Wirtschaftliche Optimierung im vorbeugenden Brandschutz

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Wirtschaftliche Optimierung im vorbeugenden Brandschutz
 Wirtschaftliche Optimierung im vorbeugenden Brandschutz Katharina Fischer, Jochen Kohler, Mario Fontana und Michael H. Faber Institut für Baustatik und Konstruktion ETH Zürich Zürich, Juli 2012 VORWORT Die Anforderungen an den vorbeugenden Brandschutz richten sich nach dem öffentlich‐rechtlichen Prinzip der Verhältnismässigkeit; somit müssen bei der Neufassung von Brandschutzvorschriften jeweils die technische Entwicklung, die Veränderungen der Gefährdung und Nutzungsanforderungen sowie die Schadenerfahrung der Kantonalen Brandschutzbehörden mit einbezogen werden. Bislang fehlten aber wissenschaftliche Methoden zur Berechnung von Kosten und Nutzen der Brandschutzmassnahmen. Der vorliegende Forschungsbericht zum Projekt "Wirtschaftliche Optimierung im vorbeugenden Brandschutz" liefert einen Beitrag zur Schliessung dieser Lücke. Ziel des vorbeugenden Brandschutzes ist es, Menschen, Tiere und Sachwerte vor nicht akzeptierbaren Feuerrisiken zu schützen. Da die gesellschaftlichen Ressourcen jedoch begrenzt sind, müssen die Mittel für die Schadensvorsorge effizient eingesetzt werden. Nur wenn es gelingt, die Brandschutzvorschriften und deren Vollzug nicht nur wirksam, sondern gleichermassen wirtschaftlich auszugestalten, werden sie dem gesellschaftspolitischen Anspruch nach einem leistungsfähigen und verhältnismässigen Brandschutz gerecht. Die Forschungsarbeit von Frau Fischer leistet einen bedeutenden Beitrag zur wissenschaftlich gestützten, umfassenden Bewertung von Kosten und Nutzen im vorbeugenden Brandschutz. Basierend auf einer umfassenden statistischen Studie und probabilistischen Methoden eröffnet die Arbeit neue Möglichkeiten zur Erarbeitung, Bewertung, Begründung und damit auch zur Durchsetzung effektiver und effizienter Brandschutzmassnahmen. Im Hinblick auf die Erarbeitung neuer Brandschutzvorschriften wurden beispielhaft einige spezifische Fragestellungen bearbeitet. Weitere Fragestellungen wären mit der in diesem Bericht beschriebenen Methodik ebenfalls bearbeitbar. Ich möchte an dieser Stelle Frau Katharina Fischer für Ihren grossartigen methodischen und inhaltlich relevanten Beitrag zur wirtschaftlichen Optimierung im vorbeugenden Brandschutz herzlich danken. Ein Ausschuss, bestehend aus einem Vertreter des SECO und erfahrenen Brandschutzexperten hat unter der umsichtigen Leitung von Dr. Markus Fischer die Arbeiten intensiv begleitet, wichtige Fragestellungen identifiziert und die Resultate kritisch hinterfragt. Allen Mitgliedern des Begleitausschusses, seinem Präsidenten und dem Präsidenten der Technischen Kommission Brandschutz der VKF möchte ich für Ihre fachkundige Unterstützung und die Umsetzung der Ergebnisse bei der Überarbeitung der Brandschutzvorschriften ganz besonders danken. Parallel zu diesen Untersuchungen hat das SECO eine Studie zu den Administrativkosten im Brandschutz durchgeführt. Ein besonderer Dank geht an die Vereinigung kantonaler Feuerversicherungen welche in ihrer Funktion als Koordinationsstelle im schweizerischen Brandschutz die Arbeiten durch ihre finanzielle Unterstützung und die zur Verfügung gestellten statistischen Daten und Experten erst ermöglicht hat. Zürich, Juli 2012 Mario Fontana i ZUSAMMENFASSUNG Brandschutz rettet Menschenleben und verhindert oder begrenzt wirtschaftliche Schäden aus Gebäudebränden. Diese Vorteile haben allerdings ihren Preis, denn Brandschutz ist nicht kostenlos. In der Praxis trägt der Gebäudeeigentümer die Vorsorgekosten für Massnahmen des baulichen und technischen Brandschutzes, während die Schäden zum Grossteil von der Versicherung übernommen werden. Bei der gesellschaftlichen Entscheidungsfindung im Bereich Brandschutz (z.B. bei der Gestaltung der Brandschutzvorschriften) müssen die Interessen aller betroffenen Personengruppen berücksichtigt werden. Im wirtschaftlichen Optimum wird die Summe aller mit dem Brandschutz verbundenen Kosten (für Brandschutzmassnahmen und infolge Brandschäden) minimiert. Bei einer wirtschaftlichen Optimierung im vorbeugenden Brandschutz muss der Schutz von Leib und Leben stets als Randbedingung berücksichtigt werden. Der Wert eines menschlichen Lebens lässt sich nicht beziffern, weshalb die Beurteilung der Verhältnismässigkeit von Investitionen in die Personensicherheit keine einfache Aufgabe ist. Gleichzeitig ist aber offensichtlich, dass es technisch und/oder wirtschaftlich unmöglich ist, die Wahrscheinlichkeit eines Todesfalles in einem Gebäudebrand auf null zu reduzieren. Die gesellschaftlichen Ressourcen zur Verbesserung der Personensicherheit sind begrenzt und sollten bestmöglich eingesetzt werden. Verschiedene Brandschutzmassnahmen konkurrieren hierbei nicht nur untereinander, sondern auch mit lebensrettenden Massnahmen aus anderen Bereichen, z.B. der Medizin, der Verkehrssicherheit oder dem Schutz vor Naturgefahren. Auch in Bezug auf Investitionen in die Personensicherheit sollten gesellschaftliche Entscheidungen daher auf Basis von Effizienzbetrachtungen gefällt werden. Das Ziel der in diesem Bericht beschriebenen Forschungsarbeit ist die Entwicklung von Methoden zur Beurteilung der Wirtschaftlichkeit bzw. Effizienz von Brandschutzmassnahmen aus gesellschaftlicher Sicht. Hierfür werden zunächst die wichtigsten Grundlagen einer wirtschaftlichen Optimierung im vorbeugenden Brandschutz beschrieben und diskutiert. Des Weiteren werden Ergebnisse aus einer Analyse von Schweizer Versicherungsdaten präsentiert, die als Ausgangspunkt für die Beurteilung des Brandrisikos im Schweizer Gebäudebestand dienen. Die verwendeten Daten enthalten keine Angaben zur Brandentwicklung sowie zur Verfügbarkeit und Wirkung von Brandschutzmassnahmen. Für die Beurteilung der Massnahmeneffizienz müssen die Ergebnisse der Datenanalyse deshalb durch Ingenieurmethoden der Brandrisikobewertung ergänzt werden. Anhand von vier Fallstudien wird gezeigt, wie bei konsequenter Berücksichtigung aller relevanten Unsicherheiten die Grundlagen der wirtschaftlichen Optimierung auf konkrete Fragestellungen angewendet werden können. Die Fallstudien zeigen, dass auch bei schlechter Datengrundlage Aussagen zur Wirtschaftlichkeit von Brandschutzmassnahmen möglich sind. Die Ergebnisse können direkt zur Unterstützung von gesellschaftlichen Entscheidungen im Bereich des Brandschutzes eingesetzt werden, z.B. bei der Überarbeitung der Brandschutzvorschriften. Eine ausführliche Diskussion der verbleibenden Unsicherheiten und getroffenen Annahmen weist zudem auf zukünftigen Forschungs‐ und Datenbedarf hin. In Zukunft sollte eine Anwendung der beschriebenen Methodik auch auf andere Fragestellungen in Hinblick auf eine umfassende Optimierung der gesellschaftlichen Investitionen im „System Brandschutz“ angestrebt werden. iii SUMMARY Fire safety measures save lives and prevent or decrease economic losses in case of building fires. These benefits however come at a cost, because fire safety is not free of charge. In practice the building owner has to invest in passive and active fire safety measures, while the economic losses in the event of fire are mainly covered by insurance companies. In societal decision‐making, e.g. during the development of fire safety codes, the interests of all groups affected by the decisions have to be considered. The economic optimum is achieved when the sum of all costs and losses related to fire and fire safety is minimized. The safety of occupants in the case of fire is an important societal boundary condition for economic optimization in the area of fire safety. Human life is of immeasurable value. Judging the appropriateness of investments in life safety is therefore not an easy task. It is however obvious that it is technically and/or economically impossible to reduce the fatality rate in building fire events to zero. Societal resources for life safety are limited and should be invested in the most efficient risk reduction measures available. Different fire safety measures compete not only against each other, but also against life saving measures in other areas, e.g. health‐related investments, traffic safety or protection from natural hazards. Thus societal decisions in the area of life safety should also be guided by efficiency considerations. The objective of the research work described in this report is the development of methods for assessing the efficiency of fire safety measures from a societal point of view. For this purpose the basic principles of an economic optimization in the area of preventive fire safety are described and discussed as a first step. Then the results of an analysis of Swiss insurance data are presented, which serves as a starting point for the assessment of fire risk in the Swiss building portfolio. The analysed data contains no information on fire development and the availability and effectiveness of fire safety measures. The results of the data analysis therefore have to be complemented by engineering methods for the assessment of fire risk. By means of four case studies it is shown how the basics of economic optimization can be applied to practical questions by consistently accounting for all relevant uncertainties inherent in the problem at hand. The case studies show that it is possible to draw conclusions on the efficiency of fire safety measures even in cases where the data base is poor and only little quantitative information is available. The results can be directly applied to support societal decision‐making in the area of fire safety, e.g. during the revision of fire safety codes. An extensive discussion of the underlying assumptions and the remaining uncertainties reveals the need for future research and improved data. More work is required in order to apply the methodology described in this report to further questions with regard to a comprehensive optimization of societal investment in the area of fire safety. iv INHALTSVERZEICHNIS 1 EINLEITUNG ............................................................................................................................. 1 2 GRUNDLAGEN .......................................................................................................................... 3 2.1 Beschreibung der Ausgangslage ......................................................................................................... 3 2.1.1 Rolle des vorbeugenden Brandschutzes für die Gesellschaft ................................................................ 3 2.1.2 Optimierung auf gesellschaftlicher Ebene und Rolle der Kantonalen Gebäudeversicherer ................. 4 2.1.3 Entscheidungsfindung im „System Brandschutz“ in der Schweiz .......................................................... 5 2.2 Risikobasierte Entscheidungsfindung ................................................................................................. 7 2.2.1 Grundlagen der risikobasierten Entscheidungsfindung......................................................................... 7 2.2.2 Gesellschaftliche Entscheidungsfindung ............................................................................................... 7 2.2.2.1 Kostenbestandteile und Konsequenzen ....................................................................................... 8 2.2.2.2 Definition der Nutzenfunktion, Risikopräferenzen ....................................................................... 9 2.2.2.3 Verzinsung zukünftiger Kostenbestandteile und Konsequenzen ............................................... 10 2.2.2.4 Beurteilung von Investitionen in den Personenschutz mit dem Grenzkostenprinzip ................ 10 2.2.2.5 Quantifizierung der gesellschaftlichen Zahlungsbereitschaft mit dem Life Quality Index ......... 12 2.2.3 2.3 Massnahmen und Entscheidungen ..................................................................................................... 13 Vorgehen im Rahmen des Projektes ................................................................................................ 14 2.3.1 Grundlagen der wirtschaftlichen Optimierung im „System Brandschutz“ .......................................... 14 2.3.2 Analyse Schweizer Versicherungsdaten .............................................................................................. 15 2.3.3 Fallstudien zur Wirtschaftlichkeit von Massnahmen des vorbeugenden Brandschutzes ................... 15 3 DATENANALYSE ..................................................................................................................... 17 3.1 Zielsetzung, Möglichkeiten und Grenzen der Datenanalyse .............................................................. 17 3.2 Kurze Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse ....................................................................... 18 3.3 Ergebnisse der explorativen Datenanalyse ....................................................................................... 19 3.3.1 Verwendete Daten, Begriffe und Definitionen .................................................................................... 19 3.3.2 Eigenschaften des Gebäudeportfolios ................................................................................................. 21 3.3.3 Schadenursachen ................................................................................................................................. 23 3.3.4 Schadenhäufigkeit ............................................................................................................................... 24 3.3.5 Höhe der Gebäudeschäden ................................................................................................................. 26 3.3.5.1 Schadenbetrag im Brandfall ........................................................................................................ 26 3.3.5.2 Jährliche Überschreitungshäufigkeit ........................................................................................... 29 3.3.5.3 Kantonale Unterschiede ............................................................................................................. 31 3.3.5.4 Auswertungen nach Baujahr und Bauweise ............................................................................... 34 3.3.6 Schäden an mehreren Objekten im selben Brandereignis .................................................................. 35 3.3.7 Mobiliarschäden .................................................................................................................................. 39 v 3.3.8 Personenschäden ................................................................................................................................ 41 3.3.9 Empfehlungen zur zukünftigen Datenerfassung ................................................................................. 45 3.4 Modellbildung auf Datenbasis ......................................................................................................... 47 3.4.1 Modellierung des Brandeintritts ......................................................................................................... 47 3.4.2 Modellierung des Gebäudeschadens im Brandfall .............................................................................. 49 3.4.3 Weitere Modellkomponenten ............................................................................................................. 51 4 ÜBERSICHT ÜBER DIE FALLSTUDIEN UND ZUSAMMENFASSUNG DER ERGEBNISSE.................. 53 4.1 Bearbeitete Fragestellungen ............................................................................................................ 53 4.2 Abgrenzung ..................................................................................................................................... 53 4.3 Brandabschnitte in Einfamilienhäusern (Fallstudie I) ........................................................................ 54 4.3.1 Ergebnisse für den Aufstellungsraum von Feuerungsanlagen in Einfamilienhäusern ......................... 55 4.3.2 Ergebnisse für die Abtrennung von Einstellräumen bis 150m2 vom Einfamilienhaus ......................... 55 4.4 Kleine Bauten ohne Brandabschnitte (Fallstudie II) .......................................................................... 55 4.5 Rauchmelderpflicht für Wohngebäude (Fallstudie III) ...................................................................... 56 4.6 Personenschutzanforderungen (Fallstudie IV) .................................................................................. 58 4.6.1 Ergebnisse zur Kompensation von Fluchtweganforderungen mit technischem Brandschutz ............ 59 4.6.2 Ergebnisse für Räume mit hoher Personenbelegung .......................................................................... 60 5 BRANDABSCHNITTE IN EINFAMILIENHÄUSERN (FALLSTUDIE I) ............................................... 61 5.1 Abschätzung für den Aufstellungsraum von Feuerungsanlagen ........................................................ 61 5.1.1 Grundidee der Abschätzung und verwendete Daten .......................................................................... 61 5.1.2 Durchschnittliche Schadenreduktion durch den Brandabschnitt im Brandfall ................................... 61 5.1.3 Jährliche Risikoreduktion durch den Brandabschnitt .......................................................................... 64 5.1.4 Risikoreduktion durch den Brandabschnitt über die gesamte Lebensdauer ...................................... 65 5.1.5 Diskussion der Ergebnisse und getroffenen Annahmen ...................................................................... 65 5.2 Abschätzung für kleine Motorfahrzeug‐Einstellräume ...................................................................... 67 5.3 Aspekte des Personenschutzes ........................................................................................................ 68 6 KLEINE BAUTEN OHNE BRANDABSCHNITTE (FALLSTUDIE II) ................................................... 69 6.1 Abschätzung des wirtschaftlichen Nutzens einer Brandabschnittsbildung ........................................ 69 6.1.1 Annahmen für die Berechnung der maximalen Risikoreduktion ........................................................ 69 6.1.2 Ergebnisse für verschiedene Zweckbestimmungen ............................................................................ 71 6.2 Abschätzung der Kosten einer Brandabschnittsbildung .................................................................... 73 vi 6.3 Definition einer Klasse „Kleine Bauten“ ohne Brandabschnitte ........................................................ 74 6.3.1 Wirtschaftliche Optimierung auf Basis der vereinfachten Abschätzung ............................................. 74 6.3.2 Einfluss der im Rahmen der Abschätzung getroffenen Annahmen ..................................................... 76 6.3.3 Anforderungen in Bezug auf andere Schutzziele ................................................................................. 78 6.3.4 Einführung einer Klasse „Kleine Bauten“ ohne Brandabschnitte ........................................................ 79 7 RAUCHMELDERPFLICHT FÜR WOHNGEBÄUDE (FALLSTUDIE III) .............................................. 81 7.1 Beurteilung einer Rauchmelderpflicht in Wohngebäuden mit dem Life Quality Index ....................... 81 7.1.1 7.1.1.1 Jährliche Anzahl Brandtote ohne Rauchmelderpflicht ............................................................... 82 7.1.1.2 Überlebens‐Wahrscheinlichkeit bei rechtzeitiger Alarmierung .................................................. 82 7.1.1.3 Wahrscheinlichkeit einer Rauchmelder‐Aktivierung im Brandfall .............................................. 83 7.1.2 Abschätzung der gesellschaftlichen Kosten einer Rauchmelderpflicht ............................................... 84 7.1.2.1 Jährliche Kosten pro installiertem Rauchmelder ........................................................................ 85 7.1.2.2 Anzahl installierter Rauchmelder pro Haushalt .......................................................................... 85 7.1.2.3 Gesamt‐Anzahl Schweizer Privathaushalte ................................................................................ 86 7.1.2.4 Anteil der Haushalte mit freiwilligem Rauchmelder‐Schutz ....................................................... 86 7.1.3 7.2 Abschätzung des gesellschaftlichen Nutzens von Rauchmeldern für den Personenschutz ................ 81 Beurteilung der Effizienz einer Rauchmelderpflicht für den Personenschutz ..................................... 87 Bewertung der Wirtschaftlichkeit einer Rauchmelderpflicht in Wohngebäuden ............................... 88 7.2.1 Abschätzung des wirtschaftlichen Nutzens von Heimrauchmeldern .................................................. 88 7.2.2 Beurteilung der Wirtschaftlichkeit einer Rauchmelderpflicht in Einfamilienhäusern ......................... 89 7.3 8 Diskussion der Ergebnisse und getroffenen Annahmen .................................................................... 90 PERSONENSCHUTZANFORDERUNGEN (FALLSTUDIE IV) .......................................................... 93 8.1 Der ASET/RSET Ansatz zur Beurteilung der Personensicherheit ........................................................ 93 8.2 Quantitative Grundlagen zur Anwendung des ASET / RSET Ansatzes ................................................ 95 8.2.1 In der Fallstudie betrachtete Szenarien und Personengruppen .......................................................... 95 8.2.2 Zusammenfassung der getroffenen Annahmen .................................................................................. 96 8.2.3 Modellierung der Brandentwicklung mit dem t2‐Ansatz ..................................................................... 98 8.2.4 Modellierung der verfügbaren Zeit ASET ............................................................................................ 99 8.2.5 Modellierung der Evakuierungszeit RSET .......................................................................................... 100 8.3 Kompensation von Fluchtweganforderungen mit technischem Brandschutz .................................. 101 8.3.1 Einfluss der Brandmeldeanlage auf die Alarmierungszeit ................................................................. 102 8.3.2 Repräsentation des Personenrisikos mit der Personenschaden‐Wahrscheinlichkeit ....................... 103 8.3.2.1 Ergebnisse für die Personenschaden‐Wahrscheinlichkeit im Brandraum ................................ 104 8.3.2.2 Ergebnisse für die Personenschaden‐Wahrscheinlichkeit in anderen Räumen ....................... 105 8.3.3 Diskussion der Ergebnisse und der getroffenen Annahmen ............................................................. 108 8.3.3.1 Personen im Brandraum: Fluchtweglänge im Raum ................................................................ 109 8.3.3.2 Personen in anderen Räumen: Gesamt‐Fluchtweglänge.......................................................... 109 vii 8.3.3.3 Diskussion der getroffenen Annahmen .................................................................................... 110 8.3.4 Andere Massnahmen des technischen Brandschutzes ..................................................................... 112 8.3.5 Andere Gebäudetypen ...................................................................................................................... 113 8.4 Räume mit grosser Personenbelegung ........................................................................................... 114 8.4.1 Betrachtete Massnahmen und Szenarien ......................................................................................... 114 8.4.2 Neue Aspekte bei der Modellierung der RSET für Räume mit hoher Personenbelegung ................. 114 8.4.3 Modellierung von Personenströmen durch einen Engpass ............................................................... 115 8.4.3.1 Modellierung von Personenströmen mit dem hydraulischen Modell ...................................... 116 8.4.3.2 Lineare Abhängigkeit des Personenstroms von der Ausgangsbreite ........................................ 117 8.4.3.3 Berechnung der totalen Durchströmzeit für Fluchtwegbreiten nach VKF‐Richtlinie ............... 118 8.4.4 8.4.4.1 Modellierung der Staubildung an den Ausgängen .................................................................... 119 8.4.4.2 Vereinfachtes bilineares Modell für die RSET in Räumen mit hoher Personenbelegung ......... 120 8.4.5 Einfluss von Massnahmen und Raumgeometrie ............................................................................... 121 8.4.5.1 Fluchtweglänge und ‐breite ...................................................................................................... 121 8.4.5.2 Zweiter Fluchtweg .................................................................................................................... 122 8.4.5.3 Rauch‐Wärme‐Abzug ................................................................................................................ 123 8.4.5.4 Einfluss der Raumgeometrie ..................................................................................................... 123 8.4.6 Berechnung des Personenrisikos bei hoher Personenbelegung im Brandraum ............................... 123 8.4.6.1 Quantitative Annahmen für die Berechnung des Personenrisikos ........................................... 124 8.4.6.2 Ergebnisse der Berechnung für eine hohe Personenbelegung im Brandraum ......................... 124 8.4.7 9 Modellierung der RSET für Räume mit grosser Personenbelegung .................................................. 119 Diskussion der Ergebnisse für Räume mit hoher Personenbelegung ................................................ 126 ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICK .................................................................................. 129 9.1 Zusammenfassung der Arbeit ........................................................................................................ 129 9.2 Empfehlungen für zukünftige Forschung ........................................................................................ 131 10 LITERATURVERZEICHNIS ....................................................................................................... 135 ANHANG A HINTERGRÜNDE ZUR MODELLIERUNG AUF DATENBASIS ....................................... 139 ANHANG B ZUSATZINFORMATIONEN ZUR FALLSTUDIE IV ....................................................... 145 viii Kapitel 1 ‐ Einleitung 1
Einleitung Der Brandschutz erfüllt wichtige Aufgaben für unsere Gesellschaft: Massnahmen des vorbeugenden Brandschutzes können Menschenleben retten und ökonomische Schäden durch Gebäudebrände reduzieren. Andererseits verursacht Brandschutz Kosten, die während der Bauphase und/oder Nutzung der Gebäude anfallen. Die gesellschaftlichen Investitionen in den vorbeugenden Brandschutz sollten deswegen unter Betrachtung aller mit dem Brandschutz verbundenen Kosten und Konsequenzen optimiert werden. Hierzu gehören Kosten in den folgenden Bereichen: ‐
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Kosten des vorbeugenden Brandschutzes (baulich, technische, organisatorisch) Kosten des abwehrenden Brandschutz (Feuerwehr) Kosten durch Sachschäden (Gebäude, Mobiliar, Umgebungsschäden,…) Versicherungs‐ und Administrativkosten (Feuerversicherung, Vollzugsbehörden...) Bei einer reinen wirtschaftlichen Betrachtung ist das optimale Sicherheitsniveau erreicht, wenn die Summe aller mit dem Brandschutz verbundenen Kosten minimal ist. Im vereinfachten Schema in Abbildung 1.1 ist dies dargestellt: Mit Hilfe von Massnahmen des vorbeugenden Brandschutzes kann das Sicherheitsniveau eines Gebäudes oder einer Gebäudegruppe beeinflusst werden. Je höher das Sicherheitsniveau gewählt wird, desto weniger Brandschäden sind zu erwarten. Gleichzeitig steigen aber auch die Kosten für den vorbeugenden Brandschutz, die Vorsorgekosten. Das wirtschaftliche Optimum p * wird durch eine Minimierung der Summe aller Kosten (der Totalkosten) erreicht. Abbildung 1.1: Wirtschaftliche Optimierung im akzeptablen Bereich. Da durch Brandereignisse nicht nur Sachwerte, sondern auch Menschen in Gefahr gebracht werden, verbietet sich eine rein wirtschaftliche Optimierung: Der Schutz von Leib und Leben muss stets als Randbedingung berücksichtigt werden. Das minimale („akzeptable“) Sicherheitsniveau für den Personenschutz definiert, in welchem Bereich eine wirtschaftliche Optimierung möglich ist. In Abbildung 1.1 liegt das wirtschaftliche Optimum im akzeptablen Bereich. Es ist aber natürlich auch denkbar, dass das Minimum der Totalkosten bei einem Sicherheitsniveau erreicht wird, das in Bezug auf den Personenschutz nicht akzeptabel ist. In solchen Fällen muss das minimale Sicherheitsniveau pmin gefordert werden, auch wenn es sich hierbei rein wirtschaftlich betrachtet nicht um die 1 Wirtschaftliche Optimierung im vorbeugenden Brandschutz optimale Lösung handelt. Bei der Festlegung des akzeptablen Bereichs ist das Prinzip der Verhältnismässigkeit von Investitionen für die Personensicherheit zu beachten: Ist eine Erhöhung des Sicherheitsniveaus mit angemessenen Aufwand erreichbar, so müssen Investitionen in Massnahmen für den Personenschutz gefordert werden, auch wenn sie wirtschaftlich nicht rentabel sind. Umgekehrt kann auf eine Steigerung des Sicherheitsniveaus verzichtet werden, wenn sie nur mit unverhältnismässig grossem Aufwand zu erreichen ist. Durch zu hohe Brandschutzausgaben würden sonst Mittel gebunden, die in anderen Bereichen nicht mehr für die Sicherheit zur Verfügung stünden. Anstelle einer reinen Fokussierung auf die absolute Höhe des Risikos für Leib und Leben wird also auch bei der Beurteilung der Personensicherheit die Effizienz verschiedener Risikoreduktionsmassnahmen berücksichtigt. Nur so können die verfügbaren Mittel für das Ziel einer maximalen Reduktion der Opferzahlen optimal eingesetzt werden. Eine wirtschaftliche Optimierung im vorbeugenden Brandschutz entspricht einer Suche nach dem goldenen Mittelweg: Ein nach heutigem Stand der Technik bestmöglicher Brandschutz minimiert zwar die Schäden, ist aber teuer. Auch eine reine Minimierung des Schutzaufwandes ist nicht optimal, da hierbei die Schäden vernachlässigt werden. Auch mit Blick auf den Personenschutz ist offensichtlich, dass ein vollständiger Verzicht auf Massnahmen des vorbeugenden Brandschutzes gesellschaftlich nicht erwünscht sein kann. Die Herausforderung bei der Untersuchung der Wirtschaftlichkeit besteht darin, all diese Aspekte angemessen zu berücksichtigen, um mit einem ganzheitlichen Ansatz das gesellschaftliche Optimum zu bestimmen. Überblick über den Inhalt des vorliegenden Berichtes Der vorliegende Bericht ist in drei Hauptbereiche gegliedert: Grundlagen, Datenanalyse und Beschreibung von vier Fallstudien. Im Folgenden wird kurz beschrieben, welche Inhalte in den einzelnen Kapiteln des Berichts zu finden sind. Die Grundlagen der wirtschaftlichen Optimierung im „System Brandschutz“ und der risikobasierten Entscheidungsfindung auf gesellschaftlicher Ebene werden in Kapitel 2 diskutiert. Zudem wird das im Rahmen des Forschungsprojektes „Wirtschaftliche Optimierung im vorbeugenden Brandschutz“ gewählte Vorgehen kurz beschrieben. Die wichtigsten Ergebnisse der Datenanalyse sind in Kapitel 3 zusammengefasst. Neben der Diskussion der mit Schweizer Daten durchgeführten Auswertungen werden in diesem Kapitel auch Empfehlungen für die zukünftige Datensammlung ausgesprochen. Des Weiteren werden einfache Ansätze zur Modellierung auf Datenbasis beschrieben, die zum Teil für die Bearbeitung der Fallstudien in den folgenden Kapiteln verwendet werden. Eine kurze Einführung zu den im Rahmen des Projektes bearbeiteten konkreten Fragestellungen findet sich in Kapitel 4. Hier werden auch die wichtigsten Ergebnisse der Fallstudien zusammengefasst. Das genaue Vorgehen bei der Bearbeitung der einzelnen Fragestellungen und die getroffenen Annahmen sind in Kapitel 5 bis 8 (Fallstudie I bis IV) beschrieben. Kapitel 9 enthält eine kurze Zusammenfassung des vorliegenden Berichtes. Basierend auf den im Laufe des Projektes gesammelten Erfahrungen werden zum Abschluss zudem Möglichkeiten für zukünftige Forschung zur risikobasierten Entscheidungsfindung im Bereich Brandschutz diskutiert. 2 Kapitel 2 ‐ Grundlagen 2
Grundlagen 2.1
Beschreibung der Ausgangslage In den folgenden Abschnitten wird die Schweizer Ausgangslage für eine wirtschaftliche Optimierung im vorbeugenden Brandschutz diskutiert. Dies beinhaltet eine Beschreibung der Rolle des Brandschutzes für die Gesellschaft, der Gründe für eine Optimierung von Brandschutzinvestitionen auf gesellschaftlicher Ebene, der Rolle der kantonalen Gebäudeversicherer für das „System Brandschutz“ und der Entscheidungsfindungsprozesse, die durch eine Betrachtung der Wirtschaftlichkeit von Brandschutzmassnahmen unterstützt werden sollen. 2.1.1
Rolle des vorbeugenden Brandschutzes für die Gesellschaft Brandschutz ist im Interesse der Gesellschaft: Er hilft, Menschenleben zu retten und ökonomische Schäden zu verhindern oder zu begrenzen. Diese Vorteile haben allerdings ihren Preis, denn Brandschutz ist nicht kostenlos. Die Investitionen für baubewilligungspflichtige Neubauten in der Schweiz (nur Hochbau) betrugen laut Bundesamt für Statistik ca. 30 Mrd. CHF (BFS (2010a)). Gemäss internationalen Schätzungen (The Geneva Association (2011), Tabelle 7) liegen die Kosten für Massnahmen des vorbeugenden Brandschutzes in Gebäuden in etwa bei 2.5‐4% der Bauinvestitionen, also 0.75‐1.2 Mrd. CHF pro Jahr. Hinzu kommen laufende Kosten für Unterhalt und Wartung der Massnahmen, Kosten für Brandschutzmassnahmen beim Umbau von bestehenden Bauten sowie Kosten für die Ausbildung und Ausrüstung der Feuerwehr. Die Kosten des vorbeugenden Brandschutzes variieren stark in unterschiedlichen Gebäudetypen. Der Anteil der Brandschutzkosten an den gesamten Gebäudekosten (basierend auf den britischen Normen) wurde in einer von Warrington Fire Research Group (UK) et al. (2002) zitierten Studie untersucht. Besonders günstig ist der Brandschutz bei Einfamilienhäusern (weniger als 1% der Baukosten), besonders teuer bei Einkaufszentren und Parkhäusern (über 8% der Baukosten). Das Optimierungspotential ist bei Gebäuden mit hohen Brandschutzkosten am höchsten. Gesamtwirtschaftlich betrachtet kann aber auch eine Änderung der Kosten bei Gebäuden mit niedrigen Brandschutzkosten (z.B. Einfamilienhäusern) einen grossen Einfluss haben, wenn es einen hohen Wiederholungseffekt gibt. Zur Beurteilung der Wirtschaftlichkeit muss neben den Kosten vor allem der Einfluss der Massnahmen auf die Schäden untersucht werden. Im Jahr 2010 betrugen die Gebäudeschäden in den Kantonen mit Kantonaler Gebäudeversicherung insgesamt 270.9 Mio. CHF, vgl. VKF (2010). Hinzu kommen Gebäudeschäden in Kantonen ohne kantonale Gebäudeversicherung, Mobiliarschäden und ggf. indirekte Schäden sowie Kosten für den abwehrenden Brandschutz (z.B. Feuerwehreinsätze). Ein direkter Vergleich mit den Kosten für Brandschutzmassnahmen ist nicht möglich, da es ohne Brandschutzinvestitionen auch mehr Schäden gäbe. Für eine Beurteilung der Wirtschaftlichkeit müssen die Kosten der Massnahmen mit der (zunächst unbekannten) Schaden‐ oder Risikoreduktion verglichen werden. Auch eine Erhöhung der Brandschutzinvestitionen kann wirtschaftlich sein, wenn die hierdurch erzielte Schadenreduktion grösser ist als die zusätzlichen Kosten. Eine wichtige Zielsetzung des vorbeugenden Brandschutzes ist die Erhöhung der Personensicherheit im Brandfall. Im internationalen Vergleich belegt die Schweiz mit jährlich nur etwa 3 Brandtoten pro 1 Mio. Einwohnern eine Spitzenposition bei der Personensicherheit im Brandfall (The Geneva Association (2011), Tabelle 4). Für eine Beurteilung der Personenschäden aus gesellschaftlicher Sicht 3 Wirtschaftliche Optimierung im vorbeugenden Brandschutz ist allerdings weniger das absolute Niveau der Personensicherheit relevant als die Frage, mit welchem Aufwand Menschenleben durch Investitionen in Brandschutzmassnahmen gerettet werden können. Eine Beurteilung von Personenschutzmassnahmen auf Basis von Effizienzbetrachtungen ist notwendig, da die gesellschaftlichen Ressourcen zur Reduktion von Personenrisiken beschränkt sind. Investitionen in den Personenschutz sollten dort erfolgen, wo der Einfluss auf die Personensicherheit am höchsten ist (vgl. Abschnitt 2.2.2.4), um eine maximale Reduktion der Opferzahlen zu erreichen. 2.1.2
Optimierung auf gesellschaftlicher Ebene und Rolle der Kantonalen Gebäudeversicherer In einer freien Marktwirtschaft bleibt die wirtschaftliche Optimierung grundsätzlich dem Individuum überlassen. Die individuelle Entscheidungsfreiheit wird allerdings durch Normen, Gesetze und Vorschriften eingeschränkt. Einige Aufgaben können nur im Kollektiv erfüllt werden und haben den Charakter eines öffentlichen Gutes (Beispiel Feuerwehr). Des Weiteren stehen gewisse Güter unter hoheitlichem Schutz, für den Brandschutz ist hier insbesondere die Personensicherheit im Brandfall zu nennen. Auch in Bezug auf eine reine wirtschaftliche Optimierung ist es sinnvoll, gewisse Anforderungen auf gesellschaftlicher Ebene zu definieren: Bezogen auf die Gebäudelebensdauer sind Brände seltene Ereignisse, was eine korrekte Einschätzung des Nutzens von Brandschutzmassnah‐
men erschwert. Des Weiteren wird im Brandfall ein Grossteil des Schadens von der Versicherung getragen, wodurch der Anreiz für die Gebäudeeigentümer zu Investitionen in Brandschutzmassnah‐
men reduziert wird. Private Sachversicherer können Gebäude mit mangelhafter Schadenprävention von der Versicherung ausschliessen und so die Investitionen der Gebäudebesitzer beeinflussen. Diese Möglichkeit besteht für die Kantonalen Gebäudeversicherer nur in Einzelfällen (bei massiven Verstössen gegen die Brandschutzvorschriften), da die gesetzliche Versicherungspflicht beidseitig ist. Auch eine Einflussnahme über Risikoprämien ist nur begrenzt möglich. Hingegen können die KGV (bzw. die Brandschutzbehörden in den Kantonen ohne KGV) Brandschutzmassnahmen mit rechtlichen Mitteln durchsetzen. Im Folgenden wird diskutiert, welche Rolle die kantonalen Gebäudeversicherer im „System Brandschutz“ spielen und wie Investitionen in den vorbeugenden Brandschutz in einem System mit öffentlichem Versicherungsmonopol gesteuert werden können. Ursprünglich als reines Risikokollektiv gegründet, war die Hauptaufgabe der kantonalen Gebäudeversicherer (KGV) zunächst die Bildung einer Solidargemeinschaft, um die Not der Geschädigten durch Zahlungen im Brandfall zu lindern. Mit einer Versicherungspflicht und einem Versicherungsmonopol soll die Solidarität zwischen allen Gebäudeeigentümern gefördert werden. In 19 der 26 Schweizer Kantone besteht eine öffentlich‐rechtliche Kantonale Gebäudeversicherung, in drei weiteren eine Versicherungspflicht ohne Monopol. Der Auftrag der KGV geht über die reine Versicherung von Schäden hinaus: So fördern sie über das Feuerwehrwesen nicht nur den abwehrenden Brandschutz, sondern haben durch die kantonale Feuerpolizei auch Einfluss auf den vorbeugenden Brandschutz in Gebäuden. Die Schweizer Brandschutzvorschriften werden von der Vereinigung der Kantonalen Feuerversicherungen (VKF) herausgegeben. Sie sind nach der Verbindlicherklärung durch das Interkantonale Organ Technischer Handelshemmnisse (IOTH) auch in den Kantonen ohne Versicherungsmonopol gültig. Durch ihr Engagement in den drei Bereichen Schadenverhütung, Schadenbekämpfung und Versicherung sind die kantonalen Gebäudeversicherungen in der Position, Brandschutzmassnahmen festzulegen und ihre Umsetzung durchzusetzen. Diese Stellung verpflichtet die Gebäudeversicherer 4 Kapitel 2 ‐ Grundlagen aber auch, einen effizienten Einsatz der für Brandschutzmassnahmen gebundenen Mittel zu gewährleisten. Um die Wirtschaftlichkeit des Brandschutzes zu garantieren, müssen neben dem Nutzen auch die Kosten der vorbeugenden Massnahmen berücksichtigt werden, die in der Regel von den Gebäudeeigentümern getragen werden. Die Kantonalen Gebäudeversicherer können in den folgenden Bereichen Einfluss auf das Brandrisiko in den versicherten Gebäuden ausüben: ‐
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Über die Brandschutzvorschriften: Die VKF‐Brandschutznorm sowie die zugehörigen Brandschutzrichtlinien definieren Mindestanforderungen an den Brandschutz in Neubauten sowie bei wesentlichen Änderungen an bestehenden Bauten. Über den Brandschutzvollzug: Die Umsetzung der Brandschutzvorschriften wird durch die kantonalen Vollzugsbehörden (Feuerpolizei) kontrolliert. Über das Feuerwehrwesen: Der abwehrende Brandschutz ergänzt im Brandfall die Massnahmen des vorbeugenden Brandschutzes. Über das Versicherungswesen: Durch Policengestaltung, Prämienrabatte, risikogerechte Prämiengestaltung, Präventionssubvention etc. können Anreize für Versicherungsnehmer zur Investition in kosteneffiziente Brandschutzmassnahmen geschaffen werden. Durch Direktinvestitionen der KGV: Durch Investitionen in Präventionsmassnahmen (z.B. Löschwasserversorgung, Förderung von Massnahmen etc.) können die KGV gezielt Einfluss auf einzelne Bereiche des Brandschutzes nehmen. Durch Ausbildung und Forschung: Die Verfügbarkeit und Verbreitung von Wissen im Bereich des Brandschutzes kann durch die Ausbildung von Brandschutzfachleuten und die Initiierung von Forschungsvorhaben gefördert werden. Durch Öffentlichkeitsarbeit: Durch Information der breiten Öffentlichkeit oder einzelner Personengruppen (z.B. Schulkinder, Bauschaffende) zur Brandentstehung und zum Verhalten im Brandfall können Brände verhindert oder ihre Auswirkungen reduziert werden. Im Rahmen des Projektes „Wirtschaftliche Optimierung im vorbeugenden Brandschutz“ wurde primär die Wirtschaftlichkeit von möglichen Änderungen der Brandschutzanforderungen betrachtet, die bei der Revision der VKF‐Brandschutzvorschriften zur Diskussion standen, vgl. Kapitel 4. Die Grundsätze der wirtschaftlichen Optimierung sind jedoch auf alle oben genannten Bereiche im „System Brandschutz“ anwendbar. 2.1.3
Entscheidungsfindung im „System Brandschutz“ in der Schweiz Die Entwicklung von Brandschutzvorschriften basiert traditionell auf der Erfahrung aus vergangenen Brandereignissen. Die Schweizer Brandschutzvorschriften können somit als Repräsentation der über Jahrhunderte gesammelten Erfahrung mit Gebäudebränden verstanden werden. Gleichzeitig entwickeln sich die Vorschriften kontinuierlich weiter, weil neue Erfahrungen und Entwicklungen berücksichtigt werden müssen. Auch dieser Prozess der kontinuierlichen Entwicklung basiert auf Erfahrungen, die in der Zwischenzeit mit den bestehenden Vorschriften gemacht wurden. Änderungen in den Brandschutzvorschriften entstehen aus einer breit angelegten Auseinanderset‐
zung, bei der verschiedene Interessen gegeneinander abgewogen werden. Die Gebäudeeigentümer, die die Kosten der Massnahmen tragen, haben bei diesen Verhandlungen keine eigene Lobby, sie sind allenfalls indirekt über Fach‐ und Eigentümerverbände daran beteiligt. Der Auftrag der Gesellschaft an die KGV beschränkt sich daher nicht auf die Reduktion der Schäden zu jedem Preis, 5 Wirtschaftliche Optimierung im vorbeugenden Brandschutz sondern die Kosten für Massnahmen des vorbeugenden Brandschutzes müssen bei der Festlegung der gesetzlichen Brandschutzanforderungen ebenfalls berücksichtigt werden. Gleichzeitig sollte aber auf effiziente Massnahmen nicht verzichtet werden: Auch ein geringes Schadenaufkommen kommt den Gebäudeeigentümern über günstige Versicherungsprämien zu Gute. Die Schweizer Brandschutzvorschriften sind rein präskriptiv. Leistungsorientierte Brandschutzkonzep‐
te können gemäss Art. 11 der Brandschutznorm (VKF (2003b)) von der zuständigen Brandschutzbehörde bei Gleichwertigkeit mit dem Standardkonzept zugelassen werden. Das Sicherheitsniveau wird also in jedem Fall durch die präskriptiven Vorschriften definiert. Für die meisten Bauvorhaben ist die Anwendung der präskriptiven Regeln ohnehin die pragmatischste Lösung, weil der Aufwand für den Nachweis der Gleichwertigkeit leistungsorientierter Brandschutzkonzepte durch die Einsparungen im Bereich der Brandschutzinvestitionen bei vielen Gebäuden nicht gerechtfertigt werden kann. In einer Fallstudie zur Anwendbarkeit von Ansätzen des risikobasierten Rechts im Bereich Brandschutz kamen Beck et al. (2000) zu der Schlussfolgerung, dass für die meisten Gebäude eine indirekte Nutzung risikobasierter Regulierungsansätze angestrebt werden sollte, also eine risikobasierte Kalibrierung der präskriptiven Vorschriften. Nur für Sonderbauten ist der Aufwand einer leistungsorientierten, objektspezifischen Risikobeurteilung gerechtfertigt. Das quantitative Sicherheitsniveau der präskriptiven Vorschriften ist nicht bekannt. Auch die Frage, ob die gesellschaftlichen Investitionen in Massnahmen des vorbeugenden Brandschutzes durch ihren Nutzen in Bezug auf die Sach‐ und Personenschäden gerechtfertigt sind, wurde bisher nie untersucht. Es kann daher nicht beurteilt werden, ob das derzeitige Sicherheitsniveau zu hoch oder zu niedrig ist. Zudem ist damit zu rechnen, dass die Sicherheit je nach betrachtetem Gebäudetyp stark variiert. Auch in Bezug auf die Wirtschaftlichkeit der Brandschutzvorschriften kann davon ausgegangen werden, dass in einigen Bereichen zu wenige, in anderen aber zu viele (bzw. ineffiziente) Brandschutzinvestitionen gefordert werden. Das Ziel der Forschungsarbeit im Projekt „Wirtschaftliche Optimierung im vorbeugenden Brandschutz“ war die Schaffung von objektiven Grundlagen für den Entscheidungsprozess bei der Revision der Schweizer Brandschutzvorschriften. Die Erfahrung der an der Überarbeitung der Vorschriften beteiligten Brandschutzexperten soll durch die wissenschaftliche Untersuchung nicht ersetzt, sondern ergänzt werden. Das Ziel des vorliegenden Berichts ist eine ausführliche Erläuterung und Diskussion der im Rahmen der Forschungsarbeit verwendeten Methoden und Annahmen, um eine fundierte Beurteilung der Ergebnisse für die Überarbeitung der Vorschriften zu ermöglichen. Durch den Bezug zur aktuellen Überarbeitung der VKF‐Brandschutznorm ergab sich ein Fokus der Forschungsarbeit auf spezifische Fragestellungen. Die in Kapitel 4 zusammengefassten Fallstudien können aber auch als Testfälle für die Anwendung von risikobasierten Methoden für die Optimierung von Investitionen in Brandschutzmassnahmen auf gesellschaftlicher Ebene gesehen werden. Die Fallstudien zeigen, dass Risikomodelle auch bei unvollständiger Information zu Kosten und Nutzen der betrachteten Massnahmen helfen können, eine fundierte Entscheidung zu treffen. Langfristig sollte nicht nur eine Optimierung des Sicherheitsniveaus in allen Bereichen der präskriptiven Vorschriften, sondern auch eine Festlegung von quantitativen Schutzzielen für die Anwendung von leistungsorientierten Brandschutzkonzepten angestrebt werden. Auch dies kann auf Basis der im Folgenden beschriebenen Prinzipien der risikobasierten Entscheidungsfindung erfolgen. 6 Kapitel 2 ‐ Grundlagen 2.2
Risikobasierte Entscheidungsfindung Im Folgenden werden die wichtigsten Grundlagen der risikobasierten Entscheidungsfindung im vorbeugenden Brandschutz zusammengefasst. Die diesem Kapitel zu Grunde liegenden Prinzipien der Risikobewertung nach Faber (2008) wurden hierfür auf das „System Brandschutz“ bezogen. 2.2.1
Grundlagen der risikobasierten Entscheidungsfindung Sind alle Konsequenzen einer Entscheidung exakt bekannt, so kann das wirtschaftliche Optimum direkt durch den Vergleich von Kosten und Nutzen verschiedener Handlungsalternativen ermittelt werden. Im vorbeugenden Brandschutz ist dies nicht der Fall. Die Kosten der Massnahmen lassen sich in der Regel relativ exakt bestimmen, ihr Nutzen ist jedoch unsicher, da er sich nur im Brandfall realisiert. Für die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit von Brandschutzmassnahmen müssen daher risikobasierte Ansätze verwendet werden. Das mit einem Ereignis verbundene Risiko R berechnet sich als das Produkt der Eintrittswahrschein‐
lichkeit P des Ereignisses mit den Konsequenzen C , die aus dem Ereignis resultieren. Die Eintrittswahrscheinlichkeit, und damit das Risiko, beziehen sich entweder auf einen bestimmten Zeitraum (meist ein Jahr) oder auf ein bestimmtes Ereignis (z.B. den Brandeintritt). Das Risiko unterschiedlicher Ereignisse oder Szenarien kann addiert werden, solange sie sich auf denselben Zeitraum oder dasselbe Ereignis beziehen. Das mit einer Entscheidung oder Handlungsalternative a verbundene Risiko R  a  ergibt sich als die Summe der Risiken Ri in allen denkbaren Szenarien i : R  a    Ri   Pi  Ci
i
(2.1)
i
Je nach Definition der Konsequenzen Ci kann die Risikodefinition in Gleichung (2.1) sowohl zur Berechnung des Sachrisikos als auch zur Ermittlung des Personenrisikos verwendet werden. Das Risiko R  a  entspricht dann entweder den erwarteten monetären Konsequenzen oder der erwarteten Anzahl geschädigter Personen in einem bestimmten Zeitraum oder Ereignis. Gemäss den durch die Arbeiten von Raiffa & Schlaifer (1961) und auf Basis der Axiome des rationalen Verhaltens nach Von Neumann & Morgenstern (1944) begründeten Grundlagen der normativen Entscheidungstheorie sollte bei Entscheidungen unter Unsicherheit diejenige Handlungsalternative gewählt werden, die den höchsten erwarteten Nutzen aus Sicht des Entscheidungsträgers verspricht. Alternativ können auch die erwarteten Kosten minimiert werden. Im vorbeugenden Brandschutz wird das wirtschaftliche Optimum durch eine Minimierung der Totalkosten erreicht, vgl. Abbildung 1.1. Hierbei werden die erwarteten Schäden (das Brandrisiko) mit Hilfe der Risikodefinition in Gleichung (2.1) berechnet. Falls die Massnahmenkosten unsicher sind, kann auch hier der Erwartungswert nach Gleichung (2.1) bestimmt werden. Welche Kosten und Konsequenzen für eine wirtschaftliche Optimierung im vorbeugenden Brandschutz berücksichtigt werden müssen und wie diese bewertet werden, wird in den folgenden Abschnitten diskutiert. 2.2.2
Gesellschaftliche Entscheidungsfindung Im vorliegenden Bericht wird bei der Betrachtung der Wirtschaftlichkeit von Brandschutzmassnah‐
men die Perspektive der Gesellschaft eingenommen. Das Ziel der gesellschaftlichen 7 Wirtschaftliche Optimierung im vorbeugenden Brandschutz Entscheidungsfindung ist die Verbesserung der Lebensbedingungen für die Gesamtheit aller Gesellschaftsmitglieder, also im Rahmen dieser Studie alle Einwohner der Schweiz. Die gesellschaftliche Sichtweise kann in Bezug auf monetäre Bestandteile der Nutzenfunktion auch als „volkswirtschaftliche“ Sichtweise bezeichnet werden. Weitere gesellschaftliche Ziele sind jedoch ebenfalls zu berücksichtigen, insbesondere im Bereich des Personenschutzes. Die Festlegung auf die gesellschaftliche Perspektive dient als Grundlage für die Diskussion in den folgenden Abschnitten. 2.2.2.1
Kostenbestandteile und Konsequenzen In der gesellschaftlichen Nutzenfunktion werden die Kosten und Konsequenzen einer Entscheidung aus Sicht aller Mitglieder einer Gesellschaft zusammengefasst, jedoch ohne Berücksichtigung von Transferleistungen. So sind zum Beispiel für den Gebäudeeigentümer die Versicherungsprämien als Kosten zu verbuchen, wogegen sie für die Versicherung eine Einnahme darstellen. Im Rahmen der gesellschaftlichen Entscheidungsfindung werden anstelle der Versicherungsprämien direkt die versicherten Schäden sowie ggf. weitere Kosten (z.B. Administrativkosten) berücksichtigt. In Tabelle 2.1 sind die wichtigsten monetären und nicht‐monetären Bestandteile einer gesellschaftlichen Nutzenfunktion für eine wirtschaftliche Optimierung im „System Brandschutz“ zusammengefasst. Vorsorgekosten
Kosten für Brandschutzmassnahmen
Inspektion, Wartung, Unterhalt
Einsparungen durch Mehrfachziele
Vorhaltekosten Feuerwehr, Löschwasser
Administrativkosten
(Nutzungseinschränkungen)
Reaktionskosten
Feuerwehreinsätze
Monetäre Schäden
Gebäudeschäden
Schäden an Mobiliar und Fahrhabe
Aufräumkosten, Umgebungsschäden
(Betriebsungerbrechung, indirekte Schäden)
Nicht‐monetäre Konsequenzen
Brandtote, Verletzte
Verlust kultureller Werte
Umweltschäden
Tabelle 2.1: Monetäre und nicht‐monetäre Bestandteile der gesellschaftlichen Nutzenfunktion. Zur Beurteilung der Wirtschaftlichkeit von Brandschutzmassnahmen muss nur die Änderung der unterschiedlichen Kosten durch die betrachtete Entscheidung quantifiziert werden. Kosten, die durch die Massnahme nicht beeinflusst werden, können vernachlässigt werden. Von den in Tabelle 2.1 aufgeführten Vorsorgekosten müssen daher nur die Kosten für den Bau oder die Installation von Brandschutzmassnahmen sowie laufende Kosten für Inspektionen, Wartung und Unterhalt in jedem Fall berücksichtigt werden. Bei sich überschneidenden Anforderungen mit anderen Zielen (z.B. Schall‐ oder Wärmeschutz) können die Massnahmenkosten gegebenenfalls reduziert werden. Feuerwehr‐Vorsorgekosten dürften von den meisten Massnahmen nur wenig beeinflusst werden, im Einzelfall können sie aber einen grossen Einfluss auf die Wirtschaftlichkeit einer Massnahme haben (z.B. Löschwasserreserve für Sprinkleranlagen). Auch die Feuerwehr‐Einsatzkosten müssen nur im Einzelfall berücksichtigt werden. Eine Änderung der Administrativkosten ist nur bei grossen Änderungen im Bereich der Anforderungen an den vorbeugenden Brandschutz zu erwarten, z.B. beim vollständigen Verzicht auf Massnahmen in einer bestimmten Gebäudeklasse. Eine Messung von administrativen Kosten im Brandschutz auf kantonaler Ebene wurde in einem Projekt des Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) durchgeführt, vgl. Wallart & Zatti (2010). Im vorliegenden Bericht wird ein möglicher Einfluss auf die Administrativkosten, falls notwendig, lediglich qualitativ 8 Kapitel 2 ‐ Grundlagen diskutiert. Nutzungseinschränkungen durch Brandschutzanforderungen spielen aufgrund der Möglichkeiten zur Wahl von zusätzlichen Massnahmen für Neubauten eine relativ kleine Rolle. Anders verhält es sich im Falle von bestehenden Bauten. Generell können Kosten durch Nutzungseinschränkungen durch Wahl‐ und Kompensationsmöglichkeiten in den Vorschriften sowie durch die Förderung von leistungsorientierten Brandschutzkonzepten reduziert werden. Es ist jedoch fraglich, ob Nutzungseinschränkungen für einzelne Firmen aus gesellschaftlicher Sicht relevant sind, vgl. auch die Diskussion zu den indirekten Schäden weiter unten. Auf der Schadenseite müssen vor allem die Gebäudeschäden und die Schäden am Mobiliar quantifiziert werden. Der Anteil der Aufräumkosten und Umgebungsschäden ist bei den meisten Gebäudebränden vergleichsweise klein. So genannte „indirekte Schäden“ (z.B. Betriebsunterbre‐
chung, Imageschäden) können zwar aus Sicht der betroffenen Firmen das Problem dominieren, bei Betrachtung der gesamten Gesellschaft werden die Verluste aber meist durch zusätzliche Gewinne anderer Betriebe ausgeglichen. Die Ausnahme bilden hochspezialisierte Industriebtriebe mit Produktionsabläufen, die schwer zu ersetzten sind, vgl. Ramachandran (1998). Eine Identifikation dieser volkswirtschaftlichen „Engpässe“ würde jedoch den Rahmen des Projektes sprengen. Von den nicht‐monetären Konsequenzen werden im vorliegenden Bericht nur die Personenschäden betrachtet. Da die Datengrundlage zur Anzahl Verletzte in Gebäudebränden verhältnismässig schlecht ist, wird primär die Häufigkeit von Todesfällen betrachtet. 2.2.2.2
Definition der Nutzenfunktion, Risikopräferenzen Bei der Beurteilung von Sach‐ und Personenrisiken aus gesellschaftlicher Sicht wird eine lineare Nutzenfunktion verwendet, das heisst die Konsequenzen Ci in Gleichung (2.1) können direkt in Schweizer Franken oder, im Falle des Personenrisikos, als die Anzahl der geschädigten Personen quantifiziert werden. Dies bedeutet, dass ein Schaden von 100‘000CHF mit einer Eintrittswahrschein‐
lichkeit von 10% gleich bewertet wird wie ein Schaden von 1Mio.CHF mit einer Wahrscheinlichkeit von 1%. Dasselbe gilt bei der Beurteilung von Massnahmen des Personenschutzes: So sollte zum Beispiel eine Massnahme, die in einem Brand 10 Todesopfer verhindern kann, genau gleich bewertet werden wie eine Massnahme, die zehnmal eine Person retten kann. Die Konzentration auf seltene Brandereignisse mit hohen Todesopferzahlen führt sonst zu einer Verschwendung von Ressourcen, die in anderen Bereichen besser zur Rettung von Menschenleben eingesetzt werden könnten. Zu anderen Ergebnissen käme man unter Berücksichtigung von Konzepten der so genannten Risikoaversion. Hierzu gehört zum Beispiel die höhere Gewichtung von Ereignissen mit einer geringen Eintrittswahrscheinlichkeit und grossen Konsequenzen (hohe Schäden, viele Todesopfer). Das Konzept der Risikoaversion stammt aus dem Bereich der deskriptiven Entscheidungstheorie, deren Ziel es ist, das beobachtete Verhalten und die Entscheidungen von Personen zu beschreiben. Maes & Faber (2007) und Schubert et al. (2007) argumentieren, dass Risikoaversion oft durch unvollständige Modelle begründet wird, z.B. weil indirekte Konsequenzen oder Unsicherheiten nicht explizit berücksichtigt werden. Sie kommen zu dem Schluss, dass in der normativen Entscheidungsfindung eine explizite Modellierung aller relevanten Aspekte der Verwendung von Risikoaversionsfaktoren oder nichtlinearen Nutzenfunktionen vorzuziehen ist. Auch in der volkswirtschaftlichen Literatur werden Argumente für die Annahme einer linearen Nutzenfunktion für die Entscheidungsfindung auf gesellschaftlichen Ebene genannt (siehe z.B. das klassische Ergebnis von Arrow & Lind (1970)). 9 Wirtschaftliche Optimierung im vorbeugenden Brandschutz 2.2.2.3
Verzinsung zukünftiger Kostenbestandteile und Konsequenzen Kosten und Nutzen von Brandschutzmassnahmen treten häufig zu unterschiedlichen Zeitpunkten ein: So erfordern zum Beispiel Massnahmen des baulichen Brandschutzes hohe Investitionen zum Zeitpunkt, in dem ein Gebäude gebaut wird. Der Nutzen der Massnahmen durch Reduktion des jährlichen Brandrisikos wird jedoch über die gesamte Lebensdauer des Gebäudes erzielt. Ein Vergleich von Kosten und Nutzen zu unterschiedlichen Zeitpunkten kann auf Basis des so genannten Kapitalwerts (oder Barwerts) zukünftiger Zahlungen erfolgen: T
 
t 0
ct
1  i 
t
(2.2)
Hierin bezeichnet ct die Zahlungen (Kosten oder Einsparungen) in zukünftigen Jahren, T ist der betrachtete Zeithorizont (z.B. die Gebäude‐Lebensdauer) und i ein Diskontierungszinssatz. Der Kapitalwert  kann als der Betrag interpretiert werden, der heute (im Zeitpunkt t  0 ) zu einem Zinssatz i angelegt werden muss, um die zukünftigen Zahlungen ct zu ermöglichen. Sind die Werte für ct in allen Jahren konstant, so lässt sich Gleichung (2.2) folgendermassen vereinfachen: 1  i   1  c  RBF i
 c
 
