraunhofer.de Alle Rechte vorbehalten Dieses Werk ist einschließlich aller seiner Teile urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die über die engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes hinausgeht, ist ohne schriftliche Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Dies gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen sowie die Speicherung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Warenbezeichnungen und Handelsnamen in diesem Buch berechtigt nicht zu der Annahme, dass solche Bezeichnungen im Sinne der Warenzeichen- und MarkenschutzGesetzgebung als frei zu betrachten wären und deshalb von jedermann benutzt werden dürften. Soweit in diesem Werk direkt oder indirekt auf Gesetze, Vorschriften oder Richtlinien (z.B. DIN, VDI) Bezug genommen oder aus ihnen zitiert worden ist, kann der Verlag keine Gewähr für Richtigkeit, Vollständigkeit oder Aktualität übernehmen. *(/(,7:257'(5+(5$86*(%(5 3URGXNWLRQVZLVVHQVFKDIWOLFKH )RUVFKXQJVIUDJHQ HQWVWHKHQ LQ GHU 5HJHO LP $QZHQ GXQJV]XVDPPHQKDQJGLH3URGXNWLRQVIRUVFKXQJLVWDOVRZHLWJHKHQGHUIDKUXQJVEDVLHUW 'HU ZLVVHQVFKDIWOLFKH $QVSUXFK GHU ņ6WXWWJDUWHU %HLWUÃJH ]XU 3URGXNWLRQVIRUVFKXQJŃ OLHJWXQWHUDQGHUHPGDULQ'LVVHUWDWLRQIđU'LVVHUWDWLRQHLQđEHUJUHLIHQGHVJDQ]KHLWOLFKHV 7KHRULHJHEÃXGHGHU3URGXNWLRQ]XHUVWHOOHQ 'LH +HUDXVJHEHU GLHVHU 'LVVHUWDWLRQV5HLKH OHLWHQ JHPHLQVDP GDV )UDXQKRIHU,QVWLWXW IđU3URGXNWLRQVWHFKQLNXQG$XWRPDWLVLHUXQJ,3$XQGMHZHLOVHLQ,QVWLWXWGHU)DNXOWÃWIđU .RQVWUXNWLRQV3URGXNWLRQVXQG)DKU]HXJWHFKQLNDQGHU8QLYHUVLWÃW6WXWWJDUW 'LH YRQ LKQHQ EHWUHXWHQ 'LVVHUWDWLRQHQ VLQG GHU PDUNWRULHQWLHUWHQ 1DFKKDOWLJNHLW YHUSIOLFKWHW LKU $QVDW] LVW V\VWHPLVFK XQG LQWHUGLV]LSOLQÃU 'LH $XWRUHQ EHDUEHLWHQ DQ VSUXFKVYROOH )RUVFKXQJVIUDJHQ LP 6SDQQXQJVIHOG ]ZLVFKHQ WKHRUHWLVFKHQ *UXQGODJHQ XQGLQGXVWULHOOHU$QZHQGXQJ 'LH ņ6WXWWJDUWHU %HLWUÃJH ]XU 3URGXNWLRQVIRUVFKXQJŃ HUVHW]W GLH 5HLKHQ ņ,3$,$2 )RUVFKXQJXQG3UD[LVń+UVJ+-:DUQHFNH+-%XOOLQJHU(:HVWNÃPSHU'6SDWK E]Z,6:)RUVFKXQJXQG3UD[LV+UVJ*6WXWH*3ULWVFKRZ$9HUO,QGHQYHUJDQ JHQHQ-DKU]HKQWHQVLQGGDULQđEHU'LVVHUWDWLRQHQHUVFKLHQHQ 'HU 6WUXNWXUZDQGHO LQ GHQ ,QGXVWULHQ XQVHUHV /DQGHV PXVV DXFK LQ GHU )RUVFKXQJ LQ HLQHQJOREDOHQ=XVDPPHQKDQJJHVWHOOWZHUGHQ'HUUHLQH)RNXVDXI(UNHQQWQLVJHZLQQ LVW]XHLQGLPHQVLRQDO'LHņ6WXWWJDUWHU%HLWUÃJH]XU3URGXNWLRQVIRUVFKXQJŃ]LHOHQDOVR GDUDXIDEPLWWHOIULVWLJ/ùVXQJHQIđUGHQ0DUNWDQ]XELHWHQ'DKHUNRQ]HQWULHUHQVLFKGLH 6WXWWJDUWHUSURGXNWLRQVWHFKQLVFKHQ,QVWLWXWHDXIGDV7KHPDJDQ]KHLWOLFKH3URGXNWLRQLQ GHQ .HUQLQGXVWULHQ 'HXWVFKODQGV 'LH OHLWHQGH )RUVFKXQJVIUDJH GHU $UEHLWHQ LVW :LH NùQQHQZLUQDFKKDOWLJPLWHLQHPKRKHQ:HUWVFKùSIXQJVDQWHLOLQ'HXWVFKODQGIđUHLQHQ JOREDOHQ0DUNWSURGX]LHUHQ" :LUZđQVFKHQGHQ$XWRUHQGDVVLKUHņ6WXWWJDUWHU%HLWUÃJH]XU3URGXNWLRQVIRUVFKXQJŃ LQ GHU EUHLWHQ )DFKZHOW DOV VXEVWDQ]LHOO ZDKUJHQRPPHQ ZHUGHQ XQG VR GLH 3URGXN WLRQVIRUVFKXQJZHOWZHLWDXIHLQQHXHV1LYHDXKHEHQ $OH[DQGHU9HUO 7KRPDV%DXHUQKDQVO Modell zur Gestaltung von Build-to-Order-Produktionsnetzwerken Von der Fakultät für Konstruktion-, Produktions- und Fahrzeugtechnik der Universität Stuttgart zur Erlangung der Würde eines Doktor-Ingenieurs (Dr.-Ing.) genehmigte Abhandlung Vorgelegt von Dipl.-Ing. Jörg Mandel aus Stuttgart Bad-Cannstatt Hauptberichter: Univ.-Prof. Dr.-Ing. Prof. e. h. Dr.-Ing. e. h. Dr. h. c. mult. Engelbert Westkämper Mitberichter: Univ.-Prof. Prof. eh. Dipl.-Wirtsch.-Ing. Dr. h. c. Dr.-Ing. Wilfried Sihn (TU Wien) Tag der mündlichen Prüfung: 3. November 2011 Institut für Industrielle Fertigung und Fabrikbetrieb der Universität Stuttgart 2011 »Wer allein arbeitet, addiert – wer zusammenarbeitet, multipliziert.« Prof. Dr.-Ing. Dr. h. c. Dr.-Ing. e. h. Joachim Milberg Vorwort des Autors Die vorgelegte Arbeit entstand während meiner Beschäftigung als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA in Stuttgart. Zum Gelingen dieser Arbeit hat ein Netzwerk von Personen beigetragen, die mir fachlich und vor allem auch persönlich hilfsbereit zur Seite standen. Ganz besonders dankbar bin ich Herrn Professor Dr.-Ing. Prof. e. h. Dr.-Ing. e. h. Dr. h. c. mult. Engelbert Westkämper, Institutsleiter des Institutes für Produktionstechnik und Automatisierung, für seine entgegenkommende Förderung meiner Arbeit. Ebenso möchte ich Herrn Professor Prof. eh. Dipl.-Wirtsch.-Ing. Dr. h. c. Dr.-Ing. Wilfried Sihn, dem Leiter für Betriebstechnik und Systemplanung des Institut für Managementwissenschaften an der Technischen Universität Wien, für die sorgfältige Durchsicht der Arbeit und für die Übernahme des Mitberichts danken. Allen meinen Kollegen und Kolleginnen am Fraunhofer IPA, die durch ihre Hilfsbereitschaft und durch fachliche Diskussionen zum Gelingen der Arbeit beigetragen haben, möchte ich danken. Im Besonderen Dr.-Ing. Alexander Schloske, der mich mit ausgezeichneter fachlicher und menschlicher Betreuung durch die Arbeit geführt hat. Mein besonderer Dank geht an Frau Dipl. oec. soc. Anja Schatz und Dr.-Ing. habil. HansHermann Wiendahl für die fachlichen Gespräche und intensiven Korrekturen, die entscheidend dazu beigetragen haben, die Arbeit erfolgreich abzuschließen. Ein weiterer Dank geht an die Studenten aus der Abteilung Auftragsmanagement und Unternehmenslogistik, die einen wichtigen Beitrag zum Gelingen dieser Arbeit beigetragen haben. Nicht zuletzt möchte ich mich bei meiner Lebenspartnerin und meinen Eltern für ihre moralische und langjährige Unterstützung bedanken. Stuttgart , den 11.11. 2011 Jörg Mandel 3 Inhaltsverzeichnis Kurzinhalt Der Wandel von angebotsorientierten zu nachfrageorientierten Märkten setzt seit vielen Jahren Unternehmen unter Druck, ihre Produktion und ihre Supply Chain zu optimieren. Das Bewusstsein in den Unternehmen wächst, dass ein großer Teil des Erfolgs eines Unternehmens nicht allein auf der eigenen Leistung basiert. Build-to-Order (BTO), also das Prinzip der kundenindividuellen Massenfertigung, stellt dabei eine Wettbewerbsstrategie dar, die den Kunden im Mittelpunkt hat. Aus dem Ansatz einer ganzheitlichen Optimierung ausgehend von der Kundenwunschwartezeit, lassen sich neue Schwerpunkte für die Entwicklung von Konzepten zur Integration der gesamten Prozesskette ableiten. Die erarbeitete Methodik greift deshalb drei Grundgedanken unter Berücksichtigung der Kundenwunschwartezeit bei der Gestaltung von Build-to-Order Produktionsnetzwerken auf. Diese sind die für Build-to-Order passende Produktstruktur, die geeigneten Netzwerktypen, sowie die benötigten unterstützenden Produktions- und Logistikprozesse in einem Build-to-Order Produktionsnetzwerk. Hierzu werden in der Arbeit Build-to-Order Produkte klassifiziert und nach einer Netzwerktypisierung die erforderlichen Netzwerktypen definiert. Das Gestaltungsmodell selbst ist in vier Schritte aufgeteilt, wobei in Schritt 1 und 2 Kundenwunschwartezeit sowie die logistische Produktstruktur ermitteln wurde. Bevor im letzten Schritt die tatsächlich maximal mögliche Ausdehnung des BTONetzwerks definiert wird, befasste sich Schritt 3 mit der Feststellung der bestehenden Netzwerkstruktur. Das Modell bringt alle wichtigen produktions- und transportlogistischen Größen sowie die Produktkomplexität in Abhängigkeit zum Wunschwartezeitraum des Endkunden. Das entwickelte Modell stellt damit die maximale Ausdehnung des Produktionsnetzwerks bis zum vom Kunden noch tolerierten maximalen Wunschwartezeit dar. Die Vorgehensweise wurde bei einem Systemlieferanten erprobt, der für das Luftfahrtausrüstungsgeschäft variantenreiche Produkte produziert. Die Erprobung hat gezeigt, dass nicht nur ein OEM von dem Gestaltungsmodell profitieren kann, sondern auch dessen Lieferanten. C Short summary In recent years, the shift from supply-driven to demand-driven markets has put pressure on companies to optimize their production and supply chain operations. Companies are getting increasingly aware that a major part of corporate success is not only due to their own performance. In this context, build-to-order (BTO), or in other words the principle of mass customization, represents a sort of competitive strategy that focuses on the customer. Based on an integrated optimization approach with the customer’s expected waiting time (i.e. the time a customer is willing to wait for a product) at its heart, new priorities for the development of techniques for integrating the entire process chain can be derived. Accordingly, the method developed in this thesis addresses three basic ideas in the design of build-to-order production networks along with the consideration of the customer’s expected waiting time. The addressed issues refer to the product structure suitable for build-to-order production networks and the network types qualified for build-toorder, as well as to the supporting manufacturing and logistics processes necessary for a build-to-order production network. For this purpose, build-to-order products are classified here and types of production networks distinguished before the required network types are defined. The design model offers a four-step procedure by which the customer’s expected waiting time and the logistical product structure are established in step 1 and 2. Step 3 deals with ascertaining the existing network structure before the maximum possible size of the BTO network is defined in the last step. The model correlates all production, transport and logistics parameters as well as product complexity to the waiting time expected by the end customer. This way, the developed model represents the maximum size of the production network to the last point in the waiting period still tolerated by the customer. This procedure was put to the test by a system supplier who manufactures multiple product variants for the aerospace equipment industry. The testing proved that not only the OEM can benefit from the design model but also the suppliers. Seite XI Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis INHALTSVERZEICHNIS XI ABBILDUNGSVERZEICHNIS XVII ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS XXI 1. EINLEITUNG UND ABGRENZUNG DER ARBEIT 1 1.1 Ausgangssituation 1 1.2 Problemstellung 2 1.2.1 Kundenwünsche am Beispiel von Fahrzeugen 3 1.2.2 Ansätze aus der Automobilbranche 5 1.2.3 Kapazitätsauslastung durch Prognosen 6 1.2.4 Lösungsansatz 6 1.3 Zielsetzung und Aufbau der Arbeit 8 1.3.1 Aufbau der Arbeit 9 1.4 Thematische Einordnung der Arbeit in den wissenschaftlichen Kontext 11 1.4.1 Informationsmanagement in BTO-Netzwerken 11 1.4.2 Entscheidung über Standorte 11 1.5 Zusammenfassung und Abgrenzung der Arbeit 12 2. STAND DER TECHNIK 14 2.1 Supply Chain Management 14 2.2 Einordnung von Produktionsnetzwerken 18 2.2.1 Ansätze zur Verwendung von Modellen 18 XI Inhaltsverzeichnis 2.2.2 Beschreibungsmodell Supply Chain Operations Reference Model 19 2.2.3 Beschreibungsmodell der Wertschöpfungsketten nach Porter 21 2.2.4 Ausprägung von Produktionsnetzwerken 22 2.2.4.1 Kooperationsformen von Netzwerken 22 2.2.5 Zusammenfassung 27 2.3 Definition von Build-to-Order 28 2.3.1 Mass Customization 28 2.3.2 Build-to-Order 29 2.3.3 Abgrenzung von BTO zu anderen Produktionskonzepten 29 2.4 Build-to-Order als Antwort auf Massenproduktion und mehr Kundenorientierung 2.4.1 Der Kunde und die Zeit bis er sein Produkt erhält 32 32 2.4.1.1 Kundenauftragsentkopplungspunkt 32 2.4.1.2 Lieferzeit vs. vom Kunden akzeptierte Lieferzeit 33 2.4.1.3 Kundenerwartungszeit 34 2.4.1.4 Vom Kunden akzeptierte Wartezeit 34 2.4.2 Der Kunde und sein Produkt 35 2.4.2.1 Produktmodularisierung 35 2.4.2.2 Produkteinteilung über Geschäftsarten 36 2.4.2.3 Darstellung der Produktstruktur 37 2.4.3 Bisherige Fertigungs- bzw. Produktionssysteme 39 2.4.3.1 Produktion und Fertigung 40 2.4.3.2 Einzelfertigung 41 2.4.3.3 Massenproduktion 42 2.4.3.4 Variantenreiche Serienfertigung 42 2.4.4 Zusammenfassung 43 2.5 Wettbewerbliche und strategische Einordnung von Build-to-Order 44 2.5.1 Wettbewerbsstrategien 44 XII 2.5.1.1 Umfassende Kostenführerschaft 45 2.5.1.2 Differenzierung 45 2.5.1.3 Konzentration auf Schwerpunkte 46 Inhaltsverzeichnis 2.5.1.4 Hybride Wettbewerbsstrategie Build-to-Order 2.5.2 Zusammenfassung 46 47 3. DEFIZITE BESTEHENDER ANSÄTZE IN DER INDUSTRIE UND FORSCHUNG 48 3.1 Ansätze von BTO-Netzwerke in der Forschung 48 3.1.1 Forschungsprojekt ACDC 48 3.1.2 Forschungsprojekt ILIPT 48 3.1.3 Informationsmanagement in der Automobilwirtschaft SYSLogInformationssystemarchitektur supra-adaptiver Logistiksysteme 49 3.2 Ansätze von BTO-Netzwerken in der Industrie 50 3.2.1 Build-to-Order in der Computerindustrie am Beispiel DELL 50 3.2.2 Build-to-Order in der Automobilbranche am Beispiel BMW 55 3.2.3 Build-to-Order in der Textilindustrie am Beispiel ZARA 59 3.3 Defizite bisheriger Systeme und kritische Betrachtung des aktuellen Standes 63 3.3.1 Beurteilung des BTO-Systems bei DELL 63 3.3.2 Beurteilung des BTO-Systems bei BMW 64 3.3.3 Beurteilung des BTO-Systems bei ZARA 65 3.4 Zusammenfassung 66 4. KLASSIFIZIERUNG VON BUILD-TO-ORDER PRODUKTEN 67 4.1 Nachfrage- und Marktbedingungen 68 4.1.1 Ermittlung von Kundenwünschen 68 4.1.2 Strategische Definition des maximalen Kundenwartezeitraums 70 4.2 Build-to-Order-Produktklassifizierung für variantenreiche Serienfertiger 72 4.2.1 Klassifizierung von Produkten 72 4.2.1.1 Preissegment 75 4.2.1.2 Produktlebenszyklus 75 XIII Inhaltsverzeichnis 4.2.2 Geschäftsarten 75 4.2.3 Modularisierungsgrad 76 4.2.4 Zusammenfassung 77 4.3 Produktions- und Prozessvoraussetzungen 77 4.3.1 Prozessflexibilität 78 4.3.1.1 Kapazitätsflexibilität 78 4.3.1.2 Flexible Arbeitszeitmodelle 80 4.3.1.3 Arbeitsplatz- und Organisationsvoraussetzungen 80 4.3.2 Produktionsflexibilität 81 4.3.2.1 Produktionsversorgung 82 4.4 Netzwerkvoraussetzungen 82 4.4.1 Build-to-Order-Netzwerkklassifizierung 83 4.4.2 Flexibilität im Lieferantennetzwerk 83 4.4.3 Bestand in der Kette 85 4.4.4 Distribution in einem Build-to-Order-Netzwerk 86 4.5 Zusammenfassung der Voraussetzungen 87 5. MODELL ZUR GESTALTUNG VON BUILD-TO-ORDER PRODUKTIONSNETZWERKEN 88 5.1 Modellrahmen für Build-to-Order-Netzwerke 89 5.1.1 Kerngestaltungselemente 90 5.1.2 Kerngestaltungselement Build-to-Order 91 5.1.2.1 Wareneingang für BTO- und BTS-Teile 92 5.1.2.2 Lagerung BTO- und BTS-Teile 92 5.1.2.3 Produktionsversorgung 92 5.1.2.4 BTO Produktion 92 5.1.2.5 BTO-Sequenzierung 93 5.1.2.6 Warenausgang BTO 93 5.1.2.7 Auftragsabwicklung im BTO-Kernelement 94 5.1.3 Kerngestaltungselement Build-to-Stock XIV 96 Inhaltsverzeichnis 5.1.3.1 Auftragsabwicklung im BTS-Kernelement 98 5.1.4 Kerngestaltungselement Transport 98 5.1.5 Definition der Abhängigkeiten und Schnittstellen 99 5.1.5.1 Zeitliche Abhängigkeiten und Informationsfluss 100 5.2 Prozessmodell für Build-to-Order-Netzwerke 102 5.3 Schritt 1: Ermittlung des Kundenwunschwartezeitraums 103 5.4 Schritt 2: Ermittlung der logistischen Produktstruktur 105 5.4.1 Produktklassifizierung für den Einsatz in BTO-Netzwerken 105 5.4.2 Produktspezifische Zeiteinheiten je Kerngestaltungselement 107 5.4.3 Einteilung der Erzeugnisstruktur nach Wichtigkeit 108 5.5 Schritt 3: Feststellung der Akteure im zu betrachtenden Netzwerk 109 5.5.1.1 Zuordnung von Akteuren zur Erzeugnisstruktur 110 5.5.1.2 Logistikstrukturen 111 5.5.1.3 Produktionsart im Netzwerk 114 5.6 Schritt 4: Definition der Ausdehnungsweite des BTO-Netzwerks 116 5.6.1 Build-to-Order-Radar 116 6. VALIDIERUNG DES MODELLS MIT DER INDUSTRIE 120 6.1 Voraussetzungen 120 6.2 Definition des Kundenwunschwartezeitraums 120 6.3 Ermittlung der logistischen Produktstruktur und Akteure im zu betrachtenden Netzwerk 122 6.4 Definition der Ausdehnungsweite des BTO-Netzwerks 123 7. ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICK 125 7.1 Zusammenfassung 125 7.2 Kritische Würdigung 126 XV Inhaltsverzeichnis 7.3 Ausblick und weiterer Forschungsbedarf 127 8. SUMMARY AND OUTLOOK 129 8.1 Summary 129 8.2 Critical appraisal 130 8.3 Outlook and need for further research 131 9. LITERATURVERZEICHNIS 133 XVI Abbildungsverzeichnis Abbildungsverzeichnis ABBILDUNG 1: ZEIT VON DER BESTELLUNG EINES FAHRZEUGES BIS ZUR AUSLIEFERUNG, EIGENE DARSTELLUNG IN ANLEHNUNG AN [ELI 2002] ..................................................... 4 ABBILDUNG 2: WUNSCHLIEFERZEIT EINES FAHRZEUGES VON DER BESTELLUNG BIS ZUR AUSLIEFERUNG, EIGENE DARSTELLUNG IN ANLEHNUNG AN [ELI 2002] ............................................ 4 ABBILDUNG 3 : DIE BUILD-TO-ORDER-PROGRAMME DER AUTOHERSTELLER [KLU 2010]; [REI 2008]; [NAY 2006] ............................................................................................... 5 ABBILDUNG 4: ZUSAMMENHANG DER VIER GRUNDGEDANKEN UND DER ZIELSETZUNG DER ARBEIT ....... 9 ABBILDUNG 5: AUFBAU UND GLIEDERUNG DER ARBEIT ............................................................ 10 ABBILDUNG 6: ABGRENZUNG DER ARBEIT ............................................................................ 12 ABBILDUNG 7: DARSTELLUNG EINER SUPPLY CHAIN [SIH 2005] ............................................... 15 ABBILDUNG 8: DER BULLWHIP-EFFEKT [SCH 2007B] ............................................................. 17 ABBILDUNG 9: SCOR-MODELL [SUP ] ............................................................................... 19 ABBILDUNG 10: BASIEREND AUF DEM SCOR-MODELL: ELEMENTE UND EINFLUSSGRÖßEN EINES PROZESSKETTENMODELLS, EIGENE DARSTELLUNG IN ANLEHNUNG AN [KUH 2009] .. 20 ABBILDUNG 11: WERTSCHÖPFUNGSPROZESSE NACH PORTER, EIGENE DARSTELLUNG IN ANLEHNUNG AN [POR 1986] .......................................................................................... 22 ABBILDUNG 12: ÜBERSICHT ÜBER KOOPERATIONSFORMEN IM NETZWERK [RAU 2003] .................. 23 ABBILDUNG 13: TYPEN VON UNTERNEHMENSNETZWERKEN [RAU 2003] .................................... 24 ABBILDUNG 14: TYPOLOGIE INTERNATIONALER NETZWERKE, EIGENE DARSTELLUNG IN ANLEHNUNG AN [SYD 2006] ...................................................................................... 25 ABBILDUNG 15: AUSPRÄGUNGEN VON PRODUKTIONSNETZWERKEN, EIGENE DARSTELLUNG IN ANLEHNUNG AN [SCH 2006A] .................................................................. 26 ABBILDUNG 16: UNTERNEHMENSSTRUKTUREN DER BRANCHEN AUTOMOBIL-, MASCHINEN- UND ANLAGENBAU [SCH 2006A] ..................................................................... 27 ABBILDUNG 17: X-TO-ORDER-SYSTEME; EIGENE DARSTELLUNG IN ANLEHNUNG AN [SCH 2006B] ... 31 ABBILDUNG 18: EINORDNUNG DER PRODUKTIONSKONZEPTE ..................................................... 32 ABBILDUNG 19: PORTFOLIO DER LOGISTISCHEN GESCHÄFTSARTEN [FAß 2001], [WIE 2010] .......... 36 ABBILDUNG 20: SCHEMA EINER STRUKTUR-STÜCKLISTE, EIGENE DARSTELLUNG IN ANLEHNUNG AN [WIE 2008B] ......................................................................................... 38 XVII Abbildungsverzeichnis ABBILDUNG 21 : SKALIERUNG DER STRUKTUREN PRODUZIERENDER UNTERNEHMEN [WES 2008] ...... 39 ABBILDUNG 22: DER KONTEXT DER FORMULIERUNG VON WETTBEWERBSSTRATEGIEN [POR 1986] ... 44 ABBILDUNG 23: DREI WETTBEWERBSSTRATEGIEN NACH PORTER [POR 1986] .............................. 45 ABBILDUNG 24: BUILD-TO-ORDER-FERTIGUNG BEI DELL, EIGENE DARSTELLUNG IN ANLEHNUNG AN [GRA 2006] .......................................................................................... 52 ABBILDUNG 25: ARBEITSABLAUF IN DELL-FABRIKEN [AMH 2002] ........................................... 53 ABBILDUNG 26: FLEXIBILITÄTS- UND STABILITÄTSPHASEN VOR UND NACH KOVP [DAN 2009] ........ 58 ABBILDUNG 27: ZARAS WERTSCHÖPFUNGSKETTE, EIGENE DARSTELLUNG IN ANLEHNUNG AN [BOV 2002] .......................................................................................... 60 ABBILDUNG 28: ZARAS WERTSCHÖPFUNGSPROZESS IM VERGLEICH ZUM KLASSISCHEN WSP [KPM 2003] ......................................................................................... 62 ABBILDUNG 29: ÜBERSICHT ÜBER KAPITEL 4, KLASSIFIZIERUNG VON BUILD-TO-ORDER PRODUKTEN ... 67 ABBILDUNG 30: KUNDENWÜNSCHE UND KUNDENBEDÜRFNISSE, EIGENE DARSTELLUNG IN ANLEHNUNG AN [STE 2005] ....................................................................................... 69 ABBILDUNG 31: VOM KUNDEN AKZEPTIERTE/GEWÜNSCHTE LIEFERZEIT [ATK 2009] ...................... 70 ABBILDUNG 32: ENTWICKLUNG KUNDENAUFTRAGSARTEN [ATK 2009] ..................................... 71 ABBILDUNG 33: GROBE BUILD-TO-ORDER-PRODUKTKLASSIFIZIERUNG ......................................... 72 ABBILDUNG 34: BTO-PRODUKTBEREICHE ........................................................................... 74 ABBILDUNG 35: EINTEILUNG VON BUILD-TO-ORDER FÄHIGEN PRODUKTEN INNERHALB VON GESCHÄFTSARTEN, ERWEITERTE DARSTELLUNG ZU [FAß 2001], [WIE 2010] ......... 76 ABBILDUNG 36: BRANCHENÜBERGREIFENDE BUILD-TO-ORDER-PRODUKTKLASSIFIZIERUNG................ 77 ABBILDUNG 37: KAPAZITÄTSFLEXIBILITÄT ............................................................................. 79 ABBILDUNG 38: KAPAZITÄTSFLEXIBILITÄTSTUNNEL, EIGENE DARSTELLUNG IN ANLEHNUNG AN [FIS 2008] ............................................................................................. 79 ABBILDUNG 39: SYSTEMATISIERUNG VON FERTIGUNGSSYSTEMEN [GRÄ 2004]; [WEC 1991] ........ 81 ABBILDUNG 40: KLASSIFIZIERUNG VON BUILD-TO-ORDER NETZWERKEN ...................................... 83 ABBILDUNG 41: STUFEN DER LIEFERANTENINTEGRATION IN DIE KUNDENSPEZIFISCHE LEISTUNGSERSTELLUNG, ERWEITERTE DARSTELLUNG NACH [PIL 2000] .................. 84 ABBILDUNG 42: ENTWICKLUNG BESTANDSREICHWEITEN [ATK 2009] ........................................ 85 ABBILDUNG 43: BUILD-TO-ORDER/BUILD-TO-STOCK-GRENZE IM NETZWERK ................................ 86 ABBILDUNG 44: VIER SCHRITTE ZUR GESTALTUNG VON BTO-NETZWERKEN ................................. 88 ABBILDUNG 45: MODELLRAHMEN FÜR BUILD-TO-ORDER-NETZWERKE ........................................ 89 ABBILDUNG 46: BEISPIELDARSTELLUNG EINES BTO-NETZWERKS ................................................ 90 XVIII Abbildungsverzeichnis ABBILDUNG 47: PROZESSELEMENTE DES KERNGESTALTUNGSELEMENTS BTO ................................. 91 ABBILDUNG 48: UNTERSCHEIDUNG VON AUFTRÄGEN IN EINEM BUILD-TO-ORDER-SYSTEM............... 94 ABBILDUNG 49: AUFTRAGSABWICKLUNG IM KERNGESTALTUNGSELEMENT BTO ............................ 96 ABBILDUNG 50: KERNGESTALTUNGSELEMENT BTS ................................................................. 97 ABBILDUNG 51: HYBRIDES KERNGESTALTUNGSELEMENT BTS .................................................... 97 ABBILDUNG 52: AUFTRAGSABWICKLUNG IM HYBRIDEN KERNGESTALTUNGSELEMENT BTS ................ 98 ABBILDUNG 53: KERNGESTALTUNGSELEMENT TRANSPORT........................................................ 99 ABBILDUNG 54: ABHÄNGIGKEITEN DER GRUNDELEMENTE ...................................................... 100 ABBILDUNG 55: ZEITLICHE ABHÄNGIGKEITEN IN EINEM BTO-ELEMENT ...................................... 100 ABBILDUNG 56: AUFTRAGSKASKADE IN EINEM BTO-NETZWERK [MAN 2008] .......................... 101 ABBILDUNG 57: PROZESSDARSTELLUNG EINES BTO-NETZWERKS.............................................. 103 ABBILDUNG 58: ZEITLICHE ABHÄNGIGKEIT IN EINEM BTO-NETZWERK ....................................... 103 ABBILDUNG 59: KUNDENZUFRIEDENHEITSGRAD IN ABHÄNGIGKEIT DER ZEIT ................................ 104 ABBILDUNG 60: BEISPIEL EINER GRAFISCHEN DARSTELLUNGSFORM EINER ERZEUGNISSTRUKTUR, EIGENE DARSTELLUNG IN ANLEHNUNG AN [WIE 2008B] ................................. 106 ABBILDUNG 61: EINTEILUNG DER ERZEUGNISSTRUKTUR IN KAUFTEILE (K), FERTIGUNG (F) UND MONTAGE (M) ...................................................................................... 106 ABBILDUNG 62: PRODUKT-PROZESS-ZUORDNUNG ............................................................... 107 ABBILDUNG 63: ZEITERMITTLUNG PRO ELEMENT .................................................................. 108 ABBILDUNG 64: PRODUKTEINTEILUNG ............................................................................... 109 ABBILDUNG 65: ZUORDNUNG AKTEURE ZU GESTALTUNGSELEMENTEN ...................................... 110 ABBILDUNG 66: ZUORDNUNG AKTEURE ZU ERZEUGNISSTRUKTUR............................................. 111 ABBILDUNG 67: EINTEILUNG DES GESTALTUNGSELEMENTS TRANSPORT...................................... 112 ABBILDUNG 68: INHALTE DES GESTALTUNGSELEMENTS TRANSPORT .......................................... 113 ABBILDUNG 69: ZEITLICHE BETRACHTUNG DES GESTALTUNGSELEMENTS TRANSPORT .................... 114 ABBILDUNG 70: EINTEILUNG DES BESTEHENDEN NETZWERKS IN BUILD-TO-ORDER UND BUILD-TO-STOCK ................................................................................... 115 ABBILDUNG 71: ZEITEINTEILUNG FÜR MAXIMALE AUSDEHNUNG EINES BTO-NETZWERKS ............... 116 ABBILDUNG 72: BTO-RADAR FÜR BTO-NETZWERKE ............................................................ 117 ABBILDUNG 73: AKTEURE IM BTO-RADAR ........................................................................ 118 ABBILDUNG 74: BTO-RADAR FÜR DIE MAXIMALE AUSDEHNUNG EINES BTO-NETZWERKES ............ 119 ABBILDUNG 75: ZEITLEISTEN FÜR KUNDENWARTEZEITEN......................................................... 121 XIX Abbildungsverzeichnis ABBILDUNG 76: AUFTRAGSHORIZONT ............................................................................... 122 ABBILDUNG 77: BUILD-TO-ORDER-GRENZE IM AKTUELLEN NETZWERK DES SYSTEMLIEFERANTEN...... 123 ABBILDUNG 78: ZUKÜNFTIGES BTO-NETZWERK .................................................................. 124 ABBILDUNG 79: UNTERSCHIEDE ZWISCHEN BTO/BTF ZU REINEM BTO ...................................... 124 XX Abkürzungsverzeichnis Abkürzungsverzeichnis 4PL Fourth Party Logistics Provider AT Arbeitstage ACDC Automotive Chassis Development for 5-Days-Cars AG Aktiengesellschaft ATO Assemble-to-Order BMW Bayerische Motoren Werke BOM Bill of Material bspw. beispielsweise BTO Build-to-Order BTS Build-to-Stock bzw. beziehungsweise COP Customer Ordered Production CTO Configure-to-Order d. h. das heißt DOMS Dell Order Management System DTO Design-to-Order EDI Electronic Data Interface ETO Engineer-to-Order ERP Enterprise Ressource Planning EU Europäische Union FAB Feinabruf FDLZ Fertigungsdurchlaufzeit ForLog Bayerischer Forschungsverband SUPRA-ADAPTIVE Logistiksysteme GmbH Gesellschaft mit beschränkter Haftung GO Global Ordering ICDP International Car Distribution Programm i.d.R. in der Regel ILIPT Intelligent Logistics for Innovative Product Technologies IuK Informations- und Kommunikationstechnik JIS Just in Sequence JIT Just in Time XXI Abkürzungsverzeichnis KEZ Kundenerwartungszeit KEP Kundenentkopplungspunkt KG Kommanditgesellschaft KLZ Kundenlieferzeit KOVP Kundenorientierter Vertriebs- und Produktionsprozess LAB Lieferantenabruf LSP Logistic Service Provider LDL Logistikdienstleister NOAC Next Operation as Customer MTO Made-to-order OEM Original Equipment Manufacturer PND Projet Nouvelle Distribution PPS Produktionsplanung und –steuerung PSA Société Anonyme des Automobiles Peugeot SCM Supply Chain Management SLC Supplier Logistic Center SMI Supplier Managed Inventory SPAB Standard-Produktionsabruf SCOR Supply Chain Operations Reference Model SysLOG IS-Architekturen supra-adaptiver Logistiksysteme in der Automobilindustrie TAD technischer Auftragsdatensatz TPS Toyota Production System usw. und so weiter u.U. unter Umständen VMI Vendor Managed Inventory VOB Virtual Order Bank vgl. vergleiche WSP Wertschöpfungsprozess XML Extensible Markup Language z. B. zum Beispiel XXII Einleitung und Abgrenzung der Arbeit 1. Einleitung und Abgrenzung der Arbeit 1.1 Ausgangssituation Seite -1 Seit vielen Jahren stehen Unternehmen konstant unter Druck, ihre Produktion und ihre Supply Chain zu optimieren. Steigende Rohstoffpreise, steigende Löhne im Wettbewerb mit Niedriglohnländern, höhere Variantenvielfalt und kürzere Lieferzeiten bei konstant sinkenden Preisen und Wünschen nach reduzierten Lagerbeständen sind nur eine unvollständige Aufzählung der vielen Anforderungen, denen sich die Verantwortlichen in den letzten Jahren zu stellen hatten [BEC 2008]. Die Wissenschaft erklärt dies mit dem Wandel von angebotsorientierten zu nachfrageorientierten Märkten, wobei als Haupttreiber für diesen Wandel sowohl wirtschaftliche, soziale als auch technologische Entwicklungen gelten [BRO 2005]. Aus dieser Verschiebung und anderen damit verbundenen mikro- und makroökonomischen Faktoren, wie z. B. weltweite Überkapazitäten sowie Globalisierung, sind neue Wettbewerbskriterien entstanden [OST 2009]. Um nicht aufgrund zu hoher Kosten den Anschluss an die Mitbewerber zu verlieren, werden z. B. Produktionsstandorte in Billiglohnländer – vor allem nach Osteuropa oder nach Asien – verlagert. Der Kampf um Marktanteile in den immer stärker gesättigten Märkten erzeugen Handlungsbedarf bei den Unternehmen, um langfristig im Wettbewerb bestehen zu können. Parallel zu dieser Entwicklung hat sich das Kaufverhalten der Konsumenten ebenfalls verändert. Während früher die Kunden bereit waren, für hohe Qualität einen entsprechend höheren Kaufpreis zu bezahlen, verlangt der Konsument heute gehobene Qualität zu möglichst niedrigen Preisen. Es hat sich somit ein Wandel von einem Verkäufermarkt hin zu einem Käufermarkt vollzogen [KAT 2005]. Insbesondere in der deutschen Automobilindustrie ist ein deutlicher Trend zur Nachfrage nach immer individuelleren Fahrzeugen spürbar. Dieser Trend entspricht einer Veränderung in den demografischen Strukturen und den Wertesystemen der Endkunden [HEI 2008]. Die Schwierigkeit dabei ist, dass die gegensätzlichen Produktionskonzepte Massenproduktion und Einzelfertigung grundsätzlich eine Abwägung zwischen Kostendegression und Individualisierung bedingen. Ein Vergleich bei kundenindividuell angefertigten Fahrzeugen des gleichen Modells beispielsweise zeigt, dass aufgrund der hohen Kombinationsmöglichkeiten der 1 Einleitung und Abgrenzung der Arbeit Grundvarianten und der Sonderausstattungen diese in sehr seltenen Fällen die identische Konfiguration besitzen. Zudem ist die Bedeutung kurzer Lieferzeiten für die Kunden weiter gestiegen [MAN 2009]. Laut Rich und Hines bringt der Faktor Zeit für Branchen, die von Überkapazität und starkem internationalem Wettbewerb gekennzeichnet sind, einen neuen Wettbewerbsvorteil mit sich [RIC 1997]. Das bedeutet, das Unternehmen kann entweder einheitliche Produkte kostengünstig produzieren und zu einem niedrigen Preis abgeben oder die Firma geht intensiv auf die individuellen Bedürfnisse der Kunden ein, was sich wiederum in höheren Preisen, bedingt durch hohe Produktionskosten, widerspiegelt [NIE 2002]. Gerade in einer Zeit des globalen Wettbewerbs und turbulenter Einflussfaktoren auf die Produktion, einer verteilten und vernetzten Fertigung mit flexibel automatisierten und integrierten Maschinen sowie externen Anforderungen an Qualität und Präzision stellt sich die Frage, ob moderne Fertigungen noch nach den Taylorschen Prinzipien1 aufgebaut sein können [WES 2008]. 1.2 Problemstellung Bewertungen und Leistungsanalysen in Unternehmen richten sich noch immer überwiegend auf die eigenen Belange. Im Moment wächst das Bewusstsein in den Unternehmen, dass ein großer Teil des Erfolgs eines Unternehmens nicht allein auf der eigenen Leistung basiert. Entscheidend sind ebenso das Netzwerk und die Rahmenbedingungen der Infrastruktur, in dem das Unternehmen arbeitet. Bestimmend ist daher im Wesentlichen nicht mehr die Leistung und Effizienz des eigentlichen Unternehmens selbst, sondern die Qualität des Zusammenspiels des gesamten Komplexes [DIC 2009]. Informations- und Kommunikationssysteme verkürzen die Wege zwischen Hersteller und Kunde. Sie führen zu einer stärkeren Vernetzung der Produktion und zur Aktivierung von Synergien in den Netzwerken der Produktion. Aus dem Ansatz einer ganzheitlichen Optimierung der Prozessketten lassen sich neue Schwerpunkte für die Entwicklung von Managementkonzepten auf der Basis der Integration der gesamten Prozesskette ableiten [WES 2009]. Obendrein gibt es eine immer größer werdende Zahl an Konsumenten, die 1 Ausgehend von den Taylorschen Prinzipien muss die Fertigung technisch und organisatorisch optimiert werden. Intelligente Systeme und Produkte, die über den Lebenslauf in der Hand des Herstellers verbleiben, sind die Folge [WES 2003]. 2 Einleitung und Abgrenzung der Arbeit durch ihre Kaufentscheidung ihre Einzigartigkeit und Originalität unter Beweis stellen will. Zentrale Begriffe sind in diesem Zusammenhang "Konsum als Selbstinszenierung“ und „Differenzierung als neuer Luxus“ [KUD 2005]. 1.2.1 Kundenwünsche am Beispiel von Fahrzeugen Fragt man beispielsweise Käufer von Premium-Automobilen, wie sie sich die Abwicklung einer Neufahrzeugbestellung wünschen, stehen in Anlehnung an Reithofer folgende Aspekte im Vordergrund: • Einfacher Bestellvorgang mit sofortiger Nennung eines verbindlichen Liefertermins "auf Knopfdruck" im Rahmen des Verkaufsgesprächs • Keine Lieferengpässe mit gleichzeitiger freier Auswahl innerhalb der Angebotspalette • Flexibilität bei Änderungswünschen während der Laufzeit der Bestellung, so lange das Fahrzeug noch nicht produziert wurde • In dringenden Fällen, trotz kundenspezifischer Abwicklung, eine kurze, nach Tagen oder wenigen Wochen bezifferbare Lieferzeit • Auskunftsfähigkeit über den Stand der Auftragsabwicklung • Pünktliche Auslieferung zum gewünschten bzw. zugesagten Termin, mit dem der Kunde "rechnen"und verlässlich planen kann [REI 2005]. Hinsichtlich des Kundenwunschs und der Wartezeit wurden im Rahmen des „3 Day CarProgramms“, das das Ziel hatte, die komplette automobile Supply Chain vom Rohmaterial bis zum Kunden zu analysieren, umfangreich Zahlen erhoben. Beispielsweise wurde in Großbritannien eine Umfrage durchgeführt, wie lange es dauert, bis der Kunde sein Auto erhält (Abbildung 1) bzw. wie schnell er es gerne erhalten würde (Abbildung 2). 