Naher Osten n Die aktuelle Gefährdung religiöser Minderheiten
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Naher Osten n Die aktuelle Gefährdung religiöser Minderheiten
LO Christian Solidarity International Die aktuelle Gefährdung religiöser Minderheiten Naher Osten n R e f e r a t v o n D r. J o h n E i b n e r a n d e r U n i v e r s i t ä t Z ü r i c h Inhalt n Die aktuelle Gefährdung religiöser Minderheiten im Nahen Osten n Referat | Autor......................................................................................................................................... 3 Massaker an Christen in Bagdad und internationale Reaktionen............................................................ 4 Massaker an Christen in Alexandria und internationale Reaktionen....................................................... 7 Laufende Dezimierung religiöser Minderheiten im Nahen Osten ........................................................... 10 Unverminderte Verfolgung religiöser Minderheiten nach «Arabischem Frühling» .................................. 16 Westliches Menschenrechtskonzept prallt auf Scharia........................................................................... 19 Ein hoher Preis für religiöse Minderheiten.............................................................................................. 24 Fazit: Düstere Zukunft für religiöse Minderheiten................................................................................... 28 Die Zukunft religiöser Minderheiten im Nahen Osten – Vortragsreihe und Konferenz.......................... 30 Bücher und Berichte zum Thema ............................................................................................................. 32 n Zum Referat n Über den Redner / Autor Dies ist die aus dem Englischen übersetzte Rede, die Dr. John Eibner am 7. März 2013 auf Einladung des Forums für Demokratie und Menschenrechte an der Universität Zürich gehalten hat. Sie kann auch in englischer Fassung bestellt werden und ist auf Youtube verfügbar: Dr. John Eibner ist Historiker und seit langem Projektleiter bei Christian Solidarity International (CSI) für den Sudan/Südsudan und den Nahen Osten. Er ist zudem Mitglied der Geschäftsleitung von CSI-Schweiz und Geschäftsführer von CSI USA. ChristSolidarInt Weitere Exemplare der Broschüre senden wir Ihnen gerne zu: CSI-Schweiz Zelglistrasse 64 8122 Binz 044 982 33 33 LO-schweiz.ch Impressum CSI | Christian Solidarity International ist eine christliche Menschenrechtsorganisation für Religionsfreiheit und Menschenwürde. Geschäftsführer: Benjamin Doberstein n Chefredaktor: Adrian Hartmann | [email protected] n Grafik: Thomas Brunner n Übersetzung: Luise Fast n Korrektur: Hildegard Behr n Anschrift: CSI-Schweiz | Zelglistrasse 64 | Postfach 70 | 8122 Binz n 044 982 33 33 | [email protected] n LO-schweiz.ch CSI.Schweiz csischweiz ChristSolidarInt n Copyright: Verbreitung mit Quellenangabe kostenlos und erwünscht. Wir freuen uns über ein Belegexemplar. n Spendenkonto: Postcheck 80-22429-9 n CSI ist als gemeinnützig anerkannt. Spenden sind in allen Kantonen entsprechend den kantonalen Richtlinien von den Steuern absetzbar. n Titelseite Türe der syrisch-katholischen Kirche in Bagdad, wo im Oktober 2010 über 50 Christen umgebracht wurden. CSI CSI.Schweiz csischweiz ChristSolidarInt Bildquellen: csi Christian Solidarity International | wm Wikimedia Commons LO-schweiz.ch 3 Massen m o r d f ü r Me d i e n i n s ze ni e r t Massaker an Christen in Bagdad und internationale Reaktionen n Unter Allahu Akbar-Rufen stürmten am 31. Oktober 2010 etwa zehn schwer bewaffnete, gut organisierte Dschihadisten die nur schwach gesicherte syrisch-katholische Kirche Sayidat an-Nejat in Bagdad. In den folgenden vier Stunden voller Terror und Gewalt wurden über 50 Menschen getötet, mehr als 70 Personen wurden verletzt, einige verloren Augen, Arme oder Beine. Die der al-Qaida nahestehende Gruppe Islamischer Staat Irak bekannte sich zum Angriff auf die nach ihren Worten «dreckige Höhle des Götzendienstes». Sie kündigte an, dass das «Schwert des Todes nicht vom Nacken der Christen des Irak weichen» werde, bis ihre Forderungen erfüllt würden. Das Massaker an den christlichen Geiseln war für die Medien inszeniert worden. Die Drahtzieher des Anschlags hatten eine bedeutende Kirche in der Hauptstadt ausgewählt, die für die internationale Presse leicht zu erreichen war, und spielten der Presse während des Blutbades wirkungsvoll aufeinander abgestimmte Nachrichten zu. Der Plan ging auf. Lange bevor irakische Spezialeinheiten LO-schweiz.ch die Kirche stürmten, waren CNN, al-Jazeera und die BBC bereits mit den Neuigkeiten auf Sendung. Am folgenden Morgen waren rund um den Globus in der Presse Schlagzeilen zu lesen, die auf die existenzielle Bedrohung der irakischen Christen hinwiesen: «Irakische Christen geloben zu bleiben» (Time Magazine), «Iraks Krieg gegen die Christen» (Los Angeles Times), «Irakische Christen überdenken Zukunft nach tödlichem Angriff» (IRIN), «Irakische Christen fürchten Pogrom» (The Guardian). Die Reaktion der US-Regierung war weit weniger deutlich. Lieutenant Colonel Eric Bloom, Sprecher der US-Armee im Irak, ignorierte in seinem Statement die offensichtlich religiöse Dimension des Massenmords an Christen im Namen des Islam. Er bezeichnete die Bluttat – ähnlich wie später den Angriff auf die US-Botschaft in