T
t
T
t 0 1  i 
1  i   i
T
c
T
(2.3)
Der Rentenbarwertfaktor RBFTi ist nur vom Zeithorizont T und dem Diskontierungszinssatz i abhängig. Für einen Zinssatz von 2% und Lebensdauern von 50 bzw. 100 Jahren ergeben sich die 0.02
folgenden Werte: RBF500.02  31.4 bzw. RBF100
 43.1 . Die Wahl des Diskontierungszinssatzes i kann einen grossen Einfluss auf das Ergebnis der wirtschaftlichen Optimierung haben. Gesellschaftliche Entscheidungen zur Gestaltung von Baunormen haben einen Zeithorizont von mehreren Jahrzehnten oder sogar länger, da sich der Gebäudebestand abgesehen von Neu‐ und Umbauten nur wenig verändert. Die Wahl eines Zinssatzes muss daher den Prinzipien der nachhaltigen Verzinsung folgen. Mit Hilfe von Generationenmodellen lässt sich zeigen, dass der Diskontierungszinssatz bei der Beurteilung von langfristigen gesellschaftlichen Investitionen allenfalls geringfügig höher sein sollte als die langfristige reale Wachstumsrate des Bruttoinlandproduktes pro Kopf, siehe z.B. Faber & Nishijima (2004) und Rackwitz et al. (2005). In der Schweiz betrug das reale Wirtschaftswachstum in den letzten Jahren nur wenige Prozent (10‐Jahres‐Mittel 2001‐2010 gemäss BFS (2010b): 1.7%). Für die in diesem Bericht vorgestellten Fallstudien wurde daher ein Diskontierungszinssatz von 2% verwendet. 2.2.2.4
Beurteilung von Investitionen in den Personenschutz mit dem Grenzkostenprinzip Wie bereits in Kapitel 1 diskutiert, ist eine wirtschaftliche Optimierung im vorbeugenden Brandschutz nur zulässig, solange gewisse Mindestanforderungen an den Personenschutz erfüllt werden. Die Definition des „akzeptablen Bereichs“ sollte ebenfalls auf Basis von Risikobetrachtungen erfolgen, um einen optimalen Einsatz der Mittel für den Personenschutz zu garantieren. Im Folgenden wird ein rationales Kriterium zur Beurteilung der Akzeptanz von Personenrisiken zur Definition einer quantitativen Randbedingung für die wirtschaftliche Optimierung beschrieben. 10 Kapitel 2 ‐ Grundlagen Von einem ethischen Standpunkt gesehen ist es unmöglich, den Wert eines Menschenlebens zu bestimmen. Auch die pauschale Festlegung eines „akzeptablen“ Personenrisikos ist problematisch. Wie viele Brandopfer es gibt, sollte nicht so wichtig sein wie die Frage, ob diese vermeidbar sind. Auf den ersten Blick scheint die „Nullvision“, bei der angestrebt wird, die Anzahl Brandtote so weit wie möglich zu reduzieren, die einzige ethisch vertretbare Strategie im Umgang mit Personenrisiken zu sein. Von einem praktischen Standpunkt aus betrachtet ist es allerdings offensichtlich, dass es technisch und/oder wirtschaftlich unmöglich ist, Todesfälle durch Gebäudebrände gänzlich zu verhindern. Die in der Gesellschaft verfügbaren Mittel zur Verbesserung der Personensicherheit sind begrenzt und sollten bestmöglich eingesetzt werden. Verschiedene Brandschutzmassnahmen konkurrieren hier nicht nur untereinander, sondern auch mit lebensrettenden Massnahmen aus anderen Bereichen, z.B. dem Gesundheitswesen, der Verkehrssicherheit oder dem Schutz vor Naturgefahren. Wie viel in Massnahmen des Personenschutzes investiert wird, sollte also auf Grund von Effizienzbetrachtungen entschieden werden. Hierzu ist eine Beurteilung der Grenzkosten für eine marginale Erhöhung der Personensicherheit notwendig. Dies ist in der unteren Hälfte von Abbildung 2.1 dargestellt: Bei einem niedrigen Sicherheitsniveau ist es in der Regel einfach, bereits durch kleine Investitionen eine Verbesserung zu erwirken. Bei einem hohen Sicherheitsniveau sind dagegen grosse Investitionen notwendig, um die Sicherheit noch weiter zu erhöhen. Die Grenzkosten der Risikoreduktion nehmen also zu. In der Grafik wurde eine kontinuierliche Abhängigkeit des Personenrisikos von den Sicherheitsinvestitionen dargestellt. In der Realität sind viele Massnahmen diskret, das Prinzip lässt sich hier jedoch ebenfalls anwenden, vgl. Schubert & Faber (2009b). Abbildung 2.1: Illustration des Grenzkostenprinzips für den Personenschutz. Durch einen Vergleich der Grenzkosten für eine marginale Reduktion des Personenrisikos  mit der gesellschaftlichen Zahlungsbereitschaft (Societal Willingness To Pay SWTP ) kann ein Schwellenwert zur Definition des akzeptablen Bereichs festgelegt werden, vgl. Faber (2008): Die Investitionen in die Personensicherheit müssen mindestens so hoch sein, dass die Grenzkosten der gesellschaftlichen Zahlungsbereitschaft entsprechen. In Abbildung 2.1 ist dies mit Hilfe eines Steigungsdreiecks 11 Wirtschaftliche Optimierung im vorbeugenden Brandschutz dargestellt. Höhere Sicherheitsinvestitionen sind in Bezug auf den Personenschutz nicht effizient und aus gesellschaftlicher Sicht nur dann sinnvoll, wenn sie durch eine wirtschaftliche Optimierung begründet werden können (vgl. oberer Bereich von Abbildung 2.1 oder Abbildung 1.1). Meist haben Brandschutzinvestitionen einen doppelten Nutzen, da sowohl die Personen‐ als auch die Sachschäden durch dieselbe Massnahme reduziert werden. Eine Kombination des Personenschutz‐
Kriteriums mit der wirtschaftlichen Optimierung ist jedoch nicht sinnvoll, da sonst das wirtschaftliche Optimum nie erreicht werden kann: Auch in Gebäuden, in denen der Personenschutz kaum eine Rolle spielt, würde das Akzeptanzkriterium stets über das wirtschaftliche Optimum hinausgehende Personenschutzinvestitionen fordern. Das liegt daran, dass die um den (Grenz‐)Nutzen reduzierten „Netto‐Grenzkosten“ erst positiv werden, wenn das wirtschaftliche Optimum überschritten ist, vgl. Fischer et al. (2011). Um dies zu vermeiden, wird der Personenschutz getrennt von der Wirtschaftlichkeit der Massnahmen betrachtet, wobei der Personenschutz als Randbedingung in die wirtschaftliche Optimierung einfliesst. Zur Berechnung der Grenzkosten für das Akzeptanzkriterium werden lediglich die Massnahmenkosten berücksichtigt, der wirtschaftliche Nutzen der Massnahme durch Reduktion der Sachwertschäden bleibt unberücksichtigt. 2.2.2.5
Quantifizierung der gesellschaftlichen Zahlungsbereitschaft mit dem Life Quality Index Die gesellschaftliche Zahlungsbereitschaft ( SWTP ) kann mit Hilfe des so genannten Life Quality Index (LQI) bewertet werden. Dieser von Nathwani et al. (1997) entwickelte Index ist ein sozio‐
ökonomischer Indikator, der die Präferenzen einer Gesellschaft zu Investitionen in die Personensicherheit ausdrückt. In einer einfachen Formulierung kann er wie folgt berechnet werden: L( g, l )  g ql
(2.4)
Hierin beschreibt g das Bruttoinlandprodukt (BIP) pro Einwohner und l die durchschnittliche Lebenserwartung. Der Exponent q für den Trade‐off zwischen Wohlstand und Lebenszeit kann unter der Annahme hergeleitet werden, dass die Menschen das Verhältnis zwischen Arbeit und Freizeit optimieren. Der LQI und die Berechnung des Exponenten q wurde auf verschiedene Arten theoretisch hergeleitet (siehe z.B. Pandey et al. (2006)) und ist durch empirische Studien gestützt, vgl. Rackwitz (2008). Beispiele für praktische Anwendungen wurden unter anderem von Schubert & Faber (2009a), Nathwani et al. (2009), Lentz (2007) sowie Hasofer & Thomas (2008) beschrieben. Auf Basis des LQI lässt sich die gesellschaftliche Zahlungsbereitschaft ( SWTP ) für die Erhöhung der Personensicherheit bestimmen (vgl. z.B. Rackwitz (2008)): SWTP 
g l g
 Cx 
q l
q
CHF
Jahr 
(2.5)
Hierin ist  die erreichte Risikoreduktion (erwartete Anzahl geretteter Personen pro Jahr) und C x eine demografische Konstante. In Tabelle 2.2 sind die benötigten Daten für die Berechnung der gesellschaftlichen Zahlungsbereitschaft in der Schweiz (Stand 2010) zusammengefasst. Mit der demografischen Konstante C x wird der Einfluss der Risikoreduktion auf die Lebenserwartung einer durchschnittlichen Person bestimmt, vgl. Rackwitz (2006). Der in Tabelle 2.2 angegebene Wert 12 Kapitel 2 ‐ Grundlagen entspricht einem Mittelwert auf Basis der empirischen Altersverteilung und unter Verwendung eines Diskontierungszinssatzes von 5%. Die Verwendung von Ansätzen der nachhaltigen Verzinsung (Absatz 2.2.2.3) ist bei der Berechnung der demografischen Konstante nicht erforderlich (vgl. Fischer et al. (2012)). Eine weitere Annahme bei der Berechnung von C x war, dass die Risikoreduktion für alle Altersgruppen in der Gesellschaft konstant ist. Zwar ist bekannt, dass ältere Personen ein höheres Risiko haben, im Brandfall zu Tode zu kommen (vgl. Abbildung 3.24). Es ist jedoch unklar, ob diese auch am meisten von den betrachteten Brandschutzmassnahmen profitieren. Verschiedene Annahmen zur Berechnung der demografischen Konstante für die Beurteilung von Brandschutzmassnahmen wurden von Kraemer et al. (2010) diskutiert. g 69‘887 CHF Cx q 0.1905  (=1) 13.85 SWTP 5.1 Mio. CHF / Jahr Tabelle 2.2: Indikatoren zur Berechnung der gesellschaftlichen Zahlungsbereitschaft für die Rettung eines zusätzlichen Menschenlebens in der Schweiz (Stand 2010). Die Risikoreduktion  ist abhängig von der betrachteten Massnahme. Für die Berechnung der Zahlungsbereitschaft für eine gerettete Person pro Jahr wurde sie in Tabelle 2.2 auf Eins gesetzt. Nach Gleichung (2.5) und mit den in Tabelle 2.2 zusammengefassten Werten beträgt die gesellschaftliche Zahlungsbereitschaft für die Rettung eines zusätzlichen Menschenlebens 5.1 Mio. CHF pro Jahr. In der Literatur wird häufig die Annahme getroffen, dass für g nur der Teil des Bruttoinlandsprodukts verwendet werden darf, der für Konsumausgaben verwendet wird, vgl. z.B. Rackwitz (2008). Hierdurch reduziert sich g um etwa 30% und die gesellschaftliche Zahlungsbereitschaft sinkt auf ca. 3.6 Mio. CHF pro Jahr. Für die LQI‐Beurteilung in Fallstudie III (Kapitel 7.1) wurde jedoch der höhere Wert von 5.1 Mio. CHF verwendet. 2.2.3
Massnahmen und Entscheidungen Durch die Untersuchung der Wirtschaftlichkeit von Brandschutzmassnahmen soll die Frage beantwortet werden, welche Brandschutzinvestitionen aus gesellschaftlicher Sicht sinnvoll sind. In Tabelle 2.3 findet sich eine Zusammenstellung der wichtigsten Massnahmen des vorbeugenden Brandschutzes in Gebäuden, sortiert nach der Art und der Zielsetzung der Massnahmen. Massnahmen zur Schadenbegrenzung lassen sich nicht eindeutig von solchen zur Ermöglichung von Flucht und Rettung abgrenzen, da viele Massnahmen in beiden Bereichen wirken. Wie bereits in Abschnitt 2.1.2 diskutiert, lag der Hauptfokus des Projektes „Wirtschaftliche Optimierung im vorbeugenden Brandschutz“ auf der Unterstützung von Entscheidungen im Rahmen der Revision der VKF‐Brandschutzvorschriften. Die Vorschriften sind als Neubauvorschriften konzipiert. Es wurde daher entschieden, die Wirtschaftlichkeit von Brandschutzmassnahmen zunächst ausgehend von der Situation im Neubau zu untersuchen. Bei wesentlichen baulichen oder betrieblichen Änderungen sowie im Falle einer sehr hohen Personengefährdung werden die Vorschriften aber auch im Bestand angewendet (Hier gilt der Grundsatz der „Angemessenheit“). Eine zukünftige Erweiterung der Betrachtung auch auf bestehende Bauten wäre daher wünschenswert. 13 Wirtschaftliche Optimierung im vorbeugenden Brandschutz Passive Massnahmen Schadenbe‐
grenzung Organisatorische Massnahmen FI‐Schalter Reduktion Brandlast, Zündquellen
Blitzschutz Aufklärung, Sicherheitskultur Sauerstoffabsenkung Elektro: Unterhalt & Kontrolle Brandvor‐
beugung Aktive Massnahmen Gebäudeabstände, Brandmauern Brandmeldeanlagen, Rauchwarnmelder Brandabschnitts‐
bildung Sprinkler, Löschanlagen Feuerwiderstände (EI) Brandschutzklappen, Abschottungen Brandschutztüren Flucht und Widerstand Tragwerk Rettung Fluchtwege, Fluchttreppenhäuser Handfeuerlöscher, Löschposten Löschwasserversorgung Trockenleitungen, Hydranten Feuerwehraufzug Gebäudenutzer: Training, Ausbildung Feuerwehr: Ausrüstung, Ausbildung, Organisation Rettungspläne Evakuierungsübungen Rauch‐Wärme‐Abzug, Überdrucklüftung Tabelle 2.3: Massnahmen des vorbeugenden Brandschutzes in Gebäuden. Im Rahmen des Projektes konnten nur einzelne Massnahmen ausführlich behandelt werden. Die bearbeiteten Fallstudien sind in Kapitel 4 kurz zusammengefasst. Bei den ersten beiden Fallstudien stand die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit von bestehenden Normvorschriften im Vordergrund (Brandabschnitte in Einfamilienhäusern und kleinen Bauten, Kapitel 5 und 6). Die dritte Fallstudie behandelt die Frage, ob die Einführung einer neuen Vorschrift aus gesellschaftlicher Sicht sinnvoll ist (Rauchmelderpflicht für Wohngebäude, Kapitel 7), wobei der Fokus auf der Wirkung für den Personenschutz lag. Die letzte Fallstudie bezieht sich auf bestehende Personenschutzanforderungen, im Vordergrund steht hier die Schaffung von Kompensationsmöglichkeiten beziehungsweise eine mögliche Differenzierung der Vorschriften (Fluchtweganforderungen und Technischer Brandschutz sowie Massnahmen für Räume mit hoher Personenbelegung, Kapitel 8). Die Personensicherheit in unterschiedlichen Situationen wird hierfür mit einer vergleichenden Risikobewertung untersucht. 2.3
Vorgehen im Rahmen des Projektes Die Arbeiten im Rahmen des Projektes „Wirtschaftliche Optimierung im vorbeugenden Brandschutz“ wurden in drei aufeinander aufbauenden Phasen durchgeführt: Grundlagenstudium, Datenanalyse und Fallstudien. Im Folgenden wird das Vorgehen in den drei Phasen kurz beschrieben. 2.3.1
Grundlagen der wirtschaftlichen Optimierung im „System Brandschutz“ Ziel des Grundlagenstudiums war die Beschreibung der Rahmenbedingung, der Zielsetzung und der Entscheidungsgrundlagen für eine wirtschaftliche Optimierung im vorbeugenden Brandschutz. Hierzu wurde zunächst eine Literaturrecherche zur Wirkung und Wirtschaftlichkeit von Brandschutzmass‐
nahmen, zur Risikomodellierung im Bereich des Brandschutzingenieurwesens und zur risikobasierten Entscheidungsfindung durchgeführt. Die in Abschnitt 2.1 und 2.2 beschrieben Grundlagen der wirtschaftlichen Optimierung im vorbeugenden Brandschutz basieren auf den Ergebnissen dieser 14 Kapitel 2 ‐ Grundlagen Recherche. Die Grundlagen der Entscheidungsfindung wurden zudem in einem Risikoworkshop mit Brandschutz‐Experten der KGV diskutiert. Wichtige Ergebnisse des Risikoworkshops waren die Identifikation der Kostenbestandteile und Konsequenzen, die bei einer wirtschaftlichen Optimierung aus gesellschaftlicher Sicht berücksichtigt werden müssen (Tabelle 2.1), sowie der wichtigsten Massnahmen des vorbeugenden Brandschutzes in Gebäuden (Tabelle 2.3). Des Weiteren wurde die Wirkung sowie, auf qualitativer Basis, die Kosten und der Nutzen einzelner Brandschutzmassnahmen im Rahmen des Workshops diskutiert. Die Ergebnisse des Risikoworkshops wurden in einer internen Dokumentation ausgewertet und dienten im weiteren Verlauf des Projektes als Grundlage für die Prioritätensetzung und die Formulierung von Arbeitshypothesen. 2.3.2
Analyse Schweizer Versicherungsdaten Ziel der Datenanalyse war es, ein umfassendes Verständnis für das Brandrisiko und die wichtigsten Risikoindikatoren im Schweizer Gebäudeportfolio zu erlangen. Die wichtigsten Ergebnisse sind in Kapitel 3 zusammengefasst. Im Rahmen einer explorativen Datenanalyse, d.h. ohne die Formulierung konkreter Hypothesen, konnten die Möglichkeiten und Grenzen der Verwendung von Daten zur Beurteilung der Wirtschaftlichkeit von Brandschutzmassnahmen und die mit der Datenbasis verbundenen Unsicherheiten identifiziert werden. Einfache Ansätze zur Brandrisikomodellierung auf Datenbasis können bereits genutzt werden, um den maximalen Nutzen von Brandschutzmassnah‐
men in Gebäuden zumindest grob abzuschätzen (siehe z.B. die Beurteilung von Brandabschnitten in Kleinbauten, Kapitel 6). Eine Beurteilung der Wirtschaftlichkeit von Brandschutzmassnahmen nur auf Datenbasis ist jedoch nicht möglich, weil die Schweizer Schadendaten keine Informationen zur Verfügbarkeit und Wirkung von Brandschutzmassnahmen enthalten. Ein wichtiges Ergebnis der Datenanalyse war daher auch die Erarbeitung von Empfehlungen zur zukünftigen Datenerfassung, die in Abschnitt 3.3.9 zusammengefasst sind. 2.3.3
Fallstudien zur Wirtschaftlichkeit von Massnahmen des vorbeugenden Brandschutzes In der letzten Phase des Projektes lag der Fokus auf der Bearbeitung von konkreten Fallstudien. Die Fragestellungen ergaben sich aus der Arbeit des Projektausschusses „VKF‐Brandschutzvorschriften 2015“. Nach einer ersten Recherche zur Machbarkeit und möglichen Ansätzen zur Bearbeitung der einzelnen Fallstudien wurden die Fragestellungen in einer Sitzung mit der Steuerungsgruppe des Projektes „Wirtschaftliche Optimierung im vorbeugenden Brandschutz“ konkretisiert und Prioritäten für die Bearbeitung der Fallstudien definiert. In regelmässigen Projektsitzungen wurden zudem das Vorgehen, die Annahmen und die Plausibilität der Ergebnisse zu den einzelnen Fallstudien mit den KGV‐Brandschutzexperten diskutiert. Die wichtigsten Fallstudien‐Ergebnisse sind in Kapitel 4 zusammengefasst. Eine ausführliche Beschreibung der gewählten Methodik, der getroffenen Annahmen und der einzelnen Ergebnisse ist in Kapitel 5 bis 8 gegeben. Zur Beurteilung der Wirtschaftlichkeit müssen sowohl die Kosten als auch der Nutzen der Brandschutzmassnahmen abgeschätzt werden. Letzterer ergibt sich aus der durch die Massnahmen erzielten Risikoreduktion, also aus der Reduktion der erwarteten Sach‐ und Personenschäden. Die Modellierung des Brandrisikos basiert auf den in Abschnitt 2.2 beschriebenen Grundlagen der risikobasierten Entscheidungsfindung. Bei der Quantifizierung der Risiken und Konsequenzen wird auf verschiedene Informationsquellen zurückgegriffen. Neben den Schweizer Schaden‐ und Portfoliodaten gehören hierzu insbesondere in der Literatur zum Brandschutz in Gebäuden 15 Wirtschaftliche Optimierung im vorbeugenden Brandschutz veröffentlichte internationale Daten sowie Ingenieurmethoden der Brandrisikobewertung. Unter Ingenieurmethoden der Brandrisikobewertung werden im Folgenden Ansätze verstanden, die das betrachtete Problem in Subsysteme zerlegen, die mit Hilfe von physikalischem und/oder empirischem Wissen modelliert werden können (z.B. Brandentstehung, Brandentwicklung und ‐
Ausbreitung, Wirkung technischer Brandschutzmassnahmen, Evakuierung…). Ein vereinfachtes Schema zur Zerlegung des Prozesses der Brandentwicklung in Teilmodelle ist in Abbildung 2.2 dargestellt. Die Wirkung der unterschiedlichen Brandschutzmassnahmen im Zeitverlauf der Brandentwicklung kann gut anhand einer solchen Grafik diskutiert werden. Entdeckung & Alarmierung
Baulicher Brandschutz
Lösch‐
einrichtungen
Übergriff auf andere BA
Ent‐
zündung
Ent‐
stehungs‐
brand
Ausbreitung im Raum
Übergriff auf Nachbar‐
gebäude
Vollbrand
Tragwerks‐
versagen
Flucht und Rettung
Sofortlösch‐
massnahmen
Gebäude‐
abstände
Feuerwehr‐
einsatz
Abbildung 2.2: Prozess der Brandentwicklung mit Massnahmen des vorbeugenden Brandschutzes. Durch die Zerlegung in Subsysteme erlauben Ingenieurmethoden der Brandrisikobewertung eine Kombination von technischem und empirischem Wissen und ermöglichen so die Beurteilung der Wirkung von Brandschutzmassnahmen auch in Bereichen, in denen nur wenig Informationen zur Verfügung steht. Bei unvollständiger Information ist es wichtig, alle Unsicherheiten in der Modellierung konsistent zu berücksichtigen. Neben den Unsicherheiten in den verwendeten Daten und Modellen gehören hierzu bei der Optimierung des Brandschutzes auf gesellschaftlicher Ebene auch Unsicherheiten bezüglich der Gebäudeeigenschaften: Im Gegensatz zur Bewertung des Brandrisikos in Einzelobjekten, bei der die Geometrie, Nutzung und Bauweise der Gebäude bekannt sind, haben gesellschaftliche Entscheidungen wie die Gestaltung der Brandschutzvorschriften einen Einfluss auf eine Vielzahl unterschiedlicher Gebäude. Bei der Bewertung der Wirtschaftlichkeit von Brandschutzanforderungen müssen die Gebäude deswegen auf Basis von Portfoliodaten der kantonalen Gebäudeversicherungen oder anderen statistischen Informationen beschrieben werden. Eine Berechnung des Brandrisikos in Abhängigkeit von den wichtigsten Parametern kann Hinweise auf eine mögliche Differenzierung der Brandschutzvorschriften geben, wodurch ein homogeneres Sicherheitsniveau innerhalb der betrachteten Gebäudegruppe erreicht werden kann. 16 Kapitel 3 ‐ Datenanalyse 3
3.1
Datenanalyse Zielsetzung, Möglichkeiten und Grenzen der Datenanalyse In den folgenden Abschnitten werden die wichtigsten Ergebnisse der im Rahmen des Projektes „Wirtschaftliche Optimierung im vorbeugenden Brandschutz“ durchgeführten Datenanalyse vorgestellt. Es handelt sich hierbei um eine revidierte und leicht gekürzte Fassung eines zum Abschluss der Datenanalyse verfassten Berichtes, vgl. Fischer (Krämer) (2010). Daten zu Gebäuden und Brandereignissen enthalten wertvolle Informationen zur Quantifizierung des Brandrisikos. Zwar enthalten die für die Untersuchung zur Verfügung stehenden Schweizer Daten keine Angaben zu Brandschutzmassnahmen. Die Bearbeitung der in Kapitel 4 bis 8 vorgestellten Fallstudien erforderte deswegen eine Kombination von Ingenieurmethoden mit Informationen aus den verfügbaren Daten. Es wurden jedoch bei der Bearbeitung aller Fallstudien Daten eingesetzt, teils direkt im Rahmen der Modellbildung, teils für die Validierung und Diskussion der Ergebnisse. Die Verwendung der Daten für die Risikomodellierung erfordert eine gute Kenntnis der enthaltenen Informationen, Zusammenhänge und Unsicherheiten. Die in diesem Kapitel vorgestellte Datenanalyse zeigt die Möglichkeiten, aber auch die Grenzen der Modellierung auf Datenbasis auf. Abbildung 3.1: Betrachtete Datenmerkmale. Bei der Datenanalyse müssen vorschnelle Rückschlüsse vermieden werden. Brandereignisse sind keine Laborversuche, bei denen gezielt immer nur ein Parameter mit möglichem Einfluss auf das Ergebnis variiert wird. Indirekte Einflüsse können das Ergebnis verzerren, weil die verschiedenen Parameter voneinander abhängig sind, vgl. Abbildung 3.1. Weitere, nicht in den Daten enthaltene Parameter können ebenfalls mit den Datenmerkmalen im Zusammenhang stehen und so das Ergebnis verzerren. Bei der Auswertung der Daten wurde versucht, die vorhandenen Abhängigkeiten weitestmöglich zu berücksichtigen. Wo dies nicht durchführbar war, werden verbleibende Einflüsse im Text diskutiert. Die Ergebnisse der Datenanalyse müssen in diesen Fällen mit Vorsicht interpretiert werden. Dennoch können einige einfache Zusammenhänge, quantitativ und/oder qualitativ, gut aus den Daten bestimmt werden und später in die Modellierung einfliessen. Die Datenanalyse ist in zwei Hauptkapitel gegliedert: Im Rahmen der explorativen Datenanalyse (Kapitel 3.3) werden die Daten zunächst so weit grafisch aufgearbeitet, dass grundlegende Gesetzmässigkeiten deutlich werden. Darauf aufbauend werden in einem zweiten Schritt (Kapitel 3.4) Möglichkeiten zur Modellbildung auf Datenbasis vorgestellt. 17 Wirtschaftliche Optimierung im vorbeugenden Brandschutz 3.2
Kurze Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse In Abschnitt 3.3.1 werden die für die Datenanalyse notwendigen Grundlagen und Definitionen vorgestellt. In Abschnitt 3.3.2 werden die Eigenschaften des Gebäudeportfolios untersucht, das nach der Zweckbestimmung der Gebäude in acht verschiedene Nutzungsklassen eingeteilt werden kann. Die zahlenmässig grösste Gruppe ist die der Wohngebäude, bezogen auf ihr Versicherungskapital sind die Schäden in dieser Gebäudegruppe allerdings vergleichsweise klein. Hohe Schadenintensitä‐
ten werden bei den Gebäuden aus Landwirtschaft und Gastgewerbe beobachtet. Abschnitt 3.3.3 beschäftigt sich mit den Schadenursachen. Besonders häufig wird als Schadenursache „Elektrizität“ angegeben, was allerdings durch die relativ weite Definition dieser Schadenursache hervorgerufen sein dürfte. Eine Sonderstellung unter den Schadenursachen nehmen die Blitzschäden ein, da es sich hierbei zum Grossteil nicht um Feuerschäden handelt, sondern um Überspannungs‐
Schäden an elektrischen Geräten durch so genannte „indirekte Blitzschläge“. Bei der Untersuchung der Schadenhäufigkeit (Abschnitt 3.3.4) werden die Blitzschäden deswegen generell von den Auswertungen ausgeschlossen. Die Häufigkeit von Brandschäden in Gebäuden hängt neben der Zweckbestimmung eines Gebäudes vor allem von seinem Volumen ab, wobei die durchschnittliche Schadenhäufigkeit pro Kubikmeter mit zunehmendem Gebäudevolumen abnimmt. Das Brandrisiko wird nicht nur durch die Schadenhäufigkeit bestimmt, sondern auch durch die Grösse der Schäden im Brandfall. Hierzu werden in Abschnitt 3.3.5 zunächst die Auswertung der Daten zu Gebäudeschäden dargestellt. Einen besonders grossen Beitrag zur Gesamtschadensumme eines Gebäudeportfolios haben die Grossschäden, zum Beispiel Schäden über 100‘000 oder 1 Mio. CHF. Die Verteilung des Schadenbetrags im Brandfall hängt vor allem von der Nutzung eines Gebäudes ab. Der Versicherungswert hat in den meisten Brandfällen keinen Einfluss auf den Schadenbetrag, ist aber dennoch wichtig als begrenzender Faktor im oberen Bereich der Verteilung, also bei den Grossschäden. Die Schadenverteilung unterscheidet sich zum Teil stark je nach betrachtetem Kanton. Die Abweichungen lassen sich nur teilweise durch strukturelle Unterschiede zwischen den Kantonen erklären. Eine wichtige Rolle spielt offenbar auch die Datenerfassung durch unterschiedliche Stellen. Der Einfluss des Baujahrs und der Bauart wurde anhand von Aargauer Daten untersucht. Beim Vergleich unterschiedlicher Altersgruppen schneiden Gebäude mit Baujahren vor 1950 schlechter ab als die jüngeren Gebäude. Ein Einfluss der Bauart auf die Schadenhöhe konnte anhand der Daten weder nachgewiesen noch ausgeschlossen werden. Untersuchungen zu Ereignissen mit Schäden an mehreren Gebäuden werden in Abschnitt 3.3.6 diskutiert. Hierbei handelt es sich nicht zwangsläufig um klassische Brandübergriffe, sondern zum Teil wohl auch um Gebäudebrände, bei denen es zu kleineren Schäden an Nachbargebäuden kam, die zum Beispiel durch Rauch oder im Rahmen der Löscharbeiten entstanden sein könnten. Anhand von Daten aus dem Kanton Waadt konnten ausserdem die Sachschäden an dem im Gebäude befindlichen Mobiliar untersucht werden (Abschnitt 3.3.7). Als grobe Faustformel lässt sich festhalten, dass die Schäden am Mobiliar im Mittel etwas kleiner sind als die Gebäudeschäden im selben Brandereignis. Die Auswertung der Daten zu den Personenschäden wird in Abschnitt 3.3.8 vorgestellt. Die Wahrscheinlichkeit, in einem Brand zu Tode zu kommen, hängt einerseits von den Fähigkeiten und dem Verhalten der betreffenden Personen ab, deren Einfluss sowohl bei der Entstehung des Brandes als auch bei der Flucht aus einem brennenden Gebäude wirksam ist. Entscheidend ist aber auch die 18 Kapitel 3 ‐ Datenanalyse Grösse des Brandes: Je grösser der Sachschaden, desto höher ist auch die Wahrscheinlichkeit, dass es zu einem oder mehreren Todesopfern kommt. Einige Empfehlungen zur zukünftigen Datenerfassung enthält Abschnitt 3.3.9. Die Vorschläge ergeben sich aus den bei der Datenanalyse gesammelten Erfahrungen, berücksichtigen aber auch den Aufwand und den Nutzen der Datensammlung. Die Empfehlungen streben eine verbesserte Datenqualität und ‐Dichte an. Das Ziel ist dabei, zukünftige Auswertungen und Untersuchungen in Bezug auf die Wirtschaftlichkeit von Brandschutzmassnahmen zu erleichtern. Basierend auf den Ergebnissen der Datenanalyse werden in Kapitel 3.4 Ansätze zur datenbasierten Modellierung des Brandrisikos vorgestellt. Im Fokus steht die Modellierung der Schadenhäufigkeit (Abschnitt 3.4.1) sowie des Gebäudeschadens im Brandfall (Abschnitt 3.4.2). Weitere Möglichkeiten zur Verwendung der Daten bei der Brandrisiko‐Modellierung werden in Abschnitt 3.4.3 diskutiert. 3.3
Ergebnisse der explorativen Datenanalyse Ziel der Datenanalyse ist eine Aufbereitung und grafische Darstellung der Daten in einer Form, die Rückschlüsse auf die grundlegenden Gesetzmässigkeiten bei der Brandentstehung und –Entwicklung in Gebäuden zulässt. Für die Auswertungen wurden keine oder nur geringfügige Annahmen getroffen: Die Daten werden lediglich in einer aufbereiteten Form dargestellt und zusammengefasst. 3.3.1
Verwendete Daten, Begriffe und Definitionen Die folgenden Datenquellen standen für die Auswertungen zur Verfügung1: ‐
‐
‐
‐
‐
IRV‐Portfoliodaten aller KGV‐Kantone (ausser ZH), Stichtag 31.12.2008: Zweckbestimmung und Versicherungswert, zum Teil Baujahr und/oder Bauweise. IRV‐Schadendaten 1999‐2007, verwendet 2000‐2007 (1999 unvollständig): Zweckbestim‐
mung, Versicherungswert, Datum, Schadenursache, Schadenbetrag. VKF‐Todesfallstatistik (inklusive GUSTAVO‐Kantone) 2000‐2007: Zweckbestimmung, Versicherungswert, Datum, Schadenursache, Schadenbetrag, Baujahr, Anzahl Brandopfer, Geschlecht und Alter der Opfer, zusätzliche Bemerkungen. AGV‐Schadendaten 1999‐2008 und AGV‐Portfoliodaten (Stand Anfang 2009): Zweckbestim‐
mung, Versicherungswert, Volumen, Baujahr und Bauart der Gebäude, sowie Datum, Schadenursache und Schadenbetrag der Schäden. Schaden‐ und Portfoliodaten lassen sich miteinander verknüpfen. Schadendaten der ECA Vaud 1995‐2009: Gebäude‐ und Mobiliarschäden, Schadenursache, Schadendatum und ‐Uhrzeit, Zweckbestimmung, Versicherungswerte. 1
Bedeutung der Abkürzungen: IRV: Interkantonaler Rückversicherungsverband KGV: Kantonale Gebäudeversicherungen VKF: Vereinigung kantonaler Feuerversicherungen GUSTAVO‐Kantone: Kantone ohne KGV, d.h. GE, UR, SZ, TI, AI, VS, OW AGV: Aargauische Gebäudeversicherung ECA Vaud: Etablissment Cantonal d’Assurance Vaud 19 Wirtschaftliche Optimierung im vorbeugenden Brandschutz Falls nötig, wurde auf weitere, im Internet frei verfügbare Informationen zurückgegriffen. Die Quellen werden im Text an den entsprechenden Stellen genannt. Vor der Auswertung wurden die Daten in ein einheitliches Format gebracht und bereinigt. Einige der wichtigsten Bereinigungen sind im Folgenden aufgeführt: Schadenfälle, deren Schadenbetrag mehr als das Doppelte des Versicherungswertes betrug, wurden von den Auswertungen ausgeschlossen. In den IRV‐Schadendaten handelt es sich hierbei um 48 Fälle (von 144‘391). 200% des Versicherungswertes überschreiten deutlich die Leistungen, zu denen die KGV verpflichtet sind. Bei den Daten im Kanton Aargau konnten alle Fälle überprüft werden: Es handelte sich entweder um besondere Policen (z.B. Versicherung von Aufräumkosten bei Abrissobjekten) oder um Fehler bei der Dateneingabe. Auch Schadenfälle mit dem Schadenbetrag Null wurden bei den Auswertungen nicht berücksichtigt; Hierbei handelt es sich zum Beispiel um Schadenfälle, die gemeldet wurden, jedoch nicht zur Zahlung geführt haben. Bei den Auswertungen mit Bezug auf den Versicherungswert der Gebäude wurden ausserdem Schadenfälle ohne Angabe zum Versicherungswert ausgeschlossen. Da hierdurch die Daten ganzer Kantone (inklusive dem Kanton mit dem grössten Gebäudeportfolio, Bern) ausgeschlossen werden mussten, ist die Datenbasis bei diesen Auswertungen deutlich kleiner als bei den übrigen Auswertungen. Zur Berücksichtigung der Preissteigerung wurden alle Schäden und Versicherungswerte mit dem Zürcher Index der Wohnbaupreise auf das Jahr 2009 indexiert. Für die Untersuchungen der Mobiliarschäden in Abschnitt 3.3.7 wurde der Index der ECA Vaud verwendet, der nach Gebäuden und Mobiliar unterscheidet. Begriffe und Definitionen Bei den Auswertungen nach Zweckbestimmung und Schadenursache wird auf die erste Ziffer der jeweiligen VKF‐Codes zurückgegriffen. Die Bedeutung der Codes ist in Tabelle 3.1 aufgeführt. Der Einfachheit halber wird in den folgenden Kapiteln darauf verzichtet, bei jeder Grafik eine über die Code‐Nummern hinausgehende Legende anzufügen. Code Zweckbestimmung
1
2
3
4
5
6/7
8
9
Verwaltung, öffentl. Gebäude
Wohngebäude
Landwirtschaft
Verkehrswesen
Handel
Industrie und Gewerbe
Gastgewerbe
Kleinbauten, Nebengebäude
Code Schadenursache
1
2
3
4
5
6
7
8
9
Feuerungsanlagen
Bestimmungsgemässes Feuer
Selbstentzündungen
Explosionen
Elektrizität
Blitzschläge
Brandstiftungen
Andere bekannte Ursachen
Unbekannte Ursachen
Tabelle 3.1: VKF‐Codierung für Zweckbestimmung und Schadenursache. Bei der Beschreibung der Ergebnisse werden zum Teil Begriffe verwendet, deren genaue Bedeutung nicht selbstverständlich ist. Alle wichtigen Begriffsdefinitionen sind in Tabelle 3.2 aufgeführt. 20 Kapitel 3 ‐ Datenanalyse Gebäude und Gebäudebestände
V
Versicherungswert [CHF] eines Gebäudes: Entspricht bei den meisten Gebäuden dem Neuwert, z.T. aber auch dem Zeitwert, Abbruchwert oder vereinbarten Versicherungswert. Für die Auswertungen wurde der Versicherungswert auf das Jahr 2009 indexiert (Baukostenindex ZH).
Versicherungskapital [CHF] eines Gebäudeportfolios: Summe aller Versicherungswerte in einer Gebäudegruppe.
VK
NG
Anzahl Gebäude in einem Gebäudeportfolio.
BJ
BW
Baujahr eines Gebäudes (nur zum Teil in den Portfoliodaten enthalten).
Bauart (auch Bauweise) eines Gebäudes: Je nach Kanton zwei Kategorien (hart = vorwiegend nicht brennbar, weich = vorwiegend brennbar) oder drei Kategorien (hart, gemischt, weich). Nur zum Teil in den Portfoliodaten enthalten.
Vol
Volumen [m³] eines Gebäudes: Wird im Rahmen der Gebäudeschätzung nach SIA 116 berechnet. Nur in den Portfoliodaten der AGV enthalten.
Schäden
S
Schadenbetrag [CHF]: Versicherter Schaden, enthält in der Regel nur Schäden am Gebäude, keine Schäden am Mobiliar oder durch Betriebsunterbrechung. Für die Auswertungen auf das Jahr 2009 indexiert (Baukostenindex ZH).
SS
Schadensumme [CHF]: Summe aller (Gebäude‐)Schäden in einem bestimmten Zeitraum (z.B. 1 Jahr) und einem bestimmten Gebäudeportfolio.
M
Mobiliarschaden [CHF]: Schaden an beweglichen Sachgütern in den Daten der ECA Vaud. Für die Auswertungen indexiert auf das Jahr 2009 (Index ECA Vaud).
NS
Anzahl Schäden in einem bestimmten Zeitraum und einem bestimmten Gebäudeportfolio.
Errechnete Grössen
S/V
Schadenbetrag bezogen auf den Versicherungswert : Gibt an, zu welchem Anteil ein Gebäude (der Gebäudewert) durch einen Brand beschädigt wurde.
SS/VK
Schadenintensität : Schadensumme in einem Gebäudeportfolio bezogen auf sein Versicherungskapital.
NS/NG
Schadenhäufigkeit : Gibt an, wie viele Schäden es in einem bestimmten Zeitraum (meist 1 Jahr) durchschnittlich pro Gebäude gegeben hat.
NS>X/NG Schadenüberschreitungshäufigkeit : Häufigkeit von Schäden, die einen Betrag X überstiegen haben.
Tabelle 3.2: Begriffsdefinitionen. 3.3.2
Eigenschaften des Gebäudeportfolios In Abbildung 3.2 ist die Aufteilung des Gebäudeportfolios der kantonalen Gebäudeversicherer nach Zweckbestimmung dargestellt. Diese wurde durch Auswertung der IRV‐Portfoliodaten ermittelt (ergänzt mit auf der GVZ‐Homepage veröffentlichten Informationen zum Zürcher Gebäudebestand). 21 Wirtschaftliche Optimierung im vorbeugenden Brandschutz In der linken Grafik ist die Anzahl Gebäude im Portfolio nach Zweckbestimmung dargestellt, in der rechten Grafik das Versicherungskapital nach Zweckbestimmung. Die Prozentzahlen über den einzelnen Balken zeigen den relativen Anteil der verschiedenen Gebäudegruppen an der Gesamtzahl Gebäude (2‘124‘602 Gebäude) bzw. am Gesamt‐Versicherungskapital (1‘911 Mrd. CHF) an. Abbildung 3.2: Gebäudeportfolio nach Zweckbestimmung (IRV‐Portfoliodaten, Anfang 2009). Nicht eindeutig definiert ist die Gebäudegruppe mit der Zweckbestimmung 9 (Kleinbauten und Nebengebäude). Je nach Kanton können hier nicht nur Gebäude enthalten sein, sondern auch andere bauliche Anlagen wie Gartensitzplätze, Zäune und Mauern, Stützwände oder Schwimmbecken, die eher gegen Naturgefahren als wegen des Brandrisikos (meist freiwillig) versichert werden. In den folgenden Auswertungen wird diese Zweckbestimmung deswegen grundsätzlich ausgeschlossen. In Abbildung 3.3 ist die Schadenintensität (Schadensumme einer Gebäudegruppe bezogen auf ihr Versicherungskapital) für verschiedene Zweckbestimmungen dargestellt. Die schwarze Linie zeigt den Durchschnitt für alle Gebäude an. Dieser wurde berechnet, indem die Gesamtschadensumme aller Zweckbestimmungen durch das gesamte Versicherungskapital geteilt wurde. Abbildung 3.3: Schadenintensität nach Zweckbestimmung (IRV‐Portfoliodaten und IRV‐Schaden‐
daten 2000‐2007, 8‐Jahres‐Durchschnitt). 22 Kapitel 3 ‐ Datenanalyse 3.3.3
Schadenursachen In Abbildung 3.4 ist die Aufteilung der Schäden auf die verschiedenen Schadenursachen dargestellt, links nach Anzahl Schäden pro Jahr, rechts nach der jährlichen Schadensumme. Die Prozentzahlen über den einzelnen Balken zeigen den relativen Anteil der verschiedenen Schadenursachen an der Gesamtzahl Schäden (8‐Jahres‐Durchschnitt: 14‘034 Schäden/ Jahr) bzw. der Gesamt‐Schadensumme (8‐Jahres‐Durchschnitt: 310 Mio. CHF) an. Abbildung 3.4: Anzahl Schäden und Schadensumme nach Schadenursache, Zweck 1‐8 (IRV‐
Schadendaten 2000‐2007, 8‐Jahres‐Durchschnitt). Die Häufigkeit der einzelnen Schadenursachen in der Schadenstatistik ist nur ein Indiz für ihre tatsächliche Bedeutung: Nicht nur ist die Bestimmung der Schadenursache nach einem Brandfall stets mit einer gewissen Unsicherheit verbunden, auch das Einordnen in eine der vordefinierten Kategorien ist nicht immer eindeutig möglich. So ist zum Beispiel die Definition der Schadenursache 5 (Elektrizität) relativ weit gefasst, was möglicherweise die hohe Anzahl „Elektrobrände“ erklären kann. Der Anteil der verschiedenen Schadenursachen an den Schäden hängt auch davon ab, welche Gebäudegruppe betrachtet wird. In Tabelle 3.3 ist der Anteil der einzelnen Schadenursachen an der Gesamtschadensumme für verschiedene Zweckbestimmungen aufgetragen. Zweckbestimmung
1
2
3
4
5
6/7
8
1
2
Verwaltung, öffentl. Geb. 2.4 13.8
Wohngebäude
10.1 19.1
Landwirtschaft
9.2 10.4
Verkehrswesen
3.7 14.8
Handel
0.6 9.6
Industrie und Gewerbe
4.3 9.6
Gastgewerbe
2.6 24.4
alle Zwecke (1‐8)
7.7 15.9
Schadenursache (Code)
3
4
5
6
7
8
9 alle
1.7 1.0 23.3 7.0 25.3 7.3 18.3 100%
1.7 1.4 29.5 6.6 9.3 2.4 19.7 100%
5.4 0.6 26.0 7.3 8.3 3.4 29.4 100%
0.1 0.4 37.6 2.9 19.3 15.1 6.0 100%
1.0 0.7 27.4 1.6 30.2 5.7 23.2 100%
4.7 5.4 21.8 2.4 9.7 15.0 27.2 100%
0.4 0.2 34.0 1.6 17.9 1.1 17.8 100%
2.6 1.7 27.7 5.6 11.9 4.8 22.0 100% Tabelle 3.3: Anteil der Schadenursachen an der Gesamtschadensumme für verschiedene Zweckbestimmungen in Prozent (IRV‐Schadendaten 2000‐2007). 23 Wirtschaftliche Optimierung im vorbeugenden Brandschutz Zwischen der Auswertung nach Schadenanzahl und Schadensumme in Abbildung 3.4 gibt es zum Teil grosse Abweichungen. Diese lassen sich dadurch erklären, dass auch der durchschnittliche Schadenbetrag von der Schadenursache abhängt, siehe Tabelle 3.4. Code Schadenursache
1
2
3
4
5
6
7
8
9
Feuerungsanlagen
Bestimmungsgemässes Feuer
Selbstentzündungen
Explosionen
Elektrizität
Blitzschläge
Brandstiftungen
Andere bekannte Ursachen
Unbekannte Ursachen
Alle Ursachen
mittlerer Schadenbetrag
19'381 CHF
25'071 CHF
36'732 CHF
20'791 CHF
24'175 CHF
3'291 CHF
71'709 CHF
43'753 CHF
108'034 CHF
22'103 CHF Tabelle 3.4: Mittlerer Schadenbetrag pro Schaden für verschiedene Schadenursachen, Zweck 1‐8 (IRV‐Schadendaten 2000‐2007). Bei den Blitzschlägen wird zwischen direkten und indirekten Blitzschäden zu unterschieden. Indirekte Blitzschäden entstehen, wenn eine Überspannung aus einem Blitzschlag ausserhalb des Gebäudes z.B. über das Stromnetz in das Gebäude eingeleitet wird. Die Schäden entstehen meist an elektrischen Geräten, die zum Teil mit dem Gebäude mitversichert sind. Indirekte Blitzschäden sind sehr häufig, der Schadenbetrag ist in der Regel aber klein (Mittelwert aus den Schadendaten: 2‘009 CHF). Wenn ein Blitz direkt in ein Gebäude einschlägt, kann es zu einem Brandeintritt oder zu mechanischen Schäden kommen. Direkte Blitzschäden sind deutlich seltener als indirekte, der Schadenbetrag ist oft aber höher (Mittelwert 12‘818 CHF). Nur ca. 10% aller Blitzschäden werden durch einen direkten Blitzschlag hervorgerufen, jedoch über 40% der Gesamtschadensumme aus Blitzschäden. In den folgenden Auswertungen werden die Blitzschäden häufig ausgeschlossen. Wann dies der Fall ist, ist den Bildunterschriften oder dem Text zu entnehmen. 3.3.4
Schadenhäufigkeit Die jährliche Schadensumme in einem Gebäudeportfolio wird durch zwei Einflussgrössen bestimmt: Durch die Anzahl der Schäden sowie durch ihre Höhe. In diesem Abschnitt wird die Häufigkeit der Schäden unabhängig von ihrer Grösse betrachtet. Den Auswertungen liegen die Schaden‐ und Portfoliodaten der AGV zu Grunde. Die Zweckbestimmung 9 (Kleinbauten und Nebengebäude) sowie alle Blitzschäden wurden von der Auswertung ausgeschlossen. In Abbildung 3.5 (linke Seite) ist zu erkennen, dass die Schadenhäufigkeit mit zunehmendem Gebäudevolumen zunimmt. Der Anstieg ist allerdings unterproportional, die Schadenhäufigkeit pro Kubikmeter nimmt also mit zunehmender Gebäudegrösse ab (siehe rechte Seite von Abbildung 3.5). Ein ähnlicher Zusammenhang ergibt sich, wenn man die Schadenhäufigkeit in Abhängigkeit vom Versicherungswert der Gebäude darstellt. Dies ist nicht überraschend, da Volumen und Versicherungswert stark korreliert sind (der Versicherungswert wird im Rahmen der Schätzung unter Berücksichtigung des Ausbaustandards aus dem Gebäudevolumen ermittelt). 24 Kapitel 3 ‐ Datenanalyse Abbildung 3.5: Schadenhäufigkeit in Abhängigkeit vom Gebäudevolumen, Zweck 1‐8, ohne Blitz‐
schäden (Schadendaten 1999‐2008 und Portfoliodaten der AGV). Ein weiterer wichtiger Einflussfaktor neben der Gebäudegrösse ist die Zweckbestimmung, wie in Abbildung 3.6 beispielhaft für den Vergleich zwischen Wohngebäuden und landwirtschaftlichen Gebäuden zu erkennen ist. Ein wichtiger Einflussfaktor dürfte die Anwesenheit von Personen sein, da viele Brände durch Menschen verursacht werden. Abbildung 3.6: Schadenhäufigkeit nach Gebäudevolumen, Vergleich Zweck 2 und 3 (Wohngebäude und Landwirtschaft), ohne Blitzschäden (Schadendaten 1999‐2008 und Portfoliodaten der AGV). Ein Einfluss der Bauweise auf die Schadenhäufigkeit ist nicht zu erwarten, da davon auszugehen ist, dass die Wahrscheinlichkeit eines Brandes weniger von der Bauweise des Gebäudes abhängt als von seiner Nutzung. Diese Annahme wird durch die Auswertung der Daten bestätigt: Unterschiede zwischen den einzelnen Bauweisen bleiben unter Berücksichtigung der Gebäudegrösse im Rahmen der statistischen Unsicherheit (hier nicht dargestellt). Davon unabhängig ist die Frage, ob die Bauweise einen Einfluss auf die Schadenhöhe im Brandfall hat (siehe Abschnitt 3.3.5.3). Die Abhängigkeit der Schadenhäufigkeit vom Baujahr ist in Abbildung 3.7 dargestellt. Gebäude mit Baujahr ab 1999 wurden nicht berücksichtigt, da diese erst im Betrachtungszeitraum erbaut wurden. 25 Wirtschaftliche Optimierung im vorbeugenden Brandschutz Die linke Seite zeigt eine Auswertung der Schadenhäufigkeit nach Baujahrklassen für die Gruppe der Wohngebäude. Gebäude mit Baujahren vor 1900 scheinen eine leicht erhöhte Brandeintrittsrate zu haben. Noch deutlicher wird dies bei Betrachtung der landwirtschaftlichen Gebäude (rechts), bei denen wegen der geringeren Anzahl Gebäude allerdings die statistische Unsicherheit grösser ist. Abbildung 3.7: Schadenhäufigkeit nach Baujahrklassen, Wohngebäude bzw. landwirtschaftliche Gebäude, ohne Blitzschäden (Schadendaten 1999‐2008 und Portfoliodaten der AGV). Die Auswertungen nach Baujahr sind mit Vorsicht zu interpretieren: In den AGV‐Portfoliodaten fehlt die Angabe zum Baujahr in vielen Datensätzen, vor allem bei älteren Gebäuden. In den Schadendaten gibt es keine Angaben zum Baujahr, es kann aber durch Verknüpfung mit den Portfoliodaten bestimmt werden. Fehlende Angaben zum Baujahr gibt es sowohl bei Gebäuden ohne Angabe zum Baujahr in den Portfoliodaten als auch bei Gebäuden, bei denen die Verknüpfung mit den Portfoliodaten nicht mehr möglich ist. Dies kann zu Verzerrungen in den Auswertungen führen. Ausserdem ist zu beachten, dass das Baujahr keine Aussage über spätere Renovationen zulässt. 3.3.5
Höhe der Gebäudeschäden Neben der Schadenhäufigkeit ist es auch wichtig zu wissen, wie gross die Schäden in einem Brandfall sind und wodurch die Schadenhöhe beeinflusst wird. Im Folgenden wird zunächst die Schadenhöhe getrennt von der Schadenhäufigkeit betrachtetet. Dies ist sinnvoll, da es sich bei der Entzündung und der Brandausbreitung um zwei verschiedene Prozesse mit unterschiedlichen Einflussparametern handelt. Im nächsten Schritt können dann Schadenhäufigkeit und Schadenhöhe kombiniert werden. 3.3.5.1
Schadenbetrag im Brandfall In Abbildung 3.8 ist abzulesen, wie gross der Beitrag z.B. der 10% grössten Schäden (auf der x‐Achse) an der Gesamtschadensumme (auf der y‐Achse) ist. An einzelnen Punkten ist der zugehörige Schadenbetrag angegeben. Es ist erkennbar, dass zwar nur ein sehr kleiner Prozentsatz der Schäden (0.3%) einen Schadenbetrag grösser als 1 Mio. CHF hatte, dass diese „Millionenschäden“ aber fast 30% der Gesamtschadensumme ausmachen. Die Grafik auf der linken Seite wurde auf Basis aller IRV‐
26 Kapitel 3 ‐ Datenanalyse Schadendaten inklusive den Schäden an Kleinbauten und Nebengebäude sowie den Blitzschäden erstellt. Auf der rechten Seite wurden diese meist eher kleinen Schäden ausgeschlossen. Abbildung 3.8: Anteil der Schäden (mit abnehmender Schadensumme) an der Gesamtschadenzahl sowie der Gesamt‐Schadensumme (IRV‐Schadendaten 2000‐2007). Die Grafik macht deutlich, dass neben dem mittleren Schadenbetrag auch die gesamte Verteilung der Schäden betrachtet werden muss, vor allem aber der obere Bereich (Verteilung der Grossschäden). In Abbildung 3.9 ist die empirische Verteilung des Schadenbetrags dargestellt. Auf der x‐Achse ist der Schadenbetrag in logarithmischer Skala dargestellt, auf der y‐Achse die kumulierte relative Häufigkeit. Sie gibt an, wie viel Prozent der Schäden kleiner sind als ein bestimmter Betrag. So ist zum Beispiel zu erkennen, dass mehr als 80% der Elektrobrände kleiner sind als 104=10‘000 CHF, aber nur ca. 60% der Schäden aus Brandstiftungen. Je weiter rechts eine Kurve liegt, desto wahrscheinlicher sind grosse Schäden, desto „gefährlicher“ ist also die Verteilung. Die Zahlen in Klammern hinter den Legendeneinträgen geben an, wie viele Schäden es für jede Ursache gegeben hat. Je kleiner die Anzahl Schäden, auf denen die Kurven basieren, desto grösser ist die statistische Unsicherheit. Wie bereits beim Vergleich des mittleren Schadenbetrags (Tabelle 3.4) fällt auf, dass die Blitzschäden zum Grossteil deutlich kleiner sind als die Schäden anderer Ursachen. Eher zu grösseren Schäden führen die Brandstiftungen. Die Verteilungen der anderen Schadenursachen weichen weniger stark voneinander ab, vor allem bei den Schäden grösser als 105=100‘000 CHF. Eine Sonderstellung nehmen die Schäden mit unbekannter Ursache ein: Bei grossen Bränden ist es schwieriger, im Nachhinein die Brandursache festzustellen, weswegen diese eher den „unbekannten Ursachen“ zugeordnet werden als kleine Schäden. Des Weiteren fallen aber auch alle vermuteten, aber nicht nachweisbaren Brandstiftungen in diese Kategorie. Für die Darstellung wurden Schäden in Gebäuden aller Zweckbestimmungen ausser Zweck 9 (Kleinbauten und Nebengebäude) berücksichtigt. Bei der Betrachtung einzelner Gebäudegruppen kann sich ein anderes Bild ergeben (hier nicht dargestellt). Die Verteilungen in Abbildung 3.9 werden von der zahlenmässig grössten Gruppe der Wohngebäude dominiert. Abbildung 3.10 (links) zeigt die Verteilung des Schadenbetrags für alle Schadenursachen (ohne Blitzschläge) in verschiedenen Zweckbestimmungen. In dieser Grafik wurde auch die (zahlenmässig unbedeutende) Gruppe der Verkehrsgebäude von der Auswertung ausgeschlossen. Die rechte Seite von Abbildung 3.10 zeigt die 27 Wirtschaftliche Optimierung im vorbeugenden Brandschutz Verteilung des Schadenbetrags bezogen auf den Versicherungswert der Gebäude. Die senkrechte Linie bei 100=1 markiert die Totalschäden, bei denen ein Gebäude zu 100% abgebrannt ist. Diese sind bei den landwirtschaftlichen Gebäuden deutlich häufiger als bei den anderen Zweckbestimmungen. Abbildung 3.9: Kumulative relative Häufigkeit des Schadenbetrages nach Schadenursache, Zweckbestimmungen 1‐8 (IRV‐Schadendaten 2000‐2007). Abbildung 3.10: Kumulative Verteilung des Schadenbetrages absolut bzw. bezogen auf den Versicherungswert nach Zweckbestimmung, ohne Blitzschäden (IRV‐Schadendaten 2000‐2007). 28 Kapitel 3 ‐ Datenanalyse Auf den ersten Blick erscheint es aussagekräftiger, den Schadenbetrag auf den Versicherungswert zu beziehen wie in der rechten Hälfte von Abbildung 3.10. Tatsächlich hat der Versicherungswert eines Gebäudes aber in den meisten Brandfällen keinen Einfluss auf den Schadenbetrag. Die meisten Brände werden gelöscht, ehe sie den Raum oder den Brandabschnitt verlassen, in dem sie entstanden sind. Der Versicherungswert wird erst bei den Grossschäden als obere Grenze relevant, da er nur noch um die Aufräumkosten überstiegen werden kann. In Abbildung 3.11 (linke Seite) ist das gut zu erkennen: Unterhalb der Diagonalen, die die Totalschäden markiert, ist der Schadenbetrag unabhängig vom Versicherungswert der Gebäude. Trägt man aber den Schadenbetrag als Anteil des Versicherungswertes auf (rechts), so ist eine deutliche Abhängigkeit vom Versicherungswert der Gebäude erkennbar. Die Totalschäden werden hier durch die horizontale Linie bei 100 = 1 markiert. Abbildung 3.11: Streudiagramm des Schadenbetrags über dem Versicherungswert der Gebäude, nur Wohngebäude ohne Blitzschäden (IRV‐Schadendaten 2007). Der Versicherungswert hat offensichtlich nur für die Grossschäden einen Einfluss. Die Verteilung des Schadenbetrags im Brandfall kann somit unabhängig vom Versicherungswert betrachtet werden, jedoch nicht im Bereich der Grossschäden, da diese (abgesehen von zusätzlichen Aufräumkosten) stets auf den Versicherungswert beschränkt sein müssen. Totalschäden sind zwar selten, haben aber einen grossen Einfluss auf die Schadensumme in einem Portfolio (vgl. Abbildung 3.8). 3.3.5.2
Jährliche Überschreitungshäufigkeit Verknüpft man die Information aus den kumulativen Häufigkeitsdiagrammen (Abschnitt 3.3.5.1) mit der jährlichen Schadenhäufigkeit, so ergibt sich die durchschnittliche jährliche Überschreitungshäu‐
figkeit eines bestimmten Schadenbetrags. In Abbildung 3.12 sind die Überschreitungshäufigkeiten von Schäden in Gebäuden verschiedener Zweckbestimmung dargestellt. Die Kurven beginnen auf der linken Seite bei der empirischen Schadenhäufigkeit (Anzahl Schäden pro Jahr und Gebäude bei Vernachlässigung von Schäden unter 10² = 100 CHF). Weiter rechts ist die jährliche Häufigkeit von Schäden dargestellt, die grösser sind als der auf der x‐Achse angegebene Schadenbetrag. Weil bei den Grossschäden die Datenbasis immer kleiner wird, nimmt die statistische Unsicherheit zu, je grösser der Schadenbetrag ist. Das rechte Ende der Kurven ist der grösste beobachtete Schaden. 29 Wirtschaftliche Optimierung im vorbeugenden Brandschutz Abbildung 3.12: Jährliche Überschreitungshäufigkeiten des Schadenbetrags nach Zweck, ohne Blitzschäden (IRV‐Schadendaten 2000‐2007 ohne Zürich, IRV‐Portfoliodaten). Bei den kumulativen relativen Häufigkeitsdiagrammen kann nicht unterschieden werden, ob es zum Beispiel bei den landwirtschaftlichen Gebäuden viele grosse oder wenige kleine Schäden gab (vgl. Abbildung 3.10 links). Die Darstellung in Abbildung 3.12 ist hier differenzierter: Die Kurve für Zweck 3 startet links niedriger als die anderen, insgesamt brennt es in den landwirtschaftlichen Gebäuden also eher selten. Im mittleren Bereich ist die Kurve allerdings relativ flach, das heisst im Brandfall kommt es häufig zu grösseren Schäden: Trotz der geringeren Brandeintrittsrate gab es bei den landwirtschaftlichen Gebäuden genauso häufig Schäden von 100'000 CHF oder mehr wie bei den Wohngebäuden, Schäden über 1 Mio. CHF kommen sogar deutlich häufiger vor. Für die Gesamt‐
Schadensumme einer Gebäudegruppe ist es vor allem wichtig zu wissen, wie häufig es zu Grossschäden kommt. In den Diagrammen zur Überschreitungshäufigkeit ist also insbesondere der rechte Teil der Kurven relevant. Das Brandrisiko ist besonders gross bei Kurven, die mit einer relativ hohen Brandeintrittswahrscheinlichkeit starten und dann nach rechts eher flach auslaufen und somit auch für Grossschäden über 105=100‘000 CHF noch grosse Überschreitungshäufigkeiten anzeigen. Die Überschreitungshäufigkeit hängt vom Versicherungswert der Gebäude ab: Zum einen beeinflusst die Grösse des Gebäudes die Schadenhäufigkeit, also den Startpunkt der Kurven auf der linken Seite. Zum anderen werden Grossschäden durch den Versicherungswert der Gebäude beschränkt, die Kurven laufen also je nach Versicherungswert der Gebäude rechts unterschiedlich aus. In Abbildung 3.13 sind Überschreitungshäufigkeiten für verschiedene Versicherungswert‐Klassen bei den Wohngebäuden dargestellt. Im mittleren Bereich sind die Kurven annähernd parallel, der Einfluss des Versicherungswertes ist hier eher klein. Geringe Einflüsse dürften hauptsächlich dadurch zu erklären sein, dass in den unterschiedlichen Klassen verschiedene Typen von Wohngebäuden enthalten sind. 30 Kapitel 3 ‐ Datenanalyse So dürften z.B. Ferienhäuser (mit wenigen luxuriösen Ausnahmen) vor allem in der untersten Klasse zu finden sein, Einfamilienhäuser in den mittleren Klassen und Mehrfamilienhäuser in den oberen. Abbildung 3.13: Jährliche Überschreitungshäufigkeiten des Schadenbetrags für verschiedene Versicherungswert‐Klassen, Wohngebäude, ohne Blitzschäden (IRV‐Schadendaten 2000‐2007 ohne Zürich, IRV‐Portfoliodaten). 3.3.5.3
Kantonale Unterschiede Die Verteilung der Schäden unterscheidet sich je nach Kanton: Die Schäden in einem ländlich geprägten Kanton wie Graubünden werden kaum mit denen in Basel Stadt vergleichbar sein. Abweichungen können aber auch durch die Geschäftsführung der Gebäudeversicherungen, z.B. bei der Schadenbearbeitung, im Schätzungswesen oder in der Datenhaltung entstehen. In diesem Fall liegt der Unterschied nicht bei den Schäden selbst, sondern bei ihrer Bewertung und Erfassung. Die im Folgenden betrachteten Kantone Bern, Vaud, Aargau, Sankt Gallen, Luzern, Graubünden und Basel‐Land stellen gemeinsam mehr als die Hälfte des Gebäudebestandes der kantonalen Gebäudeversicherungen (nach Versicherungssumme). Da von Zürich keine Portfoliodaten vorlagen, wurde bei den Auswertungen Basel‐Stadt als städtischer Kanton hinzugenommen. Die folgenden Auswertungen beschränken sich auf die zahlenmässig grosse und verhältnismässig homogene Gruppe der Wohngebäude. Weitere Auswertungen und eine ausführliche Diskussion der möglichen Ursachen für die Unterschiede zwischen den Kantonen sind in Fischer (Krämer) (2010) zu finden. In Abbildung 3.14 ist die jährliche Überschreitungshäufigkeit des Schadenbetrags (nur Schäden grösser als 103=1000 CHF) für Wohngebäude nach Kantonen dargestellt. Die Zahlen in der Legende geben an, wie viele Schäden (NS) bzw. wie viele Gebäude (NG) der Auswertung zu Grunde liegen. 31 Wirtschaftliche Optimierung im vorbeugenden Brandschutz Abbildung 3.14: Jährliche Überschreitungshäufigkeiten des Schadenbetrags in verschiedenen Kantonen, Wohngebäude, ohne Blitzschäden (IRV‐Schadendaten 2000‐2007, IRV‐Portfoliodaten). Abbildung 3.15: Jährliche Überschreitungshäufigkeiten des Schadenbetrags in verschiedenen Kantonen, Wohngebäude mit Versicherungswert zwischen 500‘000 und 1 Mio. CHF, ohne Blitzschäden (IRV‐Schadendaten 2000‐2007, IRV‐Portfoliodaten). 32 Kapitel 3 ‐ Datenanalyse Die Unterschiede zwischen den einzelnen Kantonen lassen sich zum Teil durch die Verteilung der Versicherungswerte erklären. So sind die vergleichsweise hohen Schäden im Kanton Basel‐Stadt dadurch zu erklären, dass hier eher grössere Gebäude anzutreffen sind, in denen es sowohl häufiger brennt, als auch zu grösseren Schäden kommen kann. Beschränkt man die Auswertung auf Wohngebäude mit Versicherungswerten zwischen 500‘000 und 1 Mio. CHF, so liegen die Schäden in Basel Stadt schon eher im Bereich der anderen Kantone, siehe Abbildung 3.15 (dann wird wegen der kleineren Datenbasis allerdings auch die statistische Unsicherheit grösser). Die Schadendaten aus dem Kanton Bern enthalten keine Angaben zum Versicherungswert und wurden deswegen bei der Auswertung nicht berücksichtigt. Bei der Auswertung des Schadenbetrages bezogen auf den Versicherungswert der Gebäude (hier nicht dargestellt) fällt auf, dass vor allem bei der Häufigkeit von Totalschäden grosse kantonale Unterschiede bestehen. Diese sind möglicherweise zum Teil auf verschiedene Ansätze bei der Schadenbehandlung zurückzuführen. Denkbar sind Unterschiede bei der Bewertung von Brandresten und bei der Vergütung von Aufräumkosten. Des Weiteren kann die Versicherungsleistung nach dem Neuwert, dem Zeitwert oder dem Verkehrswert des Gebäudes bemessen werden, was je nach Kanton im Einzelfall unterschiedlich gehandhabt wird (zum Beispiel, wenn der Gebäudeeigentümer sich gegen einen Wiederaufbau entscheidet). Ein Teil der in Abbildung 3.14 und Abbildung 3.15 erkennbaren Unterschiede könnte also auf die unterschiedliche Handhabung von Grossschäden in den einzelnen Versicherungen zurückzuführen sein. Die Unterschiede zwischen den Kantonen sind gross: Zum Teil sind die Überschreitungshäufigkeiten im „schlechtesten“ Kanton mehr als fünfmal so hoch wie im „besten“, und zwar gerade im Bereich der Grossschäden von 500'000 CHF oder mehr. Auf Basis der Daten lassen sich die Abweichungen zum Teil durch strukturelle Unterschiede zwischen den Kantonen begründen, siehe zum Beispiel die Diskussion zu Abbildung 3.14 und Abbildung 3.15. Natürlich sind nicht alle Besonderheiten der einzelnen Kantone in den Daten erkennbar. Es sind unter anderem Unterschiede in den folgenden, nicht in den Daten erfassten Bereichen denkbar: ‐
‐
‐
‐
‐
‐
‐
Lokale Baukultur und Bauweise, Verwendung brennbarer Materialien Brandschutzvorschriften vor der Harmonisierung, Vollzug der BSV Bebauungsdichte, ländliche und städtische Bereiche Ausrüstung, Ausbildung und Organisation der Feuerwehr Verfügbarkeit von Löschwasser in ländlichen Regionen Erschliessung der Gebäude, Entfernungen für die Feuerwehr Pro‐Kopf‐Einkommen und andere sozioökonomischen Faktoren. Aufgrund der diskutierten Unterschiede kann man davon ausgehen, dass sich die Schäden zwischen den einzelnen Kantonen tatsächlich unterscheiden. Selbst wenn zwei in unterschiedlichen Kantonen beobachtete Schäden gleich gross sind, kann sich aber der in den Daten erfasste versicherte Schaden unterscheiden. Mögliche Ursachen hierfür sind Unterschiede im Vorgehen bei der Gebäudeschätzung und der Schadenbehandlung sowie Details in der Policengestaltung. Zu guter Letzt ist zu beachten, dass die Schaden‐ und Portfoliodaten der 19 KGV‐Kantone an 19 verschiedenen Stellen erhoben wurden. Bei der Erhebung der Daten sowie bei ihrer Aufbereitung durch den IRV können Inkonsistenzen erstehen, z.B. durch unterschiedliche Interpretation der VKF‐Codes für Zweckbestimmung und Schadenursache oder aufgrund von Unterschieden bei der Abgrenzung der Versicherungspolicen, z.B. nach Objekt oder nach Eigentümer, siehe auch Imhof (2011). 33 Wirtschaftliche Optimierung im vorbeugenden Brandschutz Für die Unterschiede zwischen den einzelnen Kantonen gibt es also viele denkbare Ursachen. Wahrscheinlich ist ein Zusammenspiel von mehreren der aufgeführten Unterschiede. Dies erschwert die Interpretation der Ergebnisse, die Daten aus den einzelnen Kantonen sind dadurch nicht ohne weiteres vergleichbar. Im Rahmen des Projektes „Wirtschaftliche Optimierung im vorbeugenden Brandschutz“ stützt sich die Modellbildung entweder auf Daten aller Kantone oder auf Daten aus dem Kanton Aargau. Letztere dienten bereits Grundlage für einen Teil der Auswertungen, was das Verständnis für mögliche Verzerrungen, die sich aus der Erhebung der Daten ergeben, verbessert. Zudem handelt es sich bei dem Kanton Aargau um einen relativ grossen und dennoch „durchschnittlichen“ Kanton, in dem es sowohl städtische als auch ländliche Gebiete gibt. Langfristig sollte jedoch das Ziel sein, die Unterschiede zwischen den einzelnen Kantonen explizit zu erfassen und die Vergleichbarkeit der Daten zu verbessen (siehe Abschnitt 3.3.9). 3.3.5.4
Auswertungen nach Baujahr und Bauweise Für die Auswertungen nach Baujahr und Bauweise wurden die Daten aus dem Kanton Aargau verwendet. Beide Merkmale sind nur in den Portfoliodaten enthalten, nicht in den Schadendaten. Da keine historischen Portfoliodaten gespeichert werden, können nur Schäden an Gebäuden untersucht werden, die Anfang 2009 noch im Portfolio enthalten waren. Hierdurch können systematische Fehler entstehen, zum Beispiel weil Gebäude mit Totalschäden aus den Portfoliodaten gelöscht werden. Angaben zum Baujahr fehlen oft auch in den Portfoliodaten, vor allem bei älteren Gebäuden. Abbildung 3.16 zeigt die kumulativen relativen Häufigkeiten (links) bzw. die Überschreitungshäufig‐
keiten (rechts) des Schadenbetrags nach Baujahr der betroffenen Gebäude (nur Wohngebäude, ohne Gebäude, die erst im Beobachtungszeitraum ab 1999 erstellt wurden). Zur Minimierung der statistischen Unsicherheiten wurden die Gebäude in drei Altersgruppen eingeteilt. Die Kurven der zwei jüngeren Gruppen ähneln sich stark, bei den Gebäuden mit Baujahr vor 1950 wurden dagegen deutlich mehr grössere Schäden beobachtet. Das ist insbesondere deswegen bemerkenswert, da in dieser Gruppe tendenziell kleinere Gebäude anzutreffen sind als bei den jüngeren Gebäuden. Abbildung 3.16: Kumulative relative Häufigkeit bzw. jährliche Überschreitungshäufigkeit des Schadenbetrags für verschiedene Baujahr‐Klassen bei den Wohngebäuden, ohne Blitzschäden (Schadendaten 1999‐2008 der AGV, Portfoliodaten der AGV). 34 Kapitel 3 ‐ Datenanalyse Für die Interpretation der Auswertungen nach Baujahr gelten die gleichen Einschränkungen wie bei den Auswertungen für die Schadenhäufigkeit in Abbildung 3.7: Da bei vielen Gebäuden keine Angaben zum Baujahr in den Daten enthalten sind, können die Ergebnisse eventuell leicht verzerrt sein. Zudem ist wieder zu beachten, dass spätere Renovationen bei der Angabe des Baujahrs nicht berücksichtigt werden. Es ist somit schwierig, vom Baujahr eines Gebäudes direkt auf seinen Zustand sowie auf Bautechnik und Normung zu schliessen. Abbildung 3.17: Kumulative relative Häufigkeit bzw. jährliche Überschreitungshäufigkeit des Schadenbetrags für verschiedene Bauarten, Wohngebäude, ohne Blitzschäden (Schadendaten 1999‐2008 der AGV, Portfoliodaten der AGV). In Abbildung 3.17 sind die kumulativen relativen Häufigkeiten im Brandfall (links) bzw. die jährlichen Überschreitungshäufigkeiten (rechts) des Schadenbetrags für verschiedene Bauweisen bei Beschränkung auf die Wohngebäude dargestellt. Die Unterschiede zwischen den Bauweisen sind verhältnismässig klein und könnten auch durch indirekte Einflüsse (z.B. über das Baujahr oder die Gebäudegrösse) oder statistische Effekte (geringe Datenmenge) hervorgerufen werden. Durch Datenanalyse nicht bestimmbar ist, ob die geringen Unterschiede zwischen den Bauweisen eine Folge der schärferen Bestimmungen für Gebäude in weicher Bauweise sind. 3.3.6
Schäden an mehreren Objekten im selben Brandereignis Sowohl in den IRV‐Schadendaten als auch in den Daten der AGV ist ein Schaden jeweils auf ein Objekt (Versicherungsnummer) bezogen. Häufig tragen zusammengehörige Objekte (z.B. Haus und Garage) verschiedene Gebäudenummern. Darum und bei Brandübergriffen auf Nachbargebäude ist es möglich, dass es im selben Ereignis zu Schäden an mehreren Objekten kommt. Die Schäden werden separat nach Versicherungsnummer in den Schadendaten erfasst. Um abzuschätzen, wie häufig es zu Ereignissen mit Schäden an mehreren Objekten kommt, wurden aus den Aargauer Daten Schäden mit gleicher Schadenursache am gleichen Datum gesucht (ohne Blitzschäden). Die so erhaltene Datei mit 548 Schäden in 189 Ereignissen konnte anhand der Ortsangaben per Hand noch weiter aussortiert werden, so dass schliesslich 379 Schäden verblieben, die 140 Schadenereignissen zugeordnet werden konnten, siehe Tabelle 3.5. Die tatsächliche Anzahl Ereignisse mit mehreren beschädigten Objekten ist höchstwahrscheinlich grösser als 140. So wurden zum Beispiel Ereignisse, bei denen die Schadenursache zunächst als unbekannt eingetragen, später aber (nur) beim grössten 35 Wirtschaftliche Optimierung im vorbeugenden Brandschutz Schaden korrigiert wurde, nicht als zusammengehörig erkannt. Andererseits enthält Tabelle 3.5 auch Ereignisse, mit verhältnismässig kleinen Schäden an den Nachbargebäuden oder ‐Objekten: Bei mehr als 40% der Ereignisse betrug der Schaden an Nachbargebäuden weniger als 10% des grössten Schadens. Die Gesamtschadensumme war bei mehr als 30% der Ereignisse kleiner als 100‘000 CHF. Diese Zahlen machen deutlich, dass es sich bei den Ereignissen mit Schäden an mehreren Objekten nicht unbedingt um Grossbrände handeln muss. Denkbar sind zum Beispiel Schäden an Nachbargebäuden, die durch Rauch oder im Rahmen der Löscharbeiten entstanden sind. Schliesslich ist zu beachten, dass es sich bei den einzelnen Objekten nicht unbedingt um separate Gebäude handeln muss, da auch Gebäudeteile wie Anbauten oder Tiefgaragen zum Teil eine eigene Versicherungsnummer erhalten. Objekte
2
3
4
5
> 5
alle
Ereignisse
94
25
7
5
9
140
Prozent
67.1%
17.9%
5.0%
3.6%
6.4%
100.0% Tabelle 3.5: Anzahl betroffener Objekte / Versicherungsnummern bei Ereignissen mit Schäden an mehreren Objekten, ohne Blitzschläge (Schadendaten 1999‐2008 der AGV). Aus den Daten ist nicht ersichtlich, in welchem Gebäude das Feuer ausgebrochen ist. Die folgenden Auswertungen beziehen sich auf das Gebäude mit dem grössten Schaden. Dieses hat in etwa 80% der Fälle auch den grössten Quotienten aus Schadenbetrag und Versicherungswert. Gerade bei einer Brandentstehung in Anbauten und Nebengebäuden kommt es allerdings häufig vor, dass der Schaden am Hauptgebäude grösser ist als der Schaden im Nebengebäude. Die getroffene Annahme ist also nicht immer zutreffend. Abbildung 3.18 zeigt eine Auswertung der Daten nach der Zweckbestimmung des Gebäudes mit dem grössten Schadenbetrag. Die linke Seite zeigt die Häufigkeit von Ereignissen mit Schäden an mehreren Objekten („Mehrfachschäden“) bezogen auf die Anzahl Brandschäden insgesamt je Zweckbestimmung. Aus dieser Auswertung lässt sich abschätzen, wie gross die Wahrscheinlichkeit ist, dass ein Brand an einem Gebäude einer bestimmten Zweckbestimmung zu Schäden an Nachbarobjekten führt. Die Zahlen über den Balken geben an, wie viele Mehrfachschäden es in der jeweiligen Kategorie gegeben hat. Die statistische Unsicherheit ist wegen der geringen Anzahl Mehrfachschäden sehr hoch. Besonders hoch ist die Häufigkeit bei Bränden an Kleinbauten und Nebengebäuden. Hierbei handelt es sich jedoch oft nicht um separate Gebäude, sondern um Anbauten und Gebäudeteile. Die rechte Seite von Abbildung 3.18 zeigt den durchschnittlichen Schaden an benachbarten Gebäuden (also die Schadensumme je Ereignis abzüglich des grössten Schadens) für verschiedene Zweckbestimmungen. Auch hier ist wegen der geringen Anzahl Mehrfachschäden die statistische Unsicherheit allerdings sehr gross. Wegen der geringen Grösse des Datensatzes werden im Folgenden nur Auswertungen für alle Zweckbestimmungen gezeigt. Hier nicht dargestellte Auswertungen nur für Zweck 2, 3, 6/7 und 9 zeigen, dass sich die Ergebnisse (mindestens qualitativ) auf die einzelnen Zweckbestimmungen übertragen lassen 36 Kapitel 3 ‐ Datenanalyse Abbildung 3.18: Häufigkeit von Mehrfachschäden pro 100 Brandschäden (links) sowie mittlerer Schaden an Nachbargebäuden nach Zweck des Gebäudes mit dem grössten Schaden in Ereignissen mit Schäden an mehreren Objekten (Schadendaten 1999‐2008 der AGV, ohne Blitzschläge). Abbildung 3.19 zeigt die Häufigkeit von Mehrfachschäden pro 100 Schäden sowie den durchschnittlichen Schaden an Nachbargebäuden abhängig vom grössten Schaden je Ereignis. Die Zahlen über den Balken geben wieder an, wie viele Mehrfachschäden es in den einzelnen Kategorien gab. Unter der Annahme, dass das Feuer in dem Gebäude mit dem grössten Schaden ausgebrochen ist, lässt sich abschätzen, wie wahrscheinlich es ist, dass es bei einem Schaden einer bestimmten Schadenhöhe zu Schäden an Nachbargebäuden kommt, und wie gross diese sind. Natürlich ist auch denkbar, dass ein kleines Feuer auf ein benachbartes Gebäude übertritt und dort einen sehr grossen Schaden anrichtet. Die in Abbildung 3.19 erkennbare Tendenz sollte aber trotzdem zutreffen: Je grösser das Feuer, desto wahrscheinlicher die Ausbreitung auf Nachbargebäude und desto grösser die im Falle eines Brandübertritts zu erwartenden Konsequenzen. Abbildung 3.19: Häufigkeit von Mehrfachschäden pro 100 Brandschäden (links) sowie mittlerer Schaden an Nachbargebäuden nach Schadenbetrag des grössten Schadens in Ereignissen mit Schäden an mehreren Objekten (Schadendaten 1999‐2008 der AGV, ohne Blitzschläge). 37 Wirtschaftliche Optimierung im vorbeugenden Brandschutz Eine weitere Einflussgrösse ist die Lage der benachbarten Gebäude zueinander. In den Aargauer Daten wird zwischen zusammengebauten Gebäuden mit oder ohne Brandmauer sowie freistehenden Gebäuden unterschieden. Schäden an Gebäuden, die als „abgelegen“ klassifiziert sind (Code 1), wurden der Kategorie „unbekannte Lage“ zugeordnet, da hier keine Aussage über die Lage zu den Nachbargebäuden getroffen werden kann. Da die Angabe zur Lage nur in den Portfoliodaten verfügbar ist, fehlt sie bei allen Schäden, bei denen eine Verknüpfung mit den Portfoliodaten nicht mehr möglich ist. Abbildung 3.20 zeigt die Häufigkeit von Mehrfachschäden pro 100 Schäden sowie den durchschnittlichen Schaden an Nachbargebäuden nach Lage der Gebäude zueinander. Auf den ersten Blick überraschend ist der geringe Einfluss von Brandmauern auf die Häufigkeit von Schäden an Nachbargebäuden (linke Seite von Abbildung 3.20). Eine denkbare Erklärung ergibt sich aus dem deutlichen Unterschied im mittleren Schaden am Nachbargebäude (rechte Grafik): Möglicherweise kann eine Brandmauer zwar Schäden am Nachbargebäude nicht gänzlich verhindern, sie verringert aber die Wahrscheinlichkeit eines Brandübergriffs mit grossen Schäden am benachbarten Gebäude. Abbildung 3.20: Häufigkeit von Mehrfachschäden pro 100 Brandschäden (links) sowie mittlerer Schaden an Nachbargebäuden nach Lage der Gebäude zueinander in Ereignissen mit Schäden an mehreren Objekten (Schadendaten 1999‐2008 der AGV, ohne Blitzschläge). Neben der üblichen statistischen Unsicherheit ist bei Abbildung 3.20 zu beachten, dass Datenlücken (keine Angabe zur Lage) nicht unbedingt unabhängig von der Lage der Gebäude auftreten. So ist zum Beispiel gerade bei Gebäuden, die komplett abgebrannt sind, die Verknüpfung zu den Portfoliodaten (mit Angaben zur Lage) oft nicht möglich. Bei den Mehrfachschäden konnte zwar zum Teil auf die Angaben zur Lage bei den Nachbargebäuden zurückgegriffen werden, dennoch ist es möglich, dass die Datenlücken das Ergebnis verzerren. Das gleiche Problem tritt bei der Auswertung der Daten nach Bauweise der Gebäude auf. Da hier nicht auf Angaben für die Nachbargebäude zurückgegriffen werden kann, ist eine aussagekräftige Auswertung nach diesem Merkmal leider nicht möglich. Abbildung 3.21 zeigt die Häufigkeit von Mehrfachschäden pro 100 Schäden nach Baujahr des Gebäudes mit dem grössten Schaden. Auch fehlende Baujahre können nicht einfach vom Nachbargebäude übernommen werden. Hier ist aber zumindest erkennbar, dass die Häufigkeit von 38 Kapitel 3 ‐ Datenanalyse Mehrfachschäden mit dem Alter der Gebäude ansteigt. Die grosse Anzahl Mehrfachschäden für Baujahre ab 1999 lässt sich durch die Struktur der Daten erklären: Da die Portfoliodaten aus dem Jahr 2009 die „aktuellen“ Baujahre der Gebäude enthält (nicht das Baujahr des Gebäudes zum Schadenzeitpunkt), fallen in diese Kategorie auch ältere Gebäude, die im Berichtszeitraum 1999‐2008 abgebrannt sind und wieder aufgebaut wurden. Abbildung 3.21: Häufigkeit von Mehrfachschäden pro 100 Brandschäden nach Baujahr des Gebäudes mit dem grössten Schaden in Ereignissen mit Schäden an mehreren Objekten (Schadendaten 1999‐2008 der AGV, ohne Blitzschläge). 3.3.7