3 Einleitung und Abgrenzung der Arbeit Abbildung 1: Zeit von der Bestellung eines Fahrzeuges bis zur Auslieferung, eigene Darstellung in Anlehnung an [ELI 2002] Dabei wurde festgestellt, dass nur gut ein Drittel aller Autokäufer ihr Fahrzeug innerhalb von zwei Wochen erhalten. Dies steht im Gegensatz zur gewünschten Lieferzeit – knapp zwei Drittel aller Kunden hätten das Fahrzeug gerne innerhalb von zwei Wochen. Durch diese Differenz zwischen der aktuellen Lieferzeit und der gewünschten Lieferzeit wird es notwendig, die Fahrzeuge schneller bzw. anders zu produzieren. Abbildung 2: Wunschlieferzeit eines Fahrzeuges von der Bestellung bis zur Auslieferung, eigene Darstellung in Anlehnung an [ELI 2002] In der Konsumentenverhaltensforschung wird betont, dass ein weiterer Nutzenaspekt für Konsumenten heute aufgrund des steigenden Zeitdrucks, der Informationsüberflutung sowie der Wertschätzung von Erholung und Freizeit zunehmend an Bedeutung 4 Einleitung und Abgrenzung der Arbeit gewinnt. In einigen Akzeptanzstudien konnte der positive Einfluss eines ShoppingConvenience-Nutzens2 auf die Akzeptanz von Innovationen zudem bereits empirisch bestätigt werden [DÜL 2009]. Nach Düll spiegelt die wahrgenommene Annehmbarkeit die geforderte Wartezeit wider, inwiefern die erforderliche Liefer- bzw. Wartezeit auf das Produkt von einem Konsumenten als akzeptabel beurteilt wird. Es handelt sich hierbei um eine Konsumentenperzeption, die die Wunschwartezeit oder subjektive Annehmbarkeit der Wartezeit als eine wesentliche Voraussetzung für die Akzeptanz einer kundenauftragsbezogenen Produktion (Build-to-Order) von Produkten darstellt. 1.2.2 Ansätze aus der Automobilbranche In den vergangenen Jahren gab es einige Programme, die eine Reduzierung der Auslieferzeit zum Fokus hatten (Abbildung 3). Beispielsweise zielte Volvo innerhalb eines Logistikprojekts auf eine Lieferzeit von 28 Tagen durch Nutzung eines 100% Build-to-Order-Systems bei einer Liefertreue von 95% ab [REI 2008]. DaimlerChrysler baute in der Initiative FastCar auf das Internet, das die kooperativen Prozesse von der Produktentwicklung bis hin zu Beschaffung und Logistik effizient unterstützen sollte. Ziel war eine Lieferzeit von 15 Tagen [KLU 2010]. Auslieferungszeit (Ziel) Hersteller Programmname BMW Kunden-Orientierter Vertriebs- und Produktionsprozess (KOVP) 10 Tage DaimlerChrysler FastCar / Global Ordering (GO) 15 Tage Ford Order-to-Delivery 15 Tage General Motors Order-to-Delivery 20 Tage Nissan SCOPE (in Europa), ANSWER (in Japan), ICON (in den USA) 14 Tage Renault Projet Nouvelle Distribution (PND) 21 Tage Toyota k. A. 14 Tage Volkswagen Kunde-Kunde 14 Tage Volvo Customer Ordered Production (COP) 14 Tage Abbildung 3 : Die Build-to-Order-Programme der Autohersteller [KLU 2010]; [REI 2008]; [NAY 2006] 2 Shopping-Convenience-Nutzen ist der erwartete Bequemlichkeitsnutzen, der beim Einkaufen durch das Wegfallen von Such- und Entscheidungskosten entsteht [DÜL 2009]. 5 Einleitung und Abgrenzung der Arbeit 1.2.3 Kapazitätsauslastung durch Prognosen Neben der Entwicklung der Kundenanforderungen zu mehr individuellen Produkten kommt der Umstand hinzu, dass Hersteller, um ihre Kapazitätsauslastung zu optimieren, einen Teil ihrer Fahrzeuge auf Basis von Prognosen produzieren [EST 2006]. Doch Prognosen entsprechen selten der Realität und einen Käufer zu finden, ist nicht immer einfach. Insbesondere Sonderausstattungen sind für Autohersteller und -händler von nicht zu unterschätzender Bedeutung, da sie einen überproportional hohen Deckungsbeitrag erwirtschaften. Bei zum Teil sehr niedrigen Stückkosten ergeben sich Stückdeckungsbeitragsquoten, die die des nackten Fahrzeugs (i.d.R. 20-50 %) um ein Vielfaches übersteigen [EBE 2004]. Gerade diese profitablen Fahrzeuge mit individueller Ausstattung sind schwer zu prognostizieren [LUT 2010] und daraus resultierende Fehlplanungen sind schwer zu verkaufen. Es entstehen Einbußen beim Verkaufspreis und Kapitalbindungskosten bis zum Zeitpunkt des Verkaufs [AGR 2001]. Die Kunden bekommen hierbei entweder nicht das Auto, das ihren Vorstellungen entspricht, oder sie müssen sehr lange auf ihr selbst konfiguriertes Fahrzeug warten. Nach einer Studie der University of Bath und des ICDP3 sind dies bei Fahrzeugen in Europa durchschnittlich 40 Tage [PAR 2008], was für anspruchsvolle Kunden in verstärktem Maße inakzeptabel ist. 1.2.4 Lösungsansatz Um dem Kunden das individuelle Produkt zu verschaffen, das er wünscht und gleichzeitig verlässliche Lieferzeiten zu garantieren, gibt es grundsätzlich mehrere Ansätze. Eine Möglichkeit, diesem Problem entgegen zu wirken, stellt das Fertigungskonzept Build-toOrder (BTO) dar, bei welchem im Sinne einer kundenauftragsspezifischen Massenfertigung ein Produkt erst dann hergestellt wird, wenn der Kunde eine verbindliche Bestellung in Auftrag gegeben hat [WIN 2006]. Fabrikübergreifende Build-to-OrderProduktionssysteme bzw. Build-to-Order-Netzwerke ermöglichen es den Unternehmen, ihre Kosten zu reduzieren (z. B. durch niedrige Lagerbestände und Lagerhaltungskosten) und gleichzeitig dem Kunden ein individualisiertes Produkt zu einem niedrigeren Preis anzubieten. Es entsteht somit für die Unternehmen und die Kunden eine Win-winSituation [AGR 2001], d.h. entgegen Porters Annahmen kann eine Strategie „zwischen den Stühlen“ (eine langfristige strategische Positionierung zwischen Kostenführerschaft 3 International Car Distribution Programme, eine gemeinnützige Forschungsorganisation 6 Einleitung und Abgrenzung der Arbeit und Differenzierung) durchaus möglich sein [NIE 2002]. Alles deutet darauf hin, dass die Veränderungen innerhalb der Märkte eine Abkehr von den alten Fertigungskonzepten erfordern und neue, innovative Konzepte wie Build-to-Order hervorrufen [BAU 2006]. Die Produktion des bestellten Gutes entspricht dabei weitestgehend den Vorgaben des Kunden. Das bedeutet, dass alle Produkte zum Zeitpunkt ihrer Erstellung bereits einen spezifischen Kundenauftrag repräsentieren. Der Kaufprozess findet damit vor dem Produktionsprozess statt und stellt dadurch die zentrale Voraussetzung für BTO dar. Das BTO-Produktionskonzept spiegelt damit eine extreme Form der Pull-Strategie wider, da der Kundenauftrag den gesamten Wertschöpfungsprozess des Produktes prägt [KAT 2005]. Unter einer Pull-Strategie wird verstanden, dass die Nachfrage vom Endverbraucher ausgeht, wohingegen bei der Push-Strategie der Endverbraucher lediglich zum Kauf bereits hergestellter Produkte animiert wird [NIE 2002], [CAN 2006]. Somit ist die Auslegungstiefe eines BTO-System in erster Linie vom Kundenauftrag und der damit verbundenen generischen Festlegung der Auftragsentkopplungsgrenze, dem Wechsel zwischen auftragsanonymer und auftragsbezogener Produktion, abhängig. Je nach Modul bzw. Komponente sowie ausgehend von der Produktgestaltung kann die Kundenauftragsentkopplungsgrenze in der Kette zwischen der Endmontage, der ersten Stufe, aber auch an n-ter Stufe liegen. Grundidee des Ansatzes ist, so weit wie möglich den Prinzipien der „Economy-of-Scale“ zu folgen und weiterhin standardisierte Module und Komponenten zu produzieren. Erst am spätest möglichen Punkt in der Zulieferkette soll die Variantenbildung erfolgen, idealerweise an der Auftragsentkopplungsgrenze. Dies hat zudem den Vorteil, dass die Kosten der Lagerhaltung von Komponenten geringer sind als die von fertigen Fahrzeugen. Um diese Potenziale auszuschöpfen, sehen sich Unternehmen der Fragestellung gegenübergestellt, wie in Netzwerken Produktionsprozesse und –bereiche zu gestalten und zu planen sind, um den logistischen und wirtschaftlichen Anforderungen eines ganzheitlichen BTO-Produktionssystems bestmöglich gerecht zu werden. Nach einer vom Marktforschungsinstitut Puls durchgeführten Studie wären 41% der Endkunden ohne Gegenleistung bereit, auf komplette Änderungsflexibilität zu verzichten. Bezüglich der Lieferzeit wären 83% bereit, einen Frühbucherrabatt von 91 Tagen in 7 Einleitung und Abgrenzung der Arbeit Kauf zu nehmen [VOI 2006]. Daraus wird offensichtlich, dass den Kunden mehr Flexibilität gegeben wird als sie erwarten. Das bedeutet im Umkehrschluss aber auch, dass durch eine längere Bereitschaft zu warten, ein Build-to-Order-Netzwerk viel stärker ausgedehnt werden kann. In der Automobilindustrie wird das Einsparpotenzial durch BTO auf bis zu 80 Mrd.US-Dollar [AGR 2001] eingeschätzt bzw. auf 500 bis 1.500 US-Dollar pro Fahrzeug [MAC 2001], [MIE 2004], [BAU 2006]. Der Automobilhersteller Nissan beziffert die Einsparungen, die mit Hilfe eines reinen BTO-Systems möglich wären, sogar auf ca. 3.500 US-Dollar pro Fahrzeug [AGR 2001]. Zusammengefasst bedeutet dies, dass BTO ein Konzept ist, bei dem im Rahmen der Serienfertigung versucht wird, das Produkt so individuell wie möglich gemäß den individuellen Kundenwünschen zu fertigen. Dies wird vor allem dadurch erreicht, dass in der Wertschöpfungskette so lange wie möglich kundenorientierte Prozesse durchlaufen werden. Der Auftrag wird so spät als möglich und nötig anonymisiert. Hinzu kommt die Unterstützung durch moderne Informations- und Kommunikationssysteme, deren besondere Bedeutung darin liegt, dass alle Beteiligten der Wertschöpfungskette miteinander in Echtzeit verknüpft sind und damit die Wertschöpfungskette flexibler und reaktionsschneller wird. Hierzu sind folgenden Grundgedanken zu diskutieren: 1. Ist die Produktstruktur geeignet für Build-to-Order-Produktionsnetzwerke? 2. Welche Netzwerktypen eignen sich für Build-to-Order? 3. Welche unterstützenden Produktions- und Logistikprozesse benötigt ein Build-to-Order-Produktionsnetzwerk? 4. Welche unterstützenden IT-Systeme werden benötigt? 1.3 Zielsetzung und Aufbau der Arbeit Das Ziel dieser Arbeit ist es, diese Grundgedanken zu beantworten und darauf basierend ein methodisch fundiertes Prozessmodell zur Gestaltung von Build-to-Order- Produktionsnetzwerken zu erarbeiten, das sich nur an der Wunschlieferzeit des Kunden orientiert und somit eine effektive Unterstützung bei der Gestaltung eines Kundenwunschzeit-basierten Build-to-Order-Produktionsnetzwerks gibt. Ganzheitlichen Betrachtungen von Netzwerkstrukturen und im Besonderen einer ganzheitlichen Gestaltung eines solchen Build-to-Order-Produktionssystems wird, im Vergleich zur klassischen singulären Betrachtung, das größte Potenzial unterstellt. Die zu 8 Einleitung und Abgrenzung der Arbeit erarbeitende Methodik bringt die Logistik-, Produkt- und Prozessmodelle in einen Abhängigkeitszusammenhang mit der Kundenwunschwartezeit und der logistischen Leistung (Abbildung 4). Abbildung 4: Zusammenhang der vier Grundgedanken und der Zielsetzung der Arbeit Die Vorgehensmethode soll dabei unterstützen, an den richtigen Stellen im Produktionsnetzwerk anzusetzen, um den Produktionsprozess der Partner im betrachteten Netzwerk noch kundenindividueller einrichten zu können, um die Leistungsfähigkeit des Gesamtsystems zu steigern. 1.3.1 Aufbau der Arbeit Die Arbeit gliedert sich in sechs Kapitel. Das erste Kapitel widmet sich neben der differenzierten Beschreibung der Problemstellung auch der Ausgangssituation in BTO-Netzwerken. Nach einer Eingrenzung des Untersuchungsbereichs in Kapitel 1.4 soll sich das Kapitel 2 mit Definitionen und Begriffen zu Netzwerken und logistischen Produktstrukturen auseinandersetzen sowie einen Überblick über die Aufgaben der Produktionslogistik in Netzwerken geben. Mit einer Bewertung der dargestellten Ansätze schließt Kapitel 3. Bevor in Kapitel 5 mit der Gestaltung des Netzwerks begonnen wird, 9 Einleitung und Abgrenzung der Arbeit soll in Kapitel 4 die Klassifizierung von Build-to-Order-Produkten durchgeführt sowie notwendige Prozesse definiert und eine Netzwerktypisierung untersucht werden. Abbildung 5: Aufbau und Gliederung der Arbeit In Kapitel 5 erfolgt die Modellkonzeption zur Gestaltung von BTO-Produktionsnetzwerken. Hierzu ist in einem ersten Schritt eine geeignete Produktionsprozesskette in einem BTO-Netzwerk festzulegen, die im weiteren Verlauf der Arbeit als Prozessmodell abgebildet werden soll. Im Anschluss daran sind einzelne Gestaltungselemente sowie das Gesamtprozessmodell darzustellen. Danach erfolgt die Auswahl und Definition relevanter Verknüpfungen zwischen den einzelnen Gestaltungselementen. Aus diesen einzelnen logistischen Prozessmodellen entstehen Logistik- und Produktionswirkmodelle, die in ihrer Gesamtheit zur logistischen- und Prozess-Gestaltung von BTO-Netzwerken eingesetzt werden. Dabei soll jedes einzelne Gestaltungselement der Prozesskette in seinen Wirkungszusammenhängen zu Logistik, zum Produkt sowie zur Kundenwunschwartezeit beschrieben werden. Daraus sollen Erkenntnisse über das Verhalten des gesamten BTO-Netzwerks abgeleitet werden. Kapitel 6 zeigt die beispielhafte Anwendung des Modells im industriellen Umfeld und stellt Möglichkeiten zur Steigerung der Logistikleistung in einem Netzwerk vor. Die Arbeit schließt in Kapitel 7 mit einer Zusammenfassung, einem Ausblick ab. 10 Einleitung und Abgrenzung der Arbeit 1.4 Thematische Einordnung der Arbeit in den wissenschaftlichen Kontext Für die Gestaltung von Build-to-Order-Produktionsnetzwerken, die sich maßgeblich an der Wunschlieferzeit des Kunden orientieren, sind die vier Grundgedanken zu betrachten. Neben dem richtigen Netzwerktyp sind durchgängige Informationssysteme, überbetriebliche Prozessmodelle und Modularisierung die Grundvoraussetzung für funktionierende Netzwerke. Die Vielzahl der unterschiedlichen Produktarten, Standortverteilungen und Netzwerktypen macht eine Fokussierung dieser Arbeit notwendig. 1.4.1 Informationsmanagement in BTO-Netzwerken Für den Betrieb von Build-to-Order-Produktionsnetzwerken sind in erster Line Informationssysteme verantwortlich. Wie der vierte Grundgedanke „Welche unterstützenden ITSysteme werden benötigt?“ darstellt, ist Auftragsmanagement eine wichtige Komponente für eine kundenauftragsspezifische Produktion. So ist nach Schuh neben der Standardisierung von Transaktionen und Nachrichten insbesondere die Nutzung einer einheitlichen Prozessreferenz im Maschinen- und Anlagenbau die wesentliche Voraussetzung für die effiziente Auftragsabwicklung. Bei einer nahezu unüberschaubaren Vielzahl unterschiedlich ausgeprägter Produzenten-Lieferantenbeziehungen mutiert jedoch die organisatorische Implementierung geeigneter Kooperationsprozesse zu einer komplexen Gestaltungsaufgabe [SCH 2007a], [AUR 2003b], [SCH 2007a], [SCH 2008a]. Um die Vielschichtigkeit des Gesamtproblems auf die Prozesse zu bündeln, liegt der Fokus dieser Arbeit nicht in der Beschreibung von Prozessen von PPS- oder ERP-Systemen, sie werden vielmehr vorausgesetzt. 1.4.2 Entscheidung über Standorte Neben den Informationssystemen ist der entscheidende Punkt in der dargestellten Arbeit das Netzwerk an sich. Verteilte Produktion und weite Entfernungen reduzieren die maximale Ausdehnung des Produktionsnetzwerks auf Standorte in angrenzenden Ländern. Die unterschiedlichsten Forschungsprojekte haben sich schon mit dem Thema Standortauswahl beschäftigt. So wurde im Sonderforschungsbereich 559 die Modellierung großer Netze in der Logistik in einem Unterbereich beispielsweise die Depot-StandortAuswahl als eine typische Planungsaufgabe bearbeitet. In diesem Rahmen wurde die optimale Anzahl und Lage von Depotstandorten ermittelt. Depotstandorte sind hierbei 11 Einleitung und Abgrenzung der Arbeit die Schnittstellen in dem Transportnetz von Speditionen und Diensten zum Kundenentkopplungspunkt, an denen ein Umschlag der Sendungen zwischen dem Nahverkehr (Pick up and Delivery) und dem Fernverkehr erfolgt [HEI 2004]. In einem weiteren von der EU-geförderten Projekt, ILIPT (Intelligent Logistics for Innovative Product Technologies), hatten sich 30 Partner aus Industrie und Forschung bis Ende 2008 vier Jahre lang das Ziel gesetzt, ein Auto herzustellen, das nach Kundenwunsch zusammengestellt, produziert und in 5 Tagen an den Endkunden übergeben wird. Eine der drei Hürden, die in diesem Projekt zentral bearbeitet wurden, ist in diesem Zusammenhang die optimale Standortwahl der Endproduktion und der Lieferanten [ILI 2005]. Für die vorliegende Arbeit liegt der Fokus auf der Gestaltung von bestehenden Netzwerken und deren maximale Build-to-Order-Ausdehnung basierend auf der Wunschlieferzeit. Strategische und ideale Positionierung neuer, dem Netzwerk dienlicher Standorte, kann nur ein nachgelagerter Prozess sein und wird im Rahmen dieser Arbeit nicht untersucht. 1.5 Zusammenfassung und Abgrenzung der Arbeit Für die Gestaltung von Build-to-Order-Produktionsnetzwerken, die sich maßgeblich an der Wunschlieferzeit des Kunden orientieren, ist der Untersuchungsbereich auf die Modellierung von Produktions- und Logistikprozessen fokussiert. BTOFunktion Prozessmodell Produktstruktur Kundenwunsch BTONetzwerk Abbildung 6: Abgrenzung der Arbeit 12 Einleitung und Abgrenzung der Arbeit Hinsichtlich der betrachteten Voraussetzungen von Informationsflüssen beschränkt sich diese Arbeit auf Kernprozesse eines bestehenden Netzwerks. Eine detaillierte Standortentscheidung, bei welcher Risikofaktoren sowie strategische Entscheidungen im Vordergrund stehen, ist nicht Betrachtungsgegenstand (Kapitel 1.4.1). Es wird vielmehr in dieser Arbeit die bestehende Situation der Unternehmen betrachtet. In Bezug auf die in Kapitel 1.2.4 formulierten vier Grundgedanken setzt sich diese Arbeit mit den drei folgenden Fragen für die Gestaltung von Build-to-Order-Produktionsnetzwerken auseinander: 1. Ist die Produktstruktur geeignet für Build-to-Order-Produktionsnetzwerke? 2. Welche Netzwerktypen eignen sich für Build-to-Order? 3. Welche unterstützenden Produktions- und Logistikprozesse benötigt ein Build-to-Order-Produktionsnetzwerk? 13 Stand der Technik 2. Stand der Technik Viele Unternehmen streben eine Stärkung ihrer Wettbewerbsposition an, indem sie Spitzenleistungen in Produktion und Supply Chain erreichen wollen. Neben den vielen Aufgaben wurden in den letzten Jahren zahlreiche Lösungsansätze diskutiert, die alle versprachen, die Produktion zu optimieren. Die kontinuierliche Leistungssteigerung der eingesetzten Maschinen und Einrichtungen hat die direkten Kosten gesenkt und den Schwerpunkt von Verbesserungsbemühungen auf die Betriebs- und Ablauforganisation verlagert [BEC 2008]. Auch die Entwicklung verbesserter Informations- und Kommunikationstechnologien hat ihren Anteil an der zunehmenden Globalisierung, da mit ihrer Hilfe räumliche und zeitliche Grenzen überwunden werden können. Auf der anderen Seite hat der Kunde mehr Macht gewonnen – er kann Preise, Qualität und Service schneller vergleichen und fordert ein auf ihn zugeschnittenes Produkt. Um Klarheit in die Vielzahl von Begriffen rund um die kundenindividuelle Produktion in Netzwerken zu bekommen, startet das Kapitel mit Begriffsdefinitionen zum Supply Chain Management, der Begriffseinordnung Build-to-Order sowie Netzwerk- typisierungen. Anschließend sollen vorhandene Konzepte sowie Methoden für Logistikund Prozessmodelle zur Gestaltung von Netzwerken, die in einem Abhängigkeitszusammenhang mit der Kundenwunschwartezeit stehen, untersucht werden. Das Kapitel schließt mit einer Zusammenfassung bestehender Verfahren. Die hierbei erkannten Defizite bestehender Modelle sollen am Ende des Kapitels zu Anforderungen an das zu beschreibende Modell zur Gestaltung von Build-to-Order-Produktionsnetzwerken führen. 2.1 Supply Chain Management Der Begriff Supply Chain tauchte Anfang der 80er Jahre erstmals in den USA auf, in Europa wurde er erst Mitte der 90er relevant [WER 2002]. Nach Werner sind die vielfältigen in der Literatur anzutreffenden Definitionen nicht falsch oder richtig, sie passen einfach besser oder schlechter zu einem bestimmten Anwendungskontext und für eine bestimmte Art zu denken. So beleuchten sie oft bestimmte Aspekte von Supply Chain Management (SCM): Eine Supply Chain ist eine Kette von funktionalen Bereichen (Beschaffung, Produktion, Vertrieb), die über einen durchgängigen Materialfluss vom Lieferanten 14 Stand der Technik zum Endkunden miteinander verknüpft sind. Parallel dazu läuft der Informationsfluss in umgekehrter Richtung. Die Supply Chain kann als Kette miteinander verknüpfter Prozesse oder als System betrachtet werden [WER 2008]. Ellram formuliert dies schon 1991 so: „Supply Chain Management is an integrative approach to using information to manage the materials flow from the suppliers to the end-user to achieve improved customer service overall costs. SCM represents a network of firms interacting to deliver a product or service to the end customer“ [SEN 2008]. Der Autor dieser Arbeit schließt sich dieser Begrifflichkeit an, da auch in dieser Arbeit der Materialfluss von den Zulieferern bis hin zu den Endkunden fokussiert wird. Synonym für Supply Chain (Abbildung 7) werden in dieser Arbeit die Begriffe Lieferkette, Wertschöpfungskette, Produktions- oder Logistiknetzwerk verwendet. Abbildung 7: Darstellung einer Supply Chain [SIH 2005] Wie zuvor beschrieben, konzentrieren sich die Unternehmen durch die vielen Veränderungen der Wettbewerbsbedingungen zunehmend auf ihre Kernkompetenzen. Dies führte zu einer intensiveren Kooperation mit den Lieferanten. Diese Lieferketten sind in den letzten Jahren für die Unternehmen immer wichtiger geworden. Eine Studie von ATKearney belegt dies mit dem Ergebnis, dass für 88% der Befragten die Funktionen des Supply Chain Managements (SCM) bis 2013 an Bedeutung gewinnen wird. Auch werden die strategischen Aufgabenstellungen wie Investitionsentscheidungen für ITSysteme oder für gesamte Produktions- und Logistiknetzwerke am stärksten an Bedeutung gewinnen [ATK 2009]. 15 Stand der Technik Als übergeordnetes Ziel des SCM bezeichnet Stadtler die Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit mit erhöhtem Servicelevel bei minimalen Kosten. Dies kann seiner Ansicht nach nur durch die Betrachtung des Netzwerks als Ganzes erreicht werden [STA 2008]. Um diese Oberziele zu erreichen, werden in der Literatur [STÖ 2002],[GÖP 2002], [ZIM 2005], [ERD 2007] die folgenden Ziele des SCM genannt: • Bessere Erfüllung der Kundenansprüche bei effizientem Ressourceneinsatz • Minimierung der Kosten in der Supply Chain • Sicherung der bedarfsgerechten Verfügbarkeit von Materialien und Informationen • Verbesserung des Lieferservices und kürzere Lieferzeiten • Maximierung der Lieferflexibilität • Reduktion der Durchlaufzeiten • Erhöhung der Produktqualität • Verringerung der Bestände bei gleichzeitiger Erhöhung der Lieferbereitschaft und Verbesserung der Kapazitätsauslastung. Es sollte jedoch darauf geachtet werden, dass die Ziele der einzelnen Unternehmen mit denen der Wertschöpfungskette abgestimmt sind, damit die Unternehmensziele nicht denen der Supply Chain widersprechen [ZIM 2005]. Um diese Ziele zu erreichen gibt es im SCM die folgenden Prinzipien: • Endverbraucherorientierung – alle Aktivitäten sind auf den Endkunden ausgerichtet, um den Kundennutzen zu erhöhen • Kooperationsprinzip – partnerschaftliche Kooperation als Grundvoraussetzung für ein erfolgreiches SCM und schrittweiser Aufbau von Vertrauen • Integrationsprinzip – die Supply Chain ist eine Einheit, die Akteure sind Partner • Effizienzprinzip – funktions- und unternehmensübergreifende optimale Gestaltung der Supply Chain • Postponementprinzip – Aktivitäten in der Supply Chain werden erst dann ausgeführt, wenn die Ungewissheit über die Anforderungen des Kunden weitgehend abgebaut ist. 16 Stand der Technik Ein Effekt, der bei der Betrachtung von Lieferketten nicht vernachlässigt werden darf, ist der so genannte Peitscheneffekt („Bullwhip Effect“) oder auch Forrster Effekt4. Er beschreibt das Problem, dass sich leichte Nachfrageschwankungen in der Nachfrage durch Endkunden über die Wertschöpfungskette bis zu den Rohstoffherstellern zu immensen Schwankungen aufschaukeln können [COR 2004]. Abbildung 8: Der Bullwhip-Effekt [SCH 2007b] Dieser Effekt kann, gestützt auf einen schnellen Informationsaustausch über den Verbrauch bzw. Bedarf am Verkaufspunkt, durch eine Anpassung der Produktionsdurchlaufzeit vermieden werden [SCH 2003b]. Ein entsprechendes Informationsmanagement kann auch unter den Partnern in einem Produktionsnetzwerk die Bedarfsinformation vom Endkunden bis zum ersten Glied in der Kette übermitteln. Alle Partner im Netzwerk können dann ihre Kapazitäten sofort den aktuellen Bedarfszahlen anpassen und damit größere Bestandsschwankungen vermeiden. Die Praxis zeigt, dass solche Informationen nur in einem Netzwerk ausgetauscht werden, in dem volles Vertrauen herrscht [SCH 2007b]. 4 Nach Keller ist der Begriff das erste Mal 1960 in der Literatur von Forrster aufgetaucht. Er untersucht das Verhalten von dynamischen Systemen in Form von Regelkreisen [Keller, Zelewski 2004]. 17 Stand der Technik 2.2 Einordnung von Produktionsnetzwerken Nach Sennheiser ist Supply Chain Management die langfristige und kooperative Gestaltung, Lenkung und Entwicklung von Wertschöpfungsketten und -netzwerken. Die Gestaltung umfasst die Konfiguration, d.h. das Festlegen der Breite und Tiefe des Netzwerks (Anzahl der Partner u. a.) sowie den Zeithorizont der Zusammenarbeit, die geografische Ausdehnung, die Art der Beziehung sowie die rechtlichen Verhältnisse [SEN 2008]. 2.2.1 Ansätze zur Verwendung von Modellen Um Prozesse eines Unternehmens bewerten zu können, benötigt man ein Referenzmodell, welches ein Set von Prozessen (gegliedert nach Prozesskategorien) enthält, gegen die man den Prozess der zu betrachteten Organisation bewerten kann – dieses wird als Prozess-Referenz-Modell bezeichnet [WAG 2008]. Ein wesentliches Merkmal theoriegeleiteter Ansätze ist die Verwendung von Modellen. Diese sollen das reale System veranschaulichen und die beim Systementwurf und -betrieb erforderlichen Entscheidungen unterstützen. Hierzu genutzte Modelle bilden die Realität i.d.R. vereinfacht ab. Dies ist insbesondere in Situationen vorteilhaft, in denen sich vielfältige interne und externe Einflussfaktoren gegenseitig beeinflussen und somit ihre Wirkzusammenhänge nicht ohne Weiteres überschaubar sind. Erst durch Reduktion (Verzicht auf unwichtige Eigenschaften) und Idealisierung (Vereinfachung unverzichtbarer Eigenschaften) stellen Modelle reale Zusammenhänge überschaubar dar; immer vorausgesetzt, das Modell besitzt die für den jeweiligen Anwendungszweck erforderliche Modellgüte. Sie ist dann gegeben, wenn die hier wichtigen Systemeigenschaften in hinreichender Genauigkeit wiedergegeben sind [STA 1973]; [BAE 1974]; [RIE 1992]; [SCH 2004b]; [NYH 2003]; [WIE 2010]. Die daraus resultierende Verständlichkeit birgt zwei praktische Vorteile: 1. Modellgestützte Entscheidungen sind für die am Entscheidungsprozess nicht direkt Beteiligten leichter nachzuvollziehen, da sie das Ergebnis über eine logische Darstellung von Eingangsgrößen und ihrer Wirkzusammenhänge unter den bereits genannten Voraussetzungen Reduktion und Idealisierung schlüssig begründen. Die in den heutigen Industriebetrieben üblichen verteilten Entscheidungen mit unterschiedlichen Verantwortlichen verlangen eine solche Nachvollziehbarkeit. 18 Stand der Technik 2. Bei der Änderung von Eingangsgrößen bzw. Rahmenbedingungen sind die Entscheidungen vergleichsweise einfach anpassbar. Beides erklärt auch das zunehmende Interesse von Praktikern an systematisch fundierten Ansätzen für Gestaltung und Betrieb [WIE 2010]. 2.2.2 Beschreibungsmodell Supply Chain Operations Reference Model Eines der bekanntesten Modelle ist das „Supply Chain Operations Reference Model“ (SCOR-Modell), mit dessen Hilfe lassen sich der Aufbau und die Inhalte der verschiedenen Supply Chain-Prozesse erläutern. Nach Lenz stellt das SCOR-Modell alle notwendigen Prozesse dar, um die Supply Chain-Flüsse (Informations-, Material- und Geldflüsse) zu dokumentieren [LEN 2008]. 1996 wurde von dem Beratungsunternehmen Pittiglio Rabin Todd & McGrath und dem Advanced Manufacturing Research Institut das Supply Chain Council gegründet, dem ursprünglich 69 Unternehmen freiwillig angehörten. Inzwischen beläuft sich die Mitgliederzahl auf über 1.000, darunter Unternehmen wie Daimler, Siemens, Nokia oder Coca-Cola [SUP o.D.]. 1997 entwickelte das Council das SCOR-Modell. Ziel dieses Referenzmodells ist es, eine Beschreibung, Bewertung und Analyse von Wertschöpfungsketten zu ermöglichen, sowohl unternehmensbezogen als auch unternehmensübergreifend [ZIM 2005]. Die Supply Chain wird standardisiert dargestellt und dadurch vergleichbar gemacht. Dazu bietet das Modell einen einzigartigen Rahmen, der Geschäftsprozesse, Kennzahlen, Best Practices und Technologie verbindet, um eine einheitliche Kommunikationsbasis innerhalb der Supply Chain zu schaffen und dadurch deren Effektivität zu verbessern. Dabei erstreckt sich das Modell von den Lieferanten der Lieferanten bis hin zu den Kunden der Kunden (siehe Abbildung 9). Abbildung 9: SCOR-Modell [SUP o.D. ] 19 Stand der Technik Das Modell stellt die Supply Chain auf mehreren Prozessstufen dar, und zwar auf den Ebenen Höchste Ebene (Top Level), Konfigurationsebene (Configuration Level), Gestaltungsebene (Process Element Level) und Implementierungsebene (Implementation Level), vgl. Abbildung 10. Ebene Abgedeckter Bereich 1 2 Beschreibung Top Level SCM Entitäten Semantik Erklärung Netzwerk Bestimmung des Umfangs und der beteiligten Partner im Netz Konfigurationsebene (Prozessklassen) Planen Source Make Deliver Planen Source 3 ProzessElemente Level (Decoposeprocesses) Deliver Produkt kommissionieren Transportunternehmen auswählen Nicht mehr 4 betrachteter Bereich Make Ladungen Versandweg planen festlegen Implementierungslevel (Aktivitäten) Konfiguration der Kernprozesse des SCM • Auftragsabwicklung (Beschaffung, MTO, MTS, ATO, ETO, Distribution) • Produktionsprogrammplanung, aggregierte Lagerplanung, Grobkapazitätsplanung, Mengenplanung „fine tuning“ der Prozesse • Beschreibung der Prozesselemente • Input- und Outputelemente • Prozessleistungskenngrößen • IT-Funktionalität zur Prozessunterstützung • Stärken-, Schwächenprofil der Prozesskette Anforderungen an IT und Organisation Beschreibung der Arbeitsabläufe und Aktivitäten/Arbeitsanweisungen Abbildung 10: Basierend auf dem SCOR-Modell: Elemente und Einflussgrößen eines Prozesskettenmodells, eigene Darstellung in Anlehnung an [KUH 2009] Auf der höchsten Ebene werden die fünf Kernelemente der Supply Chain dargestellt: Planen (Plan), Beschaffen (Source), Herstellen (Make), Liefern (Deliver), Zurückliefern (Return). Die zugehörigen Kennzahlen geben eine Übersicht über die Supply Chain. Sie sind in fünf Kennzahlenklassen eingeteilt: Zuverlässigkeit (Reliability), Reaktionsfähigkeit (Responsiveness), Flexibilität (Flexibility), Kosten (Cost) und Aktiva (Assets) [ZIM 2005]. Die 30 Kern-Prozesskategorien der zweiten Ebene lassen sich drei Prozesstypen zuordnen: Planning, Execution und Enable. Auf der Gestaltungsebene gibt es zu jedem dieser Prozesse eine musterhafte Ausgestaltung (Referenzprozess) in einzelne Prozesselemente. Für die zweite und dritte Ebene des Modells gibt es ebenfalls spezifische Leistungsmessgrößen, entsprechend den Prozesselementen/-kategorien, sowie Vorschläge zu den Best 20 Stand der Technik Practices. Auf der Implementierungsebene macht SCOR keine Vorgaben mehr, da diese Prozesse unternehmensspezifisch zu definieren sind [HIE 2002], [BAL 2004], [ZIM 2005], [SUP o.D.]. Mit dem SCOR-Modell soll eine einheitliche Beschreibung, Bewertung und Analyse von Supply Chains sowohl firmen- als auch branchenübergreifend, möglich sein. Man konzentrierte sich bei der Entwicklung des Modells auf drei Aspekte: Man wollte • eine Methode entwickeln, die strategische und taktische Geschäftsziele von Unternehmen mit der operativen Produktion und Logistikebene verbinden sollte, • eine gemeinsame, abgestimmte Definitionen, Prozesse und Kennziffern generieren, um die Kommunikation mit dem Kunden, Lieferanten und weiteren Partnern in der Supply Chain deutlich zu verbessern, und • ein Evaluierungskonzept entwickeln, um bei der Auswahl der Software-Tools zu unterstützen, die die Implementierung im Unternehmen sicherstellen sollten [KUH 2009]. 2.2.3 Beschreibungsmodell der Wertschöpfungsketten nach Porter Eine weitere Darstellungsmethode des Wertschöpfungsprozesses eines Unternehmens ist die Wertschöpfungskette von Porter, ein Planungs- und Analyseinstrument des strategischen Controlling (Abbildung 11). Die zentralen Aktivitäten eines Unternehmens werden in der Wertschöpfungskette nach dem Verrichtungsprinzip dargestellt. Dabei unterscheidet Porter zwischen primären und sekundären Aktivitäten. Durch Analyse der Glieder der Wertkette können die strategisch entscheidenden Wertschöpfungsaktivitäten definiert und die Ressourcen auf diese konzentriert werden. Das Ergebnis dieser Sichtweise lässt sich eindrucksvoll an den sehr tief hierarchisch gegliederten, pyramidalen Zuliefernetzwerken der Automobilindustrie mit oftmals mehr als sieben Stufen („tier“) ablesen. 21 Stand der Technik Abbildung 11: Wertschöpfungsprozesse nach Porter, eigene Darstellung in Anlehnung an [POR 1986] Gemeinsames Merkmal aller Wertschöpfungsprozesse (primärer und sekundärer) ist, dass zu ihrer Durchführung ein bestimmter Input, bestehend aus Materialien, menschlichen und technologischen Ressourcen, Dienstleistungen und Informationen eingesetzt werden muss, und dass das Ergebnis der Prozessdurchführung durch die Entstehung von anderen Sachgütern, Dienstleistungen und Informationen beschrieben werden kann [MÖL 2003]. 2.2.4 Ausprägung von Produktionsnetzwerken Zur weiteren Einordnung des Begriffs Netzwerks und im Speziellen „Produktionsnetzwerke“ gibt es in der wirtschaftswissenschaftlichen Literatur eine Flut an unterschiedlichen Begriffsdefinitionen zu finden. Laut Liebhart, die den „Definitionsdschungel“ durchforscht hat, lässt sich keine einheitliche Definition aus der Literatur ableiten [LIE 2002], [KNO 2009]. Produktionsnetzwerke sind komplexer und mit mehr Unsicherheiten verbunden als die unternehmensinternen Prozessabläufe eines Unternehmens. Nicht selten sind die Prozessbeteiligten in einem Produktionsnetzwerk auf unterschiedlichen horizontalen und vertikalen Organisationsebenen angeordnet [HEG 2008]. 