Benghazi – als einen «Raubüberfall, der ausser Kontrolle geriet», und fügte die Bemerkung hinzu, «al-Qaida muss auf Kleinkriminalität zurückgreifen, um sich zu finanzieren». («al-Qaida Claims Iraq Church Attack», al-Jazeera, 2. November 2010) Beim Anschlag auf die syrisch-katholische Kirche in Bagdad wurden über 50 Christen getötet csi 5 Massake r g e zi e l t e r Ve r s u c h, d i e Chr i s t e n au s d em L an d zu jag en «Was mit C hristen im Nahen O sten passiert, ist G enozid. » Massaker an Christen in Alexandria und internationale Reaktionen n Weder Präsident Barack Obama noch Aussenministerin Hillary Clinton kommentierten den Vorfall. Lediglich der Pressesprecher des Weissen Hauses, Robert Gibbs, gab gegenüber der Presse eine konturlose Stellungnahme ab. Darin verurteilte er «den sinnlosen Akt der Geiselnahme und der Gewalt», ohne auf die religiöse Motivation des Terroranschlags oder auf die Religionszugehörigkeit der Opfer einzugehen. So lag es an der irakischen Ministerin für Menschenrechte, der Christin Wijdan Mikhiel, die religiöse Dimension in den öffentlichen Diskurs zu bringen. Mikhiels Einschätzung des Massakers war eine gänzlich andere als die Washingtons. Nach ihrer Beurteilung war der schreckliche Anschlag kein «sinnloser Akt», sondern ein gezielter Versuch, «die Christen aus dem Land zu jagen». LO-schweiz.ch Verurteilungen. Nachdem Obama Zwei Monate später wurde ein dafür kritisiert worden war, dass weiterer Terroranschlag auf Chriser keine eigene Stellungnahme zu ten verübt, der wiederum Schlagdem Bagdad-Massaker abgegeben zeilen machte. Auch dieses Mal war hatte, verurteilte der US-Präsident der Schauplatz ein Medienzentrum in einer schriftlichen Mitteilung den des Nahen Ostens: die MillionenAnschlag in Alexandria und fügte stadt Alexandria in Ägypten. Mehr Amin Gemayel, hinzu, dass die «Urheber des Anals eintausend koptisch-orthodoxe ehem. Präsident schlags eindeutig christliche GotGottesdienstbesucher verliessen des Libanon tesdienstbesucher im Visier» hatnach dem mitternächtlichen Neuten, und dass ihnen «jeglicher Respekt für jahrsgottesdienst gerade die St.-Markus-Kirmenschliches Leben und Würde abging». che, als eine gewaltige Explosion mitten in Es gab jedoch auch einige bedachtere, der Menschenmenge Nägel, Stahlkugeln und gehaltvollere und überraschend klare ReakMetallsplitter in alle Richtungen schleuderte. tionen von anderen Staatsmännern. «Was 23 Christen starben, 97 wurden verwundet. mit den Christen im Nahen Osten Dieses Mal übernahm zwar keine passiert, ist Genozid», erklärte der Terrorgruppe die Verantwortung, ehemalige libanesische Präsident aber vieles wies auf die Täterschaft Amin Gemayel vor der internatiovon al-Qaida hin. nalen Presse in Beirut am 3. Januar Der medienwirksame Massen2011. Wenige Tage später äusserte mord an Christen in Bagdad und auch der damalige französische Alexandria veranlasste Politiker Präsident, Nicolas Sarkozy, eine weltweit zu den üblichen KondoNicolas Sarkozy, ähnliche Einschätzung: «Wir könlenzbekundungen und zu mit dipehem. Präsident nen das, was sich zunehmend als lomatischer Vorsicht formulierten Frankreichs 7 «Ein ausgesprochen perverser, religiöser Säuberungsplan im Nahen Osten» ein ausgesprochen perverser religiöser Säuberungsplan im Nahen Osten entpuppt, auf keinen Fall hinnehmen.» Sarkozy beauftragte seinen Premierminister François Fillon, Senator Adrien Gouteyron mit der Abfassung eines Berichts über die Situation der christlichen Gemeinschaften im Nahen Osten zu betrauen. Der Premierminister bemerkte dazu: «Die Christen des Nahen Ostens sind mit schweren Problemen konfrontiert, die in den letzten Jahren einen Massenexodus aus ihren Heimatländern provoziert haben.» Fillon sah ebenso wie Obama den Grund dafür im Terrorismus. Anders als der amerikanische Präsident machte er jedoch auf eine tiefer liegende und beunruhigendere Ursache aufmerksam: «wachsende Spannungen in der örtlichen Bevölkerung». Damit wies der französische Premier zu Recht darauf hin, dass nicht nur die Terroristen von al-Qaida an dem Exodus der Christen und anderer religiöser Minderheiten schuld sind, wie einige westliche Politiker der Öffentlichkeit weismachen wollen. Es existieren grosse Probleme innerhalb der islamisch LO-schweiz.ch dominierten Gesellschaft des Nahen Ostens, die zur Flucht von Christen und anderen religiösen Minderheiten aus der Region führen. In der Silvesternacht 2010 Ziel des Anschlags: St.-Markus-Kathedrale von Alexandria wm 9 Naher O st e n wi r d z un e hm e nd ho m o ge n e r Laufende Dezimierung religiöser Minderheiten im Nahen Osten n Über die drastische Wortwahl von Gemayel und Sarkozy lässt sich streiten. Das Verschwinden der Christen und anderer religiöser Minderheiten aus dem Nahen Osten ist jedoch eine unübersehbare Tatsache. Während Europa und der Rest der westlichen Welt immer pluralistischer und multikultureller werden, verliert der Nahe Osten mit grosser Geschwindigkeit seine religiöse Vielfalt und wird zunehmend homogener. Man kann diese Entwicklung anhand der Anzahl der religiösen Stätten im Westen und im Nahen Osten deutlich beobachten. Im Westen wächst der Anteil der muslimischen Bevölkerung, die Anzahl der Moscheen nimmt schnell zu. Dagegen werden in weiten Teilen des Nahen Ostens immer öfter Gemeinden verboten und Kirchen entweiht oder gar Ziel von Bombenanschlägen. Insgesamt ist ein deutlicher Anstieg an Gewalttaten