Mobiliarschäden Bisher wurden lediglich die Schäden an den versicherten Gebäuden behandelt. Eine Besonderheit im Kanton Waadt ermöglicht es, auch die Schäden an dem im Gebäude befindlichen Mobiliar zu untersuchen: Die kantonale Versicherungsanstalt ECA Vaud versichert nicht nur Gebäude, sondern auch bewegliche Sachen innerhalb des Kantons. Sowohl die Gebäudeversicherung als auch die Mobiliarversicherung sind obligatorisch. Zu beachten ist allerdings, dass in der Mobiliarversicherung nicht alle Sachgüter dem Versicherungsobligatorium unterliegen. So sind zum Beispiel Kunstgegenstände und andere Sammlerstücke, Motorfahrzeuge und Boote sowie Schäden an Aussenanlagen von Gebäuden (Hof und Garten) nur fakultativ bei der ECA Vaud versichert. Das versicherte Mobiliar stellt etwas weniger als 30% des Versicherungskapitals (Zahlen aus dem Geschäftsbericht der ECA Vaud 2009). Die vorliegenden Schadendaten enthalten Schäden von 1995 bis Mitte Juni 2009, also etwas weniger als 13.5 Jahre. Versichert sind auch Schäden an Mobiliar von Personen mit Wohnsitz in Waadt, das sich vorübergehend im Ausland oder einem anderen Kanton befindet. Anhand der Angaben zum Schadenort konnten diese Schäden jedoch von der Auswertung ausgeschlossen werden. Blitzschäden wurden ebenfalls von der Auswertung ausgeschlossen. Eine Aufstellung der in der Mobiliarversicherung verwendeten Policentypen findet sich in Tabelle 3.6, zusammen mit einer Auswertung der Daten nach Anzahl Schäden und Schadensumme in den verschiedenen Kategorien. Auf eine Unterscheidung nach unterschiedlichen Policen‐Typen im Bereich der Mobiliarversicherung wird im Folgenden verzichtet. 39 Wirtschaftliche Optimierung im vorbeugenden Brandschutz Policen‐Typ
ménage
professionnel
agriculture
communauté
véhicule
coassurance
alle Mobiliar
Anzahl Schäden
Schadensumme
absolut
in %
CHF
in %
13'369 72.5 93'290'618 38.7
3'929 21.3 125'069'877 51.9
836
4.5 17'005'236
7.1
201
1.1
4'508'620
1.9
108
0.6
1'073'520
0.4
8
0.0
139'055
0.1
18'451 100 241'086'926 100
Art der Versicherung
Hausrat
Gewerbe
Landwirtschaft
Gemeinwesen
Fahrzeuge
Mitversicherung
Tabelle 3.6: Policentypen in der Mobiliarversicherung, Mobiliarschäden im Kanton VD ohne Blitz‐
schäden (Schadendaten 1995‐2009 der ECA Vaud). Bei einem Brandereignis können sowohl im Bereich der Mobiliarversicherung als auch (seltener) im Bereich der Gebäudeversicherung mehrere Policen betroffen sein. Mit Hilfe einer bei allen Schäden angegebenen Schadendossier‐Nummer konnte identifiziert werden, welche Schäden im selben Brandereignis entstanden sind. Die Verknüpfung ist möglicherweise nicht fehlerfrei: In 3.5% der Fälle gab es Inkonsistenzen zwischen den verschiedenen Schäden eines Ereignisses, zum Beispiel bezüglich der Schadenursache oder des Schadendatums. Bei einer genaueren Inspektion liessen sich diese Fälle jedoch oft durch kleinere Ungenauigkeiten oder Fehler bei der Dateneingabe erklären. Eine fehlerhafte Verknüpfung ist zwar dennoch bei einzelnen Fällen nicht auszuschliessen, diese dürften jedoch zahlenmässig bei der Auswertung nur wenig ins Gewicht fallen. Durch die Verknüpfung konnten 21‘112 Brandereignisse identifiziert werden. Jedes Ereignis umfasst einen oder mehrere Schäden, bei denen es sich um Mobiliar‐ und/oder Gebäudeschäden handeln kann, siehe Tabelle 3.7. Ereignisse mit Schäden an
Mobiliar
Gebäuden
beides
alle Ereignisse
Anzahl Ereignisse
Schadensumme
absolut
in %
CHF
in %
8'233
39.0 30'644'152
4.4
7'006
33.2 43'734'213
6.3
5'873
27.8 624'463'666
89.4
21'112
100 698'842'030
100 Tabelle 3.7: Ereignisse mit Schäden an Mobiliar‐ und / oder Gebäudeschäden, ohne Blitzschläge (Schadendaten 1995‐2009 der ECA Vaud). Etwas überraschend ist die grosse Anzahl Ereignisse, bei denen es keinen Mobiliarschaden, sondern nur Gebäudeschäden gab. Hierbei könnte es sich möglicherweise zum Teil um Schäden handeln, bei denen die Verknüpfung fehlgeschlagen ist. Bei Betrachtung der Schadensummen wird aber deutlich, dass diese Ereignisse ohnehin nur relativ kleine Schäden enthalten. Auch die Ereignisse ohne Gebäudeschaden sind von der Schadensumme her eher unbedeutend. Die folgenden Auswertungen beziehen sich nur auf Ereignisse, bei denen es sowohl Mobiliar‐ als auch Gebäudeschäden gab. In Abbildung 3.22 ist die Ereignis‐Schadensumme im Bereich der Mobiliarversicherung über dem zugehörigen Gebäudeschaden aufgetragen. Die Darstellung lässt eine einfache, wenn auch relative grobe Faustformel erkennen: Die Mobiliarschäden sind im Mittel eher kleiner als der im selben Ereignis entstandene Gebäudeschaden. In der Grafik ist dies daran zu erkennen, dass die meisten Schäden unterhalb der Diagonalen liegen (schwarze Linie). Allerdings ist zu beachten, dass der 40 Kapitel 3 ‐ Datenanalyse logarithmische Massstab der Achsen die Streuung der Punkte optisch stark verringert. Je nach Schadenfall ist es also durchaus möglich, dass der Mobiliarschaden um ein Vielfaches grösser (oder kleiner) ist als der Gebäudeschaden. Ein ähnlicher Zusammenhang wie in Abbildung 3.22 ergibt sich, wenn man die Daten einzelner Zweckbestimmungen verwendet (hier nicht dargestellt). Bei gleichem Gebäudeschaden ist der Mobiliarschaden in den Zweckbestimmungen 5‐7 (Handel sowie Industrie und Gewerbe) im Mittel etwas höher als bei den anderen Zweckbestimmungen. Dies verstärkt noch den Effekt, dass im Bereich von Handel, Industrie und Gewerbe bereits der Gebäudeschaden allein tendenziell grösser ist als bei den anderen Zweckbestimmungen (vgl. Abbildung 3.10). Abbildung 3.22: Gebäude‐ und Mobiliarschäden im selben Brandereignis (Schadendaten 1995‐2009 der ECA Vaud, ohne Blitzschäden). 3.3.8
Personenschäden Im Folgenden werden die Auswertungen der VKF‐Todesfallstatistik dargestellt. Bei der Auswertung wurden nur zivile Brandopfer berücksichtigt, weswegen 3 Brandfälle mit insgesamt 9 Todesopfern bei Feuerwehrmännern ausgeschlossen wurden. Ausserdem wurden Suizide ausgeschlossen, soweit diese in der Todesfallstatistik als solche erkennbar waren. Nach diesen Bereinigungen verbleiben noch 197 Brandfälle mit 222 Todesopfern. Beim Grossteil der Brandfälle gab es nur einen Toten, Brandfälle mit mehr als zwei Todesopfern sind sehr selten (siehe Tabelle 3.8). Anzahl Tote
1
2
3
4
5
alle
Brandfälle
180
12
3
1
1
197
Prozent
91.4%
6.1%
1.5%
0.5%
0.5%
100.0% Tabelle 3.8: Anzahl Tote bei Brandfällen mit zivilen Todesopfern (VKF‐Todesfallstatistik 2000‐2007). 41 Wirtschaftliche Optimierung im vorbeugenden Brandschutz Abbildung 3.23 (links) zeigt eine Auswertung der Statistik nach der Zweckbestimmung des Gebäudes, in dem die Opfer zu Tode kamen. Die Prozentzahlen über den Balken geben an, wie gross der relative Anteil der einzelnen Zweckbestimmungen an der Gesamtzahl aller zivilen Todesopfer in der Schweiz (8‐Jahres‐Durchschnitt ohne Suizide: 28Tote/Jahr) ist. Die Auswertung macht deutlich, dass ein Grossteil der Brandopfer (82%) in Wohngebäuden zu Tode kommt. Zählt man zu den Wohngebäuden noch die landwirtschaftlichen Wohngebäude und öffentliche Wohnheime hinzu, so steigt der Anteil sogar auf 88%. Die rechte Hälfte von Abbildung 3.23 zeigt eine Auswertung nach Schadenursache. Eine genauere Analyse mit Hilfe der zusätzlichen Bemerkungen zur Schadenursache zeigt, dass bei 18% der Brandopfer das Feuer durch unvorsichtigen Umgang mit Rauchzeug verursacht wurde, 13% durch Kerzen und 10% durch übriges bestimmungsgemässes Feuer oder fahrlässig verursachte Entzündungen (z.B. Akten auf Herd). Bei weiteren 4% der zivilen Todesopfer wurde das Feuer durch unsachgemässen Gebrauch von Apparaten oder Heizlüftern verursacht. Somit kann man bei 45% der Todesopfer Fahrlässigkeit als Brandursache annehmen, bei weiteren 8% (Brandstiftungen) Vorsatz. Allerdings können diese Zahlen wegen der sehr spärlichen Informationen in der Statistik nur als grober Anhaltspunkt dienen, zumal nicht immer zu erkennen war, ob das Opfer selbst direkt an der Brandentstehung beteiligt war. Abbildung 3.23: Anzahl zivile Todesopfer pro Jahr nach Zweckbestimmung bzw. nach Schadenursache (VKF‐Todesfallstatistik 2000‐2007, 8‐Jahres‐Durchschnitt). In Abbildung 3.24 ist die Verteilung des Alters von zivilen Todesopfer, dargestellt, links in absoluten Zahlen, rechts pro 100'000 Einwohner und Jahr (Bevölkerungszahlen nach BFS (2009b)). Interessant ist vor allem die rechte Abbildung, die sehr gut die unterschiedliche Gefährdung verschiedener Altersgruppen darstellt: Das höchste Risiko, durch Feuer zu Tode zu kommen, haben Personen im Alter von 80 Jahren oder älter. Dies dürfte durch geringere motorische Fähigkeiten allgemein und speziell in Bezug auf die Geschwindigkeit bei der Flucht erklärbar sein. Die jährliche Wahrscheinlichkeit, durch Feuer zu Tode zu kommen, ist aus der rechten Seite von Abbildung 3.24 nicht direkt ablesbar, da Todesopfer ohne Angabe zum Alter nicht berücksichtigt wurden. Bemerkenswert ist, dass Männer in allen Altersgruppen ein höheres Risiko haben, im Brandfall zu Tode zu kommen, als Frauen (der hohe Wert für Männer über 80 Jahren ist allerdings vermutlich ein statistischer Ausreisser). Der Unterschied ist teilweise durch die höhere Gefährdung männlicher Arbeitgeber erklären: Während weibliche Opfer zu 95% in Wohngebäuden oder landwirtschaftlichen 42 Kapitel 3 ‐ Datenanalyse Wohngebäuden zu Tode kamen, sind es bei den Männern nur 83%. Selbst bei einer Beschränkung der Analyse nur auf Wohngebäude gibt es in der Altersgruppe zwischen 30 und 49 Jahren aber noch mehr als doppelt so viele Männer wie Frauen unter den zivilen Brandtoten. Mögliche Ursachen hierfür sind Unterschiede beim Umgang mit Feuer bzw. unterschiedliches Verhalten im Brandfall. Abbildung 3.24: Zivile Todesopfer nach Alter, absolut bzw. je 100'000 Einwohner und Jahr (8‐
Jahres‐Durchschnitt, VKF‐Todesfallstatistik 2000‐2007, Bevölkerungszahlen nach BfS). Die Auswertung nach Schadenursachen und Altersgruppen zeigen, dass das Risiko, durch Feuer zu Tode zu kommen, stark vom Verhalten und den Fähigkeiten der betrachteten Person abhängt. Die folgenden Auswertungen zeigen jedoch, dass auch die Entwicklung des Brandes und die Eigenschaften des betroffenen Gebäudes einen Einfluss haben. Abbildung 3.25: Anzahl Brandfälle mit Todesopfern absolut bzw. je 1000 Brände (VKF‐
Todesfallstatistik 2000‐2007, IRV‐Schadendaten 2000‐2007 ohne Blitzschäden). 43 Wirtschaftliche Optimierung im vorbeugenden Brandschutz In Abbildung 3.25 (links) ist dargestellt, wie die Höhe des Sachschadens bei den Brandfällen mit Todesopfern verteilt ist. Auffällig ist die grosse Zahl von Bränden mit Sachschäden von 100'000 CHF oder mehr. Allerdings ist zu beachten, dass bei einigen Todesfällen kein Schadenbetrag angegeben wurde. Den Daten ist nicht zu entnehmen, ob es in diesen Fällen zu keinem (oder keinem nennenswerten) Sachschaden gekommen ist, oder ob der Schadenbetrag nur nicht weitergegeben wurde (z.B. bei Bränden in den GUSTAVO‐Kantonen). In der rechten Hälfte von Abbildung 3.25 wurde die Information aus der Todesfallstatistik mit Auswertungen der IRV‐Schadenstatistik kombiniert: Dargestellt ist die Anzahl Brände mit Todesopfern je 1000 Brände für verschieden hohe Sachschäden. Aus beiden Statistiken wurden nur die Brandfälle in Wohngebäuden berücksichtigt. Brandfälle mit Todesopfern in den GUSTAVO‐Kantonen wurden von der Auswertung ausgeschlossen. Da die Brände mit Todesopfern ohne Angabe zum Schadenbetrag in dieser Darstellung nicht berücksichtigt werden konnten, ist die Wahrscheinlichkeit, dass es in einem Brand zu Todesopfern kommt, tendenziell höher, als die auf der rechten Seite von Abbildung 3.25 dargestellten relativen Häufigkeiten. Es ist aber zu erkennen, dass die Häufigkeit von Todesfällen mit der Grösse des Brandes stark zunimmt. Dass die Brände mit Todesopfern eher mit grösseren Sachschäden verbunden sind, ist auch zu erkennen, wenn man die Verteilung der Sachschäden in Bränden mit Todesopfer und Bränden allgemein vergleicht (hier nicht dargestellt). Hier fällt vor allem auf, dass ein sehr hoher Anteil der Brandfälle mit Todesopfern Totalschäden sind. Abbildung 3.26: Verteilung der Baujahre in der Todesfallstatistik sowie in den Portfoliodaten (VKF‐
Todesfallstatistik 2000‐2007, IRV‐Portfoliodaten). Ein direkter Einfluss der Gebäudeeigenschaften kann bei einem Vergleich der Baujahre in der VKF‐
Todesfallstatistik und in den IRV‐Portfoliodaten beobachtet werden: Gebäude mit Baujahren nach 1980 sind im Vergleich zu ihrem Anteil am Gebäudeportfolio in der Todesfallstatistik deutlich unterrepräsentiert, die Personensicherheit scheint hier also höher zu sein. Umgekehrt verhält es sich bei den Gebäuden mit Baujahren vor 1900. Allerdings ist zu beachten, dass sowohl in der Todesfallstatistik als auch in den Portfoliodaten in vielen Fällen keine Angaben zum Baujahr gemacht wurden. Da in den Portfoliodaten das Baujahr eher bei älteren Gebäuden fehlen dürfte, kann dies eventuell die Unterschiede bei Gebäuden mit Baujahren vor 1920 erklären. 44 Kapitel 3 ‐ Datenanalyse 3.3.9
Empfehlungen zur zukünftigen Datenerfassung Die kantonalen Gebäudeversicherer der Schweiz sind durch das Versicherungsmonopol in der Lage, eine besonders aussagekräftige Feuerschäden‐Statistik zu erstellen: Erfasst werden nicht nur die Brandfälle mit Feuerwehreinsatz, sondern alle Schäden, die der Versicherung gemeldet wurden. Auch die Verfügbarkeit von detaillierten Portfoliodaten ermöglicht ein besseres Verständnis der Zusammenhänge, wie viele der in den vorherigen Abschnitten diskutierten Auswertungen zeigen. Eine gute Schadenstatistik hilft nicht nur, die Zusammenhänge in den Daten besser zu verstehen, sie ist auch eine wichtige Basis zur Erstellung anwendungsbezogener Modelle für die Optimierung von Brandschutzinvestitionen sowie zur Aktualisierung der Modelle bei neuen Entwicklungen. Leider haben die Auswertungen aber auch gezeigt, dass die Datenqualität und ‐dichte zum Teil verbesserungswürdig sind. Die folgenden Empfehlungen sollen als Vorschläge verstanden werden, wie die Datenerfassung in der Zukunft verbessert werden kann. Dabei ist es wichtig, Aufwand und Nutzen der Datensammlung gegenüberzustellen und die Qualität der Daten zielgerichtet zu verbessern. Die Empfehlungen konzentrieren sich auf drei wichtige Punkte: Die Vergleichbarkeit der kantonalen Datenerfassung, die Verknüpfung von verschiedenen Datensätzen und auf Aufnahme von neuen Merkmalen in die Statistik. Vereinheitlichung der kantonalen Datenerfassung Die Datensammlung und ‐Aufbereitung beim IRV ist mit einem beträchtlichen Aufwand verbunden. Umso wichtiger ist es, dass sich die Kantone bei der Datensammlung nach gemeinsamen Definitionen richten. Die Verwendung von VKF‐Codes für die Zweckbestimmung und die Schadenursache ist hierfür der richtige Ansatz. Die Codes werden aber offensichtlich in den einzelnen Kantonen sehr unterschiedlich interpretiert. Auch die Festlegung der Schadenhöhe und die Schätzung der Versicherungswerte unterscheiden sich offenbar zum Teil erheblich. Für eine Vereinheitlichung der kantonalen Datenerfassung bei vertretbarem Aufwand wird das folgende Vorgehen vorgeschlagen: Zunächst sollte unter Beteiligung aller Kantone identifiziert werden, welche Unterschiede in der Datenerfassung bestehen (Definitionen/Interpretation von Datenmerkmalen, Schadenabwicklung, Schätzungswesen). Dieses Vorgehen hilft nicht nur bei der Bestimmung der Bereiche, in denen eine Vereinheitlichung der Datenerfassung notwendig ist. Eine ausführliche Aufstellung aller bestehenden Unterschiede wäre auch eine enorme Hilfe bei der Interpretation der bestehenden Daten. Für die Datensammlung bei der VKF empfiehlt es sich, auf einen hohen Detaillierungsgrad zu verzichten und stattdessen an der Vergleichbarkeit einiger weniger Merkmale zu arbeiten. So sind bereits Daten mit einer Einteilung in (maximal) 20 Kategorien für die Zweckbestimmung und Angaben zu Schadenbeträgen und Versicherungswerten sehr hilfreich. Wenn die Vergleichbarkeit dieser drei Merkmale über die Kantonsgrenzen hinweg gegeben ist, sind detailliertere Auswertungen anhand von Daten einzelner Kantone einfacher auf andere Kantone übertragbar. Verknüpfung vereinfachen Einen hohen Informationsgehalt haben Daten, die Verknüpfungen zwischen verschiedenen Datensätzen zulassen. Ein Beispiel ist die Verknüpfung von Schaden‐ und Portfoliodaten, z.B. über einen Eintrag der Versicherungs‐ oder Gebäudenummer in den Schadendaten. Die Datenhaltung 45 Wirtschaftliche Optimierung im vorbeugenden Brandschutz hierfür ist allerdings aufwändig und nur auf Kantonsebene sinnvoll. Eine zentrale Erfassung von aggregierten Portfoliodaten aller Kantone wäre jedoch empfehlenswert. Hierbei sollten die Anzahl Gebäude sowie das Versicherungskapital in unterschiedlichen Kategorien (z.B. nach Nutzung, Versicherungssumme, Baujahr und Bauart) zusammengefasst werden. Eine Verknüpfung von Schäden, die im selben Brandereignis entstanden sind, wäre auch in den bei der VKF gesammelten Daten relativ einfach realisierbar. Diese Schäden sind zwar selten, es handelt sich jedoch häufig um sehr grosse Schäden. Um eine Verknüpfung zu ermöglichen, müsste Schäden aus demselben Ereignis dieselbe Ereignisnummer zugeordnet werden. Ein neuer VKF‐Ursachencode „Brandübertritt“ könnte anzeigen, bei welchen der Schaden durch einen Brand am Nachbargebäude verursacht wurde. Auf diese Weise liesse sich aus den VKF‐Schadendaten relativ einfach eine „Mehrfachschäden‐Statistik“ als Ergänzung zur bestehenden Grossschadenstatistik extrahieren. Ein weiterer Informationsgewinn liesse sich aus einer Verknüpfung der Schadenstatistik mit anderen Informationsquellen wie Feuerwehrstatistiken, Statistiken der Feuerpolizei (z.B. zur Errichtung und Kontrolle von Brandmelde‐ und Sprinkleranlagen) sowie dem Gebäude‐ und Wohnungsregister des Bundesamtes für Statistik erzielen. Mit welchem Aufwand und Nutzen solche Verknüpfungen realisierbar wären, lässt sich vermutlich am einfachsten auf Kantonsebene abklären. Neue Merkmale in den Daten Möchte man die Schadendaten gezielt dafür nutzen, Fragestellungen zur Wirksamkeit von Brandschutzmassnahmen zu beantworten, lohnt es sich, über die Aufnahme von zusätzlichen Datenmerkmalen nachzudenken. Diese sollten Informationen zum Brandablauf und zu den Massnahmen enthalten, z.B.: ‐
‐
‐
‐
‐
Ausbreitung des Feuers im Raum: Beschränkt auf den Brandraum, beschränkt auf den Brandabschnitt, Ausbreitung auf andere Brandabschnitte. Informationen zur Feuerwehr: Alarmierung, Alarmierungszeit, Einsatzzeit. Brandmelder: BMA oder Heimrauchmelder vorhanden, Aktivierung, Alarmierung. Sprinkleranlage: Anlage vorhanden, Aktivierung, Löscherfolg. Brandabschnitte: BA‐Fläche, Feuerwiderstand, Art und Zustand der Abschlüsse (z.B. offene Türen), Versagen im Brandfall. Da eine Aufnahme von zusätzlichen Merkmalen in die Daten mit grossem Aufwand verbunden ist, lohnt es sich, diese zunächst in einzelnen Kantonen zu testen. Langfristig sollte aber eine zentrale Erfassung neuer Datenmerkmale angestrebt werden, da nur so eine ausreichend grosse Datenbasis für statistische Untersuchungen erreicht werden kann. Neu aufgenommene Merkmale sollten wie der Zweck und die Ursache auf VKF‐Ebene einheitlich codiert werden. Besonders sinnvoll wäre die Aufnahme von möglichst vielen zusätzlichen Merkmalen in die VKF‐
Grossschadenstatistik für Schäden > 1Mio. CHF. Da diese nur wenige Ereignisse pro Jahr enthält, ist eine Verbesserung der Statistik mit relativ wenig Aufwand zu erreichen. Das gleiche gilt für die VKF‐
Todesfallstatistik. Ein konkreter Vorschlag zur Aufnahme einer Abfrage zum Rettungspotential von Rauchmeldern wird in Kapitel 7 gemacht. 46 Kapitel 3 ‐ Datenanalyse 3.4
Modellbildung auf Datenbasis Im Rahmen der Datenanalyse wurden die vorliegenden Daten auf unterschiedliche Weisen grafisch und numerisch ausgewertet. Für die Auswertungen wurden zusätzliche Annahmen so weit wie möglich vermieden. Die Ergebnisse erlauben erste Rückschlüsse, welche Parameter in der Modellbildung berücksichtigt werden müssen. In einem nächsten Schritt können die Daten genutzt werden, um ein einfaches Brandrisikomodell für ein Gebäude abhängig von seinen Eigenschaften zu erstellen. Hierzu sind zusätzliche Annahmen notwendig, z.B. bei der Entscheidung, welche Parameter in das Modell einfliessen sollen. Die Ergebnisse der Datenanalyse sind hierbei eine wichtige Hilfe. Abbildung 3.27 enthält eine Übersicht der wichtigsten Komponenten eines Brandrisikomodells für Gebäude. Die einzelnen Teilmodelle können auf Datenbasis, mit Hilfe von Ingenieurmethoden oder durch eine Kombination beider Ansätze erstellt werden. Der Fokus in den folgenden Abschnitten liegt auf der Modellierung der Schadenhäufigkeit (Abschnitt 3.4.1) und der Gebäudeschäden im Brandfall (Abschnitt 3.4.2) auf Datenbasis. Mögliche Ansätze zur Erstellung der übrigen in Abbildung 3.27 aufgeführten Modellkomponenten werden kurz in Abschnitt 3.4.3 angesprochen. Abbildung 3.27: Übersicht der Modellkomponenten für die Bestimmung des Brandrisikos. Die vorliegenden Daten enthalten keine Angaben zu Brandschutzmassnahmen. Auch ein einfaches datenbasiertes Modell kann allerdings bereits für einfache Abschätzungen zur Wirksamkeit von Brandschutzmassnahmen verwendet werden. So basiert zum Beispiel die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit von Brandabschnitten in kleinen Bauten (Fallstudie II, Kapitel 6) auf dem im Folgenden vorgestellten Ansatz. 3.4.1
Modellierung des Brandeintritts Für die Modellierung des Brandeintritts wird ein von Ramachandran (1980) vorgeschlagener Ansatz verwendet. Die Grundidee ist, dass die Anzahl Zündquellen in einem Gebäude mit der Gebäudegrösse zunimmt. Bei Ramachandran wird diese durch die Gebäudefläche A repräsentiert, in der vorliegenden Studie wird jedoch das in den Aargauer Portfoliodaten angegebene Gebäudevolumen Vol verwendet. Es wird angenommen, dass die jährliche Schadenhäufigkeit  mit der folgenden Gleichung in Abhängigkeit vom Gebäudevolumen beschrieben werden kann:   e Vol 
(3.1)
Die getroffenen Annahmen und das Vorgehen zur Schätzung der Modellparameter  und  sind in Anhang A.1 beschrieben. Die auf Basis der Aargauer Schaden‐ und Portfoliodaten geschätzten 47 Wirtschaftliche Optimierung im vorbeugenden Brandschutz Parameter sind in Tabelle 3.9 zusammengefasst. Neben den Erwartungswerten E   und E    ist auch die statistische Unsicherheit (Varianzen und Kovarianz) der Parameterschätzung angegeben. Code Zweckbestimmung
1
2
3
5
6/7
8
Verwaltung, öffentl. Geb.
Wohngebäude
Landwirtschaft
Handel
Industrie und Gewerbe
Gastgewerbe
E[ ]
E[  ]
Var [ ]
Var [  ]
Cov[ ,  ]
-9.5994
-11.7628
-10.0219
-8.9791
-10.2969
-8.8318
0.5277
0.8700
0.5536
0.4447
0.5720
0.5505
0.1270
0.0136
0.1457
0.2232
0.0749
0.7024
0.0017
0.0002
0.0024
0.0026
0.0009
0.0098
-0.0144
-0.0018
-0.0184
-0.0236
-0.0080
-0.0825
Tabelle 3.9: Aus den Daten geschätzte Modellparameter für die Modellierung der Schadenhäufigkeit in Abhängigkeit vom Volumen nach Zweckbestimmung, ohne Blitzschläge (Schaden‐ und Portfoliodaten der AGV). Für ein Wohngebäude mit einem Volumen von 1000m 3 (typisches Einfamilienhaus) ergibt sich eine jährliche Brandeintrittswahrscheinlichkeit von 3  10 3 pro Gebäude bzw. von 3  10 6 / m 3 , es brennt also etwa alle 300 Jahre. Für ein Volumen von 2000m 3 ergibt sich eine Wahrscheinlichkeit von 5.8  10 3 pro Gebäude bzw. 2.9  10 6 / m 3 . Die Brandeintrittswahrscheinlichkeit pro m3 ist für grosse Volumina annähernd konstant, wenn der Modellparameter  nahe bei Eins liegt. Abbildung 3.28: Regressionsmodell für die Schadenhäufigkeit nach Zweckbestimmung, ohne Blitz‐
schläge (Schaden‐ und Portfoliodaten der AGV). In Abbildung 3.28 ist die Schadenhäufigkeit  in Abhängigkeit vom Volumen für verschiedene Zweckbestimmungen dargestellt. Die Kurven basieren auf dem an die Aargauer Daten angepassten Modell in Gleichung (3.1), mit Parametern nach Tabelle 3.9. Die Kurven der meisten Zweckbestimmungen unterscheiden sich nur leicht. Lediglich die Schadenhäufigkeit bei den Wohngebäuden und den Gebäuden des Gastgewerbes ist deutlich höher als bei den übrigen Gebäudegruppen. Dies liegt möglicherweise daran, dass in diesen Gebäuden in der Regel mehr 48 Kapitel 3 ‐ Datenanalyse Personen anwesend sind als bei den anderen Nutzungen – Viele Brände werden von Menschen verursacht. Interessant ist auch, dass bei den Wohngebäuden die Schadenhäufigkeit mit dem Gebäudevolumen nahezu linear zunimmt, während bei den anderen Zweckbestimmungen die Zunahme deutlich unterproportional ist. Dies ist allerdings nicht überraschend, da es sich bei grösseren Wohngebäuden oft um Mehrfamilienhäuser handelt, bei denen die Anzahl Zündquellen näherungsweise proportional zur Anzahl Wohneinheiten und damit zum Gebäudevolumen ist. Mit Hilfe einer Modellerweiterung konnte überprüft werden, ob die Schadenhäufigkeit durch die Aufnahme weiterer Parameter in das Modell besser modelliert werden kann. Von den in den Daten verfügbaren Merkmalen kamen die Bauweise und das Baujahr in Frage. Wie zu erwarten war, ist kein Einfluss der Bauweise auf die Brandentstehung erkennbar. Weniger eindeutig war das Ergebnis für das Baujahr: Hier war bei den sehr alten Gebäuden (Baujahr vor 1900) ein leichter Einfluss erkennbar. Allerdings könnte dieser zum Teil auch durch Datenlücken beim Baujahr hervorgerufen worden sein (vgl. Abschnitt 3.3.4). Durch die Hinzunahme weiterer Datenmerkmale ist daher keine wesentliche Verbesserung der Modellierung zu erwarten, zumal zusätzliche Modellparameter auch zu grösseren Unsicherheiten bei der Schätzung der Parameter anhand der Daten führen würde. Die Modellierung der Schadenhäufigkeit nur in Abhängigkeit von der Zweckbestimmung und dem Volumen des Gebäudes reicht für die Anwendung im Rahmen der Risikomodellierung aus. 3.4.2
Modellierung des Gebäudeschadens im Brandfall Auch für die Modellierung der Schadenhöhe im Brandfall ist es hilfreich, zunächst ein einfaches Modell für verschiedene Zweckbestimmungen zu erstellen. Aus den Auswertungen in Abschnitt 3.3.5 ist zu erkennen, dass der Gebäudeschaden vom Versicherungswert des Gebäudes weitgehend unabhängig ist (vgl. z.B. Abbildung 3.11). Abgesehen von möglichen Aufräumkosten ist es allerdings unmöglich, einen Gebäudeschaden zu erhalten, der den Versicherungswert des Gebäudes übersteigt. Abbildung 3.29: Schematische Darstellung des Modells für den Schadenbetrag im Brandfall. In Abbildung 3.29 ist die Grundidee des für die Modellierung auf Datenbasis gewählten Ansatzes für die Verteilung des Schadenbetrags schematisch dargestellt: Für die Höhe des Gebäudeschadens im Brandfall wird eine nach oben unbeschränkte rechtsschiefe Verteilung gewählt, in der Grafik ist dies durch die gestrichelte Linie angedeutet. Diese Schadenverteilung wird für alle Gebäude einer Zweckbestimmung verwendet. Gebäudespezifisch ist lediglich der Versicherungswert, der als obere Schranke für die Schadenverteilung eingeführt wird. Ein Gebäudeschaden der höher ist als der 49 Wirtschaftliche Optimierung im vorbeugenden Brandschutz Versicherungswert des Gebäudes ist grundsätzlich nicht möglich, allerdings werden bis zu einem gewissen Grad über den Versicherungswert hinausgehende Aufräumkosten erstattet. Die entstehende gebäudespezifische Schadenverteilung ist in Abbildung 3.29 als graue Fläche markiert. Die Wahl einer Wahrscheinlichkeitsverteilung für eine mathematische Beschreibung des in Abbildung 3.29 dargestellten Modells ist in Anhang A.2 beschrieben. In Tabelle 3.10 sind die an die Aargauer Daten angepassten Verteilungsmodelle für verschiedene Zweckbestimmungen zusammengefasst. Mit „Normal Mix“ werden Mischverteilungen aus zwei Normalverteilungen, gewichtet mit dem Anteil p bzw. (1  p) , bezeichnet. Bei Zweck 5 bis 8 wurde aufgrund der geringeren Datenmenge ein weniger komplexes Modell mit nur zwei Parametern verwendet. Die Modellparameter in Tabelle 3.10 wurden unter Berücksichtigung der in Abbildung 3.29 dargestellten Beschränkung auf den Versicherungswert geschätzt. Der Einfluss auf die Modellbildung ist allerdings gering, da nur ein kleiner Anteil der in den Daten enthaltenen Schäden Totalschäden sind. Über den Versicherungswert eines Gebäudes hinausgehende Aufräumkosten wurden vereinfachend nicht berücksichtigt. Zweck Modell für ln( S ) Modellparameter
1
Normal Mix
1  7.64,  1  0.97, p  0.61,  2  10.25,  2  1.70
2
Normal Mix
1  7.71, 1  1.12, p  0.80, 2  10.45,  2  1.59
1  8.16, 1  1.43, p  0.80, 2  11.87,  2  1.16
3
Normal Mix
  2.14,   0.21
5
Lognormal
  2.24,   0.22
6/7 Lognormal
  2.18,   0.19
8
Lognormal
Tabelle 3.10: Modellauswahl für den Schadenbetrag nach Zweck (Schadendaten der AGV). Mit den in Tabelle 3.10 aufgeführten Verteilungsmodellen lässt sich der erwartete Schaden im Brandfall bei Beschränkung auf den Versicherungswert des Gebäudes berechnen. In Abbildung 3.30 ist die Abhängigkeit des erwarteten Schadens vom Versicherungswert dargestellt. Abbildung 3.30: Erwarteter Schaden im Brandfall in Abhängigkeit vom Versicherungswert des Gebäudes (gemäss Modell in Tabelle 3.10, auf Basis von Schadendaten der AGV). 50 Kapitel 3 ‐ Datenanalyse Allgemein nimmt der erwartete Schaden im Brandfall zwar mit dem Versicherungswert des Gebäudes zu, da in grösseren Gebäuden grössere Schäden möglich sind. Wegen der Seltenheit von Grossschäden steigt der erwartete Schaden allerdings nicht proportional zum Versicherungswert. Beim Vergleich der verschiedenen Nutzungen fällt auf, dass die Kurven für die Gebäude aus Handel, Industrie und Gewerbe anders als die der anderen Zweckbestimmungen bei einem Versicherungswert von 4 Mio. CHF noch nicht konvergieren. Dies ist auf eine höhere Wahrscheinlichkeit von Grossschäden in diesen beiden Zweckbestimmungen zurückzuführen. Allerdings ist zu beachten, dass das gewählte Verteilungsmodell aufgrund der geringen Datenmenge mit deutlich grösserer Unsicherheit behaftet ist als die Verteilungen der Zweckbestimmungen 1 bis 3. Auch für die Modellierung des Schadenbetrags kann überprüft werden, ob die Hinzunahme weiterer Parameter zu einer Verbesserung des Modells führen würde. Für die Zweckbestimmungen 1,2 und 3 wurde hierfür der Einfluss der Bauweise und des Baujahres untersucht. Auf Basis der vorliegenden Daten konnte zu beiden Merkmalen jedoch keine eindeutige Aussage getroffen werden. Ein Einfluss der Bauweise konnte am ehesten noch bei den landwirtschaftlichen Gebäuden beobachtet werden, aufgrund der geringen Datenmenge könnte dieses Ergebnis aber auch zufällig entstanden sein. Wenig eindeutig waren auch die Auswertungen nach Baujahr: Während es bei den Wohngebäuden eine leichte Tendenz zu grösseren Schäden bei älteren Gebäuden gab, verhielt es sich bei den landwirtschaftlichen Gebäuden eher umgekehrt. 3.4.3
Weitere Modellkomponenten In den letzten beiden Abschnitten wurde die Modellierung der Schadenhäufigkeit und des Gebäudeschadens im Brandfall vorgestellt. Dies sind die beiden Bereiche, in denen die Datenbasis besonders gut ist. Auch die übrigen der in Abbildung 3.30 dargestellten Modellkomponenten sollten natürlich in Übereinstimmung mit den vorliegenden Daten modelliert werden. Schäden an benachbarten Gebäuden können zum Beispiel in Abhängigkeit vom Schaden am Gebäude, in dem der Brand entstanden ist modelliert werden (vgl. Abschnitt 2.8). Für die Modellierung des Mobiliarschadens in Abhängigkeit vom Gebäudeschaden bietet sich ein Regressionsmodell im logarithmischen Massstab an (vgl. Abschnitt 2.9). Schwieriger verhält es sich mit den Personenschäden, da hier nur sehr wenige Daten verfügbar sind. Dennoch lässt sich aus den Daten zumindest von der Grössenordnung her abschätzen, wie gross die Wahrscheinlichkeit eines Personenschadens im Brandfall ist (vgl. Abschnitt 2.10). Der Einfluss von Brandschutzmassnahmen auf die Sach‐ und Personenschäden kann bei Verwendung der heute verfügbaren Schweizer Daten nur mit Hilfe von Ingenieurmethoden der Brandrisikobewer‐
tung modelliert werden. Auch hier sollten aber die Ergebnisse, so weit möglich, mit Hilfe von Schweizer und/oder internationalen Daten verifiziert werden. Das Ziel ist hier, die Ingenieurmodelle weitestmöglich auf Daten zu beobachteten Brandfällen abzustützen. 51 Kapitel 4 ‐ Übersicht über die Fallstudien und Zusammenfassung der Ergebnisse 4
Übersicht über die Fallstudien und Zusammenfassung der Ergebnisse 4.1
Bearbeitete Fragestellungen In diesem und den folgenden Kapiteln werden vier Fallstudien zur wirtschaftlichen Optimierung von Brandschutzanforderungen aus gesellschaftlicher Sicht beschrieben. Die Fallstudien ergaben sich aus einer Reihe von Fragen aus dem Projektausschuss „VKF‐Brandschutzvorschriften 2015“. Die folgenden Fragestellungen wurden im Rahmen der Fallstudien bearbeitet:  Fallstudie I: Brandabschnitt ein Einfamilienhäusern 
Aufstellungsraum von Feuerungsanlagen in EFH Kann auf den Brandabschnitt „Heizungsraum“ in Einfamilienhäusern verzichtet werden? 
Abtrennung kleiner Motorfahrzeug‐Einstellräume vom EFH Ist die Abtrennung kleiner Garagen bis 150m2 vom Einfamilienhaus wirtschaftlich?  Fallstudie II: „Kleine Bauten“ ohne Brandabschnitte Ist die Einführung einer Klasse „Kleine Bauten“ ohne Brandabschnitte sinnvoll?  Fallstudie III: Rauchmelderpflicht in Wohngebäuden Sollte der Einsatz von Heimrauchmeldern in Wohngebäuden gefordert werden?  Fallstudie IV: Personenschutzanforderungen 
Fluchtwege und Technischer Brandschutz Können Fluchtweganforderungen durch technischen Brandschutz kompensiert werden? 
Räume mit hoher Personenbelegung Sind die zusätzlichen Massnahmen bei einer Personenbelegung ab 100 Personen sinnvoll? Eine kurze Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse ist in den Abschnitten 4.3 bis 4.6 gegeben. Die Zusammenfassung kann für einen ersten Überblick über die bearbeiteten Fallstudien genutzt werden. Detailliertere Informationen zur Bearbeitung und zu den Ergebnissen der einzelnen Fallstudien sind Kapitel 5 bis 8 enthalten. Auch das genaue Vorgehen und die getroffenen Annahmen werden in diesen Kapiteln ausführlich beschrieben. 4.2
Abgrenzung Die bearbeiteten Fallstudien wurden aufgrund ihrer Priorität für die Überarbeitung der Brandschutz‐
vorschriften sowie auf Basis der verfügbaren wissenschaftlichen Grundlagen ausgewählt. Die folgenden Fragestellungen standen ebenfalls für die Bearbeitung im Rahmen des Projektes zur Diskussion: ‐
‐
‐
‐
Brennbare Bauweise für Gebäude höherer Geschossigkeiten Ausbildung aller Brandabschnitte als Lüftungsabschnitte Steildächer mit äusserer Schicht aus brennbaren Materialien Einfluss von Kontrollen/Vollzug der Brandschutzvorschriften Diese Fragen wurden im Projekt „Wirtschaftliche Optimierung im vorbeugenden Brandschutz“ nicht bearbeitet. Die Gründe hierfür werden im Folgenden kurz diskutiert. 53 Wirtschaftliche Optimierung im vorbeugenden Brandschutz Die Frage der Geschossigkeiten in Gebäuden brennbarer Bauweise kann basierend auf einem im Projekt „Entwicklung einer neuen Brandrisikomethode“ erarbeiteten Modell behandelt werden, auf eine Diskussion wird deswegen hier verzichtet. Durch die Ausbildung von Brandabschnitten als Lüftungsabschnitte können die Rauchschäden im Falle eines Brandes reduziert werden. Ob die hohen Kosten für Brandschutzklappen zwischen allen Brandabschnitten gerechtfertigt sind, kann nur mit Hilfe eines Risikomodells beurteilt werden, das zwischen der Rauch‐ und Brandausbreitung unterscheiden kann. Die Erstellung eines solchen Modells sprengt den Rahmen des Projektes. Eine Behandlung der Fragestellung auf Basis von Schadendaten ist nicht möglich, da die Daten nicht zwischen Feuer‐ und Rauchschäden unterscheiden. Bei der Beurteilung von brennbaren Materialien für die äussere Schicht von Steildächern ist eine Beurteilung auf Basis von Schadendaten ebenfalls nicht möglich, da Steildächer mit brennbarer Dachhaut in der Schweiz derzeit nicht oder nur sehr begrenzt zugelassen sind. In der Literatur gibt es zwar Modelle für die Brandausbreitung über Fassaden und Dächer (z.B. nach einem Erdbeben, vgl. Lee & Davidson (2008)), diese unterscheiden allerdings nicht zwischen Steil‐ und Flachdächern. Kontrollen seitens der Brandschutzbehörden oder der Betreiber von baulichen Anlagen verbessern die Zuverlässigkeit und Wirksamkeit von Brandschutzmassnahmen im Brandfall. Der Einfluss einer reduzierten Versagenswahrscheinlichkeit, z.B. von Anlagen des technischen Brandschutzes, liesse sich zwar mit Hilfe eines Risikomodells zeigen. Für die Quantifizierung der Versagenswahrscheinlich‐
keit in Abhängigkeit von den durchgeführten Kontrollen gibt es allerdings keine wissenschaftlichen Grundlagen. Da im Rahmen des Projektes ohnehin primär Fragen in Hinblick auf die Gestaltung der Schweizer Brandschutzvorschriften, und nicht auf den in der Kompetenz der Kantone liegenden Vollzug, beantwortet werden sollten, wurde auf eine Bearbeitung dieser Fragestellung verzichtet. 4.3
Brandabschnitte in Einfamilienhäusern (Fallstudie I) Ziel der ersten Fallstudie ist die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit von zwei verschiedenen Brandabschnitten in Einfamilienhäusern: Den Brandabschnitt „Heizungsraum“ (Aufstellungsraum von Feuerungsanlagen) und die Abtrennung der Garage vom Einfamilienhaus. Im Vordergrund steht bei beiden Fragestellungen die Betrachtung der Wirtschaftlichkeit, Aspekte des Personenschutzes werden lediglich qualitativ diskutiert. Laut Brandschutzrichtlinie „Wärmetechnische Anlagen“ (VKF (2003e)) ist der Aufstellungsraum von Feuerungsanlagen als eigener Brandabschnitt auszubilden. Wegen der hohen Sicherheit heutiger Feuerungsaggregate stellt sich die Frage, ob die Kosten für die Brandabschnittsbildung durch die erzielte Risikoreduktion gerechtfertigt werden. Die Fragestellung bezieht sich auf Einfamilienhäuser, die Übertragbarkeit der Ergebnisse auf andere Gebäudegruppen wird jedoch ebenfalls kurz diskutiert. Eine ähnliche Frage stellt sich bei den Einstellräumen für Motorfahrzeuge. Die vorliegende Untersuchung bezieht sich auf Garagen mit einer Grundfläche bis 150m2. Die Anforderungen an die Abtrennung dieser „kleinen Garagen“ vom Einfamilienhaus sind kantonal unterschiedlich geregelt. Die Schadenreduktion durch die Brandabschnittsbildung wird für die Heizungsbrände durch einen vereinfachten Ansatz auf Datenbasis abgeschätzt. Hierzu wird angenommen, dass sich ein Brand im Heizungsraum bei Verzicht auf den Brandabschnitt genauso ungehindert ausbreiten kann wie ein Brand in einem beliebigen anderen Raum des Gebäudes. Für Garagenbrände ist die Abschätzung der 54 Kapitel 4 ‐ Übersicht über die Fallstudien und Zusammenfassung der Ergebnisse Schadenreduktion im Brandfall schwieriger, die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit stützt sich daher nur auf eine Abschätzung der Brandeintrittswahrscheinlichkeit aus Daten zu kleinen Einstellgaragen. Eine Abschätzung auf Datenbasis beruht stets auf einer Interpretation der Daten. Die Ergebnisse basieren grundsätzlich auf der Annahme, dass diese Interpretation richtig ist. Zur Beurteilung der Ergebnisse ist es wichtig zu wissen, auf welcher Grundlage sie berechnet wurden. Das Vorgehen und die getroffenen Annahmen werden in den Kapitel 5 beschrieben und diskutiert. Eine qualitative Diskussion von Personenschutz‐Aspekten ist in Abschnitt 5.2 gegeben. Im Folgenden werden nur die wichtigsten Ergebnisse zur Wirtschaftlichkeit der beiden Brandabschnitte kurz zusammengefasst. 4.3.1
‐
‐
‐
‐
‐
‐
4.3.2
‐
‐
‐
‐
4.4
Ergebnisse für den Aufstellungsraum von Feuerungsanlagen in Einfamilienhäusern Die durchschnittliche Schadenreduktion durch den Brandabschnitt im Falle eines Brandes an der Zentralheizung beträgt weniger als 15‘000 CHF, vgl. Abschätzung in Abschnitt 5.1.2. Die jährliche Eintrittswahrscheinlichkeit eines Zentralheizungs‐Brandes wurde aufgrund der statistischen Daten auf 4×10-5 geschätzt, siehe Abschnitt 5.1.3. Wegen der geringen Eintrittswahrscheinlichkeit von Bränden an Zentralheizungen beträgt die jährliche Risikoreduktion durch den Brandabschnitt weniger als 1 CHF pro Einfamilienhaus. Über eine Lebensdauer von 100 Jahren mit einem Zinssatz von 2% diskontiert beträgt die Risikoreduktion durch den Brandabschnitt weniger als 30 CHF pro EFH, vgl. Abschnitt 5.1.4. Da schon die Investitionskosten für eine EI30‐Brandschutztür deutlich höher sind als 30 CHF, ist die Brandabschnittsbildung gemäss der Abschätzung wirtschaftlich nicht effizient. Die Ergebnisse sind für eine „durchschnittliche“ Heizung gültig. Bei Heizungstypen mit erhöhter Brandhäufigkeit kann eine Brandabschnittsbildung weiterhin sinnvoll sein, siehe Diskussion zu den im Rahmen der Abschätzung getroffenen Annahmen, Abschnitt 5.1.5. Ergebnisse für die Abtrennung von Einstellräumen bis 150m2 vom Einfamilienhaus Die jährliche Eintrittswahrscheinlichkeit eines Brandes wurde für kleine Einstellgaragen aufgrund der statistischen Daten auf 1.6×10-4 geschätzt, vgl. Abschnitt 5.2. Bei Annahme von durchschnittlichen Einsparungen durch den Brandabschnitt von bis zu 200‘000CHF pro Brandfall beträgt die jährliche Risikoreduktion maximal 31 Franken pro Einfamilienhaus, vgl. Tabelle 5.3. Über eine Lebensdauer von 100 Jahren kumuliert und mit einem jährlichen Zinssatz von 2% diskontiert beträgt die Risikoreduktion durch den Brandabschnitt weniger als 1‘500 CHF. Da bereits die Kosten für eine EI30‐Brandschutztür bei etwa 1‘500 CHF liegen, ist die Brandabschnittsbildung gemäss der vereinfachten Abschätzung wirtschaftlich nicht effizient. Kleine Bauten ohne Brandabschnitte (Fallstudie II) Die Kosten einer Brandabschnittsbildung sind zum Teil unabhängig von der Gebäudegrösse, zum Beispiel weil Türen und Durchbrüche für Installationen etc. mit einem gewissen Feuerwiderstand ausgebildet werden müssen. Es ist daher klar, dass bei sehr kleinen Gebäuden mit geringem Brandrisiko eine Brandabschnittsbildung nicht wirtschaftlich ist. Ziel der zweiten Fallstudie ist die Definition eines Schwellenwertes für die Gebäudegrösse, bis zu dem auf Brandabschnitte verzichtet werden kann. Die Beurteilung basiert auf einer reinen Kosten‐Nutzen‐Abschätzung, andere 55 Wirtschaftliche Optimierung im vorbeugenden Brandschutz Schutzziele werden lediglich qualitativ diskutiert. Die Betrachtung der Wirtschaftlichkeit beschränkt sich auf eine Brandabschnittsbildung innerhalb von Kleinbauten, der Nutzen von Brandabschnitten oder Schutzabständen zu benachbarten Bauten wird nicht beurteilt. Die Abschätzung des wirtschaftlichen Nutzens von Brandabschnitten in Kleinbauten basiert auf der konservativen Annahme, dass es ohne Brandabschnitte im Brandfall stets zu einem Totalschaden kommt. Kleinere Werte für die Risikoreduktion im Brandfall ergeben sich unter der Annahme, dass Schäden unter einem bestimmten Schwellenwert, z.B. 5‘000, 10‘000 oder 20‘000CHF von der Brandabschnittsbildung nicht beeinflusst werden. Auch diese Annahme wird jedoch mit steigendem Versicherungswert der Gebäude zunehmend konservativ. Die Eintrittswahrscheinlichkeit von Bränden in Kleinbauten wird mit einem aus Daten geschätzten Modell in Abhängigkeit vom Versicherungswert der Gebäude berechnet. Die Ergebnisse zur jährlichen Risikoreduktion sind deswegen nur für Gebäude mit einer „durchschnittlichen“ Brandhäufigkeit gültig. Weitere Unsicherheiten ergeben sich aus der Umrechnung zwischen Geschossfläche, Volumen und Versicherungswert der Gebäude. Alle getroffenen Annahmen sind in Kapitel 6 beschrieben. Die wichtigsten Ergebnisse zur Wirtschaftlichkeit von Brandabschnitten in kleinen Bauten werden im Folgenden kurz zusammengefasst: ‐
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4.5
Der wirtschaftliche Nutzen einer Brandabschnittsbildung in Kleinbauten steigt mit der Schadenhäufigkeit, der Gebäudegrösse und dem Kubikmeterpreis, siehe Abschnitt 6.1.2. Die Kosten der Brandabschnittsbildung variieren je nach Gebäudetyp, Bauart, Grundriss und Gebäudegrösse (Kapitel 6.2). Bei kleinen Brandabschnitten liegen sie in einer Grössenord‐
nung von etwa 10‘000CHF, bei grösseren Gebäuden und Brandabschnitten mehr. Gemäss der vereinfachten Abschätzung in Abschnitt 6.3.1 ist eine Brandabschnittsbildung in Gebäuden mit einer Geschossfläche bis ca. 100m2 auch bei sehr konservativen Annahmen für die Schäden ohne Brandabschnitte wirtschaftlich nicht effizient. Bei der Verwendung von weniger konservativen Annahmen kann auch in Gebäuden bis ca. 300m2 oder 400m2 Geschossfläche auf Brandabschnitte verzichtet werden. Noch höhere Schwellenwerte ergeben sich, wenn man Kosten von mehr als 10‘000 CHF annimmt. So kann z.B. bis ca. 600m2 Geschossfläche auf Brandabschnitte verzichtet werden, wenn man Kosten von ca. 30‘000‐40‘000CHF für Gebäude dieser Grössenordnung annimmt. Die Ergebnisse sind für Gebäude oder Brandabschnitte mit überdurchschnittlich hoher Brandeintrittswahrscheinlichkeit nicht übertragbar, siehe Abschnitt 6.3.2. Bestimmte Mindestanforderungen in Bezug auf andere Schutzziele, insbesondere den Personenschutz, müssen auch in Kleinbauten erfüllt sein, vgl. Abschnitt 6.3.3. Rauchmelderpflicht für Wohngebäude (Fallstudie III) In vielen Ländern ist es Pflicht, Wohngebäude mit Rauchmeldern auszurüsten, z.B. in den meisten angelsächsischen Ländern, in Skandinavien und in einigen der deutschen Bundesländer. In der Schweiz besteht für Wohngebäude bisher keine Rauchmelderpflicht. Im Folgenden soll die Frage beantwortet werden, ob die Einführung einer solchen Pflicht aus gesellschaftlicher Sicht sinnvoll ist. Für den vermehrten Einsatz von Heimrauchmeldern gibt es gute Argumente: Rauchmelder helfen, Brände noch in ihrer Entstehungsphase frühzeitig zu entdecken, gegebenenfalls zu löschen oder 56 Kapitel 4 ‐ Übersicht über die Fallstudien und Zusammenfassung der Ergebnisse zumindest rechtzeitig zu fliehen. Hierdurch können die wirtschaftlichen Schäden, vor allem aber die Personengefährdung durch Brände reduziert werden. Zudem sind Heimrauchmelder relativ günstig und einfach zu installieren. Ziel der vorliegenden Fallstudie ist es, die Effizienz von Heimrauchmel‐
dern quantitativ zu beschreiben, um die Entscheidung für oder gegen eine Rauchmelderpflicht zu unterstützen. Die Fallstudie gliedert sich in zwei Fragestellungen: Im Vordergrund steht die Beurteilung der Effizienz einer Rauchmelderpflicht für den Personenschutz, der wirtschaftliche Nutzen von Heimrauchmeldern für den Sachwertschutz wird jedoch ebenfalls abgeschätzt. Die gesellschaftlichen Kosten einer Rauchmelderpflicht sowie ihr Nutzen durch die Reduktion der Personen‐ und Sachwertschäden werden auf Basis einer Literatur‐ und Datenrecherche quantifiziert. Die Beurteilung der Effizienz von Heimrauchmeldern in Bezug auf den Personenschutz basiert auf dem Grenzkostenprinzip und dem Life Quality Index (LQI), vgl. Abschnitt 2.2.2.4 und 2.2.2.5. Hierfür werden die Grenzkosten der Risikoreduktion mit der gesellschaftlichen Zahlungsbereitschaft für die Rettung eines zusätzlichen Menschenlebens verglichen. Das LQI‐Kriterium wird als Randbedingung für die wirtschaftliche Optimierung verwendet: Ist eine Massnahme effizient in Bezug auf den Personenschutz, muss sie unabhängig von ihrer Wirtschaftlichkeit umgesetzt werden. Eine Rauchmelderpflicht kann aber auch mit einer reinen Kosten‐Nutzen‐Betrachtung begründet werden, wenn die Kosten der Massnahme nicht durch ihren Einfluss auf das Personenrisiko gerechtfertigt werden. Die beiden Fragestellungen werden deswegen getrennt voneinander behandelt. Die im Rahmen der Abschätzung getroffenen Annahmen werden in Kapitel 7 ausführlich diskutiert. Die wichtigsten Ergebnisse zur Beurteilung einer Rauchmelderpflicht in Wohngebäuden werden im Folgenden kurz zusammengefasst: ‐
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Im Zeitraum 2000‐2007 gab es durchschnittlich 24 Tote/Jahr in Schweizer Wohngebäuden. Nur ein Teil der Todesfälle hätte durch Rauchmelder verhindert werden können. Das Rettungspotential bei Einführung einer Rauchmelderpflicht in Schweizer Wohngebäuden wurde auf etwa 5 gerettete Personen pro Jahr geschätzt, vgl. Abschnitt 7.1.1. Die Kosten für die Ausrüstung eines durchschnittlichen Haushaltes mit 3 Rauchmeldern betragen gemäss Abschätzung in Abschnitt 7.1.2 ca. 22CHF/Jahr für den regelmässigen Ersatz der Batterien und Melder. Nach Abzug der Haushalte, die bereits heute freiwillig mit Rauchmeldern ausgerüstet sind, wurden die gesellschaftlichen Grenzkosten bei Einführung einer Rauchmelderpflicht auf etwa 63 Mio. CHF / Jahr geschätzt, vgl. Abschnitt 7.1.3. Die Grenzkosten der Risikoreduktion von etwa 14.3 Mio. CHF pro gerettetes Menschenle‐
ben (Mittelwert) sind höher als die gesellschaftliche Zahlungsbereitschaft für die Rettung eines zusätzlichen Menschenlebens, die nach dem LQI‐Kriterium 5.1 Mio. CHF beträgt. Durch eine vereinfachte Abschätzung der Schadenreduktion für Einfamilienhäuser (Kapitel 7.2) konnte gezeigt werden, dass Rauchmelder auch als Massnahme für den Sachwertschutz nicht kosteneffizient sind. Die gesellschaftlichen Kosten einer Rauchmelderpflicht können weder durch die Erhöhung der Personensicherheit noch durch die Reduktion der Sachwertschäden gerechtfertigt werden. Auch nach Berücksichtigung der Unsicherheiten im Bereich der getroffenen Annahmen ist das Ergebnis eindeutig. Die gewählten Wahrscheinlichkeitsverteilungen für die Repräsentation der Unsicherheiten 57 Wirtschaftliche Optimierung im vorbeugenden Brandschutz basieren auf dem in Kapitel 7 beschriebenen Stand des Wissens. Eine Verbesserung der Grundlagen für die Annahmen vor allem zur Wirksamkeit von Rauchmeldern für den Personenschutz wäre wünschenswert. Möglichkeiten zur zukünftigen Datensammlung werden in Abschnitt 7.3 diskutiert. 4.6
Personenschutzanforderungen (Fallstudie IV) Die Schweizer Vorschriften zu Massnahmen des Personenschutzes sind rein präskriptiv. Ein rechnerischer Nachweis der Personensicherheit nach Artikel 13 der Brandschutznorm VKF (2003b) ist in Bezug auf die Gestaltung der Fluchtwege explizit ausgeschlossen. Auch eine Reduktion der Fluchtweganforderungen bei Einsatz von technischen Brandschutz‐Einrichtungen wie Brandmelde‐ oder Sprinkleranlagen ist nicht vorgesehen. Die Schweizer Personenschutz‐Vorschriften sind dadurch zwar sehr klar und einfach anzuwenden, in der Praxis teilweise allerdings etwas starr. In Hinblick auf eine mögliche Differenzierung der Vorschriften werden im Rahmen der Fallstudie zwei Fragestellungen behandelt: Die Beurteilung einer Kompensation eines längeren Fluchtweges mit Mitteln des technischem Brandschutzes und die Bestimmung der Abhängigkeit des Personenrisikos von der Personenzahl und anderen Einflussgrössen in Räumen mit hoher Personenbelegung. Für die erste Fragestellung wird untersucht, wie sich das Personenrisiko ändert, wenn die Fluchtweglänge im Vergleich zur Standardlösung nach Brandschutzrichtlinie „Flucht‐ und Rettungswege“ (VKF (2003c)) bei gleichzeitigem Einbau einer Brandmeldeanlage erhöht wird. Die Kosteneffizienz der beiden Alternativlösungen muss hier nicht explizit untersucht werden, da die Sachschäden von der Fluchtweglänge unabhängig sind und man davon ausgehen kann, dass die Bauherren bzw. Planer die für ihre spezifische Situation kostengünstigere Alternative wählen werden. Aufbauend auf der Modellierung für die erste Fragestellung wird das Personenrisiko in Räumen mit grosser Personenbelegung untersucht. Nach den derzeitigen Vorschriften werden für Räume mit mehr als 100 Personen zusätzliche Personenschutz‐Massnahmen gefordert, vgl. VKF (2003a). Die Vorschriften sind nur an die Personenzahl gekoppelt, so dass auch für Räume mit nur knapp mehr als 100 Personen bereits hohe zusätzliche Kosten anfallen. Das Hauptziel der Modellierung war deswegen die Berechnung des Personenrisikos abhängig von der Personenzahl, sowie die Identifikation weiterer wichtiger Einflussgrössen. Bei den in der Fallstudie behandelten Fragestellungen wird untersucht, ob ein Optimierungspotential durch Differenzierung der Schweizer Personenschutz‐Vorschriften besteht. Dies erfordert einen relativen Vergleich des Personenrisikos in verschiedenen Situationen. Die Quantifizierung des Personenrisikos basiert auf einem probabilistischen Vergleich der erforderlichen Evakuierungszeit RSET (englisch: Required Safe Egress Time) mit der für die Evakuierung verfügbaren Zeit ASET (englisch: Available Safe Egress Time). Die Verteilungen der beiden Zeiten wurden auf Basis von in der Literatur verfügbaren Daten und Modellen geschätzt. Auf eine Quantifizierung der einzelnen Massnahmen‐Kosten wird in dieser Fallstudie verzichtet. Diese wäre für eine Beurteilung des absoluten Niveaus des Personenrisikos, z.B. mit dem Life Quality Index, notwendig. Eine realistische Abschätzung des Personenrisikos in absoluten Zahlen erfordert aber ohnehin noch weitere Forschungsarbeit. Die vorgestellte Modellierung erlaubt lediglich einen relativen Risikovergleich. Es kann daher keine Aussage darüber gemacht werden, ob die Personensicherheit nach den derzeitigen Schweizer Vorschriften zu hoch oder zu niedrig ist. Ein relativer Vergleich des Personenrisikos in verschiedenen Situationen kann aber bereits helfen, die geforderten Investitionen zu optimieren. 58 Kapitel 4 ‐ Übersicht über die Fallstudien und Zusammenfassung der Ergebnisse Die wichtigsten Ergebnisse aus den in Kapitel 8 vorgestellten Berechnungen werden im Folgenden separat für die beiden betrachteten Fragestellungen zusammengefasst. Die Kompensation von Fluchtweganforderungen mit technischem Brandschutz wird in Kapitel 8.3 ausführlich diskutiert, Kapitel 8.4 behandelt die Beurteilung des Personenrisikos in Räumen mit hoher Personenbelegung. 4.6.1
Ergebnisse zur Kompensation von Fluchtweganforderungen mit technischem Brandschutz Die für die erste Fragestellung durchgeführten Berechnungen beziehen sich auf ein konkretes Szenario: Als Gebäudegruppe wurden Bürogebäude mit geringer Personendichte ausgewählt, bei denen keine Staubildung an den Ausgängen zu erwarten ist. Es wurde die Kompensation eines verlängerten Fluchtweges (Fluchtweglänge im Raum bzw. Gesamt‐Fluchtweglänge) mit einer Brandmeldeanlage betrachtet. Der positive Einfluss unabhängiger Fluchtrichtungen sowie die Möglichkeit einer Fremdrettung sind in der Modellierung nicht berücksichtigt. Eine ausführliche Diskussion der Ergebnisse und aller getroffenen Annahmen ist in Abschnitt 8.3.3 zu finden. Bezüglich der Fluchtweglänge im Raum lassen die Berechnungen die folgenden Rückschlüsse zu: ‐
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Die Kompensation einer längeren Fluchtweglänge im Raum mit einer Brandmeldeanlage ist nicht sinnvoll, da wache Personen im Brandraum den Entstehungsbrand in der Regel vor der Alarmierung durch die Brandmeldeanlage entdecken werden. Der Anteil der reinen Gehzeit an der gesamten Evakuierungszeit ist bei den derzeitigen Fluchtweganforderungen relativ klein, vor allem für die am stärksten gefährdeten Personen mit langer Alarmierungs‐ und/oder Reaktionszeit, vgl. Abschnitt 8.2.5. Der Einfluss der Fluchtweglänge steigt, wenn die für die Flucht verfügbare Zeit ASET kurz ist (schnelle Brandentwicklung), da dann auch Personen mit kurzer RSET gefährdet sind. Die verfügbare Zeit ASET steigt mit dem Raumvolumen (Raumfläche und Raumhöhe), da ein grösseres Volumen mit Rauch gefüllt werden muss, vgl. Abschnitt 8.2.4. Bei grossen Brandräumen ist sowohl das Personenrisiko in absoluten Zahlen als auch die Zunahme des Personenrisikos bei einer moderaten Fluchtweg‐Verlängerung gering im Vergleich zu der Situation bei kleinen Brandräumen (Abschnitt 8.3.2.1). Für die Gesamt‐Fluchtweglänge (d.h. für Personen in anderen Räumen) haben Berechnungen mit stark vereinfachten Annahmen zur Rauchausbreitung zu den folgenden Resultaten geführt: ‐
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Personen, die sich zum Zeitpunkt der Brandentstehung ausserhalb des Brandraums befinden, profitieren stark von einer frühzeitigen Alarmierung (Abschnitt 8.3.1). Auch mit konservativen Annahmen zur Ausfallwahrscheinlichkeit der Brandmeldeanlage ist das Personenrisiko für die Kompensationslösung bei einer moderaten Verlängerung der Gesamt‐Fluchtweglänge kleiner als bei der Standardlösung ohne technischen Brandschutz, wenn eine frühzeitige Alarmierung aller Gebäudenutzer erfolgt, vgl. Abschnitt 8.3.2.2. Der positive Einfluss einer Brandmeldeanlage wird durch eine Verzögerung der Alarmierung um mehrere Minuten stark reduziert, vgl. Abschnitt 8.3.1 und 8.3.2.2. Die Ergebnisse der Berechnungen sind nur für die betrachteten Szenarien gültig. Die Übertragbarkeit der qualitativen Rückschlüsse auf andere Gebäudegruppen und andere Massnahmen des technischen Brandschutzes wird in Abschnitt 8.3.4 und 8.3.5 diskutiert. 59 Wirtschaftliche Optimierung im vorbeugenden Brandschutz 4.6.2
Ergebnisse für Räume mit hoher Personenbelegung Für die Berechnung des Personenrisikos in Räumen mit hoher Personenbelegung müssen zusätzlich zur reinen Gehzeit im Fluchtweg auch Wartezeiten durch Staubildung an Engpässen wie Türen oder Treppen modelliert werden. Die wichtigsten Annahmen in der Modellierung sind in den Abschnitten 8.4.4 und 8.4.6 beschrieben. Nur das Szenario einer hohen Personenbelegung im Brandraum wurde betrachtet. Die untersuchten Einflussgrössen sind die Personenzahl im Raum, die Raumhöhe und die Personendichte bzw. die Grundfläche des Raumes. Von den für Räume mit grosser Personenbelegung geforderten Massnahmen wurden in den Berechnungen nur die Festlegungen zur Fluchtwegbreite berücksichtigt. Der Einfluss weiterer Massnahmen wird qualitativ in Abschnitt 8.4.5 diskutiert. Die wichtigsten Resultate der Berechnungen für Räume mit hoher Personenbelegung werden im Folgenden kurz zusammengefasst: ‐
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Die Kapazität eines Fluchtweges steigt näherungsweise linear mit der Fluchtwegbreite. Eine Erhöhung der Ausgangsbreite in 60cm‐Schritten abhängig von der Personenzahl ist wissenschaftlich nicht begründbar, siehe Abschnitt 8.4.3.2. Bei einer Personenbelegung ab 200 Personen sind die Festlegungen zur Mindest‐
Fluchtwegbreite so konstruiert, dass die totale Evakuierungszeit bei steigender Personenbe‐
legung in etwa konstant bleibt (Abschnitt 8.4.3.3). Das jährliche Personenrisiko in Abhängigkeit von der Personenzahl steigt zwischen 100 und 200 Personen stark an, wie in Abschnitt 8.4.6.2 gezeigt wurde. Bei konstanter Personendichte ist das Personenrisiko in Räumen mit etwas mehr als 200 Personen am höchsten. Bei grösseren Personenzahlen bleibt zwar die Evakuierungszeit konstant, gleichzeitig nimmt aber die verfügbare Zeit ASET mit steigender Raumgrösse zu. Mit steigendem Raumvolumen (grosse Raumhöhe und/oder niedrige Personendichte) sinkt bei gleicher Personenzahl das Risiko, da die verfügbare Zeit ASET steigt (Abschnitt 8.4.5.4). Da zusätzliche Massnahmen für Räume mit hoher Personenbelegung nur in Abhängigkeit von der Personenzahl gefordert werden, kann von einer starken Variation des Personenrisikos in Räumen mit unterschiedlichem Raumvolumen ausgegangen werden. Die Berechnungen erlauben nur einen relativen Vergleich des Personenrisikos in unterschiedlichen Situationen. Die starke Variation des Personenrisikos in Räumen mit unterschiedlichen Eigenschaften zeigt jedoch, dass die Vorschriften durch eine stärkere Differenzierung z.B. nach dem Raumvolumen von Räumen mit hoher Personenbelegung optimiert werden können. Mögliche Ansätze werden in Abschnitt 8.4.7 diskutiert. 60 Kapitel 5 ‐ Brandabschnitte in Einfamilienhäusern (Fallstudie I) 5
Brandabschnitte in Einfamilienhäusern (Fallstudie I) In der ersten Fallstudie wird die Wirtschaftlichkeit von zwei Brandabschnitten in Einfamilienhäusern untersucht. In Kapitel 5.1 wird der Nutzen einer Brandabschnittsbildung für den Aufstellungsraum von Feuerungsanlagen abgeschätzt. Die Abtrennung von Garagen bis 150m2 vom Einfamilienhaus wird in Kapitel 5.2 beurteilt. Aspekte des Personenschutzes werden in Kapitel 5.3 diskutiert. 5.1
5.1.1
Abschätzung für den Aufstellungsraum von Feuerungsanlagen Grundidee der Abschätzung und verwendete Daten Aufgabe des eigenen Brandabschnittes für den Heizungsraum ist es, Brände an Zentralheizungen auf den Heizungsraum zu begrenzen. Der Schaden im Heizungsraum ist davon unabhängig, nur die Wahrscheinlichkeit von grösseren Schäden wird durch die Brandabschnittsbildung reduziert. Die Grundidee der im Folgenden vorgestellten vereinfachten Abschätzung zur Wirtschaftlichkeit des Brandabschnittes besteht darin, die Verteilung von Schäden aus Bränden an Heizungsanlagen mit einer „normalen“ Schaden‐Verteilung ohne Brandabschnitt zu vergleichen. In Tabelle 5.1 sind die VKF‐Ursachen‐Codes 11‐17 (Feuerungsanlagen) aufgeführt. Nur der Ursachen‐
Code 13 (Zentralheizungen) ist dem Heizungsraum zuzuordnen. Es wird daher angenommen, dass die Daten zu Schäden mit diesem Ursachen‐Code für die Brandentstehung und ‐entwicklung in heutigen Heizungsräumen (also mit Brandabschnittsbildung) repräsentativ sind. Code Schadenursache
11
12
13
14
15
16
17
Cheminées
Zimmeröfen
Zentralheizungen
Industriefeuerungen
Rauchabzugsanlagen
Feuerungsrückstände
Übrige
Tabelle 5.1: VKF‐Ursachencodes: Feuerungsanlagen. Für die Berechnung der Schadenreduktion durch den Brandabschnitt „Heizungsraum“ im Brandfall wurden IRV‐Schadendaten 2000‐2007 für reine Wohngebäude mit Versicherungswert bis 2 Mio. CHF (Einfamilienhäuser und kleine Mehrfamilienhäuser) verwendet. Die Berechnung der jährlichen Eintrittswahrscheinlichkeit von Zentralheizungs‐Bränden basiert auf Schaden‐ und Portfoliodaten der AGV (nur Einfamilienhäuser und Reihen‐Einfamilienhäuser) und Angaben aus dem Eidgenössischen Gebäude‐ und Wohnungsregister zu Heizungsart in Aargauer Einfamilienhäusern (BFS (2009a)). 5.1.2
Durchschnittliche Schadenreduktion durch den Brandabschnitt im Brandfall Die Schadenreduktion im Brandfall durch den Brandabschnitt „Heizungsraum“ ergibt sich aus der reduzierten Wahrscheinlichkeit von Grossschäden. Dies ist in Abbildung 5.1 gut zu erkennen, in der die Verteilung von Schäden mit verschiedenen Schadenursachen dargestellt ist: Im unteren Bereich ist die Verteilung der Schäden mit Ursache „Zentralheizungen“ (Code 13, fette schwarze Linie) zwar ungünstiger als die der übrigen Feuerungsanlagen‐Schäden (Code 10‐19 ohne 13, dünne graue Linie). 61 Wirtschaftliche Optimierung im vorbeugenden Brandschutz Die Wahrscheinlichkeit von sehr grossen Schäden ist dafür aber kleiner: So sind zum Beispiel nur etwa 2% der Zentralheizungs‐Schäden grösser als 100‘000 CHF (=105 CHF) im Vergleich zu etwa 3.5% bei den übrigen Feuerungsanlagen‐Schäden. Für die Berechnung des durchschnittlichen Schadens fallen die Grossschäden besonders stark ins Gewicht, weswegen der Mittelwert der Zentralheizungs‐
Schäden kleiner ist als bei den anderen Schadenursachen (siehe Werte in der Legende von Abbildung 5.1). Die Gruppe der übrigen Feuerungsanlagen‐Schäden wurde wegen der Vergleichbarkeit in Bezug auf die Brandentstehung für den Vergleich mit den Zentralheizungs‐Schäden ausgewählt. Abbildung 5.1: Illustration zur Abschätzung der Schaden‐Verteilung für Brände an Zentralheizungen ohne Brandabschnitt. Die vergleichsweise ungünstige Verteilung der Zentralheizungs‐Schäden im Bereich kleinerer Schäden lässt sich dadurch erklären, dass die Heizungsanlage mit dem Gebäude mitversichert ist. Es ist somit nicht überraschend, dass es bei Bränden an Zentralheizungen schnell zu Schäden von einigen Tausend Franken kommt. Bei ca. 30‘000 CHF kreuzen sich die Linien, so dass die Wahrscheinlichkeit von grösseren Schäden bei der Schadenursache 13 kleiner ist als bei den Schäden in der Vergleichsgruppe. 30‘000 CHF entspricht in etwa der Grössenordnung eines Schadens, der bei einem vollständig ausgebrannten Heizungsraum entsteht. Für die Abschätzung der Schadenreduktion im Brandfall wird deswegen im Folgenden angenommen, dass die reduzierten Wahrscheinlichkeiten von grösseren Schäden auf die Brandabschnittsbildung zurückzuführen ist. Der Referenzfall für den Ist‐Zustand mit Brandabschnitt wird durch die Verteilung der beobachteten Zentralheizungs‐Schäden beschrieben (fette schwarze Linie in Abbildung 5.1). Der durchschnittliche Schaden bei einem Brand im Heizungsraum mit Brandabschnitt liegt bei 13‘706 CHF. Verzichtet man auf die Brandabschnittsbildung, sind höhere Schäden zu erwarten. Um diese zu berechnen, wird folgende Annahme getroffen: Bis zu einem bestimmten Schwellenwert X (z.B. 30‘000 CHF wie in 62 Kapitel 5 ‐ Brandabschnitte in Einfamilienhäusern (Fallstudie I) Abbildung 5.1) bleibt die Verteilung der Schäden unverändert, da davon ausgegangen werden kann, dass kleine Schäden ohnehin auf den Heizungsraum beschränkt bleiben. Erst bei grösseren Schäden zeigt sich der positive Einfluss der Brandabschnittsbildung. Für die Abschätzung der Schäden ohne Brandabschnitt wird die Verteilung deshalb nur im oberen Bereich an den Vergleichsfall (graue Linie) angepasst. Die gestrichelte schwarze Linie in Abbildung 5.1 zeigt die hypothetische Verteilung des Schadenbetrags ohne Brandabschnitt im Falle eines Brandes an der Zentralheizung. Der Mittelwert E SohneBA X  der angenommen Schadenverteilung ohne Brandabschnittsbildung (gestrichelte Linie in Abbildung 5.1) wird für einen bestimmten Schwellenwert X folgendermassen berechnet: E  S ohne BA X   p  E  S Zentralh S Zentralh  X   (1  p )  E  SVergleich SVergleich  X 
(5.1)
Hierin bezeichnet E  S Zentralh S Zentralh  X  den Mittelwert aller Schäden mit Ursache 13 (Zentralheizungen), die kleiner oder gleich gross sind wie der Schwellenwert X , also alle Schäden, die gemäss Annahme auf den Heizungsraum beschränkt sind. E  SVergleich SVergleich  X  ist der 