2.2.4.1 Kooperationsformen von Netzwerken Der Begriff Produktionsnetzwerk wird meist individuell für die jeweilige Aufgabenstellung definiert. Um für diese Arbeit eine Definition von Produktionsnetzwerken zu errei22 Stand der Technik chen, wird der Weg von Rautenstrauch über unterschiedliche Kooperationsformen (Abbildung 12) verfolgt [RAU 2003]. Abbildung 12: Übersicht über Kooperationsformen im Netzwerk [RAU 2003] Obwohl Abbildung 12 unter anderem Unternehmensnetzwerke unter dem Begriff der zwischenbetrieblichen Kooperation zusammenfasst, weisen sie auf unterschiedliche Erscheinungsformen der Zusammenarbeit hin. Allerdings existieren weder in der Literatur noch in der Praxis einheitliche Definitionen. Die Begriffe werden je nach Forschungsgegenstand neu definiert [QUA 2000]. Zur weiteren Einteilung des Produktionsnetzwerks als Unterbereich von Unternehmensnetzwerken ist in der einschlägigen Literatur der Begriff des Unternehmensnetzwerks erneut nicht eindeutig definiert. Die Folge ist, dass eine Vielzahl von Begrifflichkeiten, wie beispielsweise Dynamic Networks, Virtuelle Netzwerke oder Kooperative Netzwerke synonym verwendet werden. Nach Sydow [SYD 1992] sind Unternehmensnetzwerke: „eine auf die Realisierung von Wettbewerbsvorteilen zielende Organisationsform ökonomischer Aktivitäten, die sich durch komplexreziproke, eher kooperative denn kompetitive, sowie relativ stabile Beziehungen zwischen rechtlich selbstständigen, wirtschaftlich jedoch in gewissem Maße von Lieferanten, Abnehmern und Kapitalgebern abhängigen Unternehmen auszeichnet“. Sie sind dadurch gekennzeichnet, dass sie im Gegensatz zu den bilateralen Kooperationen, in denen sich zwei Partner zusammenschließen, aus drei oder mehr Partnern bestehen [RAU 2003]. Hinsichtlich ihrer Stabilität können fünf verschiedene Typen von Unternehmensnetzwerken differenziert werden (Abbildung 13). • Strategisches Netzwerk (Textil- und Automobilindustrie) • Projektnetzwerk (typisch in Film- und Baubranche) • Regionales Netzwerk (Silicon Valley, Emilia Romagna, Keiretsu) 23 Stand der Technik • Verbundnetzwerk (Verkehrsverbände in Ballungszentren, Paketdienste, Speditionen, Post, …) • Virtuelles Unternehmen (Virtuelle Fabrik Euregio Bodensee) Abbildung 13: Typen von Unternehmensnetzwerken [RAU 2003] Sydow und Winand sprechen von einem Netzwerk, in welchem ein Auftrag in gleicher Konfiguration mehrmals durchgeführt wird, von einem Auftragstyp. Werden viele Aufträge eines Typs in einem Netzwerk durchgeführt, ist dieses als stabil zu bezeichnen. Sind Aufträge verschieden konfiguriert, liegt ein instabiles Netzwerk vor [SYD 1998]. Als weiteres Merkmal zur Definition von Unternehmensnetzwerken nennt Rautenstrauch die Steuerungsform. So zeichnen sich polyzentrische Netzwerke durch gleichberechtigte Entscheidungsbefugnisse der integrierten Unternehmen aus, während in hierarchischen Netzwerken ein Unternehmen eine dominante Stellung besitzt. Hierarchisch gesteuerte Unternehmensnetzwerke treten vornehmlich in der Automobilindustrie in Erscheinung, bei denen es ein fokales Unternehmen gibt, an dessen Zielen sich die untergeordneten Unternehmen anzupassen haben [RAU 2003]. Sydow sieht das ähnlich, obwohl sowohl die Steuerungsform als auch die zeitliche Stabilität von Unternehmensnetzwerken eigentlich als kontinuierliche und nicht als dichotome Dimensionen aufzufassen wären, markieren sie eine Vierfelder-Matrix (Abbildung 14), in der sich auch und gerade in Hinblick auf Fragen des Managements dieser Organisationsform wichtige Netzwerktypen 24 Stand der Technik verorten lassen: strategische Netzwerke, regionale Netzwerke, Projektnetzwerke und sogar die virtuelle Unternehmung [SYD 2006]. Abbildung 14: Typologie internationaler Netzwerke, eigene Darstellung in Anlehnung an [SYD 2006] In Anlehnung an die zuvor beschriebenen Definitionen spricht Schiegg in diesem Zusammenhang von fünf unterschiedlichen Typen von Netzwerken, Projektnetzwerk – Produktion nach Engineer-to-Order mit mehrteiligen und komplexen Erzeugnissen, die kundenspezifisch entwickelt und produziert werden. Die Zusammenarbeit der Partner ist temporär, auftragsbezogen, aber langfristig angelegt. Die Netzwerkpartner sind in der Regel kleine Unternehmen, deren Lieferanten- und Kundenbasis verhältnismäßig klein ist. Hierarchisch-stabile Kette – Der Netzwerktyp wird dadurch bestimmt, dass die Beziehung der Partner untereinander besonders eingespielt, stabil und langfristig angelegt ist. Beschaffung ganzer Baugruppen oder Systemkomponenten sind häufig anzutreffen. Fortschrittliche Planungs- und Steuerungsverfahren bzw. zeitliche Logistikkonzepte (JIT, KANBAN) spielen eine große Rolle. Die Produktstruktur ist mehrteilig komplex und mehrteilig einfach mit im Vergleich zum Projektnetzwerk geringeren kundenspezifischen Anteilen. Hybridfertigungsnetzwerk – Diese Netzwerke zeichnen sich im Wesentlichen durch eine Build-to-Stock-Fertigung aus. Die Produkte sind in der Regel geringteilige Standarderzeugnisse, und Kundenänderungseinflüsse sind unbedeutend. Die Bedarfsermittlung ist vorrangig erwartungs- und verbrauchsorientiert auf Komponentenebene. Die Bezie25 Stand der Technik hungen der Netzwerkpartner untereinander sind langfristig angelegt und weisen eine eng verzahnte Zusammenarbeit auf. Entwicklungsgeprägtes Seriennetzwerk – Stellt eine Variante des vorigen Typs dar. Unterscheidet sich durch einen höheren Anteil am Produktionsprinzip Engineer-to-Order bei meist geringteiligen Produkten. Eine derartige Form der Produktion ist beispielsweise im Textil-, Bekleidungs- und Ledergewerbe auszumachen. Auf Grund der geringen Wertschöpfungstiefe und eines vielstufigen Produktionsprozesses ist die Koordination dieses Typs von großer Bedeutung. Fremdbestimmtes Lieferanten-Netzwerk – Dieser Produktionsnetzwerktyp zeichnet sich durch eine vernetzte Produktion kleiner und sehr kleiner Unternehmen aus, deren Lieferantenbasis klein ist. Die vorrangige Produktart sind typisierte Erzeugnisse mit kundenspezifischen Varianten, die in ihrer Struktur sowohl mehrteilig einfach als auch geringteilig sind. Der Anteil fremdbezogener Bedarfspositionen ist gering, Kundenänderungseinflüsse treten nur gelegentlich auf [SCH 2005]. Nachfolgend sind die für die Arbeit wichtigsten zwei Ausprägungen gegenübergestellt (Abbildung 15). Abbildung 15: Ausprägungen von Produktionsnetzwerken, eigene Darstellung in Anlehnung an [SCH 2006a] Nach Schuh findet sich die Ausprägung des Projektnetzwerks überwiegend im Maschinen- und Anlagenbau wieder, während die hierarchisch stabile Kette beispielsweise in 26 Stand der Technik der Automobilindustrie vorherrscht. Die Begründung für die einzelnen Merkmale liegt unter anderem auch in der Unternehmensstruktur beider Branchen (Abbildung 16). Unternehmensstruktur Maschinen- und Anlagenbau Dt. Maschinenund Anlagenbau Unternehmensstruktur Automotive Dt. AutomobilIndustrie (Daimler, VW etc.) > 10.000 Mitarbeiter > 500 Mitarbeiter 50% StandardKomponenten (Bosch, Siemens, etc.) 50% Auftagsspezifische Komponenten 50% Deutsche Fertiger 40% 10% Europäische Restliche Fertiger Welt Weltmarkt < 500 Mitarbeiter 50% 50% 40% 10% 50% weitere Tiers Abbildung 16: Unternehmensstrukturen der Branchen Automobil-, Maschinen- und Anlagenbau [SCH 2006a] Für die überbetriebliche Auftragsabwicklung ergeben sich aus diesen Strukturunterschieden signifikante Unterschiede. Während in einer durch Großunternehmen dominierten Supply Chain meist die Prozesse sowie die Vorgehensweise der Auftragsabwicklung durch die Dominanz eines Einzelnen vorgegeben sein werden, ist die Situation in gleichberechtigten Produktionsnetzwerken deutlich unstrukturierter [WIE 2008a]. 2.2.5 Zusammenfassung Der große Nutzen des SCOR-Referenzmodells besteht darin, dass es den Prozess von Material, Produktion, Information und finanziellen Mitteln beschreibt. Dies gilt für einen Rohstofflieferanten über den Hersteller bis hin zum Endkunden. Das Modell bricht Geschäftsprozesse von der obersten der vier Ebenen herunter auf Basisprozesse wie Planen, Beschaffen, Produzieren und Liefern und detailliert diese wiederum auf den weiteren Beschreibungsstufen. Bezogen auf die drei Grundgedanken dieser Arbeit bringen das SCOR-Modell sowie das Wertschöpfungsmodell nach Porter die notwendigen Prozessbausteine für Produktions- und Logistikprozesse mit. Sie beantworten nicht die Frage welche Prozesse unterstützen Build-to-Order-Netzwerke noch definieren sie die notwendigen Netzwerktypen, die für Build-to-Order-Produktionsnetzwerke geeignet sind. 27 Stand der Technik 2.3 Definition von Build-to-Order Im vorherigen Kapitel wurden Netzwerke und deren Prozessmodelle thematisiert, dabei tauchen immer wieder Begriffe wie kundenindividuelle Netzwerke, das Fertigungskonzept Build-to-Order und Mass Customization auf. Auf diese Begriffe soll im Weiteren eingegangen werden. 2.3.1 Mass Customization Der Begriff Mass Customization stellt ein Oxymoron dar und setzt sich aus den Worten „Mass Production“ und „Customization“ zusammen und wird von Gäßler und anderen in der deutschsprachigen Literatur mit „kundenindividueller Massenproduktion“ übersetzt. Der Begriff vereint massenhafte Produktion „Mass Production“ mit kundenindividueller Anpassung „Customization“. Hiermit wird die Zielsetzung verfolgt, ein kundenindividuelles Produkt zum Preis eines vergleichbaren Standardprodukts anzubieten und dauerhafte, individuelle Hersteller-Abnehmer-Beziehungen aufzubauen [TOF 1971], [PIN 1991], [KOT 1995], [OLE 1998]. Dabei kann es sich bei den Abnehmern sowohl um Endkunden (Individuen) als auch um Hersteller übergeordneter Systeme (institutionelle Nachfrager, z B. Automobilhersteller) handeln [GRÄ 2004]. Erstmals erwähnt wurde Mass Customization bereits 1970 in Alvin Tofflers „Der Zukunftsschock“ und 1987 in Stanley M. Davis „Vorgriff auf die Zukunft“. Die anfangs in der deutschen Übersetzung von Pine gewählte Formulierung „maßgeschneiderte Massenproduktion“ setzte sich aufgrund seiner starken Assoziation mit der Textilindustrie nicht durch [PIL 2001]. „High-volume-flexible-production“, „Customer-Construction“ oder „Massen-Maßfertigung“ sind andere bereits verwendete Begriffe [BUR 1993], [CAR 1993], [MER 1995]. Im Wesentlichen geprägt wurde der Begriff der Mass Customization allerdings von Pine in dessen Buch „Mass Customization“ und später von Piller [PIN 1998], [PIL 1998]. Aus diesem Grund baut die vorliegende Arbeit auf der folgenden Definition dieser Autoren auf: „Mass Customization (kundenindividuelle Massenproduktion) ist die Produktion von Gütern und Leistungen für einen (relativ) großen Absatzmarkt, welche die unterschiedlichen Bedürfnisse jedes einzelnen Nachfragers dieser Produkte treffen, zu Kosten, die ungefähr denen einer massenhaften Fertigung vergleichbarer Standardgüter entsprechen. Die Informationen, die im Zuge des Individualisierungsprozesses erhoben werden, 28 Stand der Technik dienen dem Aufbau einer dauerhaften, individuellen Beziehung zu jedem Abnehmer“ [PIL 1998]. 2.3.2 Build-to-Order Wie eng die beiden Begriffe Mass Customization und Build-to-Order zusammenhängen, lässt sich unter anderem daran erkennen, dass Build-to-Order bereits als Synonym für Mass Customization verwendet worden ist. Anderson definiert Mass Customization als „the ability to quickly and efficiently build-to-order customized products“ [AND 2004]. und führt damit die beiden Begriffe zu einem einzigen zusammen, er definiert Build-to-Order wie folgt: “Build-to-Order is the capability to quickly build standard or mass-customized products upon receipt of spontaneous orders without forecasts, inventory, or purchasing delays “ [AND 2004]. Nach Baumgarten zeichnet sich eine Build-to-Order-Strategie dadurch aus, dass zunächst ein Kundenauftrag eingehen muss, um den Produktionsprozess anzustoßen [BAU 2006]. Bei der Produktion von Fahrzeugen schließen sich dem auch Graves und Parry an, demnach Build-to-Order-Produktionen nur durch individuellen Endkundenbedarf gesteuert sind. Das bedeutet nicht, dass keine Ware mehr auf Lager produziert wird. Beispielsweise macht es aus ökonomischen Gesichtspunkten keinen Sinn, Scheibenwischblätter nach Kundenauftrag zu fertigen [PAR 2008]. Das BTO-Produktionskonzept spiegelt nach Kathawala eine extreme Form der Pull-Strategie wider, da der Kundenauftrag den gesamten Wertschöpfungsprozess des Produktes prägt [KAT 2005]. In der Literatur wird für Build-to-Order auch der Begriff Made-to-Order (MTO) benutzt [REI 2006], [REI 2009]. 2.3.3 Abgrenzung von BTO zu anderen Produktionskonzepten Das Gegenteil von Build-to-Order bildet das Fertigungskonzept Build-to-Stock (BTS), bei dem analog zur Massenfertigung die Produktion der Produkte dem Verkauf vorgelagert ist [REE 2005]. Es erfolgt eine kundenauftragsanonyme Produktion in ein Fertigwarenlager und erst danach findet ein Abverkauf der hergestellten Waren statt. BTS ist damit eine extreme Form der Push-Strategie, da hier das Unternehmen ohne vorhandenen Kundenauftrag Produkte in den Markt „drückt“ [HOL 2001a]. Im Rahmen von Configu29 Stand der Technik re-to-Order (CTO) und Assembly-to-Order (ATO) erfolgt eine kundenauftragsbezogene Endmontage mittels vorab definierter Produktkomponenten bzw. -modulen. Die Produktion der Güter findet hier ebenfalls erst nach Auftragseingang statt. Der Kunde kann sich das gewünschte Produkt individuell zusammenstellen, wird aber durch die begrenzte Zahl der standardisierten Komponenten in seiner kombinatorischen Freiheit beschränkt [REE 2005]. Der Hauptunterschied zwischen CTO und ATO liegt darin, dass der Kunde im Rahmen von ATO nur aus einer bestimmten Anzahl von Produktkomponenten (z.B. bei PCs: Prozessor, Grafikkarte etc. …) auswählen kann, während bei CTO darüber hinaus noch die einzelnen Eigenschaften der zur Verfügung stehenden Komponenten individuell konfiguriert werden können (z.B. bei PCs: Taktung des Prozessors, Speichergröße der Grafikkarte etc. …) [SON 2003]. Bei Design-to-Order (DTO) geht der eigentlichen Güterproduktion ein langer Planungsund Entwicklungsprozess voraus, welcher durch eine intensive Zusammenarbeit zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer gekennzeichnet ist [REE 2005]. Piller und Reichwald sprechen in diesem Zusammenhang von der höchsten Form der Wertschöpfungsintegration. Hier wird der Kunde auch in die Produktentwicklung integriert. Es geht nicht mehr nur um eine Anpassung eines Produktes innerhalb bestimmter Parameter, sondern es erfolgt eine Neukonstruktion, auf deren Basis dann eine individuelle Leistungserstellung erfolgt [REI 2006], [REI 2009]. Nishiyama definiert DTO zusammenfassend wie folgt: “DTO is a business model and methodology where users express their wishes and the budget they can bear, and eventually enables them to get what they want without mass production constraints. Users in this case, are the ones, who do not only consume but make an action needed to get what they want.”[NIS 2009] Der Zeitpunkt nach Auftragseingang hat also weitreichenden Einfluss auf die Gestaltung des kundenindividuellen Prozessmixes zur Erstellung der individualisierten Leistung. Angelehnt an die Typologisierung von Coates (Abbildung 17) können die verschiedenen Ausprägungen der X-to-Order-Produktion der Hard bzw. Soft Customization zugeordnet werden [COA 1995]. Bei der Hard Customization wird die Leistung bereits in der Entwicklung, Konstruktion, Fertigung oder Endmontage individualisiert. Folglich wird hierbei die Individualisierungsinformation des Kunden zur Ideensammlung (Develop-to30 Stand der Technik Order) und individuellen Konstruktion (Engineer-to-Order), zur Spezifikation von kundenindividuellen Komponenten oder Fertigleistungen (Build-to-Order) sowie Zusammenstellung kundenindividueller Stücklisten, bestehend aus Standardkomponenten (Aassemble-to-Order) verwendet. Soft Customization beginnt erst jenseits der eigentlichen Fertigung mit der kundenindividuellen Leistungserstellung [SCH 2006b]. Abbildung 17 veranschaulicht die einzelnen Konzepte, die sich an den verschiedenen Stufen der Wertschöpfungskette orientieren lassen. Das Hauptabgrenzungsmerkmal zwischen BTS und den verschiedenen Konzepten der Mass Customization stellt dabei der Zeitpunkt des Produktionsprozesses dar, welcher im Falle von BTS vor dem Zeitpunkt des Auftragseingangs liegt. Stufe der KundenIntegration in der Typologisierung Wertschöpfung nach Coates X-to-Order Leistungserstellung Selbstindividualisierung Kunde Soft Customization Match-to-Order Vertrieb Bundle-to-Order Endmontage Assemble-to-Order Fertigung Build-to-Order Build-to-Order im weiteren Sinn Hard Customization Konstruktion Engineer-to-Order Entwicklung Develop-to-Order no Customization Build-to-Stock Abbildung 17: X-to-Order-Systeme; eigene Darstellung in Anlehnung an [SCH 2006b] In dieser Arbeit wird unter Build-to-Order nicht die Definition im engeren Sinne, unter die nur die kundenindividuelle Fertigung fällt, sondern die Definition im weiteren Sinne verstanden, die die Konzepte Assemble-to-Order mit einschließt. Die einzelnen Produktionskonzepte lassen sich also zusammengefasst in ein Gesamtbild eingliedern (Abbildung 18). Auf der einen Seite steht die Einzelfertigung, die von sich aus schon meist individualisiert ist, auf der anderen Seite ist die anonyme Massenfertigung, die ursprünglich auf Kostensenkung bedacht war, heute auch als Konzept zur Machbarkeit einer variantenreichen Produktion darstellt. 31 Stand der Technik Produktionskonzepte Einzelfertigung Einzelfertigung Massenfertigung individualisiert individualisiert anonym Anonyme Fertigung Mass Customization Develop-to-Order DTO Engineer-to-Order Build-to-Order Abbildung 18: Einordnung der Produktionskonzepte Aufgrund der sich weiter verändernden Marktbedingungen – d.h. die Kunden legen wieder bzw. immer mehr Wert auf Individualisierung – entstand das Konzept der Mass Customization, das heißt der kundenindividuellen Massenfertigung mit BTO als einer seiner Ausprägungen. 2.4 Build-to-Order als Antwort auf Massenproduktion und mehr Kundenorientierung Ein Build-to-Order-Netzwerk ist ein spezielles Produktionsnetzwerk oder ein Wertschöpfungsnetzwerk mit mehreren Produktionsstandorten im eigenen Netzwerk als auch wenn mehrere Unternehmungen aus aufeinander folgenden Stufen zusammenarbeiten. Bei beiden Formen muss ein Kundenauftrag vorhanden sein, bevor mit der Produktion begonnen wird. Diese Arbeit beschäftigt sich mit der Gestaltung von Build-to-OrderProduktionsnetzwerken basierend auf der Kundenwunschwartezeit. Bevor Build-toOrder in den inhaltlichen Zusammenhang gebracht wird, ist es entscheidend, die Kundenwartezeit und das zu produzierende Produkt näher zu betrachten. 2.4.1 Der Kunde und die Zeit bis er sein Produkt erhält Die Zeit, die von der Bestellung durch den Endkunden bis zur Auslieferung seines bestellten Produkts vergeht, ist in der Literatur sehr unterschiedlich definiert. Nachfolgend werden die wichtigsten Bezeichnungen diskutiert. 2.4.1.1 Kundenauftragsentkopplungspunkt Als wesentliche Implikation des Kundenauftragsentkopplungspunkt (KAEP) führen Rudberg und Wikner den Aspekt der Realisierung der Unsicherheit an [RUD 2004]. Demnach 32 Stand der Technik werden durch den KAEP diejenigen Aktivitäten, die unter Sicherheit, d.h. nach Auftragseingang und damit reaktiv durchgeführt werden, von denjenigen abgegrenzt, die unter Unsicherheit, d.h. antizipativ auf der Basis von Prognosen erfolgen. Da Prognosen naturgemäß mit Fehlern verbunden sind, macht der Übergang von einer antizipativen zu einer reaktiven Leistungserstellung eine Entkopplung des Materialflusses durch Lagerhaltung notwendig. Der KAEP entspricht folglich einem Lager, das den Wechsel zwischen auftragsanonymen und auftragsbezogenen Wertschöpfungsaktivitäten markiert [VOL 2009]. 2.4.1.2 Lieferzeit vs. vom Kunden akzeptierte Lieferzeit Aus Kundensicht wird der strategische Erfolgsfaktor Zeit maßgeblich durch die Lieferzeit sowie die Sicherheit der Lieferzeit wahrgenommen. Die Lieferzeit stellt die Zeit dar, die der Kunde auf die Erbringung der Unternehmensleistung wartet. Diese weit gefasste Definiton der Lieferzeit entspricht der Formulierung von Wagner, der die Lieferzeit als „Spanne zwischen dem Zeitpunkt des Auftragsbeginns und dem Zeitpunkt der vollzogenen Auftragsführung“ [WAG 1978] definiert [ALC 2000]. Nach Arndt kennzeichnet die Lieferzeit (lead time) den Zeitraum von der Bestellung des Kunden bis zur Warenankunft beim Kunden. Demgegenüber ist die vom Kunden akzeptierte Lieferzeit die Zeit, die der Kunde auf die Ware zu warten bereit ist. Üblicherweise wünschen Kunden möglichst kurze Lieferzeiten, weil sie dadurch flexibler auf eigene Nachfrageschwankungen reagieren und entsprechend niedrigere Sicherheitsbestände halten können. Es gibt prinzipiell zwei Methoden, auf einen Kundenauftrag zu reagieren. Er kann nach Prognosen (Build-to-Stock) oder erst nach Eingang des Auftrags bearbeitet werden (Build-to-Order). Im zweiten Fall beginnt die Beschaffung der Vorprodukte, die Produktion und die Distribution erst nach Auftragseingang. Dauern diese Aktivitäten jedoch insgesamt länger als die vom Kunden akzeptierte Lieferzeit, kann und muss der Auftrag direkt aus Lagerbeständen bedient werden. Somit lassen sich mit hohen Lagerbeständen bei Standardprodukten die Lieferzeiten verkürzen, da keine Beschaffungs- und Produktionszeiten anfallen. Da Lagerhaltung jedoch mit etlichen Nachteilen wie beispielsweise Bestandskosten behaftet ist, wäre eine sehr schnelle Build-to-OrderProduktion mit kurzen Durchlaufzeiten vorzuziehen [ARN 2008]. Der Vergleich von zugesagtem und realisiertem Liefertermin (Liefertreue) beschreibt Wiendahl als die logistische Prozesssicherheit; diese Termineinhaltung ist Messgröße der Produktion. Demge33 Stand der Technik genüber beschreibt der Vergleich von gewünschtem und zugesagtem Liefertermin (Lieferfähigkeit) die logistische Prozessfähigkeit und ist Messgröße des Vertriebs. Es sind also gewünschte (Wunsch), vereinbarte (Soll), geplante (Plan) und realisierte (Ist) Größen zu unterscheiden und ggf. um Zielgrößen zu ergänzen. Offensichtlich unterscheidet vor allem die Länge der Lieferzeit den Lager- vom Auftragsfertiger [WIE 2002]. 2.4.1.3 Kundenerwartungszeit Neben der Lieferzeit und von Kunden akzeptierte Lieferzeit gibt es noch den Begriff der Kundenerwartungszeit. Für Dickmann liegt hier der Urkonflikt, dem Verhältnis zwischen Fertigungsdurchlaufzeit (FDLZ) oder Lieferzeit und der Kundenerwartungszeit (KEZ). Die FDLZ beschreibt den Zeitraum, den der Betrieb benötigt, um ein Produkt herzustellen. Korrekterweise erweitert man die FDLZ um die Zeit, die für die Abwicklung der administrativen Prozesse (Auftragsabwicklung, Versand etc.) benötigt wird, zur Kundenlieferzeit (KLZ) [DIC 2009]. Gelöst werden diese Probleme mit entsprechenden Bevorratungsgrenzen bei Fertigwaren oder Halbfertigwaren. 2.4.1.4 Vom Kunden akzeptierte Wartezeit Schäffer hat in ihrer Arbeit die akzeptierte Wartezeit für Konsumenten mit Produzenten diskutiert. Die Akzeptanz der Wartezeit hängt demnach von folgenden Faktoren ab. • Stimmung • Wert der Leistung • Dringlichkeit der Bedürfnisse • Verfügbarkeit von Konkurrenzangeboten Für die Wartezeit ist es entscheidend herauszufinden, welche Ausprägungshöhen jeweils als akzeptabel angesehen werden. Dabei ist von der Existenz mehrerer Schwellenwerte auszugehen, wobei zumindest eine untere und eine obere Grenze unterschieden werden können. Liegt die wahrgenommene Wartezeit niedriger als die untere Toleranzschwelle, ist nur von einem geringen negativen Einfluss der Wartesituation auf die Kundenzufriedenheit auszugehen. Liegt diese jedoch höher als die obere Toleranzschwelle, nimmt die Zufriedenheit exponentiell ab und der Kunde beendet u.U. die Transaktion [SCH 2003a]. In den konzeptionellen Studien zu Mass Customization wurde herausgearbeitet, dass die subjektive Annehmbarkeit der erforderlichen Wartezeit eine wesentliche Voraussetzung für die konsumentenseitige Akzeptanz eines Angebots darstellt. 34 Stand der Technik Auch wurde bereits versucht, die Wartebereitschaft von Konsumenten empirisch zu erfassen und daraus den Status Quo der konsumentenseitigen Bereitschaft für Mass Customization abzuleiten. In der EUROShoE-Studie konnte eine Wartezeit von zwei Wochen als annehmbar identifiziert werden [DÜL 2009]. 2.4.2 Der Kunde und sein Produkt Neben der Bereitschaft, auf ein Produkt zu warten, ist die Einordnung von Produkten selbst und dem Zeitpunkt der Produktdefinition sowie der Aufbau des Produkts für eine Build-to-Order-Strategie unabdingbar. Als Kriterium, ob das Produkt vollständig aus Modulen besteht oder ob sich die Modularisierung lediglich auf einige wichtige Teile beschränkt, ist der Grad der Produktmodularisierung ausschlaggebend. 2.4.2.1 Produktmodularisierung Die Modularisierung von Produkten ist kein neues Konzept zur Produktrationalisierung, sondern hat sich schon in der Vergangenheit bewährt [PIL 2008]. Dort wurde sie aber lediglich zur Vereinfachung anonymer Massenprodukte angewandt und trug nicht wie heute zur Individualisierung bei. Die Modularisierung stellt eines der leistungsfähigsten Konzepte dar, das es ermöglicht, aus einer begrenzten Anzahl standardisierter und untereinander kombinierbarer Bauteile eine kundenspezifische Endleistung kostengünstig zu erstellen [BLE 2006a]. Bezogen auf die Modularisierung unterscheiden Piller und Stotko vier Ebenen der Modularisierung: • Generische Modularisierung Hier trifft der Kunde aus einer vordefinierten Anzahl von Modulen seine Auswahl, die mit der Produktplattform verbunden wird. Auf diese Weise entsteht das vom Kunden gewünschte Produkt. • Quantitative Modularisierung Die quantitative Modularisierung ähnelt der generischen. Der einzige Unterschied ist, dass bei der generischen Modularisierung die Anzahl der Module genau festgelegt ist und bei der quantitativen diese je nach Kundenwunsch variiert. • Individuelle Modularisierung Individuelle Modularisierung bedeutet, dass dem Kunden die Möglichkeit gegeben wird, die einzelnen Module unterschiedlich, beispielsweise hinsichtlich des Farbtons, zu gestalten. 35 Stand der Technik • Freie Modularisierung Hier sind die einzelnen Module nicht nur bezüglich einzelner Merkmale individualisierbar, sondern der Kunde besitzt hier die Möglichkeit, seine Module ebenfalls nach Funktion und Form zu individualisieren [PIL 2003]. 2.4.2.2 Produkteinteilung über Geschäftsarten Diese sehr grobe Einordnung der Produkte differenzieren Faßnacht und Frühwald nach Geschäftsarten, indem sie Wertschöpfungstopologie und den Zeitpunkt der Produktdefinition als Kriterium heranziehen. Abbildung 19 zeigt die daraus folgenden vier idealtypischen Geschäftsarten [FAß 2001], [WIE 2010]. Abbildung 19: Portfolio der logistischen Geschäftsarten [FAß 2001], [WIE 2010] Das Produktgeschäft ist ein Liefergeschäft eigener Endprodukte und Handelswaren. Entwicklungs- und Logistikzyklus sind entkoppelt. Die Fertigung kann kundenanonym oder auch kundenauftragsbezogen erfolgen. Die Leistung wird schwerpunktmäßig im eigenen Haus erstellt. Typisch ist eine Programmfertigung in Produktlinien. Teilweise erfolgt eine kundenindividuelle Produktgestaltung unmittelbar vor Auslieferung. Das Systemgeschäft ist ein Liefer- und Lösungsgeschäft mit kundenspezifischer Konfiguration von Hard- und/oder Software. Entwicklungs- und Logistikzyklus sind teilweise gekoppelt. Engineering und Systemkonfiguration werden damit Teil des Logistikprozes36 Stand der Technik ses und die Entwicklung erfolgt sowohl kundenanonym (Plattform) als auch kundenbezogen (Kundenapplikation). Die Erstellung der Kernkomponenten und Zusammenführung der Systemkomponenten erfolgt meist im Hause. Wichtig sind dementsprechend eine auftragsbezogene Montage und Inbetriebnahme auf der Basis von Stücklisten, die anhand des Logistikablaufs in Beschaffung und Produktion gegliedert sind (fertigungsund montagegerechte Stücklisten). Das Anlagengeschäft liefert Lösungen nach einer kundenspezifischen Anforderung mittels Engineering und Projektierung. Entwicklungszyklus (Anlagenengineering) und Logistikzyklus sind gekoppelt. Die Leistungserstellung erfolgt vor Ort. Wichtig sind dementsprechend die Koordination der auftragsspezifischen Lieferungen und Leistungen mit hohem Fremdbezugs- und Konsortialanteil sowie einer effizienten Baustellenmontage und -logistik mit montagegerechten Lieferpaketen. Die technische Integrationsleistung kann oftmals erst vor Ort erfolgen. Erfolgsfaktoren sind professionelles Projektmanagement zur Sicherung der Projekttermine und -kosten, Steuerung von auftragsbezogenen Material-, Informations- und Werteflüssen, Koordinierung von auftragsspezifischen Lieferungen und Leistungen mit hohem Fremdanteil, montagegerechte Lieferpakete zur Baustelle, hohe Liefertreue und -qualität, effiziente Baustellenlogistik. Der After Sales Service dient zur Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der Funktionsfähigkeit einer Anlage, eines Systems oder Produktes. Entwicklungs- und Logistikzyklus sind entkoppelt. Typisch ist einerseits eine auftragsanonyme Ersatzteilplanung und -disposition. Andererseits ist die auftragsbezogene Technikereinsatzplanung und -steuerung verbunden mit einer Ersatzteildistribution im Nachtsprung erfolgskritisch; eine Call-Center-Abwicklung mit 24h-Bereitschaft ist heute üblich [FAß 2001], [WIE 2010]. 2.4.2.3 Darstellung der Produktstruktur Die in den vorherigen Kapiteln vorgestellten Geschäftsarten und Modularisierung von Produkten ist eine strategische Einteilung. Daneben steht die physikalische Seite, die Produkte in Module, Baugruppen und Zusammenbauten unterteilt. Diese Produktarchitektur wird zumeist in IT-Systemen dargestellt. Aus Gründen der Übersichtlichkeit und Eindeutigkeit ist hierzu eine Gliederung des Erzeugnisses in seine Haupt- und Unter37 Stand der Technik gruppen bis hin zu den Einzelteilen erforderlich. Nach DIN 199 [DIN 199-4] wird diese Gliederung als Erzeugnisstruktur, nach VDI 2215 [VER 1980] auch als Erzeugnisgliederung bezeichnet. Mit gleicher Bedeutung wird auch der Begriff Produktstruktur verwendet. Eine Erzeugnisstruktur bildet das Ordnungsschema, nach dem die Zeichnungs- und Stücklistensätze des Erzeugnisses aufgebaut werden [WIE 2008b]. Stufe 1 Erzeugnis E1 besteht aus E1 Stufe 0 (12) A 1 (2) (5) Stufe 3 2 (2) (2) 5 Stufe 4 (1) 11 B (1) 4 B Stufe 2 (1) (1) (1) 8 C (1) 9 (1) 13 (3) 10 (2) (5) 2 Stufe Sach-Nr. Menge 1I 2 I 3 I 4 x x (2) x (1) 12 6 x 5 x x x x x (1) x Zeichenerklärung: x Gruppe, Erzeugnis Einzelteil Halbzeug ( ) Mengenangabe x x 11 x x x x x 1 A B 2 5 4 11(1) C 9 13 (1) 10 6 11(1) 8 12 (1) B 2 5 12 1 2 10 4 2 2 1 1 1 3 2 2 1 1 1 5 2 (1) Halbzeug, Rohteil Abbildung 20: Schema einer Struktur-Stückliste, eigene Darstellung in Anlehnung an [WIE 2008b] Die grafische Darstellung des Erzeugniszusammenhangs ist anschaulich, solange nur wenige Erzeugnisse zu betrachten sind. In der betrieblichen Praxis, mit einer großen Anzahl zusammenhängender Erzeugnisse, wird der Erzeugnisaufbau daher vor allem tabellarisch mit Hilfe von Stücklisten dargestellt. Stücklisten sind mengenmäßige Verzeichnisse der in ein Endprodukt oder eine Baugruppe eingehenden Erzeugnisse (Baugruppen oder Einzelteile). Sie werden entsprechend der Perspektive, mit der sie den Zusammenhang zwischen den Erzeugnissen darstellen, als (analytische) Stücklisten oder als (synthetische) Teileverwendungsnachweise bezeichnet. Während bei der analytischen Stückliste gefragt wird „Aus welchen untergeordneten Komponenten besteht ein Erzeugnis?“, lautet die Fragestellung beim synthetischen Teileverwendungsnachweis: „In welche übergeordneten Erzeugnisse geht eine bestimmte Komponente ein?“ [GÜN 2009]. Trotz 38 Stand der Technik vielfältiger Bemühungen in größeren Unternehmen und überbetrieblichen Arbeitskreisen des Vereins Deutscher Ingenieure und anderer Institutionen wie DIN, REFA und AWF ist es nicht gelungen, ähnlich wie bei Zeichnungen, Normen für Stücklistenaufbau, -inhalt und -darstellungsart zu schaffen. Dazu sind die Anforderungen, die von den einzelnen Erzeugnissen, Kunden und Unternehmen an eine Stückliste gestellt werden, zu unterschiedlich. Im einfachsten Fall genügt die reine Aufzählung von Positionsnummer, Benennung und Menge der Teile einer Baugruppe. In einem anderen Fall wird dagegen von den zahlreichen Anwendern der Stückliste, die von der Konstruktion über die Arbeitsplanung bis hin zum Lager- und Ersatzteilwesen reichen, eine Reihe von Zusatzinformationen gewünscht, die eine Stückliste zu einer umfangreichen Beschreibung einer Baugruppe anwachsen lassen [WIE 2008b]. Auf die Vielzahl weiterer Darstellungsformen von Produkten und Modularisierungsarten wird an dieser Stelle nicht weiter eingegangen und kann in gängiger Literatur nachgelesen werden. 