gegen Christen zu verzeichnen. Bevor ich hier jedoch weiterfahre, sollte ich erwähnen, dass es zwei Staaten in der Region gibt, in denen dieser besorgniserregende Trend nicht Fuss gefasst hat. In Israel LO-schweiz.ch wächst der Anteil der christlichen Bevölkerung (nicht jedoch in den besetzten Gebieten), was sich auf die wachsende Geburtenrate arabisch-christlicher Familien und die Einwanderung von Christen aus Russland und anderen Teilen der Welt zurückführen lässt. Oft handelt es sich bei den Einwanderern um Ehepartner von Juden. Auch in Katar wächst die christliche Bevölkerung, hier hauptsächlich wegen der Einwanderung von Arbeitskräften aus aller Welt, die am wirtschaftlichen Boom des Emirats teilhaben wollen. Der Emir von Katar erlaubt sogar den Bau von Kirchen, um den spirituellen Bedürfnissen der Einwanderer entgegenzukommen. Doch Israel und Katar stellen die grosse Ausnahme dar. Schon im Jahr 2001 prophezeite Daniel Pipes in seinem Artikel «Das Verschwinden der Christen im Nahen Osten» (Middle East Quarterly): «Wenn dieser Trend weiter anhält, werden im Jahr 2020 von den 12 Millionen Christen des Nahen Ostens nur noch 6 Millionen übrig sein. Im Laufe der Zeit werden die Christen als kulturelle und politische CSI hilft Flüchtlingsfamilien in Syrien csi 11 Vor dem Ersten Weltkrieg im Nahen Osten noch bis zu 25 % Nichtmuslime Gruppe praktisch komplett aus der Region verschwinden.» Verlässliche demografische Daten über den Nahen Osten sind sehr schwer zu bekommen. Dennoch weist Pipes’ Einschätzung der Lage auf einen besorgniserregenden Trend hin, den man angesichts der vorhandenen empirischen Nachweise nicht ignorieren kann. Die grössten Emigrationswellen von Christen, Juden und anderen religiösen Minderheiten in den letzten hundert Jahren waren immer mit grossen Gewaltausbrüchen verbunden. Beispiele dafür sind der Völkermord an den Armeniern und den Assyrern in der Türkei, die assyrischen Massaker im Irak, die arabisch-israelischen Konflikte, der Bürgerkrieg im Libanon, das Aufblühen des Terrorismus in Mesopotamien nach der amerikanischen Invasion bis hin zu den gegenwärtigen Unruhen in der ganzen Region, die durch den so genannten Arabischen Frühling ausgelöst wurden. Man muss auch erwähnen, dass auf dem Gebiet des heutigen Saudi-Arabien seit den frühesten Jahren des islamischen Staats LO-schweiz.ch Nichtmuslimen das öffentliche Ausleben ihres Glaubens verboten ist, ganz zu schweigen vom Zurschaustellen von religiösen Symbolen. Bevor ich auf die Akteure komme, die Christen und andere religiöse Minderheiten aus dem Nahen Osten vertreiben, möchte ich einen Blick auf die Region und die religiösen Minderheiten werfen, die sie bewohnen. Als die islamische Eroberung der arabischen Halbinsel im 7. Jahrhundert begann, war der grösste Teil des byzantinisch regierten Nahen Ostens christlich. Selbst vor dem Ersten Weltkrieg waren noch 20 bis 25 % der Bevölkerung des unter islamischer Herrschaft stehenden Nahen Ostens Nichtmuslime. Die grosse Mehrheit dieser nichtmuslimischen Minderheit waren Christen. Heute dürfte der nichtmuslimische Bevölkerungsanteil der Region (ohne Israel) deutlich unter 5 % liegen. Die Christen der Region gehören einer Vielzahl historischer Bekenntnisse und Riten an. Es gibt verschiedene Katholiken, Orthodoxe, Kopten, Assyrer und andere. Seit dem 19. Jahrhundert gibt es auch einige kleine pro- Juden waren über Jahrtausende eine bedeutende Minderheit testantische Gemeinden, die durch die Tätigkeit westlicher Missionare entstanden sind. Ebenso existieren kleinere jahrhundertealte Gemeinschaften wie die Drusen, die levantinischen Alawiten und die Jesiden und Mandäer von Mesopotamien. In letzter Zeit hat zudem der Glaube der Bahai den Weg in die höhere ägyptische Gesellschaft gefunden. Auch die Juden müssen genannt werden, wenn von den religiösen Minderheiten des Nahen Ostens die Rede ist. Während die Juden heute in Israel die Mehrheit stellen, waren sie über Jahrtausende eine bedeutende Minderheit in der gesamten Region. Obwohl sie im Osmanischen Reich zahlenmässig eine eher kleine Minderheit darstellten, spielten die Juden doch eine bedeutende Rolle in Wirtschaft und Wissenschaft. Besonders gut etabliert war die jüdische Gemeinschaft des Irak, die dort seit der babylonischen Gefangenschaft im 6. Jahrhundert vor Christus eine bleibende Heimat gefunden hatte. Die Juden hatten unter teilweise sehr schwierigen Umständen Jahrhunderte islamischer Herrschaft überlebt. Heute gibt es im Irak weniger als 10 Juden. In der vermeintlich so fortschrittlichen zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, die aus der Erfahrung des Holocaust gelernt haben will, blutete die gesamte irakisch-jüdische Gemeinschaft aus. Der Hintergrund dieser Tragödie war der Konflikt zweier anscheinend unvereinbarer Ideologien: des arabischen Nationalismus und des Zionismus. Beide Bewegungen erhoben Anspruch auf dasselbe Land und beide beruhten auf einer stark religiösen Grundlage, die wenig Raum für Kompromisse liess. Die uralten jüdischen Gemeinden von Kairo, Alexandria und Damaskus sehen heute sehr ähnlich aus wie das praktisch judenfreie Bagdad. Vor einigen Jahren machte ich auf einer Irakreise Halt in dem heute rein christlichen Dorf Alqosh in der Nähe von Mosul. Vor 50 Jahren war ein bedeutender Teil der Bevölkerung von Alqosh jüdisch. Ihr ganzer Stolz war eine Synagoge, die nach jüdischer Überlieferung