Mittelwert aller Schäden in der Vergleichsgruppe, die grösser sind als der Schwellenwert (gestrichelte bzw. graue Linie im oberen Bereich). Der Gewichtungsfaktor p ist der Anteil der Schäden mit Ursache 13 (Zentralheizungen), die kleiner sind als der Schwellenwert X . Er wird aus der Verteilung aller Zentralheizungs‐Schäden ermittelt (siehe Abbildung 5.1). Die hypothetische Schadenverteilung ohne Brandabschnitt berücksichtigt nicht, dass die Kosten für den Schaden an der Heizungsanlage auch bei Bränden anfallen, in denen die Schäden über den Heizungsraum hinausgehen. Für eine konservative Abschätzung des durchschnittlichen Schadens ohne Brandabschnitt kann folgende Formel angewendet werden: 

E  Sohne BA X   p   SZentralh SZentralh  X   (1  p)  E  SVergleich SVergleich  X   X (5.2)
Die Berechnungen werden mit verschiedenen Werten für den Schwellenwert X durchgeführt. Berücksichtigt man nur Schäden durch das Feuer, so entspricht X dem Schadenbetrag, der bei einem vollständig ausgebrannten Heizungsraum entsteht. Gemäss der Abschätzung durch die Experten in der Projekt‐Steuerungsgruppe beträgt dieser etwa 20‘000‐30‘000 CHF, ggf. auch bis zu 50‘000 CHF. Kleinere Schwellenwerte ergeben sich, wenn man berücksichtigt, dass bereits Rauchschäden ausserhalb des Heizungsraumes entstehen können, ehe dieser vollständig ausgebrannt ist. Der kleinste sinnvolle Wert für X entspricht einem grossen Rauchschaden im Heizungsraum und liegt in der Grössenordnung von einigen Tausend Franken. Berechnungen des durchschnittlichen Schadens im Brandfall ohne Brandabschnitt nach den Schätzformeln (5.1) und (5.2) sowie für Schwellenwerte X zwischen 5‘000 und 100‘000 CHF sind in Abbildung 5.2 (links) dargestellt. Die durchgezogene schwarze Linie markiert den durchschnittlichen Schaden im Ist‐Zustand (mit Brandabschnitt) für Zentralheizungs‐Schäden. Die durchschnittliche Schadenreduktion im Brandfall durch den Brandabschnitt ergibt sich als Differenz zwischen den Schätzwerten und dem Ist‐Zustand, siehe rechte Seite von Abbildung 5.2. Je nach getroffenen Annahmen liegt im Brandfall die Schadenreduktion durch den Brandabschnitt zwischen etwa 1‘500 und 15‘000 CHF. 63 Wirtschaftliche Optimierung im vorbeugenden Brandschutz Abbildung 5.2: Durchschnittlicher Schaden bei Heizungsbränden mit/ohne Brandabschnitt (links) sowie durchschnittliche Schadenreduktion im Brandfall (rechts) nach Gleichung (5.1) und (5.2). 5.1.3
Jährliche Risikoreduktion durch den Brandabschnitt Die jährliche Risikoreduktion durch den Brandabschnitt ergibt sich aus der durchschnittlichen Schadenreduktion im Brandfall und der jährlichen Eintritts‐Wahrscheinlichkeit eines Feuers, das im Heizungsraum beginnt. Die jährliche Eintrittswahrscheinlichkeit kann mit Hilfe von Schaden‐ und Portfoliodaten der AGV geschätzt werden. Im Zeitraum von 1999 bis 2008 (10 Jahre) gab es in Aargau 23 Schäden in Einfamilienhäusern und Reihen‐Einfamilienhäusern mit dem Ursachen‐Code 13. Die Portfolio‐Daten (Stand Anfang 2009) enthalten 88‘157 EFH und Reihen‐EFH. Allerdings ist davon auszugehen, dass nicht alle im Portfolio verzeichneten Gebäude eine Zentralheizung haben. Der Anteil der Gebäude, die eine auf Verbrennung beruhende Zentralheizung haben, kann auf Basis von Daten aus dem Gebäude‐ und Wohnungsregister des Bundesamtes für Statistik (BFS (2009a)) bestimmt werden. Berücksichtigt man nur Zentralheizungen für einzelne Gebäude mit Öl‐, Gas‐, Holz‐ oder Kohle‐Feuerung, so ist bei etwa 61% der Einfamilienhäuser (inklusive Reihen‐EFH) in Aargau ein klassischer Heizungsraum zu erwarten. Nimmt man noch Zentralheizungen für mehrere Gebäude hinzu, beträgt der Anteil etwa 69%. Der Anteil der Gebäude, bei denen die Schadenursache 13 (Zentralheizungen) überhaupt möglich ist, liegt somit zwischen 61 und 69%. Für die weiteren Berechnungen wird angenommen, dass der Anteil bei 65% liegt. Die jährliche Eintrittswahrscheinlich‐
keit eines Zentralheizungs‐Brandes ergibt sich gemäss folgender Gleichung: PBrand
N Schäden
23
4 105



NGebäude 10 Jahre (88'157  0.65) 10 Jahre Jahr
(5.3)
Multipliziert man die Eintrittswahrscheinlichkeit mit der durchschnittlichen Schadenreduktion im Brandfall (Abbildung 5.2), so erhält man die erwartete jährliche Schadenreduktion durch den Brandabschnitt. Wegen der geringen Häufigkeit von Bränden an Zentralheizungen beträgt die jährliche Risikoreduktion durch die Brandabschnittsbildung weniger als 1 CHF pro Einfamilienhaus. 64 Kapitel 5 ‐ Brandabschnitte in Einfamilienhäusern (Fallstudie I) 5.1.4
Risikoreduktion durch den Brandabschnitt über die gesamte Lebensdauer Investitionen in Brandabschnitte sind Einmal‐Investitionen, die in der Regel über viele Jahre hinweg keine Erneuerung erfordern. Unter Berücksichtigung von Zinseffekten berechnet sich die kumulierte Schadenreduktion durch den Brandabschnitt über seine gesamte Lebensdauer durch Multiplikation der jährlichen Schadenreduktion mit einem von der Lebensdauer T und dem Diskontierungszinssatz abhängigen Faktor, vgl. Abschnitt 2.2.2.3. Die kumulierte Schadenreduktion über die Lebensdauer des Brandabschnittes für verschiedene Schwellenwerte X ist in Abbildung 5.3 dargestellt. Die Werte können direkt mit den Investitionskosten für den Brandabschnitt verglichen werden. Abbildung 5.3: Erwartete Schadenreduktion durch den Brandabschnitt, abgezinst (Zinssatz 2%) und kumuliert über die gesamte Lebensdauer des Brandabschnittes. Schwarz: Berechnung nach Gleichung (5.1). Grau: Konservative Annahme gemäss Gleichung (5.2). 5.1.5
Diskussion der Ergebnisse und getroffenen Annahmen Über seine gesamte Lebensdauer kumuliert beträgt gemäss der vereinfachten Abschätzung die Schadenreduktion durch den Brandabschnitt weniger als 30 CHF. Dieser Betrag wird bereits durch die Kosten für eine Brandschutztür deutlich überschritten. Im Folgenden werden die wesentlichen Annahmen zur Berechnung der Risikoreduktion durch den Brandabschnitt kurz diskutiert: ‐
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‐
Abschätzung der Risikoreduktion im Brandfall: Die Abschätzung beruht auf der Annahme, dass die unterschiedliche Häufigkeit von Grossschaden mit verschiedenen Ursachen durch die Brandabschnittsbildung erklärt werden kann. Diese Erklärung ist zwar plausibel, es ist aber nicht auszuschliessen, dass es andere Gründe für die Abweichungen gibt. Annahmen zum Ist‐Zustand im Gebäudeportfolio: Es wurde angenommen, dass Schäden mit dem Ursachen‐Code 13 („Zentralheizungen“) repräsentativ sind für Brände an Feuerungsan‐
lagen in einem wirksamen Brandabschnitt. Dies setzt voraus, dass der Heizungsraum in den betroffenen Gebäuden (inklusive sehr alten Gebäuden) der aktuellen Normung entspricht. Keine Differenzierung nach Heizungsarten: Die Häufigkeit von Heizungsbränden kann sich je nach Heizungsart stark unterscheiden. Die aus den Daten ermittelte jährliche Eintrittswahr‐
scheinlichkeit gilt für eine „durchschnittliche“ Zentralheizung. Die Ergebnisse sind auf Heizungsarten mit deutlich höherer Brandeintritts‐Wahrscheinlichkeit nicht übertragbar. 65 Wirtschaftliche Optimierung im vorbeugenden Brandschutz Von den oben genannten Annahmen ist vor allem die fehlende Differenzierung nach Heizungsarten kritisch. Nach der Erfahrung der Experten in der Steuerungsgruppe des Projektes „Wirtschaftliche Optimierung im vorbeugenden Brandschutz“ sind Festbrennstoffheizungen (vor allem mit Handfeuerung) in Bezug auf die Brandhäufigkeit als besonders gefährlich einzustufen. Hier könnte eine Brandabschnittsbildung abweichend von den Ergebnissen für eine „durchschnittliche“ Heizung weiterhin sinnvoll sein. Schäden an Heizungsanlagen mit Boden‐ oder Luftwärmepumpen sowie an Gasheizungen sind dagegen selten. Für zukünftige Untersuchungen wäre es hilfreich, die Schäden an Zentralheizungen in den Schadendaten nach Heizungsarten zu differenzieren, z.B. über eine zusätzliche Ziffer im Ursachen‐Code. Die Definition der Heizungsarten sollte sich an den Kategorien nach BFS (2009a) orientieren, da so die Daten aus dem Schweizer Gebäude‐ und Wohnungsregister verwendet werden können, um die Verteilung der Heizungsarten im Gebäudeportfolio abzuschätzen. Die vereinfachte Abschätzung auf Datenbasis beruht im Wesentlichen auf den drei oben diskutierten grundsätzlichen Annahmen. Im Folgenden werden weitere Annahmen diskutiert, die im Rahmen der vereinfachten Abschätzung das Ergebnis beeinflussen können: ‐
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‐
‐
Wenige Daten zu Schäden an Zentralheizungen im oberen Bereich: Die Ergebnisse sind stark von der Form der Verteilung für Zentralheizungs‐Schäden im oberen Bereich abhängig, in dem nur wenige Daten vorhanden sind. So gibt es zum Beispiel in den Daten nur 9 Schäden mit Ursache 13 über 100‘000 CHF, der grösste Schaden beträgt 503‘532 CHF. Dass keine grösseren Schäden beobachtet wurden, liegt vermutlich eher an der geringen Datenmenge als an der Brandabschnittsbildung. Die Schadenreduktion durch den Brandabschnitt ist umso kleiner, je grösser die Schäden bereits im Ist‐Zustand, also mit Brandabschnitt, sind. Berechnung der jährlichen Eintrittswahrscheinlichkeit: Einen grossen Einfluss auf die Ergebnisse hat die jährliche Eintrittswahrscheinlichkeit eines Schadens im Heizungsraum. Hier wurde die Annahme getroffen, dass nur Schäden an Zentralheizungen für die Berech‐
nung der Eintrittswahrscheinlichkeit betrachtet werden müssen, andere mögliche Zündquel‐
len werden vernachlässigt. Die tatsächliche Schadenreduktion wird unterschätzt, wenn ein Teil der Feuerungsanlagen‐Schäden in den Daten anders codiert ist, z.B. als Elektrobrände. Keine Berücksichtigung von Mobiliarschäden: Es kann angenommen werden, dass die in der Berechnung nicht berücksichtigten Mobiliarschäden maximal in derselben Grössenordnung liegen wie die Gebäudeschäden (vgl. Kapitel 3.3.7). Grenzbetrachtung ohne „faktischen“ Brandabschnitt: Der gewählte Ansatz zur Beurteilung der Brandabschnittsbildung berücksichtigt nicht, dass der Heizungsraum in der Regel bereits aufgrund anderer Anforderungen (z.B. Schallschutz) faktisch als Brandabschnitt ausgebildet sein wird, auch wenn die Brandschutzvorschriften dies nicht verlangen. Die vorgestellten Ergebnisse wurden auf der Basis von Daten zu Schäden an Feuerungsanlagen in Wohngebäuden bis 2 Mio. CHF Versicherungswert berechnet, also für Einfamilienhäuser und kleine Mehrfamilienhäuser. Berechnungen für Wohngebäude mit mehr als 2 Mio. CHF Versicherungswert führen zu ähnlichen Ergebnissen. Für andere Nutzungsklassen ist eine vereinfachende Abschätzung auf Datenbasis schwierig, da hier deutlich weniger Daten vorliegen als bei den Wohngebäuden. Aus den Berechnungen für die Wohngebäude wird allerdings deutlich, dass die geringe Schadenreduktion durch die Brandabschnittsbildung vor allem auf die geringe jährliche Eintrittswahrscheinlichkeit von 66 Kapitel 5 ‐ Brandabschnitte in Einfamilienhäusern (Fallstudie I) Bränden an Zentralheizungen zurückzuführen ist. Dies sollte im Prinzip auf alle Nutzungsklassen zutreffen, bei denen ähnliche Feuerungsanlagen im Einsatz sind wie bei den Wohngebäuden. 5.2
Abschätzung für kleine Motorfahrzeug‐Einstellräume Eine Brandabschnittsbildung für Motorfahrzeug‐Einstellräume (Garagen) in Einfamilienhäusern wird aus ähnlichen Gründen gefordert wie der eigene Brandabschnitt für den Heizungsraum: Bereiche mit unterschiedlicher Brandgefahr (Brandhäufigkeit und/oder Brandentwicklung) sollen voneinander abgetrennt werden. Im Folgenden wird die Frage behandelt, ob eine Abtrennung kleiner Garagen bis 150m2 vom Einfamilienhaus sinnvoll ist. Das Vorgehen ist ähnlich wie bei der Betrachtung des Aufstellungsraumes für Feuerungsanlagen. Eine Abschätzung auf Datenbasis ist hier allerdings schwieriger, da sich die „Garagenbrände“ in den Daten nicht so einfach über die Schadenursache identifizieren lassen wie die „Heizungsbrände“. Wie vielfältig die Ursachen für Brände in Einstellhallen sind, zeigt eine Auswertung der AGV‐Schadendaten 1999‐2008 für Einstellgaragen (Zweck‐Code 900/901) mit einem Gebäudevolumen bis 500m3, vgl. Tabelle 5.2. Die Brandursache „Motorfahrzeuge“ (VKF‐Code 82) fällt unter die Kategorie „Andere bekannte Ursachen“. In den Daten waren nur 5 Brandfälle (13.5% aller Brände) mit dieser Schadenursache verzeichnet. Ursache
Schäden Prozent
1 ‐ Feuerungsanlagen
3
8.1%
2 ‐ Bestimmungsgem. Feuer
5 13.5%
3 ‐ Selbstentzündungen
1
2.7%
4 ‐ Explosionen
3
8.1%
5 ‐ Elektrizität
2
5.4%
7 ‐ Brandstiftungen
6 16.2%
8 ‐ Andere bekannte Ursachen
6 16.2%
9 ‐ Unbekannte Ursachen
11 29.7%
Alle Brände (ohne Blitzschläge)
37
100% Tabelle 5.2: Schäden an Einstellgaragen bis 500m3 nach Schadenursache (AGV‐Schadendaten 1999‐
2008, ohne Blitzschäden). Die Aargauer Schaden‐ und Portfoliodaten zu Garagen bis 500m3 ermöglichen auch eine Abschätzung der jährlichen Brandeintrittswahrscheinlichkeit: PBrand
N Schäden
37
1.6 104



NGebäude 10 Jahre 23'559 10 Jahre
Jahr
(5.4)
Zu beachten ist, dass viele Garagen mit den Wohngebäuden mitversichert und daher in der Statistik nicht gesondert erfasst sind. Die analysierten Daten sind somit nicht unbedingt repräsentativ für die ans Wohngebäude angebauten oder eingebauten Garagen. Mit Blick auf die vielfältigen Ursachen von Garagenbränden ist es möglich, dass die Brandhäufigkeit bei den in den Daten nicht gesondert erfassten Garagen höher ist in Gleichung (5.4) berechnet. So ist zum Beispiel denkbar, dass Garagen direkt am Haus häufiger als Hobby‐ oder Bastelraum verwendet werden. Allerdings lässt sich hiermit kaum ein eigener Brandabschnitt für die Garage begründen, solange jeder beliebige andere Raum im Haus ohne spezielle Brandschutzanforderungen als Bastelraum verwendet werden kann. 67 Wirtschaftliche Optimierung im vorbeugenden Brandschutz Die Brandeintrittswahrscheinlichkeit nach Gleichung (5.4) ist etwa viermal so hoch wie die Häufigkeit von Zentralheizungs‐Bränden (Gleichung (5.3)). Eine Abschätzung der Schadenreduktion im Brandfall wie in Abschnitt 5.1.2 ist für die Brandabschnittsbildung bei Garagen in Einfamilienhäusern wegen der vielfältigen Brandursachen nicht möglich. Unter Annahme verschiedener Werte für die durchschnittliche Schadenreduktion im Brandfall lässt sich mit der Schadenhäufigkeit jedoch bereits eine einfache Abschätzung zum Nutzen des Brandabschnittes machen, siehe Tabelle 5.3. Die Berechnungen zeigen, dass die Risikoreduktion durch die Abtrennung kleiner Garagen vom Einfamilienhaus selbst bei durchschnittlich 200‘000 CHF Einsparungen pro Brandfall noch unter 1‘500 CHF liegt, was in etwa den Kosten einer Brandschutztür entspricht. Die Brandabschnittsbildung ist somit auch in diesem Fall nicht wirtschaftlich. Die Abschätzung beruht nur auf der Eintrittswahr‐
scheinlichkeit von Bränden in kleinen Garagen nach Gleichung (5.4). Die Sensitivitäten sind somit leicht zu identifizieren: Eine Verdopplung der Eintrittswahrscheinlichkeit führt zu einer Verdopplung der geschätzten Risikoreduktion in Tabelle 5.3. Ø Schadenreduktion im Brandfall Jährliche Risikoreduktion pro EFH
Risikoreduktion/EFH über 50 Jahre
Risikoreduktion/EFH über 100 Jahre
[CHF]
[CHF]
[CHF]
[CHF]
10'000
1.6
49
68
20'000
3.1
99
135
50'000 100'000 200'000
7.9
15.7
31.4
247
494
987
338
677
1'354 Tabelle 5.3: Abschätzung der Risikoreduktion durch eine Abtrennung kleiner Garagen bis 150m2 vom EFH mit verschiedenen Annahmen zur durchschnittlichen Schadenreduktion im Brandfall. 5.3
Aspekte des Personenschutzes Der Hauptgrund für den geringen wirtschaftlichen Nutzen der beiden betrachteten Brandabschnitte in Einfamilienhäusern ist die geringe Brandeintritts‐Wahrscheinlichkeit. Rein qualitativ lässt sich dieselbe Argumentation auch auf die Wirksamkeit der Brandabschnitte für den Personenschutz übertragen. Unabhängig davon ist für den Personenschutz aber ohnehin die Behinderung der Rauchausbreitung wichtiger als die der Brandausbreitung. Ein Brandabschnitt wird in der Regel automatisch auch als Rauchabschnitt ausgebildet, eine Behinderung der Rauchausbreitung kann aber auch kostengünstiger erreicht werden. Eine Möglichkeit wäre zum Beispiel, für Aufstellungsräume von Feuerungsanlagen und kleine Einstellgaragen in Einfamilienhäusern zwar keinen Brandabschnitt, aber einen Raumabschluss zu fordern. Bei Feuerungsanlagen bis 20kW Nennwärmeleistung ist eine Aufstellung direkt in Wohnräumen allerdings heute schon üblich. Ein Raumabschluss zu Wohnräumen reduziert auch die Gefährdung von Personen durch die Bildung von Kohlenmonoxid (CO) bei Defekten an der Heizungsanlage. Da es sich hierbei nicht um klassische Brandopfer handelt, sind die CO‐Toten in der VKF‐Statistik nicht erfasst. Nach Erfahrung der Experten aus der Steuerungsgruppe des Projektes „Wirtschaftliche Optimierung im vorbeugenden Brandschutz“ ist die Gefahr einer Kohlenmonoxid‐Vergiftung bei Gasthermen, Zimmeröfen oder Etagenheizungen grösser als bei Zentralheizungen. Unklar ist allerdings, ob dies auf eine höhere Sicherheit von Zentralheizungen (z.B. durch automatische Abschaltung moderner Zentralheizungen bei CO‐Austritt) oder auf die Aufstellung im eigenen Brandabschnitt zurückzuführen ist. 68 Kapitel 6 ‐ Kleine Bauten ohne Brandabschnitte (Fallstudie II) 6
Kleine Bauten ohne Brandabschnitte (Fallstudie II) Ziel dieser Fallstudie ist die Schaffung von Grundlagen für die Definition einer Gebäudeklasse „Kleine Bauten“, bei denen auf Brandabschnitte innerhalb des Gebäudes verzichtet werden kann. Im Vordergrund steht die Abschätzung des wirtschaftlichen Nutzens von Brandabschnitten in Kleinbauten (Kapitel 6.1) zum Vergleich mit den Kosten einer Brandabschnittsbildung (Kapitel 6.2). Bei der Diskussion der Ergebnisse (Kapitel 6.3) werden neben der wirtschaftlichen Optimierung aber auch andere Schutzziele zumindest qualitativ berücksichtigt. 6.1
Abschätzung des wirtschaftlichen Nutzens einer Brandabschnittsbildung Die Einführung einer Klasse „Kleine Bauten“ ohne Brandabschnitte betrifft eine Vielzahl unterschiedlicher Gebäude. Kosten und Nutzen der Brandabschnittsbildung variieren je nach Bauweise, Geometrie und Nutzung der Gebäude. Ein Brandabschnitt wird gemäss Brandschutzrichtli‐
nie „Schutzabstände, Brandabschnitte“ (VKF (2003d)) zum Beispiel in den folgenden Fällen gefordert: ‐
‐
‐
‐
‐
Aufstellungsraum von Feuerungsanlagen Einstellräume von Motorfahrzeugen Lager für brennbare Flüssigkeiten / gefährliche Stoffe Mehrere Wohnungen im selben Gebäude Abtrennung unterschiedlicher Nutzungen Eine Beurteilung der Wirtschaftlichkeit von Brandabschnitten in Kleinbauten mit Ingenieurmethoden ist wegen der Vielfalt der betroffenen Gebäudetypen schwierig. Auch eine Abschätzung auf Datenbasis ist nicht ohne weiteres möglich, da die Schadendaten keine Informationen zur Brandabschnittsbildung enthalten. Um dennoch eine quantitative Abschätzung zu ermöglichen, wurde für die Bearbeitung der Fallstudie ein stark vereinfachter Ansatz auf Basis einer konservativen Abschätzung für den wirtschaftlichen Nutzen der Brandabschnittsbildung in Kleinbauten entwickelt. Das Vorgehen und die getroffenen Annahmen werden im Folgenden beschrieben. Der Ansatz basiert auf zwei grundlegenden Annahmen: ‐
‐
Die Wahrscheinlichkeit einer Brandentstehung ist abhängig von der Grösse des Gebäudes. Im Brandfall können die Schäden auch ohne Brandabschnittsbildung nie den Versicherungs‐
wert des Gebäudes übersteigen. Zur Abschätzung des maximalen Nutzens einer Brandabschnittsbildung wird das beobachtete Brandrisiko in den derzeitigen Kleinbauten unterschiedlicher Zweckbestimmungen mit einem „worst case“ verglichen: Hierzu wird vereinfachend angenommen, dass Brände in Kleinbauten bei Verzicht auf Brandabschnitte stets zu einem Totalschaden führen. 6.1.1
Annahmen für die Berechnung der maximalen Risikoreduktion Für die Berechnungen wird zunächst das Brandrisiko für heutige Kleinbauten in Abhängigkeit von der Gebäudegrösse modelliert. Hierzu wird der in Kapitel 3.4 vorgestellte Ansatz zur Modellierung auf Datenbasis verwendet, allerdings werden sowohl die jährliche Brandeintritts‐Wahrscheinlichkeit als auch der erwartete Schaden im Brandfall in Abhängigkeit vom Versicherungswert (nicht vom 69 Wirtschaftliche Optimierung im vorbeugenden Brandschutz Gebäudevolumen) modelliert. Das jährliche Brandrisiko im Ist‐Zustand, R IST ,V (auf Datenbasis ermittelt), berechnet sich für ein Gebäude mit Versicherungswert V wie folgt: RIST ,V    E  S V   e V   E  S V 

(6.1)