2.4.3 Bisherige Fertigungs- bzw. Produktionssysteme Die bisherigen Kapitel beschäftigten sich vorwiegend mit den Kundenwünschen, den Produkten und der Einordnung von Build-to-Order-Netzwerken in den Gesamtkontext des Supply Chain Managements. Westkämper sieht vernetzte Produktionen als eine in eine Vielzahl von Leistungseinheiten eingebundene Produktion. Im Stuttgarter Unternehmensmodell werden diese Leistungseinheiten für produzierende Unternehmen dargestellt [WES 2008]. Die weiteren Kapitel orientieren sich an dieser Definition, wobei Produktionsstandorte als Aggregation von Produktionssystemen zu Produktionssegmenten zu verstehen sind. Nachfolgend wird Build-to-Order in Zusammenhang zu aktuellen Produktions- und Fertigungskonzepten gestellt. Abbildung 21 : Skalierung der Strukturen produzierender Unternehmen [WES 2008] 39 Stand der Technik 2.4.3.1 Produktion und Fertigung Westkämper versteht die Produktion als die Prozesse der Herstellung und der Betreuung von materiellen und immateriellen Gütern im gesamten Lebenslauf der Produkte [WES 2006]. Produktion ist in diesem Sinne nicht allein auf die Anfangsphasen des Lebenslaufes eines Produktes (Forschung, Entwicklung, Konstruktion und Herstellung) begrenzt, sondern bezieht auch die Nutzungs- und Recycling-Phasen mit ein. Der Gesetzgeber gibt den Herstellern ein Stück der Verantwortung für das gesamte Produktleben in seinen bindenden Regeln zur Produkthaftung, einschließlich deren Entsorgung bzw. Recycling, und schließt dabei lediglich die Verantwortung der Nutzer beim Gebrauch aus. Er leitet hieraus eine neue Definition der Produktion ab. Demnach ist: • Produktion: Technische und organisatorische Prozesse zur Herstellung, zum Erhalt und zum Recycling von materiellen und immateriellen Produkten und deren Betreuung im gesamten Produkt-Lebenslauf. • Fertigung: Herstellung materieller Güter unter Einsatz der Ressourcen Material, Energie, Maschinen, Menschen, Kapital, Information und Wissen. Im Unterschied zur Produktion ist die Fertigung lediglich ein Teilprozess in der gesamten Prozesskette des Lebens eines Produktes [WES 2006]. Hinsichtlich ihrer Ausrichtung lassen sich Produktionssysteme nach Tempelhof in drei Typen unterscheiden, programmbezogene, prozessbezogene und einsatzbezogene Produktionstypen, die nach folgenden Kriterien beschrieben werden: • der Anzahl der Erzeugnisse, • der Größenordnung der Produktionsaufträge • Beziehung zum Arbeitsmarkt • Organisatorische Anordnung der Arbeitssysteme · nach der Kontinuität und Form des Materialgusses, · Ortsbindung der Produkte · sowie der Anzahl der Arbeitsgänge und -folgen. Aufgrund dieser Kriterien lassen sich drei grundlegende Prozesstypen als Grenzfälle der vielen in der industriellen Praxis anzutreffenden Mischformen unterscheiden: 40 Stand der Technik • Massenproduktion, die eine ständige, zeitliche nicht begrenzte Produktion eines Gutes in großer Menge darstellt. Die Sortenproduktion ist ein Spezialfall, wenn mehrere Varianten eines Grundprodukts auf derselben Anlage hergestellt wird. • Serienproduktion, stellt eine begrenzte Anzahl identischer Erzeugnisse her, mit dem Nebeneffekt des häufigen Umrüstens. Im Vergleich zur Sortenproduktion müssen die Anlagen wesentlich flexibler sein. • Einzelproduktion, stellt individuelle Produkte nach dem Kundenauftrag her. Sie fordert einen hohen Grad an Flexibilität der Anlagen und Mitarbeiter. (Schiffsund Anlagenbau) [GÜN 2005], [GÜN 2009]. Auch Kathawala betrachtet aus der Historie bis heute drei grundlegende Produktionskonzepte [KAT 2005]. Er unterscheidet genau wie Günther zwischen den Konzepten Einzelfertigung und die von Henry Ford etablierte Massenproduktion. An diesen beiden Konzepten orientiert sich auch Porter mit seinen generischen Wettbewerbsstrategien [NIE 2002]. Dabei repräsentiert die Einzelfertigung die Differenzierungsstrategie und die Massenfertigung baut auf der Strategie der Kostenführerschaft auf. Beide Produktionskonzepte stellen jeweils einen Extrempunkt auf einer Skala dar, welche von „vollkommener Kundenintegration“ bis zu „kundenanonymer Fertigung“ reicht. Ein drittes, ebenfalls sehr bekanntes Produktionskonzept ist das aus Japan stammende Toyota Production System (TPS). Aufbauend auf dem Lean Production Gedanken stellte das TPS einen erfolgreichen Versuch dar, die konventionellen Massenproduktionssysteme in den USA oder in Europa zu übertreffen [BRA 2000]. Dieses entstand im Zuge eines Paradigmenwechsels weg von alleiniger Kostenführerschaft oder Differenzierung hin zum Qualitätsgedanken. 2.4.3.2 Einzelfertigung Im Gegensatz zur herkömmlichen variantenreichen Produktion hebt eine kundenindividuelle Produktion die Anonymität des einzelnen Nachfragers auf [PIL 2008]. Dabei erfolgt eine kundenindividuelle Fertigung entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Die Produktionsprozesse müssen daher flexibel sein und für jeden Auftrag neu erfunden werden, d.h. sie werden individuell geplant und durchgeführt [REI 2003]. Die Produktion wird erst gestartet, wenn der Kundenauftrag vorliegt und ein entsprechender Produkt41 Stand der Technik entwurf erarbeitet worden ist. Der Produktionsprozess der Einzelfertigung erfolgt meistens innerhalb einer Werkstattfertigung [PIL 2008]. Bei diesem Fertigungstyp werden Verrichtungen gleicher Art und Funktion zu organisatorischen Einheiten innerhalb der Produktion zusammengefasst (z.B. Dreherei, Stanzerei, Bohrerei), und die Produkte müssen diese Einheiten bei ihrer Bearbeitung systematisch durchlaufen [WIL 2004]. Zwischen Einzelfertigung und Massenproduktion existiert auch noch die sogenannte Kleinserienfertigung, die hier nicht näher betrachtet wird. 2.4.3.3 Massenproduktion Bei der klassischen Massenproduktion versuchen Unternehmen, die Potenziale der Lernkurve bzw. Skalenerträge so gut wie möglich auszunutzen, um über hohe Stückzahlen Kosten einzusparen [BAU 2006]. Der Kunde wird weder in die Planung noch in den Produktionsprozess selbst integriert. Nach Günther und Tempelmeier wird bei Massenproduktion zumeist eine überschaubare Anzahl von homogenen Endprodukten erzeugt, wobei der Materialfluss einen stetigen Verlauf annimmt. Die Ausbringungsgüter, die im allgemeinen einen hohen und gleichmäßigen Bedarf aufweisen, werden nicht wechselweise, sondern kontinuierlich produziert. Dabei kann es sich sowohl um natürliche Fließproduktion handeln (wie z. B. in der Mineralöl- und der chemischen Industrie oder in Brauereien) als auch um Linienproduktionssysteme mit starrer Materialflussverkettung und getaktetem Arbeitsablauf sind diesem Prozesstyp zuzurechnen (z. B. der Herstellung von Glühbirnen oder der Montage von Kühlschränken und Fernsehgeräten). So findet sich z. B. in der Automobilindustrie die Serienproduktion häufig in den Vorproduktionsstufen (Blechteile-, Motoren-, Getriebefertigung usw.), während in der Endmontage eine kontinuierliche Produktionsweise vorherrscht [GÜN 2005], [GÜN 2009]. 2.4.3.4 Variantenreiche Serienfertigung Durch die in vielen Branchen zu beobachtende Sättigung der Märkte rückten zunehmend Aspekte der Differenzierung der angebotenen Leistung in den Fokus, um sich von Wettbewerbern abzugrenzen. Ein zentrales Differenzierungsmerkmal stellt vor diesem Hintergrund die Anpassbarkeit der angebotenen Produkte dar, so dass im Extremfall eine kundenindividuelle Leistungserstellung im Rahmen einer variantenreichen Serienproduktion erfolgt. Entsprechende Tendenzen lassen sich in einem weiten Spektrum der industriellen Wertschöpfung beobachten. Beispielsweise wird die theoretische Anzahl 42 Stand der Technik von Produktvarianten in der Automobilindustrie mit 1020 (Audi) bzw. 1035 (BMW) angegeben. Eine ähnliche Vielfalt zeigt sich etwa im Bereich von Personal Computern oder Möbeln. Beleg dieser Entwicklung ist eine Studie von Wildemann. Demnach war in den letzten zwei Jahrzehnten des vergangenen Jahrhunderts in stagnierenden Märkten eine durchschnittliche Zunahme der Variantenvielfalt um 420 Prozent zu verzeichnen [VOL 2009] . 2.4.4 Zusammenfassung Alle Produktionssysteme sind nach heutiger Sicht verbreitet. So produzieren weltweit nahezu alle Automobilfirmen in einer Just-In-Sequenz Produktion. In Bezug auf den ersten Grundgedanken, welche Produkte und welche Produktstruktur für Build-to-Order -Produktionsnetzwerke geeignet sind, muss der Frage nachgegangen werden, wie die Abhängigkeit der Produktstruktur zu dem Produktionssystem Build-to-Order ist. 43 Stand der Technik 2.5 Wettbewerbliche und strategische Einordnung von Build-to-Order Bei der Erörterung über stärkere oder schwächere Integration des Kunden ist man sehr schnell bei der strategischen Einordnung von Build-to-Order. Unter den Pionieren des strategischen Managements ist der bekannteste Vertreter des marktorientierten Ansatzes der Harvardprofessor Michael Porter. Nachfolgend soll Build-to-Order strategisch eingeordnet werden. 2.5.1 Wettbewerbsstrategien Porter wandte den industrieökonomischen Ansatz an, um den Wettbewerb in einer Branche zu erklären. Er geht davon aus, dass der Erfolg eines Unternehmens von der Branchenattraktivität und der relativen Position des Unternehmens in dieser Branche abhängt. Potentielle neue Konkurrenten Wettbewerber in der Branche Rivalität unter den bestehenden Unternehmen Verhandlungsmacht der Abnehmer Lieferanten Verhandlungsstärke der Lieferanten Bedrohung durch neue Konkurrenten Abnehmer Bedrohung durch Ersatzprodukte und -dienste Ersatzprodukte Abbildung 22: Der Kontext der Formulierung von Wettbewerbsstrategien [POR 1986] Die Branchenattraktivität wird durch die Intensität folgender fünf Wettbewerbskräfte bestimmt: Bedrohung durch neue Anbieter, Verhandlungsstärke der Lieferanten, Verhandlungsstärke der Abnehmer, Bedrohung durch Ersatzprodukte und Intensität der Rivalität der Wettbewerber innerhalb einer Branche [BEA 1995]. Je stärker diese Wettbewerbskräfte ausgeprägt sind, umso höher ist die Wettbewerbsintensität und umso geringer sind die Erfolgsaussichten. Durch die sogenannten generischen Wettbewerbsstrategien lassen sich nach Porter Wettbewerbsvorteile aufbauen. Anhand dieser fünf Wettbewerbskräfte bestimmt Porter drei, wie in Abbildung 23 zu sehen, unterschiedli44 Stand der Technik che Wettbewerbsstrategien: umfassende Kostenführerschaft, Differenzierung und Konzentration auf Schwerpunkte/Marktnischen [POR 1986]. Wettbewerbsvorteile Niedrige Kosten weites Ziel Differenzierung 1. Kostenführerschaft 2. Differenzierung 3A. Kostenschwerpunkt 3B. Differenzierungsschwerpunkt Wettbewerbsfeld enges Ziel Abbildung 23: Drei Wettbewerbsstrategien nach Porter [POR 1986] 2.5.1.1 Umfassende Kostenführerschaft Die Kostenführerschaft hat das Ziel, der preisgünstigste Anbieter auf dem Markt zu sein. Deshalb steht bei dieser Strategie auch die Senkung der Kosten im Vordergrund, was beispielsweise durch das Ausnutzen von Größenvorteilen oder durch erfahrungsbedingte Kostensenkungen erreicht werden kann [POR 1999]. Die eingesparten Kosten wiederum können in das Unternehmen investiert werden, um den Vorsprung gegenüber den Wettbewerbern aufrechtzuerhalten oder noch weiter auszubauen. Ist die umfassende Kostenführerschaft einmal erreicht, so bietet sie einen vollständigen Schutz gegen alle fünf Wettbewerbskräfte [GRA 2008]. 2.5.1.2 Differenzierung Unternehmen, die eine Differenzierungsstrategie verfolgen, wollen ihren Kunden ein Produkt verkaufen, welches sich deutlich von den Konkurrenzprodukten abhebt [GRA 2008]. Worin dieser Unterschied letztendlich besteht, bleibt den Unternehmen überlassen. Es hat sich gezeigt, dass die angestrebte Differenzierung meist auf mehreren Ebenen stattfindet. 45 Stand der Technik Ansatzpunkte für eine solche Differenzierung sind z.B. • die technische Ausstattung eines Produkts, • das Design, • die Markenbildung, • der Service, • und das Vertriebsnetz [BEA 1995]. Mit einer Differenzierungsstrategie lassen sich überdurchschnittliche Erträge erwirtschaften, da die Kunden in der Regel auch bereit sind, für die Überlegenheit des Produktes einen angemessenen Preis zu bezahlen. Auch ist sie weniger anfällig gegenüber Marktveränderungen und schwer zu imitieren, was einen Schutz vor der Konkurrenz darstellt [GRA 2008]. Eine Gefahr, die sich bei der Verfolgung dieses Strategietyps ergeben kann, liegt darin, dass der Preis vom Kunden als zu hoch eingestuft wird und dieser nicht mehr bereit ist, den geforderten Preis zu bezahlen [POR 1986]. 2.5.1.3 Konzentration auf Schwerpunkte Ziel dieses Strategietyps ist die Konzentration auf Marktnischen, also auf ein eng abgegrenztes Käufersegment [POR 1999]. Für Unternehmen, die den Markt mit Differenzierungs- oder Kostenführerschaftsstrategien bearbeiten, sind diese Marktnischen nicht groß genug, um sie ebenfalls abzudecken. Dieser Strategietyp kann jeweils mit der Kostenführerschaft- oder der Differenzierungsstrategie kombiniert werden. Das bedeutet, dass die relevante Marktnische entweder als Kostenführer oder über eine Produktdifferenzierung bearbeitet werden kann. 2.5.1.4 Hybride Wettbewerbsstrategie Build-to-Order Anlass zur Kritik am „Market-based View“, der erklärt, wie Unternehmen durch Orientierung an externen Rahmenbedingungen erfolgreich sein können [FRE 2001], bietet die reaktive, defensive Grundposition. Ein Ansatz, der die Ermittlung der Branchenattraktivität in den Mittelpunkt der Betrachtung stellt, orientiert sich zwangsläufig an etablierten Branchen. Strategien dagegen, die bisherige Marktgrenzen verschieben oder neue Märkte schaffen, also aktiv in den Wettbewerbsprozess eingreifen, werden systematisch vernachlässigt [BEA 1995]. Porter zufolge sind die zuvor beschriebenen Strategietypen46 Stand der Technik miteinander unvereinbar. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass Unternehmen, die sich nicht auf eine bestimmte Strategie festlegen, sich in einer schlechteren strategischen Position befinden und weniger erfolgreich sind. Porter bezeichnet diesen Zustand, in dem sich die Firmen zwischen den Stühlen befinden, „stuck in the middle“. Begründet wird diese Aussage dadurch, dass jeder der Strategietypen unterschiedliche Anforderungen an das Unternehmen hinsichtlich Führungsstil, Unternehmenskultur, Organisation, usw. stellt, die langfristig unvereinbar sind [POR 1986]. Aufgrund dieser Unvereinbarkeit wird Porters Ansatz auch als Alternativhypothese bezeichnet [COR 1995]. Im Gegensatz dazu steht die Simultanitätshypothese. Hier sind die von Porter unterschiedenen Strategien keine Entweder-oder-Entscheidungen, sondern lediglich die extremen Ausprägungen einer Skala [1995]. Sie hält „die gleichzeitige Realisation von Kostenführerschaft und Differenzierung und ihre simultane Verfolgung im Rahmen einer Wettbewerbsstrategie als eine „hybride Strategie“ für möglich und vorteilhaft [PIL 1998].“ Die bekannteste hybride Strategie ist Build-to-Order. Mit ihr werden die strategischen Elemente des Kostenwettbewerbs mit der des Differenzierungswettbewerbs gepaart, indem kundenindividuelle Produkte zu günstigen Preisen als Massenprodukt angeboten werden. 2.5.2 Zusammenfassung Nach Stotko stellt Build-to-Order die Überwindung der von Porter aufgestellten Alternativhypothese als den zentralen Erfolgsfaktor dar. Es zeigt die Möglichkeit, sich im Markt zu differenzieren und dabei gleichzeitig eine Kostenposition einzunehmen, die es erlaubt, kundenindividuelle Produkte zu einem Aufpreis anzubieten, den Kunden vergleichbarer Massengüter noch bereit sind, für die Realisierung individueller Produkte zu zahlen [STO 2002]. Im Extremfall unterscheidet sich Build-to-Order von Mass Customization dadurch, dass der Eingang eines Kundenauftrags zwingend für den Beginn der Fertigung bzw. Endmontage ist [KAT 2005]. 47 Defizite bestehender Ansätze in der Industrie und Forschung 3. Defizite bestehender Ansätze in der Industrie und Forschung Als etabliertes Konzept hat Build-to-Order seit einigen Jahren sowohl in der Wissenschaft als auch in der Industrie Aufmerksamkeit auf sich gezogen. In den letzten Kapiteln sind aus strategischer und aus Produktionsnetzwerk-Sicht die Vorteile und die Prinzipien erarbeitet worden. Im Folgenden soll auf wichtige Forschungsprojekte, vor allem aber auf die industrielle Umsetzung und deren Defizite eingegangen werden. 3.1 Ansätze von BTO-Netzwerke in der Forschung Auf einen Kundenauftrag zu reagieren, kann durch Prognosen, Lagerhaltung (Build-toStock) oder erst nach Eingang des Auftrags stattfinden (Build-to-Order). Die grundlegende Differenzierung kommt neben dem Netzwerk durch das Produkt an sich. Eine stärkere modulare Produktstruktur unterstützt das BTO-Netzwerk und fokussiert die Firmen auf ihre Kernkompetenz. Um den Nachteilen der Lagerhaltung entgegen zu wirken, kann BTO auch erst im letzten Schritt, bei der Endmontage stattfinden. 3.1.1 Forschungsprojekt ACDC Der Ansatz der Kundenintegration erst in der Endmontage, ist der Inhalt des EUForschungsprojekt ACDC. Der dort entwickelte Customize-to-Order-Ansatz ist in der Basis ein hochentwickelter und durch automatisierte Informations- und Kommunikationstechniken unterstützter Build-to-Forecast-Ansatz. Die Variantenvielfalt wird hierbei im letzten Schritt durch Verwendung von Late-Customization, bspw. durch das Flashen von Steuergeräten mit Software, im letzten Produktionsfinish beim OEM sichergestellt. Die Vorteile sind effizientere Ressourcennutzung durch bessere Planbarkeit, eine bessere Verlässlichkeit der Planung, geringere Kosten durch erhöhte Nutzung von Skaleneffekten sowie eine hohe Variantenvielfalt gegenüber dem Endkunden [KRE 2007]. 3.1.2 Forschungsprojekt ILIPT Ein weiteres Projekt, das im Zusammenhang mit Build-to-Order zu nennen ist, ist das EU-Forschungsprojekts 5DayCar-ILIPT „Intelligent Logistics for Innovative Product Technologies“. Ein europäisches Konsortium aus Industrieunternehmen hat sich gemeinsam mit Forschungsinstituten vorgenommen, die Herausforderungen einer durchgängigen 48 Defizite bestehender Ansätze in der Industrie und Forschung Build-to-Order-Produktion anzunehmen. Im Rahmen des Projekts wurden Konzepte zur Realisierung eines vollständigen BTO-Produktionssystems in der Automobilbranche mit kurzen und zuverlässigen Lieferterminen entwickelt [MAN 2009]. Innerhalb des Konsortiums als „Virtual Order Bank“ kurz VOB bezeichnet, ist die zukünftige VOB die zentrale Einheit des neuen Auftragsmanagementsystems. Sie ist in der Lage, Fahrzeugbestelleingaben vom Händler oder zukünftig sogar vom Kunden selbst direkt zu verarbeiten und einem geeigneten Werk zuzuordnen. Dieses System reduziert die Informationsflusszeiten gravierend und trägt dadurch zu einem erheblichen Anteil zu kurzen und verlässlichen Lieferzeiten bei. 3.1.3 Informationsmanagement in der Automobilwirtschaft SYSLogInformationssystemarchitektur supra-adaptiver Logistiksysteme Das Forschungsprojekt ForLog5 hat sich unter anderem bis Ende 2007 das Ziel gesetzt, Konzepte, Methoden und Bausteine zu erarbeiten, die im hochvolatilen Umfeld der Automobilindustrie Adaptivität, überbetriebliche Anpassungen wie auch innerbetriebliche Umstrukturierungen ermöglichen [FOR 2008]. Das Teilprojekt SysLog widmete sich im Rahmen des Forschungsprojekts der problemorientierten Gestaltung der Informationssystem-Architekturen von Logistiksystemen in der Automobilwirtschaft als einem der wesentlichen Erfolgsfaktoren rascher Anpassung. Die Untersuchungen aktueller und zukünftig zu erwartender Anpassungsstrategien und -situationen dienten dabei als wesentlicher Input zur Klärung der Anforderungen [OTT 2007]. Nach deren eingehender Analyse ließen sich daraus die resultierenden Anforderungen an zukünftige Informationssystem-Architekturen bestimmen. Daneben wurden die wesentlichen architektonischen Komponenten logistischer Informationssysteme einer näheren Betrachtung unterzogen sowie eine Typologisierung realer Informationssystem-Architekturen in vier idealtypischen Ausprägungen durchgeführt. Dies ermöglichte eine effiziente Unterstützung der Informationssystem-Architekturplanung und daraus folgend eine verbesserte Anpassung der Informationssysteme an die unternehmensspezifischen Bedarfe [DIC 2009]. 5 ForLog-Bayerischer Forschungsverbund Supra-adaptive Logistiksysteme, Forschungsprojekt mit sieben Lehrstühle der Universitäten München, Regensburg und Nürnberg sowie über 30 Industriepartnern 49 Defizite bestehender Ansätze in der Industrie und Forschung 3.2 Ansätze von BTO-Netzwerken in der Industrie Neben den unterschiedlichen Forschungsprojekten, die vielfältige Aspekte von Build-toOrder betrachten, gibt es im industriellen Umfeld einige Ansätze, die das Build-to-Order -Konzept in verschiedensten Detaillierungsgraden umgesetzt haben. So geht die Firma TRUMPF GmbH + Co. KG im Maschinen- und Anlagenbau dazu über, die Perspektive der Build-to-Order-Prozesse systematisch von der „Basic Supply Chain“, dem Unternehmen und seinen direkten Lieferanten bzw. Kunden auf die erweiterte „Extended Supply Chain“ unter Einbeziehung der Lieferanten des Lieferanten bzw. Kunden des Kunden auszudehnen. So kann z. B. die Summe der Wertzuwachskurve (Kostenentstehung als Funktion über der Durchlaufzeit) reduziert werden, indem im Herstellprozess zu einem späteren Zeitpunkt ein komplettes Modul eingekauft wird [WIR 2006]. Auch die Schüco International KG als Anbieter von umfassenden Systembäukasten für die Gebäudehülle synchronisiert und integriert die Produktionsprozesse der Zulieferer in die Auftragsabwicklungsprozesse der Schüco International KG auf Basis der tatsächlichen artikelbezogenen Nachfrage. Somit setzt Schüco Build-to-Order als Wettbewerbsstrategie im Supply Chain Management ein und sieht weniger den Grad der Modularisierung, vielmehr die Produkt(ions)eigenschaften sowie die Marktanforderungen als Grundlage für Implementierungsmöglichkeiten [SCH 2008b]. In Bezug auf das Produktionskonzept Build-to-Order kann DELL als eine der ersten Firmen bezeichnet werden, welche ein vollständiges BTO-System erfolgreich implementiert hat [GUN 2005]. Auch in der Automobilbranche mit BMW sowie in der Textilindustrie mit Zara gibt es erfolgreiche Konzepte. Gerade die Firmen DELL, BMW und Zara sind im Vergleich zu Firmen wie Schüco oder Trumpf und anderen besser dokumentiert und sollen in diesem Kapitel als Beispiele für die unterschiedlichen industriellen Umsetzungen betrachtet und am Ende auf ihre Defizite hin analysiert werden. 3.2.1 Build-to-Order in der Computerindustrie am Beispiel DELL Der US-amerikanische Computerhersteller DELL Inc., mit Sitz in Round Rock bei Austin im Bundesstaat Texas, ist eine der größten Erfolgsgeschichten der Halbleiterindustrie. Michael Dell gründete seine Firma mit der Vision, Computer nach den individuellen Wünschen der Kunden zu bauen. Der Erfolg von DELL kann auf zwei Besonderheiten 50 Defizite bestehender Ansätze in der Industrie und Forschung zurückgeführt werden. Zum einen umging er die Zwischenhändler, sodass die Kunden direkt bei DELL einkaufen konnten. Zum anderen fertigt DELL seine Produkte erst nach Auftragseingang also in einem BTO-System. So werden die Produkte entsprechend den individuellen Wünschen der Kunden zusammengebaut, was zu einem nachhaltigen Kostenvorteil gegenüber seinen Wettbewerbern führte [MAG 1998]. Den Anfang des BTO-Prozesses bildet die Konfiguration des gewünschten Computersystems durch den Kunden, der mit entsprechenden Komponenten sein Basisgerät ausrüsten kann. Der Konfigurator trägt dazu bei, Kompatibilitätsprobleme zu vermeiden, die Verfügbarkeit von Komponenten zu überprüfen und den Preis des zusammengestellten Produktes zu errechnen. Am Ende des Bestellprozesses, noch bevor das Produkt gefertigt wird, ist der Bezahlvorgang abgeschlossen. Nachdem der Auftrag bei DELL auf elektronischem oder telefonischem Weg eingegangen ist, erfolgt eine Überprüfung der Zahlung sowie eine weitere Kompatibilitätsprüfung der ausgewählten Komponenten. Diese beiden Prozesse dauern im Schnitt zwei bis drei Tage [KAP 2004]. Der Auftrag wird direkt an das DELL Order Management System (DOMS) geschickt, bevor der Auftrag in die Produktion als Ausdruck an den Arbeiter geht. Dieses Datenblatt enthält die genaue Konfiguration sowie die benötigten Hard- und Softwarekomponenten und Daten rund um die Bestellung. Mit solchen Datenblättern kann DELL nachvollziehen, welche Komponenten von welchem Zulieferer installiert worden sind und welche Mitarbeiter an dem jeweiligen Arbeitsschritt mitgewirkt haben. So wird eine schnelle Identifikation und Lösung von Problemen garantiert, die während der Produktion oder während des Gebrauchs beim Kunden auftreten [KRA 2000]. Nach Zusammenbau der Hardware und Installation der Software sowie sonstiger herstellerspezifischer Anwendungen erfolgt ein umfassender Funktionstest des fertigen Systems. Ist der Computer versandfertig verpackt, wird von externen Logistikunternehmen die Auslieferung an den Kunden durchgeführt. Dieser gesamte Produktionsprozess wird innerhalb von 8 Stunden durchlaufen [KAP 2004]. So ist es DELL möglich, eine durchschnittliche Auslieferungszeit von ca. 5 Tagen zu erreichen [GUN 2005]. Der BTO-Prozess prägt damit nachhaltig DELLs Wertschöpfungskette [KRA 2000]. Die Bestellungen der Kunden bestimmen alleine, wie viele der verschiedenen Komponenten tatsächlich im Fertigungsprozess benötigt werden. Das bedeutet, dass die Lieferanten von DELL dementsprechend ihre eigene Produktion und logistische Planung anhand der 51 Defizite bestehender Ansätze in der Industrie und Forschung Nachfrage der Endkonsumenten ausrichten müssen. Da DELLs Lieferantennetzwerk über die ganze Welt reicht, ist eine gute Koordination und eine enge Zusammenarbeit notwendig. Um Materialengpässe aufgrund von schwankenden Lieferzeiten bei den Herstellern zu vermeiden, hat DELL seine Zulieferer dazu veranlasst, „Supplier Logistic Centers“ (SLC) in unmittelbarer Fabriknähe einzurichten [KAP 2004]. Aus diesen SLCs bezieht DELL dann die entsprechenden Komponenten, die zur Produktion der Güter erforderlich sind. Im Schnitt erfolgt dort alle zwei Stunden eine Materialentnahme. Dies hat zur Folge, dass für DELL so gut wie keine Lagerhaltungskosten anfallen, da weder Komponenten noch fertige Produkte zwischengelagert werden müssen. Damit immer genügend Komponenten in den SLCs vorhanden sind, hat DELL zusammen mit seinen Lieferanten ein besonderes System implementiert. Jedes der Zulieferunternehmen kann selbst bestimmen, wie viele Güter es auf Lager hält und wann neue Ware nachbestellt wird. DELL gibt lediglich die Mindestlagerbestände vor und kontrolliert, inwiefern die Unternehmen von den jeweiligen Werten abweichen. Um die Lieferanten bei ihrem Planungsprozess zu unterstützen, stellt DELL einmal im Monat eine aktuelle Bedarfsprognose bereit, welche u.a. saisonale Schwankungen berücksichtigt. „PUSH“ „PULL“ Build-to-Stock Build-to-Stock Buy-to-Plan Build-to-Order every Week Lief erant A . . . Supplier Logistic Center (SLC) Fertigung DELL Kunden Materialanf ragen Lief erant N Abbildung 24: Build-to-Order-Fertigung bei DELL, eigene Darstellung in Anlehnung an [GRA 2006] Wie Abbildung 25 zeigt, werden in den Produktionsanlagen von DELL ausschließlich Produkte gefertigt und dadurch die Lagerhaltung auf ein Minimum reduziert. DELL lässt sich von seinen Lieferanten nur diejenigen Teile anliefern, welche für die aktuelle Produktion benötigt werden. Die Zulieferer müssen daher die Teile in den SLCs auf Abruf bereithalten. 52 Defizite bestehender Ansätze in der Industrie und Forschung Diese Umsetzung setzt eine fehlerfreie Synchronisation zwischen DELL und seinen Lieferanten voraus. Damit ein optimaler Ablauf dieser Planung erfolgt, hat DELL seit einigen Jahren eine Supply Chain Software an allen Produktionsstandorten implementiert. Diese Software ist dafür verantwortlich, dass DELL die Möglichkeit besitzt, alle 2 Stunden die Produktion neu zu planen. So sammelt das Programm alle 20 Sekunden die eingegangenen Bestellungen und gleicht die benötigten Komponenten und Materialien mit den vorhandenen Beständen der Zulieferer ab [AMH 2002]. Danach wird der errechnete Bedarf auf elektronischem Weg den Zulieferunternehmen in den SLCs um die Fabrik herum mitgeteilt und diese liefern innerhalb von 90 Minuten die angeforderten Teile bereits in der richtigen Reihenfolge an die Fertigungsstraße (siehe Abbildung 25). Abbildung 25: Arbeitsablauf in DELL-Fabriken [AMH 2002] Diese Prozesse und Abläufe müssen von DELL koordiniert und kontrolliert werden. Da der Aufwand mit der Komplexität der Produkte wächst, versucht DELL, diese mittels einer Standardisierung bzw. Modularisierung seiner Produkte so gering wie möglich zu halten [GUN 2005]. Die Standardisierung hat zur Folge, dass bis zu einem gewissen Grad so viele Produkte wie möglich so viele gemeinsame Komponenten wie möglich beinhalten. Zentrales Element bei der virtuellen Integration aller Anspruchsgruppen stellt das o.g. DOMS dar, welches alle relevanten Informationen rund um eine Bestellung sammelt [MAG 1998]. Bestellungen fließen vom Portal direkt in das Auftragsabwicklungssystem DOMS zur Produktion der PCs und in das Logistiksystem DLS zur abge53 Defizite bestehender Ansätze in der Industrie und Forschung stimmten Auslieferung der Monitore. Über das Portal valuechain.DELL.com erhalten die Lieferanten von Bildschirmen, Festplatten etc. mehrfach täglich aktualisierte Planungsdaten [GIZ 2006]. Darüber hinaus findet hier auch ein Austausch über Lagerhaltungsdaten und Produktqualität statt. Dieses Extranet besteht im Wesentlichen aus drei Teilen [AMH 2002]: • Collaboration Enablers Hierbei handelt es sich um Tools, welche die Zusammenarbeit zwischen DELL und seinen Lieferanten verbessern sollen (z.B. o.g. Supply Chain Software). • Global Supply Planning Optimale Steuerung und Versorgung aller Teilnehmer entlang der Wertschöpfungskette. • Demand Fulfillment Hier werden nach dem Pull-Verfahren die bestellten Komponenten und Materialien den Kunden zugeordnet. Ziel des Informationsportals valuechain.dell.com ist es, dass alle Lieferanten weltweit die gleichen Werkzeuge einsetzen und mit denselben Messdaten arbeiten, um eine Konstanz innerhalb der Planung und Beschaffung zu erreichen [AMH 2002]. Somit stehen diese Daten allen Teilnehmern in Echtzeit und 24 Stunden am Tag zur Verfügung. So ist eine ständige Kontrolle laufender Prozesse oder die Einsicht in älteres Datenmaterial jederzeit möglich und kann den Teilnehmern nach erfolgter Evaluation zur Selbstbeurteilung dienen. Durch die elektronische Vernetzung und die volle Integration der Lieferanten kann DELL schnell auf Probleme oder sich verändernde Rahmenbedingungen reagieren. Um Problemen, wie z.B. Materialengpässe bei Lieferanten, entgegenzuwirken, bezieht DELL in einigen Fällen die gleichen Komponenten von unterschiedlichen Herstellern [KAP 2004]. So kann eine Versorgung bei Ausfall des Versorgungsstromes eines Zulieferers gewährleistet werden. Sollte es aber doch vorkommen, dass eine Komponente bei keinem Lieferanten verfügbar ist, wird dem Kunden ein kostenloses „Upgrade“ auf ein höherwertiges Bauteil gegeben [KRA 2000]. 54 Defizite bestehender Ansätze in der Industrie und Forschung 3.2.2 Build-to-Order in der Automobilbranche am Beispiel BMW Für die BMW AG sind heute zufriedene Kunden die, bei denen das Unternehmen sich auf deren individuelle Wünsche und Bedürfnisse so flexibel wie möglich einstellt. Bestellvorgänge mit sofortiger Nennung eines verbindlichen Liefertermins "auf Knopfdruck" im Rahmen des Verkaufsgesprächs und Flexibilität bei Änderungswünschen sind die Top-Wünsche von Premium-Automobilkunden für die Abwicklung ihrer Neufahrzeugbestellung [BMW 2003]. "Gerade der neue 7er markiert den Aufbruch in eine neue Ära des Fahrzeugbaus", so Reithofer. Jedes vom Band rollende Fahrzeug ist maßgeschneidert, also in Motorisierung, Farbe, Innenausstattung und Modellvariante gemäß dem Kundenwunsch gefertigt. Die Komplexität sei immens: rechnerisch seien bis zu 1017 Variationsmöglichkeiten denkbar. Um diese Komplexität zu beherrschen, setzt BMW auf einen "kundenorientierten Vertriebs- und Produktionsprozess", KOVP genannt. Übergeordnetes Ziel ist, jedem Kunden sein maßgeschneidertes Fahrzeug termingetreu zum vereinbarten Zeitpunkt zu liefern [DON 2002]. Ergebnis der Neuausrichtung zum KOVP-Prozess in 2002 ist eine in jeder Hinsicht stark verbesserte Prozessleistung: • Die Auftragsdurchlaufzeit wurde halbiert. Die angestrebten 10 Arbeitstage Prozesszeit waren bisher nur für "Build-to-Stock"-Fahrzeuge vergleichbarer Komplexität üblich. BMW erreicht heute bereits eine Prozesszeit von durchschnittlich 12 Tagen auch für kundenindividuell gefertigte Fahrzeuge. • Die Anzahl der nicht termintreu ausgelieferten Fahrzeuge konnte sogar um 75 Prozent reduziert werden. • Der Zeitpunkt, bis zu dem noch Orderänderungen möglich sind, liegt jetzt deutlich näher am Produktionsbeginn. Zusätzlich sind Art und Umfang der zulässigen Änderungen erheblich erweitert [REI 2005]. Gerade die Reduzierung der internen Durchlaufzeit bei der Produktion eines neuen Automobils hat zwei ganz wesentliche Vorteile. Erstens können heute bereits zahlreiche Änderungswünsche der Kunden noch sechs Tage vor Produktionsbeginn berücksichtigt werden. Das bedeutet einen Quantensprung in der Änderungsflexibilität und zweitens kommt es damit zu insgesamt kürzeren Lieferzeiten [MIL 2002]. 