an der Stelle des Grabes des biblischen Propheten Nahum stand. Die Synagoge ist heute eine kaum beachtete, verfallene Ruine. Die Juden von Alqosh flohen im Verlauf der 13 Nach dem «Samstags-Volk» wird auch das «Sonntags-Volk» vertrieben antijüdischen Kampagne des Staates in den 1960er Jahren. Als ich in Alqosh war, führte ich ein Interview mit einer älteren christlichen Frau. Sie war in Alqosh geboren, hatte jedoch lange in Mosul gelebt. Nachdem ihr Mann nach dem Sturz Saddam Husseins von Terroristen ermordet worden war, kehrte sie an ihren Geburtsort zurück. Sie konnte sich noch gut an die Flucht der Juden aus Alqosh erinnern. Als kleines Mädchen bekam sie mit, wie die Juden alles Eigentum, das sie nicht mitnehmen konnten, verkauften. Sie begleitete ihre Eltern, als diese sich zu einer jüdischen Familie begaben, um Möbel zu kaufen. Während die Eltern feilschten, beobachtete sie, wie sich eine christliche Frau aus dem Dorf über das Unglück der Juden lustig machte. Die jüdische Hausherrin drehte sich zu der Frau um, erhob ihren Zeigefinger und sagte: «Vergesst nicht, dass auf den Samstag der Sonntag folgt. Was heute dem Samstags-Volk passiert, wird eines Tages auch das SonntagsVolk treffen.» Als kleines Mädchen war ihr die politische Dynamik hinter der Vertreibung der LO-schweiz.ch Juden aus dem Irak nicht klar. Heute versteht sie, dass jetzt der Tag des «Sonntags-Volks» des Nahen Ostens gekommen ist: Heute sind es im Irak die Christen, die um ihr Überleben kämpfen. Suhaila Shamon (rechts) erlebte die Vertreibung der Juden aus Alqosh mit; hier mit Familienangehörigen csi 15 Syrien u n d Äg yp t en Unverminderte Verfolgung religiöser Minderheiten nach «Arabischem Frühling» n Nach den Revolten des «Arabischen Frühlings» hat die Verfolgung der Christen und anderer religiöser Minderheiten nicht nachgelassen. Eine radikale Variante des sunnitischen Islam, die auf der Scharia gründet, ist zur dominierenden politischen Kraft geworden. Der Slogan der aufsteigenden Islamisten lautet: «Die Scharia ist die Antwort!» Die USA, Europa und ihre Verbündeten im Nahen Osten sind offenbar gewillt, dieses gefährliche Experiment substanziell zu unterstützen. In den Wirren des Bürgerkriegs in Syrien ist immer wieder der einen Genozid heraufbeschwörende Schlachtruf zu hören: «Alawiten ins Grab, Christen nach Beirut!» Die Berichte, die man in den Medien liest oder die ich von Menschen aus Syrien bekomme, bestätigen, dass Christen und andere religiöse Minderheiten zu einem Ziel für die islamistischen Rebellen geworden sind. Es scheint, als ob sich in Syrien eine schlimmere Katastrophe abspielen könnte als im Irak nach dem Sturz Saddam Husseins, als über die Hälfte der irakischen Christen ihre Heimat verlassen mussten. Es ist ein Fall von tragischer Ironie, LO-schweiz.ch dass damals viele von ihnen ausgerechnet in Syrien Zuflucht fanden. Auch in Ägypten wächst die Zahl der gewaltsamen Übergriffe gegen Christen und es herrscht eine Atmosphäre, die Gewalt begünstigt. Im November 2012 berichtete die ägyptische Wissenschaftlerin Dr. Mariz Tadros bei einem CSI-Vortrag in Zürich über beunruhigende Fälle von Säuberungsaktionen gegen Christen in einigen abgelegenen ägyptischen Ortschaften (mehr über Mariz Tadros sowie der Vortrag als Video auf www.middle-east-minorities.com). Tadros warnte vor der gegenwärtigen Entwicklung hin zu einer autoritären Mehrheitsregierung in Ägypten, die Diskriminierungen von religiösen Minderheiten und Frauen nicht nur duldet, sondern auch institutionalisiert. Die heutige Situation in Ägypten ähnelt auf erschreckende Weise der Zeit der antijüdischen Diskriminierung und Gewalt im Polen und Russland des späten 19. Jahrhunderts oder in Zentraleuropa in den 1920ern und 30ern, als der Faschismus die Oberhand gewann. Auch wenn die schroffen Aussagen von Sarkozy und Gemayel wohl einer gewissen Der Tahrir-Platz in Kairo, eines der Zentren des «Arabischen Frühlings» wm 17 Gefährliche Rahmenbedingungen für Genozide und religiöse Säuberungen In t er n at ionaler Minderheitenschutz scheint nicht zu wirken Westliches Menschenrechtskonzept prallt auf Scharia n Differenzierung bedürfen, so ist dennoch zweifellos richtig, dass sich gegenwärtig gefährliche Rahmenbedingungen entwickeln, die Genozide und religiöse Säuberungen begünstigen. In den 1920er und 30er Jahren wurden diejenigen, die angesichts des erstarkenden Faschismus einen Genozid in Europa prophezeiten, in der westlichen Welt kaum zur Kenntnis genommen. Heute ist dies ähnlich. LO-schweiz.ch Wie kann es sein, dass in unserer fortschrittlichen, aufgeklärten Zeit religiöse Minderheiten aus dem Nahen Osten vertrieben werden? In einer Zeit, in der die amerikanischen Präsidenten und andere westliche Führungspersonen immer wieder betonen: «Nie wieder!» und in der Minderheiten, egal ob religiöse oder andere, von internationalen Gesetzen besser geschützt werden als zu jeder anderen Zeit der Geschichte? Heute existiert eine Vielzahl von internationalen Verträgen, Konventionen und Erklärungen, die die Sicherheit von Minderheiten garantieren, darunter die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, die Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes, der Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte sowie die UNO-Erklärung der Rechte von Angehörigen von nationalen, ethnischen, religiösen und sprachlichen Minderheiten. Die Vereinten Nationen