Hierin ist   e V die aus Daten ermittelte jährliche Schadenhäufigkeit (vgl. Abschnitt 3.4.1). Die Modellparameter  und  können nicht aus Tabelle 3.9 übernommen werden, da die dort angegebenen Werte die Schadenhäufigkeit in Abhängigkeit vom Gebäudevolumen beschreiben. Die Parameter wurden für diese Fallstudie neu aus den Schaden‐ und Portfoliodaten des IRV geschätzt. Hierbei wurden nur Objekte mit einem Versicherungswert bis 1Mio.CHF berücksichtigt, um eine gute Anpassung des Modells im Bereich der Kleinbauten zu garantieren. Auch zur Berechnung des erwarteten Schadens im Brandfall E  S V  (Abschnitt 3.4.2) wurden neue Verteilungen an die IRV‐
Daten für Gebäude bis 1Mio.CHF Versicherungswert angepasst. Da bei Kleinbauten vor allem die Beschränkung des Schadenbetrags auf den Versicherungswert wichtig ist, wurde der Schadenbetrag S vereinfachend mit einer Lognormalverteilung modelliert (Normalverteilung für ln(S ) ). Eine Zusammenfassung der aus den IRV‐Daten geschätzten Modellparameter ist in Tabelle 6.1 gegeben. Schadenhäufigkeit e α V β
E[α]
E[β]
1 Verwaltung, öffentl. Geb.
‐10.7839
0.3418
2 Wohngebäude
‐10.7321
0.3677
3 Landwirtschaftliche Geb.
‐17.6837
0.8661
5‐7 Handel, Industrie, Gewerbe
‐15.5143
0.7144
9 Kleinbauten, Nebengeb.
‐15.5451
0.6705
Zweck
Lognormalverteilung für S<V
E[λ]
E[ζ]
8.9187
1.9018
8.0850
1.6485
8.9762
2.3283
9.3748
2.1767
8.9662
1.9928
Tabelle 6.1: Modellparameter für die Modellierung des Brandrisikos im Ist‐Zustand. Das jährliche Brandrisiko nach Gleichung (6.1) kann nun mit dem „worst case“ ohne Brandabschnitte verglichen werden. Hierzu wird angenommen, dass es im Brandfall stets zu Totalschäden kommt, d.h. E  S V   V , während die Schadenhäufigkeit  gegenüber Gleichung (6.1) unverändert bleibt: Rmax,V   V  eV  1
(6.2)
In Abbildung 6.1 ist der Risikovergleich am Beispiel der landwirtschaftlichen Gebäude (Zweck 3) dargestellt. Die durchgezogene Linie illustriert die Abhängigkeit des beobachteten Brandrisikos vom Versicherungswert nach Gleichung (6.1). Die Güte der Anpassung kann mit Hilfe der direkt aus den Daten ermittelten jährlichen Schäden beurteilt werden. Da jedes Kreuz nur anhand einer begrenzten Stichprobe berechnet wurde, streuen die beobachteten Werte stark. Im Mittel kann das Modell die Abhängigkeit des jährlichen Schadens vom Versicherungswert aber gut abbilden. Der „worst case“ nach Gleichung (6.2) ist als gestrichelte Linie eingezeichnet. Der schattierte Bereich in Abbildung 6.1 illustriert die maximal möglichen Einsparungen durch eine Brandabschnittsbildung. Es wird deutlich, dass die „worst case“ Abschätzung für steigende Versicherungswerte schnell sehr konservativ wird. Die gepunkteten Linien stellen weniger konservative Annahmen dar: Für ihre Berechnungen wurde angenommen, dass alle Schäden unter einem bestimmten Schadenbetrag X (z.B. 5‘000, 10‘000 oder 20‘000CHF) von der Brandabschnittsbildung nicht beeinflusst werden. Für grössere Schäden gilt weiterhin die Annahme eines Totalschadens in jedem Brandfall. 70 Kapitel 6 ‐ Kleine Bauten ohne Brandabschnitte (Fallstudie II) Abbildung 6.1: Vergleich des jährlichen Brandrisikos im Ist‐Zustand nach Gleichung (6.1) mit der Annahme eines Totalschadens in jedem Brandfall nach Gleichung (6.2) bzw. bei S  X für Kleinbauten bis 1Mio.CHF Versicherungswert am Beispiel der landwirtschaftlichen Gebäude. Die maximale Risikoreduktion durch Brandabschnitte kann abhängig vom Versicherungswert der Gebäude als Differenz zwischen dem „worst case“ (Gleichung (6.2)) und dem Ist‐Zustand (Gleichung (6.1)) berechnet werden. Kleinere (d.h. weniger konservative) Werte für den jährlichen Nutzen der Brandabschnittsbildung ergeben sich bei einem Vergleich des Ist‐Zustandes mit der Annahme, dass es erst ab einem bestimmten Schadenbetrag X ohne Brandabschnitt zum Totalschaden kommt. Bei der Interpretation der im folgenden Abschnitt vorgestellten Ergebnisse kann davon ausgegangen werden, dass die mittleren Einsparungen durch den Brandabschnitt im Brandfall durch die Berechnungen grundsätzlich überschätzt werden, vor allem bei der „worst case“ Abschätzung nach Gleichung (6.2). Anders verhält es sich mit dem Modell für die Berechnung der Brandhäufigkeit  : Da die Modellparameter aus den Daten für alle Kleinbauten einer Gebäudegruppe geschätzt wurden, sind die Berechnungen nur für „durchschnittliche“ Kleinbauten (in Bezug auf die Brandhäufigkeit) gültig. In Abschnitt 6.3.2 wird diskutiert, in welchen Fällen diese Annahme kritisch sein könnte. 6.1.2
Ergebnisse für verschiedene Zweckbestimmungen Mit dem in Abschnitt 6.1.1 vorgestellten Ansatz kann berechnet werden, wie gross der jährliche Nutzen von Brandabschnitten in Kleinbauten maximal sein kann. Zum Vergleich mit den Kosten der Brandabschnittsbildung muss der jährliche Nutzen über die gesamte Lebensdauer des Gebäudes bzw. des Brandabschnitts kumuliert werden. Unter Berücksichtigung von Zinseffekten kann der kumulierte Nutzen durch Multiplikation der jährlichen Risikoreduktion mit dem Rentenbarwertfaktor nach Abschnitt 2.2.2.3 berechnet werden. Für diese Fallstudie wird ein jährlicher Zinssatz von i  2% und eine Lebensdauer von T  50 Jahren angenommen, so dass RBF500.02  31.4 . In Abbildung 6.2 ist für verschiedene Zweckbestimmungen die maximale Risikoreduktion (über eine Lebensdauer von 50 Jahren) durch eine Brandabschnittsbildung in Kleinbauten dargestellt. Die linke Grafik zeigt den Nutzen der Brandabschnittsbildung in Abhängigkeit vom Versicherungswert der Gebäude. Die Kurven ergeben sich aus der in Abschnitt 6.1.1 vorgestellten Totalschadenannahme 71 Wirtschaftliche Optimierung im vorbeugenden Brandschutz (Vergleich zwischen Gleichung (6.1) und Gleichung (6.2)). Die Form der Kurven auf der linken Seite von Abbildung 6.2 wird hauptsächlich durch das Modell für die Schadenhäufigkeit in Gebäuden unterschiedlicher Zweckbestimmung bestimmt. Für die Darstellung in Abhängigkeit vom Gebäudevolumen (rechte Seite) wurde die x‐Achse vereinfachend mit Hilfe eines durchschnittlichen Kubikmeterpreises umgerechnet. Dieser wurde für alle Zweckbestimmungen aus den Portfoliodaten der AGV ermittelt, siehe Tabelle 6.2. Das Gebäudevolumen in den AGV‐Daten wurde nach SIA116 (1952) berechnet, wodurch das tatsächliche Volumen etwas überschätzt wird. Die maximale Risikoreduktion durch Brandabschnitte in Kleinbauten steigt mit der Brandhäufigkeit, mit dem Kubikmeterpreis und mit der Grösse eines Gebäudes. Abbildung 6.2: Maximale Risikoreduktion durch Brandabschnitte in Kleinbauten über T=50 Jahre unter der Totalschadenannahme nach Gleichung (6.2). Bedeutung der VKF‐Zweckcodes und Annahmen zum Kubikmeterpreis siehe Tabelle 6.2. Der berechnete Nutzen einer Brandabschnittsbildung ist kleiner, wenn man annimmt, dass Schäden unter einem bestimmten Schadenbetrag X von der Brandabschnittsbildung unabhängig sind, vgl. Abschnitt 6.1.1. In Abbildung 6.3 ist die maximale Risikoreduktion unter der Annahme dargestellt, dass es erst bei einem Schadenbetrag von mehr als 5‘000 (links) bzw. 10‘000 CHF (rechts) ohne Brandabschnitt zu einem Totalschaden kommt. Der Unterschied zu Abbildung 6.2 ist vor allem bei Zweckbestimmungen mit vielen Kleinschäden gross (z.B. Wohngebäude). Der Nutzen einer Brandabschnittsbildung sinkt mit steigendem Schwellenwert X , d.h. die Annahmen werden weniger konservativ. Mit zunehmender Gebäudegrösse wird aber auch die Abschätzung mit Schwellenwerten X von 10‘000CHF oder mehr immer konservativer, vgl. Abbildung 6.1. Der in Abbildung 6.2 und Abbildung 6.3 dargestellte Nutzen einer Brandabschnittsbildung in Kleinbauten kann direkt mit den Kosten der Brandabschnittsbildung verglichen werden. Diese werden in Abschnitt 6.2 diskutiert. Es ist allerdings zu beachten, dass die Modellbildung auf Datenbasis nur „durchschnittliche“ Gebäude beschreibt. Bei der Diskussion der Ergebnisse muss stets die Frage gestellt werden, ob Kleinbauten, bei denen heute Brandabschnitte gefordert werden, eine höhere Brandhäufigkeit haben als „durchschnittliche“ Kleinbauten. Dieser und weitere Aspekte werden in Abschnitt 6.3 diskutiert. 72 Kapitel 6 ‐ Kleine Bauten ohne Brandabschnitte (Fallstudie II) Abbildung 6.3: Maximale Risikoreduktion durch Brandabschnitte in Kleinbauten (T=50Jahre) unter der Annahme, dass es nur bei Schäden ab einem bestimmten Schadenbetrag X (links: 5‘000CHF, rechts: 10‘000CHF) ohne Brandabschnitt zu Totalschäden kommt. Bedeutung der VKF‐Zweckcodes und Annahmen zum Kubikmeterpreis siehe Tabelle 6.2. 6.2
Abschätzung der Kosten einer Brandabschnittsbildung Bei der Errichtung von Brandabschnitten in Kleinbauten fallen Kosten in den folgenden Bereichen an: ‐
‐
‐
‐
Brandschutztür EI30 inklusive Rahmen und Einbau Feuerwiderstand EI30 der brandabschnittsbildenden Bauteile (Wände, Decken) Abschottung von Durchbrüchen für Installationen etc. Ggf. Administrativkosten für Brandschutzbewilligung. Relativ gut abschätzbar sind lediglich die Kosten einer Brandschutztür, für die mindestens 1‘500 CHF kalkuliert werden müssen. Die Kosten für brandabschnittsbildende Bauteile sind stark von der Bauweise des Gebäudes sowie von der Grösse des Brandabschnittes bzw. der brandabschnittsbil‐
denden Bauteile abhängig. Die Kosten für Abschottungen werden von der Anzahl erforderlicher Durchbrüche bestimmt. Einsparungen im Bereich der Administrativkosten sind (primär seitens der Behörden) vor allem dann zu erwarten, wenn bei Kleinbauten durch den Verzicht auf Brandabschnitte gar keine Brandschutzbewilligung mehr nötig wird, oder diese in einem stark vereinfachten Verfahren bewilligt werden kann. Eine detaillierte Abschätzung der Kosteneinsparungen durch Verzicht auf Brandabschnitte in Kleinbauten ist nur bei der Betrachtung klar definierter Gebäudetypen möglich. Aus der oben aufgeführten Zusammenstellung lässt sich aber abschätzen, dass bereits für sehr kleine Gebäude bzw. Brandabschnitte im Durchschnitt schon Kosten von einigen Tausend CHF anfallen dürften. Nach Einschätzung der Experten in der Steuerungsgruppe des Projektes „Wirtschaftliche Optimierung im vorbeugenden Brandschutz“ liegen diese „Fixkosten der Brandabschnittsbildung“ in etwa bei 10‘000CHF. Bei der Betrachtung von grösseren Gebäuden mit einigen 100m2 Geschossfläche und ggf. mehreren Brandabschnitten sind höhere Kosten zu veranschlagen. 73 Wirtschaftliche Optimierung im vorbeugenden Brandschutz Auch nach den heutigen Vorschriften werden viele Kleinbauten bereits ohne Brandabschnitte realisiert. Die Einführung einer Klasse „Kleine Bauten“ ohne Brandabschnitt kann bei diesen Gebäuden lediglich die Administrativkosten reduzieren. Aus volkswirtschaftlicher Sicht liegt hier allerdings vermutlich das grösste Potential einer solchen Regelung: Wenn das feuerpolizeiliche Bewilligungsverfahren bei allen Gebäuden bis zu einer bestimmten Grösse stark vereinfacht werden kann, können bei jeder Bewilligung behördlichen Administrativkosten eingespart werden, während sich bei der Ausführung der Gebäude nur in wenigen Fällen tatsächlich etwas ändert. 6.3
Definition einer Klasse „Kleine Bauten“ ohne Brandabschnitte Ein Vergleich der Kosten einer Brandabschnittsbildung mit der in Kapitel 6.1 abgeschätzten Risikoreduktion erlaubt die Definition einer Gebäudeklasse „Kleine Bauten“ ohne Brandabschnitte auf Basis einer reinen wirtschaftlichen Optimierung (Abschnitt 6.3.1). Der Einfluss der im Rahmen der Abschätzung getroffenen Annahmen, insbesondere zur Schadenhäufigkeit, wird in Abschnitt 6.3.2 diskutiert, die Anforderungen aufgrund von anderen Schutzzielen in Abschnitt 6.3.3. In Abschnitt 6.3.4 werden die Ergebnisse der Fallstudie zusammengefasst. 6.3.1
Wirtschaftliche Optimierung auf Basis der vereinfachten Abschätzung In der Praxis ist die Definition einer Gebäudeklasse „Kleine Bauten“ am einfachsten über die Geschossfläche möglich. Die Ergebnisse in Abschnitt 6.1.2 wurden daher im Folgenden zunächst auf eine Flächen‐Achse umgerechnet. Hierfür wurden Annahmen zu typischen Geschosshöhen H je Zweckbestimmung verwendet. Mit der Geschosshöhe und dem durchschnittlichen Kubikmeterpreis lassen sich aus der Geschossfläche das Volumen und der Versicherungswert der Gebäude berechnen, siehe Tabelle 6.2. Hierbei muss berücksichtigt werden, dass sich die aus den Portfoliodaten der AGV geschätzten durchschnittlichen Kubikmeterpreise auf die Berechnung des Gebäudevolumens nach SIA116 (1952) beziehen, wodurch das tatsächliche Gebäudevolumen etwas überschätzt wird. Für die Berechnung wurde angenommen, dass der Unterschied etwa 10% beträgt. 3
Zweck
Geschätzter Versicherungswert [CHF] H m ‐Pr.
2
2
2
2
2
2
[m] [CHF] A=100m A=200m A=300m A=400m A=500m A=600m
1 Verwaltung, öffentl. Geb.
3
655 216'260 432'521 648'781 865'042 1'081'302 1'297'563
2 Wohngebäude
2.7 673 199'887 399'774 599'661 799'548 999'435 1'199'322
3 Landwirtschaftliche Geb.
5
249 136'710 273'420 410'130 546'840 683'551 820'261
5‐7 Handel, Industrie, Gewerbe 4
392 172'295 344'589 516'884 689'179 861'474 1'033'768
9 Kleinbauten, Nebengeb.
2.5 273
74'954 149'908 224'862 299'816 374'770 449'724 Tabelle 6.2: Annahmen zur Schätzung des Versicherungswertes aus der Geschossfläche A . Basis für Kubikmeterpreise: Portfoliodaten der AGV, Stand Anfang 2009. In Abbildung 6.4 ist die maximale Risikoreduktion durch Brandabschnitte über eine Lebensdauer T von 50 Jahren in Abhängigkeit von der Geschossfläche dargestellt. Die vier Grafiken zeigen unterschiedliche Annahmen zur Berechnung der Risikoreduktion: Die erste Grafik ( X  0 ) zeigt die „worst case“ Abschätzung, bei der angenommen wird, dass es ohne Brandabschnitte im Brandfall stets zu einem Totalschaden kommt (Gleichung (6.2)). Grössere Werte für X entsprechen der weniger konservativen Annahme, dass nur Brandfälle mit verhältnismässig grossen Schäden ( S  X ) ohne Brandabschnitte zu Totalschäden führen (siehe Abschnitt 6.1.1). Die Unterschiede zwischen 74 Kapitel 6 ‐ Kleine Bauten ohne Brandabschnitte (Fallstudie II) den einzelnen Zweckbestimmungen ergeben sich aus der Schadenhäufigkeit, der Verteilung des Schadenbetrags im Brandfall und den Kubikmeterpreisen in den verschiedenen Gebäudegruppen. Abbildung 6.4: Abschätzung der maximalen Risikoreduktion durch Brandabschnitte in Kleinbauten über T=50Jahre mit dem Ansatz nach Abschnitt 6.1. Bedeutung der VKF‐Zweckcodes und Annahmen zum Kubikmeterpreis siehe Tabelle 6.2. Für die fetten schwarzen Linien wurden die Zweckbestimmungen nach ihrer Häufigkeit im Portfolio gewichtet (Tabelle 6.3). Gemäss der Diskussion in Kapitel 6.2 liegen die Kosten einer Brandabschnittsbildung auch bei kleinen Brandabschnitten in der Grössenordnung von etwa 10‘000CHF. Ein Vergleich mit den Ergebnissen in Abbildung 6.4 zeigt, dass bei Gebäuden bis ca. 100m2 eine Brandabschnittsbildung selbst bei konservativen Annahmen zur Abschätzung der Risikoreduktion (oben links) nicht wirtschaftlich ist. Geht man von der etwas weniger konservativen Annahme aus, dass Brände mit weniger als X  10'000CHF oder X  20'000CHF Schadenbetrag von der Brandabschnittsbildung nicht beeinflusst werden, so kann auch bei Gebäuden bis ca. 300m2 oder 400m2 auf Brandabschnitte verzichtet werden. Noch höhere Schwellenwerte ergeben sich, wenn man von höheren Kosten bei Geschossflächen ab 300m2 ausgeht. So kann zum Beispiel auch in Gebäuden bis 600m2 auf Brandabschnitte verzichtet werden, wenn man annimmt, dass die Kosten der Brandabschnittsbildung bei diesen Gebäuden in einer Grössenordnung von 30‘000 bis 40‘000 CHF liegen. 75 Wirtschaftliche Optimierung im vorbeugenden Brandschutz Für eine möglichst einfache Regelung ist es sinnvoll, zur Definition der Gebäudegruppe „Kleine Bauten“ in allen Zweckbestimmungen denselben Schwellenwert für die Geschossfläche zu verwenden. Zur Abschätzung des durchschnittlichen Nutzens einer Brandabschnittsbildung in Kleinbauten aller Zweckbestimmungen können die Ergebnisse mit dem relativen Anteil der einzelnen Zweckbestimmungen am Gebäudeportfolio gewichtet werden (fette Kurven in Abbildung 6.4). Für die Gewichtung wurden die Anteile nach Gebäudezahl verwendet, vgl. Tabelle 6.3. 2
Zweck
1
2
3
5‐7
9
Verwaltung und öffentl. Geb.
Wohngebäude
Landwirtschaftliche Gebäude
Handel, Industrie und Gewerbe
Kleinbauten und Nebengebäude
0‐100
2.5%
5.3%
25.9%
7.0%
59.2%
Geschossfläche [m
100‐200 200‐300 300‐400
3.0%
1.1%
1.5%
51.8% 88.6% 85.6%
19.1%
5.2%
8.1%
6.7%
2.2%
2.8%
19.3%
2.9%
2.0%
]
400‐500 500‐600
2.4%
3.3%
76.0% 68.9%
15.0%
19.7%
4.3%
5.7%
2.4%
2.4% Tabelle 6.3: Anteile der Zweckbestimmungen (nach Gebäudezahl) an allen Kleinbauten in den IRV‐
Portfoliodaten (Stand 31.12.2008). Umrechnung Fläche‐Versicherungswert nach Tabelle 6.2. Generell kann man davon ausgehen, dass die Risikoreduktion durch die Brandabschnittsbildung im Brandfall in allen Grafiken in Abbildung 6.4 aufgrund der konservativen Totalschadenannahme eher überschätzt wird. In bestimmten Gebäuden kann der Nutzen von Brandabschnitten dennoch unterschätzt werden, da mit der durchschnittlichen Schadenhäufigkeit für Gebäude einer Zweckbestimmung gerechnet wurde. In Abschnitt 6.3.2 wird diskutiert, bei welchen Gebäuden mit einer erhöhten Brandeintrittswahrscheinlichkeit zu rechnen ist. 6.3.2
Einfluss der im Rahmen der Abschätzung getroffenen Annahmen Die wichtigsten Annahmen zur Berechnung des wirtschaftlichen Nutzens einer Brandabschnittsbil‐
dung in Kleinbauten sind die folgenden: ‐
‐
‐
‐
Beschränkung der Schäden auf den Versicherungswert der Gebäude (Totalschadenannahme) Kein Übergriff auf Nachbargebäude durch entsprechende Abstände oder Brandabschnitte Keine Berücksichtigung von Mobiliarschäden Berechnung der Schadenhäufigkeit auf Datenbasis für „durchschnittliche“ Gebäude. Weitere vereinfachende Annahmen wurden bei der Umrechnung zwischen Versicherungswert, Gebäudevolumen und Grundfläche der Gebäude getroffen. Die wirtschaftliche Optimierung in Abschnitt 6.3.1 kann deswegen nur grobe Anhaltspunkte für eine Entscheidung geben. Die kritischste der oben genannten Annahmen ist die Berechnung des wirtschaftlichen Nutzens einer Brandabschnittsbildung auf Basis einer „durchschnittlichen“ Schadenhäufigkeit. Nicht übertragbar sind die Ergebnisse auf Gebäude oder Brandabschnitte, bei denen mit einer überdurchschnittlichen Brandhäufigkeit zu rechnen ist. Im Folgenden wird diskutiert, in welchen Gebäuden nach heutiger Norm Brandabschnitte gefordert werden. Die Einschätzung der Gebäude in Bezug auf die Brandhäufigkeit basiert auf einer im Rahmen einer Projektsitzung durchgeführten Diskussion mit den Brandexperten aus der Projekt‐Steuerungsgruppe. In der Fallstudie nicht behandelt wurden die Gebäudegruppe mit Zweck 4 „Verkehrswesen“ (wegen der geringen Datenmenge) sowie Gebäude im 76 Kapitel 6 ‐ Kleine Bauten ohne Brandabschnitte (Fallstudie II) Bereich des Gastgewerbes (Zweck 8), bei denen die Brandschutzanforderungen eher durch den Personenschutz als durch den Sachwertschutz bestimmt werden. Die Bedeutung von Personenschutzaspekten und weiteren Schutzzielen wird in Abschnitt 6.3.4 separat diskutiert. Alle Zweckbestimmungen In allen Gebäudegruppen werden Brandabschnitte für die folgenden Räume gefordert: ‐
‐
Aufstellungsraum von Feuerungsanlagen Einstellräume für Motorfahrzeuge Die Wirtschaftlichkeit dieser Brandabschnitte wurden bereits in Kapitel 5 für Einfamilienhäuser untersucht. Der geringe Nutzen der Brandabschnitte ist dort vor allem auf die geringe Häufigkeit von Garagen‐ und Heizungsbränden nach Gleichung (5.3) und (5.4) zurückzuführen. Eine erhöhte Brandhäufigkeit ist allerdings bei bestimmten Heizungstypen zu befürchten, vgl. Abschnitt 5.1.5. Büros und öffentliche Gebäude (Zweck 1) Neben kleinen Bürogebäuden sind Kleinbauten dieser Zweckbestimmung vor allem im Bereich der öffentlichen Gebäude zu finden, z.B. Werkhöfe, Zivilschutzgebäude, Kindergarten‐ und Schulgebäude sowie kleine kirchliche Gebäude, diverse Clubhäuser und Vereinslokale. Brandabschnitte sind bei Räumen unterschiedlicher Nutzung und Brandgefahr gefordert. Die Brandhäufigkeit dürfte sich zum Teil stark unterscheiden, was eine Abschätzung auf Basis von durchschnittlichen Werten erschwert. Des Weiteren müssen zum Teil auch andere Schutzziele berücksichtigt werden, z.B. der Personenschutz in Kindergärten, Schulen oder Pfadfinderheimen. Wohngebäude (Zweck 2) Bei den kleinen Wohngebäuden handelt es sich grösstenteils um Ferienhäuser und kleine Einfamilienhäuser. Brandabschnitte werden hier hauptsächlich in den in Kapitel 5 behandelten Fällen gefordert. Mischnutzungen dürften bei Kleinbauten selten vorkommen, ebenso Mehrfamilienhäuser, bei denen jede Wohneinheit als eigener Brandabschnitt ausgebildet werden muss. In beiden Fällen ist die für die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit von Brandabschnitten in Kleinbauten getroffene Annahme einer „durchschnittlichen“ Brandhäufigkeit unproblematisch. Andere Schutzziele können allerdings eine Rolle spielen, vor allem der Personenschutz und der Schutz fremden Eigentums. Landwirtschaftliche Gebäude (Zweck 3) In dieser Gebäudegruppe gibt es eine Vielzahl unterschiedlicher Kleinbauten, z.B. kleine Schöpfe, Scheunen, Ställe, Werkstätten oder Lager. Neben den Brandabschnitten für Feuerungsanlagen und Motorfahrzeug‐Einstellräume wird heute auch die Abtrennung zwischen Wohn‐ und Wirtschaftsteil sowie zwischen Viehstall und Scheune gefordert. In beiden Fällen kann von einer durchschnittlichen Brandhäufigkeit ausgegangen werden, der in Abschnitt 6.1 vorgestellte Modellierungsansatz ist also anwendbar. Neben dem Sachwertschutz spielen allerdings noch andere Schutzziele eine Rolle, vor allem der Personen‐ und Tierschutz. Eine erhöhte Brandhäufigkeit ist z.B. in Brandabschnitten für die Lagerung von Benzin oder anderen brennbaren Stoffen sowie in Biogasanlagen zu befürchten. Die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit in Abschnitt 6.3.1 ist auf diese Fälle nicht übertragbar. 77 Wirtschaftliche Optimierung im vorbeugenden Brandschutz Handel, Industrie und Gewerbe (Zweck 5‐7) In dieser Gebäudegruppe gibt es eine Vielzahl sehr unterschiedlicher Kleinbauten, z.B. kleine Verkaufsgeschäfte, Werkstätten, Lagerräume und Betriebsgebäude, Trafostationen, Tankstellen, Heizzentralen, Pumpwerke usw. Brandabschnitte sind vor allem bei Räumen mit unterschiedlicher Nutzung und Brandgefahr gefordert. Das wichtigste Schutzziel dürfte in den meisten Fällen der Sachwertschutz sein. Die starke Inhomogenität der Gebäudegruppe erschwert jedoch eine Interpretation der Ergebnisse in Abschnitt 6.3.1. Kleinbauten und Nebengebäude (Zweck 9) Die Kleinbauten in dieser Gebäudegruppe wurden grösstenteils schon bei anderen Nutzungsklassen beschrieben, insbesondere unter Zweck 3 (Landwirtschaft). Weitere Beispiele sind Abstellräume, Lager‐/Magazingebäude, Heizräume und Brennstofflager, diverse Werkstätten, Hobbyräume, Gartenhäuser, Waldhütten und Garagen. In Bezug auf die Beurteilung von Brandabschnitten gibt es in dieser Gebäudegruppe keine nicht schon bei den anderen Zweckbestimmungen diskutierten Aspekte. Bei der Beurteilung der Ergebnisse in Abschnitt 6.3.1 ist allerdings zu beachten, dass die Datenqualität in dieser Gebäudegruppe relativ schlecht ist. So lässt sich die geringe Brandhäufigkeit im Modell für Gebäude mit Zweck 9 eventuell dadurch erklären, dass die Daten auch viele bauliche Anlagen enthalten, die eher gegen Naturgefahren versichert sind als wegen des Brandrisikos (z.B. Zäune, Mauern, Stützwände oder Schwimmbecken). 6.3.3
Anforderungen in Bezug auf andere Schutzziele Die Forderung nach Brandschutzmassnahmen kann durch unterschiedliche Schutzziele begründet werden. In der SIA‐Empfehlung „Brandschutz im Hochbau“ (SIA183 (1996)) sind dies primär die Sicherheit von Personen und der Umwelt. In der VKF‐Brandschutznorm (VKF (2003b)) wird der Begriff „Schutzziel“ anders verwendet, die grundlegende Zielsetzung des Brandschutzes ist jedoch in Art. 1.1 als „der Schutz von Personen, Tieren und Sachen“ definiert. Bisher wurden Brandabschnitte in Kleinbauten nur in Bezug auf ihren Nutzen für den Sachwertschutz beurteilt. Im Folgenden werden Anforderungen diskutiert, die sich aus anderen Schutzzielen ergeben. Personen‐ und Tierschutz Wie bereits in Kapitel 5.3 diskutiert, ist für den Personenschutz vor allem die Behinderung der Rauchausbreitung wichtig. Diese wird durch Brandabschnitte in der Regel gewährleistet, kann aber auch kostengünstiger erreicht werden. Ebenfalls wichtig ist die Gewährleistung eines gesicherten Fluchtweges, was je nach Raumanordnung aber auch ohne Brandabschnitte möglich ist. Kritisch sind vor allem Gebäude, in denen Personen schlafen, vor allem Beherbergungsbetriebe, in gewissem Masse aber auch Wohngebäude. Im Vergleich zu Einfamilienhäusern kann bei Gebäuden mit mehreren Parteien (z.B. Mehrfamilienhäuser oder Mischnutzungen) die Alarmierung mehr Zeit beanspruchen. In diesem Fall kann durch Brandabschnitte zusätzliche Zeit für ein sicheres Verlassen des Gebäudes gewonnen werden. Andererseits wird es aber in diesen Gebäuden ohnehin auch unabhängig von den Brandschutzanforderungen schon eine „faktische“ Brand‐ oder Rauchabschnittsbildung geben, z.B. aufgrund von Schallschutzanforderungen an die Bauteile zwischen unterschiedlichen Wohnungen. 78 Kapitel 6 ‐ Kleine Bauten ohne Brandabschnitte (Fallstudie II) Auch in Bezug auf den Tierschutz ist die Behinderung der Rauchausbreitung wichtiger als die Brandabschnittsbildung. Es ist allerdings zu beachten, dass Tiere im Gegensatz zu Menschen in der Regel das Gebäude im Brandfall nicht selbstständig verlassen können. Weitere Schutzziele Für den Schutz der Umwelt haben Brandabschnitte innerhalb von Kleinbauten keine Bedeutung. Die Brandabschnittsbildung bzw. Abstandsregelungen zu Nachbargebäuden wurden im Rahmen der Fallstudie nicht betrachtet. Bei verschiedenen Parteien innerhalb eines Gebäudes könnte als letztes Schutzziel noch der Schutz fremden Eigentums die Forderung nach Brandabschnitten begründen. Dieses Schutzziel wird allerdings weder in der SIA 183 noch in der VKF‐Brandschutznorm genannt. 6.3.4
Einführung einer Klasse „Kleine Bauten“ ohne Brandabschnitte Im Sinne einer Vereinfachung der Brandschutzanforderungen für Kleinbauten wäre die Definition einer Gebäudeklasse „Kleine Bauten“ ohne Brandabschnitte nur in Abhängigkeit von der Gebäudegrösse wünschenswert. Das in dieser Fallstudie gewählte Vorgehen zur Beurteilung des wirtschaftlichen Nutzens einer Brandabschnittsbildung lässt sich im Prinzip auch auf andere Brandschutzmassnahmen zur Reduktion der Sachschäden im Brandfall übertragen, z.B. auf Anforderungen an die Tragwerkssicherheit. Ein undifferenzierter Verzicht auf Brandabschnitte und andere Massnahmen für den Sachwertschutz nur in Abhängigkeit von der Geschossfläche ist allerdings aufgrund der Unterschiede im Bereich der Brandhäufigkeit (Abschnitt 6.3.2) und wegen der Anforderungen in Bezug auf andere Schutzziele (Abschnitt 6.3.3) nicht sinnvoll. Denkbar ist jedoch die Definition von zusätzlichen Kriterien, die erfüllt sein müssen, damit ein Gebäude aufgrund seiner Geschossfläche mit den verringerten Anforderungen für „Kleine Bauten“ erstellt werden kann. Beispiele hierfür sind die Gewährleistung eines gesicherten Fluchtweges für den Personenschutz sowie Ausnahmen für Räume mit deutlich erhöhter Brandgefahr (z.B. Lagerung brennbarer Stoffe). Alternativ könnten bei den einzelnen Anforderungen in den Brandschutzrichtlinien Ausnahmen für Einfamilienhäuser und „Kleine Bauten“ definiert werden. Dies führt zwar zu Erleichterungen, nicht aber zu Vereinfachungen in den Brandschutzanforderungen für Kleinbauten. Eine Vereinfachung der Brandschutzbewilligung könnte allerdings durch Erstellung einer (möglichst kurzen) VKF‐Arbeitshilfe für „Kleine Bauten“ erreicht werden. Die Ergebnisse in Abschnitt 6.3.1 können als erster Anhaltspunkt für die Definition einer Klasse „Kleine Bauten“ ohne Brandabschnitte dienen. Es wurde gezeigt, dass eine Brandabschnittsbildung in „durchschnittlichen“ Kleinbauten bis mindestens 300 oder 400m2 Geschossfläche wirtschaftlich nicht effizient ist. Höhere Schwellenwerte, z.B. 600m2, sind abhängig von den Annahmen zu den Kosten einer Brandabschnittsbildung in Gebäuden dieser Grössenordnung ebenfalls denkbar. Zudem ist davon auszugehen, dass der wirtschaftliche Nutzen einer Brandabschnittsbildung im Brandfall durch die Abschätzung tendenziell eher überschätzt wird. Anders verhält es sich mit der Brandhäufigkeit, da sich die Modellbildung auf Datenbasis auf „durchschnittliche“ Gebäude bezieht. Ausnahmen für Kleinbauten, in denen eine Brandabschnittsbildung aufgrund einer erhöhten Brandhäufigkeit oder wegen anderen Schutzzielen gefordert wird, können auf Basis der Diskussionen in Abschnitt 6.3.2 und 6.3.3 definiert werden. 79 Kapitel 7 ‐ Rauchmelderpflicht für Wohngebäude (Fallstudie III) 7
Rauchmelderpflicht für Wohngebäude (Fallstudie III) In dieser Fallstudie wird untersucht, ob die Einführung einer Rauchmelderpflicht für Schweizer Wohngebäude aus gesellschaftlicher Sicht sinnvoll ist. Im Vordergrund steht die Beurteilung der Effizienz von Heimrauchmeldern für den Personenschutz, die in Abschnitt 7.1 untersucht wird. In Abschnitt 7.2 wird diese durch eine Kosten‐Nutzen‐Betrachtung in Bezug auf den Sachwertschutz ergänzt. Die Ergebnisse und getroffenen Annahmen werden in Abschnitt 7.3 diskutiert. 7.1
Beurteilung einer Rauchmelderpflicht in Wohngebäuden mit dem Life Quality Index Die Beurteilung der Effizienz von Heimrauchmeldern für den Personenschutz basiert auf einem Vergleich der Grenzkosten der Risikoreduktion mit der gesellschaftlichen Zahlungsbereitschaft. Das Grenzkostenprinzip wurde in Abschnitt 2.2.2.4 erläutert. Die Einführung einer Rauchmelderpflicht wird im Folgenden vereinfachend als diskrete Entscheidung behandelt: Soll die Installation von Rauchmeldern in Wohngebäuden verpflichtend sein oder nicht? In der Realität hat auch die geforderte Anzahl Rauchmelder einen wichtigen Einfluss: Der erste Rauchmelder, der in einer Wohnung installiert wird, kostet gleich viel wie der zweite und der dritte, sein Einfluss auf den Personenschutz ist aber grösser. Eine Quantifizierung der Risikoreduktion in Abhängigkeit von der Anzahl installierter Rauchmelder ist nach dem derzeitigen Stand der Forschung schwierig. Es wird deswegen von einer durchschnittlichen Anzahl von drei Rauchmeldern pro Haushalt ausgegangen. 7.1.1
Abschätzung des gesellschaftlichen Nutzens von Rauchmeldern für den Personenschutz Nur ein Teil der Schweizer Brandtoten können durch eine Rauchmelderpflicht verhindert werden. Zum einen kann ein Teil der Personen auch durch eine rechtzeitige Alarmierung nicht gerettet werden, z.B. wenn die Kleidung des Opfers Feuer gefangen hat. Zum anderen kommt es trotz installierter Rauchmelder nicht in jedem Fall zu einer Alarmierung, z.B. wenn der Rauchmelder defekt oder ohne Strom ist. Die jährliche Reduktion  des Personenrisikos durch Einführung einer Rauchmelderpflicht in Wohngebäuden berechnet sich mit der folgenden Gleichung:   E  N T   PS A  PA
(7.1)
Hier bezeichnet E  N T  die Anzahl Brandopfer pro Jahr, die ohne Rauchmelderpflicht in Schweizer Wohngebäuden ums Leben kommen, PS A ist die Wahrscheinlichkeit, dass eine Person durch eine rechtzeitige Alarmierung gerettet werden kann und PA ist die Wahrscheinlichkeit einer Rauchmelder‐Aktivierung im Brandfall bei Umsetzung der Rauchmelderpflicht. Keine der drei für die Berechnung von  benötigten Grössen lässt sich exakt bestimmen. Zur Quantifizierung der Unsicherheiten werden in den folgenden Abschnitten deswegen auf Basis einer Daten‐ und Literaturrecherche Wahrscheinlichkeitsverteilungen für E  NT  , PS A und PA festgelegt. Diese sind in Tabelle 7.1 zusammengefasst. Die Verteilung der jährlichen Risikoreduktion wurde mit Simulationen auf Basis der übrigen Annahmen mit Gleichung (7.1) bestimmt. Ihr Mittelwert liegt bei etwa fünf geretteten Personen pro Jahr. Die Grundlagen für die einzelnen Annahmen werden in den folgenden Abschnitten erläutert. 81 Wirtschaftliche Optimierung im vorbeugenden Brandschutz Mittelwert 5%‐
Quantil 95%‐
Quantil Verteilung E  NT  24 Tote/Jahr 21 Tote/Jahr 27 Tote/Jahr Normal (24,1.8) Überlebenswahrscheinlichkeit mit Alarmierung PS A 35.3% 17.1% 48.8% Dreieck (8%,45%,53%) Wahrscheinlichkeit einer Rauchmelder‐Aktivierung PA 58.8% 50.1% 67.5% Normal (58.8%,5.3%) Jährliche Risikoreduktion  5.0 Tote/Jahr Variable in Gleichung (7.1) Jährliche Anzahl Brandtote ohne Rauchmelderpflicht 2.4 7.3 Tote/Jahr Tote/Jahr Gleichung (7.1) Tabelle 7.1: Annahmen zur Berechnung der jährlichen Risikoreduktion durch Installation von Rauchmeldern in allen Schweizer Haushalten gemäss Abschnitt 7.1.1.1 bis 7.1.1.3. 7.1.1.1
Jährliche Anzahl Brandtote ohne Rauchmelderpflicht Zur Bestimmung der jährlichen Anzahl Brandtote ohne Rauchmelderpflicht kann die VKF‐
Todesfallstatistik verwendet werden. Die Tatsache, dass ein Teil der Schweizer Wohngebäude bereits auf freiwilliger Basis mit Rauchmeldern ausgerüstet ist, wird bei der Berechnung der Kosten einer Rauchmelderpflicht berücksichtigt (Abschnitt 7.1.2). In den Jahren 2000‐2007 gab es in der Schweizer Wohngebäuden durchschnittlich 24 Brandtote pro Jahr (8‐Jahres‐Durchschnitt, nur zivile Brandopfer, ohne Suizide, nur Wohngebäude und landwirtschaftliche Wohngebäude). Der Trend war in den letzten Jahren tendenziell abnehmend. Für die jährliche Anzahl Brandtote wird auf Basis der untersuchten Daten eine Normalverteilung mit dem Mittelwert 24 angenommen. Die Standardabweichung ergibt sich aus der statistischen Unsicherheit, sie beträgt 1.8 Tote pro Jahr. 7.1.1.2
Überlebens‐Wahrscheinlichkeit bei rechtzeitiger Alarmierung Anhand von anonymisierten Polizeiberichten zu Brandopfern im Kanton Zürich im Zeitraum 1990‐
1999 (vgl. Maag (2004)) konnte abgeschätzt werden, wie gross der Anteil der Todesopfer war, die bei einer rechtzeitigen Alarmierung überlebt hätten. Berücksichtigt wurden nur zivile Brandopfer in Wohngebäuden, unter Ausschluss von Suiziden. Es handelte sich um insgesamt 36 Todesopfer in 33 Wohnungsbränden, von denen die Hälfte an einer Rauchvergiftung gestorben war. Bei 3 Opfern (8.3%) war aus dem Polizeibericht relativ eindeutig erkennbar, dass ein Rauchmelder den Tod hätte verhindern können. Dies kann als Untergrenze für das Rettungspotential angesehen werden. Bei 16 weiteren Opfern (44.4%) war eine Rettung durch eine rechtzeitige Alarmierung nicht vollständig auszuschliessen, die Obergrenze liegt also bei 52.7% (Hierin sind 3 Opfer enthalten, die nicht an einer Rauchvergiftung gestorben waren). Das tatsächliche Rettungspotential wird zwischen den beiden Grenzen liegen. In einer Auswertung zu Brandtodesfällen in deutschen Wohnungen lag der Anteil der Todesopfer, die durch einen Rauchmelder hätten überlegen können, bei 30.5% (vgl. Wilk (2011)). Das Vorgehen ist ähnlich wie bei der Auswertung der Zürcher Polizeiberichte: Bei den untersuchten Todesfällen wurde vermerkt, ob ein Rauchmelder den Tod hätte verhindern können. Das Überleben ist also stets 82 Kapitel 7 ‐ Rauchmelderpflicht für Wohngebäude (Fallstudie III) hypothetisch, da Fälle, bei denen Personen aufgrund eines Rauchmelders überlebt haben, in der Statistik nicht erfasst werden. Bessere Daten zur Wirksamkeit von Rauchmeldern sind in den USA verfügbar, vgl. Ahrens (2009). In der US‐Feuerwehrstatistik NFIRS wird bei jedem Brand unter anderem verzeichnet, ob Rauchmelder vorhanden waren und ob sie aktiviert wurden. Ein Vergleich von Bränden mit und ohne funktionierende Rauchmelder ergibt, dass die Häufigkeit von Todesfällen durch eine rechtzeitige Alarmierung der Bewohner durch einen Rauchmelder in etwa halbiert werden kann. Auf eine Diskussion der mit diesem Schätzwert verbundenen Unsicherheiten wird hier verzichtet. Eine Reihe von Effekten, die zu einer Über‐ oder Unterschätzung der wahren Häufigkeit von Todesfall führen könnten, wurden von Ahrens (2009) sehr gut und ausführlich beschrieben. Basierend auf der Auswertung der Zürcher Brandfälle mit Todesopfern sowie unter Berücksichtigung der internationalen Daten wird für die Reduktion der Anzahl Todesopfer durch funktionierende Rauchmelder eine Dreiecksverteilung zwischen 8 und 53% mit dem Maximum bei 45% angenommen. Die Festlegung der Ober‐ und Untergrenze basiert auf der Auswertung der Zürcher Polizeiberichte, die Wahl des Maximums erfolgte subjektiv auf Basis der internationalen Daten. Der Mittelwert der gewählten Verteilung liegt bei 35.3% 7.1.1.3
Wahrscheinlichkeit einer Rauchmelder‐Aktivierung im Brandfall Die oben diskutierte Reduktion der Sterblichkeitsrate setzt voraus, dass ein Rauchmelder nicht nur vorhanden ist, sondern im Brandfall auch alarmiert. In der vorliegenden Fallstudie wird sowohl zur Berechnung der Risikoreduktion als auch zur Berechnung der Kosten einer Rauchmelderpflicht angenommen, dass sich alle Schweizer Haushalte an die Pflicht halten und mindestens einen Rauchmelder installieren. Auch in geschützten Haushalten kann es vorkommen, dass im Brandfall keine Alarmierung möglich ist. Das liegt zum einen daran, dass das Feuer in einem Zimmer oder Bereich der Wohnung ohne Rauchmelderschutz ausbrechen kann. Auch ein im Bereich des Feuers angebrachter Rauchmelder kann versagen, weil er defekt, ohne Strom oder wegen früheren Fehlalarmen absichtlich manipuliert ist. Anhand der bei Ahrens (2009) zusammengestellten US‐Daten kann abgeschätzt werden, wie gross die Wahrscheinlichkeit einer Alarmierung im Brandfall ist, wenn der betroffene Haushalt durch (mindestens einen) Rauchmelder geschützt ist: ‐
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Eine von Ahrens zitierte telefonische Umfrage ergab, dass 7% der Haushalte, in denen es in den letzten 3 Monaten vor der Umfrage gebrannt hatte, keinen Rauchmelderschutz hatten. Berücksichtigt wurden hier auch Brände, die nicht an die Feuerwehr gemeldet wurden. Für die Feuerwehrstatistik wird nur gefragt, ob ein Rauchmelder im Bereich des Feuers vorhanden war. Dies war bei 69% der Brände der Fall. Bei 46,6% aller Brände in der Feuerwehrstatistik wurde ein Rauchmelder aktiviert. Hierbei sind auch Gebäude enthalten, in denen kein Rauchmelder installiert ist. In einem Gebäude mit mindestens einem Rauchmelder (nicht unbedingt im Bereich des Feuers) lässt sich die Wahrscheinlichkeit einer Aktivierung wie folgt eingrenzen: 46.6 / 93  50.1%  PA  67.5%  46.6 / 69
(7.2)
83 Wirtschaftliche Optimierung im vorbeugenden Brandschutz Die so abgeschätzten Grenzen für die Aktivierungswahrscheinlichkeit gelten für Brandfälle, die der Feuerwehr gemeldet wurden, also eher grössere Brandereignisse. Die Aktivierungswahrscheinlichkeit für kleinere Brände kann hiervon abweichen. Da es sich bei den Brandfällen mit Todesopfern häufig um grössere Brände handelt (vgl. Abschnitt 3.3.8), dürfte dies allerdings keinen allzu grossen Einfluss auf das Ergebnis der Abschätzung haben. Kritischer könnte die Übertragbarkeit der Ergebnisse auf Schweizer Verhältnisse sein, da in den USA andere Rauchmeldertypen im Einsatz sind als hierzulande, siehe Diskussion in Abschnitt 7.3. Die Aktivierungswahrscheinlichkeit ist natürlich auch von der Anzahl installierter Rauchmelder abhängig. Diese wurde bei der von Ahrens (2009) zitierten telefonischen Umfrage ebenfalls erfasst. In Haushalten, die von einem Feuer betroffen waren, lag der Durchschnitt bei 2.92 Meldern pro Haushalt. Diese Zahl ist etwas niedriger als bei den Haushalten ohne Feuer, die im Durchschnitt 3.54 Melder pro Haushalt installiert hatten. Für die Berechnungen wird angenommen, dass die Aktivierungs‐Wahrscheinlichkeit mit einer Wahrscheinlichkeit von 90% im Intervall zwischen 50.1% und 67.5% liegt (Ober‐ und Untergrenze nach Gleichung (7.2)). Um auch Werte ausserhalb dieses Intervalls zuzulassen, wird eine Normalverteilung mit einem Mittelwert von 58.8% und einer Standardabweichung von 5.3% angenommen. Das 90%‐Konfidenzintervall dieser Verteilung liegt zwischen 50.1% und 67.5%. 7.1.2
Abschätzung der gesellschaftlichen Kosten einer Rauchmelderpflicht Zur Bestimmung der gesellschaftlichen Grenzkosten der in Abschnitt 7.1.1 ermittelten Risikoreduktion müssen die Kosten für die Rauchmelder‐Installation in allen Schweizer Haushalten addiert werden. Eine Reduktion der Installationskosten durch den positiven Einfluss der Rauchmelder auf die Sachschäden wird nicht vorgenommen, da dies dem Grundsatz widerspricht, dass das Akzeptanzkriterium für den Personenschutz als Randbedingung für die wirtschaftliche Optimierung verwendet werden soll (siehe Abschnitt 2.2.2.4). Die jährlichen Grenzkosten C einer Rauchmelderpflicht berechnen sich wie folgt: C  CM  N M  N H  1  PM 
(7.3)
Hierin bezeichnet CM die jährlichen Kosten pro installiertem Rauchmelder, N M ist die Anzahl installierter Melder pro Haushalt, N H ist die Anzahl Privathaushalte in der Schweiz und PM ist der Anteil der Haushalte, die bereits heute (d.h. freiwillig) durch Rauchmelder geschützt sind. Die Kosten der freiwillig installierten Rauchmelder zählen nicht zu den Grenzkosten der Risikoreduktion, da sie unabhängig von der Rauchmelderpflicht getätigt werden. Die Berechnung der Grenzkosten nach Gleichung (7.3) ist konsistent zu den Annahmen für die Berechnung der Risikoreduktion in Abschnitt 7.1.1: Auch hier wurden die bereits heute durch freiwillig installierte Rauchmelder geretteten Menschenleben nicht berücksichtigt. Die in Gleichung (7.3) eingeführten Grössen wurden auf Basis einer Literatur‐ und Datenrecherche abgeschätzt. Die gewählten Wahrscheinlichkeitsverteilungen sind in Tabelle 7.2 zusammengefasst. Die Verteilung der gesellschaftlichen Grenzkosten C wurde durch Simulationen auf Basis der in übrigen Annahmen mit Gleichung (7.3) bestimmt. Ihr Mittelwert liegt bei etwa 63 Mio. CHF pro Jahr. Die Grundlagen für die einzelnen Annahmen werden in den folgenden Abschnitten erläutert. 84 Kapitel 7 ‐ Rauchmelderpflicht für Wohngebäude (Fallstudie III) Variable in Gleichung (7.3) Mittelwert 5%‐
Quantil 95%‐
Quantil Verteilung Jährliche Kosten pro installiertem Rauchmelder CM 7.35 CHF/Jahr 6.2 CHF/Jahr 8.5 CHF/Jahr Normal (7.35,0.70) Anzahl installierter Rauchmelder pro Haushalt NM 3 ‐ ‐ Deterministische Annahme Gesamt‐Anzahl Schweizer Privathaushalte NH 3‘219‘850 3‘125‘845 3‘313‘855 Uniform (3.1Mio.,3.3Mio.) Anteil der Haushalte mit frei‐
willigem Rauchmelderschutz PM 11.3% 4.40% 20.45% Dreieck (2%,7%,25%) Gesellschaftl. Grenzkosten der Rauchmelderpflicht C 62.95 Mio. CHF/Jahr 51.51Mio. CHF/Jahr 74.72Mio. CHF/Jahr Gleichung (7.3) Tabelle 7.2: Annahmen zur Berechnung der gesellschaftlichen Grenzkosten durch die Installation von Rauchmeldern bei Einführung einer Rauchmelderpflicht gemäss Abschnitt 7.1.2.1 bis 7.1.2.4. 7.1.2.1
Jährliche Kosten pro installiertem Rauchmelder Qualitativ hochwertige optische Rauchmelder mit Alkali‐Batterie sind im Handel für etwa 20‐40 CHF pro Stück erhältlich (für einen Überblick siehe z.B. Kassensturz (2009)). Die Melder müssen etwa alle 10 Jahre ausgetauscht werden. Mit einem Diskontierungszinssatz von 2% ergeben sich jährliche Kosten von 2.23 bis 4.45 CHF. Die Batterie kostet etwa 4‐8CHF und muss alle 1‐2 Jahre ausgetauscht werden. Geht man davon aus, dass der Preis der Batterie negativ mit ihrer Lebensdauer korreliert ist, so ergeben sich für die Batterien jährliche Kosten von ca. 4 CHF pro Rauchmelder. Insgesamt liegen die jährlichen Kosten also bei 6.2 bis 8.5 CHF pro Rauchmelder mit Alkali‐Batterie. Bei Meldern mit Lithium‐Batterie ist der Batteriewechsel nur alle 10 Jahre notwendig. Diese Melder sind allerdings in der Anschaffung etwas teurer als Rauchmelder mit Alkali‐Batterie. Für die Berechnungen wird angenommen, dass die jährlichen Kosten pro Rauchmelder mit einer Wahrscheinlichkeit von 0.9 im Intervall zwischen 6.2 bis 8.5 CHF liegen. Um auch Werte ausserhalb dieses Intervalls zuzulassen, wird eine Normalverteilung mit einem Mittelwert 7.35CHF und einer Standardabweichung von 0.70 CHF angenommen. Das 90%‐Konfidenzintervall dieser Verteilung liegt zwischen 6.2 und 8.5CHF. 7.1.2.2
Anzahl installierter Rauchmelder pro Haushalt Als Mindestschutz wird empfohlen, auf jeder Etage im Flur sowie in allen Schlaf‐ und Kinderzimmern je einen Rauchmelder zu installieren. Dieser Mindestschutz ist bei vielen US‐Haushalten nicht gegeben (vgl. Ahrens (2009)), weswegen die dort beobachtete Zahl von durchschnittlich 2.92 bzw. 3.54 Meldern pro geschützten Haushalt vermutlich etwas unter der empfohlenen Menge liegt. Gemäss einer Forsa‐Umfrage (vgl. Forsa (2006)) lag die Anzahl Rauchmelder pro geschützten Haushalt in Deutschland in einem ähnlichen Bereich wie in den USA. Der Durchschnitt in den Bundesländern mit Rauchmelderpflicht (3.1 Melder) ist niedriger als in denen ohne Pflicht (3.5 85 Wirtschaftliche Optimierung im vorbeugenden Brandschutz Melder). Anscheinend sind Hauseigentümer, die sich freiwillig für die Installation von Rauchmeldern entscheiden, eher dazu bereit, mehr Melder anzubringen. Für die Berechnung der Kosten wird angenommen, dass durchschnittlich 3 Melder pro Haushalt benötigt werden. Diese Annahme ist konsistent zu der in Abschnitt 7.1.1 aus US‐Daten berechneten Aktivierungswahrscheinlichkeit im Brandfall. Bei mehr als drei Brandmeldern je Haushalt würden nicht nur die jährlichen Kosten pro Haushalt, sondern auch die Aktivierungswahrscheinlichkeit und damit der Nutzen der Brandmelder höher sein. 7.1.2.3
Gesamt‐Anzahl Schweizer Privathaushalte Da der Betrachtungszeitraum für die Annahmen zur jährlichen Anzahl Brandtote die Jahre 2000‐2007 waren, sollten sich die Annahmen zur Anzahl Haushalte auf denselben Zeitraum beziehen. Bei der Volkszählung im Jahr 2000 gab es 3‘115‘400 Privathaushalte in der Schweiz, im Jahr 2007 waren es (geschätzte) 3‘324‘300 Haushalte, vgl. BFS (2011). Für die Anzahl Privathaushalte in der Schweiz wird eine Gleichverteilung zwischen 3‘115‘400 und 3‘324‘300 Haushalten angenommen. 7.1.2.4
Anteil der Haushalte mit freiwilligem Rauchmelder‐Schutz Für die Schweiz gibt es keine zuverlässigen Angaben zur Verbreitung von Rauchmeldern in Privathaushalten. Die folgenden Informationsquellen helfen jedoch, eine Annahme zu treffen: ‐
‐
‐
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Gemäss der bereits zitierten Forsa‐Umfrage waren im Jahr 2006 etwa 31% der Haushalte in Deutschland mit Rauchmeldern ausgerüstet, und zwar auch in den Bundesländern ohne Rauchmelderpflicht (vgl. Forsa (2006)). In der Zeitschrift K‐Tipp wurde in einem Artikel aus dem Jahr 2003 unter Berufung auf die Beratungsstelle für Brandverhütung angegeben, dass zu dieser Zeit in der Schweiz höchstens jeder 15. Haushalt (also 6.7%) mit Rauchmeldern ausgerüstet war, vgl. Kellenberger (2003). Bei einer Online‐Umfrage auf dem Portal www.swiss‐firefighters.ch gaben 27% der 211 Teilnehmer an, ihren Haushalt mit Rauchmeldern geschützt zu haben (Stand 14.2.2012). Die Umfrage ist nicht repräsentativ, da nur Besucher der Feuerwehr‐Website auf freiwilliger Basis an ihr teilgenommen haben. Aus uns zur Verfügung gestellten Verkaufszahlen zum Vertrieb von Rauchmeldern eines bestimmten Typs lässt sich abschätzen, dass in der Schweiz im Jahr 2004 ca. 1‐2% der Haushalte mit Rauchmeldern diesen Typs ausgerüstet waren (je nachdem, mit wie vielen Meldern pro Haushalt man rechnet). Da für die jährliche Anzahl Brandtote Zahlen aus den Jahren 2000‐2007 verwendet wurden, sollten sich die Annahmen zur Verbreitung von Rauchmeldern auf denselben Zeitraum beziehen. Die Zahlen aus Deutschland und das Ergebnis der Online‐Umfrage auf www.swiss‐firefighters.ch dürften die tatsächliche Verbreitung von Rauchmeldern in der Schweiz eher überschätzen. Als Untergrenze können die aus Verkaufsstatistiken ermittelten Werte (1‐2% der Haushalte) angesehen werden, da nur eines der auf dem Schweizer Markt verfügbaren Modelle in der Statistik enthalten ist. Als gute Schätzung kann vermutlich am ehesten die Angabe von ca. 7% aus der Zeitschrift K‐Tipp gelten. Für die Berechnungen wird angenommen, dass im Zeitraum 2000‐2007 mindestens 2% und höchstens 25% der Schweizer Haushalte durch Rauchmelder geschützt waren. Zwischen diesen 86 Kapitel 7 ‐ Rauchmelderpflicht für Wohngebäude (Fallstudie III) Grenzen wird eine Dreiecksverteilung mit 7% als wahrscheinlichster Wert angenommen. Der Mittelwert dieser Verteilung liegt bei 11.3%. 7.1.3
Beurteilung der Effizienz einer Rauchmelderpflicht für den Personenschutz Für einen Vergleich mit der gesellschaftlichen Zahlungsbereitschaft zur Rettung eines Menschenlebens müssen die gesellschaftlichen Kosten einer Rauchmelderpflicht (Abschnitt 7.1.2) durch die jährliche Risikoreduktion (Abschnitt 7.1.1) geteilt werden. Die Grenzkosten zur Rettung einer zusätzlichen Person betragen 14.3 Mio. CHF (Mittelwert). Gemäss Tabelle 2.2 liegt die gesellschaftliche Zahlungsbereitschaft für die Rettung eines zusätzlichen Menschenlebens bei 5.1 Mio. CHF. Diese wurde auf Basis des Life Quality Index (LQI) ermittelt. Der Mittelwert der jährlichen Grenzkosten pro gerettetes Menschenleben liegt also über der gesellschaftlichen Zahlungsbereitschaft und die Einführung einer Rauchmelderpflicht ist in Hinblick auf den Personenschutz aus gesellschaftlicher Sicht nicht effizient. Auch unter Berücksichtigung aller Unsicherheiten ist das Ergebnis noch eindeutig, wie in Abbildung 7.1 zu erkennen ist. Die Verteilung der Grenzkosten pro Menschenleben wurde hierfür mit Hilfe von Simulationen auf Basis der Annahmen in Tabelle 7.1 und Tabelle 7.2 ermittelt. Die durchgezogene schwarze Linie markiert den Mittelwert der Verteilung, die gestrichelten Linien das 5% und das 95%‐Quantil. Der Vergleich mit der gesellschaftlichen Zahlungsbereitschaft (graue Linie) zeigt, dass nur in sehr wenigen Simulationen die Zahlungsbereitschaft über den Grenzkosten der Risikoreduktion lag. Abbildung 7.1: Verteilung der jährlichen Grenzkosten pro gerettetes Menschenleben für die Beurteilung der Effizienz einer Rauchmelderpflicht als Personenschutzmassnahme (Simulationen auf Basis der Annahmen in Tabelle 7.1 und Tabelle 7.2, LQI‐Grenzwert nach Tabelle 2.2) Die Annahmen zu den jährlichen Kosten pro Melder in Tabelle 7.2 beziehen sich auf Rauchmelder mit Alkalibatterie, die alle 1‐2 Jahre ausgetauscht werden muss. Bei Rauchmeldern mit Lithium‐Batterie ist der Batteriewechsel lediglich alle 10 Jahre notwendig, die Melder sind jedoch in der Anschaffung etwas teurer. Selbst wenn man von ähnlichen Anschaffungskosten ausgeht (also ca. 20‐40 CHF alle 10 Jahre, aber ohne Batteriewechsel, d.h. etwa 2.23 bis 4.45 CHF pro Jahr), liegen die erwarteten Grenzkosten der Risikoreduktion aber noch knapp über der gesellschaftlichen Zahlungsbereitschaft. 87 Wirtschaftliche Optimierung im vorbeugenden Brandschutz 7.2
Bewertung der Wirtschaftlichkeit einer Rauchmelderpflicht in Wohngebäuden Der Schwerpunkt der vorliegenden Fallstudie liegt auf der Beurteilung einer Rauchmelderpflicht als Massnahme für den Personenschutz. Wie in Abschnitt 7.1.3 gezeigt wurde, sind die Kosten von Rauchmeldern in Wohngebäuden durch ihren Nutzen im Bereich des Personenschutzes aus gesellschaftlicher Sicht nicht gerechtfertigt. Unabhängig davon kann die Entscheidung zur Einführung einer Rauchmelderpflicht aber auch auf Basis einer Beurteilung der Wirtschaftlichkeit gefällt werden. Im Folgenden wird deswegen eine grobe Abschätzung des wirtschaftlichen Nutzens einer Rauchmelderpflicht durch Reduktion der Sachwertschäden durchgeführt. Die Abschätzung der Kosten basiert auf den Annahmen in Abschnitt 7.1.2. 7.2.1
Abschätzung des wirtschaftlichen Nutzens von Heimrauchmeldern Für die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit von Heimrauchmeldern muss die Reduktion der Sachwertschäden in Wohngebäuden durch eine frühzeitige Alarmierung abgeschätzt werden. Die hierzu benötigten Annahmen sind in Tabelle 7.3 zusammengefasst. Im Folgenden werden die wesentlichen Grundlagen für die getroffenen Annahmen kurz diskutiert. Die Wirksamkeit von Brandschutzmassnahmen wurde von Thomas (2002) auf Basis von Daten aus der US‐Feuerwehrstatistik untersucht. Ein Vergleich der durchschnittlichen Schäden in verschiedenen Gebäudegruppen ergab, dass in nicht gesprinklerten Ein‐ und Zweifamilienhäusern mit Rauchmelderschutz die erwarteten Schäden im Brandfall 5.49% (ohne baulichen Brandschutz) bzw. 3.56% (mit baulichem Brandschutz) kleiner waren als in Gebäuden ohne Rauchmelder. In Mehrfamilienhäusern betrug die Reduktion der Schäden 19.44% ohne und 1.67% mit baulichem Brandschutz. Genauere Informationen zum baulichen Brandschutz sind in den Daten nicht enthalten. Eine direkte Anwendung der Ergebnisse aus den USA auf Schweizer Wohnbauten ist für Mehrfamilienhäuser schwierig, da hier der bauliche Brandschutz eine grosse Rolle spielt. Die Abschätzung der Wirtschaftlichkeit wird deswegen nur für Einfamilienhäuser durchgeführt. Auch hier kann die Übertragbarkeit der Ergebnisse aufgrund der unterschiedlichen Baukultur angezweifelt werden. Für eine grobe Schätzung können die US‐Daten jedoch zumindest als Anhaltspunkt dienen. Basierend auf der Auswertung von Thomas (2002) wird im Folgenden angenommen, dass die Schaden‐ bzw. Risikoreduktion RRM durch Installation von Rauchmeldern in Einfamilienhäusern einer Normalverteilung mit einem Mittelwert von 5% und einer Standardabweichung von 1.216% folgt. Das 90%‐Konfidenzintervall dieser Verteilung liegt zwischen 3% und 7%. Die relative Risikoreduktion RRM bezieht sich auf das Brandrisiko in Gebäuden ohne Rauchmelderschutz. Das Brandrisiko kann für Einfamilienhäuser aus den Schaden‐ und Portfoliodaten der AGV ermittelt werden. Die Gesamt‐Schadensumme in Aargauer Einfamilienhäusern lag in den Jahren 1999‐2008 bei durchschnittlich 3‘443‘883 CHF/Jahr. Aus den Portfoliodaten und Informationen zum Wachstum des Gebäudeportfolios wurde die Gesamtzahl der bei der AGV versicherten Einfamilienhäuser auf 84‘163 geschätzt (Mittelwert 1999‐2008). Unter der Annahme, dass der Einfluss der in einigen Gebäuden freiwillig installierten Rauchmelder auf die Schäden im Gesamt‐Portfolio im betrachteten Zeitraum vernachlässigbar ist, berechnet sich das jährliche Brandrisiko ohne Rauchmelderschutz pro Einfamilienhaus zu 40.9 CHF/Jahr. 88 Kapitel 7 ‐ Rauchmelderpflicht für Wohngebäude (Fallstudie III) Die Aargauer Schadendaten enthalten lediglich Informationen zu Gebäudeschäden. Für eine Betrachtung der Wirtschaftlichkeit aus gesellschaftlicher Sicht müssen zusätzlich noch die Mobiliarschäden im Brandfall berücksichtigt werden. Unter Verwendung eines an die Daten aus dem Kanton Vaud (vgl. Kapitel 3.3.7) angepassten Regressionsmodells wird das jährliche Brandrisiko R EFH inklusive Mobiliarschäden pro Einfamilienhaus auf 64.4 CHF/Jahr geschätzt. Eine Unsicherheit der Schätzung wird für die Berechnung vereinfachend nicht berücksichtigt. 7.2.2
Beurteilung der Wirtschaftlichkeit einer Rauchmelderpflicht in Einfamilienhäusern Zur Beurteilung der Wirtschaftlichkeit wird der jährliche Nettonutzen NBEFH einer Rauchmelderpflicht für Einfamilienhäuser berechnet. Der Nettonutzen ergibt sich aus dem wirtschaftlichen Nutzen der Rauchmelder abzüglich der Kosten. Massnahmen mit einem positiven Nettonutzen sollten umgesetzt werden, solche mit einem negativen Nettonutzen nur, wenn der Personenschutz es erfordert. Auf Basis der getroffenen Annahmen kann die folgende Formel zur Abschätzung des jährlichen Nettonutzens pro Einfamilienhaus verwendet werden: NBEFH  REFH  RRM  CM  N M
 