55 Defizite bestehender Ansätze in der Industrie und Forschung Die drei Hauptziele innerhalb des KOVP sind primär auf den Kunden ausgerichtet: • Termintreue: Der Kunde erhält das von ihm gewünschte Fahrzeug zu einem fest vereinbarten Zeitpunkt bzw. zu seinem Wunschtermin. • Kurze Durchlaufzeiten: Die kürzeste Auslieferungszeit wird auf mindestens 10 Werktage festgelegt. • Änderungsflexibilität: Dem Kunden wird die Möglichkeit gegeben, bestimmte Komponenten seiner Bestellung (Lackierung, Ausstattung, Motorisierung) noch kurz vor der Endmontage (max. 6 Arbeitstage vor Fertigstellung) zu verändern. Um diese Ziele zu realisieren, musste BMW sukzessive seinen Bestellprozess, die Auftragssteuerung sowie das Produktionssystem umstellen und effizienter gestalten. Der Startschuss für die Implementierung des KOVP bzw. für die Umsetzung der damit verbundenen BTO-Strategie fiel mit der Einführung des „Online Ordering“-Systems im Jahr 1998 [ORM 2006]. Dieses webbasierte Onlinebestellsystem wurde im Rahmen der Optimierung des Bestellprozesses entwickelt und verbindet die Händler über ein Extranet mit BMW [MEY 2004]. Dadurch haben sie die Möglichkeit, online Machbarkeitsüberprüfungen der gewünschten Konfiguration abzufragen und innerhalb kürzester Zeit dem Kunden eine verbindliche Auftragsbestätigung mit festem Liefertermin zu geben sowie Änderungswünsche der Kunden auch noch kurz vor der Endmontage entgegenzunehmen. Das „Online Ordering“-Projekt von BMW war einer der wichtigsten Faktoren bei der Realisierung einer kürzeren Auslieferungszeit auf das Niveau von 11 Arbeitstagen (vorher bis zu 32 Tage) [MEY 2004]. Holweg und Jones messen dem „Online Ordering“ eine noch größere Bedeutung bei, denn sie sind der Auffassung, dass knapp 75% aller Faktoren, welche für eine lange Auslieferungszeit verantwortlich sind, auf den Bestellprozess (Auftragserfassung, Auftragsbestand, Auftragskoordination etc.) zurückzuführen sind [HOL 2001b]. Um der BTO-Produktion gerecht zu werden, erfolgte eine Umstellung von einem Pushauf ein Pull-Produktionssystem (hier muss einschränkenderweise gesagt werden, dass in der gesamten Automobilbranche in Europa ein kleiner Teil der Produktion schon seit jeher kundenindividuell nach Auftrag gefertigt wurde, so dass bis dato sozusagen ein kombiniertes Push- und Pull-Produktionssystem in der Automobilbranche bestand). Da 56 Defizite bestehender Ansätze in der Industrie und Forschung aber immer noch mehr als die Hälfte aller Fahrzeuge auf Halde, d.h. ohne Kundenauftrag produziert werden [BAU 2006], besteht mit BTO die Möglichkeit, nun ganz in Richtung eines Pull-Produktionssystems umzustellen. Die Umstellung von BMW auf das Pull-System hat sich wiederum auf die Gestaltung der Wertschöpfungskette ausgewirkt: Die Lieferanten werden in dem neuen Produktionssystem viel stärker integriert als vorher, da sie die benötigten Teile genau zum geforderten Termin (Just In Time / JIT) bzw. in einer vorgegebenen Reihenfolge (Just In Sequence / JIS) bereitstellen müssen. Eine Verwirbelung der Fahrzeugreihenfolge führt zu einer geringeren Genauigkeit, und selbst eine 99,8%-Genauigkeit führt zu einer Instabilität des Systems. Durch den KOVP-Prozess bleibt die einmal an den Lieferanten übertragene Fertigungsreihenfolge, die bereits heute 4-6 Arbeitstage vor dem eigentlichen Produktionstermin erfolgt, zu 100% bestehen. Durch dieses Konzept ergeben sich für den Systemlieferanten einige Vorteile [SCH 2004]: Früher wurde der Kundenauftrag bereits der Rohkarosserie zugeordnet, während dies heute erst bei Beginn der Endmontage stattfindet [REI 2005]. Dieser Paradigmenwechsel hat zur Folge, dass Produktionsschritte wie die Lackierung, ohne Kundenzuordnung, sozusagen als Zulieferteil (Modul) behandelt werden, und ermöglicht es, bestehende Änderungswünsche (Lackfarbe etc.) der Kunden noch kurz vor Fertigstellung des Produktes entgegenzunehmen [REI 2005]. Denn vor KOVP war keine weitere Verkürzung der Durchlaufzeiten und keine wesentliche Steigerung der Termintreue möglich [REI 2005]. Um das Produktionssystem mit KOVP zu realisieren, stellt BMW hohe Anforderungen an seine Lieferanten wie den Einsatz des „Electronic Data Interface“ (EDI) zur Kommunikation zwischen BMW und seinen Lieferanten. Hier findet vor allem der Datentransfer für Lieferabrufe und Lieferscheine statt. Die Grundlage dieses Verfahrens ist der Standardproduktionsabruf "SPAB", ein von BMW standardisiertes Materialsteuerungssystem im produktionssynchronen Zeitbereich. Durch SPAB schreiben die Autobauer vor, wie die Daten ausgetauscht werden. Das Abrufverfahren ist in verschiedene Zeithorizonte aufgeteilt: Die langfristige Planung des Zulieferers wird durch den LAB (Lieferantenabruf) gesteuert, der jede Woche für einen Zeitraum von neun Monaten vor Montage die Liefermengen und -termine angibt. Der FAB (Feinabruf) gliedert den LAB auf, durch ihn 57 Defizite bestehender Ansätze in der Industrie und Forschung werden die ersten zwei Wochen tagesgenau dargestellt. Der TAD (technischer Auftragsdatensatz) übermittelt eine Woche vor dem Montagetag die Tagespakete für die fest eingeplanten Fahrzeugaufträge. Durch die Tagespakete erhält der Zulieferer Angaben zur Teilefamilie, Montageort, Sachnummer mit geplantem Montagestarttermin und Ordernummer. Bei Eingang des TAD werden die BMW-Ordernummern der Fahrzeugaufträge beispielsweise den Sachnummern einzelner Kühlsysteme zugeordnet [OTT 2002]. Eine Synchronisation zwischen OEM (Original Equipment Manufacturer) und Zulieferer ist somit gewährleistet. Der langfristige Teilebedarf (Bedarfsprognose) wird über den o.g. Lieferabruf aufgezeigt und reicht bis zu 10 Monate in die Zukunft [REI 2005]. Die Informationen, welche für die Materialplanung notwendig sind, werden dabei zum größten Teil aus der Tageseinplanung der Kundenaufträge gewonnen. Da die Planung 5 Tage vor Fertigungsbeginn erfolgt, wird ein stabiler Abrufhorizont von mindestens vier Tagen vor dem Montagestart gewährleistet. Dieser Zeitraum eines stabilen Auftragsverlaufs (Abbildung 26) innerhalb des KOVP bietet BMW und seinen Lieferanten Vorteile bezüglich der Material-, Personal- und Anlagenplanung. Abbildung 26: Flexibilitäts- und Stabilitätsphasen vor und nach KOVP [DAN 2009] Nach Milberg sind Kooperationen und Netzwerke als externe Flexibilitäten eine notwendige Entsprechung der internen Flexibilität und deshalb ein wesentlicher Teil der Strategie der BMW Group für mehr Flexibilität und mehr Agilität. BMW hat früh gelernt, auf 58 Defizite bestehender Ansätze in der Industrie und Forschung Netzwerke zu setzen, um die eigenen Ressourcen nicht nur zu optimieren, sondern auch zu vervielfachen. Kooperationen der BMW Group beziehen sich jedoch stets auf die zu lösenden Aufgaben. Es handelt sich nicht um finanzielle Verflechtungen und nicht um Fusionen. Aber: In jedem kooperativen Netzwerk wird die BMW Group die Kontrolle über alle Faktoren behalten, welche die Werte ihrer Marken beeinflussen [MIL 2002]. 3.2.3 Build-to-Order in der Textilindustrie am Beispiel ZARA Das spanische Modeunternehmen ZARA ist ein Tochterunternehmen des weltweit drittgrößten Bekleidungsherstellers INDITEX. Der Modekonzern verfügt über eine stark integrierte Wertschöpfungskette, bei der lediglich arbeitsintensive Arbeitsschritte ausgelagert sind [RIC 2001]. Dies ermöglicht es dem Unternehmen, flexibel auf die modischen Bedürfnisse seiner Kundschaft zu reagieren. Sobald die Trend- und Modescouts von ZARA einen vielversprechenden Modetrend aufspüren, wird dies in der Wertschöpfungskette ZARAs blitzschnell umgesetzt und binnen zwei bis drei Wochen steht eine neue Modekollektion in den ZARA Stores [WEI 2005]. Der durchschnittliche Zeitaufwand bei den Mitbewerbern von ZARA liegt zum Vergleich bei ca. neun Monaten [CAS 2001]. Dies ermöglicht ZARA, sein Produktportfolio stets auf dem neuesten Stand zu halten und aufgrund des Direktvertriebs seine Produkte – im Vergleich zu seinen Mitbewerbern – zu niedrigeren Preisen anzubieten. Da ZARA alle wichtigen Unternehmensteile (Einkauf, Färberei, Textilzuschnitt usw.) unter einem Dach vereint, verfügt das Unternehmen über eine vertikal integrierte Wertschöpfungskette [RIC 2001]. Betrachtet man diese im Detail, so beginnt die Entwicklung eines Produktes bereits in den ZARA-Verkaufsräumen (siehe Abbildung 27) [BOV 2002]. Die ZARA-Stores sind digital mit der spanischen Zentrale in La Coruna verbunden und übermitteln den Designern und Scouts dort täglich alle aktuellen Trends und Nachfragewünsche der Kunden. 59 Defizite bestehender Ansätze in der Industrie und Forschung 3. Textilien werden von global agierenden Lieferanten bezogen 1. ZARA-Läden sind digital mit dem Hauptquartier verbunden; Mitarbeiter sammeln und verteilen täglich den Input der Kunden Partner 3 ZARA 1 Informationsfluss Kunden 4. ZARAs Mutter überwacht kapitalintensive Produktionsaktivitäten 5. Lokale Workshops verbessern die Endproduktion 4 Jung, Hip, Städtische Fachleute Produktfluss 2 6 5 2. ZARA-Designer entwerfen neue Styles basierend auf dem Kundeninput und angesagten Trends 6. Ein Verteilzentrum bringt zweimal pro Woche die Produkte in die Läden Abbildung 27: ZARAs Wertschöpfungskette, eigene Darstellung in Anlehnung an [BOV 2002] Werden bestimmte modische Stile besonders nachgefragt oder äußern Kunden Kritik an bestimmten Textilstücken, werden diese Informationen direkt an die Zentrale weitergegeben. Darüber hinaus sind die Modescouts von ZARA unter anderem bei den berühmten „Fashion Weeks“ in New York, Paris oder Mailand immer auf der Suche nach neuen Trends und Designs (Abbildung 27 Punkt 2). Obwohl sich ZARA grundsätzlich gegen die Anschuldigungen wehrt, die aktuelle Laufstegmode der traditionellen Designermarken, wie z.B. Prada oder Gucci, einfach nachzuahmen, ist es nicht ausgeschlossen, dass man in den ZARA-Filialen ein quasi identisches Kleidungsstück für einen Bruchteil des Preises dieser Modeunternehmen findet [WEI 2005]. Bedingt durch knapp kalkulierte Bestellungen der ZARA-Filialen und einer internen Richtlinie, dass Kleidungsstücke nicht länger als vier Wochen in den Geschäftsräumen verweilen dürfen, gelingt es dem spanischen Unternehmen, die Menge an liegen gebliebener Ware im Vergleich zu seinen Mitbewerbern wesentlich kleiner zu halten [FER 2004]. Tritt der Fall ein, dass ein Artikel oder eine Linie ausverkauft ist, werden diese unmittelbar durch neue Produkte ersetzt. Aus diesem Grund stehen ZARA-Kunden niemals vor leeren Regalen, sondern können stattdessen aus neuer Ware ihr Produkt auswählen. Dies erspart ZARA darüber hinaus auch die Opportunitätskosten, welche durch ausverkaufte Ware entstehen würden. Die kurze Verfügbarkeit von ZARA-Produkten hat auch zur Folge, dass Kunden die ZARA-Geschäfte im Verhältnis öfters besuchen, als dies bei an60 Defizite bestehender Ansätze in der Industrie und Forschung deren Textilherstellern der Fall ist; so werden z.B. die ZARA-Stores in London über das Jahr gesehen viermal so oft besucht wie andere Läden [FER 2004]. Um aber all diese Einflüsse und Ideen umzusetzen und auf alle Trends und Anregungen reagieren zu können, hat ZARA eine Wertschöpfungskette etabliert, welche sich durch sehr kurze Reaktionszeiten auszeichnet. Dies wird durch eine hybride Supply ChainStrategie erreicht [CHR 2000]: Das spanische Unternehmen erkannte, dass sich die Nachfrage nach Textilien in eine stabile und in eine variierende Komponente unterteilen lässt. Demzufolge werden Kleidungsstücke, deren Nachfrage über die Zeit hin konstant ist, von externen Zulieferern verkaufsfertig angekauft (dies macht ca. 40% aller ZARA Produkte aus) [CHR 2000]. Andere Modestücke, deren Nachfrage von verschiedenen Trends und modischen Einflüssen beeinflusst wird und deshalb nur schlecht vorhersehbar ist, werden von ZARA in kurzer Zeit selbst gefertigt. Dazu werden die Rohstoffe zunächst aus verschiedenen Ländern der Welt durch die Einkaufsabteilungen in Großbritannien, China und den Niederlanden beschafft (Abbildung 27 Punkt 3). Einzigartig für die Massenbekleidungsindustrie ist der Sachverhalt, dass alle kapitalintensiven Arbeiten, wie z.B. das Zuschneiden oder das Einfärben der Stoffe, im spanischen Hauptquartier erfolgen (Abbildung 27 Punkt 4). Alle arbeitsintensiven Arbeitsschritte (z.B. arbeitsaufwendige Näharbeiten) werden dagegen auf ein Netzwerk von ca. 300 Subunternehmen verteilt, welche sich wiederum individuell auf die jeweiligen Arbeitsschritte spezialisiert haben (Abbildung 27 Punkt 5). Eine andere Möglichkeit, zeitsparend auf eine variierende Nachfrage zu reagieren, ist die Strategie, Material als „unfertige Erzeugnisse“ bereitzuhalten und bei Bedarf den letzten Arbeitsschritt zu vollziehen. Das heißt, ZARA hält bestimmte Kleidungsstücke unbearbeitet auf Lager und vollendet diese erst dann, wenn sie nachgefragt werden. So können z.B. weiße T-Shirts oder Hemden ungefärbt und nicht bedruckt auf Lager gehalten werden und erst bei Bedarf mit der gewünschten Farbe eingefärbt bzw. mit einem bestimmten Motiv bedruckt werden. ZARA bindet sich also erst dann an die konkrete Ausgestaltung eines Produktes, wenn ein klares Bild über die Marktnachfrage vorhanden ist [HEI 2005]. Durch fixe Bestellzeiten (an zwei Tagen der Woche) können alle ZARA-Stores weltweit fest und langfristig planen. Der ganze Bestellprozess läuft demnach nach einem festen Schema ab und gibt damit allen Beteiligten in der Wertschöpfungskette eine feste Ordnung vor [FER 2004]. 61 Defizite bestehender Ansätze in der Industrie und Forschung Durch die Verfolgung dieser speziellen Supply Chain-Strategie kann ZARA binnen zwei Wochen eine neue Kollektion in die Läden bringen und in kürzester Zeit auf Trends und Nachfrageveränderungen reagieren [WEI 2005]. Die Durchlaufzeiten können auf diese Weise erheblich reduziert werden, so dass ein Vorteil von mindestens 45 Tagen gegenüber der klassischen Arbeitsteilung entsteht. Abbildung 28: ZARAs Wertschöpfungsprozess im Vergleich zum klassischen WSP [KPM 2003] Um eine derart hohe Flexibilität in der Wertschöpfungskette zu erreichen, muss der Informationsfluss ständig aufrechterhalten werden. Der ständige Informationsfluss hilft aber auch negativen Nebeneffekten, wie dem so genannten Bullwhip-Effekt [FER 2004], entgegenzuwirken. Dank des guten Informationssystems können ZARA-Stores (entgegen dem branchenüblichen Standard, der bei ca. 20% liegt) bis zu 50% ihrer Bestellungen flexibel [FER 2004]. 62 gestalten und abändern, ohne besagten Effekt hervorzurufen Defizite bestehender Ansätze in der Industrie und Forschung 3.3 Defizite bisheriger Systeme und kritische Betrachtung des aktuellen Standes Die beschriebenen Unternehmen Dell, BMW und ZARA sind häufig genannte Repräsentanten für BTO. Jedes der drei Unternehmen hat für sich Teile eines ganzheitlichen BTOSystems bedient. Für einen ganzheitlichen Ansatz haben alle Ansätze ihre Defizite, die in den nachfolgenden Kapiteln erarbeitet werden. 3.3.1 Beurteilung des BTO-Systems bei DELL DELL stellt den Verbrauchern einen Rahmen zur Verfügung, innerhalb dessen das Produkt frei konfiguriert werden kann. Damit kann die Zahl der möglichen Varianten überschaubar gehalten werden, ohne nachteilig für den Kunden zu sein (ca. 2,2x105 Variationen im Vergleich zu 1017 Variationen beim 5er BMW) [HOL 2001b], [REI 2005]. Gerade durch die Reduzierung der Varianten ergeben sich im Produktionsbereich hohe Flexibilitäten als Folge der produktübergreifenden Standardisierung und Modularisierung. Diese Flexibilität gilt vor allem bei kurzfristigen Nachfrageschwankungen, kann jedoch einen langfristigen Nachfrageausfall bzw. Nachfragerückgang nicht kompensieren. Betrachtenswert ist in dem Zusammenhang auch, dass der Auftragsmix von ca. 85% Corporate & institutional und ca. 15% Customer Orders [GRA 2006] diesen Punkt vereinfacht. So sind nur 15% der gesamten Aufträge als reine Endkundenaufträge zu bezeichnen. Bezogen auf die Produktion hat DELL an seinen Produktionsstandorten nur eine Endmontage der Produkte durchgeführt und alle anderen wertschöpfenden Aktivitäten nach außen verlagert, so dass das DELL Build-to-Order-Produktionsnetzwerk nach der Fabrik aufhört und nicht sehr weit in die Kette reicht. Für die Abstimmung zwischen dem Hersteller und den unterschiedlichen Anspruchsgruppen um den reibungsfreien Ablauf der Prozesse zu gewähren, hat DELL mit dem DOMS die Möglichkeiten geschaffen, seine Lieferanten auch virtuell in die Wertschöpfung zu integrieren und mit allen relevanten Informationen zu versorgen. Mit diesem Informationsnetzwerk kann sichergestellt werden, dass alle benötigten Teile und Komponenten zum richtigen Zeitpunkt für die Endmontage bereitstehen. In Nachahmung von DELL Computer und anderen erfolgreichen Unternehmen stellen viele US-Unternehmen ihre Produktion auf ein Build-to-Order-Modell um. Die ultimative schlanke Lösung [LIK 2008], die unglücklicherweise nicht berücksichtigt, dass Kunden fast unberechenbar sind. Die tatsächlichen Bestellungen von Woche zu Woche und von 63 Defizite bestehender Ansätze in der Industrie und Forschung Monat zu Monat schwanken daher deutlich. Wenn ein Produkt auf Basis der eingegangenen Bestellungen hergestellt wird, werden in einer Woche möglicherweise riesige Mengen produziert. Resultierend müssen Überstunden bezahlt und Mitarbeiter und Maschinen über die Gebühr belastet werden. Sind die Ordereingänge in der darauf folgenden Woche gering, stehen die Mitarbeiter herum und die Maschinen sind nicht ausgelastet. Außerdem wird das Unternehmen nicht wissen, wie viel Material es bei seinen Zulieferern bestellen muss. Folglich wird das Unternehmen ein Maximum an Lagerbestand von jedem Produkt vorhalten müssen, das die Kunden möglicherweise bestellen [LIK 2008]. 3.3.2 Beurteilung des BTO-Systems bei BMW Beim „Online Ordering“-System von BMW liegt eine starke Kundenintegration vor, bei der die Bedürfnisse und Wünsche der Kunden direkt in die Produktion einfließen, und am Ende des Produktionsprozesses ist das Produkt genau einem Endkunden zugeordnet. Der Kunde hat dabei die Auswahl, bspw. beim 5er BMW, aus 1017 möglichen Kombinationen [REI 2005]. Dass BMW dem Kunden etwas weniger Kombinationsmöglichkeiten anbietet, als Mercedes-Benz oder andere Premiumhersteller, ist eher zu vernachlässigen, da sich die Variantenvielfalt in einem derart hohen Bereich abspielt, in welchem der Kunde gar nicht mehr in der Lage ist, die Unterschiede wahrzunehmen [HOL 2001a]. Aus Prozesssicht ist BMW bis zur ersten Lieferantenstufe sehr flexibel, da durch die Lieferabrufe BMW seine Lieferanten an der Produktionsplanung teilhaben lässt und ihnen damit die Möglichkeit gibt, sich optimal an BMW auszurichten, um u.a. auf Bedarfsschwankungen zu reagieren. Dies geschieht aber nur bis zur ersten Ebene, eine Ausdehnung auf das Netzwerk würde entschieden mehr Potenzial bieten. Eine weit größere Bedeutung für die Produktflexibilität besitzt die Tatsache, dass der Kunde bei BMW in der Lage ist, bis zu 4 Arbeitstage vor Produktionsbeginn des Fahrzeugs Änderungen an seiner Konfiguration vorzunehmen [REI 2005]. Dieser eingefrorene Zeitraum gibt den Lieferanten die Möglichkeit sich zu optimieren, da weniger bis keine Verwirbelungen im Auftragsmanagement eintreten. Wie flexibel ein Produktionssystem tatsächlich ist, lässt sich am besten im Falle schwankender Nachfrage feststellen. Hier geht BMW den Weg, auf der Produktionsseite mit KOVP einem Zeitraum des stabilen Auftragsverlaufs und der Reihenfolgenstabilität zu 64 Defizite bestehender Ansätze in der Industrie und Forschung bilden (Abbildung 26), um eine Art Puffer in Hinblick auf Nachfrageschwankungen zu besitzen. Das Beispiel BMW zeigt, dass es auch bei Produkten mit einer hohen Komplexität möglich ist, eine kundenindividuelle Massenfertigung mittels BTO erfolgreich in eine bestehende Produktion zu implementieren. Die Integrationstiefe ist jedoch nur auf die erste Lieferantenebene beschränkt und auch dort nur für ausgewählte Lieferanten. Eine Abfrage, welche heutigen BTS-Lieferanten zu einem Build-to-Order fähig sind, sowie die Ausdehnung auf mehrere Lieferantenebenen wird nicht durchgeführt. BMW hat mit den KOVP zwar einen stabilen Horizont geschaffen, dieser Horizont könnte aber noch erweitert werden, um mehr Potenzial für ein BTO-Netzwerk zu schaffen. 3.3.3 Beurteilung des BTO-Systems bei ZARA ZARAs Wertschöpfungskette ist geprägt durch Geschwindigkeit, denn gerade der Zeitfaktor ist bei ZARA ein entscheidender Vorteil im Vergleich zur Konkurrenz. Kein anderes Bekleidungsunternehmen schafft es, so schnell wie ZARA eine komplette Modekollektion in die Läden zu bringen. Dies ist vor allem dem ausgeprägten Informationskreislauf, bei welchem z.B. Umsatzzahlen oder Anregungen und Beschwerden der Kunden zeitnah erfasst und weitergeleitet werden, zu verdanken. Auch ist eine erfolgreiche Integration des Kunden und seiner Bedürfnisse gewährleistet. Ebenfalls auf den Informationskreislauf zurückzuführen ist die Reaktionsgeschwindigkeit auf neue Kundenwünsche oder Trends trotz der Variantenvielfalt von über 11.000 neuen Kleidungstücken pro Jahr. Dass ZARA nur ca. 50% seiner eingekauften Textilwaren ungefärbt erwirbt, zeigt, dass die Produktflexibilität nicht bei allen Kleidungsstücken im Produktportfolio angewandt werden kann bzw. werden muss [FER 2004]. ZARA profitiert von der Auslagerung der arbeitsintensiven Produktionsschritte an externe Subunternehmen und führt den Rest des Produktionsprozesses vor allem im Hauptwerk in La Coruna durch und schafft so eine flexible Supply Chain. Betrachtet man das gesamte System, so handelt es sich dabei um ein BTO-Konzept, welches sich nicht direkt aus den Bedürfnissen der Kunden, sondern vielmehr indirekt, d.h. aus der abgeleiteten Nachfrage der Kunden, ergibt. Die ZARA-Geschäfte und die Trendbzw. Modescouts determinieren dabei diese derivative Nachfrage, d.h. sie bestimmen 65 Defizite bestehender Ansätze in der Industrie und Forschung damit indirekt, welche Art von Mode in die Geschäfte kommt. Bei einem herkömmlichen BTO-System bestimmt dagegen der Kunde selbst, wie sein Produkt im Detail ausgestattet sein soll bzw. welche Leistungsmerkmale die einzelnen Komponenten aufweisen sollen (siehe Auto oder Personal Computer). Bei dem Modekonzern ZARA verschiebt sich also das Pull-System um eine Stufe in der Wertschöpfungskette, d.h. der Produktionsauftrag erfolgt durch die Bestellung der Wünsche der ZARA-Stores und aufgrund der Branchenbeschaffenheit und nicht durch den Kunden selbst. 3.4 Zusammenfassung Build-to-Order oder auch kundenindividuelle Massenfertigung stellt eine Wettbewerbsstrategie dar, die bisherige Fertigungskonzepte, wie z.B. Porters generische Wettbewerbsstrategien, ergänzt. Das Build-to-Order-Konzept auf Produktionsnetzwerke anzuwenden, ist ein Fertigungskonzept der Zukunft. So wie DELL, BMW oder ZARA versuchen unterschiedliche Firmen, ihre Wertschöpfungskette so flexibel und schmal wie möglich zu gestalten. Um dies zu erreichen, wurde bei vielen Unternehmen die Wertschöpfung bis auf die Endmontage weitestgehend an die Lieferanten ausgelagert, d.h. die Auftragsentkopplungsgrenze in einem solchen Build-to-Order-Prozess liegt vor der Endmontage. Keiner der als Pioniere der Build-to-Order Umsetzung betrachteten Unternehmen gestaltet die Build-to-Order Netzwerktiefe abhängig vom tatsächlichen Kundenwunsch bis in sein vorgelagertes Netzwerk. Fokus bei allen Unternehmen ist das eigene Unternehmen und die Anbindung des First Tiers. Was ist aber die beste Build-toOrder Netzwerktiefe und welche Produkte sollten nur noch nach Kundenauftrag produziert werden? Eine Standardisierung bzw. modulare Bauweise der Produkte gewährleistet hohe Stückzahlen bei großer Variantenvielfalt und entspricht damit der Idee der Mass Customization, aber welches Netzwerk und welche Partner können das leisten? BTO kann nur sein volles Potenzial entfalten, wenn die notwendigen Voraussetzungen, wie Prozess-, Produkt- und Produktionsflexibilität, innerhalb der Unternehmen vorhanden sind. Des Weiteren muss von Kundenseite generell eine Nachfrage an individualisierten Produkten vorhanden sein. Wenn dies der Fall ist, kann ein BTO-System seine Stärken voll ausspielen. 66 Klassifizierung von Build-to-Order Produkten 4. Klassifizierung von Build-to-Order Produkten Nach Aussage von Liker haben einige der Unternehmen, mit denen er gearbeitet hat, und die versucht haben das Build-to-Order-Modell umzusetzen, ihre Kunden eigentlich darum gebeten, sechs oder acht Wochen auf ihr Build-to-Order-Produkt zu warten. Er stellt zurecht die Frage, warum die Firmen die Gangart ihres Unternehmens durcheinanderbringen, um heute eine strikte Auftragsfertigung zu fahren, wenn ihr Kunde trotzdem sechs Wochen auf seine Bestellung warten möchte [LIK 2008]. Bevor das Modell die Antwort auf seine Frage gibt, sind in diesem Kapitel Grundvoraussetzungen zu diskutieren. Abbildung 29: Übersicht über Kapitel 4, Klassifizierung von Build-to-Order-Produkten Wie im vorherigen Kapitel erarbeitet, kann ein Build-to-Order-Konzept sein volles Potenzial nur dann entfalten, wenn Produkt, Prozess- und Produktionsflexibilität bei den beteiligten Partner vorhanden sind. Diese Flexibilität setzt eine Produktstruktur (Kapitel 4.2), Prozesse (Kapitel 4.3) und zuletzt ein geeignetes Netzwerk (Kapitel 4.4) voraus. Um ein Netzwerk nach einer vom Kunden noch akzeptierten Wartezeit zu gestalten, startet diese Kapitel mit den Nachfrage- und Marktbedingungen sowie den Kundenwünschen in Kapitel 4.1. 67 Klassifizierung von Build-to-Order Produkten 4.1 Nachfrage- und Marktbedingungen Eine BTO-Strategie kann ohne die Voraussetzungen des Marktes nicht ihr ganzes Leistungsvermögen entfalten. Wie Abdelkafir und Blecker darstellen, ist die Dynamik des Marktes ein wichtiger Faktor, den es hinsichtlich der Wahl der Strategiewechsel zu beachten gilt, denn eine Massenproduktion im herkömmlichen Sinne verlangt eine stabile Nachfrage nach möglichst einheitlichen Produkten [BLE 2006b]. In turbulenten Märkten allerdings, die von der Instabilität und Unvorhersehbarkeit der Nachfrage geprägt sind, versagt das System der Massenproduktion. Je größer die Turbulenz des Marktes ist, desto größer ist das Verlangen der Kunden nach individuellen Gütern und damit auch die Erfolgsaussichten einer BTO-Strategie [CHA 2004], [PIL 2000], [PIN 1993]. Weiterhin muss für den Erfolg der Strategie eine entsprechende Nachfrage nach individualisierten Gütern am Markt vorhanden sein, welche wiederum von zwei Faktoren abhängig ist: • Zugeständnisse, die der Käufer zu machen bereit ist. Darunter sind einerseits die Zahlungsbereitschaft der Käufer und andererseits die Bereitschaft, eine gewisse Wartezeit zu akzeptieren, zu verstehen. • Die Fähigkeit des Unternehmens, die vom Kunden gewünschten Produkte in angemessener Relation zu den Faktoren Kosten und Zeit herzustellen [CHA 2004] Bei Anderson entscheidet ebenfalls eine Kombination aus Marktanforderungen und Fähigkeiten des betreffenden Unternehmens, welche Produkte letztendlich für BTO in Frage kommen [AND 2004]. 4.1.1 Ermittlung von Kundenwünschen Bei der Ermittlung der Kundenwünsche und Bedürfnisse äußern Kunden im Regelfall nur Wünsche innerhalb ihres eigenen Erlebnishorizonts [STE 2005]. Daher unterscheiden Jaberg und Stern die Wünsche als solche, die der Kunde artikuliert und Bedürfnisse, die in der Regel vom Kunden nicht erfahrbar sind (Abbildung 30). 68 Klassifizierung von Build-to-Order Produkten Abbildung 30: Kundenwünsche und Kundenbedürfnisse, eigene Darstellung in Anlehnung an [STE 2005] Für die Ermittlung des vom Kunden noch akzeptierten Liefertermins oder einer Wunschwartezeit gibt es nur die Möglichkeit, den Kunden aktiv in den Prozess miteinzubeziehen. Dieser Prozess kann mit unterschiedlicher Intensität betrieben werden. Nachfolgend sind die sieben wichtigsten Möglichkeiten zur Ermittlung von Kundenwünschen dargestellt: 1. Auswertung schriftlicher Quellen 2. Befragung von Kunden 3. Informelle Treffen mit Kunden 4. Besuch von Kunden (bis hin zu Kundenpraktika) 5. Einladung von Kunden (z.B. Kundenworkshops) 6. Beobachtung von Kunden bei typischen Abläufen 7. Zusammenarbeit mit Kunden Die Punkte sind in der Reihenfolge wachsender Intensität des notwendigen Kundenkontaktes aufgelistet: Während bei der Auswertung von Veröffentlichungen oder Reklamationsstatistiken überhaupt keine Begegnungen mit Kunden zu initiieren sind, setzen zumindest telefonische und persönliche Befragungen kurzzeitige Gespräche voraus [STE 2005]. Wichtig sind beide Ausprägungen, Kundenwünsche sowie Kundenbedürfnisse. Gerade die Kundenbedürfnisse sind zwar schwer zu ermitteln, eine Vernachlässigung kann aber zu einer groben Fehleinschätzung der Marktsituation führen. Bei der Gestaltung von ganzen Build-to-Order-Netzwerken müssen mittelfristige und langfristige Wünsche und Bedürfnisse durch einen offenen Kontakt mit dem Kunden ermittelt werden. 69 Klassifizierung von Build-to-Order Produkten Abbildung 31: Vom Kunden akzeptierte/gewünschte Lieferzeit [ATK 2009] Nach einer Studie von ATKearney aus 2009, an der 150 unterschiedliche Branchen und Firmen in Europa teilgenommen haben, ist festzustellen, dass die ermittelte gewünschte Lieferzeit, die die Firmen den Kunden anbieten und der tatsächliche Kundenwunsch zwar sehr eng beieinander liegen und bis 2013 noch weiter ansteigen wird, aber dennoch auseinander liegen. Durch eine hohe Kapazitätsauslastung im ersten und zweiten Jahr in der Vergangenheit wurden von Kunden auch Teillieferungen im aktuellen Jahr akzeptiert [ATK 2009]. Daraus folgt der Schluss, dass bei geringer Kapazitätsauslastung die Kundenanforderungen ansteigen werden. Eine stärkere Kundenorientierung und Eingehen auf die Kundenbedürfnisse ist eine strategische Entscheidung, die bei hochwertigen Produkten nur im Sinne des Kunden getroffen werden kann. 4.1.2 Strategische Definition des maximalen Kundenwartezeitraums Betrachtet man die Entwicklung der Kundenauftragsarten (Abbildung 32), wird erkennbar, dass sich in fast allen Branchen der prozentuale Anteil der Auftragskonfiguration sowie die reine Auftragsfertigung bis 2013 weiter erhöhen werden. Um dem Kostendruck weiter Stand zu halten, ist eine klare Orientierung an den vom Kunden akzeptierten Lieferzeitpunkt und somit die Erfüllung der Kundenwünsche und -bedürfnisse eine Möglichkeit, die Bestände zu senken. 70 Klassifizierung von Build-to-Order Produkten Abbildung 32: Entwicklung Kundenauftragsarten [ATK 2009] Hier muss sich das Unternehmen entscheiden, welche Wettbewerbsstrategie (siehe Kapitel 2.5) es verfolgen will und was es seinem Kunden als Wettbewerbsvorteil gewähren will. Für eine Erfüllung der Kundenwünsche und Bedürfnisse spricht neben der Bestandssenkung noch die Bereitschaft der Kunden, für individualisierte Produkte mehr zu bezahlen. Es wurden beispielsweise Studien durchgeführt, aus denen hervorgeht, dass Kunden bereit sind, einen 10-15%igen Preisaufschlag gegenüber einem standardisierten Produkt zu bezahlen, wenn das gekaufte Produkt dabei exakt den gewünschten Eigenschaften entspricht [KNO 2002], [PIL 2002b]. Dasselbe gilt für die Kundenwunschwartezeit, die bei individuellen Produkten deutlich höher ist. Um diese Kundenwünsche realisieren zu können, gilt es, die Informationen direkt beim Kunden zu erfassen. Dies kann, wie zu Beginn des Kapitels festgestellt, auf mindestens sieben Arten geschehen. Langfristig betrachtet sinken die Marketingaufwendungen pro Kunde, da der Kunde gezielt und gemäß seiner individuellen Präferenzen kontaktiert wird [AND 2004], [KNO 2002], [PIL 2002a], [PIL 2008]. Aufgrund der Tatsache, dass das verkaufte Produkt den Kundenwünschen entspricht, sinkt zudem als Nebenerscheinung die Rückgabequote. In einem Build-to-Order-Netzwerk kommt es demnach vor der Überarbeitung von Prozessen auf eine strategische Entscheidung und auf gezielte Vorarbeiten zu Kundenwünschen und -bedürfnissen sowie der daraus resultierenden Kundenwunschwartezeit an. 71 Klassifizierung von Build-to-Order Produkten 4.2 Build-to-Order-Produktklassifizierung für variantenreiche Serienfertiger Eine strategische Ausrichtung auf eine, auf einer Kundenwunschwartezeit basierenden, Strategie stellt naturgemäß die Frage nach den Produkten die produziert werden. Piller sieht zwei Punkte, die für eine erfolgreiche Implementierung zu beachten sind [PIL 1998]: 1. Es ist von Bedeutung, ein Produkt anzubieten, welches den individuellen Wünschen und Bedürfnissen der Kunden entspricht. 2. Die Produktkomponenten, welche aus Kundensicht nicht wesentlich zur Individualisierung beitragen, müssen aus Kostengründen weitestgehend standardisiert werden. Nicht alle individuellen Produkte machen es notwendig, die komplette Wertschöpfungskette nach diesem Produkt auszurichten. Es ist daher notwendig, sich die Produkte in verschiedene Bereiche aufzuteilen: der Klassifizierung der Produkte und deren Einteilung nach Geschäftstypen sowie dem Modularisierungsgrad. Abbildung 33 zeigt dies in jeweils aufeinander aufbauenden Kreisen und gliedert die Produktvoraussetzungen in diese drei Bereiche. Abbildung 33: Grobe Build-to-Order-Produktklassifizierung 4.2.1 Klassifizierung von Produkten Im ersten Bereich, dem äußersten Ring, teilt Kotler die Produkte in drei Unterbereiche, kurzlebige Wirtschaftsgüter (Konsumgüter), langlebige Wirtschaftsgüter (Industriegüter) und Dienstleistungen. 72 Klassifizierung von Build-to-Order Produkten Den Unterbereich der Konsumgüter unterscheidet er in: 1. „speciality goods“, Sonderprodukte und Spezialitäten; Artikel mit einzigartigen Merkmalen bzw. Markenidentifikationen, für die eine größere Käufergruppe bereit ist, besondere Bemühungen in Kauf zu nehmen (z. B.: hochwertige Modeartikel, Stereoanlagen, Autos, Fotoausrüstungen, Musikinstrumente …) 2. „shopping goods“, Suchgüter; bewusst ausgewählte Waren, bei denen der Verbraucher erheblichen Aufwand betreibt, um Informationen über Zweckmäßigkeit, Qualität, Preis und Design zu sammeln ( z. B.: Möbel, Markenkleidung, Fernseher, Gebrauchtwagen, …) 3. “convenience goods”, Güter des täglichen Bedarfs, bei welchen der Käufer kaum einen Preisvergleich anstellt, wenig Kaufplanung durchführt, aber häufig einkauft und er weit verbreitete Einkaufsmöglichkeiten zu geringen Preisen hat (z. B.: Zahnpasta, Tageszeitung, Benzin, Tabak, …) 4. „unsought goods“, unbekannte oder unerwünschte Güter; Konsumgüter, von denen die Verbraucher nichts wissen oder die sie von sich aus nicht kaufen würden (z. B.: Lebensversicherungen, Enzyklopädien, …) [KOT 2007] Bei diesen vier Bereichen nimmt die Bereitschaft, auf das Produkt zu warten in der dargestellten Reihenfolge immer weiter ab. Ist die Kundenwunschwartezeit des Kunden auf ein Auto noch im Wochenbereich, sind es bei den Gütern des täglichen Bedarfs im Extremfall nur noch Minuten. Im zweiten Unterbereich unterscheidet Kotler die Industriegüter wie folgt: 1. „Anlagegüter“ werden eingesetzt zur Durchführung und Unterstützung des Produktionsprozesses, dies können Bauten und Anlagen sein (Bauten, Pressen, …) oder Einrichtungen für die Fertigung (Telefone, Gabelstapler, …). 2. „Rohmaterial und Zulieferteile“ sind Industriegüter, die vollständig in das Produkt eingehen, wie Rohstoffe (Weizen, Erz, Öl, …) oder sind Vorprodukte, Baugruppen oder Teile (Metalle, kleine Motoren, Reifen, Glühlampen, …). 3. „Hilfs- und Betriebsstoffe, Kommerzielle Dienstleistungen“ sind Güter, die nicht in das Produkt eingehen und die alle Tätigkeiten im Unternehmen ermöglichen und unterstützen (Besen, Nägel, Papier, Anwälte, Fensterputzen, …) [KOT 2007] 73 Klassifizierung von Build-to-Order Produkten Wie bei den Konsumgütern nimmt auch bei den Industriegütern die Bereitschaft in der dargestellten Reihenfolge ab. Im Unterschied zu den Konsumgütern liegt die Wartebereitschaft der Kunden besonders bei den Anlagengütern schon in der Größenordnung von Monaten. Gerade die Bereiche, in denen der Kunde Wochen oder gar Monate für sein Produkt zu warten bereit ist, bieten die größten Hebel für ein durchgängiges BTONetzwerk. Aus dieser Einordnung ergibt sich, dass der Kunde die verschiedensten Anforderungen an unterschiedliche Güter stellt, die zum einen produziert und zum anderen als Dienstleistung klassifiziert sind. Bei dem Betrachtungsrahmen der kundenindividuellen Produktion fallen Dienstleistungen, der letzte Unterbereich, sowie der Bereich „unsought goods“ heraus. Naturgemäß sind dies Güter, die sich nicht als Build-to-Order-Produkte eignen. Ein weiterer Unterbereich, die „convenience goods“, ist der Massenprodukion vorbehalten. Dies sind typische Güter, die ihr Preispotenzial aus der Masse schöpfen (vgl. Kapitel 2.4.3.3). Demgegenüber sind für BTO geeignete Güter Investitionsgüter sowie „speciality goods“ (Abbildung 34). Hier geht die Kundenintegration von einem Kundenkonfigurator (vgl. DELL) bis hin zur stärksten und damit gleichzeitig auch anspruchsvollsten Form der Kundenintegration, dem „Engineer-to-Order“ bei Anlagenbauern. Die Zusammenarbeit reicht so weit, dass der Hersteller mit in den Prozess der Produktentwicklung integriert wird. Insofern entspricht dies einer klassischen auftragsbezogenen Einzelfertigung [JÄG 2004]. Abbildung 34: BTO-Produktbereiche 74 Klassifizierung von Build-to-Order Produkten 4.2.1.1 Preissegment Hinsichtlich des Preissegments werden die Produkte innerhalb ihrer Produktklassifizierung in ein unteres, mittleres, hohes und ein Premiumpreissegment eingeteilt. Beispielsweise macht es aus ökonomischen Gesichtspunkten keinen Sinn, Scheibenwischblätter nach Kundenauftrag zu fertigen [PAR 2008]. Für Build-to-Order-Produkte kommen naturgemäß nur Produkte aus den oberen Preissegmenten in Frage. Denn nur hier ist ein Aufwand zur Gestaltung von BTO-Netzwerken auch sinnvoll. 