und andere internationale Organisationen bauten einen enormen Beamtenapparat und ein breites Netzwerk von Institutionen auf, um die Achtung von Minderheitsrechten zu fördern. Betrachtet man die historischen Entwicklungen, die dem international kodifizierten Minderheitenschutz vorausgingen, werden die Zusammenhänge sichtbar, die zum modernen Massenexodus religiöser Minderheiten aus dem grössten Teil des Nahen Ostens geführt haben. Im christlichen Europa begann die Entwicklung von internationalen Vereinbarungen zum Schutze von Minderheiten 1648 mit der Unterzeichnung des Westfälischen Friedens durch souveräne Staaten. Während sich das Staatensystem des modernen Europa zu formen begann, erfuhr diese Entwicklung eine Säkularisierung durch die Aufklärung. Das, was man bis dahin als «Christenheit» bezeichnete, wurde zur säkularen westlichen Welt. Ihr Wertesystem stützt sich auf die Aufklärung, die hauptsächlich auf der jüdisch-christlichen Tradition beruht. Im 20. Jahrhundert gewannen die Menschenrechte, die auf der westlichen Aufklärung beruhen, einen übergeordneten, universellen Charakter, insbesondere durch die zu dieser Zeit von den Vereinigten Staaten und 19 Im N ah e n O st e n pr a l l t e n di e e u ro pä i s c h en Wer t e au f d ie Sch ar ia den europäischen Mächten dominierten Vereinten Nationen. Während der Kreuzzüge stiess das westliche Christentum erstmals in den islamisch regierten Nahen Osten vor. Doch erst im 19. Jahrhundert kam der muslimisch dominierte Nahe Osten unter den Einfluss der Gesetze und Gepflogenheiten der säkularen Aufklärung. Dieser Einfluss war durch die massiven geopolitischen Umwälzungen im weltweiten Mächtegleichgewicht möglich geworden. Während der Westen zunehmend an Macht gewann, schwand die Macht des islamischen Osmanischen Reichs, das zumindest nominell den gesamten Nahen Osten umfasste. Die europäischen Kolonialmächte, allen voran Grossbritannien, Frankreich und die Habsburger Monarchie, fürchteten den Zusammenbruch des Osmanischen Reichs. Ein derartiger Umbruch hätte einen gewaltsamen und unkontrollierbaren Konflikt zwischen den europäischen Mächten hervorrufen können, die ihre strategischen und wirtschaftlichen Interessen in der Region wahren wollten. LO-schweiz.ch Die Lösung, die der Westen für das Osmanische Reich zu haben glaubte, war eine Reihe von westlichen Reformen. Das Ziel war, das Osmanische Reich so intakt wie möglich zu halten und zu reformieren, damit es in das europäische Staatensystem des Westfälischen Friedens aufgenommen werden und so eine konstruktive Rolle im europäischen Konzert spielen konnte. Nach dem Zusammenbruch des Osmanischen Reiches am Ende des Ersten Weltkriegs bekamen Grossbritannien und Frankreich vom Völkerbund Verwaltungsmandate für Mesopotamien, Syrien und Palästina übertragen. Damit wuchs der direkte Einfluss des aufklärerischen Wertesystems auf die Region erneut. Im Nahen Osten jedoch prallten diese europäischen Werte auf ein anderes umfassendes Wertesystem – die Scharia. Während die Werte der Aufklärung, die sich in den international anerkannten Menschenrechtsvereinbarungen widerspiegeln, tendenziell das Prinzip der Gleichheit aller Menschen betonen, postulieren die Werte der Scharia eine Die UNO in Genf wm 21 «Der Status als Dhimmis führte dazu, dass Ungleichbehandlung göttliche Rangordnung unter den Menschen. Die Scharia fördert ein muslimisches Überlegenheitsdenken und weist zugleich allen Nichtmuslimen als kuffar (Ungläubige) eine untergeordnete Rolle zu. Im traditionellen Scharia-System bietet die islamische Obrigkeit Nichtmuslimen und ihren Gemeinschaften Schutz und verleiht ihnen den Dhimmi-Status, solange sie die Autorität des Islam nicht in Frage stellen oder gar bedrohen. Wer das islamische System nicht unterstützt, steht ausserhalb des Gesetzes und erhält keinen Schutz. Der mittlerweile verstorbene Professor Kenneth Cragg, der sich intensiv mit dem christlich-islamischen Dialog befasste, beschrieb die Grenzen der Toleranz in der Scharia-Gesetzgebung wie folgt: «Der Status als Dhimmi oder ‹geduldete Minderheit› unter dem Islam führte innerhalb der alten christlichen Gemeinschaften langfristig dazu, dass Ungleichbehandlung stillschweigend hingenommen wurde. Der Dhimmi-Status gewährte nur ein Bleiberecht. Der Glaube durfte nur innerhalb der Familie LO-schweiz.ch weitergegeben werden. So wurde die religiöse Zugehörigkeit zu einer Sache der Geburt und die Weitergabe des Glaubens zur Sache einer geschlossenen Gemeinschaft. Ausserhalb dieser Gemeinschaft gab es keine Freiheit, den Glauben öffentlich zu bezeugen oder gar dafür zu werben.» Das Verbot der Verbreitung von nicht islamischen Glaubensvorstellungen durch die Scharia und die drakonische Bestrafung der Konversion zu nichtislamischen Religionen mit dem Tod führt dazu, dass religiöse Minderheiten auf Dauer verkümmern und aussterben, selbst wenn es keine direkte gewaltsame Verfolgung gibt. Der religiöse Überlegenheitsglaube ist ein Schlüsselelement der radikal-islamischen Ideologie, die momentan unter den Machthabern im Nahen Osten Fuss fasst. Es bleibt abzuwarten, ob die regionalen islamistischen Mächte gegenüber den immer noch überlegenen westlichen Mächten mehr als bloss taktische Konzessionen machen wollen und können, oder ob sich ein kompromisslos radikaler Islamismus durchsetzt und es letztlich stillschweigend hingenommen wurde» zu einer Entwicklung vergleichbar