Nutzen
(7.4)
Kosten
Die zur Berechnung des Nettonutzens getroffenen Annahmen (vgl. Abschnitte 7.1.2 und 7.2.1) sind in Tabelle 7.3 zusammengefasst. Die Verteilung des jährlichen Nettonutzens pro Einfamilienhaus wurde aus den übrigen Annahmen mit Gleichung (7.4) ermittelt. Sowohl ihr Mittelwert als auch das 90%‐
Konfidenzintervall liegen im negativen Bereich. Die Kosten einer Rauchmelderpflicht können also auch durch die Reduktion der Sachwertschäden nicht gerechtfertigt werden. Variable in Gleichung (7.4) Mittelwert 5%‐
Quantil 95%‐
Quantil Verteilung 64.4 CHF/Jahr ‐ ‐ Deterministische Annahme Jährliches Brandrisiko pro EFH ohne Rauchmelder R EFH
Prozentale Risikoreduktion durch Rauchmelder RRM 5% 3% 7% Normal (5%,1.216%) Jährliche Kosten pro installiertem Rauchmelder CM 7.35 CHF/Jahr 6.2 CHF/Jahr 8.5 CHF/Jahr Normal (7.35,0.70) Anzahl installierter Rauchmelder pro Haushalt NM 3 ‐ ‐ Deterministische Annahme Jährlicher Nettonutzen pro Einfamilienhaus NBEFH
‐18.8 CHF/Jahr ‐22.5 CHF/Jahr ‐15.1 CHF/Jahr Gleichung (7.4) Tabelle 7.3: Annahmen für die Berechnung des jährlichen Nettonutzens einer Rauchmelderpflicht gemäss Abschnitt 7.1.2 (Kosten) und 7.2.1 (Nutzen). In der vereinfachten Abschätzung der Wirtschaftlichkeit wurde auf eine Quantifizierung aller mit dem Problem verbundenen Unsicherheiten verzichtet. Die Schwierigkeiten bei der Übertragung der von Thomas (2002) aus US‐Daten ermittelten Wirksamkeit von Rauchmeldern wurden bereits diskutiert. Des Weiteren ist auch das aus Schweizer Daten ermittelte Brandrisiko in Einfamilienhäusern ohne 89 Wirtschaftliche Optimierung im vorbeugenden Brandschutz Rauchmelderschutz mit einigen hier nicht näher diskutierten Unsicherheiten behaftet. Allerdings liegt selbst bei einer Verdopplung der Annahme für R EFH in Tabelle 7.3 der erwartete jährliche Nutzen einer Rauchmelderpflicht noch unter den durchschnittlichen Kosten für einen einzigen Rauchmelder pro Einfamilienhaus. Es ist daher nicht davon auszugehen, dass die getroffenen vereinfachten Annahmen das Endergebnis verfälschen. 7.3
Diskussion der Ergebnisse und getroffenen Annahmen Das Ergebnis der in Abschnitt 7.1 und 7.2 vorgestellten Effizienzbetrachtungen für Rauchmelder in Wohngebäuden ist eindeutig: Die Kosten einer Rauchmelderpflicht können weder durch ihren Nutzen in Bezug auf den Personenschutz noch durch die Reduktion der erwartete Sachschäden im Brandfall gerechtfertigt werden. Dieses Ergebnis ist überraschend, da in der internationalen Literatur Rauchmelder meist als sehr günstige und effiziente Massnahme beschrieben werden, vor allem für den Personenschutz. Mögliche Gründe für diese Diskrepanz sind die im internationalen Vergleich sehr niedrige jährliche Anzahl Todesopfer pro Einwohner (The Geneva Association (2011)) sowie die relativ hohen Kosten der auf dem Schweizer Markt verkauften Rauchmelder. Der Diskussion in Abschnitt 2.2.2.4 folgend wurde das LQI‐Kriterium getrennt von der reinen Kosten‐
Nutzen‐Optimierung für den Sachwertschutz betrachtet. Auch eine Kombination beider Kriterien ändert jedoch nichts am Ergebnis: In Abschnitt 7.1.3 wurde gezeigt, dass die Grenzkosten im Erwartungswert mehr als doppelt so hoch sind wie die mit dem Life Quality Index ermittelte gesellschaftliche Zahlungsbereitschaft für die Rettung eines zusätzlichen Menschenlebens. Nach den Annahmen in Tabelle 7.3 beträgt die erwartete Reduktion des jährlichen Brandrisikos (Sachschäden) nur etwa 15% der Kosten für die Ausrüstung eines Haushaltes mit Rauchmeldern. Auch die Nettokosten (nach Abzug des finanziellen Nutzens) liegen also noch über dem LQI‐Grenzwert. Die Einführung einer Pflicht zur Installation von Rauchmeldern kann auf Basis der durchgeführten Berechnungen nicht gerechtfertigt werden. Unabhängig davon kann natürlich der freiwillige Einsatz von Rauchmeldern gefördert werden. Im Gegensatz zu vielen anderen Massnahmen zur Personensicherheit im Brandfall können Rauchmelder zu erschwinglichen Preisen direkt vom Konsumenten erworben und installiert werden. So beschrieb z.B. Hall (1985), dass die Verbreitung von Rauchmelder in den USA in den Siebzigern vor allem durch erfolgreiches Marketing seitens der Privatwirtschaft (Hersteller von Rauchmeldern) beeinflusst wurde. Die Ergebnisse basieren auf einer Reihe von Annahmen, die den heutigen Wissensstand zum Einfluss von Rauchmeldern reflektieren. Die Entscheidung gegen die Einführung einer Rauchmelderpflicht kann deswegen in jedem Fall nur temporär sein. Zukünftige Forschung und Datensammlung kann zu verbesserten Annahmen und neuen Ergebnissen führen. Im Folgenden werden die wichtigsten Einflussgrössen sowie Möglichkeiten zur Verbesserung der Grundlage für die getroffenen Annahmen aufgezeigt. Im Anschluss wird diskutiert, welche zukünftigen Entwicklungen die Effizienz von Rauchmeldern für den Personen‐ oder Sachwertschutz verbessern könnten. Die grösste Unsicherheit in den durchgeführten Berechnungen ergibt sich aus den Annahmen zur Wahrscheinlichkeit, durch eine frühzeitige Alarmierung einen sonst tödlichen Brand zu überleben. In diesem Bereich wäre eine Verbesserung der Datengrundlage mit wenig Aufwand verbunden: Schon die Einführung einer einfachen Abfrage in der VKF‐Todesfallstatistik, ob die Person durch einen 90 Kapitel 7 ‐ Rauchmelderpflicht für Wohngebäude (Fallstudie III) Rauchmelder hätte gerettet werden können (Ja/Nein/Vielleicht), kann helfen, das Rettungspotential durch funktionierende Rauchmelder in Zukunft besser einzugrenzen. Aufwändiger ist eine Verbesserung der Abschätzung der Alarmierungswahrscheinlichkeit in Haushalten mit Rauchmelderschutz. Hierfür müssten in der VKF‐Schadenstatistik Informationen dazu gesammelt werden, ob Rauchmelder installiert waren und, wenn ja, durch den Brand aktiviert wurden. Mit Hilfe der Angaben zum Schadenbetrag könnte diese Information auch genutzt werden, um den wirtschaftlichen Nutzen von Rauchmeldern besser abschätzen zu können. Gegenüber der in dieser Fallstudie mehrfach zitierten US‐Feuerwehrstatistik (Ahrens (2009), Thomas (2002)), hätte eine VKF‐Rauchmelderstatistik den grossen Vorteil, dass auch relativ kleine Brände (ohne Feuerwehreinsatz) in der Statistik enthalten sind. Zudem sind in den USA vor allem Ionisationsrauchmelder im Einsatz, während in Europa eher optische (photoelektrische) Rauchmelder verwendet werden. Die beiden Typen unterscheiden sich in Bezug auf die Alarmierung im Brandfall: Optische Rauchmelder reagieren schneller auf die in Wohnräumen häufig vorkommenden Schwelbrände, während Ionisationsrauchmelder eher für schneller anlaufende Brände geeignet sind. Zudem ist die Häufigkeit von Fehlalarmen bei Ionisationsrauchmeldern höher, was zu einer geringeren Zuverlässigkeit im Brandfall führen kann, vgl. Berger & Kuklinski (2001). Es ist deswegen fraglich, ob die aus der US‐Feuerwehrstatistik ermittelte Rauchmelder‐Zuverlässigkeit ohne Weiteres auf Schweizer Wohngebäude übertragen werden kann. Zur besseren Beurteilung der Kosten einer Rauchmelderpflicht empfiehlt es sich, für zukünftige Studien die Annahmen zu den Kosten der Rauchmelder‐Installation pro Haushalt (Kosten pro Melder und Anzahl Melder pro Haushalt) sowie zum Anteil der bereits freiwillig geschützten Haushalte zu aktualisieren. Für eine verbesserte Abbildung der Verhältnisse in der Schweiz können Methoden der quantitativen Marktforschung eingesetzt werden, zum Beispiel im Rahmen einer Umfrage in einer repräsentativen Stichprobe von Schweizer Haushalten. Neben verbesserten Annahmen können auch tatsächliche Änderungen der Kosten und Nutzen von Rauchmeldern in der Zukunft zu einer neuen Beurteilung der Effizienz von Rauchmeldern in Schweizer Wohngebäuden führen. Mögliche Entwicklungen, die für die zukünftige Einführung einer Rauchmelderpflicht sprechen könnten, werden im Folgenden kurz zusammengefasst: ‐
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Günstigere Rauchmelder: Der Markt für Heimrauchmelder ist in der Schweiz bisher noch sehr klein. Mit steigendem Absatz könnten die Preise auch für qualitativ hochwertige Rauchmel‐
der sinken, wodurch die Effizienz einer Rauchmelderpflicht sowohl für den Personenschutz als auch für den Sachwertschutz steigt. Relevant ist nicht allein der Preis oder die Qualität bzw. Zuverlässigkeit der Rauchmelder, sondern das Preis‐Leistungs‐Verhältnis. Bessere Rauchmelder: Je zuverlässiger die Rauchmelder im Brandfall alarmieren, desto grösser ist die Reduktion der Anzahl Todesopfer. Die Vermeidung von Fehlalarmen ist ebenfalls wichtig, da sie indirekt einen Einfluss auf die Verfügbarkeit der Rauchmelder im Brandfall hat. Da sich die Daten zur Zuverlässigkeit und Effektivität von Rauchmeldern stets auf ältere, in den Gebäuden installierte Modelle beziehen, ist es möglich, dass schon die Effizienz der heute produzierten Rauchmelder höher ist als in der Abschätzung angenommen. Höhere Zahlungsbereitschaft: Die Zahlungsbereitschaft zur Rettung eines zusätzlichen Menschenlebens steigt mit dem Wohlstand in einer Gesellschaft. Dieser Effekt wird durch 91 Wirtschaftliche Optimierung im vorbeugenden Brandschutz ‐
den Life Quality Index (Abschnitt 2.2.2.5) erfasst, wenn mit aktuellen Zahlen für die volkswirtschaftlichen und die demografischen Konstanten gerechnet wird Steigendes Personen‐ bzw. Brandrisiko: Je mehr Personen durch Brände zu Tode kommen, desto grösser ist das Potential der Risikoreduktion durch Rauchmelder. Gleiches gilt für die Sachwertschäden. Theoretisch denkbar ist auch, mit dem verstärkten Einsatz von Rauchmeldern auf andere, teurere, Brandschutzmassnahmen zu verzichten. Das Potential zur Kostenreduktion ist relativ hoch. Betrachtet man zum Beispiel ein Mehrfamilienhaus mit 10 Wohneinheiten, so betragen die jährlichen Kosten für die Ausrüstung aller Haushalte mit je 3 Rauchmeldern nach den Annahmen in Tabelle 7.2 insgesamt etwa 220 CHF. Über eine Gebäude‐Lebensdauer von 100 Jahren kumuliert entspricht dies bei einer Verzinsung von 2% einer Einmal‐Zahlung von 9500 CHF zum Zeitpunkt der Errichtung des Gebäudes (vgl. Kapitel 5.1.4). Im Vergleich zu üblichen Massnahmen des baulichen Brandschutzes sind Rauchmelder also relativ kostengünstig. Eine Abwägung von baulichen Massnahmen mit dem Einsatz von Rauchmeldern erfordert allerdings detailliertere Untersuchungen, vgl. zum Beispiel den Ansatz in Kapitel 8. Eine Betrachtung der Massnahmenkosten ist für einen solchen Vergleich nicht ausreichend, auch der Einfluss auf die Personen‐ und Sachwertschäden muss quantifiziert werden. Bei Mehrfamilienhäusern könnte insbesondere die Alarmierung der Bewohner aller Wohneinheiten ein kritischer Punkt sein, solange man nicht eine (teurere) Brandmeldeanlage anstelle der günstigen Heimrauchmelder einsetzten möchte. 92 Kapitel 8 ‐ Personenschutzanforderungen (Fallstudie IV) 8
Personenschutzanforderungen (Fallstudie IV) Ziel dieser Fallstudie ist die Beurteilung der Personensicherheit in unterschiedlichen Situationen. Nach einer Vorstellung des grundsätzlichen Vorgehens und der quantitativen Grundlagen in Kapitel 8.1 und 8.2 werden zwei konkrete Fragestellungen bearbeitet: In Kapitel 8.3 geht es um die Kompensation von Fluchtweganforderungen durch Massnahmen des technischen Brandschutzes für Räume mit geringer Personendichte. Eine Erweiterung des gewählten Ansatzes durch eine Modellierung von Stauzeiten ermöglicht die Quantifizierung des Personenrisikos in Räumen mit hoher Personenbelegung, die in Kapitel 8.4 diskutiert wird. In beiden Fällen ist das Ziel eine vergleichende Risikobewertung, das absolute Niveau der Personensicherheit wird nicht beurteilt. 8.1
Der ASET/RSET Ansatz zur Beurteilung der Personensicherheit Ziel der Fluchtwegbestimmungen ist, dass sich die Gebäudebenutzer im Brandfall rechtzeitig in Sicherheit bringen können, ehe sich der Brand und die Rauchgase soweit ausgebreitet haben, dass es zu einer Gefährdung von Personen kommt. Ob bzw. mit welcher Wahrscheinlichkeit dieses Ziel erreicht werden kann, lässt sich mit dem ASET/RSET Ansatz beurteilen. Hierbei ist ASET (Available Safe Egress Time) die Zeit, die für die Evakuierung zur Verfügung steht. Diese wird mit der für die Evakuierung benötigte Zeit RSET (Required Safe Egress Time) verglichen. Ist die RSET einer Person kürzer als die ASET, bedeutet dies, dass die Person das Gebäude sicher verlassen kann. Der Vergleich lässt sich am einfachsten auf einer Zeitachse darstellen, siehe Abbildung 8.1. Abbildung 8.1: Illustration des ASET/RSET Ansatzes. Der ASET/RSET Ansatz wird aufgrund seiner intuitiven Grundidee international zunehmend eingesetzt, um alternative Fluchtwegkonzepte zu beurteilen. Kritisch sehen Babrauskas et al. (2010), dass keine der in Abbildung 8.1 dargestellten Zeiten exakt quantifiziert werden kann. Diese Kritik spricht jedoch nur gegen die Verwendung des Ansatzes mit deterministischen Annahmen. Mit einer probabilistischen Modellierung kann die Variabilität und die Unsicherheit der einzelnen Zeiten berücksichtigt werden, siehe Abbildung 8.2. Die Wahrscheinlichkeit eines Personenschadens ergibt sich aus der Überschneidung der beiden Wahrscheinlichkeitsverteilungen (P(ASET<RSET)). Durch Brandschutzmassnahmen kann die Wahrscheinlichkeit eines Personenschadens reduziert werden, z.B. durch eine Verlängerung der ASET oder eine Verkürzung der RSET. Die gestrichelte Verteilung in Abbildung 8.2 verdeutlicht, wie die Personenschaden‐Wahrscheinlichkeit durch eine Reduktion der RSET, zum Beispiel durch eine Brandmeldeanlage, reduziert werden kann. 93 Wirtschaftliche Optimierung im vorbeugenden Brandschutz Abbildung 8.2: Probabilistischer Vergleich der RSET mit der ASET. Die Evakuierungszeit RSET lässt sich in drei Phasen unterteilen: Alarmierung, Reaktion und Flucht. Im Folgenden werden die drei Phasen kurz mit ihren jeweiligen Einflussfaktoren beschrieben. Alarmierung Eine Alarmierung der Gebäudenutzer kann auf verschiedene Art erfolgen: ‐
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Direkte Wahrnehmung von Rauch, Flammen, Hitze oder Geräuschen Warnung durch andere Gebäudenutzer oder Personen ausserhalb des Gebäudes Alarmierung durch einen Feueralarm (Warnsignal oder Voice Alarm System) Warnung durch die Feuerwehr (Martinshorn oder Feuerwehrleute im Gebäude) Je nach Art der Alarmierung kann diese schon nach wenigen Sekunden oder erst nach einigen Minuten eintreten. Die Alarmierungszeit kann zudem davon abhängen, wo sich die betrachteten Personen im Verhältnis zum Feuer befinden. Reaktion Erfahrungen aus Brandereignissen und Evakuierungsübungen haben gezeigt, dass Menschen in der Regel nicht sofort nach der Alarmierung mit der Flucht beginnen. Die beobachteten Verzögerungen lassen sich in zwei Abschnitte einteilen: Alarmerkennung und Informationssuche sowie Reaktion und Fluchtvorbereitung. Der Zeitbedarf in der ersten Phase nach der Alarmierung hängt vor allem davon ab, was für Informationen den Personen zur Verfügung stehen, vgl. Proulx & Hadjisophocleous (1994). Weitere Einflussfaktoren sind u.a. die Vertrautheit der Gebäudenutzer mit dem Gebäude, ihre Tätigkeit zum Zeitpunkt der Alarmierung sowie die Art des Gebäudes und seine Nutzung. Haben die Gebäudenutzer ein Warnsignal als Hinweis auf ein Feuer erkannt, führen sie oft noch eine Reihe von unterschiedlichen Tätigkeiten durch, ehe mit der Flucht beginnen. Hierzu gehören z.B. die Alarmierung anderer Personen oder der Feuerwehr, ggf. eigene Löschversuche sowie Tätigkeiten zur Fluchtvorbereitung wie das Zusammensuchen persönlicher Gegenstände, das Anziehen wetterfester Kleidung oder das Abspeichern von Dateien. Schliesslich können auch soziale Prozesse den Beginn der Flucht verzögern, z.B. wenn Arbeitskollegen gemeinsam das Gebäude verlassen. Bei der Quantifizierung der Reaktionszeit werden die beiden oben beschriebenen Phasen zusammengefasst, da eine eindeutige Abgrenzung in der Realität sehr schwierig ist. 94 Kapitel 8 ‐ Personenschutzanforderungen (Fallstudie IV) Flucht Erst nach Abschluss der Alarmierungs‐ und Reaktionsphase beginnt die eigentliche Flucht aus dem Gebäude. Zusätzlich zur Gehzeit müssen je nach Personendichte noch Wartezeiten an Engpässen wie Türen oder Treppen berücksichtigt werden. Die Fluchtdauer wird durch die Mobilität der betroffenen Personen, durch die Gestaltung der Fluchtwege und ggf. durch Brandeinwirkungen bestimmt. Die in diesem Bericht verwendeten Definitionen sind in Tabelle 8.1 zusammengefasst. Alarmierungszeit Zeitdauer von der Brandentstehung bis zu dem Zeitpunkt, in dem ein Gebäudenutzer durch einen Alarm oder andere Hinweise vor dem Feuer tA gewarnt wird (warning + alarm). Reaktionszeit tR Fluchtdauer tF Zeitdauer von der Alarmierung eines Gebäudenutzers bis zu dem Moment, in dem er mit der Flucht aus dem Gebäude beginnt (recognition + response). Zeitdauer vom Beginn der Flucht bis zum Verlassen des Gebäudes bzw. dem Erreichen eines sicheren Ortes innerhalb des Gebäudes (travel + queue). Evakuierungszeit Zeitdauer von der Brandentstehung bis zum Verlassen des Gebäudes bzw. dem Erreichen eines sicheren Ortes innerhalb des Gebäudes; Summe aus t RSET Alarmierungszeit, Reaktionszeit und Fluchtdauer. Englisch: Required Safe Egress Time (RSET) Verfügbare Zeit t ASET Zeitdauer von der Brandentstehung bis zu dem Zeitpunkt, in dem sich die Bedingungen in einem Raum so weit verschlechtert haben, dass die Gebäudenutzer die Evakuierung nicht mehr fortsetzen können. Englisch: Available Safe Egress Time (ASET) Tabelle 8.1: Für die Fallstudie verwendete Definitionen zur quantitativen Beurteilung des Personenschutzes mit dem ASET/RSET Ansatz. 8.2
Quantitative Grundlagen zur Anwendung des ASET / RSET Ansatzes 8.2.1
In der Fallstudie betrachtete Szenarien und Personengruppen Bei der Quantifizierung von Personenrisiken lassen sich verschiedene Gebäudetypen und Szenarien betrachten. Unterschieden werden kann unter anderem nach den folgenden Gesichtspunkten: ‐
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‐
Brandgefahr (Brandhäufigkeit, Brandentwicklung) Personendichte (Personen / m2) Aufmerksamkeit und Mobilität der Gebäudenutzer Vertrautheit der Personen mit dem Gebäude. Die genannten Punkte werden vor allem durch die Gebäude‐ bzw. Raumnutzung bestimmt. Für die Kompensation von Fluchtweganforderungen mit technischem Brandschutz wurde exemplarisch die Gruppe der Bürogebäude ausgewählt. Diese zeichnen sich durch eine mittlere Brandgefährdung und 95 Wirtschaftliche Optimierung im vorbeugenden Brandschutz wache, meist mobile Personen aus. In Kapitel 8.2 und 8.3 wird für die Berechnung der Fluchtdauer eine geringe Personendichte angenommen, bei der keine Staubildung an den Ausgängen zu erwarten ist. In Abschnitt 8.4 werden die Annahmen für Räume mit grosser Personenbelegung erweitert. Im Bereich des technischen Brandschutzes können verschiedene Massnahmen zum Einsatz kommen, z.B. Brandmeldeanlagen, Sprinkler oder ein Rauch‐Wärme‐Abzug. Für die Kompensation von Fluchtweganforderungen werden in der Fallstudie nur Brandmeldeanlagen berücksichtigt, die Verwendung anderer Massnahmen wird jedoch in Abschnitt 8.3.3 ebenfalls kurz diskutiert. Bei den Fluchtweganforderungen wird in Abschnitt 8.3 primär die Fluchtweglänge betrachtet, bei den Räumen mit hoher Personenbelegung (Abschnitt 8.4) die Fluchtwegbreite. Weitere Massnahmen für Räume mit hoher Personenbelegung werden in Abschnitt 8.4.5 lediglich qualitativ diskutiert. Es können die folgenden Personengruppen bzw. Brandszenarien unterschieden werden: ‐
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Personen, die sich zum Zeitpunkt der Brandentstehung im Brandraum befinden Personen in anderen Räumen, jedoch im selben Stockwerk / Brandabschnitt wie der Brand Personen in anderen Stockwerken / Brandabschnitten. In den Schweizer Fluchtwegvorschriften wird implizit angenommen, dass die Fluchttreppenhäuser bis zum Ende der Evakuierung sicher sind. Dies wird je nach Gebäudeart und Stockwerkzahl durch entsprechende Massnahmen erzielt (z.B. baulicher Brandschutz, Überdruckbelüftung für Hochhäuser). Die Fallstudie konzentriert sich daher auf die ersten beiden der oben genannten Personengruppen. Der ASET/RSET Ansatz beschreibt den Erfolg bzw. Misserfolg der Selbstrettung. Ein Einfluss der Fremdrettung durch die Feuerwehr wird in den Berechnungen nicht berücksichtigt. Bei gleicher Anzahl zu rettender Personen werden die Voraussetzungen für die Fremdrettung durch Massnahmen des technischen Brandschutzes tendenziell verbessert (z.B. durch eine frühere Alarmierung). Eine moderate Verlängerung der Flucht‐ und Rettungswege wird dagegen die Arbeit der Rettungskräfte allenfalls geringfügig erschweren. 8.2.2
Zusammenfassung der getroffenen Annahmen Für die Modellierung der Brandentwicklung wird ein quadratischer Anstieg der Wärmeabgaberate mit der Zeit angenommen, siehe Abschnitt 8.2.3. Die Geschwindigkeit der Brandentwicklung kann so durch einen einzigen Parameter beschrieben werden, den so genannte Fire Growth Parameter  . In der Risikomodellierung werden nur Brände mit mittlerer bis schneller Brandentwicklung berücksichtigt (   0.006594 kW / sek 2 ). Die Wahrscheinlichkeit einer solchen potentiell personengefährdenden Brandentwicklung ergibt sich aus der in Gleichung (8.2) eingeführten Lognormalverteilung für  . Für Bürogebäude beträgt sie im Brandfall 12.4%. Die verfügbare Zeit ASET (Abschnitt 8.2.4) wird im Brandraum mit Hilfe einer Antwortfläche nach Magnusson et al. (1995) in Abhängigkeit vom Fire Growth Parameter  und der Geometrie des Brandraumes berechnet (Gleichung (8.3)). Für Personen in anderen Räumen werden zur Berücksichtigung der Rauchausbreitung ausserhalb des Brandraumes vereinfachend verschiedene „Rauchausbreitungszeiten“  zur ASET im Brandraum addiert, siehe Gleichung (8.4). 96 Kapitel 8 ‐ Personenschutzanforderungen (Fallstudie IV) Die Grundlagen für die Quantifizierung der einzelnen Komponenten der Evakuierungszeit t RSET werden in Anhang B.1 diskutiert. Der Einfluss der Brandmeldeanlage wird zudem in Abschnitt 8.3.1 behandelt. Für die Modellierung der Fluchtdauer wird zunächst angenommen, dass die Wartezeiten durch Staubildung an Engpässen wie Türen oder Treppen vernachlässigbar sind (vgl. Anhang B.1.3). Diese Annahme ist nur für Räume mit geringer Personendichte gültig. Die Berücksichtigung der Wartezeiten wird in Kapitel 8.4 für Räume mit grosser Personenbelegung separat diskutiert. Für Personen, die sich zum Zeitpunkt der Brandentwicklung im Brandraum befinden, sind die getroffenen Annahmen in Tabelle 8.2 zusammengefasst. Für die Verteilung der Alarmierungszeit wird der Verteilungsparameter  in Abhängigkeit vom Fire Growth Parameter  festgelegt, vgl. Anhang B.1.1. Der in Tabelle 8.2 angegebene Mittelwert sowie die Standardabweichung der Alarmierungszeit wurde auf Basis der Verteilung für  in Gleichung (8.2) für Brände mit mittlerer bis schneller Brandentwicklungszeit berechnet (   0.006594 kW / sek 2 ). RSET‐Komponenten Verteilung (in [sek]) Parameter bzw. Abhängigkeit von  Mittelwert und Standardabweichung Alarmierungszeit t A Exponential   f ( ) , Gleichung (B.1)     20sek Reaktionszeit t R Lognormal   3.7145 ,   0.7386   54sek ,   46sek Fluchtdauer t F Inverse Weibull a  1.41/ l , b  10.14   26sek ,   4sek ( l =Fluchtweg im Raum [m]) (für l  35m ) Tabelle 8.2: Zusammenfassung der Verteilungsannahmen für die Modellierung der Evakuierungszeit (RSET) für Personen im Brandraum (Anhang B.1). Für Personen ausserhalb des Brandraumes wurden die folgenden Annahmen getroffen (Tabelle 8.3): RSET‐Komponenten Verteilung Abhängigkeit von  (in [sek]) Alarmierungszeit t A Parameter bzw. Lognormal ohne BMA:   5.8272 ,   0.2183 mit BMA: Gleichung (B.2):   f ( ) ,   0.3194 Reaktionszeit t R Lognormal Fluchtdauer t F Inverse Weibull Mittelwert und Standardabweichung   348sek ,   77sek   60sek ,   25sek Für   0.006594 kW sek 2   4.1971 ,   0.8313   94sek ,   94sek a  1.41/ l , b  10.14   37sek ,   5sek ( l =Gesamt‐Fluchtweg [m]) (für l  50m ) Tabelle 8.3: Zusammenfassung der Verteilungsannahmen für die Modellierung der Evakuierungszeit (RSET) für Personen in anderen Räumen (Anhang B.1). 97 Wirtschaftliche Optimierung im vorbeugenden Brandschutz Ausserhalb des Brandraumes wird nur die Alarmierung durch die Brandmeldeanlage in Abhängigkeit vom Fire Growth Parameter  modelliert. Die Abhängigkeit wurde mit Hilfe von Simulationen mit dem Computermodell DETACT‐t2 (Evans and Stroup (1985)) bestimmt, vgl. Anhang B.1.1. 8.2.3
Modellierung der Brandentwicklung mit dem t2‐Ansatz Sowohl die ASET als auch die RSET (bzw. die Alarmierungszeit) hängen stark von der Geschwindigkeit der Brandentwicklung ab. In der Anfangsphase wird diese oft durch eine quadratische Abhängigkeit der Wärmeabgaberate Q (t ) (englisch heat release rate) von der Zeit modelliert: Q (t )   t 2 [ kW ]
(8.1)
Der Fire Growth Parameter  beschreibt die Geschwindigkeit der Brandausbreitung. Ist dieser bekannt, kann mit Gleichung (8.1) die Zeit berechnet werden, zu der die Wärmeabgaberate des Feuers einen bestimmten Wert erreicht. Die Verwendung des t2‐Ansatzes zur Modellierung der Brandentwicklung ist eine stark vereinfachende Annahme. Für die Modellierung der absoluten Anfangsphase eines Brandes, z.B. bis zur Aktivierung eines Rauchmelders, ist ein solch einfacher Ansatz in der Regel ausreichend. Die Anwendung für grössere Brände, z.B. zur Berechnung der verfügbaren Zeit ASET, wurde dagegen von Babrauskas (1996) als unrealistisch kritisiert. Da der t2‐Ansatz keine maximale Wärmeabgaberate kennt, wird die Gefährdung durch den Brand tendenziell überschätzt. Der grosse Vorteil des t2‐Ansatzes ist, dass die Brandentwicklung mit einem einzigen Parameter beschrieben werden kann, was eine Anpassung des Modells an reale Daten erleichtert. Gemäss Holborn et al. (2004) kann der Fire Growth Parameter  mit einer Lognormalverteilung modelliert werden. Für Bürogebäude wird die folgende Verteilung angenommen (Holborn et al., Tabelle 17):  ~ Lognormal (  7.1   1.8) [kW / sek 2 ]
(8.2)
Die Schätzung des Fire Growth Parameters aus Daten ist mit vielen Unsicherheiten verbunden. Eine detaillierte Diskussion der Datenbasis und der getroffenen Annahmen ist in Holborn, Nolan et al. (2004) zu finden. Für eine vergleichende Risikobetrachtung (wie in der vorliegenden Fallstudie) spielt die exakte Verteilung von  allerdings eine nachrangige Rolle, solange für alle Szenarien die gleiche Verteilung gewählt wird. Die absoluten Werte des berechneten Personenrisikos werden dagegen stark von der Modellierung der Brandentwicklung abhängig sein. Es ist davon auszugehen, dass das Personenrisiko bei langsamer Brandentwicklung für wache und mobile Personen vernachlässigt werden kann. Vereinfachend werden im Folgenden die Brände in zwei Gruppen eingeteilt: Brände mit langsamer Ausbreitung, bei denen erst nach einer Zeit von mehr als 1600sek eine Wärmeabgaberate von 1055kW erreicht wird (Kategorien „very slow“ und „slow“ nach Holborn, Nolan et al. (2004),   0.006594 kW / sek 2 ) und Brände mit mittlerer bis schneller Ausbreitung (   0.006594 kW / sek 2 , Kategorien „medium“, „fast“ und „ultra fast“). Für die Berechnung des Personenrisikos werden im Folgenden nur Brände aus der Gruppe mit mittlerer bis schneller Brandausbreitung berücksichtigt (12.4% aller Brände gemäss der Verteilung in (8.2)). 98 Kapitel 8 ‐ Personenschutzanforderungen (Fallstudie IV) 8.2.4
Modellierung der verfügbaren Zeit ASET Da die für die Evakuierung verfügbare Zeit von der Brand‐ und Rauchentwicklung bestimmt wird, lässt sie sich bei Definition kritischer Grenzwerte mit Hilfe von Software zur Brandsimulation ermitteln. Ein relativ einfacher Ansatz ist die Simulation der Brandentwicklung mit einem Zwei‐
Zonen‐Modell zur Berechnung der ASET als der Zeitpunkt, in dem die Höhe der rauchgasarmen kühleren Schicht einen bestimmten Schwellenwert, z.B. 1.60m unterschreitet. Die Eingabeparameter für das Zwei‐Zonen‐Modell können probabilistisch modelliert werden. ASET im Brandraum Basierend auf dem t2‐Ansatz zur Brandentwicklung (vgl. Abschnitt 8.2.3) haben Magnusson, Frantzich et al. (1995) Simulationen mit dem Zwei‐Zonen‐Modell CFAST zur Berechnung der ASET mit dem oben beschriebenen Ansatz durchgeführt. In der vorliegenden Fallstudie wird die ASET im Brandraum mit der von ihnen auf Basis der Simulationen entwickelten Antwortfläche berechnet: t ASET  1.67  0.26 H 0.44 A 0.54 M [ sek ]
(8.3)
Hierin ist H die Raumhöhe in [m], A die Raumfläche in [m2] und M ~ N (1.35,0.11) eine normalverteilte Modellunsicherheit, die aus Vergleichen mit Naturbrandversuchen ermittelt wurde. Die Ergebnisse anderer Autoren (z.B. Lundin (2005) oder Forell (2007)) liegen in einer ähnlichen Grössenordnung. Durch die getroffenen Annahmen ist die Modellierung der ASET mit Gleichung (8.3) mit verschiedenen Unsicherheiten behaftet. Diese werden in Anhang B.2 diskutiert. Abbildung 8.3 zeigt die Verteilung der verfügbaren Zeit ASET im Brandraum für drei verschiedene Raumgrössen A . Der rechte Teil der Verteilungen ist nicht dargestellt, da lange ASETs (langsame Brandentwicklung) auf kleine Werte für  zurückzuführen sind, die in der Risikoberechnung nicht berücksichtigt werden. Je grösser das Raumvolumen, dass mit Rauch gefüllt werden kann, desto länger ist die verfügbare Zeit ASET. Die Raumhöhe H hat deswegen einen ähnlichen Einfluss wie die Raumfläche A , siehe auch Abschnitt 8.4.5.4. Abbildung 8.3: Verteilung der ASET für drei verschiedene Raumgrössen auf Basis von Simulationen nach Gleichung (8.2) und (8.3), H=3m. 99 Wirtschaftliche Optimierung im vorbeugenden Brandschutz ASET in anderen Räumen Ausserhalb des Brandraumes ist die ASET länger, da der Rauch zunächst den Brandraum füllen wird, ehe der Fluchtweg betroffen ist. Zur Rauchausbreitung auf andere Räume kommt es im Brandfall vor allem durch offene Türen sowie durch die Lüftung. Fehlende oder defekte Türschliesser, aber auch die Evakuierung des Brandraumes und Löschmassnahmen der Feuerwehr sind mögliche Gründe für offene Türen. Wie gross die ASET für Personen ausserhalb des Brandraumes ist, hängt von vielen Faktoren ab, die eine quantitative Abschätzung erschweren (vor allem bei Betrachtung einer ganzen Gebäudegruppe, d.h. ohne Kenntnis des Grundrisses). Um dennoch die Verlängerung ASET für Personen ausserhalb des Brandraumes zu berücksichtigen, werden mehrere Rechnungen mit unterschiedlichen Annahmen zur ASET durchgeführt (ASET im Brandraum + 5 / 10 / 20 / 30 Minuten): ASET  ASETBrandraum  
(8.4)
Hierin bezeichnet  die zusätzliche Zeit, die der Rauch für die Ausbreitung ausserhalb des Brandraumes (im Fluchtweg) benötigt. Die ASET im Brandraum berechnet sich mit der Antwortfläche (8.3). Da diese an Simulationen für Räume ab 200m2 angepasst wurde, können nur Szenarien mit relativ grossen Brandräumen betrachtet werden. Szenarien mit sehr kleinen Brandräumen erfordern zusätzliche Betrachtungen (vgl. Lundin (2005)) sowie Annahmen zur Lage der einzelnen Räume und Fluchtwege. Der Einfluss der ASET auf die Ergebnisse wird jedoch durch die Berechnung mit unterschiedlichen Werten für  deutlich gemacht. 8.2.5
Modellierung der Evakuierungszeit RSET In Abbildung 8.4 sind die Verteilungen (Wahrscheinlichkeitsdichtefunktionen) der drei RSET‐
Komponenten nach Tabelle 8.2 (d.h. für Personen im Brandraum) abgebildet. Auffällig ist, dass die Fluchtdauer deutlich weniger streut als die Alarmierungszeit und die Reaktionszeit. Abbildung 8.4: Vergleich der Wahrscheinlichkeitsdichtefunktionen für die drei Komponenten der Evakuierungszeit RSET nach Tabelle 8.2 (Personen im Brandraum). Verteilung der Alarmierungszeit 2
ohne Brände mit langsamer Brandentwicklung (   0.006594kW / sek ). 100 Kapitel 8 ‐ Personenschutzanforderungen (Fallstudie IV) Die gesamte Evakuierungszeit RSET ergibt sich aus einer Addition der drei in Abbildung 8.4 dargestellten Komponenten: t RSET  t A  t R  t F
(8.5)
Die Verteilung der RSET kann durch Simulation bestimmt werden. Der relative Anteil der einzelnen Komponenten an der gesamten Evakuierungszeit RSET ist in Abbildung 8.5 (linke Seite) dargestellt: Abhängig von der RSET (auf der x‐Achse) zeigen die Balken an, wie sich die gesamte Evakuierungszeit auf die drei Komponenten aufteilt. Mit dieser Darstellung wird deutlich, dass die Bedeutung der Fluchtdauer im Vergleich zu den anderen Komponenten mit steigender RSET schnell abfällt. Die Verteilung der RSET ist in der Grafik ebenfalls als Kurve dargestellt (keine Achsenbeschriftung). Abbildung 8.5: Verteilung der Evakuierungszeit RSET (schwarze Kurve) und durchschnittliche Anteile der einzelnen Komponenten (Simulationen auf Basis von Tabelle 8.2 für Personen im Brandraum). Links: alle Brände; Rechts: Ohne Brände mit langsamer Brandentwicklung. Eine hohe Alarmierungszeit tritt ein, wenn die Fire growth rate  klein ist (Schwelbrände). In diesem Fall ist aber auch die Gefahr für die Gebäudenutzer geringer als bei schneller Brandentwicklung. Auf der rechten Seite von Abbildung 8.5 ist der relative Anteil der einzelnen Komponenten an der RSET 2
für Brände mit mittlerer bis schneller Brandentwicklung dargestellt (   0.006594kW / sek ). Auch hier wird deutlich, dass der Anteil der Fluchtdauer mit zunehmender Evakuierungszeit schnell nachlässt, die Bedeutung der Alarmierungszeit wird jedoch ebenfalls schnell kleiner. 8.3
Kompensation von Fluchtweganforderungen mit technischem Brandschutz Auf Basis der in Kapitel 8.1 und 8.2 zusammengestellten Grundlagen wird im Folgenden beurteilt, ob eine Kompensation von Fluchtweganforderungen mit Massnahmen des technischen Brandschutzes gerechtfertigt werden kann. Die Berechnungen beziehen sich auf das Beispiel einer Kompensation eines verlängerten Fluchtweges mit einer Brandmeldeanlage für Bürogebäude mit geringer Personendichte. Die Personensicherheit im Brandraum (Abschnitt 8.3.2.1) wird getrennt von der Personensicherheit in anderen Räumen betrachtet (Abschnitt 8.3.2.2). In Abschnitt 8.3.3 wird neben den wichtigsten Ergebnissen auch der Einfluss der getroffenen Annahmen diskutiert. Die Übertragbarkeit der Ergebnisse auf andere Massnahmen und Gebäudetypen wird in Abschnitt 8.3.4 und 8.3.5 behandelt. 101 Wirtschaftliche Optimierung im vorbeugenden Brandschutz 8.3.1
Einfluss der Brandmeldeanlage auf die Alarmierungszeit Es ist davon auszugehen, dass wache Personen, die sich zum Zeitpunkt der Brandentstehung im Brandraum befinden, den Brand in der Regel vor der Alarmierung durch die Brandmeldeanlage entdecken. Dies ist insbesondere dann zutreffend, wenn die Brandmeldeanlage erst mit einer Verzögerung von einigen Minuten den Alarm auslöst. Es wird deswegen angenommen, dass der Einfluss einer Brandmeldeanlage auf die Verteilung der Alarmierungszeit für Personen im Brandraum vernachlässigt werden kann. Für Personen in anderen Räumen ist der Einfluss der Brandmeldeanlage jedoch zu berücksichtigen. Auch Personen ausserhalb des Brandraumes können einen Brand auch schon vor der Alarmierung durch die Brandmeldeanlage entdecken. Die Alarmierungszeit ergibt sich aus dem Minimum der beiden Alarmierungszeiten mit und ohne Brandmeldeanlage: 
t A  min t ABMA , t ABMA