4.2.1.2 Produktlebenszyklus Auch die Frage, in welchem Stadium des Produktlebenszyklus sich die Produkte gerade befinden, muss beantwortet sein, bevor detailliert über Geschäftstypen nachgedacht wird. Meffert unterscheidet dabei die folgenden Phasen: Einführungsphase, Wachstumsphase, Reifephase, Phase der Marktsättigung, Degenerationsphase. Wobei die Länge der einzelnen Phasen und der gesamte Zyklus unabhängig von Produkt und Branche sind [MEF 2008]. Build-to-Order-Produkte sind in allen Phasen zu finden, wobei die Einführungsphase sowie die Degenerationsphase erfahrungsgemäß mit einem stark reduzierten Variantenspektrum arbeiten. Wird ein Netzwerk und dessen Gestaltung betrachtet, so sind gerade die ersten Phasen entscheidend, da hier noch der größte Handlungsspielraum existiert. 4.2.2 Geschäftsarten Wie in Kapitel 2.4.2 dargestellt, differenzieren Faßnacht und Frühwald nach Geschäftsarten, indem sie die Wertschöpfungstopologie und den Zeitpunkt der Produktdefinition als Kriterien heranziehen. Für die Klassifizierung von Build-to-Order-Produkten ist der Auslieferzeitpunkt für das Produkt entscheidend. Schließt man die Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der Funktionsfähigkeit einer Anlage sowie das auftragsspezifische Liefern und Koordinieren einer Baustelle beim Kunden aus, sind für eine Build-toOrder-Produktion das Produktgeschäft, mit einer kundenindividuellen Produktgestaltung unmittelbar vor Auslieferung, und das Systemgeschäft geeignet (Abbildung 35). Hier wird die Erstellung der Kernkomponenten und Zusammenführung im Unternehmen ausgeführt. 75 Klassifizierung von Build-to-Order Produkten Abbildung 35: Einteilung von Build-to-Order fähigen Produkten innerhalb von Geschäftsarten, erweiterte Darstellung zu [FAß 2001], [WIE 2010] 4.2.3 Modularisierungsgrad Neben der Wartezeit, der Klassifizierung des Produkts und den Geschäftsarten ist der modulare Aufbau der letzte Bereich zur Klassifizierung eines Build-to-Order-Produkts. Weiter ist zu überprüfen, wie stark die Modularisierung bezogen auf das Endprodukt ist. So erfordert die Herstellung variantenreicher Artikel modulare Komponenten, die je nach Kundenwunsch kombiniert werden können [MÜH 2004]. DELL praktiziert diese Vorgehensweise, indem die Individualität des Endprodukts aus den unterschiedlichen Kombinationen von Standardmodulen resultiert (vgl. Kapitel 3.2.1). Um die wichtigsten Prämissen einer Individualisierung bei größtmöglicher Standardisierung von BTO zu erfüllen, unterscheiden Stotko und Piller vier Unterformen, die generische Modularisierung, die quantitative Modularisierung, die individuelle Modularisierung und die freie Modularisierung (vgl. Kapitel 2.4.2.1). Freie Modularisierung und individuelle Modularisierung haben eine starke Integration des Kunden als Hintergrund. Der Kunde ist hier direkt an der Modularisierung beteiligt und entwickelt das Produkt mit dem Hersteller weiter oder neu. Dies widerspricht dem Gedanken der kundenindividuellen Build-toOrder-Fertigung. Wohingegen die generische sowie die quantitative Modularisierung dem Kunden die Freiheitsgrade der Individualisierung lassen, ohne die „Economy of Scale“ zu verletzen. Letzteres ist die Grundlage für variantenreiche Serienfertigung die im Produktgeschäft als auch im Systemgeschäft anzutreffen sind. 76 Klassifizierung von Build-to-Order Produkten 4.2.4 Zusammenfassung Die Integrationstiefe des Kunden besitzt einen wesentlichen Einfluss auf den Individualisierungsgrad und die Einordnung des Endprodukts. Ein weiteres Kriterium ist der Zeitpunkt der Integration des Kunden in Wertschöpfungsstufen und die Modularisierung. Abbildung 36 zeigt die für Build-to-Order notwendigen Einschränkungen für Produkte. Abbildung 36: Branchenübergreifende Build-to-Order-Produktklassifizierung So sind Produkte aus dem Bereich der Industriegüter sowie der „Speciality Goods“, die im Weiteren aus dem Bereich des Produktgeschäfts und des Systemgeschäfts kommen, Produkte, die für eine Build-to-Order-Produktion in Frage kommen. Die BTO-Produktklassifikation ist losgelöst von Branchen, dies bedeutet, dass sowohl bei Herstellern von Automobilen als auch bei Herstellern von langlebigen Konsumgütern und ihren Lieferanten die kundenindividuelle Build-to-Order-Produktion möglich ist. 4.3 Produktions- und Prozessvoraussetzungen Wenn ein Unternehmen die Strategie einer starken Kundenorientierung als Wettbewerbsstrategie der Differenzierung verfolgt und die Produkte eine Build-to-Order-Produktion ermöglichen, muss als nächstes ein Augenmerk darauf gerichtet sein, wie über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg die beteiligten Unternehmen den Wünschen der Kunden am besten gerecht werden können. Die Unternehmen müssen weitaus mehr leisten, als über ihre Strategie und ihre Produkte nachzudenken. Die Fragen nach den Voraussetzungen an die Standorte sowie an die Supply-Chain übergreifende 77 Klassifizierung von Build-to-Order Produkten Build-to-Order-Produktions- und Prozessflexibilität müssen beantwortet werden und sind die Inhalte des Kapitels 4.3.1. 4.3.1 Prozessflexibilität Die Prozessflexibilität spiegelt sich zum Beispiel darin wider, wie schnell Entscheidungen im Unternehmen umgesetzt werden können, ob kurzfristige Änderungen in operativen Abläufen möglich sind oder inwieweit bereits angenommene Aufträge nachträglich bearbeitet werden können [HOL 2004]. Da im Rahmen der Prozessflexibilität alle Komponenten der Wertschöpfungskette betroffen sind, wird vor allem hier eine engere Zusammenarbeit zwischen Hersteller und Lieferantennetzwerk sowie Vertriebsnetz benötigt [KAT 2005]. Für die Unternehmen bedeutet dies, Lieferanten innerhalb der Wertschöpfungskette in den Produktionsprozess mit einzubeziehen, um Lieferengpässe zu vermeiden und schnell auf sich verändernde Rahmenbedingungen reagieren zu können. 4.3.1.1 Kapazitätsflexibilität Grundvoraussetzung für die Produktion, um auf die Nachfrageschwankungen am Markt zu reagieren, ist eine Kapazitätsflexibilität. Diese wird dabei in einen internen und einen externen Bereich unterteilt. Unter interner Flexibilität sind Maßnahmen zu verstehen, welche die Flexibilität der Produktion direkt am Standort erhöhen. Hierzu gehören beispielsweise arbeitsorganisatorische Maßnahmen, wie die Einführung flexibler teilautonomer Gruppenarbeit, aber auch die Einführung unternehmensübergreifender ITSysteme durch die Nutzung des Internets, hinsichtlich einer Verbesserung der PPS wie z.B. XML-basierte Web-EDI-Systeme [AUR 2003a], [MIC 2004], [EST 2006]. Auch die Layout Planung von Fertigungsstätten kann die Kapazitätsflexibilität positiv beeinflussen, wie die „atmende Struktur“ des Standorts der BMW AG in Leipzig (Deutschland) oder in Spartanburg (USA) zeigt. Die dortige Gebäudestruktur mit fingerartigen Anbauten erlaubt es, Zulieferteile auf kürzestem Wege direkt an die Fertigungsbänder zu transportieren. Neben der Direktbelieferung ist auch die Integration zusätzlicher Montageinhalte durch das Verlängern einzelner Finger problemlos bis hin zu einer Verdopplung der Montage- und Logistikflächen bei vergleichsweise niedrigen Investitionen realisierbar [BAU 2008]. Unter externer Kapazitätsflexibilität sind Maßnahmen, wie z.B. Outsourcing zu verstehen. Gerade in der Automobilbranche, aber auch 84 andere Branchen gaben in einer Studie an, in den vergangenen 10 Jahren einen neuen Standort aufgebaut zu 78 Klassifizierung von Build-to-Order Produkten haben bei 16 davon handelt es sich um die Erweiterung eines bestehenden Standorts [HOR 2007]. Gerade die externe Flexibilität, hier am Beispiel der Automobilbranche, trägt dazu bei, dass sich BTO-Netzwerke immer stärker ausdehnen. Wird die interne Flexibilität näher betrachtet, muss, bezogen auf den Planungsprozess, auf Zeitintervalle eine minimale und maximale Kapazität definiert sein (Abbildung 37). Kapazität Max. Kapazität Kapazitätsflexibilität Min. Kapazität Vorhandene Aufträge Zeit Abbildung 37: Kapazitätsflexibilität Ergänzend zu einer solchen variablen Kapazität sind Flexibilitätskorridore zu definieren (vgl. Abbildung 38), die sich auf Änderungen von definierten Planungsgrenzen beziehen. Anpassungen sind für den nächsten Monat einfacher durchzuführen als für die nächste Woche. Kapazität Max. Kapazität Kapazitätsflexibilität Min. Kapazität Zeit Abbildung 38: Kapazitätsflexibilitätstunnel, eigene Darstellung in Anlehnung an [FIS 2008] Diese Flexibilitätsbereiche sind natürlicherweise je nach Arbeitsplan und Variante für die Herstellung oder Bearbeitung unterschiedlich. Weiter ist die teilweise nach jeder Varian79 Klassifizierung von Build-to-Order Produkten te notwendige Rüstzeit sowie die Vorbereitung in die Kapazitätsauslastung mit einzuplanen. Abhängig von der jeweiligen Fertigungsart (Einzel-, Werkstatt-, Serien- oder Fließfertigung), der Parallelisierung bzw. Verkettung einzelner Ressourcen sowie der Existenz redundanter Anlagen, können Bedarfsschwankungen abhängig von Auswirkung auf den Auslastungsgrad der im Arbeitsplan angesprochenen Ressourcen der Produktion und Logistik erfolgen. Der Faktor Arbeit spielt dabei eine wichtige Rolle [HOL 2004]. 4.3.1.2 Flexible Arbeitszeitmodelle Bei der Auseinandersetzung mit der internen Flexibilität kommt man zwangsläufig zu flexiblen Arbeitszeitmodellen. Als Beispiel kann das Arbeitszeitmodell der BMW AG am Standort Leipzig dienen, dort ist die Wochenarbeitszeit innerhalb eines festgesetzten Rahmens variabel und der Ausgleich erfolgt über Arbeitszeitkonten [EST 2006]. Starre Arbeitszeiten sind heute mitunter einer der Hauptgründe für Kapazitätsprobleme. Nur wenn es möglich ist, die Arbeitszeit an die jeweilige Nachfragesituation anzupassen, können Bedarfsschwankungen aufgefangen werden. Aufgrund der notwendigen flexiblen Anpassung an die aktuelle Nachfrage ist die Einführung solcher Modelle und damit die Entkopplung von Maschinen- und Arbeitszeiten unabdingbar. 4.3.1.3 Arbeitsplatz- und Organisationsvoraussetzungen Ein flexibles Arbeitszeitmodell wird seinen Nutzen in einem Build-to-Order-Netzwerk nur dann ausspielen können, wenn es dem Management gelingt, eine zum Strategieansatz passende Atmosphäre innerhalb des Unternehmens zu schaffen. Zunächst einmal muss dazu das Unternehmen selbst über einen organisatorischer Aufbau verfügen, der den Fluss und den unternehmensweiten Austausch von Wissen ermöglicht und vorantreibt. Chandra und Grabis sprechen hierbei von Zusammenführung des Wissensmanagements mit der im Unternehmen herrschenden Einstellung, Kultur und Ressourcen [CHA 2007]. Von den Beschäftigten wird dabei großer Einsatz, Motivation und Prozesswissen verlangt, weswegen sie auch als die wichtigste Ressource in einem Build-to-OrderUnternehmen betrachtet werden [PIN 1993]; [SCH 2002]. Wie bei jedem Jongleur, dessen Jonglier-Fertigkeit auf eine bestimmte Anzahl von Bällen begrenzt ist, kann jeder Mitarbeiter nur eine bestimmte Anzahl unterschiedlicher Aufgaben erfolgreich meistern. Zusätzliche Aufgaben mindern in der Regel die Qualität des 80 Klassifizierung von Build-to-Order Produkten Arbeitsergebnisses. Darüber hinaus entsteht durch die hohe Anzahl an Rüstvorgängen ein umgekehrter Erfahrungskurveneffekt [GRO 2004], wonach der Mitarbeiter bestehende Erfahrungen zur Optimierung der Produktion verliert. 4.3.2 Produktionsflexibilität Die Problematik der Nachfrageschwankungen hat bei der Produktionsflexibilität den höchsten Stellenwert. Bei den Unternehmen kommt es darauf an, wie sie diese Schwankungen durch Anpassung der Produktionsstückzahlen ausgleichen können. Gerade im Falle kurzfristiger Nachfrageschwankungen, die zu einer schnellen Über- oder Unterauslastung führen können, ist es in einem Build-to-Order-System erforderlich, Produktionsprozesse anpassungsfähig zu gestalten. Neben der Arbeitszeit und der Prozessflexibilität ist auch die Variabilität eines Produktionsstandortes ein weiterer Faktor, welcher zur Produktionsflexibilität beiträgt [HOL 2001a]. Abbildung 39: Systematisierung von Fertigungssystemen [GRÄ 2004]; [WEC 1991] 81 Klassifizierung von Build-to-Order Produkten Diese Variabilität spiegelt sich darin wider, dass eine Produktionsstraße in der Lage ist, verschiedene Produkte zu fertigen, um so Schwankungen in der Nachfrage nach bestimmten Produkten aufzufangen. Eine solche flexible Herstellung kann nur durch den Einsatz flexibler Technologien (z.B. generative Verfahren oder Lasertechnologien), Maschinen (z.B. Bearbeitungszentrum) und Anlagen sowie durch Verfahrensintegration gelingen (vgl. Abbildung 39). Das Werkstattprinzip wird bei Bedarf mit der Linienfertigung bzw. -montage kombiniert. Um eine größtmögliche Flexibilität und Reaktionsfähigkeit zu gewährleisten, werden Produktionsstätten miteinander vernetzt [GRÄ 2004]. 4.3.2.1 Produktionsversorgung Die zunehmende Individualisierung führt zu dynamischen Produktionsstrukturen, in welchen sich die Größe der Fertigungslose weiter reduziert. Dies führt zu einer Zunahme der abzuwickelnden Transportaufträge, wodurch sich der gesamte materialflusstechnische und steuerungstechnische Aufwand erheblich steigert [WIL 2006]. Zu unterscheiden sind dabei die Versorgung von Build-to-Order also kundenindividuellen Bauteilen und Build-to-Stock-Bauteilen. Für die kundenindividuellen Bauteile hat sich im besonderen Maße in der Automobilindustrie die Just-In-Time- (JIT) bzw. Just-In-Sequence (JIS) -Versorgungsstrategie durchgesetzt und stellt damit gleichzeitig den heutigen Stand der Entwicklung dar. Dabei erfolgt, ausgelöst durch eine Kundenanforderung, eine „einsatzsynchrone Bereitstellung“ der jeweiligen artgleichen Teile bei JIT bzw. von kundenindividuellen Komponenten bei JIS an die Produktionsstätte durch den Lieferanten. Angestrebt wird dabei ein Abbau von Pufferbeständen, mit der Erwartung, dass durch die Reduzierung von Puffern mehr Kosten eingespart werden können als Kosten durch häufigeres Umrüsten der Produktionsanlagen entstehen [BEA 2006]. Eine spezielle Ausprägungsform einer JIT ist das Kanban-Prinzip, das bereits in den 50er Jahren beim Automobilhersteller Toyota erstmals eingeführt und das nach der in diesem Prozess benutzten Anforderungskarte benannt wurde [BEA 2006]. 4.4 Netzwerkvoraussetzungen Durch den Wechsel zu einem Build-to-Order-System werden nicht nur interne Prozesse verändert, sondern ebenfalls die Beziehungen zu den Lieferanten innerhalb der Supply Chain vor neue Herausforderungen gestellt. Wenn die Lieferanten nicht in der Lage sind, 82 Klassifizierung von Build-to-Order Produkten die Prozesse ausreichend zu unterstützen, ist ein Build-to-Order-System zum Scheitern verurteilt. 4.4.1 Build-to-Order-Netzwerkklassifizierung Bevor auf die Lieferantenvoraussetzungen und deren Netzwerke eingegangen wird, lassen sich aufgrund ihrer Form einige Netzwerktypen als ungeeignet aussortieren. Wie in Kapitel 2.2.4 definiert, werden Produktionsnetzwerke in fünf Typen eingeteilt. Für die Gestaltung von Build-to-Order-Netzwerken sind Stabilität und die Höhe der Zusammenarbeit neben Ausdehnung und dem Maß der Kundenintegration die wichtigsten Merkmale. Abbildung 40: Klassifizierung von Build-to-Order-Netzwerken So sind temporäre Netzwerke (z.B. Projektnetzwerke), die sich pro Produktanlauf neu zusammenstellen, in hohem Maße durch Abstimmung geprägt und sind bis in die zweite oder dritte Lieferantenebene schwer beherrschbar. Eine Stabilität des Netzwerks sowie eine längerfristige Zusammenarbeit findet sich nur in hierarchisch-stabilen Ketten und Hybridfertigungsnetzwerken (vgl. Abbildung 40). Wobei letztere durch Massenfertigung geprägt sind und als klassische Build-to-Stock-Produzenten gelten. Für die Produktion in einem Build-to-Order-Umfeld eignen sich am besten hierarchisch-stabile Ketten. 4.4.2 Flexibilität im Lieferantennetzwerk Bei der Flexibilität im Lieferantennetzwerk sprechen Abdelkafir und Blecker von einer Supply Chain Readiness als kritischem Erfolgsfaktor [BLE 2006b]. So erfordert ein Buildto-Order-Netzwerk einen größeren und schnelleren Wissenstransfer entlang der Kette. 83 Klassifizierung von Build-to-Order Produkten Dies bedeutet, dass den Lieferanten sowohl Wissen über die zu liefernden Komponenten und deren Verwendung im Endprodukt zugänglich gemacht werden muss als auch das Wissen über die Wünsche und Bestellungen des Endkunden, um eine Optimierung der Lieferanten Supply Chain zu ermöglichen [BAU 2006]. Vertrauen wird zu einem wichtigen Faktor innerhalb der Partnerschaft [CAD 2002]; [PIL 2000]. Nach Reichwald gibt es fünf Formen der Leistungsintegration von Lieferanten (Abbildung 41). Build-to-StockPartner Build-to-OrderPartner Engineer-to-OrderPartner Teilefertiger • „Verlängerte Werkbank“, fertigt einzelne Teile genau nach Vorgabe, leicht austauschbar Wirkung in erster Linie auf Kostenoption; • Bezug von Standardteilen Nutzung von Preisvorteilen. Produktionsspezialist • Kann einzelne Teile besonders effizient fertigen, teilespezifische Prozessintegration, auch Kanban- oder JIT-Fähigkeit. • Komplexitätsreduktion durch Auslagerung von Produktionsstufen (Weitergabe von Individualisierungswünschen der Kunden) entspricht Fertigungsmodul aus Abnehmersicht. • Produktions- und Produkt-Know-how, Einbezug in F&E - Aktivitäten des Abnehmers kundenindividuelle Konstruktion. Entwicklungs • Auslagerung der Entwicklung schafft weitere Komplexitätsreduktion -partner • Prozessinnovationen durch Zulieferer können Kostenoption verbessern. Wertschöpfungspartner Build-to-OrderPartner • Einbezug in produktund unternehmensübergreifende Prozessentwicklung; Entwicklung ganzer Baugruppen und Module, langfristige und sehr enge Kooperationsbeziehung. • Größtes Potenzial zur Komplexitätsreduktion • hohes Prozess- und Produktwissen des Zulieferers ermöglicht Entwicklung und Fertigung individueller Komponenten. • Horizontale Kooperation mehrerer gleichberechtigter Unternehmen gleicher oder verschiedener Wertschöpfungsstufen, die in gegenseitiger Kooperation nach Vorbild eines virtuellen Unternehmens kundenspezifische Leistungen erbringen. Multilaterale Mass Customization • Hohes Flexibilitätspotenzial und viele Möglichkeiten zur Nutzung und Netzwerke zum Aufbau unternehmensspezifischer Kernkompetenzen, starke simultane Unterstützung von Mass-Customization; jedoch auch viele Steuerungsprobleme. Abbildung 41: Stufen der Lieferantenintegration in die kundenspezifische Leistungserstellung, erweiterte Darstellung nach [PIL 2000] Bei einem erfolgreichen Build-to-Order Netzwerk kommt es auf die Lieferantenintegration an und wird nur mit Wertschöpfungspartnern, Multilateralen Mass Customization Netzwerken und Produktionsspezialisten als Lieferanten Erfolg haben. Ist eine solche Beziehung gegeben, profitieren die Unternehmen von reduzierten Materialkosten, verbesserter Qualität und kürzeren Entwicklungszeiten. 84 Klassifizierung von Build-to-Order Produkten 4.4.3 Bestand in der Kette Ergänzend zu der Reduzierung der Materialkosten und der verbesserten Qualität ist die Vermeidung und Reduzierung von Lagerbeständen ein wichtiger Aspekt bei der Gestaltung von Build-to-Order-Netzwerken. Eine Produktion nur nach Kundenaufträgen reduziert Bestände auf Sicherheitsbestände und drückt die Bestandsreichweiten. In der Supply Chain Excellence Studie von ATKearney in 2009 ist ein Trend für 2013 erkennbar, nachdem in nahezu allen Branchen die Bestandsreichweiten für Fertigwaren und Halbfertigprodukte weiter zurückgehen. Entwicklung der Bestandsreichweiten 114,0% (Tage in Bezug zum Netto-Umsatz) -11% 101,0% -11% 89,4% Fertigwaren 59,0% -6% 84,1% -6% 78,9% 54,9% 47,0% Halbfertigprodukte Rohstoffbestand 21,0% 16,7% 47,7% 45,9% 14,3% 8,5% 7,0% 34,0% 29,4% 28,1% 27,9% 26,0% 1993 1998 2003 2008 2013 Abbildung 42: Entwicklung Bestandsreichweiten [ATK 2009] Allerdings lassen sich Bestände nicht komplett vermeiden. Dies gilt sowohl in Bezug auf die fertigen Produkte als auch für Bauteile und Komponenten. Bei Liefernetzwerken, die auf Grundlage der vom Kunden akzeptierten Wunschlieferzeit ausgelegt sind, sind Stellen im Netzwerk, an denen Bestände vorhanden sein müssen und wo sie vermieden werden können, entscheidend. So gliedert sich eine Kette in einen kundenauftragsspezifischen Build-to-Order und einen auftragsneutralen Build-to-Stock-Bereich, die durch eine Auftragsentkopplungsgrenze (BTO/BTS Grenze) geteilt sind (vgl. Abbildung 43). 85 Klassifizierung von Build-to-Order Produkten Abbildung 43: Build-to-Order/Build-to-Stock-Grenze im Netzwerk Um Versorgungssicherheit zu gewährleisten, ist es in einem so eingeteilten Netzwerk durchaus sinnvoll, an einigen Stellen der Supply Chain auf der Inbound-Seite die Bestände höher zu haben als heute. Allerdings sind die Kosten der Lagerhaltung der Komponenten dort geringer als die der fertigen Produkte. Es müssen in diesem Zusammenhang neue Regeln für die Kosten-Risiken-Aufteilung in der Kette zwischen Kunden und Lieferanten definiert werden, da durch ein reines BTO-Produktionssystem vor allem die OEM massive Kostenvorteile hinsichtlich Lagerhaltung der fertigen Produkte erzielen werden. Entscheidend ist, ob hinter den Bauteilen oder Komponenten ein Kundenauftrag stehen kann oder nicht. 4.4.4 Distribution in einem Build-to-Order-Netzwerk Build-to-Order-Produkte stellen besondere Ansprüche an den Transport zwischen dem Produktionsort und dem Endkunden. Ausgehend von der vom Kunden akzeptierten Wartezeit ist hier der Zeitfaktor ausschlaggebend. Auch die Produktbeschaffenheit stellt Anforderungen an die Logistik. So verlangt beispielsweise die Erstellung und Auslieferung eines individuellen Hauses andere logistische Leistungen als die eines kundenindividuellen Schuhs. Unterschieden wird hierbei, ob das herstellende Unternehmen den Transport selbst durchführt oder ob es Logistikdienstleiter mit dieser Aufgabe beauftragt. Eine ständig 86 Klassifizierung von Build-to-Order Produkten wachsende Beachtung hinsichtlich des Distributionskonzeptes kommt in jüngster Zeit so genannten Third und Fourth Party Logistics Providern (4PL-Providern) zu, die nicht nur den Transport, sondern weitere zusätzliche Aufgaben wie beispielsweise Lagerung, Umschlag und andere Serviceleistungen durchführen. Von 4PL-Providern ist dann die Rede, wenn der Dienstleister die gesamte Supply Chain koordiniert und mit anderen Unternehmen verbindet. Er agiert dabei als eine Art Administrator innerhalb dieses Netzwerks [HER 2005]. 4.5 Zusammenfassung der Voraussetzungen Bei kundenauftragsorientierten Build-to-Order-Netzwerken kommen die höchsten Anforderungen dem Daten- und Prozessmanagement aller Parteien zu. Neben der Prozessflexibilität kommt dem Produkt und dessen Ausprägung bei der Betrachtung eine ebenso wichtige Rolle zu. Angefangen von der Wettbewerbssituation, bei der sich ein Unternehmen auf die kundenauftragsorientierte Produktion einstellen muss, sind es vor allem die Produktvoraussetzungen, die erfüllt werden müssen, um für ein BTO-Netzwerk geeignet zu sein. Beispielsweise werden in einem BTO-Produktionssystem Fahrzeuge erst produziert, nachdem ein Kundenauftrag vorliegt. Das bedeutet, dass nicht mehr auf Basis von Prognosen produziert wird und die glättende Wirkung des Prognosesystems entfällt. Das Produktionssystem ist somit den Schwankungen des Marktbedarfs ausgesetzt. Ein BTO-Produktionssystem muss in der Lage sein, sich diesen Schwankungen anzupassen. Flexibilität in der Produktion sowie in der Organisation sind daher die Grundvoraussetzungen für die Realisierung eines erfolgreichen BTO-Produktionssystems. Dies gilt vor allem für hierarchisch-stabile Ketten und Hybridfertigungsnetzwerke, die neben der Stabilität auch ein hohes Maß an Zusammenarbeit, aber auch starke Kundenintegration vereinen. Voraussetzungen, die für Prozesse zur Gestaltung von Build-to-OrderNetzwerken notwendig sind. 87 Modell zur Gestaltung von Build-to-Order Produktionsnetzwerken 5. Modell zur Gestaltung von Build-to-Order Produktionsnetzwerken Ausgehend von den in Kapitel 4 definierten Klassifizierungen von Build-to-OrderProdukten und Anforderungen an Netzwerke gliedert sich das Kapitel 5 in sechs Unterkapitel. Setzt man eine Wertschöpfungskette vom ersten Lieferanten, der Gewinnung der Rohstoffe, bis zur Auslieferung des fertigen Endprodukts eines OEM an den Endkunden voraus, so ist ein durchgängiges BTO nur in sehr wenigen Einzelfällen möglich. Für die Gestaltung von Build-to-Order-Netzwerken sind daher der Wartezeitraum des Endkunden und die Ausrichtung aller möglichen Prozesse auf das Erfüllen dieser Kundenanforderung maßgeblich. Hierzu ist zu Beginn ein Modellrahmen mit Kerngestaltungselemente, die bei einem Build-to-Order-Netzwerk entscheidend sind, zu definieren, die dann zu einem Prozessmodell zusammen zu setzen sind. Aufbauend darauf, sind in Schritt 1 und 2 Kundenwunschwartezeit sowie die logistische Produktstruktur zu ermitteln. Bevor im letzten Schritt die tatsächlich maximal mögliche Ausdehnung des BTONetzwerks definiert wird, ist in Schritt 3 festzustellen, wie die bestehende Netzwerkstruktur ist. Abbildung 44: Vier Schritte zur Gestaltung von BTO-Netzwerken 88 Modell zur Gestaltung von Build-to-Order Produktionsnetzwerken 5.1 Modellrahmen für Build-to-Order-Netzwerke Der Modellrahmen stellt die Basis für das Vorgehen zur Gestaltung von Build-to-OrderNetzwerken dar. Neben den reinen Kerngestaltungselementen sind auch deren Verbindung sowie Abhängigkeiten zueinander zu definieren. Abbildung 45: Modellrahmen für Build-to-Order-Netzwerke Grundsätzlich sind in einem BTO-Netzwerk drei Kerngestaltungselemente zu unter- scheiden: 1. Das BTO-Element – Kundenauftragsspezifische Produktion 2. Das BTS-Element – Kundenauftragsneutrale Produktion 3. Transport – Die beiden zuvor genannten Elemente werden durch Transporte miteinander verknüpft Abbildung 46 stellt eine hierarchisch stabile Kette, aufgebaut aus BTO- und BTS- Elementen, dar. Diese Elemente beziehen sich in erster Linie auf Standorte, sind aber nicht 89 Modell zur Gestaltung von Build-to-Order Produktionsnetzwerken auf diese beschränkt oder durch diese eingegrenzt. In der Praxis können an einem Standort auch beide Elemente (BTO und BTS) zu finden sein. Abbildung 46: Beispieldarstellung eines BTO-Netzwerks Für die Definition der Kernelemente spielt dies eine untergeordnete Rolle. Erst bei der Aufstellung des Prozessmodells wird dieser Aspekt entscheidend. Kunden und Händler generieren die Aufträge und stellen den Beginn des Build-to-Order-Netzwerks und gleichzeitig die Abgrenzung des Gestaltungsrahmens dar. 5.1.1 Kerngestaltungselemente Die Beschreibung der Gestaltungselemente basiert auf den Grundprozessen des SCORModells (Kapitel 2.2) SOURCE-MAKE-DELIVER. Abweichend hiervon ist für die Gestaltung von kundenauftragsspezifischen Netzwerken der Return Prozess zweitrangig und wird deshalb an dieser Stelle nicht betrachtet. Zur genaueren Betrachtung des physischen Materialflusses müssen Source (Wareneingang, Lagerung, Versorgung), Make (Produktion) und Deliver (Warenausgang) prozesstechnisch erfasst werden. Des Weiteren ist die Einhaltung der Kundenwunschwartezeit, also die zeitliche Komponente, zu berücksichtigen. Daher sind neben dem physischen 90 Modell zur Gestaltung von Build-to-Order Produktionsnetzwerken Materialfluss auch die zeitliche Komponente des Informationsfluss, wie z. B. das Auftragsmanagement und der Rückfluss der Informationen zum Auftraggeber, notwendig. Für die Kerngestaltungselemente BTO und BTS sind demnach folgende Einzelelemente, die aus zeitlicher und Materialflusssicht zu betrachten sind, relevant: • Wareneingang BTO- und BTS-Teile • Lagerung BTO- und BTS-Teile • Produktionsversorgung und Betriebsmittel bereit stellen • BTO-Produktion • BTO-Sequenzierung • Warenausgang BTO • Auftragsabwicklungsprozess 5.1.2 Kerngestaltungselement Build-to-Order In einem BTO-Netzwerk kommt dem Prozesselement BTO natürlich die größte Bedeutung zu. Es ist das wichtigste Element und ist nach dem Transport zum Endkunden der erste Baustein in einer Kette von Prozesselementen. Werden die zuvor definierten Einzelelemente in einem Kerngestaltungselement zusammengefasst, ergibt sich für das Prozessmodell, das Build-to-Order-Kerngestaltungselement wie in Abbildung 47 dargestellt. Auftragsabwicklung Informations- und Kommunikationssystem Wareneingang BTS Lagerung BTS Wareneingang BTO Lagerung BTO Produktionsversorgung BTOProduktion BTOSequenzierung Warenausgang BTO Abbildung 47: Prozesselemente des Kerngestaltungselements BTO Jedes dieser Einzelelemente hat Einfluss auf die gesamtheitliche Auslegung des Netzwerks, da sie erfahrungsgemäß die meiste Zeit benötigen und im Auftragsdurchlauf die meisten Kosten verursachen. Jedes der Einzelelemente soll in den nächsten Unterkapiteln beschrieben werden. 91 Modell zur Gestaltung von Build-to-Order Produktionsnetzwerken 5.1.2.1 Wareneingang für BTO- und BTS-Teile Das erste Element des BTO-Kernelements, der Wareneingang, hat zwei Ausprägungen. Es wird unterschieden zwischen einem Wareneingang von kundenspezifischen Bauteilen und kundenunspezifischen Bauteilen. Dieser Unterschied berücksichtigt, dass kundenspezifische Bauteile vom Lieferant in einer Sequenz angeliefert werden und somit erhöhte Sorgfalt benötigen. Neben der Sorgfalt und einem hohen Maß an Qualität haben kundenspezifische BTO-Teile eine aufwendigere Warenannahme. Da meist nur ein geringer Sicherheitsbestand zur Verfügung steht, um einen Bandstillstand auf Grund von Versorgungsproblemen zu vermeiden, ist eine sofortige Rückmeldung an das Produktionssystem notwendig. Dem gegenüber haben kundenunspezifische Bauteile eine höhere Reichweite und die Bestände sind demzufolge höher. Die Unterscheidung zwischen den beiden Ausprägungen ist dahin gehend wichtig, da die benötigte Zeit teilespezifisch stark differiert. 5.1.2.2 Lagerung BTO- und BTS-Teile Nach dem Wareneingang ist das nächste Element des BTO-Kernelements die Lagerung. Auch hier gibt es einen Unterschied zwischen einem kundenspezifischen und einem kundenunspezifischen Bauteil. Kundenunspezifische Bauteile werden nach Varianten getrennt in Lägern bereitgestellt. Demgegenüber sind kundenspezifische Teile sinnvollerweise nahe dem Verbauort zum Teil schon in kundenspezifischen Sequenzen bereitzustellen. Der entscheidende Unterschied ist neben der zeitlichen Komponente vor allem die kapazitive. Kundenspezifische Bauteile müssen im direkten und sofortigen Zugriff sein und sind in der Praxis meist in der Nähe der Verbauorte. Gerade dort sind die Flächen nicht immer ausreichend dimensioniert. 5.1.2.3 Produktionsversorgung Neben der Bereitstellung der Betriebsmittel ist die Versorgung der Montagebänder ebenfalls Inhalt des BTO-Kernelements. Weiter setzt sich das Element aus der Auslagerung aus BTS- und BTO-Lägern und dem innerbetrieblichen Transport zu Montageplätzen zusammen. Hier ist wiederum die zeitliche Komponente die entscheidende. 5.1.2.4 BTO Produktion Die Produktion von BTO-Bauteilen ist der Kernprozess bei einem BTO-Kernelement. Er beinhaltet zur Vereinfachung die gesamte Produktion einschließlich Vormontagen. In 92 Modell zur Gestaltung von Build-to-Order Produktionsnetzwerken dieser Betrachtungsweise ist wieder die zeitliche Komponente entscheidend, also die Fertigungsdurchlaufzeit, die ein Produkt allein für die Produktion benötigt. Beispielsweise ist dies die Zeit, die ein Fahrzeug vom Eingang in die Montage bis zur Endkontrolle benötigt. Eine weitere Detaillierung ist nur dann relevant, wenn es sich bei den Produktionseinheiten um eine Mischung von BTO- und BTS-Produktionen handelt. Bei solchen hybriden Produktionen ist es ratsam, den Standort in zwei Bereiche aufzuteilen. So sind in dem Modell zur Gestaltung von BTO-Netzwerken, die BTO- und die BTS-Komponente parallel und getrennt voneinander zu betrachten. Die Definition, welche der Komponenten auszuwählen ist, basiert auf dem produzierten Produktspektrum (siehe Kapitel 5.4.). Informationstechnisch sind hier Informationen an die Kette zu übermitteln, so dass es weder Stillstände, Produktionsverzögerungen noch Produktionsprobleme gibt. 5.1.2.5 BTO-Sequenzierung Der Baustein der Sequenzierung ist vor allem bei Lieferanten entscheidend, die kundenindividuelle Bauteile an nachfolgende BTO-Elemente liefern. Dies kann bei hohen Varianten eine Just-In-Sequenz (JIS), aber mindestens eine Just-In-Time Lieferung sein. Diese Vorbereitung ist aus zeitlichen Gründen zu berücksichtigen. 5.1.2.6 Warenausgang BTO Der Warenausgang BTO stellt die Schnittstelle zum nächsten Baustein dar. Die Anbindung kann verständlicherweise nur an ein weiteres BTO-Element erfolgen. Neben dem Gefahrenübergang, wenn sich beide Elemente nicht im gleichen Unternehmen befinden, sind hier Informationen an die Kette zu senden, dass die erwarteten Bauteile tatsächlich zum nächsten Element unterwegs sind. Abweichend von den Standard BTO-Elementen kann der letzte Baustein in einer BTOKernelementenkette, wenn nur noch der Endkunde selbst der Abnehmer ist, anders gestaltet sein. In diesem Fall holt der Kunde sein Produkt selbst ab. Dies ist im Falle der Automobilindustrie wie bei der BMW-Welt in München oder bei VW in der Autostadt möglich. Zum anderen werden auch Zwischenhändler direkt beliefert. Hier stellt sich das Element Sequenzierung des letzten BTO-Prozesselements in der Kette, beispielsweise ein Endmontagewerk eines Automobilwerks, mit dem gleichen Stellenwert dar, wie bei einem Lieferanten gegenüber seinem Kunden. 