mit dem Faschismus in Europa kommt, der dann in der Mitte des 20. Jahrhunderts durch eine militärische Übermacht gestoppt wurde. Es darf andererseits aber auch nicht der Eindruck entstehen, dass das, was ich der Kürze halber «Wertesystem der Aufklärung» nenne, keinen Einfluss auf den islamisch dominierten Nahen Osten gehabt hätte. In den vergangenen zwei Jahrhunderten wurde das System der Scharia stark erschüttert. Wir alle kennen Muslime, die voll und ganz hinter den Werten der Aufklärung stehen und die bereit sind, grosse Opfer zu bringen, um sie zu schützen. Es gibt einige durchaus ehrenhafte Initiativen in der Region. So rief zum Beispiel Turan Kayaoglu vom Brookings Doha Center die überstaatliche Organisation für Islamische Zusammenarbeit dazu auf, die Kairoer Erklärung der Menschenrechte im Islam zu revidieren, weil sie sämtliche Menschenrechte von den diskriminierenden Prinzipien der Scharia abhängig macht. Kayaoglu und andere wünschten sich eine Übereinstimmung der islamischen Menschenrechtserklärung mit den universalen Menschenrechtsinstrumentarien der UNO. Trotz derartiger Initiativen konnten die Werte der Aufklärung das Wertesystem der Scharia jedoch bisher nicht überwinden, weder im Nahen Osten noch im Westen. Im Gegenteil: Auch in Europa werden zunehmend Rufe laut nach der Einführung von SchariaNormen. Der Überlegenheitsdünkel des Islam und seiner Anhänger gegenüber Andersgläubigen bleibt ein zentraler Punkt in der muslimischen Gesellschaft. Er ist Teil dessen, was man im muslimisch dominierten Nahen Osten Gewohnheitsrecht nennen könnte, auch wenn er nicht im normierten Recht festgehalten ist. 23 S ich für d i e We r t e d e r Au fk l ä ru ng z u e n tsch eid en , war g ef äh r lich . n Ein hoher Preis für religiöse Minderheiten Die religiösen Minderheiten des Nahen Ostens standen in den beiden vergangenen Jahrhunderten vor der schwierigen Wahl, sich entweder mit den islamischen Mächten zu arrangieren, um von ihnen Schutz zu erhalten, oder sich für die Werte der Aufklärung zu entscheiden, die ihnen die westlichen Mächte boten. Insbesondere nach dem Abzug der europäischen Mächte glaubten viele christliche Intellektuelle des 20. Jahrhunderts, dass die Überlebenschancen der religiösen Minderheiten steigen würden, wenn sie sich mit dem arabischen Nationalismus verbündeten. Sie betrachteten den arabischen Nationalismus als eine Art romantisierten Ableger der säkularen Aufklärung. Doch diese Strategie brachte nur kärgliche Ergebnisse. Das Aufeinanderprallen zweier gegensätzlicher Wertesysteme mit universellem Anspruch machte die Situation der religiösen Minderheiten des Nahen Ostens sogar noch gefährlicher, als sie zu der Zeit war, wo sie sich «nur» der Scharia unterzuordnen hatten. Sich für die Werte der Aufklärung zu entscheiden, war von Anfang an gefährlich. Als LO-schweiz.ch Napoleon 1798 das osmanische Ägypten besetzte, inszenierte er sich als islamischer Herrscher, um seine muslimischen Untertanen für sich zu gewinnen. Er versprach, die islamischen Werte zu schützen, und befahl seinen Soldaten und Beamten, die Muslime und ihre Institutionen respektvoll zu behandeln. Napoleon war jedoch weder zum Islam konvertiert, noch etablierte er ein Regierungssystem, das sich auf die Scharia berief. Er führte vielmehr die säkularen Wertevorstellungen der europäischen Aufklärung ein und versprach der koptischen Minderheit Freiheit von der diskriminierenden Scharia. So kam es, dass sich einige prominente Kopten dem französischen Ungläubigen anschlossen, der die Werte der Aufklärung vertrat. Napoleon machte der bedrängten koptischen Minderheit ein sehr attraktives Angebot: «Es wird mir immer eine Freude sein, (die koptische Gemeinschaft) zu beschützen. Von jetzt an sollen Kopten nicht mehr diskriminiert werden; und sobald es die Umstände Napoleon in Ägypten, Gemälde von Guillaume-François Colson wm 25 «Von heute an erlaube ich den Kopten, Waffen zu tragen, Esel oder Pferde erlauben, werde ich den Kopten das Recht auf freie Religionsausübung verleihen, wie es in Europa üblich ist, wo jeder seinen Glauben (frei) ausüben kann. Ich werde jene Dörfer schwer bestrafen, die während der Unruhen Kopten getötet haben. Von heute an erlaube ich den Kopten, Waffen zu tragen, Esel oder Pferde zu reiten, Turbane zu tragen und sich zu kleiden, wie es ihnen beliebt.» Die muslimische Öffentlichkeit Ägyptens war schockiert. Professor Eugene Rogan schreibt in seinem jüngsten Buch The Arabs: «Die Werte der Aufklärung, denen nach französischer Vorstellung universelle Geltung zukam, waren für viele Ägypter ausgesprochen anstössig – sowohl als Untertanen des Osmanischen Reichs als auch als gläubige Muslime.» Nach nur drei Jahren war das ÄgyptenAbenteuer Napoleons beendet und die Franzosen zogen ab. Als die Osmanen wieder an die Macht kamen, liessen sie alle Ägypter, die die Seite der ungläubigen Invasoren und ihr fremdartiges Wertesystem ergriffen hatten, schwer dafür büssen. Massaker an LO-schweiz.ch Christen waren Teil dieser Vergeltungsaktionen. Ich möchte heute nur noch ein weiteres Beispiel für dieses Dilemma anführen. Unter den Opfern des Genozids an den Armeniern in der Türkei während des ersten Weltkriegs waren auch assyrische Christen. Überlebende flohen in das Gebiet des heutigen Nordiraks. Dort wurden viele assyrische Gemeinden gegründet. Nach dem ersten Weltkrieg wurde der Irak zum britischen