(8.6)
Die Aktivierung eines Melders im Brandraum wird in der Regel deutlich vor der Entdeckung des Brandes durch Personen in einem anderen Raum erfolgen. Ist die Anlage so programmiert, dass sofort ein Alarmsignal im gesamten Gebäude ertönt, wird in Gleichung (8.6) die Alarmierung durch die Brandmeldeanlage dominieren. Anders verhält es sich, wenn die Alarmierung verzögert wird. Gemäss Brandschutzrichtlinie „Brandmeldeanlagen“ der VKF (2011) darf eine in der Anlage programmierte Anwesenheits‐ und Erkundungsverzögerung insgesamt höchstens 5 Minuten betragen. Diese Zeiten beziehen sich auf die Alarmierung der Feuerwehr (externe Alarmierung). Der interne Alarm wird zwar sofort aktiviert, geht häufig aber vorerst nur an den Hausdienst, was ebenfalls zu Verzögerungen von mehreren Minuten führen kann. In Abbildung 8.6 ist der Einfluss einer Verzögerung des internen Alarms um 0, 3, 5 und 6 Minuten auf die Alarmierungszeit von Personen ausserhalb des Brandraumes nach Gleichung (8.6) dargestellt. Die Grafik basiert auf Simulationen der Alarmierungszeit mit und ohne Brandmeldeanlage bei mittlerer bis schneller Brandentwicklung (   0.006594 kW / sek 2 ) . Wird der Alarm sofort bei Aktivierung eines Rauchmelders gestartet (keine Verzögerung), ist eine Entdeckung des Brandes vor der Alarmierung durch die Brandmeldeanlage praktisch auszuschliessen und die Verteilung der Alarmierungszeit nach Gleichung (8.6) entspricht der Verteilung der Alarmierung durch die Brandmeldeanlage (diese wird in der Abbildung durch die Verteilung für die „erste Warnung“ überdeckt). Bei einer Verzögerung von 3 Minuten wird die Alarmierungszeit zwar entsprechend verlängert, es dominiert aber immer noch die Verteilung der Alarmierung durch die Brandmeldeanlage. Bei 5 Minuten Verzögerung gibt es bereits Fälle, in denen das Feuer von Personen ausserhalb des Brandraumes vor der Alarmierung durch die Brandmeldeanlage entdeckt wird. Bei den langsamen Entdeckungszeiten ist aber immer noch ein positiver Einfluss der Brandmeldeanlage zu verzeichnen. Dieser lässt jedoch mit grösseren Verzögerungen zunehmend nach und beschränkt sich auf den oberen Schwanzbereich der Verteilung. Aus Abbildung 8.6 wird deutlich, dass der positive Einfluss einer Brandmeldeanlage auf den Personenschutz durch eine Verzögerung der Alarmierung stark reduziert wird. In der Praxis wird der interne Alarm zwar vor der Alarmierung der Feuerwehr aktiviert, eine sofortige Alarmierung aller 102 Kapitel 8 ‐ Personenschutzanforderungen (Fallstudie IV) Personen im Gebäude ist jedoch nicht unbedingt gegeben. Bei grossen Verzögerungen ist eine Brandmeldeanlage für die Kompensation von Fluchtweganforderungen nicht geeignet. Auf der anderen Seite müssen auch bei der Alarmierung der Gebäudenutzer Fehlalarme so weit wie möglich vermieden werden, damit ein echter Alarm noch ernst genommen wird. Abbildung 8.6: Alarmierungszeit ausserhalb des Brandraumes mit Brandmeldeanlage bei verzögerter Alarmierung (Simulationen auf Basis von Tabelle 8.3 und Gleichung (8.6), ohne Brände 2
mit langsamer Brandentwicklung, d.h.   0.006594kW / sek ). 8.3.2
Repräsentation des Personenrisikos mit der Personenschaden‐Wahrscheinlichkeit Auf Basis der in Abschnitt 8.2 beschriebenen quantitativen Annahmen kann das Personenrisiko für verschiedene Szenarien und Massnahmenkombinationen berechnet und verglichen werden. Das Ziel ist ein Vergleich des Personenrisikos für die Kompensationslösung mit Brandmeldeanlage und verlängertem Fluchtweg mit einem Referenzfall ohne technischen Brandschutz. Als Referenzfall gelten die Fluchtwegbestimmungen nach derzeitiger Norm. Zur Repräsentation des Personenrisikos wird vereinfachend nur die Wahrscheinlichkeit berechnet, dass eine beliebige Person mit einer vorgegebenen Fluchtweglänge im Brandfall zu Schaden kommt (RSET>ASET). Die Personenbelegung des Raumes fliesst nicht in die Berechnungen ein, es wird nur eine Person im Raum betrachtet. Für Räume mit geringer Personendichte ist diese Vereinfachung 103 Wirtschaftliche Optimierung im vorbeugenden Brandschutz zulässig, wenn lediglich eine vergleichende Risikobetrachtung angestrebt wird: Solange man davon ausgehen kann, dass das Risiko für verschiedene Personen weitestgehend voneinander unabhängig ist, ergibt sich das tatsächliche Personenrisiko (erwartete Anzahl Tote im Brandfall) durch eine Multiplikation der Personenzahl mit der Personenschaden‐Wahrscheinlichkeit für eine einzelne Person. Die Personenzahl im betrachteten Raum ist in dieser Berechnung lediglich ein konstanter Faktor, der beim Vergleich verschiedener Brandschutz‐Lösungen vernachlässigt werden kann. Bei höheren Personendichten ist eine nichtlineare Abhängigkeit des Personenrisikos von der Personenzahl zu erwarten. Für Räume mit hoher Personenbelegung ist eine Berechnung der Personenschaden‐Wahrscheinlichkeit für eine beliebige Person deswegen nicht ausreichend und das Risiko muss in Abhängigkeit von der Personenzahl berechnet werden, siehe Abschnitt 8.4.2. Für die Kompensation von Fluchtweganforderungen wurden zwei verschiedene Personengruppen betrachtet: Personen, die sich zum Zeitpunkt der Brandentstehung im Brandraum befinden (Abschnitt 8.3.2.1) und Personen in anderen Räumen (Abschnitt 8.3.2.2). Ein positiver Einfluss der Brandmeldeanlage wird nur für die zweite Personengruppe berücksichtigt. Für Personen im Brandraum ist eine Kompensationsbetrachtung daher nicht möglich, es wird aber abgeschätzt, wie stark die Personenschaden‐Wahrscheinlichkeit bei einer moderaten Verlängerung der Fluchtweglänge im Raum ansteigt. Alle Berechnungen basieren auf Monte‐Carlo‐Simulationen mit den in Abschnitt 8.2.2 zusammengefassten Verteilungsannahmen. 8.3.2.1
Ergebnisse für die Personenschaden‐Wahrscheinlichkeit im Brandraum In Abschnitt 8.2.5 wurde gezeigt, dass die Fluchtdauer bei den besonders gefährdeten Personen (mit hoher RSET) im Vergleich zur Alarmierungs‐ und Reaktionszeit nur einen geringen Anteil an der gesamten Evakuierungszeit hat. Der Einfluss einer Verlängerung des Fluchtweges um wenige Meter ist daher gering, wenn nur Personen mit langer Evakuierungszeit in Gefahr sind. Die Fluchtweglänge ist vor allem wichtig, wenn die verfügbare Zeit zur Evakuierung (ASET) sehr kurz ist. Wie in Abschnitt 8.2.4 diskutiert, unterscheidet sich die Verteilung der ASET je nach Grösse des Brandraums. In kleinen Räumen kommt es tendenziell schneller zu kritischen Bedingungen als in grossen Räumen. In Abbildung 8.7 ist der Einfluss der Raumgrösse gut zu erkennen: Mit steigender Raumgrösse sinkt nicht nur die Personenschaden‐Wahrscheinlichkeit in absoluten Zahlen, auch der Einfluss der Fluchtweglänge nimmt ab. Die linke Grafik zeigt die Wahrscheinlichkeit, dass im Brandfall eine beliebige Person im Brandraum einen Personenschaden erleidet in Abhängigkeit von der Fluchtweglänge im Raum. Bei der Berechnung wurde angenommen, dass das Personenrisiko in 2
Bränden mit langsamer Brandentwicklung (   0.006594kW / sek ) vernachlässigbar klein ist. Das Personenrisiko (erwartete Anzahl betroffener Personen) steigt mit der Personenbelegung im Brandraum, die in der Regel mit der Raumgrösse zunimmt. Für die Darstellung auf der rechten Seite von Abbildung 8.7 wurde eine konstante Personendichte von 0.1 Pers./m2 angenommen. Auch die Wahrscheinlichkeit, dass es in einem Raum brennt, steigt mit der Raumgrösse an. Für Abbildung 8.7 wurde die Brandeintrittswahrscheinlichkeit mit dem in Kapitel 3.4.1 vorgestellten Modell in Abhängigkeit vom Raumvolumen bestimmt. Die erwartete Anzahl Tote pro Jahr (rechte Seite von Abbildung 8.7) ergibt sich durch Multiplikation der Personenschaden‐Wahrscheinlichkeit im Brandfall (linke Grafik) mit der Personenbelegung des Brandraumes und der Brandeintrittswahrscheinlichkeit. 104 Kapitel 8 ‐ Personenschutzanforderungen (Fallstudie IV) Nicht berücksichtigt ist hierbei, dass ein Teil der Brände sofort von den Gebäudenutzern gelöscht wird. Für eine vergleichende Risikobetrachtung kann dieser Effekt allerdings vernachlässigt werden. Abbildung 8.7: Personenschaden‐Wahrscheinlichkeit im Brandfall (links) und erwartete Anzahl Tote pro Jahr (rechts) in Abhängigkeit von der Fluchtweglänge im Raum für verschiedene Raumgrössen (Raumhöhe H=3m). Simulationen auf Basis der Annahmen in Tabelle 8.2 8.3.2.2
Ergebnisse für die Personenschaden‐Wahrscheinlichkeit in anderen Räumen Für Personen, die sich zum Zeitpunkt der Brandentstehung nicht im Brandraum befinden, ist ein positiver Effekt der Brandmeldeanlage auf die Alarmierungszeit und damit auf die Evakuierungszeit (RSET) zu erwarten. In Abbildung 8.8 sind die Verteilungen der RSET mit und ohne Brandmeldeanlage für eine Gesamt‐Fluchtweglänge (bis zum Ausgang oder Treppenhaus) von 35m dargestellt. Es wird deutlich, dass die RSET durch eine Brandmeldeanlage stark reduziert werden kann. Abbildung 8.8: Evakuierungszeit RSET für Personen in anderen Räumen mit/ohne Brandmeldeanlage (Simulationen auf Basis der Annahmen in Tabelle 8.3, Fluchtweglänge 35m, BMA ohne Verzögerung, ohne Brände mit langsamer Brandentwicklung. 105 Wirtschaftliche Optimierung im vorbeugenden Brandschutz Auch mit Brandmeldeanlage können Evakuierungszeiten von mehreren Minuten beobachtet werden (verursacht durch sehr lange Reaktionszeiten), allerdings sind diese deutlich seltener. Die Berechnungen für Abbildung 8.8 wurden unter der Annahme durchgeführt, dass die Alarmierung sofort bei Aktivierung des ersten Rauchmelders eintritt. Der Einfluss der Brandmeldeanlage ist kleiner, wenn die Gebäudenutzer erst mit Verzögerung alarmiert werden (vgl. Abschnitt 8.3.1). Durch einen Vergleich der RSET mit der verfügbaren Zeit ASET erhält man die Wahrscheinlichkeit eines Personenschadens für eine beliebige Person ausserhalb des Brandraums. Wie in Abschnitt 8.2.4 beschrieben, wird die ASET im Fluchtweg nicht explizit modelliert, sondern ergibt sich aus der ASET im Brandraum und einer „Rauchausbreitungszeit“  , z.B. 10min. Verschiedene Werte für  können als Rauchausbreitungs‐Szenarien (z.B. abhängig von der Raumanordnung, offenen Türen…) oder einfach als verschiedene Annahmen zur Rauchausbreitung auf andere Räume interpretiert werden. In Abbildung 8.9 ist abhängig von der Gesamt‐Fluchtweglänge die Wahrscheinlichkeit einer gescheiterten Selbstrettung im Brandfall (RSET>ASET) für eine beliebige Person ausserhalb des Brandraumes dargestellt. Für die Kompensationslösung mit Brandmeldeanlage werden zwei Szenarien unterschieden (grau): Die gestrichelte Linie illustriert die Personenschaden‐
Wahrscheinlichkeit ohne Brandmeldeanlage. Dieses Szenario tritt ein, wenn die Brandmeldeanlage im Brandfall ausfällt. Für die gepunktete Linie wurde die Brandmeldeanlage voll berücksichtigt (Zuverlässigkeit 100%). Für die Beurteilung der Kompensationslösung müssen beide Fälle mit der Ausfall‐Wahrscheinlichkeit der Brandmeldeanlage gewichtet werden. Dies wird durch die schwarze Linie dargestellt, hier unter Annahme einer Ausfallwahrscheinlichkeit von 20%. Dies kann als konservative Annahme gelten, gemäss Ahrens (2007) und Bukowski et al. (1999) ist eher mit einer höheren Zuverlässigkeit von Brandmeldeanlagen zu rechnen (siehe auch Anhang B.3 zur Ermittlung der Zuverlässigkeit von technischen Anlagen aus statistischen Daten). Abbildung 8.9: Personenschaden‐Wahrscheinlichkeit im Brandfall in Abhängigkeit der Gesamt‐
Fluchtweglänge mit/ohne Brandmeldeanlage ‐ Absolut (links) und relativ zum Referenzfall nach derzeitiger Norm (35m Fluchtweglänge ohne BMA, rechts) für verschiedene Annahme zur ASET (ASET im Brandraum +  ). Simulationen auf Basis der Annahmen in Tabelle 8.3. 106 Kapitel 8 ‐ Personenschutzanforderungen (Fallstudie IV) Für die linke Grafik in Abbildung 8.9 wurde eine „Rauchausbreitungszeit“  von 10 Minuten angenommen. Um unterschiedliche Annahmen für  besser vergleichen zu können, wurden die Wahrscheinlichkeiten einer gescheiterten Selbstrettung (RSET>ASET) in der rechten Grafik auf einen Referenzfall bezogen (35m ohne Brandmeldeanlage, blaue Linien). In der Grafik auf der rechten Seite ist für verschiedene Annahmen für  abzulesen, wie sich das Personenrisiko verändert, wenn man den Fluchtweg verlängert und/oder eine Brandmeldeanlage berücksichtigt. Für   5 min ist zum Beispiel erkennbar, dass die Wahrscheinlichkeit einer gescheiterten Selbstrettung um 20 Prozent zunimmt, wenn man die Fluchtweglänge von 35m auf 60m erhöht. Mit einer Brandmeldeanlage (Zuverlässigkeit 80%) sinkt die Wahrscheinlichkeit im Vergleich zum Referenzfall auf etwa 30%. Ähnliche Vergleiche lassen sich für andere Annahmen zur Rauchausbreitung (andere  ) ziehen. In der Darstellung auf der rechten Seite in Abbildung 8.9 ist deutlich erkennbar, dass die Wirksamkeit der Personenschutzmassnahmen umso grösser ist, je knapper die verfügbare Zeit bemessen ist: Je grösser die ASET (grösseres  ), desto grösser ist der Einfluss sowohl der Fluchtweglänge als auch der Brandmeldeanlage (siehe auch Abschnitt 8.3.2.1) Die in Abschnitt 8.2 getroffenen Annahmen haben einen grossen Einfluss auf das absolute Niveau der berechneten Personenschaden‐Wahrscheinlichkeit (Abbildung 8.9 linke Seite). Durch die auf einen Referenzfall bezogene relative Darstellung (Abbildung 8.9 rechte Seite) wird der Einfluss der getroffenen Annahmen jedoch deutlich reduziert. Der Grund hierfür ist, dass viele Annahmen, z.B. zur ASET oder zur Reaktionszeit, sowohl die Kompensationslösung als auch den Referenzfall betreffen. Aus diesem Grund ist zum Beispiel die Sensitivität der Ergebnisse bezüglich der Grösse des Brandraumes (beeinflusst die ASET) gering, siehe Abbildung 8.10 für Brandräume mit einer Fläche von 600 und 1200m2. Als Referenzfall gilt hier eine Gesamt‐Fluchtweglänge von 50m ohne Brandmeldeanlage (für Geschosse mit mindestens zwei Treppenhäusern bzw. Ausgängen). Abbildung 8.10: Personenschaden‐Wahrscheinlichkeit im Brandfall in Abhängigkeit der Gesamt‐
Fluchtweglänge mit/ohne Brandmeldeanlage relativ zum Referenzfall (50m Fluchtweglänge ohne BMA) für verschieden grosse Brandräume (links 600m2, rechts 1200m2) und verschiedene Annahme zur ASET (ASET im Brandraum +  ). Simulationen auf Basis der Annahmen in Tabelle 8.3. 107 Wirtschaftliche Optimierung im vorbeugenden Brandschutz Einen grösseren Einfluss auf die relative Darstellung des Personenrisikos haben Annahmen, die nur für einen der beiden Vergleichsfälle relevant sind. Bei der Beurteilung einer Kompensationslösung mit Brandmeldeanlage sind dies die Annahmen zur Alarmierungszeit. Einen wichtigen Einfluss haben zum Beispiel Annahmen zur Verzögerung der Alarmierung. In den bisherigen Berechnungen wurde angenommen, dass die Gebäudenutzer sofort bei Aktivierung des ersten Rauchmelders alarmiert werden. Durch eine Verzögerung der Alarmierung wird der positive Einfluss der Brandmeldeanlage deutlich reduziert, vgl. Abschnitt 8.3.1. In Abbildung 8.11 sind Berechnungen für eine Verzögerung von 3 Minuten (links) und 5 Minuten (rechts) dargestellt. Abbildung 8.11: Personenschaden‐Wahrscheinlichkeit im Brandfall relativ zum Referenzfall (35m Fluchtweglänge ohne BMA) bei einer Verzögerung der Alarmierung um 3 Minuten (links) bzw. 5 Minuten (rechts) für verschiedene Annahme zur ASET (ASET im Brandraum +  ). Simulationen auf Basis der Annahmen in Tabelle 8.3. Zusammenfassend kann man davon ausgehen, dass die Kompensationslösung mit Brandmeldeanlage für Personen, die sich zum Zeitpunkt der Brandentstehung nicht im Brandraum befinden, häufig sicherer ist als die Standardlösung: Eine Verlängerung der Gesamt‐Fluchtweglänge um z.B. 20m wird durch die frühzeitige Alarmierung durch die Brandmeldeanlage in der Regel überkompensiert. Erst bei deutlich längeren Fluchtwegen und/oder einer Verzögerung der Alarmierung durch die Brandmeldeanlage um mehr als 3 Minuten liegt das Personenrisiko für die Kompensationslösung in einem ähnlichen Bereich wie bei der Standardlösung. 8.3.3
Diskussion der Ergebnisse und der getroffenen Annahmen Im Folgenden werden die wichtigsten Ergebnisse für die beiden betrachteten Personen zunächst kurz zusammengefasst. Die Ergebnisse sind nur für das betrachtete Beispiel gültig: Die Kompensation eines verlängerten Fluchtweges durch eine Brandmeldeanlage in Bürogebäuden mit geringer Personendichte (vgl. Abschnitt 8.2.1). Getroffene Annahmen und mögliche Schwachstellen in der Modellierung sowie die Übertragbarkeit der Ergebnisse auf andere Massnahmen und Gebäudetypen werden im Anschluss diskutiert. 108 Kapitel 8 ‐ Personenschutzanforderungen (Fallstudie IV) 8.3.3.1
Personen im Brandraum: Fluchtweglänge im Raum Für Personen im Brandraum wurde der Einfluss der Brandmeldeanlage vernachlässigt, da davon ausgegangen werden kann, dass sie den Brand in der Regel bereits vor der Aktivierung der Brandmeldeanlage entdecken. Für die Fluchtweglänge im Raum ist eine Kompensation eines längeren Fluchtweges mit einer Brandmeldeanlage deswegen nicht sinnvoll. Andererseits konnte in Abschnitt 8.3.2.1 gezeigt werden, dass der Einfluss der Fluchtweglänge auf die gesamte Evakuierungszeit (RSET) verhältnismässig klein ist. Dies gilt vor allem für Personen mit sehr langer Evakuierungszeit, die im Brandfall besonders gefährdet sind. Eine Verlängerung der Fluchtweglänge im Raum hat nur dann einen nennenswerten Einfluss auf das Personenrisiko, wenn die für die Evakuierung verfügbare Zeit (ASET) sehr kurz ist. Dies ist insbesondere bei kleinen Brandräumen zu erwarten, die sich im Brandfall schnell mit Rauch füllen. Bei grossen Brandräumen, z.B. ab 600m2 Raumfläche, ist sowohl das Personenrisiko in absoluten Zahlen als auch die Zunahme des Personenrisikos bei einer Verlängerung des Fluchtweges kleiner. Auch ohne Kompensation mit technischem Brandschutz kann also bei gleichem Personenrisiko für grosse Räume eine längere Fluchtweglänge im Raum zugelassen werden als für kleinere Räume mit der gleichen Anzahl Ausgänge. Es ist allerdings zu beachten, dass bei einer späteren Umnutzung eine solche Regelung bauliche Anpassungen erfordern kann, da bei einer Unterteilung eines grossen Raumes in mehrere kleine Räume wieder kürzere Fluchtweglängen im Raum gefordert werden müssen. Einen ähnlichen Einfluss wie die Raumfläche hat die Raumhöhe: Auch grosse Raumhöhen führen zu einer Verlängerung der ASET, da ein grösseres Raumvolumen mit Rauch gefüllt werden muss, ehe es zu kritischen Bedingungen im Brandraum kommt, vgl. auch Kapitel 8.4.5. In der deutschen Muster‐
Versammlungsstättenverordnung (MVStättV, ARGEBAU (2005b)) wird deswegen eine Verlängerung der maximalen Fluchtweglänge im Raum zugelassen, wenn die Raumhöhe mehr als 5m beträgt. Ein grosses Raumvolumen ist keine Kompensationsmassnahme im eigentlichen Sinne. Mögliche Erleichterungen für grosse Räume könnten jedoch auf Basis einer Differenzierung der Vorschriften nach Raumfläche und/oder Raumhöhe begründet werden. Voraussetzung hierfür ist, dass das Personenrisiko in kleinen Brandräumen als akzeptabel angesehen wird, da die vorgestellten Berechnungen lediglich eine vergleichende Beurteilung des Personenrisikos zulassen. 8.3.3.2
Personen in anderen Räumen: Gesamt‐Fluchtweglänge Personen, die sich zum Zeitpunkt der Brandentstehung nicht im Brandraum befinden profitieren stärker von einer Brandmeldeanlage, da die Aktivierung eines Rauchmelders im Brandraum in vielen Fällen vor der Entdeckung des Brandes durch Personen in anderen Räumen erfolgen wird. Auch nach Berücksichtigung der Ausfallwahrscheinlichkeit der Brandmeldeanlage ist das Personenrisiko bei einer moderaten Verlängerung der Gesamt‐Fluchtweglänge noch kleiner als im Referenzfall ohne Brandmeldeanlage mit Gesamt‐Fluchtweglänge nach Brandschutzrichtlinie „Flucht‐ und Rettungswege“ (VKF (2003c)). Der positive Einfluss einer Brandmeldeanlage wird allerdings deutlich reduziert, wenn die Alarmierung aller Gebäudenutzer erst mit einigen Minuten Verzögerung erfolgt, z.B. weil der interne Alarm nur an den Hausdienst geht. Für eine Kompensation von Fluchtweganforderungen mit einer Brandmeldeanlage muss deswegen klar definiert sein, wie die frühzeitige Alarmierung aller 109 Wirtschaftliche Optimierung im vorbeugenden Brandschutz gefährdeten Personen sichergestellt wird. Gleichzeitig müssen auch interne Fehlalarme so weit wie möglich vermieden werden. Denkbar ist eine dreistufige gestaffelte Alarmierung: ‐
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8.3.3.3
Sofortige Alarmierung des Hausdienstes bei Aktivierung des ersten Melders. Interner Alarm für alle Gebäudenutzer durch den Hausdienst oder automatisch nach einer kurzen Anwesenheits‐ und Erkundungsverzögerung (zum Beispiel 2 bzw. 3 Minuten). Gegebenenfalls Nutzung einer 2‐Melder‐Abhängigkeit. Externer Alarm an die Feuerwehr durch den Hausdienst oder automatisch nach spätestens 3 bzw. 5 Minuten (Anwesenheits‐ und Erkundungsverzögerung). Diskussion der getroffenen Annahmen Die in den Abschnitten 8.3.2.1 und 8.3.2.2 vorgestellten quantitativen Ergebnisse sind von den in Abschnitt 8.2.2 zusammengefassten Annahmen zu den Verteilungen der einzelnen Zeiten abhängig. Die Basis für diese Annahmen war unterschiedlich gut: Eine recht gute Datengrundlage gibt es für die Gehgeschwindigkeit bzw. Fluchtdauer sowie für die Reaktionszeit ausserhalb des Brandraums. Auch die Basis für die Annahmen zur Reaktionszeit und die verfügbare Zeit (ASET) im Brandraum sind akzeptabel. Eine relativ schlechte Grundlage gibt es dagegen für die Annahmen zur Alarmierungszeit, vor allem bei der Alarmierung ohne Brandmeldeanlage. Auch die Abschätzung der ASET ausserhalb des Brandraumes war ohne Annahmen zum Grundriss nur stark vereinfacht möglich. Wie in Abschnitt 8.3.2.2 diskutiert, ist eine vergleichende Risikobetrachtung relativ robust bezüglich Annahmen, die alle berechneten Fälle gleichermassen betreffen. Kritisch dürften daher vor allem die Annahmen zur Alarmierungszeit sein, da sich hier die Kompensationslösung von der Standardlösung unterscheidet (Alarmierungszeit mit/ohne BMA). Auch die Annahmen zur ASET könnten relevant sein. Zwar sind sie für alle berechneten Fälle gleich, die angenommenen Verteilung beeinflusst aber die Wirksamkeit der Brandschutzmassnahmen: Je kürzer die ASET, desto grösser der Einfluss sowohl der Fluchtweglänge als auch der Brandmeldeanlage. Insgesamt dürfte aber die Sensitivität der qualitativen Aussagen bezüglich der quantitativen Annahmen eher gering sein. Das absolute Niveau des berechneten Personenrisikos hängt dagegen stark von den getroffenen Annahmen ab. Ein Vergleich mit statistischen Daten ist schwierig, da Todesfälle in Bürogebäuden sehr selten sind. So wurden zum Beispiel in den Jahren 2000‐2007 in allen KGV‐Kantonen 861 Brandfälle in Bürogebäuden (Zweck 10) beobachtet, aber nur ein Brandfall mit Todesfolge. Dieser wurde durch einen Kurzschluss in der internen Stromverteilung einer Giesserei verursacht, es handelt sich also nicht um einen klassischen Bürogebäude‐Brand. Rein statistisch gesehen ist es bei einer Grössenordnung von etwa einem Brandtoten pro 1‘000 Brände (Abbildung 8.7 und Abbildung 8.9 links) nicht unwahrscheinlich, in 861 Bränden keine Todesopfer zu beobachten. Es ist aber auch gut möglich, dass die Berechnungen das tatsächliche Risiko eher überschätzen (vergleiche auch die Diskussion zur Modellierung von Räumen mit hoher Personenbelegung, Abschnitt 8.4.6). Neben den quantitativen Annahmen können auch qualitative Annahmen im Rahmen der Modellierung einen Einfluss auf das Ergebnis haben. Im Folgenden werden die wichtigsten Vereinfachungen kurz zusammengefasst: ‐
In der vereinfachten Modellierung wurde nur der (Miss‐)Erfolg der Selbstrettung betrachtet. Die Möglichkeit einer späteren Fremdrettung durch die Feuerwehr ist nicht berücksichtigt. 110 Kapitel 8 ‐ Personenschutzanforderungen (Fallstudie IV) ‐
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Die Berechnungen ermöglichen lediglich eine Beurteilung der Fluchtweggestaltung in Bezug auf die Fluchtweglänge. Andere Aspekte in der Fluchtweggestaltung, z.B. der Einfluss unabhängiger Fluchtrichtungen, wurden nicht berücksichtigt. Für die Berechnungen wurde die maximal zulässige Fluchtweglänge verwendet. Dies entspricht dem ungünstigsten Fall einer Person in der am weitesten vom Ausgang entfernten Raumecke. Andererseits wurden Umwege um Mobiliar etc. nicht berücksichtigt. Bei mehreren Ausgängen ist es zudem möglich, dass die Personen auf der Flucht nicht den nächsten sondern einen weiter entfernten Ausgang wählen. Bei der Berechnung der Fluchtdauer wurde angenommen, dass sich keine Personen mit verringerter Mobilität im Gebäude befinden. Der Anteil der Personen mit verringerter Mobilität beträgt in typischen Bürogebäuden wenige Prozent. Es ist damit zu rechnen, dass Hindernisse wie Türen und Treppen für die Fluchtdauer dieser Personen eine grössere Rolle spielen als eine moderate Verlängerung des Fluchtweges in der Ebene, siehe Proulx (2002). Für die Verzögerung der Alarmierung sowie für die Berechnung der ASET ausserhalb des Brandraumes („Rauchausbreitungszeit“  ) wurden einfache deterministische Annahmen verwendet. In der Realität sind beide Zeiten zufällig. Für die Berechnung des Personenrisikos ausserhalb des Brandraums wurde die Lage der Räume zum Brandraum nicht berücksichtigt. Tatsächlich dürften die Alarmierungs‐ und Reaktionszeit sowie die verfügbare Zeit ASET umso kürzer sein, je näher sich die Person am Brandraum befindet. Die Anordnung der Räume zum Fluchtweg wurde nicht berücksichtigt. Szenarien, bei denen der Brand bzw. Rauch bereits in einer sehr frühen Brandphase den Fluchtweg abschneidet, konnten daher nicht betrachtet werden. Ein solches Szenario ist besonders dann kritisch, wenn nur ein Fluchtweg vorhanden ist (keine unabhängigen Fluchtwege). Mit dem gewählten Modell für die Berechnung der ASET konnten keine Szenarien mit sehr kleinen Brandräumen berechnet werden. Diese Szenarien sind vor allem für Personen gefährlich, deren einziger Fluchtweg durch einen Brand in einem daran angrenzenden kleinen Raum verraucht wird (siehe oben). Die beschriebenen Vereinfachungen zeigen die Grenzen der Modellierung auf, dürften aber keinen grossen Einfluss auf das (qualitative) Endergebnis haben. Anders verhält es sich bei den Annahmen, die sich aus der Wahl des betrachteten Szenarios ergeben: ‐
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Es wird angenommen, dass Personen in Bürogebäuden in der Regel wach sind und einen Brand bzw. einen Alarm schnell bemerken. Die Annahmen zur Verteilung der ASET (insbesondere zur Geschwindigkeit der Brandentwicklung) beziehen sich ebenfalls auf Bürogebäude. Die Ergebnisse sind nur für Gebäude mit geringer Personendichte zulässig, bei denen keine Wartezeiten durch Staubildung an Engpässen zu befürchten sind. Die vorgestellte Methodik zur Beurteilung der Personensicherheit im Brandfall mit dem ASET/RSET Ansatz kann im Prinzip für alle Massnahmen, Gebäudetypen und Szenarios angewendet werden. Die in Abschnitt 8.3.2.1 und 8.3.2.2 vorgestellten Ergebnisse sind jedoch nur für die gewählte Fallstudie gültig. Im folgenden Abschnitt wird diskutiert, welche Aspekte bei der Betrachtung anderer Fälle berücksichtigt werden müssen. 111 Wirtschaftliche Optimierung im vorbeugenden Brandschutz 8.3.4
Andere Massnahmen des technischen Brandschutzes Die Fallstudie bezieht sich auf die Kompensation eines verlängerten Fluchtweges durch die Installation einer Brandmeldeanlage. Es wurde angenommen, dass die Reaktionszeit der Gebäudenutzer von der Art der Alarmierung (mit / ohne BMA) unabhängig ist. Bei der Verwendung einer Brandmeldeanlage mit Sprachalarmierung (Voice Alarm System) kann davon ausgegangen werden, dass die Reaktionszeit ab Alarmierung verkürzt wird. Dies kann insbesondere bei öffentlich zugänglichen Gebäuden sinnvoll sein, bei denen zum Teil sehr lange Reaktionszeiten beobachtet wurden, vgl. z.B. Gwynne (2007) sowie Purser & Bensilum (2001). Bei einer Sprinkleranlage sind ähnliche Effekte zu erwarten wie bei einer Brandmeldeanlage. Bei kleinen Räumen profitieren Personen im Brandraum von einem Standard‐Sprinkler nur wenig, da durch die relativ späte Auslösung und eine mögliche Verwirbelung des Rauchs die Bedingungen im Brandraum trotz Sprinkler schnell kritisch werden können (Eine Ausnahme bilden schnellauslösende Sprinkler). Ausserhalb des Brandraums ist aber ein grosser positiver Effekt auf die Personensicherheit zu erwarten: Bei Löscherfolg durch den Sprinkler ist die Sicherheit von Personen in anderen Räumen in jedem Fall gewährleistet. Nur im Falle eines Sprinklerversagens besteht auch ausserhalb des Brandraumes eine Gefahr. Abbildung 8.12 zeigt die Personenschaden‐Wahrscheinlichkeit für Personen ausserhalb des Brandraums relativ zum Referenzfall (Standardlösung ohne Sprinkler). Die Bestimmung der Sprinklerzuverlässigkeit wird in Anhang B.3 diskutiert. Abbildung 8.12: Personenschaden‐Wahrscheinlichkeit im Brandfall in Abhängigkeit der Gesamt‐
Fluchtweglänge mit/ohne Sprinkler relativ zum Referenzfall (35m Fluchtweglänge ohne Sprinkler) für verschiedene Annahmen zur ASET (ASET im Brandraum +  ). Als letzte technische Massnahme kommt noch ein Rauch‐Wärme‐Abzug (RWA) für die Kompensation von Fluchtweganforderungen in Frage. Es kann zwischen einem Rauchabzug im Brandraum und einer Rauchfreihaltung der Fluchtwege unterschieden werden. Ziel ist in beiden Fällen eine Verlängerung der verfügbaren Zeit ASET sowie eine Verbesserung der Bedingungen für die Feuerwehr. Vor allem für die Rauchfreihaltung im Brandraum ist eine automatische und unverzögerte Ansteuerung des RWA unerlässlich, wenn ein positiver Effekt auf die Selbstrettung erzielt werden soll. Eine Beurteilung 112 Kapitel 8 ‐ Personenschutzanforderungen (Fallstudie IV) mit dem ASET/RSET Ansatz ist möglich, wenn der Einfluss der technischen Massnahme auf die ASET sowie die Möglichkeit eines RWA‐Versagens im Brandfall explizit modelliert wird. 8.3.5
Andere Gebäudetypen Für die Übertragbarkeit der Ergebnisse auf andere Gebäudetypen müssen sowohl das Verhalten der Gebäudenutzer als auch die Geschwindigkeit der Brandentwicklung mit den in der Fallstudie getroffenen Annahmen für Bürogebäude vergleichbar sein. Eine wichtige Annahme war bei den berechneten Szenarien die geringe Personendichte. Räume, bei denen aufgrund einer hohen Personenbelegung Wartezeiten an Engpässen auftreten können, werden in Abschnitt 8.4 diskutiert. In Industriegebäuden ist von einem ähnlichen Verhalten der Gebäudenutzer auszugehen wie bei Bürogebäuden (geringe Personendichte, wache, mobile und mit dem Gebäude vertraute Personen). Je nach Art der Zündquellen und involvierten Stoffe kann es jedoch zu einer deutlich schnelleren Brandentwicklung kommen. Günstig wirken allenfalls die zum Teil grossen Raumhöhen. Der Einfluss der Fluchtweglänge im Raum steigt mit der Geschwindigkeit der Brandentwicklung. Gleichzeitig steigt aber auch der positive Einfluss einer Brandmeldeanlage für Personen ausserhalb des Brandraums. Ähnlich verhält es sich für Parkhäuser und Tiefgaragen: Auch hier dürfte das Verhalten der Gebäudenutzer im Brandfall ähnlich sein wie bei den Bürogebäuden, Unterschiede gibt es jedoch in Bezug auf die Brandentwicklung. Vor allem in Tiefgaragen mit geringere Deckenhöhe und schlechten Ventilationsbedingungen ist mit kürzeren ASETs zu rechnen. In offenen oberirdischen Parkhäusern dürften sich die Bedingungen langsamer verschlechtern, da der Rauch nach aussen abziehen kann. Öffentliche Gebäude und Warenhäuser unterscheiden sich von Bürogebäuden zum Teil ebenfalls durch die verfügbare Zeit ASET, vor allem aber in Bezug auf das Verhalten und die (schwankende) Anzahl der Gebäudenutzer. Sehr lange Reaktionszeiten können vorkommen, wenn sich ein Grossteil der Personen nur kurzzeitig als Besucher im Gebäude aufhält. Hier kann eine Brandmeldeanlage mit Sprachalarmierung (Voice Alarm System) die Entscheidung zum Verlassen des Gebäudes beschleunigen. Einen ähnlichen Effekt haben organisatorische Massnahmen wie zum Beispiel eine Schulung des Personals zur schnellen und effizienten Räumung des Gebäudes im Alarmierungsfall, vgl. z.B. Purser & Bensilum (2001). Auf keinen Fall übertragbar sind die Ergebnisse auf Gebäude, in denen Personen schlafen, z.B. Wohngebäude oder Beherbergungsbetriebe. Die Personensicherheit in diesen Gebäuden kann zwar ebenfalls mit dem ASET/RSET Ansatz beurteilt werden, allerdings unterscheidet sich das Verhalten der Personen in der Alarmierungs‐ und Reaktionsphase nachts stark von dem Verhalten wacher Personen. Für schlafende Personen wirkt sich eine frühzeitige Alarmierung vor allem dann sehr positiv aus, wenn sie sich im Brandraum befinden. Bei Personen in anderen Räumen wird die Alarmierungszeit zwar ebenfalls deutlich verkürzt. Es ist jedoch mit sehr langen Reaktionszeiten zu rechnen, weil sich die Personen vor dem Verlassen des Gebäudes häufig erst noch ankleiden und weil die Interpretation eines Alarms durch die meist kleinzellige Bauweise erschwert wird. 113 Wirtschaftliche Optimierung im vorbeugenden Brandschutz 8.4
Räume mit grosser Personenbelegung Für die Beurteilung der Personensicherheit in Räumen mit grosser Personenbelegung müssen die Annahmen aus den vorherigen Kapiteln durch eine Modellierung der Wartezeiten bei der Bildung von Personenstaus ergänzt werden (Abschnitt 8.4.2 bis 8.4.4). Der Einfluss von Massnahmen wird in Abschnitt 8.4.5 kurz qualitativ diskutiert. Bei den Berechnungen in Abschnitt 8.4.6 war das Hauptziel die Modellierung des Personenrisikos nach derzeitiger Norm in Abhängigkeit von der Personenzahl. 8.4.1
Betrachtete Massnahmen und Szenarien Gemäss Brandschutzarbeitshilfe „Bauten und Räume mit grosser Personenbelegung“ (VKF (2003a)) gelten für Räume mit mehr als 100 Personen besondere Bestimmungen. Neben den normalen Personenschutz‐Anforderungen werden bei Räumen mit grosser Personenbelegung (bzw. bei Gebäuden, die solche Räume enthalten) noch zusätzliche Massnahmen gefordert: ‐
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Festlegung der Fluchtwegbreite abhängig von der Personenzahl Raum mit der höchsten Personenbelegung massgebend für die Fluchtwegbreite Mindestens zwei unabhängige Fluchtwege (ab 50 Personen 2 Raumausgänge) Sicherheitsbeleuchtung im Raum und im Fluchtweg Rauch‐Wärme‐Abzug im Raum (bis 1000 Personen pauschal 1% der Brandabschnittsfläche) Rauch‐Wärme‐Abzug im Treppenhaus, Überdruckbelüftung ab 3.6m Treppenbreite Raum mit hoher Personenbelegung als separater Brandabschnitt Erhöhte Anforderungen an den baulichen Brandschutz Erleichterungen durch Sprinkler nur bis 2 Geschosse Nutzung brennbarer Baustoffe beschränkt Brandverhütung: Kein offenes Feuer zulässig, Blitzschutzpflicht. Es lassen sich grob zwei Szenarien unterscheiden: Der Brand kann in einem Raum mit hoher Personenbelegung ausbrechen (hohe Personenbelegung im Brandraum), aber auch Personen in anderen Räumen gefährden (hohe Personenbelegung im Gebäude). Der im Folgenden vorgestellte Ansatz beschränkt sich auf das Szenario einer hohen Personenbelegung im Brandraum. Der Einfluss einzelner Massnahmen wird für dieses Szenario in Abschnitt 8.4.5 qualitativ diskutiert. Quantitative Ergebnisse für das Personenrisiko in Abhängigkeit der Personenzahl und der Raumgeometrie werden in Kapitel 8.4.6 vorgestellt. Von den oben genannten Massnahmen werden in den Berechnungen nur die Festlegungen zur Fluchtwegbreite berücksichtigt. 8.4.2
Neue Aspekte bei der Modellierung der RSET für Räume mit hoher Personenbelegung In den bisherigen Betrachtungen wurde davon ausgegangen, dass sich die Gebäudenutzer während einer Evakuierung nicht gegenseitig behindern. Die Voraussetzung ist eine geringe Personendichte (Anzahl Personen pro m2), vgl. Anhang B.1.3. Bei Räumen mit grosser Personenbelegung ist diese Voraussetzung nicht erfüllt. Wenn viele Personen gleichzeitig einen Raum oder ein Gebäude verlassen, kommt es zur Staubildung an Engpässen wie Türen oder Treppen. Bei der Berechnung der Fluchtdauer müssen daher zusätzlich zur reinen Gehzeit auch Wartezeiten berücksichtigt werden. Die Berechnung des Personenrisikos kann weiterhin basierend auf dem ASET/RSET Ansatz durchgeführt werden. Für Räume mit hoher Personenbelegung ist jedoch eine nichtlineare 114 Kapitel 8 ‐ Personenschutzanforderungen (Fallstudie IV) Abhängigkeit des Personenrisikos von der Personenzahl zu erwarten. Es genügt daher nicht, eine einzelne Person zu betrachten. Stattdessen muss für die Risikoberechnung das Verhalten einer Personengruppe, z.B. aller Personen in einem Raum, modelliert werden. Hierfür müssen zwei unterschiedliche Prozesse betrachtet werden: Der Start der Evakuierung bis zur Staubildung an einem Engpass (z.B. dem Ausgang aus einem Brandraum) und der „Durchfluss“ eines Personenstroms durch den Engpass bis zur Auflösung des Staus am Ende der Evakuierung. Der Zeitpunkt der Staubildung ergibt sich aus der Durchflusskapazität der Engstelle und der Verteilung der Ankunftszeiten der einzelnen Personen am Engpass. Eine Staubildung wird begünstigt, wenn sich alle Personen etwa gleichzeitig zur Flucht entscheiden. Der zweite Prozess beschreibt, wie viele Personen pro Zeiteinheit durch einen Engpass mit einer bestimmten Breite „hindurchströmen“ können. Für die Modellierung dieses „Personenstroms“ können zwei verschiedene Ansätze verwendet werden: ‐
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Hydraulische Berechnungen betrachten keine Einzelpersonen, sondern den Personenstrom als Ganzes. Die Berechnungen basieren auf einfachen hydraulischen Gesetzen kombiniert mit empirischen Regeln, die auf Basis von Evakuierungsexperimenten bestimmt wurden. Individualmodelle modellieren explizit das Verhalten von Einzelpersonen in einem Personenstrom basierend auf bestimmten Regeln, z.B. bezüglich der Abstände, die zu anderen Personen eingehalten werden. Moderne Evakuierungssoftware basiert häufig auf Individualmodellen. Mit ihrer Hilfe können auch komplexe Grundrisse und Probleme betrachtet werden, was insbesondere bei der Beurteilung von Sonderbauten wichtig ist. Die Modelle erfordern jedoch viele Annahmen zum Verhalten der Personen, weswegen die Ergebnisse je nach Programm oder vom Nutzer getroffenen Annahmen variieren können, siehe z.B. Kersken‐Bradley (2011) oder Forell et al. (2011). Die in den folgenden Kapiteln vorgestellten Berechnungen beziehen sich auf ein sehr einfaches Szenario: Die Entfluchtung eines Raumes mit hoher Personenbelegung durch einen oder mehrere Ausgänge mit definierter Breite. Da ohnehin keine exakt definierte Raumgeometrie betrachtet werden soll, bietet sich die Anwendung des hydraulischen Modells an. Der Vorteil gegenüber den Individualmodellen ist, dass die Annahmen hinter den hydraulischen Berechnungen bereits sehr gut verstanden sind (siehe zum Beispiel Proulx (2002)), was die Diskussion der Ergebnisse erleichtert. Das hydraulische Modell ermöglicht allerdings lediglich eine Berechnung der „Durchströmzeit“ einer Personengruppe durch einen Engpass (Abschnitt 8.4.3). Zusätzliche Annahmen zur Anfangsphase der Evakuierung (d.h. bis zum Zeitpunkt der Staubildung) werden in Abschnitt 8.4.4 diskutiert. 8.4.3
Modellierung von Personenströmen durch einen Engpass In den folgenden Abschnitten wird die Modellierung von Personenströmen durch eine Engstelle mit dem hydraulischen Modell erläutert. Nach einer kurzen Einführung in die Grundlagen der Personenstromanalyse (Abschnitt 8.4.3.1) wird die angenommene lineare Abhängigkeit des Personenstroms von der Ausgangsbreite kritisch diskutiert (Abschnitt 8.4.3.2). Schliesslich wird das hydraulische Modell für die Berechnung der Abhängigkeit der totalen Durchströmzeit von der Personenzahl für Ausgangsbreiten nach Schweizer Vorschriften verwendet (Abschnitt 8.4.3.3). 115 Wirtschaftliche Optimierung im vorbeugenden Brandschutz 8.4.3.1
Modellierung von Personenströmen mit dem hydraulischen Modell Die Modellierung von Personenströmen durch eine Engstelle mit dem hydraulischen Modell basiert auf einer einfachen Analogie: So wie die Wassermenge, die durch einen Rohrquerschnitt fliesst, mit der Querschnittsfläche zunimmt, wird auch der „Personenstrom“ durch einen Engpass von dessen Breite bestimmt. Der Zusammenhang wird mit der folgenden Gleichung beschrieben: Qw  q  w  v    w
(8.7)
Die wichtigsten Variablen für die Berechnung von Personenströmen (Gleichung (8.7) und folgende) sind in Tabelle 8.4 zusammengefasst: Variable Einheit Bezeichnung
NP Pers. Personenzahl
TQ sek Totale Durchströmzeit einer Personengruppe durch eine Engstelle Qw Pers. / sek Personenstrom durch eine Engstelle mit Weite w q Pers. / (sek  m) Spezifischer Personenstrom pro m Weite w m v m / sek  Weite der Engstelle Personenstrom‐Geschwindigkeit in der Engstelle 2
Pers. / m Personendichte in der Engstelle Tabelle 8.4: Für die hydraulischen Berechnungen verwendete Variablen‐Bezeichnungen. Die Personenstrom‐Geschwindigkeit wird in Abhängigkeit von der Personendichte berechnet. Die „unbehinderte“ Gehgeschwindigkeit kann nur bei geringer Personendichte bis etwa 0.5 Pers./m2 erreicht werden. Danach nimmt die Geschwindigkeit mit der Personendichte kontinuierlich ab, bis der Personenstrom bei sehr hohen Dichten zum Stillstand kommt. In der Literatur finden sich verschiedene empirische Modelle für die Abhängigkeit der Geschwindigkeit eines Personenstroms von der Dichte, siehe zum Beispiel Weidmann (1993) und Daamen (2004). In so genannten „Kapazitätsberechnungen“ wird häufig davon ausgegangen, dass der Personenstrom unter optimalen Bedingungen bezüglich der Personendichte stattfindet. Diese Annahme muss in der Realität nicht erfüllt sein, vgl. Proulx (2002). Um kritische Annahmen zur Personenstromdichte zu vermeiden, werden die Berechnungen im Folgenden direkt mit dem spezifischen Personenstrom q durchgeführt, dessen Verteilung auf Basis von Daten aus Evakuierungsversuchen von Pauls (1980) wie folgt festgelegt wird: q ~ Normal    0.94,   0.13  Pers. / ( sek  m)
(8.8)
Anstelle der lichten Weite w in Gleichung (8.7) verwendet Pauls das Konzept der effektiven Weite zur Berücksichtigung des seitlichen Abstandes, den Menschen beim Gehen zur Wand eines Korridors oder einer Treppe einhalten. Der Personenstrom berechnet sich dann wie folgt: Qw  q  ( w  2 d  n )
(8.9)
116 Kapitel 8 ‐ Personenschutzanforderungen (Fallstudie IV) Für Treppen kann ein Abstand d von 15cm pro Seite angenommen werden, vgl. Nelson & Mowrer (2002). n bezeichnet die Anzahl der Ausgänge, auf die sich die Gesamt‐Ausgangsbreite w aufteilt. Die Daten von Pauls beziehen sich auf Personenströme unter Staubedingungen auf Treppen (treppabwärts). Der Durchfluss durch Türen und Korridore ist generell höher. Da die Mindestbreiten nach VKF (2003c) auf der gesamten Länge des Fluchtweges gelten, kann jedoch vereinfacht auch mit den Werten für Treppen gerechnet werden. Für einen Raum im Obergeschoss entspricht dies der Annahme, dass es zu einem Rückstau von der Treppe bis zum Ausgang des Raumes kommt. Ist der Personenstrom Q w durch einen Ausgang bekannt, kann die totale Durchströmzeit TQ für eine Personengruppe aus N P Personen berechnet werden: TQ  N P / Q w
(8.10)
Weil es zu Beginn der Evakuierung nicht sofort zu einer Staubildung am Ausgang kommt, ist die totale Evakuierungszeit eines Raumes stets grösser als TQ . Der Prozess der Staubildung und die Verzögerungen zu Beginn der Evakuierung werden in Abschnitt 8.4.4 diskutiert. 8.4.3.2
Lineare Abhängigkeit des Personenstroms von der Ausgangsbreite Die lineare Abhängigkeit des Personenstroms Q w von der Fluchtwegbreite w ist eine Annahme des hydraulischen Modells. Die Schweizer Brandschutzrichtlinie „Flucht‐ und Rettungswege“ (VKF (2003c)) verfolgt einen anderen Ansatz: Die erforderliche Fluchtwegbreite wird ab 200 Personen nicht kontinuierlich, sondern stufenweise mit der Personenzahl erhöht. Die Grundlage für diese Festlegung ist die Annahme, dass pro Person etwa 60cm Ausgangsbreite benötigt werden (basierend auf einer Schulterbreite von durchschnittlich etwa 45cm zuzüglich einer seitlichen Schwankung). Überspitzt formuliert wird angenommen, dass von 60cm bis 1.19m nur eine Person gleichzeitig durch eine Tür oder einen Ausgang gehen kann, von 1.20m bis 1.79m genau zwei Personen usw. (siehe auch die Begründung zur deutschen Muster‐Versammlungsstättenverordnung, ARGEBAU (2005a)). Die Ursprünge des 60cm‐Stufenmodells gehen zurück bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts, eine wissenschaftliche Grundlage für das Modell ist jedoch nicht bekannt, vgl. Pauls et al. (2005). Die empirische Forschung der letzten Jahrzehnte unterstützt die Annahmen des hydraulischen Modells: Der Personenstrom durch eine Engstelle zeigt näherungsweise eine lineare, in jedem Fall aber kontinuierliche Abhängigkeit von der Breite w der Engstelle. In Versuchen konnte zwar das diskrete Phänomen der sogenannten „lane formation“ (Schlangenbildung) beobachtet werden, das manchmal als Erklärung für das Stufenmodell verwendet wird. Allerdings bilden sich bereits bei Ausgangsbreiten von weniger als 1.20m zwei Schlangen, weil die Personen versetzt in die Engstelle hineingehen (Reissverschluss‐Prinzip). Der Personenstrom nimmt auch dann zu, wenn die Anzahl der Schlangen, die sich in einer Engstelle bilden, bei einer kleinen Erhöhung der Ausgangsbreite unverändert bleibt. Der Grund ist, dass die Personen umso schneller hintereinander in die Engstelle hineingehen, je mehr Platz ihnen seitlich zur Verfügung steht. Eine sehr anschauliche Diskussion der relevanten Selbstorganisations‐Phänomene ist in Seyfried et al. (2009) gegeben. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die lineare Abhängigkeit des Personenstroms von der Durchgangsbreite w durch empirische Forschung gestützt ist. Eine Erhöhung der Mindest‐
Fluchtwegbreite in Stufen von 60cm ist wissenschaftlich nicht begründbar. Im unteren Bereich (z.B. 117 Wirtschaftliche Optimierung im vorbeugenden Brandschutz bis 200 Personen nach VKF (2003c)) sind Stufen in den Fluchtweg‐Anforderungen sinnvoll, wenn sie durch eine Mindestbreite pro Ausgang begründet werden. Eine Mindest‐Fluchtwegbreite von 1.20m oder sogar mehr ist erforderlich, wenn Überholmanöver oder Gegenstrombewegungen (z.B. bei einem Feuerwehreinsatz) ermöglicht werden sollen, siehe Pauls, Fruin et al. (2005). 8.4.3.3
Berechnung der totalen Durchströmzeit für Fluchtwegbreiten nach VKF‐Richtlinie Berechnet man mit Gleichung (8.9) und (8.10) die totale Durchströmzeit in Abhängigkeit der totalen Fluchtwegbreite w , so bekommt man für jede Personenzahl N P eine eigene Kurve, siehe Abbildung 8.13 (links). Die Berechnungen basieren auf einem festen Wert für den spezifischen Personenstrom q (Treppen‐Kapazität nach SFPE‐Handbook, Nelson & Mowrer (2002)). Zwischen den Kurven für 100 und 200 Personen gibt es einen grösseren Abstand, der sich aus der Forderung nach zwei Treppenhäusern ab 100 Personen ergibt. Nach dem Konzept der effektiven Weite (Gleichung (8.9)) bleiben 30cm pro Treppenhaus ungenutzt, da die Personen nicht direkt an der Wand entlanglaufen. Der positive Effekt zweier unabhängiger Fluchtrichtungen ist hier nicht berücksichtigt. Abbildung 8.13: Durchströmzeit TQ in Abhängigkeit der Fluchtwegbreite w (links, Fluchtweg treppabwärts) sowie der Personenzahl N P (rechts, unter Verwendung der Mindest‐
Fluchtwegbreiten nach VKF (2003c)) auf Basis von Berechnungen mit dem hydraulischen Modell und Annahmen zur Kapazität von Treppen und Korridoren nach Nelson & Mowrer (2002). Mit den Mindest‐Fluchtwegbreiten nach VKF (2003c) lassen sich die totalen Durchströmzeiten für verschiedene Personenzahlen ablesen. Dies wird in der linken Grafik in Abbildung 8.13 durch die schwarzen Kreise verdeutlicht. Die rechte Grafik zeigt die Durchströmzeit in Abhängigkeit von der Personenzahl für die Mindest‐Fluchtwegbreiten nach VKF. Die „Sägezähne“ resultieren aus der Erhöhung der Fluchtwegbreite in 60cm‐Schritten. Für Räume im Erdgeschoss ergeben sich höhere Durchströmzeiten als für Räume im Obergeschoss. In der Berechnung der Durchströmzeit wird allerdings nur die Zeit betrachtet, die benötigt wird, bis eine bestimmte Personenzahl durch einen Engpass (z.B. die Tür) geströmt ist. Nicht berücksichtigt ist die Gehzeit im Fluchtweg, die natürlich bei der Flucht aus dem Obergeschoss höher ist als im Erdgeschoss. 118 Kapitel 8 ‐ Personenschutzanforderungen (Fallstudie IV) Auffällig ist, dass sich die Durchströmzeit für die Mindest‐Fluchtwegbreiten nach VKF (2003c) ab ca. 300 Personen auf einem näherungsweise konstanten Niveau einpendeln: Für Räume im Erdgeschoss liegt dieses in den Berechnungen nach SFPE‐Handbook (Nelson & Mowrer (2002)) bei etwa 2½ bis 3 Minuten, für Räume im Obergeschoss bei etwa 1½ Minuten (massgebend ist hier die Treppen‐
Durchflusskapazität, da es im Korridor zu einem Rückstau vom Treppenhaus kommen kann). Für Räume mit kleinerer Personenbelegung ergeben sich geringere Durchströmzeiten. 8.4.4
Modellierung der RSET für Räume mit grosser Personenbelegung Das in Abschnitt 8.4.3 vorgestellte hydraulische Modell beschränkt sich auf die Berechnung der reinen Durchströmzeit durch einen Ausgang. Zwei weitere Komponenten der totalen Evakuierungszeit werden hierbei vernachlässigt: Die Zeit von der Brandentstehung bis zur Staubildung am Ausgang und die Gehzeit im Fluchtweg. Auf eine Berechnung der Gehzeit im Fluchtweg (vom Raumausgang bis ins Freie) kann für das gewählte Szenario verzichtet werden: Da nur das Personenrisiko im Brandraum betrachtet wird, kann vereinfacht angenommen werden, dass sich die Personen in Sicherheit befinden, sobald sie den Brandraum verlassen haben. 8.4.4.1
Modellierung der Staubildung an den Ausgängen Wichtiger ist die Betrachtung der Zeit bis zur Staubildung. Hierbei spielt nicht nur die Durchström‐
Kapazität der Ausgänge eine Rolle, sondern auch die Ankunftszeit der einzelnen Personen an den Ausgängen. Die RSET einer Person ergibt sich durch eine Addition der drei RSET‐Komponenten Alarmierungszeit t A , Reaktionszeit t R und Fluchtdauer t F . Mit der Fluchtdauer wird allerdings nicht nur die reine Gehzeit bis zum Ausgang bezeichnet, sondern die Summe der Gehzeit tG und der Wartezeit tQ an der Tür: t RSET  t A  t R  t F  t A  t R  t G  t Q
(8.11)
Die Zusammensetzung der RSET ist für jede Person im Raum unterschiedlich: Je nach Alarmierungs‐ und Reaktionszeit und Entfernung zum Ausgang unterscheidet sich die Ankunftszeit der einzelnen Personen an der Tür sowie ihre Wartezeit am Ausgang. In Abbildung 8.14 ist dargestellt, wie der Zeitpunkt der Staubildung bestimmt werden kann. Hierzu wird zunächst die Verteilung der Ankunftszeit an der Tür ( t A  t R  tG ) bestimmt. Zur Staubildung kommt es, wenn die Anzahl Personen, die pro Zeitintervall an einem Ausgang ankommen, grösser ist als die Durchströmkapazität Q w des Ausgangs (Gleichung (8.9)). Ab dem Zeitpunkt der Staubildung bestimmt die Kapazität des Ausgangs, wie schnell die Personen den Raum verlassen können (gestrichelte Linie in Abbildung 8.14). Für die Staubildung ist vor allem die Ankunftszeit der ersten Personen bzw. Personengruppen an der Tür wichtig. Bei Personen, die erst spät mit der Flucht beginnen und/oder einen weiten Weg bis zur Tür haben, wird die RSET vor allem durch die Wartezeit an der Tür bestimmt. Eine Auflösung des Staus vor der vollständigen Evakuierung ist möglich, wenn nach der Staubildung wieder weniger Personen an den Türen ankommen, als die Durchlasskapazität der Ausgänge zulässt. Sobald eine grössere Gruppe von Personen an der Tür wartet, ist dies bei grossen Personendichten allerdings eher unwahrscheinlich, da sich die Personen gegenseitig bei ihrer Entscheidung zur Flucht beeinflussen. Bei der Evakuierung von Räumen und Gebäuden mit grosser Personenbelegung, bei denen die Ausgangskapazität ein kritischer Faktor ist, sieht die Verteilung der RSET daher meist der gestrichelten Linie in Abbildung 8.14 ähnlich, siehe z.B. Rinne et al. (2010). 119 Wirtschaftliche Optimierung im vorbeugenden Brandschutz Abbildung 8.14: Illustration zur Modellierung der Staubildung und der Wartezeiten am Ausgang bei der Evakuierung eines Raumes mit grosser Personenzahl. Die Verteilung der Ankunftszeit an der Tür kann theoretisch mit einem ähnlichen Vorgehen geschätzt werden wie bei der Berechnung der RSET für Räume mit geringer Personendichte (Abschnitt 8.2). Allerdings ist zu beachten, dass die Alarmierungs‐ und Reaktionszeiten von unterschiedlichen Personen im selben Raum nicht voneinander unabhängig sind. Das liegt zum einen daran, dass verschiedene wichtige Einflussgrössen für alle Personen gleich sind, z.B. die Art der Alarmierung, die Tageszeit und das Wetter. Ausserdem informieren sich die Personen gegenseitig und beeinflussen sich in ihren Entscheidungen, was den Ablauf der Evakuierung sowohl beschleunigen als auch verzögern kann, vgl. Nilsson & Johansson (2009). 8.4.4.2
Vereinfachtes bilineares Modell für die RSET in Räumen mit hoher Personenbelegung Die Datengrundlage zur Abschätzung der Alarmierungs‐ und Reaktionszeiten in Räumen mit grosser Personenbelegung ist schlecht. Daten aus Gebäuden mit geringerer Personendichte sind aufgrund der oben diskutierten Abhängigkeiten nicht direkt übertragbar. Um das Problem zu vereinfachen, wird im Folgenden auf eine explizite Modellierung der Ankunftszeit der einzelnen Personen an der Tür verzichtet. Stattdessen wird ein bilineares Modell gewählt, bei dem die Durchströmkapazität der Ausgänge sofort bei der ersten Person, die die Tür erreicht, massgebend wird. Dieses „bilineare Modell“ ist in Abbildung 8.15 dargestellt. Die Evakuierungszeit einer Personengruppe berechnet sich als die Summe der Durchströmzeit TQ nach Gleichung (8.9) und einer Verzögerung T0 . Für Räume mit hoher Personendichte, bei denen es relativ schnell zur Staubildung kommt, ist diese Vereinfachung nicht sehr unrealistisch, wie im Vergleich mit der gestrichelten schwarzen Linie erkennbar ist (Abbildung 8.15, links). Ohnehin ist der obere Bereich der RSET‐Verteilung (Personen, die erst spät den Raum verlassen können) wichtiger für die Berechnung des Personenrisikos. Mit dem bilinearen Modell lässt sich bestimmen, wie viele Personen sich zu einem bestimmten Zeitpunkt (z.B. für eine gegebene ASET im Brandraum) bereits in Sicherheit befinden. Dies ist auf der linken Seite von Abbildung 8.15 dargestellt. Sowohl der Personenstrom durch die Ausgänge, Q w , als auch die Verzögerung T0 müssen als Zufallsvariable modelliert werden. Die Unsicherheit bei der Berechnung der RSET werden umso grösser, je mehr Personen sich im Raum befinden, wie in der qualitativen Darstellung auf der rechten Seite von Abbildung 8.15 zu erkennen ist. 120 Kapitel 8 ‐ Personenschutzanforderungen (Fallstudie IV) Abbildung 8.15: Illustration des vereinfachten bilinearen Modells für die Verteilung der RSET bei hoher Personenbelegung im Brandraum. Das bilineare Modell für die RSET der Personen im Brandraum besticht vor allem durch seine Einfachheit. Die Komplexität realer Evakuierungsabläufe kann mit dem Modell natürlich nicht abgebildet werden. Die wichtigsten Annahmen werden in Anhang B.3 kurz zusammengefasst. Trotz der vielen Vereinfachungen kann das Modell aber bereits genutzt werden, um einzelne Massnahmen und die verschiedenen Einflüsse auf das Personenrisiko zumindest qualitativ zu diskutierten. 8.4.5
Einfluss von Massnahmen und Raumgeometrie Im oben beschrieben Modell wird lediglich das Szenario einer hohen Personenbelegung im Brandraum betrachtet. Der Einfluss einzelner Massnahmen und der Raumgeometrie wird im Folgenden kurz qualitativ diskutiert. Bei den quantitativen Berechnungen in Abschnitt 8.4.6 bleiben alle Massnahmen mit Ausnahme der Mindest‐Fluchtwegbreiten unberücksichtigt. 8.4.5.1
Fluchtweglänge und ‐breite Da der Personenstrom Q w direkt von der Fluchtwebreite abhängt (Gleichung (8.9)), ist diese vor allem bei grossen Personenmengen einer der wichtigsten Faktoren für die Bestimmung der RSET. Die Voraussetzung ist, dass es relativ früh im Verlaufe der Evakuierung zur Staubildung kommt, was aber bei hohen Personendichten mit gängiger Fluchtweggestaltung eigentlich immer der Fall sein sollte. Die maximale Länge des Fluchtweges bis zur ersten Engstelle (in der Regel die Fluchtweglänge im Raum bis zur Tür) hat keinen grossen Einfluss auf die gesamte Evakuierungszeit, solange man davon ausgehen kann, dass es relativ früh zu einem Stau an den Ausgängen kommt und sich dieser erst nach vollständiger Evakuierung des Raumes auflöst. Der Grund wurde in Abschnitt 8.4.4 gezeigt: Für den Zeitpunkt der Staubildung ist die Ankunftszeit der ersten Personen am Ausgang relevant. Dies werden in der Regel Personen sein, die sich bereits vor der Brandentstehung in der Nähe des Ausgangs befanden. Für Personen am anderen Ende des Raumes spielt die exakte Entfernung bis zum Ausgang keine grosse Rolle, da sie ohnehin an der Tür warten müssen. Kersken‐Bradley (2011) schlägt vor, dass ein verlängerter Fluchtweg im Raum durch grössere Fluchtwegbreiten kompensiert werden kann. Diese Vorgehensweise ist für alle Räume sinnvoll, bei denen die Staubildung am 121 Wirtschaftliche Optimierung im vorbeugenden Brandschutz Ausgang der kritische Faktor für die Evakuierung ist. Umgekehrt können zu schmale Fluchtwege jedoch nicht mit kürzeren Fluchtweglängen kompensiert werden. Der Fluchtweg nach der ersten Engstelle wurde bei der Berechnung der RSET (Abschnitt 8.4.4) nicht berücksichtigt. Hier ist zu beachten, dass die Gehgeschwindigkeit der Personen mit zunehmender Personendichte abnimmt, da sich die Personen nicht mehr frei bewegen können. Der Einfluss der Gesamt‐Fluchtweglänge ist daher bei hoher Personenbelegung grösser als bei den in Kapitel 8.3 betrachteten Gebäuden mit geringer Personendichte. 8.4.5.2
Zweiter Fluchtweg Der positive Einfluss eines zweiten Fluchtweges lässt sich, zumindest qualitativ, relativ einfach mit dem bilinearen Modell erklären. Ein blockierter Fluchtweg ist im Brandfall tödlich, wenn es sich um den einzigen Fluchtweg handelt: Eine Flucht wird unmöglich und solange kein anderer Fluchtweg gefunden werden kann (z.B. durch Fenster), ist das Personenrisiko im Raum unabhängig von der ASET extrem hoch. Ist dagegen nur einer von mehreren Fluchtwegen blockiert, wird lediglich der Personenstrom Q w reduziert. Ist die ASET ausreichend lang, können sich die Personen immer noch über den verbleibenden Fluchtweg in Sicherheit bringen. Selbst bei schneller Brandentwicklung (kurzer ASET) wird es zu deutlich weniger Toten kommen als im selben Szenario mit nur einem einzigen, blockierten Fluchtweg. Ein Vergleich der beiden Fälle ist in Abbildung 8.16 dargestellt. Abbildung 8.16: Einfluss einer Fluchtweg‐Blockade im Brandfall (links: einziger Fluchtweg blockiert; rechts: zweiter Fluchtwege blockiert). In der Praxis sind verschlossene Türen oder ähnliche Ursachen der häufigste Grund für blockierte Fluchtwege. Die Wahrscheinlichkeit einer Fluchtweg‐Blockade ist daher für den zweiten Fluchtweg höher als für den einzigen Ein‐ und Ausgang eines Raumes. Es sind jedoch auch andere Gründe für blockierte Fluchtwege denkbar, z.B. ein Brand im Korridor oder Treppenhaus oder Beschädigungen durch eine Explosion oder ein Erdbeben. Denkbar sind auch Szenarien, in denen es gar nicht brennt, z.B. Anschläge oder Amokläufe. Ein Rauch‐Wärme‐Abzug oder eine Überdruckbelüftung im Fluchtweg kann die Wahrscheinlichkeit einer Fluchtweg‐Blockade durch Verrauchung zwar reduzieren, ist aber wirkungslos in anderen Szenarien. 122 Kapitel 8 ‐ Personenschutzanforderungen (Fallstudie IV) 8.4.5.3
Rauch‐Wärme‐Abzug Der Einfluss eines Rauchabzugs in Räumen mit grosser Personenbelegung ist ebenfalls klar ersichtlich: Durch eine Verlängerung der verfügbaren Zeit ASET steigt im Brandfall die Wahrscheinlichkeit, dass alle Personen den Raum sicher verlassen können. Die Voraussetzung ist eine frühzeitige (d.h. automatische) Aktivierung des Rauchabzugs. Die Rauchfreihaltung von Fluchtwegen (Rauch‐Wärme‐Abzug oder Überdruckbelüftung) verlängert die verfügbare Zeit zum sicheren Verlassen des Gebäudes. Zudem wird die Wahrscheinlichkeit einer Fluchtwegblockade reduziert (siehe oben). Ein weiterer positiver Effekt ist die Erleichterung der Arbeit der Rettungskräfte. 8.4.5.4
Einfluss der Raumgeometrie In Abschnitt 8.2.4 wurde die Verteilung der ASET für verschiedene Raumflächen gezeigt (Abbildung 8.3). Die Raumhöhe hat einen ähnlichen Einfluss. Abbildung 8.17 illustriert das Kriterium zur Bestimmung der verfügbaren Zeit ASET über die Höhe der raucharmen Schicht im 2‐Zonen‐Modell. Die heissen Rauchgase sammeln sich an der Decke des Raumes. Die Gefährdung der Personen im Raum hängt in der Modellierung der ASET von der Höhe der raucharmen unteren Schicht ab. Bei gleicher Brandentwicklung wird der kritische Wert (z.B. 1.60m bei Magnusson, Frantzich et al. (1995)) umso früher erreicht, je kleiner das Raumvolumen ist. Unberücksichtigt bleiben hierbei Effekte, die von der Zusammensetzung, Dichte, Dicke und Temperatur der Rauchgasschicht abhängen, zum Beispiel die Einwirkung durch Hitzestrahlung, die von den heissen Rauchgasen ausgeht. Abbildung 8.17: Illustration der rauchfreien Schicht für rechteckige Räume. In den Schweizer Vorschriften für Räume mit hoher Personenbelegung (VKF (2003a)) werden die geforderten Massnahmen nur in Abhängigkeit von der Personenzahl bestimmt. Abhängig von der Raumhöhe und der Raumfläche bzw. der Personendichte kann die Verteilung der ASET bei gleicher Personenzahl jedoch stark variieren. 8.4.6
Berechnung des Personenrisikos bei hoher Personenbelegung im Brandraum Das in Abschnitt 8.4.4 vorgestellte bilineare Modell zur Modellierung der Evakuierungszeit RSET kann zusammen mit einer Verteilung der verfügbaren Zeit ASET verwendet werden, um das Personenrisiko bei hoher Personenbelegung im Brandraum zu berechnen. Schwierig gestaltet sich hier allerdings die Quantifizierung der für das Modell benötigten Eingabeparameter. Relativ gut erforscht ist die Berechnung der Durchströmkapazität der Ausgänge (Abschnitt 8.4.3). Für die Annahmen zum zeitlichen Verlauf zu Beginn der Evakuierung gibt es in der Literatur jedoch kaum quantitative Grundlagen. Auch die Festlegung einer Verteilung für die ASET bzw. für den Fire Growth Parameter  ist schwierig, da je nach Nutzung der Räume Brände mit einer sehr unterschiedlichen Verteilung der Brandentwicklungsgeschwindigkeit zu erwarten sind. 123 Wirtschaftliche Optimierung im vorbeugenden Brandschutz 8.4.6.1
Quantitative Annahmen für die Berechnung des Personenrisikos Die in Tabelle 8.5 zusammengefassten quantitativen Annahmen für die Berechnung des Personenrisikos in Räumen mit hoher Personenbelegung wurden auf ähnlicher Grundlage wie die Annahmen für Räume mit geringer Personendichte (Kapitel 8.2) festgelegt. Sie sollten lediglich als grobe Schätzwerte betrachtet werden. Modellparameter Verteilungsannahmen, Grundlage Evakuierungszeit RSET: Berechnung mit dem bilinearen Modell, Abschnitt 8.4.4 Verzögerung der Evakuierung T0 [sek] Lognormal   3.0 ,   0.2 (Mittelwert: 20sek) Spezifischer Personenstrom q [P./sek/m] Normal   0.94 ,   0.13 (Gleichung (8.8)) Verfügbare Zeit ASET: Berechnung mit der Antwortfläche in Gleichung (8.3) Fire Growth Parameter  [kW/sek2] Lognormal   6.48 ,   2.04 (Holborn, Nolan et al. (2004), alle Gebäude ohne Wohngebäude) Tabelle 8.5: Quantitative Annahmen für die Berechnung des Personenrisikos in Räumen mit hoher Personenbelegung (Schätzwerte). Das auf Basis der Annahmen in Tabelle 8.5 berechnete Personenrisiko ist unrealistisch hoch. Zwar liegen die Ergebnisse für die Wahrscheinlichkeit eines Personenschadens (mindestens eine Person) in etwa in einer ähnlichen Grössenordnung wie die Ergebnisse einer Studie von Forell (2007) zur Personensicherheit nach der deutschen Muster‐Versammlungsstättenverordnung (ARGEBAU (2005b)). Zu beurteilen ist jedoch nicht nur die Wahrscheinlichkeit eines personengefährdenden Brandes, sondern auch die Anzahl der betroffenen Personen. So sollte zum Beispiel die Wahrscheinlichkeit, dass bei offenen Türen alle Personen in einem Raum durch einen Brand zu Tode kommen, in der Realität unabhängig vom Brandverlauf vernachlässigbar klein sein. In den Berechnungen ist dies nicht der Fall, was auf eine Überschätzung des Personenrisikos schliessen lässt. Die Gründe für diese Überschätzung sind in den quantitativen Annahmen für die Berechnungen zu suchen. So beruht zum Beispiel die Modellierung der ASET auf eher konservativen Annahmen, vgl. Anhang B.2. Zudem wurde die Zeit T0 bis zum Start der Evakuierung unabhängig von der Brandentwicklungsgeschwindigkeit modelliert, was ebenfalls zu einem höheren Personenrisiko führt. Andererseits sind auch Aspekte in der Berechnung der RSET unberücksichtigt geblieben, die das Risiko erhöhen, zum Beispiel die Möglichkeit eines blockierten Fluchtweges (vgl. Anhang B.3). 8.4.6.2
Ergebnisse der Berechnung für eine hohe Personenbelegung im Brandraum Trotz des unrealistisch hohen absoluten Niveaus des berechneten Personenrisikos können die Ergebnisse zumindest für einen qualitativen relativen Vergleich des Personenrisikos verwendet werden. Die untersuchten Einflussgrössen sind die Personenzahl im Raum, die Raumhöhe und die Personendichte bzw. Grundfläche des Raumes. Abbildung 8.18 zeigt das berechnete Personenrisiko im Brandfall abhängig von der Personenzahl. Das betrachtete Szenario ist das einer hohen Personenbelegung im Brandraum. Von den in Abschnitt 124 Kapitel 8 ‐ Personenschutzanforderungen (Fallstudie IV) 8.4.1 genannten Massnahmen für Räume mit mehr als 100 Personen wurde in der Berechnung nur die Festlegung der Mindest‐Fluchtwegbreite nach VKF (2003c) berücksichtigt. Die linke Grafik zeigt die Ergebnisse für unterschiedliche Raumhöhen bei konstanter Personendichte. Rechts ist das Risiko für unterschiedliche Personendichten bei konstanter Raumhöhe dargestellt. Der qualitative Einfluss der Raumgeometrie (Abschnitt 8.4.5) ist deutlich zu erkennen: Mit steigendem Raumvolumen (grosse Raumhöhe und niedrige Personendichte) sinkt bei gleicher Personenzahl das Risiko. Abbildung 8.18: Personenrisiko im Brandfall für verschiedene Raumhöhen (links) und verschiedene Raumflächen bzw. Personendichten (rechts) bei hoher Personenbelegung im Brandraum. Simulationen auf Basis der Annahmen in Tabelle 8.5. Die „Sägezähne“ in Abbildung 8.18 erklären sich durch die stufenweise Anhebung der geforderten Ausgangsbreiten mit der Personenzahl. Etwas überraschend ist, dass in Räumen mit 240 Personen das Personenrisiko am höchsten ist. Dies lässt sich jedoch ebenfalls mit den geforderten Ausgangsbreite erklären: Ab 200 Personen wird bei einer Verdopplung der Personenzahl eine Verdopplung der Ausgangsbreite gefordert. Die totale Evakuierungszeit für alle Personen bleibt daher bei steigenden Personenzahlen in etwa konstant (siehe auch die Berechnungen zur Durchströmzeit, Abbildung 8.13). Gleichzeitig wird die verfügbare Zeit ASET länger, wenn die Raumgrösse mit der Personenzahl steigt. Bei konstanter Personendichte muss also das Personenrisiko mit der Personenzahl sinken. Anders verhält es sich, wenn zwar die Personenzahl, nicht aber die Raumgrösse zunimmt (höhere Personendichte). In Abbildung 8.18 ist nicht berücksichtigt, dass die Wahrscheinlichkeit eines Brandeintritts mit der Raumgrösse zunimmt. Für Abbildung 8.19 wurde das Personenrisiko im Brandfall mit einer angenommenen jährlichen Brandeintritts‐Wahrscheinlichkeit multipliziert. Es wurde vereinfachend eine lineare Abhängigkeit der Brandhäufigkeit von der Raumgrösse angenommen. In Kapitel 3.3.4 wurde gezeigt, dass die Anwesenheit von Personen eine wichtige Rolle bei der Entstehung von Bränden spielt. Geht man von einer linearen Abhängigkeit der Brandhäufigkeit von der Personenzahl aus, ändert sich die Form der Kurven nicht, der Einfluss der Personendichte auf das Personenrisiko wird aber grösser. 125 Wirtschaftliche Optimierung im vorbeugenden Brandschutz Abbildung 8.19: Jährliches Personenrisiko für verschiedene Raumhöhen (links) und verschiedene Raumflächen bzw. Personendichten (rechts) in Räumen mit hoher Personenbelegung unter Annahme einer jährlichen Brandhäufigkeit von 10‐5/m2. Simulationen auf Basis von Tabelle 8.5. 8.4.7
Diskussion der Ergebnisse für Räume mit hoher Personenbelegung Wie bereits in Abschnitt 8.4.6 diskutiert, sind die in dieser Fallstudie vorgestellten Ergebnisse in Bezug auf das absolute Niveau des berechneten Personenrisikos nicht aussagekräftig. Dennoch lassen sich bereits einige einfache Aussagen aus den Ergebnissen ableiten. Auf eine Diskussion der getroffenen Annahmen (siehe Anhang B.2 für die ASET und Anhang B.3 für die RSET) wird hier verzichtet, da die Ergebnisse lediglich qualitativ interpretiert werden. In Bezug auf die Abhängigkeit des (jährlichen) Personenrisikos von der Personenzahl wird vor allem deutlich, dass das Risiko etwa zwischen 100 und 200 Personen stark ansteigt. Besonders hoch ist das Personenrisiko in Räumen mit etwas mehr als 200 Personen (z.B. 240 für Räume im Obergeschoss). Die Ursache hierfür sind die Festlegungen zur Mindest‐Fluchtwegbreite, die als einzige der geforderten Massnahmen in den Berechnungen berücksichtigt wurde (vgl. Diskussion zu Abbildung 8.18). Die Forderung nach zusätzlichen Massnahmen für Räume mit mehr als 100 Personen ist somit konsistent zu den Fluchtweganforderungen nach VKF (2003c). Ohne Änderung der geforderten Fluchtwegbreiten könnte allenfalls zwischen 100 und 200 Personen eine Staffelung der zusätzlichen Anforderungen gerechtfertigt werden. Neben der Abhängigkeit von der Personenzahl zeigen die Berechnungen einen starken Einfluss der Raumhöhe und der Raumfläche (bzw. der Personendichte). Die Raumgeometrie spielt in den derzeitigen Schweizer Vorschriften keine Rolle für die Festlegung der geforderten Massnahmen. Die Ergebnisse zeigen jedoch, dass das Personenrisiko in unterschiedlichen Räumen bei gleicher Personenbelegung stark variieren kann. Hier besteht Optimierungspotenzial durch eine Differenzierung der Vorschriften in Abhängigkeit von der Raumgeometrie. Relativ einfach begründen liessen sich zum Beispiel längere Fluchtweglängen im Raum bei sehr hohen Räumen wie in der deutschen Muster‐Versammlungsstättenverordnung (ARGEBAU (2005b)): Gerade bei hohen Personendichten wird ein längerer Fluchtweg bis zum Ausgang ohnehin keinen 126 Kapitel 8 ‐ Personenschutzanforderungen (Fallstudie IV) grossen Einfluss haben, da hier für die Berechnung der Fluchtdauer vor allem die Staubildung an den Ausgängen massgebend ist. Auch eine Abwägung zwischen Raumhöhe und Rauch‐Wärme‐Abzug wäre denkbar, erfordert jedoch eine detailliertere Modellierung der verfügbaren Zeit ASET. Die Personendichte wird in der Regel primär durch die Nutzung eines Raumes bestimmt. Hier ist zu beachten, dass sich unterschiedliche Nutzungen auch in Bezug auf die Brandgefahr unterscheiden können (Brandhäufigkeit und/oder Geschwindigkeit der Brandentwicklung). Bei den Berechnungen in Abschnitt 8.4.6 wurde angenommen, dass sich die Räume nur in Bezug auf die Personendichte unterscheiden, während alle anderen Parameter gleich bleiben. In der Realität können aber auch Räume mit relativ niedriger Personendichte ein erhöhtes Risiko aufweisen, zum Beispiel wenn mit starker Rauchentwicklung oder langen Reaktionszeiten der Gebäudenutzer zu rechnen ist. Eine qualitative Diskussion einzelner Massnahmen ist in Abschnitt 8.4.5 gegeben. Da in der vorliegenden Fallstudie lediglich das Szenario einer erhöhten Personenbelegung im Brandraum betrachtet wurde, ist eine Diskussion von Massnahmen zur Erhöhung der Personensicherheit im ganzen Gebäude nicht möglich. Einzelne Massnahmen lassen sich jedoch ähnlich betrachten wie ihr jeweiliges Pendant im Brandraum, z.B. die Forderungen nach einem zweiten Fluchtweg bzw. Massnahmen, die die Wahrscheinlichkeit einer Fluchtwegblockade reduzieren. Auffällig ist lediglich die Regelung, dass die Fluchtwegbreite im Treppenhaus eines Gebäudes anhand des Raumes mit der höchsten Personenbelegung festgelegt werden darf. Teilen sich mehrere Räume mit hoher Personenbelegung denselben Fluchtweg, entspricht diese Regelung implizit der Annahme, dass die Räume im Brandfall nicht gleichzeitig, sondern nacheinander evakuiert werden. In der Realität wird dies in der Regel nicht der Fall sein, so dass es zu einem Rückstau aus dem Treppenhaus in die einzelnen Räume kommen kann. Eine gemeinsame (wenn auch abgeminderte) Berücksichtigung der Personenströme aus unterschiedlichen Räumen ist deswegen sinnvoll. 127 Kapitel 9 ‐ Zusammenfassung und Ausblick 9
9.1
Zusammenfassung und Ausblick Zusammenfassung der Arbeit Ziel des Forschungsprojektes „Wirtschaftliche Optimierung im vorbeugenden Brandschutz“ war die Erarbeitung von Entscheidungsgrundlagen für eine Verbesserung der Wirtschaftlichkeit der VKF‐
Brandschutzvorschriften. Hierzu wurden zunächst die wichtigsten Grundlagen der risikobasierte Entscheidungsfindung diskutiert (Kapitel 2). Die optimale Entscheidung minimiert die Summe aller mit dem Brandschutz verbundenen Kosten. Die Kosten für Brandschutzmassnahmen müssen daher mit der durch sie erzielten Schaden‐ bzw. Risikoreduktion verglichen werden. Auch die gesellschaftlichen Investitionen in den Personenschutz sollten auf Basis von Effizienzbetrachtungen optimiert werden. Die Grenzkosten der Risikoreduktion werden hierzu mit der gesellschaftlichen Zahlungsbereitschaft für die Rettung eines zusätzlichen Menschenlebens verglichen, die mit Hilfe des Life Quality Index (LQI) von Nathwani, Lind et al. (1997) quantifiziert werden kann. Nur effiziente Personenschutzmassnahmen sollten im Rahmen einer gesetzlichen Regelung gefordert werden. Durch zu hohe Investitionen in Brandschutzmassnahmen werden sonst Mittel gebunden, die in anderen Bereichen besser für die die Rettung von Menschenleben eingesetzt werden könnten. Ein wichtiger Bestandteil der Projektarbeit war eine umfassende Analyse der von den Kantonalen Gebäudeversicherungen (KGV) zur Verfügung gestellten Schweizer Schaden‐ und Portfoliodaten. In einer explorativen Datenanalyse wurde zunächst der Einfluss der wichtigsten Gebäudeeigenschaften auf die Schadenhäufigkeit sowie die Sach‐ und Personenschäden im Brandfall untersucht. Die wichtigsten Ergebnisse sind in Kapitel 3 zusammengefasst. Ebenfalls in diesem Kapitel sind auch Ansätze zur Modellierung des Brandrisikos auf Datenbasis beschrieben. Durch die Arbeit mit den Schweizer Versicherungsdaten konnten die Möglichkeiten und Grenzen einer Beurteilung der Wirtschaftlichkeit von Brandschutzmassnahmen auf Datenbasis aufgezeigt werden. Weil die Daten keine Informationen zu Brandschutzmassnahmen enthalten, beschränkt sich die Anwendbarkeit der Daten im Rahmen einer wirtschaftlichen Optimierung auf einfache Abschätzungen sowie ggf. auf eine Kalibrierung oder Validierung von Ingenieurmodellen. Die Aufnahme von weiteren Informationen in die Schadenstatistik, insbesondere zu Brandschutzmassnahmen und zur Brandentwicklung, ist daher die wichtigste Empfehlung für die zukünftige Datenerfassung bei den KGV. Auch die heute verfügbaren Daten enthalten aber bereits wertvolle Informationen, vor allem zum derzeitigen Niveau des Brandrisikos im Gebäudeportfolio. Der dritte Teil dieses Berichts beschreibt die im Rahmen der Forschungsarbeit bearbeiteten Fallstudien zur wirtschaftlichen Optimierung im vorbeugenden Brandschutz. Die wichtigsten Ergebnisse der einzelnen Fallstudien sind in Kapitel 4 zusammengefasst, das genaue Vorgehen und die getroffenen Annahmen wurden in Kapitel 5 bis 8 beschrieben. In der ersten Fallstudie wurde mit einem vereinfachten Ansatz auf Datenbasis die Wirtschaftlichkeit zweier Brandabschnitte in Einfamilienhäusern untersucht. Relativ eindeutig waren die Ergebnisse für die Wirtschaftlichkeit eines eigenen Brandabschnittes für den Heizungsraum in Einfamilienhäusern: Schon die Kosten einer EI30‐Brandschutztür können durch die Reduktion der Sachschäden im Brandfall nicht gerechtfertigt werden. Der Hauptgrund hierfür ist die geringe Häufigkeit von Bränden an Zentralheizungen. Eine Differenzierung nach Heizungstypen war mit den vorliegenden Daten nicht möglich. Für Heizungsarten mit überdurchschnittlich hoher Brandhäufigkeit kann der Brandabschnitt 129 Wirtschaftliche Optimierung im vorbeugenden Brandschutz „Heizungsraum“ weiterhin sinnvoll sein. Auf Basis der Schadenhäufigkeit in kleinen Motorfahrzeug‐
Einstellhallen konnte abgeschätzt werden, dass auch die Abtrennung der Garage vom Einfamilienhaus wirtschaftlich nicht effizient ist. Die Abschätzung auf Datenbasis ist bei dieser Fragestellung allerdings schwieriger. Für den Personenschutz ist eine Brandabschnittsbildung in beiden betrachteten Fällen weniger wichtig als eine Behinderung der Rauchausbreitung. Letztere kann durch die Forderung nach einem Raumabschluss aber auch kostengünstiger erreicht werden als mit einem vollwertigen Brandabschnitt. Die zweite Fallstudie diskutiert die Einführung einer Gebäudeklasse „Kleine Bauten“ aller Nutzungen, in der auf Brandabschnitte verzichtet werden kann, sofern gewisse Voraussetzungen (insbesondere gesicherte Fluchtwege) erfüllt sind. Eine solche Regelung lässt sich dadurch begründen, dass bei Kleinbauten sowohl die Brandhäufigkeit als auch die maximalen Konsequenzen im Brandfall geringer sind als bei grösseren Gebäuden. Die Kosten der Brandabschnittsbildung sind dagegen weitgehend unabhängig von der Grösse der Gebäude. Für die Abschätzung eines möglichen Schwellenwertes zur Definition der Kategorie „Kleine Bauten“ über die Gebäudefläche wurde ein vereinfachter Ansatz auf Datenbasis verfolgt. Die Ergebnisse lassen einen Verzicht auf Brandabschnitte für Gebäude bis zu einer Geschossfläche von einigen hundert Quadratmetern zu (je nach getroffenen Annahmen bis zu 600m2). Die Berechnung basieren wieder auf der Annahme einer „durchschnittlichen“ Brandhäufigkeit. Für Räume, bei denen mit einer (im Vergleich zu typischen Gebäuden derselben Nutzungsklasse) erhöhten Brandeintrittswahrscheinlichkeit zu rechnen ist, kann ein Brandabschnitt auch in kleinen Gebäuden wirtschaftlich sein. Eine Möglichkeit wäre die Formulierung von (Ausschluss‐)Kriterien, die für einen Verzicht auf Brandabschnitte erfüllt sein müssen. Auf diese Weise könnten auch Anforderungen bezüglich anderer Schutzziele (vor allem der Personenschutz) sowie zu Abstandsregelungen bzw. der Abtrennung „Kleiner Bauten“ von Nachbargebäuden geregelt werden. In der dritten Fallstudie wurde untersucht, ob die Einführung einer Rauchmelderpflicht für Wohngebäude aus gesellschaftlicher Sicht sinnvoll ist. Im Vordergrund stand hier die Beurteilung von Heimrauchmeldern als Massnahme für den Personenschutz. Eine Abschätzung auf Basis von Schweizer Daten und Informationen aus der Literatur zur Wirkung von Rauchmeldern ergab, dass die Grenzkosten für die Ausrüstung aller Schweizer Haushalte mit Rauchmeldern die gesellschaftliche Zahlungsbereitschaft für die dadurch erreichbare Risikoreduktion übersteigen. Auch durch die Reduktion der Sachschäden kann die Einführung einer Rauchmelderpflicht nicht gerechtfertigt werden. Beide Ergebnisse sollten in zukünftigen Untersuchungen erneut überprüft werden. Die Datengrundlage für die Beurteilung der Wirkung von Rauchmeldern für den Personenschutz könnte durch die Einführung einer einfachen Abfrage in der VKF‐Todesfallstatistik verbessert werden, ob eine rechtzeitige Alarmierung durch einen Rauchmelder den Todesfall hätte verhindern können. Die vierte Fallstudie beschäftigt sich mit den Personenschutzanforderungen nach den derzeitigen Schweizer Brandschutzvorschriften. Die Fallstudie gliedert sich in zwei separate Fragestellung: Im ersten Teil wird die Kompensation von Fluchtweganforderungen mit Massnahmen des technischen Brandschutzes am Beispiel einer Brandmeldeanlage in Bürogebäuden mit geringer Personendichte untersucht, Räume mit hoher Personenbelegung sind das Thema der zweiten Fragestellung. In beiden Fällen beschränkt sich die Betrachtung auf einen relativen Vergleich des Personenrisikos in verschiedenen Situationen. Bei der ersten Fragestellung kann davon ausgegangen werden, dass die 130 Kapitel 9 ‐ Zusammenfassung und Ausblick Gebäudebesitzer sich nur dann für eine Kompensationslösung entscheiden werden, wenn sich die höheren Kosten für den technischen Brandschutz rentieren. Bei der zweiten Fragestellung wird angenommen, dass eine Differenzierung der Personenschutzanforderungen durch eine Konzentration der Brandschutzinvestitionen auf die kritischen Fälle zu einer Optimierung der gesellschaftlichen Investitionen für Räume mit hoher Personenbelegung führt. Die im Rahmen der Fallstudie durchgeführte vergleichende Risikobetrachtung lässt jedoch keine Aussage über das absolute Niveau der Personensicherheit zu. Beim Einsatz von Massnahmen des technischen Brandschutzes zur Kompensation von Fluchtweganforderungen muss zwischen Personen im Brandraum und Personen in anderen Räumen unterschieden werden. Wache Personen im Brandraum werden ein Feuer in der Regel noch vor der Alarmierung durch die Brandmeldeanlage entdecken, eine Kompensation einer längeren Fluchtweglänge im Raum ist also nicht sinnvoll. Allerdings ist bei den derzeitigen Fluchtweglängen der Anteil der reinen Gehzeit an der gesamten Evakuierungszeit vernachlässigbar klein, vor allem bei den besonders gefährdeten Personen mit sehr langer Alarmierungs‐ und/oder Reaktionszeit. Eine moderate Verlängerung der Fluchtweglänge im Raum liesse sich für grosse Räume (oder grosse Raumhöhen) begründen, da hier ein grösseres Rauchvolumen erzeugt werden muss, ehe die Bedingungen im Brandraum kritisch werden. Personen ausserhalb des Brandraums profitieren stark von einer frühzeitigen Alarmierung durch die Brandmeldeanlage, eine Kompensation einer grösseren Gesamt‐Fluchtweglänge ist also möglich. Es muss jedoch eine sofortige oder allenfalls geringfügig verzögerte Alarmierung aller Gebäudenutzer gewährleistet sein. Die quantitativen Ergebnisse sind nur für den berechneten Fall gültig (Bürogebäude mit Brandmeldeanlage, geringe Personendichte), die Übertragbarkeit auf andere Gebäudegruppen und andere Massnahmen des technischen Brandschutzes wurde lediglich qualitativ diskutiert. Zur Beurteilung der Personenschutz‐Anforderungen für Räume mit hoher Personenbelegung wurde das Personenrisiko in Räumen mit unterschiedlicher Raumgeometrie in Abhängigkeit von der Personenbelegung untersucht. Die Festlegungen in den VKF‐Brandschutzvorschriften zur Mindest‐
Fluchtwegbreite führen zu einem deutlichen Anstieg des Personenrisikos bei Räumen mit einer Personenbelegung zwischen 100 und 200 Personen (bei Annahme einer konstanten Personendichte). Auffällig ist der grosse Einfluss des Raumvolumens: Bei gleicher Personenbelegung ist in kleinen Räumen (geringe Raumhöhe, grosse Personendichte) das Personenrisiko deutlich höher als in grossen Räumen. Eine Festlegung der Personenschutzanforderungen nur in Abhängigkeit von der Personenzahl führt also abhängig von der Raumgeometrie zu einer starken Variation der Personensicherheit in unterschiedlichen Räumen mit hoher Personenbelegung. 9.2
Empfehlungen für zukünftige Forschung Im vorliegenden Bericht wurden die Grundlagen der risikobasierten Entscheidungsfindung diskutiert und auf konkrete Fragestellungen zur wirtschaftlichen Optimierung im vorbeugenden Brandschutz angewendet. Die Fallstudien zeigen, dass mit Hilfe von risikobasierten Ansätzen Entscheidungen auch in Bereichen unterstützt werden können, in denen nur wenige Informationen zu Kosten und Nutzen der Massnahmen vorliegen. Im Folgenden wird kurz diskutiert, wie die Brandschutzinvestitionen in der Schweiz durch zukünftige Forschung noch weiter optimiert werden könnten. 131 Wirtschaftliche Optimierung im vorbeugenden Brandschutz Ein wichtiger Kostenfaktor im vorbeugenden Brandschutz sind die Anforderungen an den baulichen Brandschutz (Feuerwiderstand von Tragwerken und brandabschnittsbildenden Bauteilen). Risikobasierte Ansätze können sowohl für eine Überprüfung des Standardkonzeptes als auch für eine Kalibrierung der Anforderungen an den baulichen Brandschutz im Sprinklerkonzept genutzt werden. Eine wirtschaftliche Optimierung in diesem Bereich erfordert die Entwicklung eines Ingenieurmodells für die Beurteilung des Brandrisikos in Abhängigkeit vom Feuerwiderstand der Bauteile. Die benötigten Methoden werden im Rahmen des laufenden Projektes „Entwicklung einer neuen Brandrisikomethode“ am Institut für Baustatik und Konstruktion der ETH Zürich erarbeitet. Für die Beurteilung von Normvorschriften ist eine Quantifizierung des Brandrisikos basierend auf den Prinzipien der generischen Risikomodellierung hilfreich. Generische Risikomodelle können in einem definierten Anwendungsbereich grundsätzlich für jedes beliebige Gebäude verwendet werden, da die risikorelevanten Eigenschaften der Gebäude durch die Eingabeparameter des Modells (so genannte Risikoindikatoren) erfasst werden. Die Grundsätze der generischen Risikomodellierung wurden von Faber (2008) und für den Bereich der Brandrisikobewertung von De Sanctis et al. (2011) beschrieben. Ein grosses Optimierungspotential besteht auch bei den Fluchtweganforderungen. In diesem Bereich enthalten die Schweizer Brandschutzvorschriften keine Wahlmöglichkeiten oder Unterscheidungen in Abhängigkeit vom Layout oder der Nutzung der Gebäude. Die Ergebnisse in Kapitel 8 zeigen, dass dies zu einem sehr inhomogenen Sicherheitsniveau in unterschiedlichen Gebäuden führt. Risikobasierte Ansätze können helfen, mehr Flexibilität auch im Bereich der präskriptiven Vorschriften zu schaffen und so die gesellschaftlichen Investitionen in die Personensicherheit zu optimieren. Die in diesem Bericht vorgestellten Berechnungen erlauben allerdings lediglich einen relativen Vergleich des Personenrisikos in verschiedenen Situationen. Für eine Beurteilung des absoluten Sicherheitsniveaus in den Schweizer Vorschriften ist weitere Forschungsarbeit notwendig. International werden zurzeit grosse Anstrengungen unternommen, um die im ASET/RSET Konzept benötigten zufälligen Grössen quantitativ zu beschreiben. Die Übertragbarkeit der Ergebnisse auf Schweizer Verhältnisse dürfte unproblematisch sein. Im Vordergrund sollte daher die Entwicklung von Konzepten zur Optimierung der Schweizer Vorschriften auf Basis von risikobasierten Ansätzen im Bereich des Personenschutzes stehen. Im Projekt „Wirtschaftliche Optimierung im vorbeugenden Brandschutz“ lag der Fokus auf der Beurteilung von präskriptiven Vorschriften, die wegen ihrer Einfachheit auch in Zukunft bei Standard‐
Bauvorhaben primär für die Entscheidung über Investitionen in Brandschutzmassnahmen zur Anwendung kommen werden. Wie bereits diskutiert, kann eine wirtschaftliche Optimierung unter anderem durch eine Erhöhung der Flexibilität der Vorschriften erreicht werden. Im Rahmen der präskriptiven Brandschutzvorschriften sind Wahlmöglichkeiten und Differenzierungen für unterschiedliche Gebäudetypen nur begrenzt möglich, da die Vorschriften sonst schnell sehr komplex werden. Eine Alternative bieten Wahlmöglichkeiten zwischen Konzepten wie sie beispielsweise bereits heute in den Richtlinien Tragwerke und Brandabschnitte zur Anwendung kommen (baulicher Brandschutz vs. Sprinklerkonzept). Eine hohe Flexibilität für komplexere Bauvorhaben bieten leistungsorientierte, objektbezogene Brandschutzkonzepte welche sich auf die Vorgabe von Schutzzielen beschränken und Nachweise mit Ingenieurmethoden erfordern. Neben der Anwendung für Sonderbauten, neue Bautypen und sehr grosse Bauten und Anlagen haben diese vor allem bei der Beurteilung des Brandschutzes in bestehenden Bauten ein hohes Potential. Durch verbesserte Akzeptanz und erleichterte Anwendung von leistungsorientierten Brandschutzkonzepten kann eine 132 Kapitel 9 ‐ Zusammenfassung und Ausblick starke Optimierung der Brandschutzinvestitionen erreicht werden. Gute Voraussetzungen für die Anwendung von Ingenieurmethoden beim Nachweis leistungsorientierter Brandschutzkonzepte können durch die folgenden Schritte geschaffen werden: ‐
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Definition von Schutzzielen und quantitativen Anforderungen für die Sicherheit im Brandfall in Konsistenz mit dem optimierten Sicherheitsniveau der präskriptiven Vorschriften. Beschreibung von Merkmalen und Methoden zum Nachweis der Brandsicherheit durch „Stand der Technik“ Papiere oder ggf. durch Verweis auf internationale Dokumente. Förderung der Ausbildung von Brandschutzingenieuren, die risikobasierte Nachweise durchführen oder (auf Seiten der Brandschutzbehörden) beurteilen können. Implementierung von Methoden und Prozessen für die Qualitätssicherung bei der Entwicklung und Beurteilung von leistungsorientierten Brandschutzkonzepten. Künftige Forschung im Bereich der Ingenieurmethoden für die Beurteilung leistungsorientierter Brandschutzkonzepte sollte sich nicht auf den Nachweis der Gleichwertigkeit mit dem in der präskriptiven Norm beschriebenen Standardkonzept beschränken. Das Sicherheitsniveau in den präskriptiven Vorschriften ist alles andere als homogen, wie zum Beispiel die in diesem Bericht vorgestellten Untersuchungen zur Personensicherheit (Fallstudie IV) zeigen. Eine Bewertung leistungsorientierter Brandschutzkonzepte mit absoluten Kriterien zur Beurteilung der Brandsicherheit ist daher aus gesellschaftlicher Sicht vergleichenden Betrachtungen vorzuziehen. Dies erfordert jedoch die Formulierung quantitativer Sicherheitsziele zur Beschreibung der gesellschaftlichen Anforderungen an die Brandsicherheit in Gebäuden. In diesem Bericht wurde eine Methodik zur Optimierung der gesellschaftlichen Brandschutzinvestitionen auf Basis von Effizienzbetrachtungen vorgestellt. In den Fallstudien wurden mögliche Änderungen der präskriptiven Vorschriften beurteilt. Ein ähnliches Vorgehen kann aber auch bei der Definition quantitativer Schutzziele für den Nachweis von leistungsorientierten Brandschutzkonzepten verfolgt werden, da die Prinzipien der risikobasierten Entscheidungsfindung unabhängig vom Format der Vorschriften gültig sind. Die bisher diskutierten Aspekte beschränken sich auf eine Wirtschaftliche Optimierung im Bereich des vorbeugenden Brandschutzes. Ein weiterer wichtiger Bestandteil der Totalkosten im „System Brandschutz“ sind die Kosten des abwehrenden Brandschutzes, die von den Investitionen im Bereich des vorbeugenden Brandschutzes beeinflusst werden (und umgekehrt). Eine wissenschaftliche Untersuchung dieser Effekte hätte den Rahmen des Projektes „Wirtschaftliche Optimierung im vorbeugenden Brandschutz“ gesprengt. Für eine Verbesserung der Datengrundlage für zukünftige Forschung sollte jedoch zunächst eine Verknüpfung der Feuerwehrstatistik mit der Schadenstatistik der Gebäudeversicherung angestrebt werden: Die Ausgangslage hierfür ist durch die Organisation der Schadenverhütung, der Schadenbekämpfung und der Versicherung der Schäden unter dem Dach der Kantonalen Gebäudeversicherungen in der Schweiz ideal. Durch das in diesem Bericht vorgestellte Projekt konnte gezeigt werden, dass eine wirtschaftliche Optimierung im vorbeugenden Brandschutz auf Basis von risikobasierten Ansätzen möglich ist. Aufgrund des begrenzten Zeitrahmens konnten nur einzelne Fragestellungen in Form von Fallstudien bearbeitet werden. Weitere Forschungsarbeit ist notwendig, um eine umfassende Optimierung der gesellschaftlichen Investitionen im „System Brandschutz“ zu ermöglichen. 133 Kapitel 10 ‐ Literaturverzeichnis 10 Literaturverzeichnis Ahrens, M. 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n f n ( A)
N f N ( A)
(A.1)
PT ( A) ist die Wahrscheinlichkeit einer Entzündung in einem Zeitraum T (z.B. ein Jahr) für ein Gebäude mit Grundfläche A . Die mittlere Schadenhäufigkeit ergibt sich aus der Division der Anzahl Brände n in einem Zeitraum T mit der Anzahl Gebäude N . Zur Modellierung der Abhängigkeit von A fliessen ausserdem die Verteilung der Gebäudefläche im gesamten Gebäudebestand ( f N ( A) ) sowie von allen Gebäuden, die gebrannt haben ( f n ( A) ), in die Formel ein. Als mögliche Verteilungsmodelle für die Gebäudefläche schlägt Ramachandran die Paretoverteilung oder die Lognormalverteilung vor. Für f N ( A) und f n ( A) müssen unterschiedliche Parameter verwendet werden. So ist zum Beispiel zu erwarten, dass die mittlere Gebäudefläche in den Schadendaten, n , grösser ist als die mittlere Gebäudefläche in den Portfoliodaten,  N , da Gebäude mit grosser Gebäudefläche häufiger brennen. Ramachandran konnte zeigen, dass der Ausdruck in (A.1) bei der Annahme von Paretoverteilungen für f N ( A) und f n ( A) die folgende Form annimmt: PT ( A)  aAb
(A.2)
Die Konstanten a und b lassen sich aus den Verteilungsparametern der beiden Paretoverteilungen berechnen. Der gleiche funktionale Zusammenhang lässt sich auch für zwei Lognormalverteilungen herleiten. Hierfür ist allerdings die zusätzliche Annahme notwendig, dass der Streuungsparameter (die Standardabweichung) der beiden Lognormalverteilungen gleich ist. Bei der Anwendung des Ansatzes auf finnische Daten stellten Tillander & Keski‐Rahkonen (2002) fest, dass die Verteilung der Gebäudefläche mit einer Pareto‐ oder Lognormalverteilung nicht zufriedenstellend beschrieben werden kann, die Verteilungsannahmen von Ramachandran also nicht zutreffend sind. Sie schlagen deswegen ein erweitertes Modell vor, das so genannte Generalized Barrois Modell für die Entzündungswahrscheinlichkeit: PT ( A)  a1 Ab1  a2 Ab2
(A.3)
Ob die Annahmen von Ramachandran für die Schweiz zutreffend sind, lässt sich leicht anhand der Daten aus dem Kanton Aargau überprüfen. Diese enthalten zwar keine Angaben zur Gebäudefläche, aber zum Gebäudevolumen. Die Grundidee von Ramachandran (Gleichung (A.1)) lässt sich auch auf das Volumen der Gebäude anwenden. Auch eine Repräsentation der Gebäudegrösse mit dem Versicherungswert ist möglich, da dieser stark mit dem Gebäudevolumen korreliert ist. Abbildung A.1 zeigt Wahrscheinlichkeitsplots für die Verteilung des Gebäudevolumens Vol in den Portfolio‐ und Schadendaten. In einer vergleichenden Untersuchung konnte eine Lognormalverteilung die Daten besser repräsentieren als die Paretoverteilung. Die y‐Achse in Abbildung A.1 wurde deswegen für die Annahme der Lognormalverteilung skaliert. 139 Wirtschaftliche Optimierung im vorbeugenden Brandschutz Abbildung A.1: Wahrscheinlichkeitspapier für die Lognormalverteilung für das Gebäudevolumen von Gebäuden im Portfolio (grau) bzw. in den Schadendaten (schwarz) für verschiedene Zweckbestimmungen (Schaden‐ und Portfoliodaten der AGV). 140 Anhang A ‐ Hintergründe zur Modellierung auf Datenbasis Für lognormalverteilte Daten müssten in dieser Darstellung alle Beobachtungen einer Gruppe auf einer Geraden liegen. Das ist nicht der Fall. Je nach Zweckbestimmung ist die Annahme einer Lognormalverteilung mehr oder weniger gut bzw. schlecht. Des Weiteren hatte Ramachandran (1980) angenommen, dass die Streuungsparameter der beiden Lognormalverteilung etwa gleich sind. Hierfür müssten die beiden Kurven für die Portfolio‐ bzw. Schadendaten annähernd parallel sein. Auch diese Annahme ist je nach Zweckbestimmung unterschiedlich gut (bzw. schlecht). Dass die Annahmen von Ramachandran (1980) nicht zutreffen, spricht zunächst für die Verwendung des Modells in Gleichung (A.3). Allerdings ist zu bedenken, dass schon die Modellierung nur auf Basis von Informationen über die Gebäudegrösse stark vereinfachend ist. Daran ändert auch eine genauere Modellierung des funktionalen Zusammenhangs zwischen Gebäudegrösse und der Schadenhäufigkeit nichts. Die Unsicherheit in der Schätzung der Modellparameter steigt mit der Anzahl der verwendeten Parameter. Für die Modellierung auf Datenbasis wird in Kapitel 3.4.1 deswegen das einfachere Modell von Ramachandran (Gleichung (A.2)) verwendet. Da ein Brand in einem bestimmten Gebäude ein seltenes Ereignis ist, ist die Modellierung des Brandeintritts mit einem Poissonprozess eine sinnvolle Annahme. Die Anzahl Entzündungen N S in einem Zeitraum t ist dann poissonverteilt mit dem Parameter t . Nun wird angenommen, dass die Eintrittsrate  , also die mittlere Schadenhäufigkeit pro Zeiteinheit, abhängig von der Gebäudegrösse berechnet werden kann wie in Gleichung (A.2). Ersetzt man die Gebäudefläche A mit dem Gebäudevolumen Vol , so ergibt sich der folgende Zusammenhang:   a (Vol )b
(A.4)
Durch eine einfache Transformation erhält man eine lineare Gleichung: ln(  )     ln(Vol )
(A.5)
mit   ln( a ) und   b , also   e (Vol )  . Mit einer Poisson‐Regression können die Parameter  und  geschätzt werden. Verwendet man hierzu die Maximum‐Likelihood‐Methode, so kann für ausreichend grosse Datensätze auch die Unsicherheit der Schätzung quantifiziert werden. Am einfachsten ist die Parameterschätzung, wenn sich Portfolio‐ und Schadendaten verknüpfen lassen, wenn also für jedes Gebäude bestimmt werden kann, wie oft es in einem bestimmten Zeitraum gebrannt hat. Die Methode kann jedoch auch problemlos für andere Datengrundlagen angepasst werden, zum Beispiel für Portfolio‐ und Schadendaten, die nicht verknüpft werden können oder für Daten, die nur Informationen zu Gebäuden enthalten, in denen es mindestens einmal gebrannt hat (vgl. Rydén & Rychlik (2006)). Abbildung A.2 zeigt die Ergebnisse der Parameterschätzung für die Aargauer Wohngebäude in einem Diagramm für die Schadenhäufigkeit (ohne Blitzschäden) in Abhängigkeit vom Gebäudevolumen. Die durchgezogene Linie entspricht dem Modell in Gleichung (3.1) mit den Parametern für die Wohngebäude nach Tabelle 3.9. Ein 95%‐Konfidenzintervall zur Veranschaulichung der statistischen Unsicherheit der Schätzung ist durch die gestrichelten Linien gegeben. Die im Diagramm dargestellten Punkte wurden anhand von Gruppen mit jeweils 1000 Gebäuden bestimmt. Wegen der begrenzten Stichprobengrösse streuen die Punkte um die tatsächliche Entzündungshäufigkeit. Die gepunkteten Linien geben ein Intervall an, in dem die Punkte mit einer Konfidenz von 95% liegen 141 Wirtschaftliche Optimierung im vorbeugenden Brandschutz sollten, wenn die theoretische Entzündungshäufigkeit durch die durchgezogene Linie gegeben ist (die statistische Unsicherheit bei der Parameterschätzung wurde hier nicht berücksichtigt). Abbildung A.2: Regressionsmodell für die Schadenhäufigkeit mit 95%‐Konfidenzintervall für die statistische Unsicherheit der Schätzung (gestrichelte Linien) sowie für die anhand von Daten zu jeweils 1000 Gebäuden berechneten beobachteten Häufigkeiten (gepunktete Linien, Kreuze), nur Wohngebäude ohne Blitzschäden (Schaden‐ und Portfoliodaten der AGV). A.2 Modellierung des Schadenbetrag im Brandfall Für eine quantitative Abschätzung des Schadenbetrages im Brandfall wird ein mathematisches Modell für die Schaden‐Verteilung benötigt. In der Literatur sind unterschiedliche Modelle für den Schadenbetrag S beziehungsweise den natürlichen Logarithmus des Schadenbetrags ln( S ) vorgeschlagen worden. Üblich ist insbesondere die Lognormalverteilung für S (bzw. Normalverteilung für ln( S ) ). Für den logarithmierten Schaden ln( S ) wurden aber auch andere Verteilungen aus der Exponentialfamilie vorgeschlagen, zum Beispiel die Lognormal‐, die Gamma‐, die Weibull‐ oder die Exponentialverteilung. Eine Anwendung dieser Verteilungsmodelle auf die Daten zu Schäden in Wohngebäuden zeigte jedoch, dass keins der Modelle in der Lage ist, die Verteilung der Schäden ausreichend genau zu repräsentieren. Insbesondere im wichtigen oberen Bereich, der die Wahrscheinlichkeit von Grossschäden quantifiziert, waren alle Modelle ungenügend. Eine deutlich bessere Anpassung kann durch eine zusammengesetzte Verteilung (Mischverteilung) erreicht werden. Die Dichtefunktion f z ( x) einer zusammengesetzten Verteilung lässt sich mathematisch wie folgt beschreiben: f z ( x )  p  f1 ( x θ1 )  (1  p )  f 2 ( x θ 2 )
mit
0  p 1
(A.6)
Hierbei sind f1 ( x θ1 ) und f 2 ( x θ1 ) ebenfalls Dichtefunktionen, die in der zusammengesetzten Verteilung mit den Wahrscheinlichkeiten p bzw. 1  p gewichtet werden. Die Vektoren θ1 und θ2 enthalten die Parameter der beiden Verteilungen. Für die Anpassung einer zusammengesetzten 142 Anhang A ‐ Hintergründe zur Modellierung auf Datenbasis Verteilung an die Daten müssen diese Parameter zusammen mit p geschätzt werden. Der Einfachheit halber wurden nur zusammengesetzte Verteilungsmodelle aus jeweils zwei Verteilungen des gleichen Typs (z.B. zwei Normalverteilungen) verwendet. In Abbildung A.3 ist zu erkennen, dass dies bereits ausreicht, um eine gute Anpassung an die Daten zu erreichen. Abbildung A.3: Modellierung des Schadenbetrags mit Hilfe unterschiedlicher Mischverteilungen – Wohngebäude (Schadendaten der AGV). Die Güte der Anpassung der unterschiedlichen Modelle kann auch anhand der Log‐Likelihoods der Daten verglichen werden, wobei das Modell mit der grössten Log‐Likelihood die Daten am besten repräsentiert. Die Log‐Likelihoods für die verschiedenen Modelle sind in Tabelle A.1 zusammengefasst. Es wird deutlich, dass Mischverteilungen aus zwei Normal‐ bzw. zwei Gammaverteilungen die Daten ähnlich gut repräsentieren können: Aufgrund der Log‐Likelihoods sind diese beiden Modelle kaum voneinander zu unterscheiden. Rang
1
2
3
4
Modell für ln(S) Log-Likelihood
Normal Mix
Gamma Mix
Lognormal Mix
Weibull Mix
-8177.4
-8177.9
-8189.9
-8243.5
Tabelle A.1: Modellvergleich anhand der Log‐Likelihoods: Modelle für den Schadenbetrag bei Wohngebäuden (Schadendaten der AGV). Der beschriebene Modellierungsansatz lässt sich prinzipiell auch auf die Daten der anderen Zweckbestimmungen anwenden. Je kleiner die Datenmenge, desto schwieriger wird es jedoch, die Modellparameter zu schätzen. Für einige Nutzungen kann es deswegen sinnvoll sein, anstelle einer Mischverteilung auf ein einfaches Wahrscheinlichkeitsmodell zurückzugreifen, z.B. Normal, Gamma, Lognormal oder Weibull: Während bei den hier betrachteten Mischverteilungen insgesamt fünf Parameter geschätzt werden müssen, sind es bei den einfachen Verteilungen nur zwei. Mit Hilfe von so genannten Informationskriterien kann abgeschätzt werden, bei welcher Zweckbestimmung ein mehr oder weniger komplexes Modell bevorzugt werden sollte. 143 Wirtschaftliche Optimierung im vorbeugenden Brandschutz Das in Gleichung (A.6) beschriebene Modell stellt eine nach oben unbeschränkte Wahrscheinlich‐
keitsverteilung dar. Berücksichtigt man die Beschränkung des Schadens auf den Versicherungswert des betreffenden Gebäudes (ohne Aufräumkosten), so ergibt sich folgende Wahrscheinlichkeits‐
dichtefunktion für ln( S ) : f z (ln( S ))