93 Modell zur Gestaltung von Build-to-Order Produktionsnetzwerken 5.1.2.7 Auftragsabwicklung im BTO-Kernelement Parallel zum physischen Materialfluss spielt die Auftragsabwicklung, gerade bei kundenauftragsspezifischer Produktion, eine große Rolle. Für stabile Netzwerke von variantenreichen Serienfertigern wird von einem reinen Build-to-Order-Konzept, das Kundenauftragskonstruktionen wie DTO und ETO ausschließt, ausgegangen (vgl. Kapitel 2.3.3). Bevor auf den Auftragsabwicklungsprozess eingegangen wird, ist eine für die Gestaltung von Build-to-Order-Netzwerken grundlegende Unterscheidung der Aufträge zu machen. Aufträge werden nicht klassisch nach ihrer Priorität, Durchlaufzeit oder des bevorzugten Kunden unterschieden, sondern hinsichtlich der Zeit, die der Kunde bereit ist zu warten. 5.1.2.7.1 Unterscheidung von Aufträgen Für ein Build-to-Order-Netzwerk gibt es drei wesentliche Unterscheidungen (vgl. Abbildung 48): kurzfristige, auf die Kundenwartezeit ausgelegte Aufträge, langfristige Kundenaufträge, die den Kundenwunschwartezeitpunkt überschreiten und Bulk-Aufträge, die eine Sonderform der langfristigen Aufträge sind [MAN 2008]. Aufträge Wunschwartezeitfenster des Kunden Bulk-Aufträge Langfristige Aufträge Kurzfristige Aufträge Minimale Wartezeit Maximale Wartezeit Zeit Abbildung 48: Unterscheidung von Aufträgen in einem Build-to-Order-System Die Unterscheidung basiert auf der minimalen und maximalen Bereitschaft des Kunden auf sein Produkt zu warten. Unterschieden wird zwischen Aufträgen, die sich innerhalb des Wunschwartezeitfensters (vgl. Kapitel 5.3) des Kunden befinden und solchen, bei denen der Kunde bewusst von der Zeit abweicht. 94 Modell zur Gestaltung von Build-to-Order Produktionsnetzwerken • Kurzfristige, auf die Kundenwartezeit ausgelegte Aufträge, sind Aufträge, die ein vom Kunden definiertes Wartezeitfenster einhalten und somit als Gestaltungselement des Netzwerks dienen. • Langfristige Kundenaufträge sind Aufträge, die außerhalb des vom Kunden definierten Wartezeitfensters sind und somit nicht zur Gestaltung des BTO-Netzwerks beitragen. • Bulk-Aufträge unterscheiden sich von langfristigen Aufträgen dadurch, dass sie die selbe Variantenausprägung in hoher Stückzahl haben (z. B. SIXT in der Automobilbranche oder Großaufträge in anderen Branchen). Die kurzfristigen Aufträge geben den Gestaltungsrahmen für Build-to-Order-Netzwerke vor, da sie die höchsten Ansprüche an eine zeitgerechte Produktion der End- und Vorprodukte stellen. Langfristige Aufträge sowie Bulk-Aufträge sind weniger zeitkritisch und können bei Bedarf zur Glättung und Optimierung von Kapazitäten herangezogen werden. Langfristige Aufträge, die ihren Liefertermin um ein Vielfaches später als das Kundenwartezeitfenster haben, benötigen einen frühesten Produktionszeitpunkt, um sicher zu stellen, dass der Kundenauftrag nicht produziert wird, obwohl der Kunde noch Änderungen hat. Beispielsweise könnte der Kunde noch bis einen Monat vor Produktionsbeginn die Fahrzeugfarbe ändern, nach diesem Termin nicht mehr. Dieser Zeitpunkt kann mit dem letztmöglichen Änderungszeitpunkt des Kunden zusammenfallen und es obliegt dem Unternehmen, wie viel Änderungsflexibilität es dem Kunden zugestehen möchte. Hier ist eine Abwägung zwischen der maximalen Glättungsfähigkeit und der zu gewährenden Kundenflexibilität zu treffen. 5.1.2.7.2 Auftragsabwicklungselemente im BTO-Kernelement Neben den Aufträgen an sich kommt der Auftragsabwicklung ein wichtiger Aspekt zu, da hier sehr viel Zeit durch eine zerklüftete IT-Struktur verschwendet wird. Besonders im BTO-Kernelement sind hier die drei folgenden Prozesse zu unterscheiden: • Auftragsbearbeitung • Produktionsvorbereitung • Auftragsreihenfolgeplanung 95 Modell zur Gestaltung von Build-to-Order Produktionsnetzwerken Inhalt im Prozess der Auftragsbearbeitung und Produktionsvorbereitung sind eine Validierung des Auftrags sowie die Prüfung der vorhandenen Ressourcen und Kapazitäten. Sind alle Ressourcen und Kapazitäten vorhanden, wird der Auftrag in verschiedensten Systemen zwischengespeichert. Die Länge der Speicherzeit ist abhängig von der Optimierung des Produktionsprozesses. Somit können Aufträge für eine Stunde, aber auch bis zu einem Tag oder mehr gespeichert sein, um die Produktion innerhalb des BTOKernelements zu optimieren. Je länger dieser Zeitraum ist, je mehr Zeit verliert die Kette für die Produktion der Baugruppen und Teileprodukte. Die so entstehende Auftragssammlung wird durch die Auftragsreihenfolgeplanung in eine optimale Reihenfolge gebracht und erst dann an das nächste BTO-Kernelement übermittelt. Auftragsreihenfolgeplanung Produktionsvorbereitung Auftragsbearbeitung Informations- und Kommunikationssystem zur Auftragsverfolgung Wareneingang BTS Lagerung BTS Wareneingang BTO Lagerung BTO Produktionsversorgung BTOProduktion BTOSequenzierung Warenausgang BTO Abbildung 49: Auftragsabwicklung im Kerngestaltungselement BTO Die so entstehende kaskadierende Weitergabe von Auftragsbündeln ist abhängig von der logistischen Produktstruktur (vgl. Kapitel 5.4). Da für die Gestaltung von Netzwerken zum Teil mehrere Ebenen betrachtet werden müssen, sind kleine Schwankungen zu vernachlässigen. Für die vereinfachte Darstellung wird in den nachfolgenden Prinzipdarstellungen für alle drei Prozesse nur noch der Auftragsabwicklungsprozess als Ganzes dargestellt. 5.1.3 Kerngestaltungselement Build-to-Stock Nach dem BTO-Kerngestaltungselement ist das zweite Gestaltungselement, charakterisiert durch eine kundenneutrale Produktion, das BTS-Element. Wie bei dem BTOElement ist auch hier die Betrachtung des physischen Materialflusses Source (Wareneingang, Lagerung und Versorgung), Make (Produktion) und Deliver (Lagerung und Warenausgang) prozesstechnisch zu betrachten. Die Einhaltung des Kundenwunschwartezeitraums, der noch für die BTO-Komponente entscheidend war, ist hier nicht mehr re96 Modell zur Gestaltung von Build-to-Order Produktionsnetzwerken levant, da nicht der Endkundenauftrag zur Produktionssteuerung herangezogen werden kann. Dies kann unter anderem daran liegen, dass Transportzeiten zu lange sind, aus wirtschaftlichen Gründen große Lose gefahren werden müssen oder nur ein Produkt hergestellt wird. Der nachfolgende BTS-Baustein (Abbildung 50) ist als Kundenentkopplungspunkt in einem Build-to-Order-Netzwerk anzusetzen. Auftragsabwicklung Informations- und Kommunikationssystem Wareneingang BTS Lagerung BTS BTSProduktion Produktionsversorgung BTSLagerung Warenausgang BTS Abbildung 50: Kerngestaltungselement BTS Abweichend kann die Grenze des Kundenentkopplungspunkts auch im BTS-Baustein selbst liegen. Dies ist dann der Fall, wenn bei direkter Nachfolge eines BTO-Elements, in einem BTS-Element auf Lager produziert und danach für die kundenspezifische Produktion sequenziert wird (vgl. Abbildung 51: Hybrides Kerngestaltungselement BTS). Das setzt voraus, dass der Kundenwunschwartezeitraum groß genug ist, damit den Aufträgen noch Zeit für die Sequenzierung bleibt. Auftragsabwicklung Informations- und Kommunikationssystem Wareneingang BTS Lagerung BTS Produktionsversorgung BTSProduktion BTSLagerung Warenausgang BTS BTOSequenzierung Warenausgang BTO Abbildung 51: Hybrides Kerngestaltungselement BTS In einem nach Kundenwunschwartezeit definierten Netzwerk können sich nach einem BTS-Baustein nur noch weitere BTS-Bausteine befinden, da Lagerung und Produktion sowie alle nachgelagerten Prozesse zu viel Zeit konsumieren. 97 Modell zur Gestaltung von Build-to-Order Produktionsnetzwerken 5.1.3.1 Auftragsabwicklung im BTS-Kernelement Der Auftragsabwicklungsprozess in einem BTS-Kernelement ähnelt dem des BTOKernelements und unterteilt sich gleichfalls in drei Prozesse. Kerninhalte im Prozess sind wiederum die Auftragsbearbeitung und Produktionsvorbereitung, sind eine Validierung der Aufträge sowie die Prüfung der vorhandenen Ressourcen und Kapazitäten. Sind alle Ressourcen und Kapazitäten vorhanden, wird der Auftrag in verschiedensten Systemen gespeichert. Im Vergleich zum BTO-Element, wo es auf die Optimierung der Produktionssysteme ankommt, ist beim BTS-Element auf eine wirtschaftliche Losgröße zu achten. Je länger demnach die Sammlung der Aufträge für die Losgröße in diesem Zeitraum ist, je mehr Zeit verliert die Kette für die Produktion der Baugruppen und Teileprodukte. Eine wirtschaftliche Losgröße ist nur außerhalb des Kundenwunschwartezeitraums möglich, eine detaillierte Betrachtung nicht mehr relevant, da zeitlich die Zuordnung zu einem Endkundenauftrag nicht mehr möglich ist. Auftragsreihenfolgeplanung Produktionsvorbereitung Auftragsbearbeitung Informations- und Kommunikationssystem Wareneingang BTS Lagerung BTS Produktionsversorgung BTS Produktion BTS Lagerung Warenausgang BTS BTO Sequenzierung Warenausgang BTO Abbildung 52: Auftragsabwicklung im hybriden Kerngestaltungselement BTS 5.1.4 Kerngestaltungselement Transport Als drittes Kerngestaltungselement verbindet das Transportelement BTS- und BTO- Elemente miteinander. Bei der Betrachtung des Transportelements ist es wichtig, welches Element mit welchem Element verbunden ist. Grundsätzlich kann in einem BTONetzwerk von drei unterschiedlichen Fällen ausgegangen werden. 1. Transport zum Kunden 2. Transport zu einem BTO-Produzenten 3. Transport zu einem BTS-Produzenten 98 Modell zur Gestaltung von Build-to-Order Produktionsnetzwerken Der Transport zum Kunden und der Transport zu einem BTO-Produzenten unterscheidet sich nur geringfügig und begründet sich darin, dass ein Kunde sein Produkt auch selbst beim Produzenten abholen möchte. Eine Unterscheidung macht demnach nur Sinn zwischen BTO- und BTS-Transporten. Informations- und Kommunikationssystem Informations- und Kommunikationssystem BTSTransport BTOTransport Abbildung 53: Kerngestaltungselement Transport Weiter spielt es bei der Betrachtung der Transporte keine Rolle, von welchem Standort aus transportiert wird. Wichtig ist das Transportziel, da dieses Zielelement Anforderungen an den Transport stellt. Somit ergibt eine Konsolidierung von BTS- und BTO-Teilen zu einem BTO-Element, einen BTO-Transport, da BTO-Ladungen den zeitlichen und kapazitiven Rahmen vorgeben. Viele Logistik Service Provider (LDL) übernehmen immer mehr Aufgaben wie Sequenzierung oder Teileproduktion. In diesem Fall ist der klassische LDL ein BTO-Produzent und wird mit dem in Kapitel 5.1.1 definierten Gestaltungselement BTO beschrieben. 5.1.5 Definition der Abhängigkeiten und Schnittstellen Nachdem zuvor die Kerngestaltungselemente BTO-, BTS- und das Transportelement definiert wurden, beschäftigt sich dieses Kapitel mit den Abhängigkeiten der beiden Kernelemente BTO und BTS zueinander. Prinzipiell gibt es drei Verbindungsarten: 1. BTOBTO – Ein kundenindividueller Produzent liefert an einen weiteren kundenindividuellen Produzenten 2. BTSBTO – Ein kundenneutraler Produzent liefert an einen kundenindividuellen Produzenten 3. BTSBTS – Ein kundenneutraler Produzent liefert an einen weiteren kundenneutralen Produzenten Abbildung 54 zeigt vereinfacht, wie diese Elemente im Netzwerk positioniert sind. Zur Gestaltung von BTO-Netzwerken ist vor allem die BTO-BTO sowie die BTS-BTO 99 Modell zur Gestaltung von Build-to-Order Produktionsnetzwerken Beziehung von Bedeutung, da hier der Endkundenauftrag noch genutzt werden kann. Die BTS-BTO stellt im dargestellten den Kundenentkopplungspunkt dar. Von einer weiteren Detaillierung der BTS-BTS Beziehung abgesehen, da diese Modell sich mit Build-to-Order-Netzwerken beschäftigt. Abbildung 54: Abhängigkeiten der Grundelemente 5.1.5.1 Zeitliche Abhängigkeiten und Informationsfluss Abhängig von den zuvor definierten Gestaltungselementen und Beziehungen ergeben sich zeitliche Abhängigkeiten. Bei klassischen BTO-BTO-Beziehungen ergeben sich für die Einplanung der Aufträge unterschiedlich lange Zeitfenster. Diese sind abhängig von der jeweiligen Produkt- und Produktionsart. Abbildung 55: Zeitliche Abhängigkeiten in einem BTO-Element 100 Modell zur Gestaltung von Build-to-Order Produktionsnetzwerken Der zeitliche Ablauf wie in Abbildung 55 dargestellt, hat neben dem reinen Materialfluss auch eine Zeiteinheit für die Auftragsabwicklung. Diese beinhaltet, wie in Kapitel 5.1.2.7 erörtert, die Auftragsbearbeitung, die Produktionsvorbereitung und die Auftragsreihenfolgeplanung. Um ein durchgängiges System auszulegen, sind die Aufträge mit dem Endkundenbezug schnell durch die Kette bis zum letzten BTO-Element zu transferieren. Wie in Abbildung 56 beispielhaft dargestellt, sind die endkundenbezogenen Aufträge in einer Auftragskaskade in das Netzwerk zu verteilen. Dies bedeutet, sobald das Montagewerk seine Aufträge erhalten hat, wird durch sein ERP-System eine Stücklistenauflösung (BOM= Bill of Material) durchgeführt und Abrufe für die 1. Ebene der BTO-Lieferanten erzeugt. In diesem Fall erhält der Lieferant die Spezifizierung der Baugruppen oder Bauteile und ein Lieferfrist-Fenster. Sollen die Baugruppen oder Bauteile sequenziert für den Zusammenbau geliefert werden, wird die Sequenz-Information dem Lieferanten nachgeschickt. Abbildung 56: Auftragskaskade in einem BTO-Netzwerk [MAN 2008] Sobald die 1. Ebene an Lieferanten ihre Abrufe vom Montagewerk erhalten hat, führen sie ihrerseits Stücklistenauflösungen durch. Diese Abrufkaskade geht bis zur BTO-BTSGrenze. Eine lange Wunschlieferzeit erlaubt es, sowohl dem Montagewerk als auch den 101 Modell zur Gestaltung von Build-to-Order Produktionsnetzwerken Lieferanten, ihre Personalkapazitäten abhängig von dieser Wunschwartezeit des Kunden einzusetzen. Die eigene Produktion Tage im Voraus zu regulieren, die täglichen Arbeitsstunden und Produktionsvolumina anzupassen und dann die kundenbezogenen Aufträge weiter in die Kette zu geben. Ein nahtloser Datenfluss über den ganzen Prozess der Auftragskaskade, mit dem Versand von Aufträgen zu den Werken, Stücklistenauflösungen, Abrufen an die Lieferanten der 1. Ebene bis hin zur BTO-BTS-Grenze, muss innerhalb kürzester Zeit geschehen, um den Lieferanten die Zeit zu geben, die sie für ihre eigene Terminplanung und Optimierung benötigen. Je mehr Zeit in der Auftragskaskade verloren geht, desto weniger Zeit bleibt dem Netzwerk für den Materialfluss und zur internen Optimierung der einzelnen Akteure. Lieferanten jenseits der BTO-BTS-Grenze, die nicht in der Lage sind, ihre Baugruppen oder Bauteile innerhalb der Kundenwunschwartezeit zu liefern, werden zum BTS-Lieferanten. In diesem Fall wird ein lieferantengesteuerter6 Bestand zwischen dem Kunden und Lieferanten angewandt, um die Lagerung so schlank wie möglich zu machen und dem Lieferanten Flexibilität in der Optimierung seiner Produktion zu ermöglichen. 5.2 Prozessmodell für Build-to-Order-Netzwerke Aus den einzelnen Elementen der vorherigen Kapitel lässt sich durch Verknüpfung ein Prozessmodell zusammenstellen, das die einzelnen Akteure im Netzwerk und das Netzwerk selbst darstellt (vgl. Abbildung 57). Der erste Baustein, die Verbindung zum Kunden, ist ein Transportelement. Für komplexe Produkte von variantenreichen Serienfertigern ist von BTO-Netzwerken auszugehen. Infolgedessen ist das erste Element ein BTOElement. Gefolgt von einem weiteren Transportelement können nun die ersten BTSLieferanten zusammen mit den BTO-Lieferanten der zweiten Ebene anschließen. Die Anzahl der Elemente ist beliebig und spiegelt die Komplexität der Produktstruktur wider. 6 Wird in der Literatur auch VMI (Vendor Managed Inventory) oder Supplier Managed Inventory (SMI) genannt 102 Modell zur Gestaltung von Build-to-Order Produktionsnetzwerken Auftragsabwicklung Informations- und Kommunikationssysteme Lieferant 3rd BTO Transport Lieferant 2nd BTS Lieferant 2nd BTO Transport Endmontage 1st BTO Lieferant 1st BTS Transport zum Kunden Kundenwunschwartezeit Abbildung 57: Prozessdarstellung eines BTO-Netzwerks Bei Unternehmen mit einer hohen Wertschöpfungstiefe oder langen Lieferzeiten in Bezug auf die Kundenwunschwartezeit kann es auch nur ein BTO Element geben. Klassisches Beispiel sind Werkstattfertiger mit einer hohen Wertschöpfungstiefe. Das Resultat aus dem Prozessmodell von Materialfluss und Informationsfluss ergibt eine zeitliche Abstufung von der Auslieferung an den Kunden bis hin zu einer Grenze, bei welcher der Kundenbezug nicht mehr möglich ist. Diese Struktur gilt für eine einfache BTO-Linie. In einem Netzwerk gibt es davon eine Vielzahl und ist abhängig von der Produktstruktur. Abbildung 58: Zeitliche Abhängigkeit in einem BTO-Netzwerk 5.3 Schritt 1: Ermittlung des Kundenwunschwartezeitraums Die Aufstellung der Kernelement und der Verbindungen zueinander ergeben ein Prozessmodell zur Gestaltung eines Build-to-Order-Netzwerks, das sich nur an dem Kundenwunsch orientiert. Um die richtige Entscheidung zu treffen, ist die Definition dieses Kundenwunschwartezeitraumes der erste Schritt bei der Auslegung,. Wie im vorherigen Kapitel aufgezeigt, definiert die Kundenwunschwartezeit die Anzahl der möglichen BTO103 Modell zur Gestaltung von Build-to-Order Produktionsnetzwerken Kernelemente und damit verbunden die maximale Auslegung des Netzwerks. Die Auslegung eines Build-to-Order-Netzwerkes muss deshalb grundsätzlich mit der Ermittlung des Kundenwunschwartezeitraums beginnen. Wie in Kapitel 4.1.1 untersucht, ist die Ermittlung der Kundenwunschwartezeit nur zusammen mit den Kunden durchführbar. Tendenzen und Prognosen können aus den unterschiedlichsten Quellen stammen. Neben dem Zeitpunkt an sich, muss zudem ein Zeitpunkt definiert werden, bis zu welchem der Kunde nicht zu einem Konkurrenten wechselt (vgl. Kapitel 2.4.1.4). Folglich gibt es zwei zu betrachtende Zeitpunkte, um den Zufriedenheitsgrad der Kunden hoch zu halten und gleichzeitig ein Zeitfenster für die Auslegung von Netzwerken zu bekommen. Die ideale Kundenwunschwartezeit ti markiert die minimale Zeit, die dem Netzwerk zur Verfügung steht. Werden Produkte in kürzerer Zeit dem Kunden zur Verfügung gestellt, wird sich der Zufriedenheitsgrad der Kunden nicht erhöhen, gleichzeitig verliert das Netzwerk wertvolle Zeit für die Produktionsoptimierung. Zufriedenheitsgrad Zufriedenheitszeitraum ZKunde Frühbucherrabatte zur Vergrößerung des Zufriedenheitszeitraums idealer Kundenwunschwartepunkt maximaler Kundenwartezeitpunkt ideale Kundenwunschwartezeit ti tm Zeit maximale Kundenwartezeit Abbildung 59: Kundenzufriedenheitsgrad in Abhängigkeit der Zeit Die zweite Abgrenzung ist der maximale Kundenwartezeit tm und gibt dem Netzwerk die nötige Flexibilität, um auf Schwankungen zu reagieren. Die Grenzen sind abhängig 104 Modell zur Gestaltung von Build-to-Order Produktionsnetzwerken vom Produkt und von der Kundenklientel. Die Zeit anschließend an tm sind Aufträge, die als langfristige Aufträge definiert sind (vgl. Kapitel 5.1.2.7). Jenseits dieser Grenze hat ein Unternehmen zudem die Möglichkeit „Frühbucherrabatte“ einzuräumen, um Kunden, die nicht auf die Kundenwunschwartezeit fixiert sind, längere Lieferzeiten mit gleichem Zufriedenheitsgrad zu eröffnen und somit den Zufriedenheitszeitraum zu vergrößern. Die Intensität, mit der das Unternehmen eine solche Maßnahme nutzt, ist abhängig von organisatorischen Wünschen der Geschäftsleitung und Marketingaspekten, wie z. B. verkaufsfördernden Maßnahmen. ZKunde =t m − Der Zufriedenheitszeitraum ZKunde gibt die ideale bis maximale Bereitschaft des Kunden an, auf sein Produkt zu warten, ohne sich von dem Unternehmen abzuwenden oder seinen Kaufwunsch zurückzuziehen und dient als Flexibilitätskorridor bei der Auslegung von BTO-Netzwerken. 5.4 Schritt 2: Ermittlung der logistischen Produktstruktur Nach der Definition der Zufriedenheitsraums ist für Schritt 2 zur Gestaltung von BTONetzwerken, das Produkt und die Struktur selbst zu betrachten. Wenn die grundlegenden Voraussetzungen aus Kapitel 4.2, wie der Zeitpunkt und die Integrationstiefe des Kunden sowie Produkte aus dem Bereich der Industriegüter oder der „Speciality Goods“, die im Weiteren aus dem Bereich des Produktgeschäfts und des Systemgeschäfts kommen, geschaffen sind, ist nun die logistische Produktstruktur zu untersuchen. 5.4.1 Produktklassifizierung für den Einsatz in BTO-Netzwerken Die Produktklassifizierung kann erfahrungsgemäß aus Stücklisten ermittelt werden. Hier sind die in ein Endprodukt oder eine Baugruppe eingehenden Erzeugnisse (Baugruppen oder Einzelteile) hinterlegt (vgl. Kapitel 2.4.2). Hieraus ergibt sich eine Darstellungsform (Abbildung 60), die Baugruppe von Bauteilen trennt und gleichzeitig die Erzeugnisstufe darstellt. 105 Modell zur Gestaltung von Build-to-Order Produktionsnetzwerken Endprodukt Erzeugnisstuf e1 Erzeugnis 1 Baugruppe 1 Bauteil 1 Erzeugnisstuf e 2 Erzeugnisstuf e 3 Baugruppe 1.1 Bauteil 1.1.1 Baugruppe 2 Baugruppe 1.2 Bauteil 1.1 Bauteil 1.1.2 Bauteil 1.2.1 Bauteil 2.1 Bauteil 2.2 Bauteil 1.2.2 Abbildung 60: Beispiel einer grafischen Darstellungsform einer Erzeugnisstruktur, eigene Darstellung in Anlehnung an [WIE 2008b] Nimmt man nun die Zeit hinzu, das wichtigste Kriterium zum Auslegen von BTONetzwerken, ist ein Betrachtungswinkel in Bezug auf Eigenfertigung und Kaufteile einzunehmen. Diese Einteilung ist entscheidend, da sie die Grenze zur nächsten Tierstufe darstellt. Erzeugnis 1 Endprodukt Erzeugnisstufe1 Erzeugnisstufe 2 Erzeugnisstufe 3 M Bauteil 1 Baugruppe 1.1 Bauteil 1.1.1 K K Bauteil 1.1.2 Baugruppe 1 M Bauteil 1.1 F K M Baugruppe 2 Baugruppe 1.2 Bauteil 1.2.1 K K Bauteil 2.1 Bauteil 1.2.2 F M Bauteil 2.2 K K Abbildung 61: Einteilung der Erzeugnisstruktur in Kaufteile (K), Fertigung (F) und Montage (M) Weiter ist eine Einteilung der Eigenfertigung in Montage und Fertigung vorzunehmen, da auch hier die Zeitkomponenten der Prozesse ausschlaggebend sind. Abbildung 61 zeigt eine solche Einteilung, basierend auf der Erzeugnisstruktur aus Abbildung 60. 106 Modell zur Gestaltung von Build-to-Order Produktionsnetzwerken Kundenwunschwartungszeit Auftragsabwicklung Information und Kommunikation Lieferant 3rd Ebene Transport Lieferant 3rd Ebene Lieferant 2nd Ebene Transport Endmontage 1st Ebene Lieferant 2nd Ebene Endprodukt Erzeugnisstufe1 Erzeugnisstufe 2 Transport zum Kunden Endkunde Erzeugnis 1 M Bauteil 1 M Baugruppe M 1 Baugruppe M 2 Bauteil 1.1 Bauteil 2.1 F F Abbildung 62: Produkt-Prozess-Zuordnung Bezogen auf die Kerngestaltungselemente bilden die Eigenfertigungsteile, wie in Abbildung 62 dargestellt, die Grundlage für den ersten Produktionsbaustein und beinhalten das Endprodukt sowie Bauteile und Baugruppen aus drei Erzeugnisstufen. Eine Einteilung in BTO-BTS ist zu diesem Zeitpunkt nicht möglich, daher wird für die Akteure im Netzwerk eine Darstellung in Ebenen gewählt. 5.4.2 Produktspezifische Zeiteinheiten je Kerngestaltungselement Für die maximale Ausdehnung eines Build-to-Order-Netzwerkes sind in erster Linie die Kaufteile verantwortlich. Die Einteilung in Fertigung und Montage hat darüber hinaus noch den entscheidenden Vorteil, dass erkennbar wird, in welche nächsten Wertschöpfungsschritte das eingekaufte Material eingeht. Die Einteilung in Kaufteile und Fertigung bzw. Montage hat den Hintergrund, dass die Zeiteinheiten der eigenen Erzeugnisse bezogen auf die Kerngestaltungselemente Auftragsabwicklungsprozess, Wareneingang BTO/BTS, Lagerung BTO/BTS, Produktionsversorgung, BTO/BTS-Produktion, BTO/BTSSequenzierung und Warenausgang BTO/BTS (Kapitel 5.1.5.1) ermittelbar sind. 107 Kl A Er ze ug ni ss tu fe 3 uf as ta sif gs i ab zie W ru w ar ng en ickl un ei ng gs pr La an oz g Pr ge od ru für ess uk ng Te tio il T ns eil e e ve Pr o d r so Se uk rgu qu tio ng n e W nz ie Pr ar od en ru uk au ng tio sg Ze ns an G ite spe g es in z ta h ifi ltu eit es ng pr che se o le m en t 2 tu fe Er ze ug ni ss Er ze ug ni ss tu fe 1 Modell zur Gestaltung von Build-to-Order Produktionsnetzwerken Bauteil 1 Baugruppe 1 Baugruppe 1.1 Bauteile 1.1.1 Bauteile 1.1.2 M M K K K 100 110 23 32 200 300 56 70 34 100 23 50 133 220 569 882 Abbildung 63: Zeitermittlung pro Element Diese Zeiteinheiten der ersten Ebene K1 geben Aufschluss darüber, ob BTO im Netzwerk überhaupt möglich ist. Wenn sich aus der Aufnahme der Daten beim ersten Unternehmen ergibt, dass der Auftragsabwicklungsprozess At sowie Produktions- und Logistikzeiten (Pt, Lt) länger sind als der maximale Kundenwartezeit tm, ist eine Ausdehnung der Aufnahme unnötig. > + + Erfahrungsgemäß ist dies bei Unternehmen mit sehr hoher Wertschöpfungstiefe der Fall. Bei den meisten variantenreichen Serienfertigern mit hohem Montageanteil und geringem Fertigungsanteil ist die Gesamtzeit pro Element jedoch um ein Vielfaches geringer als der maximale Kundenwunschwartezeitpunkt. Für die Auslegung ist eine Zeitermittlung für jedes Element in der Kette durchzuführen. 5.4.3 Einteilung der Erzeugnisstruktur nach Wichtigkeit Im Allgemeinen sind alle Produkte wie Erzeugnisse, Baugruppen und Bauteile, die aus dem Bereich der Industriegüter sowie der „Speciality Goods“ und die im Weiteren aus dem Bereich des Produktgeschäft und des Systemgeschäfts kommen, Produkte, die für eine Build-to-Order-Produktion in Frage kommen (vgl. Kapitel 4.2.4). Vornehmlich sind Produkte von variantenreichen Serienfertigern mit einer großen Anzahl von Baugruppen und Bauuntergruppen über mehrere Erzeugnisstufen verteilt. Für die Zeitermittlung für jedes Element in der Kette ist es deshalb notwendig, Schwerpunkte zu bilden, um we108 Modell zur Gestaltung von Build-to-Order Produktionsnetzwerken sentliche Produkte und Teilprodukte von weniger wesentlichen zu trennen. Ausgehend von der Erzeugnisstruktur und der Einteilung in Fertigung, Montage und Kaufteil wird auf die klassische ABC-Analyse zurückgegriffen. Hier werden Mengen und wertmäßiger Anteil in ein Verhältnis gebracht. Diese Analyse dient in erster Linie dazu, die nächsten BTO/BTS-Elemente zu definieren und zur Vorbereitung für Schritt 3. Wie in Abbildung 64 dargestellt, werden nach der Klassifizierung als Kaufteil, der Materialwert und die Bauteil 1 Baugruppe 1 Baugruppe 1.1 Bauteile 1.1.1 Bauteile 1.1.2 Baugruppe 1.2 Bauteile 1.2.1 Bauteile 1.2.2 Bauteil 1.1 ss tu Kl fe as 3 si fiz ie Ve rb run g ra W uc er h tp [J ] ro M T at ei er l[ ia €] lw e Ve rt [€ rt ei /J lu ] ng A BC Va ria Vo nt rg en eh en sr ei he nf ol ge 2 Er ze ug ni ss tu fe Er ze ug ni Er ze ug ni ss tu fe 1 Verteilung ermittelt. M M K K K K K K F 299 180 2000 100 12 14 322 96278 89 16020 1,1 2200 23 2300 400 4800 800 11200 54% 9% 1% 5% 3% 6% A B C B B B 34 3 1 4 10 15 1 3 8 5 6 4 Abbildung 64: Produkteinteilung Abweichend von der klassischen ABC-Analyse sind noch die Varianten zu betrachten. Dies hat den Hintergrund, dass aufgrund hoher Varianten eines Produkts die Potenziale bezüglich einer BTO-Zuordnung am größten sind, denn gerade bei variantenreichen Produkten sind die Bestandskosten hoch. Resultierend aus dieser Betrachtung entsteht eine Vorgehensreihenfolge, die vor allem bei komplexer Erzeugnisstruktur die Baugruppen und Bauteile, die beschafft werden müssen, in einen wertgerechten Ablauf bringt. 5.5 Schritt 3: Feststellung der Akteure im zu betrachtenden Netzwerk Die in Schritt 2 erzeugte Vorgehensreihenfolge der Erzeugnisstruktur hat noch keine Zuordnung zu Lieferanten. Bevor die maximale Ausdehnung des Netzwerks definiert wird, sind basierend auf dieser Struktur Transporte, insbesondere die Entfernungen so109 Modell zur Gestaltung von Build-to-Order Produktionsnetzwerken wie die Produktionsstandorte der beteiligten Akteure zu untersuchen. Die in Kapitel 5.1 definierten Gestaltungselemente und deren Zeit- und Kapazitäts-betrachtungen dienen dabei als Betrachtungsrahmen. 5.5.1.1 Zuordnung von Akteuren zur Erzeugnisstruktur Aus der Vorgehensreihenfolge der Erzeugnisstruktur ist primär eine Zuordnung der Akteure zu den Gestaltungselementen herzustellen. Wie in Abbildung 65 dargestellt, ist dies auf Baugruppen sowie Bauteilebene durchzuführen. Dies kann auch übergreifend über mehrere Erzeugnisstufen erfolgen. Entscheidend ist, dass ausgehend von der Vorgehensreihenfolge, die wichtigsten Produkte zugewiesen sind. Erzeugnis 1 Endprodukt Erzeugnisstufe1 Baugruppe 1 Bauteil 1 Erzeugnisstufe 2 Erzeugnisstufe 3 Baugruppe 1.1 Bauteil 1.1.1 Lieferant 3rd Ebene Transport Lieferant 3rd Ebene Baugruppe 2 Baugruppe 1.2 Bauteil 1.1 Bauteil 1.1.2 Bauteil 1.2.1 Bauteil 2.1 Bauteil 1.2.2 Lieferant 2nd Ebene Transport Lieferant 2nd Ebene Bauteil 2.2 Endmontage 1st Ebene Transport zum Kunden Abbildung 65: Zuordnung Akteure zu Gestaltungselementen Über das Netzwerk hinweg, besonders ab der 2ten-Lieferantenebene kann dies auch bedeuten, dass dieser Schritt kaskadierend bei den einzelnen Akteuren durchgeführt werden muss. Die Arbeit stellt exemplarisch die Struktur für die ersten beiden Lieferantenebenen dar. 110 Bauteil 1 Baugruppe 1 Baugruppe 1.1 Bauteile 1.1.1 Bauteile 1.1.2 Baugruppe 1.2 Bauteile 1.2.1 Bauteile 1.2.2 Bauteil 1.1 M M K K K K K K F zi e Ak run g t Ve eur e rb ra W uc er h tp [J] r o M Te at er il [€ ia lw ] Ve ert [€ rt ei /J lu ] ng A BC Va ria Vo nt rg en eh en sr ei he nf ol ge Kl as sif i ss tu fe 2 Er ze ug ni ss tu fe 1 Er ze ug ni ss tu fe Er ze ug ni 3 Modell zur Gestaltung von Build-to-Order Produktionsnetzwerken A1 A2 A4 A5 A2 299 180 2000 100 12 14 322 96278 89 16020 1,1 2200 23 2300 400 4800 800 11200 54% 9% 1% 5% 3% 6% A B C B B B 34 3 1 4 10 15 1 3 8 5 6 4 A1 Abbildung 66: Zuordnung Akteure zu Erzeugnisstruktur Bevor mit der Feststellung der Logistikstruktur begonnen werden kann, sind die Auftragsweitergabeprozesse zu den Lieferanten zu betrachten. Vordringlich ist hier auf die Weitergabe der Informationen mit Bezug zum Endkunden zu achten. Bekommt ein Lieferant aus Sicht seines Kunden, bezogen auf die von ihm zu produzierenden Teile, in seinen Aufträgen einen Endkundenbezug mit, so ist er definitionsgemäß ein BTOLieferant. Dies gilt beispielsweise für Modullieferanten in der Automobilindustrie. 5.5.1.2 Logistikstrukturen Für die Transporte gilt ebenso wie für das BTO-Element der ersten Ebene die zeitliche Komponente. Entscheidend sind die Logistikstrukturen der Akteure für Kaufteile im Netzwerk. Nach der Vorgehensreihenfolge aus Kapitel 5.4.3 sind die regionalen Bedingungen zu betrachten. Im Fokus stehen nicht die innerbetrieblichen Logistikprozesse, vielmehr ist der Betrachtungsrahmen die Beförderung von Erzeugnissen von einem Gestaltungselement zu einem weiteren. In den Elementen sind die Grenzen zum einen der Warenausgang zum anderen der Wareneingang. An den Erzeugnissen werden zwischen diesen Grenzen keine wertschöpfenden Tätigkeiten durchgeführt. Somit sind nur Trans 111 Modell zur Gestaltung von Build-to-Order Produktionsnetzwerken port-, Umschlag7- und Lagertätigkeiten hinsichtlich der Kundenwunschwartezeit Betrachtungsgegenstand. Lieferant 3rd Ebene Transport Lieferant 3rd Ebene Lieferant 2nd Ebene Transport Lieferant 2nd Ebene Endmontage 1st Ebene Transport zum Kunden Abbildung 67: Einteilung des Gestaltungselements Transport Um eine Einteilung in Transporte BTO oder Transporte BTS (Kapitel 5.1.4) abzuleiten, ist die Lokalisation und die Transporte zu den Akteuren ausschlaggebend. Akteure im näheren Umfeld der ersten Ebene Endmontage sind mit einer kürzeren Transportzeit zu beaufschlagen als Akteure im weit entfernten Ausland. Hierbei spielt das Transportmittel an sich eine zweitrangige Rolle. Aus Kostengesichtspunkten ist das Transportmittel Flugzeug im Vergleich zu einem LKW um ein Vielfaches teurer, aber zeitlich das schnellste. Zieht man hingegen das Ladevolumen heran, ist ein Schiff dem LKW weit überlegen. Für die Auslegung des Netzwerks ist die zeitliche Komponente entscheidend. Somit sind neben dem eigentlichen Umschlag (Be- und Entladen) auch der Wechsel zwischen gleichen Verkehrsmitteln oder von Verkehrsträgern (z. B. von LKW auf Schiff oder Bahn) sowie der Wechsel zwischen Handelsregionen für die Dauer ausschlaggebend (vgl. Abbildung 68). 7 Umschlag: „Gesamtheit der Förder- und Lagervorgänge beim Übergang der Güter auf ein Transportmit- tel, beim Abgang der Güter von einem Transportmittel und wenn Güter das Transportmittel wechseln.“ (DIN 30781-1) 112 Modell zur Gestaltung von Build-to-Order Produktionsnetzwerken Kundenwunschwartezeit Auftragsabwicklung Informations- und und Kommunikationsysteme Lieferant 3rd Ebene Transport Lieferant 3rd Ebene Lieferant 2nd Ebene Transport Endmontage 1st Ebene Lieferant 2nd Ebene Beladen Transport Transportmittelwechsel Umschlag Transport zum Kunden Endkunde Entladen Verkehrsträgerwechsel ZOLL Abbildung 68: Inhalte des Gestaltungselements Transport Akteure, die in einer anderen Handelsregion sind, müssen mit einem Zeitaufschlag durch Zoll rechnen. Für die Logistikbetrachtung Lt sind demnach Beladen Bt, Summe der Transportzeiten Tt, Summe der Transportmittelwechsel TWt, Summe der Umschläge Ut, Summe der Verkehrsträgerwechsel VWt sowie das Entladen Et beim Kunden notwendige Inhalte für das Transportelement. = + + + + Für die Betrachtung ist es unerheblich, wer den Transport verantwortet, eines der produzierenden Unternehmen selbst oder ein Transportdienstleister. Der Unterschied besteht darin, dass ein Dienstleister die Zeiteinheiten als Gesamtes liefert. 