Völkerbundmandatsgebiet. Die assyrischen Christen genossen den Schutz der Briten und deren Werte der Aufklärung. Assyrische Soldaten dienten im Interesse ihrer europäischen Beschützer. Als Grossbritannien 1933 Vorbereitungen für die Unabhängigkeit des Iraks traf, machte sich die assyrische Führungsriege Sorgen über ihre Sicherheit unter der zukünftigen islamischen Regierung. Man bat die scheidende britische Mandatsmacht um Garantien zum Schutz der Minderheiten. Die Antwort aus London lautete: Die britische Regierung sei «überzeugt, dass ein spezieller Schutz für ethnische und zu reiten, Turbane zu tragen und sich zu kleiden, wie es ihnen beliebt.» religiöse Minderheiten nicht nötig ist, wenn der Irak ein unabhängiger Staat und ein Mitglied des Völkerbunds geworden ist.» Der britische Generalinspektor in Mosul war direkter in seiner Wortwahl: Wenn die Assyrer sich nicht damit zufrieden gäben, ohne gesonderte Minderheitsrechte im Irak zu leben, sollten sie doch «das Land verlassen». Die Assyrer bekamen die Folgen ihrer Kooperation mit den Europäern und ihrem Wertesystem schon bald zu spüren. Im August 1933 wurden über 1000 Assyrer von kurdischen Milizen und Soldaten der Armee des neuen Staates Irak ermordet. Der Verdacht, dass Christen und Juden sich mit Hilfe nichtislamischer Mächte der islamischen Herrschaft entledigen wollten, geht auf die Anfangszeit des islamischen Staats unter Mohammed und den vier rechtgeleiteten Kalifen zurück. Dieser Verdacht war auch im Irak von 1933 noch stark verwurzelt. Nach Ansicht des verstorbenen Historikers Elie Kedourie glaubten die Angreifer, «dass sie den Briten eine Niederlage zufügten, indem sie assyrische Frauen vergewal- tigten und assyrische Männer ermordeten. Sie sahen in den Assyrern noch immer die Handlanger und Verbündeten der Briten.» Die britische Regierung schwieg dazu. Dieselbe tödliche Dynamik können wir in einem Gebet «gegen die Ungläubigen» von Hassan al-Banna finden, dem Gründer der Muslimbruderschaft, die nun Ägypten regiert: al-Banna bittet den Allmächtigen, die ungläubigen britischen Besatzer und «die, die ihnen halfen und mit ihnen Frieden oder gar Freundschaft schlossen, zu vernichten und sie ins Elend zu stürzen». Die ägyptischen Kopten wurden damals und werden bis heute von der ägyptischen Gesellschaft als solche betrachtet, die den ungläubigen Weltmächten geholfen und mit ihnen Frieden und Freundschaft geschlossen haben. 27 Wir müsse n d a s Schl i m m s t e b e fü rc h te n . Fazit: Düstere Zukunft für religiöse Minderheiten n Die Notlage der religiösen Minderheiten ist heute nicht weniger bedrückend und gefährlich als zur Zeit des Rückzugs Napoleons aus Ägypten oder demjenigen der Briten und später der Amerikaner aus dem Irak. Aus der Sicht der religiösen Minderheiten ist es gerechtfertigt zu sagen: Die Medizin der Aufklärung hat sich – derart schlampig verabreicht – als schlimmer erwiesen als die Krankheit, die sie heilen sollte. Wir müssen das Schlimmste befürchten, mit oder ohne al-Qaida. Die neo-imperialen Staaten des Westens unterstützen im Namen von Demokratie und Menschenrechten die Aufständischen des «Arabischen Frühlings» gegen die Diktatoren, aber sie lassen die religiösen Minderheiten und andere gefährdete Gruppen im Stich. Es gibt keinen wirklichen Anlass zur Hoffnung, dass sich die USA oder ihre Verbündeten ernsthaft und anhaltend für die Einhaltung der Menschenrechte im Sinn der Aufklärung im Nahen Osten einsetzen werden. Die westlichen Politiker wollen sich nicht dem Vorwurf aussetzen, in die Fussstapfen ihrer imperialistischen Vorgänger zu LO-schweiz.ch treten. Sie halten sich lieber zurück, als sich für Sicherheit und verantwortliche Regierungsführung in den weniger entwickelten Ländern der Welt einzusetzen. Strategische Interessen und wichtige Märkte können schliesslich auch ohne direkte Einmischung gewahrt werden und an wertvolle Rohstoffe kann man auch kommen, ohne politische Verantwortung zu übernehmen. Die Zukunft wird zeigen, ob die USA und ihre westlichen Verbündeten bei der Strategie bleiben werden, sich halbherzig für die Anerkennung der Werte der Aufklärung im Nahen Osten einzusetzen, oder ob sie diese Werte von vornherein ganz aufgeben, weil ihre Umsetzung zu aufwändig ist. Stattdessen könnten sie sich mit dem radikalen Islam der Scharia arrangieren – auf Kosten der religiösen Minderheiten. Es gibt Anzeichen dafür, dass Letzteres zutreffen könnte. Keine der beiden Optionen verheisst Gutes für die bedrängten religiösen Minderheiten des Nahen Ostens. Syrien – Alawitische Flüchtlingskinder csi 29 n Die Zukunft religiöser Minderheiten im Nahen Osten CSI startete im Jahr 2012 eine Vortragsreihe zur Zukunft der religiösen Minderheiten im Nahen Osten. Bis im März 2014 wurde zu zehn Vorträgen eingeladen. CSI unterstützte zudem eine Konferenz an der Universität Oxford zum Thema «The Future of Religious Minorities in the Middle East, North Africa and the Two Sudans». Die Konferenz fand im Juni 2013 statt und wurde organisiert vom Sudanese Programme des St. Anthony’s College, University of Oxford. Weitere Infos: www.middle-east-minorities.com Alle Vorträge auf Video: ChristSolidarInt/playlists Fast alle Referate wurden auf Englisch gehalten. Auf Deutsch zur Verfügung stehen die Vorträge von Bassam Tibi und Kishan Manocha. LO-schweiz.ch Vortragsreihe in Zürich / Genf nTaner Akçam, Historian, Clark University The Young Turks’ Crime