 V

f (ln( S ))  1   f z (ln( S ))dS
 0

0

für S  V
für S  V
(A.7)
für S  V
Die Idee ist einfach: Für Schadenbeträge, die kleiner sind als der Versicherungswert des Gebäudes, wird eine Mischverteilung wie in Gleichung (A.6) beschrieben verwendet. Schadenbeträge grösser oder gleich dem Versicherungswert werden gemäss Gleichung (A.7) auf den Versicherungswert des Gebäudes beschränkt. Hier nicht berücksichtigt wurde die in Abbildung 3.29 dargestellte Möglichkeit eines Schadens, der den Versicherungswert um den Betrag der Aufräumkosten übersteigt ( S  V ). 144 Anhang B ‐ Zusatzinformationen zur Fallstudie IV Anhang B B.1
Zusatzinformationen zur Fallstudie IV Grundlagen für die Quantifizierung der einzelnen RSET‐Komponenten Die im Folgenden beschriebenen Annahmen beziehen sich auf Räume mit geringer Personendichte. Die Annahmen für Räume mit hoher Personenbelegung werden in Kapitel 8.4 separate diskutiert. B.1.1
Annahmen zur Alarmierungszeit (warning + alarm) Bei der Alarmierung ohne Brandmeldeanlage hängt die Alarmierungszeit stark davon ab, wo sich die betrachtete Person relativ zum Feuer befindet. In der Literatur gibt es jedoch nur wenige Angaben zur Alarmierungszeit ohne Brandmeldeanlage, für eine differenzierte Betrachtung ist die Datengrundlage nicht ausreichend. Im Folgenden wird vereinfachend nur zwischen Personen im Brandraum und Personen in anderen Räumen unterschieden. Alarmierung im Brandraum mit oder ohne Brandmeldeanlage Wache Personen, die sich im selben Raum befinden wie der Entstehungsbrand, werden den Brand in der Regel schnell entdecken oder allenfalls von anderen Personen auf ihn aufmerksam gemacht. Dennoch kann es in unübersichtlichen Räumen im ungünstigsten Falle einige Minuten dauern, bis ein Brand entdeckt wird. Zur Alarmierungszeit im Brandraum ohne Brandmeldeanlage gibt es keine Daten oder Modelle, eine entsprechende Verteilung muss also geschätzt werden. Um zu modellieren, dass die meisten Brände praktisch sofort oder innerhalb einer sehr kurzen Zeit entdeckt werden, wird eine Exponentialverteilung für die Alarmierungszeit verwendet. Der Verteilungsparameter  wird in Abhängigkeit von der Geschwindigkeit der Brandentwicklung modelliert. Hierzu wird angenommen, dass in 99% der Fälle eine wache Person an einem beliebigen Ort im Brandraum das Feuer spätestens bei einer Wärmeabgaberate von 50kW wahrnimmt (dies entspricht etwa der Grössenordnung eines Brandes in einem Abfalleimer). Geht man von einer quadratischen Entwicklung der Wärmeabgaberate aus, kann der Parameter  für die Exponentialverteilung der Alarmierungszeit wie folgt berechnet werden:    ln(1  0.99)
50kW

(B.1)
Hierin bezeichnet  den so genannten Fire Growth Parameter im t2‐Modell, siehe Abschnitt 8.2.3. Für Brände mit mittlerer bis schneller Brandentwicklung (   0.006594 kW / sek 2 ) liegt das 95%‐
Quantil der Alarmierungszeit im Brandraum bei ca. 41 Sekunden. Alarmierung in anderen Räumen ohne Brandmeldeanlage In einem von Brennan (1997) untersuchten Brand in einem Bürogebäude ohne internen Feueralarm lagen die Alarmierungszeiten für Gebäudenutzer, die sich nicht in direkter Nähe des Feuers befanden, zwischen 4 und 7 Minuten. Die Alarmierung erfolgte meist durch das Beobachten von Rauch. Noch längere Alarmierungszeiten sind gemäss Holborn, Nolan et al. (2004) zu erwarten. Die Daten von Holborn et al. enthalten jedoch keine Information dazu, ob sich zum Zeitpunkt der Brandentstehung überhaupt Personen im Gebäude befanden. Besonders lange Alarmierungszeiten 145 Wirtschaftliche Optimierung im vorbeugenden Brandschutz wurden bei durch Zigaretten verursachten Schwelbränden beobachtet, also für Brände mit sehr langsamer Brandentwicklung. Wie in Abschnitt 8.2.3 diskutiert, werden in der vergleichenden Betrachtung nur Brände mit mittlerer bis schneller Brandentwicklung (   0.006594 kW / sek 2 ) berücksichtigt. Für diese Brände wird für die Alarmierungszeit eine Verteilung in Anlehnung an die Daten von Brennan (1997) gewählt: Es wird angenommen, dass in 10% der Fälle die Alarmierungszeit kleiner ist als 4min und in 10% der Fälle grösser als 7min (80% zwischen 4 und 7 Minuten). Allgemein ist davon auszugehen, dass die Alarmierungszeit einer rechtsschiefen Verteilung folgt. Bei Verwendung einer Lognormalverteilung ergeben sich die Parameter   5.8272 und   0.2183 . Alarmierung in anderen Räumen mit Brandmeldeanlage Zur Berechnung der Zeit bis zur Aktivierung eines Rauchmelders wurden Simulationen mit dem von Evans & Stroup (1985) entwickelte Computerprogramm DETACT‐t2 durchgeführt. Das Programm geht in der Anfangsphase des Brandes von einem quadratischen Verlauf der Energiefreisetzungsrate Q (t ) aus (vgl. Abschnitt 8.2.3). Rauchmelder werden vereinfacht wie Hitzemelder mit einer sehr niedrigen Aktivierungstemperatur modelliert (temperature correlation method). Gemäss Bukowski & Averill (1998) sind die dem Modell zu Grunde liegenden Annahmen in der Praxis häufig nicht erfüllt. Alternative Berechnungsmethoden sind jedoch noch nicht weit genug entwickelt für praktische Anwendungen, vgl. Schifiliti (2001). Die Grundannahme der „temperature correlation method“ basiert auf der Beobachtung, dass die Freisetzung von Rauch und Hitze im Brandfall aus denselben Prozessen entsteht und somit korreliert ist. Die „Aktivierungstemperatur“ des Rauchmelders kann durch Abgleich von Versuchsdaten mit der vereinfachten Berechnungsmethode bestimmt werden. Welcher Wert die Daten am besten repräsentiert, hängt allerdings von vielen Faktoren ab, z.B. von der Rauchfreisetzung des entzündeten Materials, der Farbe und Partikelgrösse des Rauchs, dem Abstand zwischen Feuer und Rauchmelder und dem Typ des Melders. Von daher ist es nicht überraschend, dass die Versuchsdaten stark streuen. In der Literatur werden Werte für die „Aktivierungstemperatur“ zwischen 5K und 20K angegeben, vgl. Bukowski & Averill (1998). DETACT‐t2 ist ein deterministisches Modell. Die Eingabeparameter unterscheiden sich jedoch von Fall zu Fall und müssen deswegen probabilistisch modelliert werden, siehe zum Beispiel Joglar et al. (2005). Die Verteilung für  wird gemäss Abschnitt 8.2.3 gewählt (Gleichung (8.2)). Die übrigen Annahmen sind in Tabelle B.1 zusammengefasst. Simulationen mit unterschiedlichen Werten für die „Aktivierungstemperatur“ (5K und 13K) zeigen, dass sich die Verteilungen für die Aktivierungszeit der Rauchmelder besonders im Schwanzbereich unterscheiden, also bei den langen Alarmierungszeiten. Diese erhält man bei der Simulation mit DETACT‐t2 für langsam anlaufende Brände mit niedrigem Fire Growth Parameter  , also für Schwelbrände. Es kann davon ausgegangen werden, dass die Temperatur‐Korrelationsmethode die Aktivierungszeiten bei Schwelbränden tendenziell eher überschätzt. Für die weiteren Berechnungen werden deswegen die Ergebnisse der Simulation mit einer Aktivierungstemperatur von 5K verwendet. 146 Anhang B ‐ Zusatzinformationen zur Fallstudie IV DETACT‐Eingabeparameter Getroffene Annahme Radial distance from fire Simuliert aus zwei gleichverteilten Zufallsvariablen für x‐ und y‐
Koordinaten (Basis: Abstände aus der Richtlinie BMA SES (2008)) Vertical distance from fire Trapezverteilung (0.5m,2m,3m,3.5m) ‐ Annahme, dass die meisten Zündquellen bis ca. 1m über dem Boden liegen, Raumhöhe in Bürogebäuden etwa 2.5 – 3.5m Activation temperature Rechnungen mit 5K und 13K (Bukowski & Averill (1998)) Response Time Index (RTI) 0.5 m  sek für Rauchmelder (Frantzich (1997)) Raumtemperatur 20°C (vor dem Brand) Tabelle B.1: Eingabeparameter für die Simulation mit DETACT‐t2 (Evans & Stroup (1985)). Abbildung B.1 zeigt die mit DETACT‐t2 bestimmten Alarmierungszeiten in Abhängigkeit von  im doppelt logarithmischen Massstab, in dem eine lineare Abhängigkeit zu erkennen ist. Abbildung B.1: Abhängigkeit der Alarmzeit vom Fire Growth Parameter  auf Basis der DETACT‐t2 Simulationen (Aktivierungstemperatur 5K) mit Regressionsgerade. Ebenfalls in Abbildung B.1 dargestellt ist eine Regressionsgerade der Form: ln(t ABMA )       0  1 ln( )  
(B.2)
mit den Regressionskoeffizienten  0  2.5109 und 1   0.3641 . Die Standardabweichung des Fehlers beträgt    0.3194 . Gleichung (B.2) kann für die Berechnung der Rauchmelder‐Aktivierungszeit in Abhängigkeit des Fire Growth Parameters  verwendet werden. Für ein gegebenes  folgt die Rauchmelder‐
Aktivierungszeit einer Lognormalverteilung, mit Lageparameter    nach Gleichung (B.2) und Streuungsparameter     . 147 Wirtschaftliche Optimierung im vorbeugenden Brandschutz B.1.2
Annahmen zur Reaktionszeit (recognition + response) Daten zu Reaktionszeiten können in Evakuierungsübungen oder durch Auswertung von realen Brandereignissen gewonnen werden. Evakuierungsübungen in Bürogebäuden sind in Proulx et al. (1996), Gwynne (2007), Purser & Bensilum (2001) sowie Rinne, Tillander et al. (2010) beschrieben. Die Bedingungen in Evakuierungsübungen entsprechen in etwa den Bedingungen, unter denen sich ein Gebäudenutzer im Brandfall zur Evakuierung entscheiden muss, der sich nicht in direkter Nähe zum Feuer befindet und zumindest in der Anfangsphase des Brandes nur durch einen Feueralarm oder ggf. andere Gebäudenutzer darüber informiert wird, dass ein Notfall vorliegt. Reaktion von Personen ausserhalb des Brandraumes In Abbildung B.2 sind die vier Datensätze von (A) Proulx, Kaufman et al. (1996) sowie (B) Gwynne (2007) dargestellt. Die fetten Punkte bzw. Kreise entsprechen Histogrammen aus den einzelnen Datensätzen. Im Datensatz B1 wurden alle Zeiten um 15 Sekunden reduziert, da die Reaktionszeiten erst beim Betreten des Treppenhauses erfasst wurden. Zur besseren Lesbarkeit ist für jeden Evakuierungsversuch eine an die Daten angepasste Lognormalverteilung dargestellt (gestrichelte Linien). Für die Modellierung der Reaktionszeit wurde eine Lognormalverteilung an einen Durchschnitt der vier Datensätze angepasst (fette schwarze Linie). Die Parameter dieser Verteilung sind   4.1971 und   0.8313 . Sie wird für die Reaktionszeit von Personen ausserhalb des Brandraums verwendet. Abbildung B.2: Verteilung der Reaktionszeiten in Versuchen von (A) Proulx, Kaufman et al. (1996) und (B) Gwynne (2007) mit Modell für Personen ausserhalb des Brandraums (schwarze Linie). Einige Literaturquellen enthalten auch Informationen zu Reaktionszeiten in realen Brandereignissen, z.B. Brennan (1997), Zhao et al. (2009), Proulx, Reid et al. (2004) und Kuligowski & Hoskins (2010). Problematisch ist hier die Zuverlässigkeit der Datenerfassung, die in der Regel durch eine Befragung der Gebäudenutzer erfolgt. Die höchste Genauigkeit dürfte bei der von Brennan (1997) verwendeten Interviewtechnik erreicht worden sein. Die von ihr ermittelten Reaktionszeiten für Personen ausserhalb des Brandraumes liegen in einer ähnlichen Grössenordnung wie die in Abbildung B.2 dargestellten Reaktionszeiten in Evakuierungsübungen mit Feueralarm. 148 Anhang B ‐ Zusatzinformationen zur Fallstudie IV Reaktion von Personen im Brandraum Für Gebäudenutzer, die sich im selben Raum befinden und das Feuer direkt wahrnehmen können, dürften die Reaktionszeiten deutlich kürzer sein. Es wird angenommen, dass die Reaktionszeit von Personen im Brandraum etwa derselben Verteilung folgt wie in den Evakuierungsversuchen von Proulx, Kaufman et al. (1996) (Die zwei Verteilungen in Abbildung B.2 mit den kürzeren Reaktionszeiten). Bei gleicher Gewichtung der beiden Datensätze ergeben sich für eine Lognormalverteilung die Parameter   3.7145 und   0.7386 . B.1.3
Annahmen zur Fluchtdauer (travel + queue) in Räumen mit geringer Personendichte Bei der Flucht aus dem Gebäude sind zwei wichtige Zeitkomponenten zu beachten: Gehzeit (travel time) Die Gehzeit berechnet sich aus der Fluchtweglänge und der Gehgeschwindigkeit der Gebäudebenutzer bei der Evakuierung. Eine Interaktion zwischen den fliehenden Personen und dem Brand wird nicht berücksichtigt. Stattdessen wird vereinfachend angenommen, dass die Bewegung der Personen unbehindert bleibt, bis die Flucht beim Erreichen der ASET abgebrochen wird. Für eine Person, die weder durch Brandeinwirkungen noch durch andere Gebäudebenutzer behindert wird, variiert die Gehgeschwindigkeit je nach den individuellen Eigenschaften. Im Durchschnitt erreichen gesunde Erwachsene bei unbehinderter Bewegung auf horizontalen Flächen eine Gehgeschwindig‐
keit von etwa 1.34 m/sek, vgl. Daamen (2004). Die Verteilung der Gehgeschwindigkeiten ist linksschief. In Rinne, Tillander et al. (2010) ist die Anpassung einer Weibullverteilung an einen Datensatz von 89 Gehgeschwindigkeiten (in m/sek) dargestellt. Die entsprechenden Parameter sind a  1.41 und b  10.14 bei Verwendung der folgenden Parametrisierung für die Weibullverteilung: b
 b b 1
f (v) ba v e
v
 
a
(B.3)
Die Gehzeit auf ebener Strecke ergibt sich aus der Division der Fluchtweglänge l durch die Gehgeschwindigkeit v . Sie folgt einer inversen Weibull‐Verteilung mit den Parametern a l und b . Die Fluchtweglänge l bezeichnet je nach betrachtetem Szenario unterschiedliche Entfernungen: ‐
‐
Fluchtweglänge im Raum für Personen im Brandraum Gesamt‐Fluchtweglänge (Raum + Korridor) für Personen in anderen Räumen. Der Fluchtweg im Treppenhaus wird in der Fallstudie nicht berücksichtigt, vgl. Abschnitt 8.2.1. Es wird vereinfachend angenommen, dass die Sicherheit im Treppenhaus bis zur vollständigen Evakuierung des Gebäudes gewährleistet ist. Wartezeit (queuing time) Zusätzlich zur reinen Gehzeit müssen für die Ermittlung der Fluchtdauer noch Wartezeiten berücksichtigt werden, die entstehen können, wenn viele Personen gleichzeitig einen Engpass (z.B. eine Tür) passieren wollen. Eine solche Staubildung wird begünstigt, wenn bei einer hohen Personendichte alle Personen im Raum etwa gleichzeitig mit der Flucht beginnen, vgl. Chu & Sun (2006). Sind die Personen zum Zeitpunkt des Brandes weiter im Raum verteilt, so ist die Streuung der 149 Wirtschaftliche Optimierung im vorbeugenden Brandschutz Reaktionszeiten grösser und Wartezeiten an Türen etc. werden kürzer. Für die Berechnungen wird angenommen, dass Wartezeiten in Bürogebäuden mit geringer Personendichte vernachlässigt werden können. Bei Räumen mit grosser Personenbelegung ist dies selbstverständlich nicht der Fall. Die Modellierung der Wartezeiten wird deswegen in Abschnitt 8.4.3 separat diskutiert. B.2
Unsicherheiten bei der Modellierung der ASET im Brandraum Die als Modell für die ASET verwendete Antwortfläche (Gleichung (8.3)) wurde von Magnusson, Frantzich et al. (1995) durch Regression auf Basis von Simulationen mit dem 2‐Zonen‐Modell CFAST ermittelt. Als kritische Höhe der raucharmen Schicht wurde 1.60m verwendet. Die in der Simulation verwendeten Werte lagen zwischen 0.001 und 0.02 kW/sek2 für  , zwischen 3 und 8m für H und zwischen 200 und 1600 m2 für A (vgl. Appendix D in Magnusson, Frantzich et al. (1995)). Aus der Verwendung der Antwortfläche zur Berechnung der ASET ergeben sich die folgenden Unsicherheiten: ‐
‐
‐
‐
‐
Unsicherheiten bezüglich der Brandmodellierung: Die vereinfachte Modellierung der Brandentwicklung mit dem t2‐Ansatz wurde bereits in Absatz 8.2.3 kritisch diskutiert. Eine bessere Modellierung der Brandentwicklung erfordert jedoch detaillierte Annahmen zur Anordnung und den Eigenschaften der am Brand beteiligten Stoffe, was bei Betrachtung einer ganzen Klasse von Gebäuden bzw. Räumen sehr schwierig ist. Unsicherheiten bezüglich der Modellierung der Rauchausbreitung: Im Zwei‐Zonen‐Modell wird angenommen, dass sich in der Anfangsphase des Brandes zwei Schichten bilden: Die Rauchgase sammeln sich in einer oberen Schicht an der Decke, während die untere Schicht vorerst relativ kühl und rauchfrei bleibt. Bei sehr grossen Räumen (z.B. über 1000m2) und komplizierter Raumgeometrie kann es jedoch zu einer stärkeren Durchmischung kommen. Auch die Ventilationsbedingungen können einen negativen Einfluss haben. Unsicherheiten bezüglich des ASET‐Kriteriums: Die Bestimmung der ASET über die Höhe der raucharmen Schicht führt vermutlich zu einer eher konservativen Abschätzung, zumindest solange es keine starke Durchmischung der beiden Zonen kommt (siehe oben). Andere Kriterien, wie zum Beispiel die Sichtweite oder die Konzentration von giftigen Rauchgasen in der raucharmen Schicht sind zwar in der Theorie exakter, erfordern aber zusätzliche Annahmen sowohl zur Rauchentwicklung als auch zu den zulässigen Schwellenwerten. Unsicherheiten aus der Antwortflächen‐Modellierung: Eine Antwortfläche approximiert die Ergebnisse eines komplizierten numerischen Modells mit einer einfachen analytischen Formel. Die Anpassung der Antwortfläche von Magnusson, Frantzich et al. (1995) an die Simulationsergebnisse ist zwar sehr gut, basiert allerdings auf lediglich 39 Simulationen. Unsicherheiten aus der Anwendung der Antwortfläche: Für die Verteilung der ASET wird die Antwortfläche (8.3) auch ausserhalb des vorgesehenen Bereichs für  angewendet. Für 2
Brände mit relativ langsamer Brandentwicklung (   0.001kW / sek ) dürfte der daraus resultierende Fehler grösser sein als für die kritischeren Brände mit sehr schneller Brandent‐
2
wicklung (   0.02kW / sek ). Für die vorliegende Fallstudie ist zu erwarten, dass die vereinfachte Modellierung des Brandes (t2‐
Ansatz) und die gewählte Verteilung des Fire Growth Parameters  einen grösseren Einfluss haben als die übrigen Unsicherheiten bei der Modellierung der ASET. Auf eine detailliertere Modellierung der verfügbaren Zeit und eigene Simulationen wird deswegen verzichtet. Ohnehin spielt für die in 150 Anhang B ‐ Zusatzinformationen zur Fallstudie IV Abschnitt 8.3 betrachteten Massnahmen die Modellierung der RSET eine grössere Rolle, da die ASET in der Modellierung unabhängig von den gewählten Massnahmen ist. Die Verteilung der ASET beeinflusst daher primär das absolute berechnete Personenrisiko. Ein geringer Einfluss auch auf den relativen Vergleich verschiedener Massnahmenkombinationen ist zwar nicht auszuschliessen, zumindest das „Ranking“ der betrachteten Fälle sollte jedoch unverändert bleiben. B.3
Zuverlässigkeit von technischen Anlagen Die Zuverlässigkeit von Anlagen des technischen Brandschutzes kann auf verschiedene Art bestimmt werden, was zu sehr unterschiedlichen Annahmen führen kann. Im Folgenden wird dies am Beispiel der Sprinkler‐Zuverlässigkeit erläutert. Eine Möglichkeit zur Ermittlung der Sprinkler‐Zuverlässigkeit ist die Auswertung von Statistiken zu Inspektionen, wie sie zum Beispiel durch die Feuerpolizei in einigen Schweizer Kantonen geführt werden. Gemäss der Mängelstatistik der Feuerpolizei Zürich waren 25% der im Jahr 2008 kontrollierten Sprinkleranlagen nur beschränkt betriebsbereit, vgl. GVZ (2008). Je nach Art der Mängel kann jedoch selbst eine Sprinkleranlage mit gravierenden Mängeln einen Brand noch erfolgreich löschen. Die Kategorien in der Zürcher Mängelstatistik erlauben daher lediglich eine sehr konservative Abschätzung der Sprinkler‐Zuverlässigkeit. In Tabelle B.2 ist beispielhaft berechnet, wie hoch die tatsächliche Zuverlässigkeit der Sprinkler im Brandfall ist, wenn nur ein Teil der kontrollierten Anlagen überhaupt nicht betriebsbereit ist. Hierzu wurde angenommen, dass im Falle eines Brandes im mangelhaften Teil der Anlage keine positive Wirkung durch Sprinkler in anderen Bereichen des Gebäudes zu erwarten ist. Mängelstatistik:
davon
10%
10%
80%
 Im Brandfall:
"beschränkt betriebsbereit"
gar nicht betriebsbereit
zur Hälfte betriebsbereit
Mängel auf 10% der Fläche
Versagens‐Wahrscheinlichkeit
25%
2.50%
1.25%
2.00%
5.75% Tabelle B.2: Beispielrechnung zur Sprinkler‐Zuverlässigkeit im Brandfall. Die Annahmen zur Betriebsbereitschaft der Sprinkleranlagen in Tabelle B.2 (kursiv) sind rein fiktiv und dienen lediglich zu Illustrationszwecken. Die Zahlen in der Beispielberechnung beziehen sich nur auf die „räumliche“ Verfügbarkeit der mangelhaften Sprinkleranlagen: So führt zum Beispiel ein defekter Sprinklerkopf im Brandfall nur dann zum Sprinklerversagen, wenn der Brand nicht durch andere Sprinklerköpfe gelöscht werden kann. In der Berechnung ist nicht berücksichtigt, dass Brandereignisse in einem Gebäudeleben deutlich seltener vorkommen als Kontrollen von Sprinkleranlagen seitens der Betreiber oder Behörden. Die Wahrscheinlichkeit, dass gravierende Mängel entdeckt und behoben werden, ehe es brennt, ist abhängig von der Häufigkeit und Qualität der Kontrollen. Die Beispielrechnung zeigt aber bereits, wie gross die Abweichungen zwischen der Abschätzung der Sprinkler‐Zuverlässigkeit aus Mängelstatistiken und der Realität sein können. Eine Abschätzung der Zuverlässigkeit von Sprinkleranlagen aus Daten zu beobachteten Bränden (d.h. aus Feuerwehr‐ oder Versicherungsstatistiken) führt zu besseren Ergebnissen. Eine sehr gut dokumentierte Studie zur Sprinklerzuverlässigkeit und –Effektivität wurde von Hall (2010) auf Basis der US‐Feuerwehrstatistik durchgeführt. Bei Nassanlagen (wet pipe sprinkler) in Bürogebäuden war 151 Wirtschaftliche Optimierung im vorbeugenden Brandschutz die Zuverlässigkeit im Brandfall 96%. Als Sprinklerversagen gelten sowohl Fälle, bei denen der Sprinkler nicht funktionsfähig war (z.B. weil das System zum Zeitpunkt des Brandes abgeschaltet war) als auch Fälle, bei denen zwar einer oder mehrere Sprinklerköpfe aktiviert wurden, diese das Feuer aber nicht kontrollieren konnten (z.B. weil nicht genügend Wasser den Brandherd erreichen konnte). Von der Berechnung ausgeschlossen wurden Fälle, bei denen das Feuer zu klein war, um den Sprinkler auszulösen, sowie Fälle, bei denen das Feuer in einem nicht gesprinklerten Bereich ausgebrochen ist. Weitere Abschätzungen der Sprinkler‐Zuverlässigkeit sind in Hosser (2009) angegeben. Die dort aufgeführten Zuverlässigkeiten sind alle höher als 96%. So wurde zum Beispiel aus statistischen Daten der VdS Schadenverhütung GmbH eine Versagenswahrscheinlichkeit von lediglich 1.9% ermittelt. B.4
Annahmen zur Modellierung der RSET für Räume mit hoher Personenbelegung Die folgenden Aspekte bleiben in der Modellierung der RSET mit dem in Kapitel 8.4 verwendeten bilinearen Modell unberücksichtigt: ‐
‐
‐
‐
‐
‐
‐
Einfluss der Personendichte: Die RSET wird unabhängig von der Personendichte modelliert. Die Personendichte beeinflusst den Zeitpunkt der Staubildung bzw. die Verzögerung T0 im bilinearen Modell. Das bilineare Modell ist daher nur für hohe Personendichten anwendbar. Konstante Durchströmkapazität: Im bilinearen Modell wird angenommen, dass der Personenstrom durch die Ausgänge im Verlauf der Evakuierung konstant ist. Es ist nicht klar, ob dieses in Evakuierungsversuchen beobachtete Verhalten (vgl. Rinne, Tillander et al. (2010)) auch im Brandfall gegeben ist. Ein erhöhter Druck auf die Ausgänge kann den Personenstrom sowohl erhöhen als auch zum Blockieren der Ausgänge führen. Crowd Disasters: Kritische Situationen durch hohen Druck auf die Ausgänge, oft irreführend als „Panikverhalten“ bezeichnet, werden durch das Modell nicht erfasst. Wahl der Ausgänge: Bei Räumen mit mehreren Ausgängen sind diese oft nicht alle gleich ausgelastet. Dies führt zu einer ineffizienten Nutzung der totalen Fluchtwegbreite. Eine Berücksichtigung im bilinearen Modell ist möglich, erfordert aber zusätzliche Annahmen. Blockierte Ausgänge: Das Szenario eines blockierten Ausgangs wird in Abschnitt 8.4.5 mit Hilfe des bilinearen Modells diskutiert, bei den Berechnungen (Abschnitt 8.4.6) ist die Wahrscheinlichkeit eines blockierten Ausgangs allerdings nicht berücksichtigt. Zusammenfluss von Personenströmen: Bei der gleichzeitigen Evakuierung unterschiedlicher Räume bzw. Stockwerke kann die Evakuierung aus den stärker gefährdeten Bereichen eines Gebäudes behindert werden. Die Berechnungen mit dem bilinearen Modell betrachten nur die Evakuierung eines einzelnen Raumes ohne Interaktion mit anderen Personenströmen. Überholmanöver und Gegenstrom: Stockungen durch Überholmanöver im Fluchtweg und entgegenkommende Personen (z.B. Feuerwehrleute) bleiben unberücksichtigt. Diese sind vor allem für die Festlegung der absoluten Mindestbreiten der einzelnen Ausgänge relevant. 152 

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