113 Modell zur Gestaltung von Build-to-Order Produktionsnetzwerken Bauteil 1 Baugruppe 1 Baugruppe 1.1 Bauteile 1.1.1 Bauteile 1.1.2 M M K K K A1 A2 A4 A5 20 20 100 50 50 300 300 300 200 200 0 0 100 0 0 0 0 0 200 200 0 0 0 300 300 30 30 30 60 60 350 350 530 810 810 Abbildung 69: Zeitliche Betrachtung des Gestaltungselements Transport Abhängig von der Erzeugnisstruktur sind jedem Transportelement Zeiten zuzuordnen. Infolgedessen wird jedem Inhalt des Transports pro Erzeugnis ein Wert zugewiesen (vgl. Bauteil 1 Baugruppe 1 Baugruppe 1.1 Bauteile 1.1.1 Bauteile 1.1.2 M M K K K A1 A2 A4 A5 20 20 100 50 50 300 300 300 200 200 0 0 100 0 0 0 0 0 200 200 0 0 0 300 300 30 30 30 60 60 350 350 530 810 810 Abbildung 69). Geht ein Erzeugnisstrukturelement im gleichen Standort in ein weiteres ein, so benötigen beide Strukturelemente die gleiche Zeiteinheit. Beispielsweise ist die Transportzeit zum Kunden bei allen Erzeugnissen und Erzeugnisstufen hinzuzuaddieren, da diese Zeiteinheit unabhängig von der Produktion und Logistik der nachgelagerten Elemente ist. Dasselbe gilt für Transportkonsolidierungen. Jeder Akteur hat für sich das beste und kostenoptimalste Transportmittel ausgewählt, diese sind in diesem Schritt zu ermitteln bzw. festzuhalten. Jedes Transportelement ist naturgemäß Schwankungen unterworfen. Abhängig von der Risikobereitschaft bei der Auslegung des Netzwerks sind die Maximalzeiten der Transportelemente oder nur die Durchschnittswerte heranzuziehen. 5.5.1.3 Produktionsart im Netzwerk Als der verbindende Prozess zwischen Lieferanten und OEM ist die Logistik für den Transport, die Lagerung und den Umschlag von Waren verantwortlich. Neben dem Logistiksystem muss untersucht werden, ob der Lieferant im gleichen Rhythmus fertigen 114 Modell zur Gestaltung von Build-to-Order Produktionsnetzwerken kann wie der Abnehmer. Die üblichen heterogenen Produktionskalender sowie abweichende Schichtmodelle werden gegenwärtig durch höhere Bevorratungen ausgeglichen. Technologische Randbedingungen wie die Flexibilität der Maschinenausstattung, die Produktionstechnologie selbst oder eine wirtschaftliche Losgröße wie bei Guss- oder Schmiedeteilen, führen dazu, dass der Zulieferer nach anderen Gesichtspunkten fertigen muss als der Abnehmer. Das bedeutet, dass Produktion und Verbrauch entkoppelt sein müssen, was zu Pufferlagern bei Zulieferern oder Abnehmern führt. Batches sind bei nicht Einzelfertigungen auch unter Build-to-Order-Gesichtspunkten durchaus erzielbar. Wenn kleine Batches wirtschaftlich und technisch möglich sind, kann auch ein Batchfertiger ein Build-to-Order-Fertiger sein. Für die Betrachtung sind dazu die Produktion sowie Rüstzeiten von wirtschaftlichen Losgrößen pro Baugruppe oder Bauteilen heranzuziehen. Zeitliche Schwankungen in der Produktion dieser wirtschaftlichen Losgrößen sind, soweit sie nicht durch Produktionsprobleme verursacht werden, durch Mittelwerte der maximalen Schwankung zu betrachten, da bei der Auslegung des Netzwerks geringe Schwankungen unerheblich sind. Dem gegenüber stehen reine Einzelfertiger, die, wie beispielsweise in der Automobilbranche üblich, direkt in der Sequenz produzieren, wie vom Kunden beauftragt. Hier muss darauf geachtet werden, dass der komplette Sequenzbestand sowohl beim Produzent als auch beim Kunden in die Betrachtung mit einbezogen wird. Soweit nicht jedes Bauteil oder jede Baugruppe einzeln transportiert wird, sind die Bauteile in Transportbehältern durchnummeriert. Eine Umorientierung, im vom Kunden vorgegebenen Zeitfenster, ist nur mit hohem Aufwand möglich und daher muss dieser Bestand in die zeitliche Betrachtung miteinbezogen werden. Bei der Untersuchung der Akteure sind Sequenzlieferanten gleich zu setzen mit Build-to-OrderLieferanten. Wie in Abbildung 70 exemplarisch dargestellt, ist bei variantenreichen Serienfertigern dies meist zwischen der Endmontage eines OEM und der ersten Lieferantenebene der Fall. 1-Lieferant 2nd BTS Transport 2-Lieferant 2nd BTS 1-Lieferant 2nd BTO Transport 1-Lieferant 1st BTS Endmontage 1st BTO Transport zum Kunden Abbildung 70: Einteilung des bestehenden Netzwerks in Build-to-Order und Build-to-Stock 115 Modell zur Gestaltung von Build-to-Order Produktionsnetzwerken 5.6 Schritt 4: Definition der Ausdehnungsweite des BTO-Netzwerks Die vorherigen Schritte legen die zu betrachtenden Prozesse, Produkte und Akteure sowie die Zeitverbräuche der einzelnen Schritte fest. Der letzte Schritt legt nun die maximal mögliche Ausdehnung des Netzwerks fest und dazu auch die Definition, ob ein Akteur zeitlich die Möglichkeit besitzt, rein nach Kundenauftrag oder weiterhin auf Lager zu fertigen. Hierzu werden die zuvor definierten Prozesse verwendet und mit der Stückliste und den Netzwerkakteuren in Verbindung gebracht. Als Ergebnis dieser Betrachtung ist jedem Element aus der Erzeugnisstruktur eine zeitliche Komponente pro Gestaltungselement zugewiesen. Exemplarisch für die ersten drei Transport- und Produktionsbausteine zeigt Abbildung 71, wie eine solche Zuordnung aussehen kann. Zu Beginn sind die Erzeugnisse und die zugehörigen Erzeugnisstufen sowie die Akteure, die diese Wertschöpfung ausüben, dargestellt. Die Spalten Transport 1st to customer, Element 1st tier, Transport 2nd to 1st, Element 2nd tier, Transport 3rd to 2nd, Elemente 3rd tier und Transport 3rd-1 to 3rd repräsentieren die Zeitverbräuche der einzelnen Elemente. Jeder Akteur hat im Netzwerk demzufolge seinen eigenen Zeithaushalt, der hier als Summe dargestellt ist. Hinter jedem der Zahlenwerte sind die erarbeiteten Zeitelemente aus Kapitel 5.4 und Kapitel 5.5 hinterlegt. Bauteil 1 Baugruppe 1 Baugruppe 1.1 Bauteile 1.1.1 Bauteile 1.1.2 M M K K K A1 120 120 A2 A4 A5 569 569 - - - - 80 140 500 669 1113 1135 120 200 300 669 669 569 Abbildung 71: Zeiteinteilung für maximale Ausdehnung eines BTO-Netzwerks Diese Struktur kann bis zur Gewinnung von Rohmaterialien weitergeführt werden und hängt von dem Endprodukt und dem Aufbau des Netzwerks ab. Für die gesamte Auslegung des Netzwerks sind die Zeiteinheiten der vorherigen Akteure die Basis für die weitere Betrachtung der nachgelagerten Stufen. 5.6.1 Build-to-Order-Radar Unter der Hinzunahme der Kombination von idealer Kundenwunschwartezeit der maximalen Kundenwartezeit 116 sowie (vgl. Kapitel 5.3) ergibt sich ein Build-to-Order- Modell zur Gestaltung von Build-to-Order Produktionsnetzwerken Ausdehnungsradar (Abbildung 74), das alle ermittelten Größen in Abhängigkeit zueinander bringt. Abbildung 72: BTO-Radar für BTO-Netzwerke Im Zentrum ist der Kunde. Die Zeit, die das Produkt für die Entstehung benötigt, nimmt nach außen hin zu. Die ideale Kundenwunschwartezeit wartezeit sowie die maximale Kunden- sind als Kreis dargestellt und legen definitionsgemäß die Grenzen fest, in- nerhalb derer ein BTO-Netzwerk aus Produktions- und Logistik-Sicht realisierbar ist. Diese Grenzen gelten für alle Akteure im Netzwerk. Jeder Akteur im Netzwerk produziert ein Erzeugnis für das Gesamtprodukt. Abhängig von der Erzeugnisstruktur wird jedes Erzeugnis als eine Linie im Radar dargestellt (Abbildung 73). Stellt ein Akteur mehrere Erzeugnisse für das Endprodukt her, werden ihm mehrere Linien zugeordnet. 117 Modell zur Gestaltung von Build-to-Order Produktionsnetzwerken Abbildung 73: Akteure im BTO-Radar Ergänzt man nun die ermittelten Größen aus den Kerngestaltungselementen ergeben sich für jedes Gestaltungselement Werte zwischen den Flächen. Wird das Radar im Uhrzeigersinn gelesen, ergibt sich die Produktzusammenstellung und die Flächen stellen die Wertschöpfungstiefe dar. So kann ein Akteur im Netzwerk ablesen, in welcher Ebene im Netzwerk er agiert, sowie die Einflussgröße Zeit bei Transporten und bei der Produktion. Ebenfalls können Akteure Baugruppen sowie Bauteile ermitteln, die direkt nach dem Kundenauftrag produziert werden können. Dargestellt ist dieses durch Elemente, die innerhalb des Kreises der idealen Kundenwunschwartezeit liegen. Baugruppen und Bauteile, die zwischen der idealen Kundenwunschwartezeit und der maximalen Kundenwartezeit liegen, sind vom Grundsatz her Buildto-Order-verwendungsfähig. Eine Flexibilität bei der Änderung von Kundenwartezeiten ist hier nicht gegeben, wonach sich bei diesen Akteuren das Risiko erhöht, dass eine Reduzierung der Kundenwunschwartezeit zu einer Umstellung auf Lagerfertigung führt. Baugruppen, die jenseits der maximalen Kundenwartezeit liegen, sind nicht mehr mit dem Endkundenauftrag verbunden und können nicht nach Endkundenauftrag gebaut werden. Aus der Ansicht wird deutlich, an welcher Stelle und inwieweit es möglich ist, durch Optimierung von Produktions- oder Transportelementen noch innerhalb des maximalen BTO-Netzwerks zu kommen und direkt nach Kundenauftrag zu produzieren. Die in Kapitel 5.5 ermittelten BTO-BTS-Einteilungen mit den jetzt möglichen Baugruppen und Bauteilen ergeben eine Veränderung im Netzwerk und beachtliche Potenziale, um variantenreiche Serienfertigung nach Endkundenauftrag in Netzwerken zu realisieren. 118 Modell zur Gestaltung von Build-to-Order Produktionsnetzwerken Abbildung 74: BTO-Radar für die maximale Ausdehnung eines BTO-Netzwerkes 119 Validierung des Modells mit der Industrie 6. Validierung des Modells mit der Industrie Das Modell zur Gestaltung von BTO-Produktionsnetzwerken für variantenreiche Serienfertiger ist auf 4 Schritte ausgelegt. In der industriellen Anwendung sind die Definition der Kerngestaltungselemente sowie das Prozessmodell nicht bei jeder Verwendung neu zu beschreiben. Vielmehr können bei Produktionsnetzwerken von variantenreichen Serienfertigern diese als gegeben angesehen werden. Bei der Validierung wird vielmehr auf die Vollständigkeit der Kernelemente und Inhalte geachtet. 6.1 Voraussetzungen Die Vorgehensweise fand Anwendung bei einem Systemlieferanten, der für das Luftfahrtausrüstungsgeschäft variantenreiche Produkte in hoher Qualität an verschiedenen Standorten produziert. Er wurde vor große Herausforderungen gestellt, als es Bestrebungen des Flugzeugbauers gab, die Anzahl seiner direkten Lieferanten drastisch zu reduzieren. Ergänzend durch die Einführung neuer Flugzeugmodelle, verbunden mit geplanten Umstrukturierungen vom Zuliefernetzwerk, war eine Fokussierung auf den Endkunden gepaart mit einem kundenorientierten Netzwerk die Lösung. Es sollte nicht mehr das Produkt und seine Technologie im Mittelpunkt stehen, sondern eine kundenspezifische Betrachtung aus Produkt, Produktion und Logistik im Netzwerk. Die Gestaltung eines solchen Build-to-Order-Netzwerkes sollte langfristig dazu dienen, die Anforderungen der Kunden an die Materialbereitstellung auch zukünftig zu erfüllen und gleichzeitig die Lieferantenstruktur umzugestalten. 6.2 Definition des Kundenwunschwartezeitraums Der Systemlieferant handelt im Flugzeugbauer-Netz als ein variantenreicher Systemlieferant und ist somit nach dem Endmontagewerk des Flugzeugbauers der erste Zulieferer. Das Flugzeugbauer-Netz beruht auf klaren Verbindungen zwischen den Systemlieferanten, den Modullieferanten und seiner Endmontagelinie, die durch einen abgestimmten Horizont definiert sind. So ist es dem Systemlieferanten möglich, die Produktion des eigenen Systems, parallel zu den anderen Modulen und Systemen im gesamten Netz zu fertigen. Der Flugzeugbauer bietet seinen Kunden zwei grundsätzlich unterschiedliche Kundenvarianten mit unterschiedlichen Kundenwunschwartezeiten (Abbildung 75) an. Da die Produkte des Systemlieferanten keinen Einfluss auf das Branding der Luftlinien, 120 Validierung des Modells mit der Industrie also des Endkunden haben, beeinflussen die direkten Kundenänderungen kurz vor Endmontagebeginn nicht die maximale Ausdehnungsweite des Build-to-OrderSystemlieferanten. Einbauzeitpunkt Endmontagelinie Customer Final Approval Gate C Frozen Horizont Gate A Gate B 20 AT Fertigstellung Flugzeug 40 AT 60 AT 140 AT 200 AT Kundenvariante 1 4-6 Monate Kundenvariante 2 8 Monate Abbildung 75: Zeitleisten für Kundenwartezeiten Gate B und Gate C sowie der „Customer Final Approval“definieren pro Kundenvariante den Zeitpunkt, der für Endkunden zur Verfügung steht, um Änderungen an Produkten vorzunehmen. Der „Customer Final Approval“ ist der letzte Punkt, an dem der Kunde noch Einfluss auf sein Produkt nehmen kann. Infolgedessen wird er auch als der maximale Kundenwartezeitpunkt definiert und gewährt dem Netzwerk eine maximale Ausdehnungsweite von 140 Arbeitstagen (=AT). Bei einer Montagezeit von 60 Tagen ist der Einbau der zu liefernden Module 20 Arbeitstage nach Gate C, dem Start der Endmontage. Somit verbleiben 80 Arbeitstage für den Systemlieferanten und sein Netzwerk. Dieser abgestimmte Horizont, auch"Frozen Horizont" genannt, wird dem Systemlieferanten zur Verfügung gestellt und ermöglicht ihm, die genaue Anzahl von Teilen zu produzieren und rechtzeitig zu liefern. Durch die zuverlässige Terminplanung von Teilen und Produktion wird die gesamte Durchlaufzeit auf jeder Ebene der Versorgungskette abnehmen. 121 Validierung des Modells mit der Industrie 6.3 Ermittlung der logistischen Produktstruktur und Akteure im zu betrachtenden Netzwerk Um etwaige Turbulenzen in der Auftragsabwicklung zwischen dem „Customer Final Approval“ und dem Gate C entgegenzuwirken, wurde der Frozen Horizont auf 40 Arbeitstage verkürzt (Abbildung 76). So wurde im Umkehrschluss auf Kosten einer geringeren möglichen Ausdehnung des Netzwerks ein risikoärmeres Netzwerk erstellt. Einbauzeitpunkt Endmontagelinie Customer Final Approval Gate C Fertigstellung Flugzeug Auftragsschwankungen Gate A 20 AT Gate B 40 AT Frozen Horizont 40 AT 60 AT 140 AT 200 AT Kundenvariante 1 4-6 Monate Kundenvariante 2 8 Monate Abbildung 76: Auftragshorizont Für die Betrachtung, welche der Bauteile und Baugruppen in den verbleibenden 40 Arbeitstagen nach Kundenauftrag produziert werden können, wurde das Produktionsnetzwerk des Systemlieferanten hinsichtlich der Zeit untersucht. Für die Zeitermittlung für jedes Element in der Kette ist es notwendig, die wesentlichen Produkte und Teilprodukte herauszutrennen. Ausgehend vom auszuliefernden System an den Flugzeugbauer wird, wie in Kapitel 5.4 beschrieben, auf eine ABC-Analyse mit Varianten zurückgegriffen. Hier werden Mengen und wertmäßiger Anteil in ein Verhältnis gebracht. Als Ergebnis dieser Analyse sind drei Baugruppen aus Umsatz und Variantenreichtum zu betrachten. Diese drei Baugruppen mit Unterbaugruppen und Bauteilen verteilen sich auf drei Standorte, von welchen die an den Flugzeugbauer auszuliefernde Systembaugruppe schon kundenspezifisch montiert wird ( Abbildung 77), die beiden übrigen Standorte produzieren ihre Baugruppen auf Lager. 122 Validierung des Modells mit der Industrie Abbildung 77: Build-to-Order-Grenze im aktuellen Netzwerk des Systemlieferanten 6.4 Definition der Ausdehnungsweite des BTO-Netzwerks Wie im vorherigen Kapitel dargestellt, ist das betrachtete Netzwerk geprägt durch einen Build-to-Order-Lieferanten, der ein komplettes System kundenspezifisch an den Flugzeugbauer ausliefert und das dahinterliegende Produktionsnetzwerk dem ungeachtet auf Lager produziert. Ausgehend von einer Kundenwartezeit von 1440 Stunden oder 60 Arbeitstagen ergab sich erfahrungsgemäß, dass nur dieser Systemlieferant direkt nach Kundenauftrag fertigt. Alle weiteren Lieferanten sind definitionsgemäß Build-to-StockLieferanten. Bei der Anwendung des Prozessmodells zur Gestaltung von BTOProduktionsnetzwerken ergab sich für die im Fokus stehenden Baugruppen, dass drei weitere Baugruppen- und vier Bauteilelieferanten weit innerhalb des maximalen Kundenwartezeit-Radius des BTO-Radars liegen. Abbildung 78 stellt das zukünftige Netzwerk mit seiner maximalen Ausdehnung vom Flugzeugbauer aus gesehen bis zur dritten Ebene dar. 123 Validierung des Modells mit der Industrie Abbildung 78: Zukünftiges BTO-Netzwerk Der Systemlieferant wird im Nachgang die als B- und C-Teile klassifizierten Baugruppen und Bauteile auf die BTO-Fähigkeit hin überprüfen und sein Netzwerk nach und nach ausdehnen und so mit diesem Konzept eine klare Hierarchie von der Spitze bis in die Versorgungskette aufbauen. Das Netz geht so weg von einem BTO/BTF (Abbildung 79) zu einem reinen BTO-Produktionssystem mit einer reduzierten Durchlaufzeit von ca. 20 %. Abbildung 79: Unterschiede zwischen BTO/BTF zu reinem BTO 124 Zusammenfassung und Ausblick 7. Zusammenfassung und Ausblick 7.1 Zusammenfassung Die zunehmende Globalisierung und immer stärkere Turbulenzen im Auftragsmanagement sorgen branchenübergreifend für eine sich ständig verschärfende Wettbewerbssituation der Unternehmen. Diese sind daher gezwungen, ihre Wettbewerbsstrategie an eine neue Zeit mit sich rasch veränderndem Wettbewerbsumfeld anzupassen. Build-toOrder, also die kundenindividuelle Massenfertigung, stellt dabei eine Art der Wettbewerbsstrategie dar, die nur den Kunden im Mittelpunkt hat. Der wirtschaftliche Erfolg dreier untersuchter Unternehmen DELL, BMW und ZARA zeigen, dass es bei den heutigen Wettbewerbsbedingungen und Kundenbedürfnissen mit Hilfe einer BTO-Strategie möglich ist, einen nachhaltigen Wettbewerbsvorteil zu generieren. Warum aber die Gangart eines Unternehmens durcheinanderbringen, um dem Kunden extrem kurze Durchlaufzeiten anbieten, wenn er bereit ist, z.B. sechs Wochen auf seine Bestellung zu warten? Viele Unternehmen starten deshalb mit der Umsetzung eines Build-to-Order-Modells nur mit ihren direkten Lieferanten, obwohl deren Kunden anbieten, sechs oder acht Wochen auf ihr Build-to-Order-Produkt zu warten und so die Möglichkeit bestünde, das Netzwerk weiter auszudehnen. Ziel einer Gestaltung von Netzwerken bei variantenreichen Serienfertigern muss also sein, die Unternehmensstrategie auf die tatsächliche Kundenwunschwartezeit hin anzupassen. Dies gilt nicht nur für das Endmontagewerk selbst, sondern vornehmlich für das Wertschöpfungsnetzwerk danach. Wenn es ein Unternehmen schafft, seine Wertschöpfungskette flexibel, endkundenbezogen zu gestalten, ist der Weg zu einem erfolgreichen BTO-System geebnet. Wie die genaue Umsetzung bzw. Umstellung des Wertschöpfungsnetzwerk aussieht, kommt auf das jeweilige Unternehmen an. Die hierzu zu diskutierenden Grundgedanken: 1. Ist die Produktstruktur geeignet für Build-to-Order-Produktionsnetzwerke? 2. Welche Netzwerktypen eignen sich für Build-to-Order? 3. Welche unterstützenden Produktions- und Logistikprozesse benötigt ein Build-to-Order-Produktionsnetzwerk? 125 Zusammenfassung und Ausblick werden durch das in dieser Arbeit entwickelte Modell zur Gestaltung von Build-to-Order-Produktionsnetzwerken beantwortet. Bevor das Gestaltungsmodell seine Leistungsfähigkeit entwickeln kann, ermittelt diese Arbeit zum einen eine Klassifizierung von Build-to-Order-tauglichen Produktstrukturen sowie zum anderen eine Klassifizierung geeigneter Typen von Produktionsnetzwerken. Ist die notwendige Grundlage gegeben, liefert darauf aufbauend das Gestaltungsmodell mit seinen vier Schritten ein Vorgehen, nicht nur Potenziale bei der Betrachtung der Verbindung zwischen dem Endmontagewerk und dem direkten Zulieferer zu erzielen. Es ist vielmehr eine, basierend auf dem Kundenwunschwartezeitraum, intelligente Ausdehnung der kundenindividuellen Serienfertigung auf das angrenzende Wertschöpfungsnetzwerk. Alle wichtigen produktionsund transportlogistischen Größen sowie die Produktkomplexität sind in Abhängigkeit eines Wunschwartezeitraums des Endkunden gebracht worden. Das entwickelte Modell stellt nicht nur die Transparenz bis zum maximalen Kundenwartezeitpunkt dar, sondern zeigt zudem die Möglichkeiten auf, auf 2nd-tier und weiteren Ebenen eine kundenindividuelle Produktion zu gestalten. Das entwickelte Build-to-Order-Radar gibt diese Transparenz wieder, ohne die Integrität der Firmen aufzulösen. Es stellt die wichtigsten zu betrachtenden Module, Baugruppen und Bauteile firmenübergreifend dar und zeigt auf einfachste Weise das maximal mögliche Ausdehnungspotenzial des Wertschöpfungsnetzwerks auf. Die Vorgehensweise fand Anwendung bei einem Systemlieferanten, der für das Luftfahrtausrüstungsgeschäft variantenreiche Produkte produziert und hat gezeigt, dass nicht nur ein OEM von dem Gestaltungsmodell profitieren kann, sondern auch Lieferanten. Diese können mit einem solchen Konzept auf ihren Kunden zugehen, um Potenziale zu diskutieren und um gemeinsam das maximale Ausdehnungspotenzial eines Buildto-Order-Ansatzes firmenintern sowie firmenübergreifend verwirklichen. 7.2 Kritische Würdigung Das Gestaltungsmodell schränkt sich auf ein geeignetes Produktspektrum und passende Netzwerktypen ein. Das Umsteigen auf Build-to-Order und vor allem die Gestaltung von BTO-Netzwerken beinhaltet dennoch das Problem, dass es sich bei Build-to-Order nicht um eine Technologie handelt, die kopiert werden kann, sondern dass es eine Strategie ist, welche individuell für ein Unternehmen erstellt und implementiert werden muss. 126 Zusammenfassung und Ausblick Die der Arbeit zugrundeliegende Wunschwartezeit des Kunden, die die maximale Ausdehnung eines Netzwerks definiert, wird nicht in ausreichendem Maße ausgenutzt, da die bei Unternehmen vorgefundene Komplexität und das hohe Maß an Flexibilität es dem Kunden ermöglicht, bis kurz vor Produktionsstart Änderungen an seiner Konfiguration durchzuführen, dem entgegenstehen. Diese Flexibilität wird nicht von allen Kunden gleichermaßen benötigt und genutzt, wird aber dennoch permanent vorgehalten und damit die Chance verwirkt, das BTO-Netzwerk auf weitere Ebenen auszubauen und damit die Prozesskosten weiter zu senken. Die Arbeit setzt das Vorhandensein und den Einklang von PPS- oder ERP-Systemen im Netzwerk voraus, dennoch lässt die Komplexität der IT-Systeme, die nicht vollständig behebbare Informationssystemvielfalt in den Unternehmen, die Grenzen des Gestaltungsmodells zur Ermittlung von BTO-Produktionsnetzwerken erkennen. Starre ITSysteme beschränken die erforderliche Wandlungsfähigkeit von Netzwerken. Deshalb sind zusätzlich die Schnittstellen zwischen den IT-Systemen vor dem Hintergrund der Durchgängigkeit von Informationen entsprechend zu gestalten. Unternehmen sollten also nicht unüberlegt der Euphorie um Build-to-Order verfallen, sondern, z.B. mit Hilfe des beschriebenen Gestaltungsmodells, sorgfältig ihre Situation und Fähigkeiten überprüfen. Auch wenn alle Voraussetzungen erfüllt sind und alle Schritte des Gestaltungsmodells auf Potenzial hinweisen, ist eine Implementierung eines BTO-Produktionssystems eine sehr umfassende Herausforderung, welche neben einer kostspieligen Umsetzung auch weitreichende Veränderungen innerhalb des Unternehmens nach sich zieht. 7.3 Ausblick und weiterer Forschungsbedarf Oft sind Unternehmen nicht nur Teil eines einzigen Netzwerks, sondern mehrerer Lieferketten. Dies gilt vor allem für die Lieferanten auf der 1st-tier Ebene. Da sich das Gestaltungsmodell auch über die Unternehmensgrenzen hinweg anwenden lässt, sind Netzwerkpotenziale gerecht in der Kette zu verteilen. Ein solches Cost-Benefit-Sharing für BTO-Netzwerke bedarf weiterer Untersuchung. Es müsste berechnet werden, welche Kosten für die betrachtete Kette angefallen sind und welche Potenziale erreichbar wä127 Zusammenfassung und Ausblick ren, welche Umsätze mit der Kette gemacht wurden oder welche Ressourcen wie lange für die entsprechende Lieferkette genutzt wurden. Dies bedeutet einen erheblichen Aufwand für die Unternehmen und eine genaue Zuordnung der Kosten, Umsätze und Ressourcennutzung. Für die Ermittlung der erforderlichen Daten sollte nach Möglichkeiten gesucht werden, die Informationen möglichst ohne großen Aufwand in der geforderten Detaillierung zu erhalten – man denke dabei an die Anforderung der Wirtschaftlichkeit von Kennzahlen. Eine weitere Hauptvoraussetzung neben den Kosten ist die direkte Anbindung des Kundenbestellprozesses mit dem Auftragsmanagementprozess des Herstellers. Heute stellen die vielen isolierten IT-Systeme innerhalb des Auftragsmanagementprozesses in der Supply Chain eine der Hauptbarrieren dar. Untersuchungen in der Automobilbranche haben gezeigt, dass je nach Hersteller innerhalb der Supply Chain von den Händlern über den Hersteller bis zu den 1st-tier Zulieferern fünf bis sieben unterschiedliche Systeme verwendet werden. Hier liegen meist organisatorische und methodische Defizite sowie eine Unvereinbarkeit der eingesetzten IT-Systeme zugrunde. Diese Unvereinbarkeit, aber auch der Drang einzelner Netzwerkunternehmen, ihre besondere Stellung auszunutzen, erzeugt gegenseitiges Misstrauen, eine weitere Hauptbarriere, die zu überwinden ist. Als letzter unbeantworteter Aspekt bleibt die steigende Komplexität im Netzwerk. Verstärkt wird diese Problematik durch schnell wechselnde Trends verbunden mit hohen Nachfrageschwankungen. Methoden, die die Stabilität und Robustheit sicherstellen, sind daher unabdingbar, um nachhaltig das enorme Potenzial, das die Netzwerke bieten, auszuschöpfen. Somit sind die neu gestalteten BTO-Produktionsnetzwerke im turbulenten Umfeld ständigen Anpassungen unterworfen, die im zwischenbetrieblichen Umfeld auf Probleme wie Firmenpolitik oder Gesetze stoßen. 128 Summary and Outlook 8. Summary and Outlook 8.1 Summary With growing globalization and increasing turbulence in the order management process, the competitive situation for companies of all industries has intensified. Thus, companies are forced to adjust their competitive strategy to a new era in which the competitive environment is quickly changing. In this context, build-to-order, or in other words mass customization, represents a competitive strategy that solely focuses on the customer. The economic success of the three investigated companies DELL, BMW and ZARA shows that in spite of today‘s competitive conditions and customer requirements, a BTO strategy can help to create a sustainable competitive advantage. So why disturb the pace of a company only to provide customers with extremely short lead times, if the customer is willing to wait, for example, six weeks for an order? This is why many companies only involve their direct suppliers in the implementation of a build-to-order model; even though their customers are willing to wait six or eight weeks for their build-to-order product, which would afford the opportunity to expand the network. The design of networks for multiple-variant series production must therefore aim to match the corporate strategy with the customer’s actually expected waiting time. This does not apply only to the final assembly plant, but especially to the subsequent valueadded network. If a company succeeds in designing its value chain in a flexible manner while focusing on the end customer, this paves the way to a successful BTO system. How exactly a value-added network is implemented or reorganized depends on the individual company. The basic issues to be discussed here are: 1. Is the product structure suitable for build-to-order production networks? 2. What network types are qualified for build-to-order? 3. What are the supporting manufacturing and logistics processes necessary for a build-to-order production network? 129 Summary and Outlook These issues are answered by a model for designing build-to-order production networks developed in this thesis. Before the design model can unfold its full potential, this thesis first classifies what product structures are suitable for build-to-order and also what types of production networks are appropriate. Building on this foundation, the design model offers a four-step procedure not only to tap into the potential gains from analyzing the connection between final assembly plant and direct suppliers. Being related to the expected customer waiting time, its significance lies rather in the intelligent extension of BTO in series production to the adjoining value-added network. All of the major production and logistics parameters as well as the product complexity correlate with the expected waiting time of the end customer. The developed model not only creates transparency over the customer’s expected waiting time, but also points out ways to design a BTO production at second tier and other levels. The developed build-to-order radar provides the required transparency without sacrificing the integrity of the companies. It maps the major investigated modules, subassemblies and parts on their way through the different companies and shows in a very simple way the maximum possible extension of the value-added network. This procedure was used by a system supplier manufacturing multiple product variants for the aerospace equipment industry. It showed that not only the OEM can benefit from the design model but also the suppliers. Based on such an approach, they can address their customers to discuss the potential for BTO production and jointly realize the maximum potential scope of the build-to-order approach both within a company and with other companies. 8.2 Critical appraisal The design model is confined to a suitable product range and proper network types. However, when switching to build-to-order and especially when designing BTO networks, the problem arises that build-to-order is not a technology to be copied but a strategy which must be individually developed and implemented for each company. The customer’s expected waiting time on which this thesis is based defines the maximum extension of a network. However, this maximum is not sufficiently utilized, being barred by the internal complexity of a company and the high level of flexibility that al130 Summary and Outlook lows customers to change their configurations right up to the start of production. Not all customers equally need nor use this flexibility, but still it is permanently at their disposal. This ruins the chance to extend the BTO network to other levels and thus to further cut process costs. This thesis assumes that the PPC or ERP systems existing in a network are harmonized. Nevertheless, the complexity of IT systems as well as the diversity of corporate information systems that cannot be fully compensated makes us aware of the limitations of the design model for determining BTO production networks. Rigid IT systems restrict the required adaptability of networks. In addition, it requires designing the interfaces between the IT systems in such a way that the continuous use of information is enabled. When it comes to build-to-order, companies should think twice and instead of falling into euphoria, carefully check their situation and capabilities, for instance by making use of the described design model. Even if all requirements are satisfied and all steps of the design model point towards potential for a BTO production system, the implementation still poses a profound challenge which entails not only the costly implementation but also far-reaching changes within a company. 8.3 Outlook and need for further research Often, companies are not only part of a single network but of several supply chains. This is particularly true for first tier suppliers. Since the design model can also be applied beyond corporate boundaries, the potential for cost savings in the network must be fairly distributed within the chain. This kind of cost-benefit sharing for BTO networks calls for further research. It would require calculating the costs arising for the investigated chain and the potential for cost savings to be achieved, to look at the sales figures in this chain or to find out what resources are used for how long in the respective supply chain. This is very time-consuming and costly for companies and requires accurately allocating costs, sales, and the use of resources. To capture the necessary data it would be useful to find ways to obtain the information without considerable expense, if possible, and at the required level of detail – keeping in mind the efficiency of performance measures. 131 Summary and Outlook Apart from cost, another major requirement is to directly integrate the customer’s ordering process with the order management process of the manufacturer. Among the main barriers are today’s many isolated IT systems in the order management process of the supply chain. Studies in the automotive industry have shown that depending on the manufacturer five to seven different systems are used in the supply chain from retailer via manufacturer to first tier suppliers. Here, mostly organizational and methodical deficiencies as well as the incompatibility of IT systems can be found. This incompatibility but also the tendency of some network companies to exploit their particular position leads to mutual distrust, which is another major barrier to be overcome. The final issue that remains unanswered is the rising complexity within networks. This problem is intensified by rapidly changing trends along with large fluctuations in demand. Methods to ensure stability and robustness are therefore a must to continuously tap the enormous potential in the networks. Accordingly, the newly designed BTO production networks must constantly adapt to a turbulent environment, leading to problems in the cross-company environment, due to company policies or legislation. 132 Literaturverzeichnis 9. Literaturverzeichnis [AGR 2001] AGRAWAL, Mani ; KUMARESH, T. V. ; MERCER, Glenn A.: The false promise of mass customization. In: Mc Kinsey Quarterly 37 (2001), Nr. 3, S. 62–71 [ALC 2000] ALCALDE RASCH, Alejandro: Erfolgspotential Instandhaltung : Theoretische Untersuchung und Entwurf eines ganzheitlichen Instandhaltungsmanagements. Duisburg, Univ., Diss.,1998. Berlin : Erich Schmidt, 2000 (Duisburger betriebswirtschaftliche Schriften 21) [AMH 2002] AMHERD, Björn: Fallstudie: Dell Computer (Schweiz) AG. Bern, 2002 [AND 2004] ANDERSON, David M: Build-to-order & mass customization : The ultimate supply chain management and lean manufacturing strategy for low-cost on-demand production without forecasts or inventory. 3. printing. 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Univ.-Verl., 2005 (Gabler Edition Wissenschaft) 146 Aus dem Ansatz einer ganzheitlichen Optimierung ausgehend von der Kundenwunschwartezeit, greift das erarbeitete Modell zur Gestaltung von Build-to-Order Produktionsnetzwerken drei Grundgedanken auf. Diese sind die für Build-to-Order passende Produktstruktur, die geeigneten Netzwerktypen, sowie die benötigten unterstützenden Produktions- und Logistikprozesse in einem Build-to-Order Produktionsnetzwerk. Das Modell bringt alle wichtigen produktions- und transportlogistischen Größen sowie die Produktkomplexität in Abhängigkeit zum Wunschwartezeitraum des Endkunden und stellt die maximale Ausdehnung des Produktionsnetzwerks dar. ISBN 978-3-8396-0434-2 9 783839 604342 FRAUNHOFER VERLAG