against Humanity – The Armenian Genocide and Ethnic Cleansing in the Ottoman Empire (06.06.12) nAmine Gemayel, Former President of Lebanon Religious Pluralism in the Middle East: An Option or an Imperative? (13.03.14) nHabib Malik, Associate Professor of History, Lebanese American University Syria, the ‘Arab Spring’ and the Future of Christians and other Religious Minorities (12.06.12) nKishan Manocha, Director of Public Affairs, National Spiritual Assembly of the Baha’is, UK «Outside the Law?» The Baha’i and Political Change in Iran (18.03.14) nMichael Nazir-Ali, Bishop of the Anglican Church The ‘Arab Spring’ and its Aftermath: Implications for Muslim-Christian Relations (30.05.13) nDaniel Pipes, President of the Middle East Forum Religious Minorities in an increasingly intolerant Middle East (07.03.12) nMariz Tadros, Fellow of the Institute of Development Studies, University of Sussex (UK) Islamist Majoritarian Democracy in Egypt – What it Means for Religious Minorities (28.11.12) Vortragsreihe und Konferenz nBassam Tibi, Professor emeritus, Expert on the nSydney Assor, Head of the Moroccan Jewish Middle East and Islam The Middle East Uprisings and the Fate of Religious Minorities in a Shari’a-State. The US-Support for Islamist Rule (19.11.13) nHannibal Travis, Associate Professor of Law, Florida International University Preventing Genocide in the Middle East – The Continuing Relevance of the Ottoman Experience and the Problem of Bias within the United Nations (02.05.13) nBat Ye‘or, Historienne Les conséquences des insurrections arabes pour la dhimmitude: les non-musulmans dans le MoyenOrient aujourd’hui (20.03.14) Community in Britain The Jewish Communities in Morocco, Algeria and Tunisia nNazila Ghanea, Lecturer in International Human Rights Law, Oxford University Minority Rights Protections under International Human Rights Law nNabil Adib Abdullah, Advocate and Human Rights Lawyer, Republic of Sudan Discrimination against Christians: Perpetrated or Condoned by the State of Sudan nPascale Warda, Former Minister of Migration and Displacement, Iraq The Situation of the Christian Communities in Iraq nMariz Tadros, Fellow, Institute of Development Studies, Sussex University From Revolt to Sectarian Ruptures: The Challenges of Building an Inclusive Society in Post-Revolutionary Egypt and Syria nKishan Manocha, Director of Public Affairs, National Spiritual Assembly of the Baha’is, UK Religion, Social Change and Responding to Persecution – the Case of the Baha’i Community in Iran Konferenz an der Universität Oxford, 7. / 8. Juni 2013 nJohn Eibner, Christian Solidarity International Introductory Remarks nBaron Williams of Oystermouth, Former Archbi- shop of Canterbury The Church and Human Rights nAmine Gemayel, Former President of Lebanon The Future of Religious Minorities in the Middle East 31 n Bücher und Berichte zum Thema Neu Dr. Mordechai Kedar Die Situation der Christen im Nahen Osten in den Jahren 2006 – 2011 16 Seiten | 2012 Audiatur-Stiftung Anzahl: n 4 Spende CHF 6.– Karte CSI Neu Anzahl: Anzahl: n n Spende Spende CHF CHF 15.– nn.– 64 Karte Karte Partner CSI Neu Bat Ye’or The Decline of Eastern Christianity under Islam From Jihad to Dhimmitude 522 Seiten | 1996 Fairleigh Dickinson Anzahl: n 9 Spende CHF 30.– Karte CSI Die Hilfe kommt an Zusammen fassungen der Referate vom CSITag 2013 Anzahl: n 26 Spende CHF 5.– Karte CSI Anzahl: Anzahl: Anzahl: n n nSpende Spende Spende CHF CHF 10.– CHF nn.– 6.– 764 Anzahl: Anzahl: n n Spende Spende CHF CHF 30.– nn.– Karte Karte Partner CSI N e u | Name Vorname Adresse PLZ | Ort Telefon E-Mail Anzahl: nan: Bitte einenden 26 A Karte Karte 4-spaltig Partner CSI CSI Neu Taner Autor Akçam The Titel Young TitelTurks’ Titel Titel Crime Titelagainst Titel Titel Humanity Beschreibung The Armenian Genocide and Ethnic nnn Seiten | JJJJ Cleansing XXX-Verlag 483 Seiten | 2012 139 N «Tell My Mother IKedar Autor Dr. Mordechai Miss Her» | The Titel Die Titel Situation TitelDis Titel der appearance, Titel Christen Titel Forced Titel im Nahen Conversions Beschreibung Osten inand den Jahren Forced Marriages 2006-2011 of nnn Coptic Christian 16Seiten Seiten 2012 | |JJJJ Women in Egypt Audiatur-Stiftung XXX-Verlag 32 Seiten | 2012 Daniel AutorGerber Schicksalstage Titel Titel Titel Titel amTitel Fusse der Titel Titel Pyramiden Beschreibung Wie die Kopten den «arabischen nnn Seiten | JJJJ Frühling» erleben XXX-Verlag 206 Seiten | 2012 N Bassam Autor Bat Tibi Ye’or The Titel Shari’a TheTitel Decline State Titel Titel of Arab Titel Eastern Spring Titeland Titel Christianity Democratization Beschreibung under Islam From Jihad to Dhimmitude 242nnn Seiten Seiten | 2013 | JJJJ 522 Seiten | 1996 Routledge-Verlag XXX-Verlag Fairleigh Dickinson Anzahl: Anzahl: Anzahl: n n nSpende Spende Spende CHF CHF 50.– CHF nn.– 30.– 43139 A Karte Karte 4-spaltig Partner CSI CSI nnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnn Autor Die Hilfe nnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnn Titel Titel Titel kommt an Titel Titel Titel Zusammen nnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnn Titel Titel fassungen der Referate vom nnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnn CSITag 2013 Beschreibung nnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnn CSI-Schweiz CHF nn.– | ZelglistrasseAnzahl: n 64 | 8122 Binz Karte Partner 26 Spende CHF 5.– 4-spaltig CSI